entwicklung eines berechnungsverfahrens zur simulation von strömungsinduzierten schwingungen in...

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Entwicklung eines Berechnungs- verfahrens zur Simulation von stro ¨ mungsinduzierten Schwingungen in Rohrbu ¨ ndelapparaten MICHAELFISCHERUNDKLAUSSTROHMEIER * 1 Problemstellung Rohrbu ¨ ndelwa ¨ rmetauscher sind ha ¨ ufig anzutreffende Kom- ponenten im Apparate- und Anlagenbau. Unter dem wirt- schaftlichen Druck, einen immer ho ¨ heren thermischen Wir- kungsgrad erzielen zu mu ¨ ssen, war man zunehmend dazu u ¨ bergegangen, die Durchstro ¨ mungsgeschwindigkeiten zu erho ¨ hen und die Rohrwandsta ¨ rken immer weiter zu redu- zieren. Stro ¨ mungsinduzierte Schwingungen in Rohrbu ¨ ndel- wa ¨ rmetauschern [1], wie sie z. B. in der chemischen und pharmazeutischen Industrie, der Verfahrenstechnik oder der Kraftwerkstechnik eingesetzt werden, fu ¨ hren ha ¨ ufig zu Scha ¨ digungen, die in der Folge zum Stillstand der betrof- fenen Anlage oder zu Unfa ¨ llen fu ¨ hren ko ¨ nnen. Halbempirische Stabilita ¨ tskriterien sind sehr konservativ gestaltet, um dem Auslegungsingenieur ein Werkzeug an die Hand zu geben, mit dem der Instabilita ¨ ts- fall mo ¨ glichst sicher vermieden werden kann. Dadurch aber werden die Anlagen oft uno ¨ konomisch ausgelegt, so dass das eigentlich mo ¨ gliche Leistungspotential nicht voll ausge- scho ¨ pft wird. Bekanntestes Kriterium ist das Connors-Kri- terium [2]. Eine Reihe von Autoren geben modifizierte Kri- terien an [3 – 5]. Grundlegende Schwa ¨ che ist, dass nur Aus- sagen u ¨ ber die Stabilita ¨ tsgrenze getroffen werden ko ¨ nnen, aber keine u ¨ ber die Dauerschwingbelastung der Rohre im zeitfesten Bereich. Die vorhandenen halbempirischen Sta- bilita ¨ tskriterien gegen Rohrbu ¨ ndelschwingungen sind meist schlecht anwendbar, da sie dem Konstrukteur schwer zu- ga ¨ngliche Werte enthalten (z. B. Da ¨ mpfung, dominierende Eigenfrequenz, empirische Faktoren, Spaltgeschwindigkei- ten) und auf reale Beha ¨ ltergeometrien schwierig zu u ¨ bertra- gen sind. Im Rahmen des Forschungsvorhabens AiF 11196 N/1 sollte daher als Fortsetzung der zweidimensionalen Ar- beiten in [6] der dreidimensional rechnende Code FIVSIC- 3D entwickelt werden, der auch die mit Spalt versehenen Lagerungen im Leitblech, die dreidimensionale Stro ¨ mung, die Rohre als elastisches Kontinuum sowie die dreidimen- sionale Geometrie von Wa ¨ rmetauschern beru ¨ cksichtigt, so dass den Hauptkritikpunkten an empirischen Auslegungs- kriterien und zweidimensionalen Simulationen prinzipiell abgeholfen ist: Es wird innerhalb des Strukturmodells das Lagerungsverhalten richtig wiedergegeben, die aus den Stro ¨ mungskra ¨ ften resultierende Fluidda ¨ mpfung wird impli- zit mitgerechnet, es ko ¨ nnen reale Geometrien berechnet werden, und es sind Aussagen u ¨ ber die Ho ¨ he der Amplitu- den mo ¨ glich. 