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Hochleistungs- und Rennmotoren, Haus der Technik 1 Entwicklung eines V4-Motors für die GP1-Rennserie Kurt Trieb, Christian Mayrhofer 1 Einleitung Die Philosophie von KTM Sportmotorräder ist besonders stark auf Innovationen und Erfolge im Rennsport ausgelegt. Im Slogan „Ready to Race” verbirgt sich die konsequente Rennerprobung von Neuentwicklungen und deren direkte Überleitung in die Serienentwicklung. Dieses Erfolgskonzept, das im Offroad Bereich für Marktvorteile sorgte, soll auch die Straßenmotorradentwicklung vorantreiben. Der Einstieg in die Motorradweltmeisterschaft wurde 2003 mit einem 125ccm 2-Takt Rennmotorrad unternommen. Parallel dazu entschloss sich KTM als Grundlagenentwicklung einen für die MotoGP- Klasse geeigneten Motor zu realisieren.

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Hochleistungs- und Rennmotoren, Haus der Technik 1

Entwicklung eines V4-Motors für die GP1-Rennserie Kurt Trieb, Christian Mayrhofer

1 Einleitung Die Philosophie von KTM Sportmotorräder ist besonders stark auf Innovationen und Erfolge im Rennsport ausgelegt. Im Slogan „Ready to Race” verbirgt sich die konsequente Rennerprobung von Neuentwicklungen und deren direkte Überleitung in die Serienentwicklung. Dieses Erfolgskonzept, das im Offroad Bereich für Marktvorteile sorgte, soll auch die Straßenmotorradentwicklung vorantreiben. Der Einstieg in die Motorradweltmeisterschaft wurde 2003 mit einem 125ccm 2-Takt Rennmotorrad unternommen. Parallel dazu entschloss sich KTM als Grundlagenentwicklung einen für die MotoGP-Klasse geeigneten Motor zu realisieren.

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Autor: Kurt Trieb, Christian Mayrhofer Titel: Entwicklung eines V4–Motors für die GP1 Rennserie Die MotoGP Klasse geht von folgenden Randbedingungen aus:

Ausschließlich Prototypen mit einem Hubraum von max. 990ccm

Motorradgesamtgewicht: 2 und 3 Zylinder Motoren - 135kg 4 und 5 Zylinder Motoren - 145kg ab 6 Zylinder Motoren - 155kg

Saugmotoren, keine Aufladung

Max. Tankinhalt 24 Liter, 2005 - 22 Liter

2 Konzeptentscheidung und Entwicklungsziele

2.1 Konzeptenscheidung

Die Tabelle 2-1 zeigt die wichtigsten Beurteilungsgrundlagen für die Konzeptentscheidung und ihre Bewertung. Der Vergleich umfasst die Motorvarianten, die derzeit in der MotoGP WM von anderen Herstellern eingesetzt werden und die von KTM realisierte Konfiguration, den V4 mit 75° V-Winkel. Vor dem Hintergrund des Gesamtkonzepts Motorrad werden die Matrixkriterien zusätzlich gewichtet. Hauptkriterien für die Konzeptentscheidung sind ein breites nutzbares Drehzahlband mit einem hohen Anspruch auf die Drehmomentcharakteristik und die Motorabmessungen hinsichtlich Fahrzeugpackaging (Abbildung 2-1). Der V-Motor mit 75° hat hier entscheidende Vorteile bei gleichzeitiger Erfüllung der geforderten Nebenkriterien.

Leistungs-entfaltung

Fahrzeug-packaging

Schwingungs-anfälligkeit;

Hochdrehzahl-konzept

Massen-ausgleich

Gesamt-gewicht

Ab-messungen

Kraftstoff-verbrauch

3 Zyl. Reihe o o - + ++ o +

4 Zyl. Reihe + - o o + - o

V4 75° + + + + o + o

V4 90° + o + ++ o o o

V5 75,5° + + + + o + -

Tabelle 2-1: Konzeptentscheidungsmatrix

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Hochleistungs- und Rennmotoren, Haus der Technik, 3 Autor: Kurt Trieb, Christian Mayrhofer Titel: Entwicklung eines V4–Motors für die GP1 Rennserie

Abbildung 2-1: Motorpackaging im Gesamtfahrzeug

2.2 Entwicklungsziele

Folgende Kernpunkte des Lastenhefts definierten zu Projektbeginn die vielfältigen technischen Anforderungen.

