ephemere räume
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Konstruktive Strategien für ein Baudenkmal Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW Masterstudiengang Architektur, IKE Master-Studio Herbstsemester 2014/15TRANSCRIPT
Ephemere RäumeKonstruktive Strategien für ein Baudenkmal
Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften
Masterstudiengang Architektur, IKE
Master-Studio | Herbstsemester 2014/15
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Titelbild: Tadashi Kawamata, Cathédrale de Chaises, 2007. Domaine Pommery, Reims
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Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAWDepartement Architektur Gestaltung und BauingenieurwesenMasterstudiengang Architektur Institut Konstruktives Entwerfen IKEMaster-Studio Constructive Project | Herbstsemester 2014/15
Leitung Alain Roserens
Co-Leitung Marc Loeliger
Atelierdiskurse Eberhard Tröger
Prof. Josef Kurath
Daniel Tschudy
Begleitung Tragstruktur Prof. Josef Kurath
©ZHAW, IKE 2014 «Alle Rechte vorbehalten»
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Inhaltsverzeichnis
EinleitungDas Zentrum Konstruktives Entwerfen
Constructive Project – Konstruktives Entwerfen
Synchroner Entwurfsprozess
Atelierdiskurse
Nachbereitung
Leistungsbewertung
Constructive Research – Konstruktives Forschen
Constructive Strategies – Konstruktives denken II
Ephemere RäumeBegrifsdefintion
Fragestellung
SemesteraufgabeAufgabenstellung
Synchrones Entwerfen
Raumprogramm
Dokumentation Villa LangmattKarten- und Plandokumentation
Der Gartenarchitekt Otto Froebel (1844-1906)
Isabel Haupt: Villa Sidney und Jenny Brown (Villa Langmatt), Baden
Laurent Stalder: Der Puls des Lebens im „Garten der neuen Kunst“
Christian Engel: Von London via Winterthur und Oerlikon nach Baden
Thomas Gnägi: Aus Karl Mosers Skizzenbuch: die Villen der Gebrüder Brown
Texte und ReferenzenDr. Kerstin Bussmann: Der Pavillon - Nomadische Momente der Architektur
Prof. Nikolaus Hirsch: Die Pavillonisierung der Architektur
Marguerite Duras, Michelle Porte: Die Orte der Marguerite Duras
Axel Dossmann, Jan Wenzel, Kai Wenzel: Schneller sein - Architektur auf Zeit
Weitere Literatur zum Thema
Biographien Dozierende
Semesterablauf und Termine
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Doris SalcedoInstallation at 8th International
Istanbul Biennial, 2003Photo by Muammer Yanmaz
© Doris Salcedo
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EinleitungDas Zentrum Konstruktives Entwerfen
“Die materiellen Bedingungen der Architektur werden im Entwurfsprozess je-
derzeit mitgedacht.”
Architektur:Unter Architektur verstehen wir die gebaute Umwelt als kulturelle Errungen-
schaft einer Gesellschaft.
Materielle Bedingungen des Bauens:Konstruktion hat zu tun mit der korrekten und angemessenen Anwendung
oder Verwendung von Materialien. Dabei kann unterschieden werden zwischen
der technischen und der ästhetischen (ideologischen) Verwendung von Mate-
rialien. Die technisch-materielle Bedingung des Bauens beschäftigt sich mit
der korrekten technischen und bauphysikalischen Anwendung verschiedener
Konstruktionsprinzipien.
Die ästhetische-materielle Bedingung des Bauens untersucht vor allem die
ästhetischen und symbolischen Ausdruckseigenschaften des Materials. Dabei
geht es um kulturelle, gesellschaftliche und wahrnehmungsbezogene Zusam-
menhänge und um die Bedeutungen von Materialien und ihrer Verwendung.
Projekte am Zentrum Konstruktives Entwerfen führen die technisch-ma-
teriellen und die ästhetisch-materiellen Bedingungen des Bauens zusammen.