2 Numerisches Berechnungsver- fahren 2.1 Strukturmodell fu ¨ r die Rohrbewegung Fu ¨ r die Simulation der Rohrbewegungsgleichungen wurden die partiellen Differentialgleichungen fu ¨ r die Rohrbiegun- gen w in die zwei zur Rohrla ¨ ngsachse senkrechten Raum- richtungen mit Hilfe finiter Differenzen im Raum entlang der Rohrla ¨ ngsachsenkoordinate x und dem Newmark-Ver- fahren zur Integration in die Zeit t diskretisiert. Die Diffe- rentialgleichung fu ¨r das dynamische Gleichgewicht der Kra ¨ fte an einem Balkenelement infolge der Masse pro La ¨ nge m, der Da ¨ mpfung f, der Steifigkeit EI und der Axialkraft F lautet [7]: m @ 2 w @ t 2 f @w @t EI @ 4 w @x 4 F @ 2 w @x 2 q 1 Ersetzt man die Differentialquotienten durch fi- nite Differenzen und fu ¨ hrt das Newmark-Verfahren ein, so ergibt sich unter Beru ¨ cksichtigung der Randbedingungen an den Einspannstellen die diskrete Bewegungsgleichung: 4M 2tC t 2 K w ! n1 t 2 q ! n1 4M 2tC w ! n 4tM t 2 C w ! n : t 2 Mw ! n :: 2 Dabei ist M die Massenmatrix, C die Da ¨ mpfungs- matrix und K die Steifigkeitsmatrix. 2.2 Finite-Volumen-Modell fu ¨ r die Mantelraumstro ¨ mung Grundlagen der instationa ¨ ren, isothermen, inkompressi- blen, stro ¨ mungsmechanischen Berechnung [10] des Ge- schwindigkeitsfeldes u i und des Druckfeldes p sind in Tensorschreibweise die Kontinuita ¨ tsgleichung: @u i @x i 0 3 die die Massenerhaltung des Fluids mit der Dichte q repra ¨- sentiert, und die Navier-Stokes-Gleichung: q @u i @t q @u i u j @x j @p @x i @s ij @x j 4 als dynamisches Kra ¨ ftegleichgewicht an einem Fluidele- ment. Die Grundgleichungen wurden gema ¨ ß dem Schema von PATANKAR [11] zur Vermeidung von unphysikalischen Oszillationen im Druckfeld auf einem versetzten kartesi- schen Gitter diskretisiert. Der instationa ¨ re Term wird durch Backward-Differenzen zweiter Ordnung dargestellt, die un- problematischen Diffusionsterme durch zentrale Differen- zen. Fu ¨ r die Druckfeldberechnung wird das Druckkorrek- turverfahren SIMPLEC [13] eingesetzt. Fu ¨ r die konvektiven Terme sind die Diskretisie- rungsansa ¨tze UPWIND, PowerLaw, Hybrid und MLU [10 – 13] implementiert worden. Die Visualisierungen von Stro ¨- mungsfeldern in den behandelten Testfa ¨ llen ergab eindeu- .............................................................................................................. * Dipl.-Ing. M . FISCHER , Prof. Dr.-Ing. K . STROH- MEIER , Lehrstuhl fu ¨ r Apparate- und Anlagen- bau, Experimentelle Spannungsanalyse, TU Mu ¨ nchen, Boltzmannstraße 15, D-85748 Garching. 400 WISSENSCHAFTLICHE KURZMITTEILUNGEN Chemie Ingenieur Technik (73) 4 I 2001 S. 400–404 ª WILEY-VCH Verlag GmbH, D-69469 Weinheim, 2001 0009-286X/2001/0404-0400 $17.50 +.50/0