230 PS bei 15500 U/min, 120 Nm bei 12500 U/min

Breites nutzbares Drehzahlband von 8000 U/min bis 16500 U/min mit einem Drehmoment über 90Nm

Fahrbarkeit – Drehmomentcharakteristik ohne Einbrüche

Komponentenauslegung bis zu 18000 U/min

Pneumatische Ventilfedern

Reibungsoptimierung – integrierte Trockensumpfschmierung mit Minimierung von Pansch- und Pulsationsverlusten

Kompakte Bauweise

Renndistanz 120km - Kraftstoffverbrauch unter 21 Liter

Gewichtslimit: 58 kg

Laufleistung: 1000km im Rennbetrieb ohne Revision, anschließend zweimalige Motorrevision

Entwicklungszeit: 12 Monate

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Autor: Kurt Trieb, Christian Mayrhofer Titel: Entwicklung eines V4–Motors für die GP1 Rennserie

3 Motorkonzept Bei allen Konzeptfestlegungen wurde von Beginn an darauf geachtet, dass die hoch gewichteten Matrixkriterien, „leistungsoptimierter Basismotor“ sowie die Abmessungen in Bezug auf das Gesamtfahrzeugpackaging grundlegenden Einfluss für die weiteren Konstruktionsüberlegungen spielen mussten. Besonderer Wert wurde auf integrative Lösungsansätze gelegt, die das Potential des Grundmotors auch für weitere Innovationsschritte schaffen. Als Beispiel sei hier der pneumatische Ventiltrieb, das Schaltkonzept des Getriebes oder auch das Ölsystem genannt. Diese Entwicklungsziele wurden in den Umfängen der Grundmotorenkonstruktion rigoros verfolgt und werden im weiteren in den Unterpunkten erklärt. Tabelle 3-1 zeigt die Grundkonfiguration der KTM Motorneuentwicklung des GP1 990 V4. Bauart/ V-Winkel -/° V4/75 Zündfolge - 1-4-2-3 Kurbelwellenkröpfung °KW 360 Zylinderabstand mm 94 Bohrung /Hub mm 84/44.6 Hubraum cm³ 989 Pleuellänge mm 96.5 Ventile/ Zylinder - 4 E/A Ventilflächenverhältnis - k.A. Verdichtungsverhältnis - 14:1 Gemischaufbereitung 2 Einspritzdüsen / Zylinder Ventiltrieb Schlepphebeltrieb, pneumatische Ventilfeder Steuertrieb Rädertrieb Kühlung Querstrom - Wasserkühlung Schmierung Integrierte Trockensumpfschmierung Getriebe 6 Gang Kassettengetriebe Massenausgleich 95% Ausgleich osz. Kräfte 1. Ordnung mit

Gegengewichten an Kurbelwangen und gegenläufig rotierende Ausgleichsräder, 100% Ausgleich Momente

1. Ordnung an den Ausgleichsrädern Kupplung Trockenkupplung Motormanagement McLaren Electronics Motorgewicht kg 58

Tabelle 3-1: Charakteristische Motorkenngrößen

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3.1 Motorgehäuse

Die im Sandgussverfahren hergestellten Motorgehäusehälften (Abbildung 3-1) aus G AlSi7MgCu 0.5 sind horizontal geteilt. In dieser Teilungsebene befindet sich auch die Lagerung der Abtriebswelle des Getriebes. Das Gehäuseoberteil ist als Closed–Deck Konstruktion ausgeführt und vereint die gewünschte Leichtbauweise mit den Anforderungen an die erhöhte Struktursteifigkeit. Die Zylinderlaufflächen sind gemäß den hohen tribologischen Beanspruchungen nikasilbeschichtet. Pro Zylinderbank sorgen 6 Zuganker für die Verbindung Zylinderkopf zu Gehäuseoberteil. Aufgrund der hohen Spitzenverbrennungsdrücke und der Hochdrehzahlkonzept bedingten Massenkräfte sorgt eine Bedplate– Konstruktion in Verbindung mit einer Doppelverschraubung für eine Anpassung an die erhöhten Belastungen. Vorrangiges Ziel war die steife Ausführung der Hautlagergasse und die direkte Führung der Kraftlinien von Zylinderkopf über die Zugankern des Kurbelgehäuseoberteils zu einer steifen Anbindung der Bedplate– Konstruktion. Somit können im Volllastbetrieb die Spitzen in den Flächenpressungen, die Spannungen und die spezifischen Lagerdeformationen verringert werden. Die konstruktionsgerechte Umsetzung der Forderung nach integrativen Lösungen wurde im Gehäuse mit der Wasserführung im V der Zylinderbänke realisiert. Korrespondierend zu diesen Konstruktionsmerkmalen wurde im Unterteil das Gehäuse für Ölabsaugpumpen, Öldruckpumpe und mechanischem Öl/Luft – Zentrifugalabscheider eingebunden. Ein weiteres motorradspezifisches Merkmal ist das angegossene Getriebegehäuse mit integrierten Lagerstühlen wobei die Ausführung als Schnellwechselgetriebe für den Rennsport vorausgesetzt wird.