Sie respektieren und nutzen die Eigenheiten der Stoffe und Bauweisen, sie
lassen aber auch Raum für vorweggenommene Innovation. Neues kann durch
das Ausloten noch unbekannter Möglichkeiten bekannter Stoffe und Konstruk-
tionen entstehen oder durch die Suche nach angemessenen physischen Mit-
teln zum Erzielen erwünschter, neuartiger Wirkungen. Entwurf und Forschung
sind untrennbar miteinander verbunden: Aus dem Entwurf heraus stellen sich
die Fragen, die Forschung notwendig machen.
Entwurfsprozess:Der Entwurfsprozess ist der Vorgang der Lösungsfindung einer Bauaufgabe
in Abhängigkeit der kulturellen, programmatischen, baustrukturellen, at-
mosphärischen, konstruktiven, bauphysikalischen sowie material- und ferti-
gungstechnischen Bedingungen.
Am Zentrum Konstruktives Entwerfen werden diese Bedingungen in einem
synchronen Entwurfsverfahren bearbeitet. Dies bedeutet ein gleichwertiges
und gleichzeitiges Betrachten aller Bedingungen und ihrer Wechselwirkungen
während des ganzen Entwurfsprozesses. Dieses Verfahren steht im Gegensatz
zum üblichen Verfahren, bei dem der Entwurf in verschiedenen Phasen vom
grossen Massstab zum Kleinen entwickelt wird.Bild rechts: Water‘s Edge 1981. Wine, James. SITE Architects (1982): Highrise of Homes. New York: Verlag Rizzoli International Publications.ISBN 13: 9780847804672
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MasterstudioConstructive Project – Konstruktives Entwerfen
Das Modul Studio hat die Aneignung einer fundierten Entwurfskompetenz zur
Entwicklung und Umsetzung von integralen architektonisch-konstruktiven
Konzepten zum Ziel. Voraussetzung dafür ist die Förderung des Bewusstseins
für die vielschichtigen Zusammenhänge von unterschiedlichen Ebenen und
Aspekten innerhalb einer Entwurfsaufgabe.
Konstruktives Entwerfen bezeichnet die spezifische Haltung im Entwerfen
von architektonischen Projekten, bei der dem konstruktiven Bewusstsein eine
bedeutende Stellung zugewiesen wird. Konstruktive Fragen werden im Ent-
wurfsprozess von Beginn an gleichwertig mit anderen Faktoren thematisiert
und bearbeitet. Das Entwurfsthema, bzw. das räumliche und formale Konzept
bestimmen die Wahl von Bauweise und Material. Ebenso in umgekehrter Rich-
tung: Tragwerkskonzept, Baukonstruktion und Materialien erzeugen ihrerseits
zentrale Impulse für das Entwurfsthema und den Charakter des Raums und der
Form.
Synchroner Entwurfsprozess
Aufbauend auf den Erfahrungen der letzten Masterkurse des Zentrum Kon-
struktives Entwerfen unterscheidet sich der Masterkurs von den üblichen
didaktischen Verfahrensweisen durch die Postulierung eines ‚synchronen
Entwurfsprozesses’. Der konventionelle Prozess vom grossen Massstab zum
kleinen, von der Situationslösung über die Erfüllung des Raumprogramms zur
konstruktiven Detailbearbeitung soll zugunsten eines parallelen Verfahrens
aufgelöst werden. Durch das gleichzeitige Bearbeiten unterschiedlicher Ent-
wurfsaspekte und Massstabsebenen soll das Bewusstsein um die vielschich-
tige Vernetzung beim Entwerfen gestärkt und eine gegenseitige Befruchtung
der Elemente schon zu Beginn der Entwurfsarbeit ermöglicht werden.
Konkret sollen die Aspekte ‚Baukörper und Form, ‚räumliches Erlebnis und
Raumstimmung’, ‚Bauweise und Materialität’ in allen Phasen des Entwurfes
mitgedacht und bearbeitet werden.
Das Vorgehen beinhaltet die Möglichkeit, einzelne Teilbereiche als Kataly-
sator für die anderen zu verstehen und diese auch zu einem späten Zeitpunkt
immer wieder hinterfragen und neu denken zu können. So kann zum Beispiel
die Einbettung in eine städtebauliche oder landschaftliche Situation länger
als üblich bearbeitet werden, weil die Arbeit auf den anderen Massstabsebe-
nen schon weiter gedacht ist. Es ergibt sich im gesamten Ablauf eine stän-
dige, sich gegenseitig befruchtende dialektische Parallelität von Analyse- und
Entwurfsarbeit.