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Entwicklung eines Berechnungs-verfahrens zur Simulation vonstroÈ mungsinduzierten Schwingungenin RohrbuÈ ndelapparaten

M I C H A E L F I S C H E R U N D K L A U S S T R O H M E I E R *

1 Problemstellung

RohrbuÈ ndelwaÈ rmetauscher sind haÈ ufig anzutreffende Kom-ponenten im Apparate- und Anlagenbau. Unter dem wirt-schaftlichen Druck, einen immer hoÈ heren thermischen Wir-kungsgrad erzielen zu muÈ ssen, war man zunehmend dazuuÈ bergegangen, die DurchstroÈ mungsgeschwindigkeiten zuerhoÈ hen und die RohrwandstaÈ rken immer weiter zu redu-zieren. StroÈ mungsinduzierte Schwingungen in RohrbuÈ ndel-waÈ rmetauschern [1], wie sie z. B. in der chemischen undpharmazeutischen Industrie, der Verfahrenstechnik oderder Kraftwerkstechnik eingesetzt werden, fuÈ hren haÈ ufigzu SchaÈ digungen, die in der Folge zum Stillstand der betrof-fenen Anlage oder zu UnfaÈ llen fuÈ hren koÈ nnen.

Halbempirische StabilitaÈ tskriterien sind sehrkonservativ gestaltet, um dem Auslegungsingenieur einWerkzeug an die Hand zu geben, mit dem der InstabilitaÈ ts-fall moÈ glichst sicher vermieden werden kann. Dadurch aberwerden die Anlagen oft unoÈ konomisch ausgelegt, so dassdas eigentlich moÈ gliche Leistungspotential nicht voll ausge-schoÈ pft wird. Bekanntestes Kriterium ist das Connors-Kri-terium [2]. Eine Reihe von Autoren geben modifizierte Kri-terien an [3 ± 5]. Grundlegende SchwaÈ che ist, dass nur Aus-sagen uÈ ber die StabilitaÈ tsgrenze getroffen werden koÈ nnen,aber keine uÈ ber die Dauerschwingbelastung der Rohre imzeitfesten Bereich. Die vorhandenen halbempirischen Sta-bilitaÈ tskriterien gegen RohrbuÈ ndelschwingungen sind meistschlecht anwendbar, da sie dem Konstrukteur schwer zu-gaÈ ngliche Werte enthalten (z. B. DaÈ mpfung, dominierendeEigenfrequenz, empirische Faktoren, Spaltgeschwindigkei-ten) und auf reale BehaÈ ltergeometrien schwierig zu uÈ bertra-gen sind.

Im Rahmen des Forschungsvorhabens AiF 11196N/1 sollte daher als Fortsetzung der zweidimensionalen Ar-beiten in [6] der dreidimensional rechnende Code FIVSIC-3D entwickelt werden, der auch die mit Spalt versehenenLagerungen im Leitblech, die dreidimensionale StroÈ mung,die Rohre als elastisches Kontinuum sowie die dreidimen-sionale Geometrie von WaÈ rmetauschern beruÈ cksichtigt, sodass den Hauptkritikpunkten an empirischen Auslegungs-kriterien und zweidimensionalen Simulationen prinzipiellabgeholfen ist: Es wird innerhalb des Strukturmodells dasLagerungsverhalten richtig wiedergegeben, die aus denStroÈ mungskraÈ ften resultierende FluiddaÈ mpfung wird impli-

zit mitgerechnet, es koÈ nnen reale Geometrien berechnetwerden, und es sind Aussagen uÈ ber die HoÈ he der Amplitu-den moÈ glich.

2 Numerisches Berechnungsver-fahren

2.1 Strukturmodell fuÈ r die Rohrbewegung

FuÈ r die Simulation der Rohrbewegungsgleichungen wurdendie partiellen Differentialgleichungen fuÈ r die Rohrbiegun-gen w in die zwei zur RohrlaÈ ngsachse senkrechten Raum-richtungen mit Hilfe finiter Differenzen im Raum entlangder RohrlaÈ ngsachsenkoordinate x und dem Newmark-Ver-fahren zur Integration in die Zeit t diskretisiert. Die Diffe-rentialgleichung fuÈ r das dynamische Gleichgewicht derKraÈ fte an einem Balkenelement infolge der Masse pro LaÈ ngem, der DaÈ mpfung f, der Steifigkeit EI und der Axialkraft Flautet [7]:

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Ersetzt man die Differentialquotienten durch fi-nite Differenzen und fuÈ hrt das Newmark-Verfahren ein,so ergibt sich unter BeruÈ cksichtigung der Randbedingungenan den Einspannstellen die diskrete Bewegungsgleichung:

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Dabei ist M die Massenmatrix, C die DaÈ mpfungs-matrix und K die Steifigkeitsmatrix.

2.2 Finite-Volumen-Modell fuÈ r dieMantelraumstroÈ mung

Grundlagen der instationaÈ ren, isothermen, inkompressi-blen, stroÈ mungsmechanischen Berechnung [10] des Ge-schwindigkeitsfeldes ui und des Druckfeldes p sind inTensorschreibweise die KontinuitaÈ tsgleichung:

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die die Massenerhaltung des Fluids mit der Dichte q repraÈ -sentiert, und die Navier-Stokes-Gleichung:

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als dynamisches KraÈ ftegleichgewicht an einem Fluidele-ment. Die Grundgleichungen wurden gemaÈ û dem Schemavon PATA N K A R [11] zur Vermeidung von unphysikalischenOszillationen im Druckfeld auf einem versetzten kartesi-schen Gitter diskretisiert. Der instationaÈ re Term wird durchBackward-Differenzen zweiter Ordnung dargestellt, die un-problematischen Diffusionsterme durch zentrale Differen-zen. FuÈ r die Druckfeldberechnung wird das Druckkorrek-turverfahren SIMPLEC [13] eingesetzt.