zentrale Wassereinspeisung im V

Getriebe-Lagerschild des Kassettengetriebes

Verschraubung Hauptlager

Raum für Ölpumpe

Abbildung 3-1: Gehäusequerschnitt GP1 990 V4

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3.2 Kurbeltrieb

Das Kernstück des Triebwerks (Abbildung 3-4) bildet die dreifach gelagerte, aus dem Vollem bearbeitete Kurbelwelle mit 4 Gegengewichten und gasnitrierten Haupt und Pleuellagern. Aufgrund von gasdynamischen Vorteilen in der Gesamtabstimmung von Ein- und Auslasssystem wurde eine Kurbelwellenkröpfung von 360° ausgeführt. Die hervorragende Biege– und Torsionssteifigkeit und der am Triebwerk konsequent betriebene Leichtbau gewährleistet eine hohe Eigenfrequenz und die Grundlage für das Hochdrehzahlkonzept. Der Ausgleich der Massenkräfte und Momente erfolgt über Unwuchten an den Kurbelwangen und zusätzlichen zwei Ausgleichsrädern an den Seitenflächen des Kurbelgehäuses. Mit dieser Anordnung werden die Massenkräfte 1. Ordnung zu 95% und die Massenmomente 1. Ordnung zu 100% ausgeglichen. Bei Betrachtung der ersten beiden Ordnungen ist die Gesamtbelastung für die Motoraufhängungspunkte vergleichsweise geringer als beim 4 Zylinder Reihenmotor (Abbildung 3-2).

Abbildung 3-2: Gesamtkräfte an den Motoraufhängungspunkten

Die Pleuel sind als geschmiedete Titan–Pleuel der Firma Pankl konzipiert und mittels Berechnungsmethoden gewichts– und spannungsoptimiert. Besonderes Augenmerk galt hier der Anbindung der hochfesten (Rp0,2>1800N/mm²) Pleuelschrauben. Die Ölversorgung des kleinen Pleuelauges erfolgt über eine Bohrung im Pleuelschaft.

Abbildung 3-3: Pleuelberechnung

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Zielsetzung für die Kolben beziehungsweise die Kolbenring – Paketauslegung war die Massen und die Reibleistungsoptimierung. Durch die konsequente, festigkeitsoptimierte Detailkonstruktion konnte die Kolbenbaugruppe auf ein Gesamtgewicht einschließlich des Kolbenbolzens, der Kolbenbolzensicherung und des Ring - Pakets auf 243g minimiert werden. Zur Verringerung der Reibleistung wurde nur ein Kompressionsring als Rechteckring ausgelegt. Die Funktion des Ölabstreifrings übernimmt ein Öllochring mit Schlauchfeder. Der Kolbenbolzen mit DLC (Diamond Like Carbon – amorphe Kohlenstoffschicht) Beschichtung sorgt für geringsten Verschleiß und tribologische Vorteile.

Primärtrieb

Antrieb Rädertrieb

gegenläufig rotierende Ausgleichsräder

Schwermetallstopfen

Abbildung 3-4: Kurbeltrieb mit Ausgleichsräder

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3.3 Zylinderkopf

Der Zylinderkopf (Abbildung 3-5) wird im Sandgussverfahren aus G AlSi7MgCu 0.5 hergestellt. Er ist als Vierventilkonzept mit zentraler Zündkerzenposition konzipiert. Die zwei Nockenwellen werden dreifach gleitgelagert und zusätzlich durch ein Nadellager abgestützt. Der Antrieb der mechanischen Kraftstoffdruckpumpe wird über die Auslassnockenwelle integriert. Der Ventilsitzring und die Ventilschaftführung wurden aus Kupferberyllium hergestellt. Die Forderung nach einem kompakten, verbrennungsoptimierten Brennraum, hoher Verdichtung und maximale mögliche Ausnutzung von Ventilquerschnitten, führten zu einer leicht radialen Anordnung der Ventile. Die Integration der Pneumatikfeder erfolgt über angegossene Zylinder und Druckleitungen zur leckagebedingten Versorgung mit Stickstoff und zur Bereitstellung des geforderten Systemdruckes. Die Lagerung der Schlepphebel wird über eingeschraubte Lagerböcke gewährleistet. Die Funktionen der Zylinderkopfdichtung übernehmen gasgefüllte Stahlringe hin zum Brennraum und zusätzlich O-Ringe für den dichten Durchtritt der Kühlwasser– und Ölströme. Die obere Lagerung der beiden Nockenwelle pro Zylinderbank erfolgt direkt durch die aus Aluminium gefräste Zylinderkopfhaube. Diese konstruktive Lösung ermöglicht eine äußerst steife Nockenwellenlagerung und eine kompakte Bauweise.