Das Verfahren macht es notwendig, schon zu Beginn der Entwurfsarbeit
zu verschiedenen Fragestellungen Thesen zu erarbeiten – eine Position zu
beziehen-, ohne dass klar ist, wo und auf welche Weise diese miteinander
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korrespondieren. Im Laufe des Prozesses sollen sich die Positionen aufeinan-
der zu bewegen und sich schliesslich in einem kohärenten und ganzheitlichen
Projekt finden.
Atelierdiskurse
Unterstützt wird der synchrone Entwurfsprozess durch Atelierdiskurse (Erör-
terungen bzw. methodisch aufgebaute Abhandlungen), welche zur Aufgaben-
stellung den Betrachtungsperimeter erweitern und gleichzeitig eine konzep-
tionelle und vernetzte Arbeitsweise fördern. Zu diesen Diskursen werden auch
externe Fachleute beigezogen, die in ihren Fachgebieten wichtige Beiträge
zur Architekturdebatte leisten. Aus den einzelnen Atelierdiskursen werden
Recherchen abgeleitet, welche von den Studenten als Grundlage für die Ate-
liergespräche zuerarbeiten sind. Im Rahmen des Ateliers sollen dann die Er-
gebnisse zu kontroversen Diskussionen im Plenum führen. Parallel zur Schiene
der Projektentwicklung sind zwei Vertiefungswochen (Study-Weeks) vorgese-
hen, welche den Kurs thematisch begleiten. Anschließend an das Semester
erfolgt die Nachbereitung, welche neben einer kritischen Selbstbeurteilung
der Arbeit eine abschließende Dokumentation (Portfolio) der einzelnen Pro-
jekte beinhaltet.
Nachbereitung
Anschliessend an das Semester erfolgt die Nachbearbeitung, welche eine kri-
tische Selbstbeurteilung von Fragestellung, Prozess und Resultat der eigenen
Arbeit darstellt und eine abschliessende, gewichtete Dokumentation (Portfolio)
der einzelnen Projekte beinhaltet. Diese wird mittels einer Power Point Präsen-
tation abschliessend vorgestellt.
Bild: Planspiel, Children Building Le Corbusier‘s La Ville Contemporaine.Schäfer, Albrecht (2003):Photocol-lage, 24 x 30cm.
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Leistungsbewertung
Die Modulnote setzt sich zusammen aus den Atelierdiskursen und der Bearbei-
tung des Projekts bis zur Schlusskritik und der Nachbearbeitung. Die Projekte
werden nach folgenden Kriterien durch die Dozierenden bewertet:
Atelierdiskurse· Eigenständigkeit und Tiefe in der Bearbeitung der gestellten Aufgabe.
· Innovativer Gehalt und architektonische Qualitäten.
· Darstellung und Präsentation des Resultates.
Projektierungsphase bis zur Schlusskritik· Eigenständigkeit und Tiefe in der Bearbeitung der gestellten Aufgabe.
· Schlüssigkeit der erarbeiteten Thesen und Strategien.
· Kohärenz der Projektresultate im Hinblick auf die formulierten Ziele.
· Innovativer Gehalt und architektonische Qualitäten.
· Darstellung und Präsentation des Resultates.