FuÈ r die konvektiven Terme sind die Diskretisie-rungsansaÈ tze UPWIND, PowerLaw, Hybrid und MLU [10 ±13] implementiert worden. Die Visualisierungen von StroÈ -mungsfeldern in den behandelten TestfaÈ llen ergab eindeu-

..............................................................................................................

* Dipl.-Ing. M . F I S C H E R , Prof. Dr.-Ing. K . S T R O H -M E I E R , Lehrstuhl fuÈ r Apparate- und Anlagen-bau, Experimentelle Spannungsanalyse,TU MuÈ nchen, Boltzmannstraûe 15,D-85748 Garching.

400 W I S S E N S C H A F T L I C H E K U R Z M I T T E I L U N G E NChemie Ingenieur Technik (73) 4 I 2001

S. 400 ± 404 ã WILEY-VCH Verlag GmbH, D-69469 Weinheim, 20010009-286X/2001/0404-0400 $17.50 +.50/0

tig, dass eine Reihe wichtiger StroÈ mungsphaÈ nomene (insbe-sondere WirbelabloÈ sung) von Verfahren niedrigerer Ord-nung unterdruÈ ckt werden, so dass wichtige Anregungsme-chanismen fuÈ r die RohrbuÈ ndelschwingungen vernachlaÈ s-sigt wuÈ rden. Das MLU-Verfahren wurde daher bei allen Be-rechnungen standardmaÈ ûig verwendet. Zur LoÈ sung der ent-stehenden, sehr groûen, duÈ nn besetzten, linearen Glei-chungssysteme mit Bandstruktur ist in der Literatur [10,13] eine Reihe von Verfahren beschrieben worden, von de-nen ein ADI-Line-By-Line-Solver, der SIP3D-Algorithmus,der ICCG-Algorithmus und der CGSTAB-Algorithmus im-plementiert wurden.

Zur Turbulenzmodellierung wurde in der vorlie-genden Arbeit das Large-Eddy-Turbulenzmodell von L I L LY

und G E R M A N O [15, 16] verwendet, bei dem die im urspruÈ ng-lichen Modell vorzugebende Smagorinsky-Konstante nunlokal optimiert aus dem StroÈ mungsfeld berechnet werdenkann. Dadurch wird insbesondere der EnergieruÈ cktransfervon kleinskaligen zu groûskaligen Turbulenzstrukturen(¹back-scatterª) ermoÈ glicht, der im Standard-LES-Modellund in bisher bekannten Zwei-Gleichungs-Modellen nichtenthalten ist, aber als stroÈ mungsbestimmendes physikali-sches PhaÈ nomen nachgewiesen ist.

2.3 Fluid-Struktur-Kopplung

Die stroÈ mungsmechanischen Erhaltungsgleichungen muÈ s-sen auf einem numerischen Gitter diskretisiert werden,um punktweise geloÈ st werden zu koÈ nnen. Ergebnis der Un-tersuchung verschiedener Gitterarten war, dass aufgrundder Anforderungsliste (Speicherplatz sparen, Rechenzeiteinsparen, extreme FaÈ lle abdecken) koÈ rperangepasste,teil- und unstrukturierte Gitter fuÈ r die vorliegende Aufga-benstellung nicht in Frage kommen konnten. Es wurde da-her ein kartesisches Gitter gewaÈ hlt, bei dem die Strukturdurch Ausblockieren einzelner Zellen dargestellt wurde.Zur Kopplung mit der Rohrstruktur wird der sogenannteZelluÈ berdeckungsgrad eingefuÈ hrt [9]. FuÈ r die betrachteteZelle werden die stroÈ mungsmechanische und die struktur-mechanische LoÈ sung fuÈ r die Geschwindigkeit berechnetund mit Hilfe des ZelluÈ berdeckungsgrades gewichtet.