Lagerbock Zylinderkopfhaube

Pneumatikfeder

Wassermantel

Abbildung 3-5: Schnittdarstellung der Zylinderkopfbaugruppe

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3.4 Steuertrieb

Der hohe Anspruch an die Genauigkeit des nachzubildenden kinematischen Ventilhubes und die Forderung nach Einhaltung der Steuerzeiten im dynamischen Betrieb resultiert in der mechanischen Ausführung des Steuertriebs als Zahnradtrieb (Abbildung 3-6). Die konzeptionelle Festlegung des Ventiltriebs und der sich daraus ergebender Möglichkeiten in der Gestaltung der Ventil–Beschleunigungen, führt zu hohen dynamischen Belastungen. Die ausgeführte Wahl der Untersetzungsstufen zusammen mit steifer Zahnradkonstruktion in Verbindung mit der Gehäuseausführung ermöglicht den Betrieb bis 18000 U/min mit respektablen Sicherheitsabstand zu den Systemeigenfrequenzen. Die Anregung kommt aus der 1. und 3. Motorordnung der Nockenwellenmomente. Die erste Dreheigenfrequenz des Systems liegt bei ca. 1150 Hz, was bei einer Anregung der 3. Motorordnung einer Motordrehzahl von 23000 U/min entspricht.

Einlassnockenwelle

Auslassnockenwelle

Zwischenräder

Ausgleichsrad 1

Abbildung 3-6: Zahnradanordnung des Steuertriebs

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3.5 Ventiltrieb

Als uneingeschränkt geeignetes Steuerungskonzept für den Ladungswechsel wurde, korrespondierend der Hochdrehzahl–Anforderungen eines Rennmotors, der Ventiltrieb als Schlepphebeltrieb mit pneumatischer Ventilfeder ausgeführt (Abbildung 3-7). Im Fordergrund stand einerseits die freie Gestaltung des kinematischen Ventilhubverlaufs zur Optimierung des Liefergradverhaltens, und andererseits die mechanische Robustheit des Systems. Die Realisierung der gewünschten Ventilbeschleunigungen und des dynamischen Verhaltens des Ventiltriebs resultieren in einer konsequenten Massenreduzierung der Einzelkomponenten. Die Ventile und die Pneumatikkolben wurden aus Titan, die Ventilsitze und die Ventilführung aus Kupferberyllium gefertigt. Die oszillierenden Massen und wesentliche Kenngrößen des Ventiltriebs sind in der Tabelle 3-2 abgebildet.

Einheit Einlass Auslass Ventil g 19.25 17 Ventilkeile g 0.45 0.45 Einstellplättchen g 0.85 0.85 Pneumatikkolben g 6 5.35 oszillierender Schlepphebelanteil g 8.46 8.46 Gesamtmasse oszillierend g 35.01 32.11 Ventilhub mm 14.5 12.1 Max. Ventilbeschleunigung mm/rad² 77 62 Öffnungsdauer bei 1mm Hub °KW k.A k.A

Tabelle 3-2: Kenngrößen des Ventiltriebs

Der Einsatz von pneumatischen Ventilfedern reduziert entscheidend die bewegte Gesamtmasse bei gleichzeitiger Optimierung des dynamischen Schwingungsverhaltens. Weiters ergeben sich Vorteile in der Federkennlinienanpassung durch Variation des Pneumatikdrucks und des Verdichtungsverhältnisses im Zylindervolumen. Das Layout des Pneumatiksystems ist in Abbildung 3-8 dargestellt. Als Druckspeicher dient ein integrierter Hochdruckbehälter (250bar) im V der Zylinderbänke, der über ein mechanisches 2 Stufenventil und ein Dämpfervolumen, den Systemdruck (13bar) für die Pneumatikzylinder zur Verfügung stellt. Der Verbrauch von Stickstoff der pneumatischen Ventilfedern entspricht den konstruktionsbedingten Leckageverlusten, die vom Niederdrucksystem über Drosselquerschnitte hin zum Zylindervolumen ausgeglichen werden. Zur Optimierung des tribologischen Verhaltens des Ventiltriebs wurden Nockenwellen und Schlepphebel mit einer DLC Beschichtung versehen. Die Frischölschmierung wird über Spritzdüsen, die den Kontakt Nockenwelle zu Schlepphebel versorgen, gewährleistet.