Nachbereitungsphase· Fähigkeit zur kritischen Selbsteinschätzung von Prozess und Resultat
· Überzeugungskraft und Eigenständigkeit der Darstellung in Inhalt und Form
Bild rechts: Maison 5.5m x 5.5m, Fribourg; LVPH architectes
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«Tree Huts» (2008)Tadashi Kawamata, Kamel MennourPhoto ©Marc Domage
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14
Wahlpflichtmodul Constructive Research Entwicklung von Bauteilen in CarbonBeton
Thema Der Anspruch, im Rahmen der Lehre einen Beitrag zur Entwicklung
bautechnischer Produkte oder Systeme zu leisten, stellt eine beträchtliche
Herausforderung dar. Weder reichen der zeitliche Rahmen noch das vorhan-
dene Knowhow in der Regel aus, um Ideen soweit zu entwickeln, dass sie
in den Bereich einer möglichen Praxisanwendung gelangen. Bestenfalls las-
sen sich neuartige konstruktive Konzepte andenken, die den Beweis, in der
baulichen Realität bestehen zu können, aber schuldig bleiben müssen. Mit
der «in-house-Entwicklung» eines Betons mit Carbon-Armierung bietet sich
für einmal die Gelegenheit, sich bei der Konzeption verschiedener Bauteile
einzubringen. In diesen Wochen wird die serielle Produktion einfacher Be-
tonplatten aufgenommen - weiterführende Infrastrukturen oder eine eigene
Entwicklungsabteilung fehlen weitgehend. Dennoch sollen in den kommen-
den Monaten eine Reihe von spezifischen Bauteilen konzipiert und getestet
werden. Nach der Untersuchung möglicher Anwendungsfelder im vergange-
nen Semester, erhoffen wir uns nun einen unmittelbaren Einblick in die Ent-
wicklung einer neuen Generation von Bauteilen in Beton.
Zusammenhang «Constructive Research» untersucht das Verhältnis zwischen
Materialität, Konstruktion und formalem Ausdruck in der Architektur. Das
Modul sucht sich seinen Platz zwischen Lehre und Forschung und setzt sich
zum Ziel, Resultate aus der Forschung des IKE aufzugreifen, entwerferisch
weiter zu bearbeiten und zu vertiefen. Die Studierenden führen unter Anlei-
tung kleinere Erkundungsarbeiten durch, erweitern ihr konstruktives Wissen
durch die Analyse bautechnischer Zusammenhänge und durch das Entwickeln
individueller Lösungsansätze in der eigenen Arbeit. Erkenntnisse aus den
Arbeiten der Studierenden wiederum, fliessen als Input in die Forschung
zurück.
Organisation Das Modul beansprucht einen Tag pro Woche. Die Untersu-
chungen sind als Gruppenarbeiten mit zwei bis vier Studierenden angelegt.
Die Arbeiten werden durch ein Dozententeam aus Architekt und Bauingeni-
eur betreut.
Dozierende Alexis Ringli *1965, Architekt FH Winterthur, Architekturbüro
mit Peter Gadola in Zürich; Matthias Schmidlin *1966, Bauingenieur und
Architekt ETHZ, gemeinsames Büro in Zürich mit dem Architekten Thomas
Berger.
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Wahlmodul Constructive Strategies II – Konstruktion Denken
«Architektur und Konstruktion sollen synchron gelehrt oder praktisch angewandt werden: Die Konstruktion ist das Mittel, die Architektur das Resultat. Es gibt jedoch architektonische Gebilde, die man nicht als Konstruktion bezeichnen möchte, ebenso Konstruktionen, die man kaum der Architektur zuordnen würde.»Viollet-le-Duc, Eugène (1868): Dictionnaire raisonné de l‘architecture française du XIe au XVIe siècle, Tome qua-trième. Paris: Morel. Seite 1
Lehrinhalte und Methode Das Zitat von Viollet-le-Duc verweist auf die Bedeutung der Konstruktion als
sowohl sinnliche wie auch intellektuelle Leistung: Räumliche Ideen müssen in
eine baubare Struktur übersetzt werden, was Rückwirkungen auf die architek-
tonische Erscheinung und Wahrnehmung hat. Diesen Wechselwirkungen und
facettenreichen Abhängigkeiten wird im Wahlmodul nachgegangen. Konstruk-
tion soll als kulturelles Phänomen begriffen werden.
Das Wahlmodul vermittelt keine geschlossene Theorie der Konstruktion. Es
fokussiert vielmehr auf die Erarbeitung eines theoretischen und praktischen
Rüstzeugs, das erlaubt, Konstruktion in ihrer Vielschichtigkeit zu verstehen.
Die Vorlesung bedient sich unterschiedlicher Betrachtungsebenen, die von
übergeordneten Fragen über die Behandlung einzelner Bauteile und Materi-
alien bis zu Thematisierung von Fügungs- und Fertigungstechniken reichen.