Zur Kopplung der Geschwindigkeiten von StroÈ -mung und Struktur werden die auftretenden StroÈ mungs-kraÈ fte berechnet, auf das Strukturmodell uÈ bertragen unddie resultierenden Verschiebungen und Geschwindigkeitenauf das StroÈ mungsmodul zuruÈ ckuÈ bertragen. Die Lasten aufdie Knoten der Struktur ergeben sich aus:± stroÈ mungsmechanischen Belastungen aus der Aufsum-

mierung aller Druck- und SchubkraÈ fte an der Rohrober-flaÈ che je StroÈ mungsebene,

± KontaktkraÈ ften beim Anschlagen der Rohre in den Leit-blechen,

± KontaktkraÈ ften beim Anschlagen der Rohre unterei-nander sowie aus

± hydraulischen ZusatzkraÈ ften im Spalt durch VerdraÈ n-gung von Fluidmasse durch die bewegten Rohre.

2.4 Besonderheiten an den Lagerspalten

An den moÈ glichen Kontaktstellen zwischen den Rohren undden Leitblechen wurde ein Slip-Stick-Kontaktmodell [7] mitsehr allgemein gehaltenem Reibungsgesetz implementiert.Ein Kontaktmodell zwischen den Rohren konnte aufgrundder sehr leistungsfaÈ higen und stabilen Programmroutinenzur Kopplung von StroÈ mung und Struktur ebenfalls erfolg-reich eingesetzt werden. Durch die EinfuÈ hrung des Kontakt-modells konnte das deterministisch-chaotische Schwin-gungsverhalten der Rohre im RohrbuÈ ndel nachgerechnetwerden. Abb. 1 zeigt ein Beispiel fuÈ r eine Trajektorie einesRohrmittelpunktes im sog. ¹Center Circleª, der die Bahn desRohrmittelpunktes beim Abrollen des Rohrs in der Bohrungdarstellt.

Im Ringspalt zwischen Rohr und Leitblechboh-rung ergeben sich LeckagestroÈ mungen aufgrund der Druck-differenz oberhalb und unterhalb der Leitbleche sowie beiRohrbewegungen zusaÈ tzliche KraÈ fte infolge der Filmbil-dung bei VerdraÈ ngung. HierfuÈ r wurde ein analytisches Be-

Abbildung 1.Trajektorie des Rohrmittelpunktes innerhalb eines ¹CenterCirclesª.

Abbildung 2.Geschwindigkeitsverteilung homogen angestroÈ mter elasti-scher Einzelzylinder in einem Kanal.

401S i c h e r h e i t s t e c h n i kChemie Ingenieur Technik (73) 4 I 2001

rechnungsmodell entwickelt [19], das es gestattet, die Lek-kagestroÈ me in den Leitblechspalten und die waÈ hrend derRohrbewegung in den Spalten zusaÈ tzlich auftretenden Ver-draÈ ngungskraÈ fte der SpaltstroÈ mung zu bestimmen.

2.5 Beispielrechnungen

Durch die EinfuÈ hrung des ZelluÈ berdeckungsgrades wurdendreidimensional gekoppelte Berechnungen der stroÈ mungs-induzierten Schwingungen von querangestroÈ mten Zylin-dern [18], an TestrohrbuÈ ndeln undrealen RohrbuÈ ndeln ermoÈ glicht. Zu-naÈ chst wurden umfangreiche Testrech-nungen an Einzelzylindern durchge-fuÈ hrt (s. Abb. 2) und mit analytischenWerten und Literaturwerten vergli-chen. Die Ûbereinstimmungen hin-sichtlich Widerstands- und Auftriebs-beiwerten sowie der WirbelabloÈ sefre-quenz waren dabei sehr gut.

Abb. 3 zeigt als Testbeispieldie Geschwindigkeits- und Druckver-teilungen in einem aus 60 beweglichenRohren bestehenden BeispielbuÈ ndel.Zum Abschluss der Arbeiten am Pro-gramm wurde ein reales RohrbuÈ ndel si-muliert, das aus 250 Rohren, zwei Um-lenkblechen sowie Zu- und Ablaufstut-zen besteht. Abb. 4 zeigt die Geschwin-digkeitsverteilung in der EinstroÈ mkam-mer. Die dabei auftretenden hohenSpaltgeschwindigkeiten fuÈ hren zueiner erhoÈ hten SchwingungsgefaÈ hr-dung der Rohre im Zulaufbereich. DasModell besteht aus 45 � 135 � 135 =820 125 Zellen.