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Schlepphebel

pneumatische Ventilfeder

eL

Abbildung 3-7: Einzelventiltrieb GP1 990 V4

T-Verbindu

System am Motorrad

Zyl.kopf 3/4

Hochdruck-sensor

Druckregel- Anschluss Pventil Niederdruck einheit/ Zyl.

sensor

Dämpfungsvolum en70 cm ³

Hochdruck-behälter Filter und Einwegeventil170 cm³

Pneumatik Layout am Motorrad

Abbildung 3-8: Prinzipdarstellung des Pneumatiksystems

ingeschraubteragerbock

ng

Zyl.kopf 1/2

neumatik-kopf

flascheHochdruck-behälter

Absperrventil

HochdrucklinieNiederdrucklinie

Versorgungs-

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3.6 Ölhaushalt und Motorentlüftung

Der Ölhaushalt und die Motorentlüftung hatten in der Entwicklung und in der konstruktiven Ausführung des Konzepts für den Ölkreislauf zentrale Bedeutung. Die Aufmerksamkeit, insbesondere bei Hochdrehzahlkonzepten, bedarf einer gezielten Reibleistungsminimierung durch Verringerung der Pulsations- und Panschverluste. Die ausgeführte, integrierte Trockensumpfschmierung besitzt einen Druck- und einen Saugkreislauf. Dieser, modular aufgebaute Pumpenstrang (Abbildung 3-9), besteht aus einer Druckpumpe und zwei Saugpumpen aus verschleißfestem Aluminium und wird parallel zur Kurbelwellenachse in der unteren Kurbelgehäusehälfte verbaut. Die Druckpumpe saugt Öl über einen Ansaugschnorchel vom Trockensumpf an und fördert es über das Öldruckregelventil, den Ölfilter und den Öl/ Wasserwärmetauscher zu den Verbrauchern. Öldruckregelventil und Ölfilter sind in „Cartridge“ – Bauweise ausgeführt und können servicefreundlich ausgetauscht werden. Die Verteilung erfolgt über ein Netz aus getrennten Ölführungen, die verbrauchsabhängig mit Drosselquerschnitten versehen wurden um die Ölzuflussmengen zu optimieren. Um einen zuverlässigen, und vor allem gleichmäßigen Aufbau des Ölfilms in den Haupt- und Pleuellagern zu gewährleisten, werden diese getrennt voneinander mit Öl versorgt. Dabei werden die Hauptlager von einer im V befindlichen Ölgalerie, die Pleuellager und das Pleuelauge zentral über eine Gleitringdichtung an der Kurbelwelle, mit Schmieröl versorgt. Im Zylinderkopf werden zusätzlich zu den Nockenwellenlagerstellen auch die Schlepphebelachsen und der Kontakt Nocke zu Schlepphebel über Spritzdüsen geschmiert. Die Verringerung der Reibung im Getriebe erfolgt ebenfalls über gerichtete Spritzdüsen hin zum Zahnflankeneingriff. Dem voran genannten zentralen Entwicklungsziel, der Minimierung der Pulsations- und Panschverluste, tragen zwei leistungsoptimierte Saugpumpen Rechnung (Abbildung 3-10). Jeweils eine Saugpumpe evakuiert den geschlossenen Kurbelraum des Zylinders 2/4, und des Zylinders 1/3, sowie die getrennte Absaugung der Zylinderköpfe1/2 und 3/4, wobei die Ölrestmenge des Getrieberaums drucklos in den Sumpf fließt. Dieses abgesaugte Luft/Ölgemisch wird auf der Druckseite der Saugpumpen vereinigt. Eine zuverlässige Trennung der Luft aus dem Öl erfolgt in zwei hintereinander geschalteten Abscheidern. Die erste Stufe, die im Pumpenstrang integriert ist und von diesem angetrieben wird, ist als mechanischer Zentrifugalabscheider konzipiert. Die vorabgeschiedene Luft entweicht axial und wird in einem kleinem Zyklonabscheider nochmals von kleinen Öltropfen getrennt. Der radial aus der Zentrifuge entweichende, großteils „gereinigte“ Ölstrom wird ebenfalls zur weiteren Feinabscheidung der Luft in einen Zyklon geführt. Das entgaste Öl gelangt nun über ein System von Schwallblechen in den Trockensumpf, die abgeschiedene Luft strömt zurück in die Airbox. Zur Einstellung des geforderten Unterdrucks im Saugkreislauf sind an den Zylinderköpfen Drosselquerschnitte dimensioniert die für die Belüftung sorgen.