LernzielDie Studierenden verstehen Konstruktion in einem umfassenden Sinn als Mit-
tel zur Erzeugung architektonischer Wirkungen und als Denkgerüst zu deren
technischen Umsetzung. Grundlage dafür ist die Aneignung einer Termino-
logie, die das Nachdenken und Sprechen über Konstruktion unterstützt und
hilft, konstruktive Strategien aller Epochen differenziert zu analysieren und
kritisch zu beurteilen.
LeistungsnachweiseDas Wahlmodul ist als Kombination von Vorlesungen, Lehrgesprächen und
Diskussionen angelegt. Die Unterlagen zur Vorlesung werden im Intranet des
Departements A hinterlegt. Bedingung für die Erteilung der Credits ist die
kontinuierliche und aktive Teilnahme am Unterricht sowie ein Kurzreferat mit
dazugehöriger schriftlicher Vertiefung. Die Eigenleistung wird benotet.
DozentFrançois Renaud, dipl. Architekt ETH SIA, 1979 Diplom an der ETHZ, Mitarbeit
bei Carl Nyrén Stockholm, Kolker/Kolker/Epstein Tel Aviv, Winter/Trueb/El-
lenrieder Basel, 1985-1990 Assistent an der ETHZ bei Vincent Mangeat, 1987
bis 1999 Architekturbüro mit Franz Engler, 1992-2003 Dozent Hochschule
für Technik und Architektur Biel-Bienne, 2003-2009 Leitung Studiengang
Architektur ZHAW und Dozent Modul ‚Grundlagen Konstruktives Entwerfen‘,
seit November 2013 interimistische Leitung Institut Konstruktives Entwerfen
ZHAW.
Sankt Gertruds Kapelle auf dem Ostfriedhof in Malmö (S), 1943, Sigurd LewerentzFoto: F. Renaud
16
Ephemer
(bildungssprachlich) nur kurze Zeit bestehend; flüchtig, rasch vorübergehend [und ohne blei-bende Bedeutung](Botanik, Zoologie) (von kurzlebigen Organis-men) nur einen Tag lang lebend, bestehend
Begriffsdefinition nach Duden
Ephemere Architektur
bezeichnet Architekturkonzepte, die sich mit temporären Strukturen und Bauwerken beschäftigen. Diese haben eine beschränkte Lebens- und Nutzungsdauer und sind oft nur eine Übergangslösung, um einen akuten Bedarf zu stillen. Häufig handelt es sich um Mobile Architekturen, also Anlagen, die für eine Zeit an einem Standort aufgebaut, dann wieder demontiert und woanders wiederaufgebaut werden. In der Bauordnung wird der Begriff Fliegender Bau verwendet.
Temporäre Architekturen aus Anlass größerer Festlichkeiten finden sich schon im Barock – beispielsweise Ehrenpforten, Pylonen etc., die entlang der Routen zeremonieller Ein- und Um-züge aufgestellt wurden. Als temporär konzi-piert wurden und werden auch viele Bauten für zeitlich begrenzte Ausstellungen. Temporäre Bauwerke dienen zuweilen auch als Platzhal-ter für spätere, solider ausgeführte Versionen desselben Projektes.
http://de.wikipedia.org/wiki/Temporäre_Architektur
17
Ephemere RäumeFragestellung
Baudenkmal
Der hohe Siedlungs- und Nutzungsdruck in unserer durch zunehmede Dichte
geprägten baulichen Umwelt führt dazu, dass Bauten verstärkt näher zusam-
menrücken, ehemals freistehende, historisch gewachsene Ensembles mit zu-
sätzlichen Bauten verdichtet werden. Gerade in innenstädtsichen Situationen
sind historische Gebäude zudem oft durch Aussenalnagen, Gärten oder Parks
umgeben, die sich im Falle einer Nachverdichtung als mögliche Orte der In-
tervention anbieten.
Diese teilweise sehr wertvollen Zeugen der städträumlichen und architektur-
geschichtlichen Entwicklung sind unter dem Eindruck von grossen baukul-
turellen Verlusten vorallem in den 1960-er Jahren von einer vorsorglichen
Denkmalpflege zu Recht unter Schutz gestellt worden. Der bauliche Spielraum
innerhalb eines solchen geschützten Ensembles für neue Nutzungen ist des-
halb sehr beschränkt, weshalb sich bei solchen Situationen oft nur noch eine
Lösung mit möglichst grosser Distanz zum geschützten Bauobjekt erzielen
lässt.