3 Experimentelle Arbeiten3.1 Der Versuchsstand

Um das gekoppelt rechnende Programm uÈ berpruÈ fen zu koÈ n-nen, mussten die numerisch ermittelten RMS-Werte derRohrbeschleunigungen mit den entsprechenden Beschleu-nigungsmesswerten in einem Versuchsstand verglichenwerden. Der Versuchsstand besteht aus zwei Østen eines ge-schlossenen Wasserkreislaufs mit einem maximal zulaÈ ssi-

Abbildung 3.Querstromzone mit Geschwindigkeitsvektoren und Druck-verteilung im realen BuÈ ndel.

Abbildung 4.Zustromzone mit Geschwindigkeitsvektoren und Geschwin-digkeitsverteilung im realen BuÈ ndel.

Abbildung 5.Ûbersichtszeichnung zum Versuchsstand.

402 W I S S E N S C H A F T L I C H E K U R Z M I T T E I L U N G E NChemie Ingenieur Technik (73) 4 I 2001

gen Betriebsdruck von 5 bar bei Raumtemperatur. Abb. 5zeigt eine Ûbersicht. Als Messstrecke fungiert ein ± realenKonstruktionen von RohrbuÈ ndelwaÈ rmetauschern nach-empfundener ± senkrecht stehender BehaÈ lter, der modularaufgebaut ist. Das Bodenteil (18) umfasst einen Dreifuû,an den ein Zylinderteil mit Bodenplatte, Zulaufstutzenund Anschlussflansch geschweiût ist. Das Mittelteil (19) be-steht aus einem zylindrischen KoÈ rper mit zwei Anschluss-flanschen und das Oberteil (20) aus einem zylindrischenKoÈ rper mit Anschlussflansch, Ablaufstutzen und Deckelin Schnellverschlussbauweise (21). Durch den Zulaufstut-zen stroÈ mt Wasser in den BehaÈ lter ein.

3.2 Die Messtechnik

Das Schwingungsverhalten der Rohre wurde mit Hilfe vonpiezo-elektrischen ICP-Beschleunigungssensoren vermes-sen, die mit einem integrierten LadungsverstaÈ rker ausge-stattet sind. Dazu ist der obere Schnellverschluss (21) miteiner BeluÈ ftungsoÈ ffnung mit Verschlusshahn und mit einermittels Plastilin und einer Spannschraube abdichtbarenFuÈ hrung versehen, die die Signalkabel der Messsensorikaufnimmt. Die Stromversorgung fuÈ r den LadungsverstaÈ rkerwird von der Messkarte aus im Messkabel mitgefuÈ hrt. Diedirekte Messung der Beschleunigung zum Vergleich mitden numerischen Ergebnissen des in der vorliegenden Ar-beit entwickelten FSI-Codes ist gerechtfertigt, da die lokaleBeschleunigung der Rohre wegen der Verwendung derNewmark-Integration eine immanente GroÈ ûe des numeri-schen Berechnungsschemas darstellt.

4 Vergleich und Schlussfolgerung

Der bisherige Vergleich ergibt eine zufriedenstellende Ûber-einstimmung zwischen den experimentell und numerischermittelten RMS-Beschleunigungswerten der Rohre an un-terschiedlichen Messpositionen entlang der RohrlaÈ ngsach-sen, wie Abb. 6 zeigt. Insbesondere das Anschlagen derschwingenden Rohre in den Leitblechbohrungen hat nachRechnung und Messung groûen Einfluss auf dasSchwingungsverhalten und die Belastungen der einzelnenRohre.

Mittels numerischer Simulation ist es uÈ ber die ge-nauere Bestimmung der kritischen Werte hinaus moÈ glich,Aussagen uÈ ber die Schwingungsamplituden der Rohre zu

erhalten, damit auf das herrschendeSpannungsniveau zu schlieûen und so-mit letztlich Lebensdauerwerte fuÈ r dieRohre anzugeben. Ûber die Auswer-tung der KontaktkraÈ fte in den Spaltenzwischen Rohren und Leitblechen istweiter der Weg zu einer Bewertungdes Abriebs der Rohre in den Leitble-chen geebnet. Weitere, den WaÈ rmetau-scher charakterisierende, stroÈ mungs-technische Werte, wie etwa den Druck-verlust des WaÈ rmetauschers, erhaÈ ltman quasi als Nebenprodukt zusaÈ tzlich.