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Zentrifugenrad

Abbildung 3-9: Pumpenstrang Ölsystem

Abbildung 3-10: Saugkreislauf, Motorent- und belüftung

Druckpumpe

Saugpumpen

modularer Pumpenstrangaufbau

Zentrifuge

Zyl.kopf 3,4

Kurbe

lraum

2/4

Getriebe, Primärtrieb

Zyl.kopf 1/2

Kurbelraum 1/3

Saugpumpe2Saugpumpe1

gereinigte Luft

Ölsumpf

Entlüftung

T

Drossel

Airbox

ÖlÖl/Luft

Belüftung

Zyklon

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3.7 Kühlkreislauf

Die Grundkonzeptionierung des Zylinderkopf-Kühlkreislaufs ist als Querstromkühlung ausgeführt. Die Wasserführung des Zulaufs in den Zylindermantel und der Ablauf aus den Zylinderköpfen ist gemäß den zentralen Kernpunkten des Lastenhefts im V der Zylinderbänke integriert (Abbildung 3-11). Die Durchtrittsquerschnitte, die weitere Wasserführung und Wassermantelkonstruktion ermöglichen eine Intensivkühlung der kritischen Bereiche im Zylinderkopf. Hier sind besonders der Zündkerzenbereich und die Kühlung zwischen den Auslasskanälen zu erwähnen. Der Kreislauf im Rennmotorrad schließt sich über den Kühler und die Wasserpumpe, die als Axial/ Radialrad mit 3-dimensionaler Schaufelgeometrie ausgelegt ist. Der Auslegungspunkt der Wasserpumpe wurde mit 180 l/min und 2 bar Förderdruck bei Nenndrehzahl festgelegt. Für die Drehzahlen des Fahrbereichs wurde die Strömungsmaschine wirkungsgradoptimiert.

Wasserpumpenrad,Spiralgehäuse

Querstromkühlung

Wasseraustritt

Wassereintritt

integrierte Wasserführung

Abbildung 3-11: Kühlwasserführung am Gesamtmotor

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3.8 Einspritzung und Motormanagement

Die speziellen Anforderungen hinsichtlich Leistungsentfaltung und Leistungsausbeute im Motorradrennsport resultierten in der Anordnung von 2 Einspritzdüsen pro Zylinder. Die zylinderselektive, liefergradspezifische Anpassung der Gemischzusammensetzung war zentrales Entwicklungsziel. Diese Variabilität ermöglicht eine größtmögliche Freiheit in der Gesamtabstimmung und somit hohes Potential für die Erfüllung der Fahrbarkeitskriterien, die abgesehen von einem „harmonischen“ Vollastbereich, wesentlich auch durch dynamische Lastwechsel im Teillastbetrieb definiert sind. Die elektromagnetisch gesteuerten Einspritzventile von Magneti Marelli im Ansaugkanal, sind in ihrer Funktion vorwiegend im Leer- und Teilllastbereich abgestimmt. Sie ermöglichen die schnellere Anpassung der Gemischzusammensetzung bei Lastwechselvorgängen und im dynamischen Betrieb. Die „Top Feed“ Einspritzdüsen über den Einlasstrichtern homogenisieren das Kraftstoff/ Luftgemisch im Volllastbetrieb und sorgen für eine wirkungsgradsteigernde Verbrennung und für gestiegene Leistungsausbeute. Ein Schaubild des Kraftstoffsystems zeigt Abbildung 3-12. Der gefilterte Kraftstoff wird von einer elektrischen Förderpumpe und einem Zwischenbehälter mit einem definiertem Vordruck der mechanischen Hochdruckpumpe vorgelagert. Diese äußerst kompakte Zahnradpumpe wird über die Auslassnockenwelle der hinteren Zylinderbank angetrieben. Das Druckregelventil reguliert den Einspritzdruck in der aktuellen Entwicklungsstufe auf ca. 12 bar. Das Motormanagement wurde gemeinsam mit McLaren Electronics entwickelt und ist speziell auf rennsportorientierte Anforderungen abgestimmt. Neben den standardgemäßen Aufgaben der kennfeldgesteuerten Einspritz- und Zündungssteuerung, übernimmt die ECU auch Datarecording, Traktionskontrolle und Regelstrategien für die elektronische Pneumatikansteuerung.

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Drossel

Niederdrucksensor

SauglinieNiederdrucklinieHochdrucklinieBypass

Kraftstoff Kreislauf

Vorförderpumpe

Saugrohreinspritzdüsen

"Top feed" Einspritzdüsen

i j t

Filter

mech. Druckpumpe Feinfilter Hochdruckregler

Druck Sensor

Temperatur Sensor

TankTank

p

T

p

Catch-Tank (0,5bar Vorförderdruck

Abbildung 3-12: Prinzipdarstellung des Kraftstoffsystems

u D

Ansaugquerschnitt

„Top Feed“

Abbildung 3-13: Drosselklappenkörper mit Einspritzleis

„Low Feed“nterhalb derrosselklappe

ten

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3.9 Abgassystem

Die Kurbelwellenkröpfung von 360 °KW und der 75° V-Winkel favorisieren das System zweier getrennt voneinander geführten 2 in 1 Abgasanlagen. Der Vorteil dieser Abgasführung liegt einerseits in der Zielsetzung eines kompakten Packageing am Motorrad und andererseits in strömungstechnischen und gasdynamischen Kriterien. Dabei vereinfacht die Symmetrie der Zündfolge pro Zylinderbank wesentlich die Abstimmung des liefergradoptimierten Gesamtsystems. Da die derzeit gültigen Schalldruckpegelbeschränkungen von 130dBA keine Schalldämpfung notwendig machen, ist die Realisierung geringster Druckverluste möglich.