Die Arbeiten wurden vom 1. Juli 1997 bis 29. Februar 2000uÈ ber die ¹Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschung (AiF)Otto von Guerickeª (AiF 11196 N/1) vom BundesministeriumfuÈ r Wirtschaft gefoÈ rdert.

Eingegangen am 12. September 2000 [K 2780]

Literatur

[1] K U L L , H .; S T U D E R , H . U.StroÈ mungsinduzierte Schwingungen in Glattrohr-waÈ rmetauschern, Technische Rundschau (1989) Nr.39, S. 1/18.

[2] C O N N O R S, H . J.Fluidelastic Vibration of Heat Exchanger Tube Ar-rays, Transactions of the ASME, J. Mechan. Design100 (1978) S. 347/353.

[3] PA I D O U S S I S, M . P.Flow-Induced Vibrations in Nuclear Reactors,Practical Experience and State of Knowledge, in:

N AU D A S C H E R , E .; R O C K W E L L , D., Practical Experiencewith Flow-Induced Vibrations, Springer Verlag,Berlin, Heidelberg, New York 1980.

[4] P R I C E , S. J.A Review of Theoretical Models For FluidelasticInstability of Cylinder Arrays in Cross-Flow, J.Fluids Structures 9 (1995) S. 463/518.

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[7] F I S C H E R , M .; S T R O H M E I E R , K .Numerical Simulation of Baffle-Supported TubeBundle Vibration by the Method of Finite Differen-ces, Chem. Eng. Technol. 21 (1998) 5, S. 431/435.

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[9] F I S C H E R , M .; S T R O H M E I E R , K .Numerical Simulation of the Lock-In Effect of a Fi-xed-Fixed Tube in Cross Flow, Chem. Eng. Technol.22 (1999) 4, S. 353/359.

[10] S C H Ú N U N G, B. E .Numerische StroÈ mungsmechanik, Springer, Hei-delberg 1993.

Abbildung 6.Vergleich: Berechnete und gemessene RMS-Beschleunigungsverteilung uÈ ber derRohrlaÈ ngsachse.

403S i c h e r h e i t s t e c h n i kChemie Ingenieur Technik (73) 4 I 2001

[11] PATA N K A R , S. V.Numerical Heat Transfer and Fluid Flow, McGraw-Hill, London 1980.

[12] C H O I , S. K .; N A M , H . Y.; C H O, M .Evaluation of a Higher-Order Bounded ConvectionScheme: Three-Dimensional Numerical Experi-ments, Numerical Heat Transfer, Part B, Band 28,1995, S. 23/28.

[13] N O L L , B.Numerische StroÈ mungsmechanik. Springer,Heidelberg 1993.

[14] W I L C OX , D. C.Turbulence Modeling for CFD, DCW IndustriesInc., La CanÄ ada, Californien, 1994.

[15] L I L LY, D. K .A Proposed Modification of the Germano Subgrid-scale Closure Method, Phys. Fluids A 4 (1992) 3,S. 633/635.

[16] G E R M A N O, M .; P I O M E L L I , U.; M O I N, P.; C A B OT, W. H .A Dynamic Subgrid-scale Eddy Viscosity Model,Phys. Fluids A 3 (1991) 7, S. 1760/1765.

[17] B E R N E RT, K .; E P P L E R , A .Large-Eddy-Simulation ± Grundlagenorientierteund anwendungsbezogene Untersuchungen zuModellierungs- und numerischen Komponenten,Forschungsbericht, TU Chemnitz-Zwickau 1996.

[18] F I S C H E R , M .; S T R O H M E I E R , K .Three-Dimensional Simulation of Single Fixed-Fi-xed Tube Vibration Induced by Cross-Flow Includ-ing Bending and Torsion, ASME PVP Conference,Vol. 396, Boston, 1./5. Aug. 1999, S. 285/290.

[19] F I S C H E R , M .; D R A G O N, D.; S T R O H M E I E R , K .Ûber analytische und numerische Berechnungenlaminarer StroÈ mungen innerhalb eines Sichelspaltszwischen einem bewegten WaÈ rmetauscherrohr undeiner Leitblechbohrung, 19. Konstruktions-Sympo-sium der DECHEMA e.V., Frankfurt/Main, 4./5. Febr.1999, S. 145/154.