Abbildung 3-14: Abgasanlage des Rennmotorrads

3.10 Kupplung und Getriebe

Die Kupplung ist als Lamellen Trockenkupplung ausgeführt. Die „trockene“ Arbeitsweise schließt eine zusätzliche Temperaturerhöhung und Abriebverschmutzung des Öls aus. Die Getriebeeinheit, die als austauschbares Kassettengetriebe dimensioniert wurde, verfügt über einen sequentiellen 6 Gang Mechanismus. Anders, als bei den herkömmlichen Motorradgetrieben, befinden sich die Schaltelemente nur auf der Abtriebswelle. Die Schaltgabeln greifen hier in die angetriebenen Schaltmuffen ein und stellen den Formschluss der einzelnen Gangstufen sicher. Alle Getrieberäder sind auf Nadellagern gelagert. Hierbei war es möglich die bewegten Massen für den Schaltvorgang zu reduzieren und somit verkürzte Schaltzeiten zu erreichen.

Abbildung 3-15: Kassettengetriebe mit Lagerschild

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3.11 Berechnungsmethoden

Zur Unterstützung des konstruktiven Entwicklungsprozesses und zur Optimierung von Teilsystemen wurden vielfältige CAE Methoden angewandt. Sie umfassen die in der modernen Motorenentwicklung standardgemäß eingesetzten Simulationswerkzeuge. Um die spezifischen Anforderungen an die kurze Entwicklungszeit des GP1 990 V4 Rechnung zu tragen, wurde der begleitende Simulationsprozeß auch verstärkt an die Systemlieferanten ausgelagert. Die wesentlichen Zielvorstellungen der begleitenden Berechnung waren:

Strukturmechanik: festigkeits- und gewichtsoptimierte Bauteile (Kolben, Pleuel,..)

Mehrkörperdynamik: schwingungstechnische Auslegung von Einzelbaugruppen (Zahnradtrieb) und Gesamtmotor (Massenausgleich)

Motorprozessrechnung: gasdynamische Abstimmung in Bezug auf gewünschte Drehmomentcharakteristik

Das durch den Einsatz von Simulationstechniken nicht nur die Entwicklungszeit sondern auch die Test- und Abstimmungsphase an den Prüfständen deutlich verkürzt werden konnte, ist neben der Erfahrung in der Rennmotorenkonstruktion, auch in der Qualität der Berechnung zugrundegelegt. Am Beispiel der Variantenstudien, die in der 1-dimensionalen Motorprozessrechnung durchgeführt wurden, werden die richtungsweisenden Möglichkeiten der gasdynamischen Abstimmung der Ladungswechselorgane vorexerziert und gelten als entscheidende Hilfestellung bei Prüfstandsversuchen. Die Abbildung 3-16 zeigt eine Studie der verschiedenen Einlasslängen und verdeutlicht die Möglichkeiten einer zylinderselektiven Abstimmung.

Variantenstudie Ansauglängen - Berechnung

Drehzahl

Leis

tung

Dre

hmom

ent

Abbildung 3-16: Simulationsergebnisse: Drehmoment und Leistung in Abhängigkeit der Einlassgesamtlänge

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Hochleistungs- und Rennmotoren, Haus der Technik, 19 Autor: Kurt Trieb, Christian Mayrhofer Titel: Entwicklung eines V4–Motors für die GP1 Rennserie

3.12 Prüfstandsergebnisse

Die Abstimmung des KTM Prototypen GP1 990 V4 erfolgte an verschiedenen Aggregatsprüfständen und an einem volldynamischen Motoren-Leistungsprüfstand. Die Aufgabenstellungen der Prüfstandsversuche waren vielfältig und definierten sich aus den Kernpunkten des Lastenhefts. Eine der Hauptkriterien ist die mechanische Erprobung der Einzelkomponenten und die des Gesamtmotors bei Drehzahlen bis zu 18000 U/min. Dabei wird der Zeitfestigkeit, die geforderte Laufleistung zugrunde gelegt. Als Beispiel eines Komponententests sei an dieser Stelle der Ventiltrieb erwähnt. Neben der mechanischen Haltbarkeit war die Abstimmung des Druckregelventils und der pneumatischen Ventilfeder von großer Bedeutung. Zur Reibanalyse und zur Sicherstellung des Ölhaushaltes wurde der Motor geschleppt betrieben. Systemparameter wie Drosselquerschnitte, konstruktive Merkmale der Luft-Abscheidekomponenten wurden optimiert und konnten zu einer weiteren Leistungserhöhung beitragen. Die Testumgebung für die Dauerhaltbarkeitsuntersuchung des Gesamtmotors wurde in Prüfzyklen, die den Bedingungen an der Rennstrecke entsprechen, durchgeführt. Die Lastdefinition entsprach dem Streckenprofil einer Barcelona Grand Prix Runde. Wesentliche Entwicklungstätigkeit am Prüfstand war die Erstellung der Kennfelder für Einspritzung und Zündung gemäß den gewünschten Zielvorgaben im Lastenheft - Leistungsausbeute, Leistungsentfaltung und Fahrbarkeit. Die weitere Feinabstimmung wurde auf der Rennstrecke durchgeführt. Das nachfolgende Diagramm zeigt die Prüfstandsergebnisse des Drehmoments, der Leistung und des spezifischen Kraftstoffverbrauchs nach 8 Wochen Testlauf und sind somit als vorläufig anzunehmen.

Prüfstandsergebnisse168.3

118.0

272

5500 6500 7500 8500 9500 10500 11500 12500 13500 14500 15500Drehzahl [U/min]

Dre

hmom

ent/L

eist

ung[

Nm

/kW

]

spez

.Kra

ftsto

ffver

brau

ch[g

/kW

h]

LeistungDrehmomentspez.Kraftstoffverbrauch

Drehzahlbereich über 100 Nm

Abbildung 3-17: Prüfstandsergebnisse: Drehmoment, Leistung und spez. Kraftstoffverbrauch

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Hochleistungs- und Rennmotoren, Haus der Technik 20

Autor: Kurt Trieb, Christian Mayrhofer Titel: Entwicklung eines V4–Motors für die GP1 Rennserie

3.13 Zusammenfassung

Mit der Entwicklung des KTM V4-Motors für die GP1-Rennserie wurden die Vorraussetzungen für ein erfolgreiches Motorradgesamtkonzept geschaffen. Die Abmessungen des Motors, das Gesamtpackaging im Rennmotorrad, die Charakteristik der Leistungsentfaltung, der Kraftstoffverbrauch und die Summe der gewünschten Einzelkriterien führten zu diesem V4 Konzept mit 75° V-Winkel. Die konstruktionsbedingten Merkmale der Einzelkomponenten definieren sich aus dem im Lastenheft geforderten Entwicklungszielen. Die mechanische Auslegung des Triebwerks lässt Drehzahlen bis zu 18000 U/min zu. Die obere Motorgehäusehälfte ist als Closed-Deck Konstruktion ausgeführt. Die Doppelverschraubung und die Bedplate-Konstruktion des Gehäuseunterteils erreicht hohe Steifigkeit in der Hauptlagergasse und im Gesamtverbund. Die Konzeptionierung der pneumatischen Ventilfedern im Zusammenspiel mit der Kinematik des Ventiltriebs und des zahnradgetriebenen Steuertriebs ist uneingeschränkt für das Hochdrehzahlkonzept geeignet. Zum Ausgleich der Massenkräfte und Momente der 360° gekröpften Kurbelwelle sind zwei Ausgleichräder vorgesehen. Die Kröpfungsvariante mit 360° begünstigt die Abstimmbarkeit im gesamten Drehzahlbereich und hat Vorteile in der Auspuffkonfiguration und im Packaging. Die integrierte Trockensumpfschmierung übernimmt ein modular aufgebauter Ölpumpenstrang, bestehend aus einer Druckpumpe und zwei Saugpumpen. Dieses System unterstützt die Forderung nach Minimierung der Reibleistung durch reduzierte Pulsations- und Panschverluste. Die Getriebeeinheit, die als austauschbares Kassettengetriebe dimensioniert wurde, verfügt über einen sequentiellen 6 Gang Mechanismus. Anders, als bei den herkömmlichen Motorradgetrieben, befinden sich die Schaltelemente nur auf der Abtriebswelle. Für die zylinderselektive, liefergradspezifische Anpassung der Gemischzusammensetzung sorgt je eine Saugrohreinspritzdüse und ein über den Einlasstrichtern platziertes Einspritzelement. Die Kombination dieser „Top- und Low Feed“ Einspritzung ermöglicht die schnellere Anpassung der Gemischzusammensetzung bei Lastwechselvorgängen und im dynamischen Betrieb und garantiert maximale Leistungsausbeute. Die Erprobung des Triebwerks am Motorprüfstand und an der Rennstrecke bestätigen die Entwicklungsziele und das hohe Potential dieses Konzepts.