[20] F I S C H E R , M .; S T R O H M E I E R , K .Entwicklung eines Berechnungsverfahrens zur Si-mulation von stroÈ mungsinduzierten Schwingungenin RohrbuÈ ndelapparaten, Schlussbericht, AiF-For-schungsvorhaben 11196 N/1, 31. Mai 2000.

Úkoeffizienz-Analyse als betrieblicherNachhaltigkeitsindikator*

A N D R E A S K I C H E R E R * *

1 Motivation zur EinfuÈ hrung derÚkoeffizienz-Analyse

± Wie kann der abstrakte Begriff Nachhaltigkeit in einemchemischen Groûunternehmen implementiert und ankonkreten Beispielen anschaulich und uÈ bersichtlichdargestellt werden?

± MuÈ ssen Úkonomie und Úkologie unuÈ berwindliche Ge-gensaÈ tze darstellen?

± Wie sind die Produkte der chemischen Industrie im ge-samten Lebensweg, d. h. von der Wiege bis zur Bahre, zubewerten?

Um diese und aÈ hnliche Fragen zu beantworten,hat die BASF seit 1996 das Instrument der Úkoeffizienz-Analyse entwickelt und schon bei mehr als 100 verschiede-nen Produkten und Verfahren angewandt. Ziel der Úkoeffi-zienz-Analyse ist eine uÈ bersichtliche und eingaÈ ngige Dar-stellung der oÈ konomischen und oÈ kologischen EinfluÈ ssewaÈ hrend des gesamten Lebenswegs unserer Produkte. Da-bei steht stets der konkrete Kundennutzen im Mittelpunkt.Ausgehend davon werden saÈ mtliche relevanten MoÈ glichkei-ten, diesen Kundennutzen zu erfuÈ llen, in die Untersuchungmit einbezogen. FuÈ r jede dieser Optionen werden die jewei-ligen Kosten fuÈ r den Endverbraucher und die Umweltlastenermittelt und miteinander verglichen. Bei der Kostenermitt-lung werden betriebs- und volkswirtschaftliche Modelleeingesetzt, und bei den oÈ kologischen Lasten wird eine Úko-bilanz angelehnt an die DIN 14040 und folgende durchge-fuÈ hrt.

Die Úkoeffizienz-Analyse wird genutzt, um nach-haltige Produkte von weniger nachhaltigen zu unterschei-den und bei Investitionsentscheidungen die langfristig besteAlternative zu waÈ hlen und um bei ForschungsvorhabenfruÈ hzeitig die besten Alternativen auszuwaÈ hlen.

Am konkreten Beispiel der Renovierung einesAltbaus soll das Vorgehen erlaÈ utert werden.

2 Beispiel: WaÈ rmedaÈ mmverbund-system

Bei diesem Projekt wurde als konkreter Kundennutzen dieDaÈ mmung von 1600 m2 AltbauoberflaÈ che festgelegt. Dazusollte ein WaÈ rmedaÈ mmverbundsystem mit einem gesamtenK-Wert von 0,29 W/m2 K angebracht werden. Um diesenKundennutzen zu erfuÈ llen, sind prinzipiell 3 verschiedeneOptionen moÈ glich. Die DaÈ mmung kann entweder mit Stein-faser, Styropor oder Neopor, dem neu entwickelten DaÈ mm-stoff der BASF, durchgefuÈ hrt werden. Aufgrund der etwashoÈ heren WaÈ rmeleitfaÈ higkeit muss dabei bei Steinfaserund bei Styropor die DaÈ mmdicke 12 cm betragen, wohinge-

..............................................................................................................

* Vortrag anlaÈ sslich der GVC-Jahrestagung,20./22. Sept. 2000 in Karlsruhe.

** Dr. A . K I C H E R E R , BASF AKTIENGESELLSCHAFT,DUP/CE ± Z 570, D-67056 Ludwgishafen.

Abbildung 1.Wandaufbau.

404 W I S S E N S C H A F T L I C H E K U R Z M I T T E I L U N G E NChemie Ingenieur Technik (73) 4 I 2001

S. 404 ± 406 ã WILEY-VCH Verlag GmbH, D-69469 Weinheim, 20010009-286X/2001/0404-0404 $17.50 +.50/0