Die zunehmende Wertschätzung von Qualität und Bedeutung von Land-
schafts- und Gartenarchitektur auch in der Denkmalpflege führt zusätzlich
zu einer restriktiven Verfügbarkeit von Teilen dieser Freiräume für zusätzliche
Neubauten, was sehr oft dazu führt, dass sich die neuen Raumprogramme als
subkutane Unterwelten fast unsichtbar mit höchstens mimetischen Perisko-
pen an der Oberfläche zeigen.
Ephemere Räume
Eine Möglichkeit des sichtbaren Bauens im denkmalgeschützten Kontext
scheint die Reaktion mit einer ephemeren Struktur zu sein, weil sie in ihrer
Leichtigkeit im geschützten Umfeld Ansätze erlaubt, sich auf ganz unter-
schiedliche Weise dem Baudenkmal anzunähern und in ihrer provisorischen
Präsenz die Permanenz des Bestandes zusätzlich stärkt.
Das Masterstudio im Herbstsemester 2014 widmet sich der Frage, mit welchen
konstruktiven und architektonischen Mitteln sich ein kohärenter Dialog zwi-
schen dem Neubau und dem bestehenden Objekt etablieren lässt. Der Fokus
der Erforschung auf eine leichte Konstruktion soll das Feld möglicher Inter-
ventionen bewusst einschränken, um über die Beschäftigung mit spezifischen
Konstruktionssystemen, Materialcharakteristiken und Ausdrucksweisen eine
stimmige, räumlich Reaktion auf die historische Situation zu finden.
18
Triumph-Pforte für Joseph I.Stich nach Johann Bernhard Fischer von Erlach 1699
19
Vergänglichkeit
Die vergängliche Erscheinung der neuen Bauteile muss dabei nicht absolut
in einem problemlosen Rückbau umsetzbar sein, das heisst es kann auch mit
dem Bild der Vergänglichkeit gearbeitet werden. Dazu dienen „leichte“ Kon-
struktionsmaterilien - Stahl, Holz, Kunststoffe - aber auch eine „günstige“
Erscheinung oder typologische Ansätze (Pavillon im Park).
Die Lebenszeit von Provisorien kann diejenige von für die „Ewigkeit“ erstell-
ten Bauwerke durchaus überdauern (Barcelona Pavillon, Globus Provisorium
Zürich) - trotzdem bewahren sie ihre fragile Erscheinung einer flüchtigen
Vergänglichkeit.
Experiment
Die Beschränkung auf Bauten mit einer tieferen Permanenz erlaubt konstruk-
tiv und kulturell einen entspannteren Umgang mit den Fragen der Verhältnis-
mässigkeit und damit einen grösseren Spielraum für das Experiment.
Dies soll den Weg fort vom sicheren Pfad der tradierten räumlichen und kon-
struktiven Prinzipien erlauben und einen forschenden Zugang mit neuen Er-
kenntnissen öffnen.
Über ein differenziertes Raumprogramm von kleinteiligen und weitgespann-
ten Räumen sollen die Möglichkeiten eines gewählten Konstruktionsprinzipes
ausgelotet und untersucht werden.
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21
Semesteraufgabe
Aufgabenstellung
Die bedeutende Sammlung impressionistischer Meisterwerke der Familie
Brown in der Villa Langmatt in Baden soll um einen grosszügigen Raum für
zeitgenössische Wechselausstellungen ergänzt und erweitert werden. Neben
zusätzlichen Funktionsräumen für den Museumsbetrieb ist unter Berücksich-
tigung der hohen Schutzstufe von Villa und Park ein Raum für Vorträge, Emp-
fänge und Vernissagen sowie ein Wohnatelier für Stipendiaten der Stiftung
geschaffen werden. Ein schlüssiger Entwurf innerhalb des Ensembles der hi-
storischen Industriellenvilla mit dem alten, geschützten Baumbestand setzt
eine sorgfältige Situationslösung und einen subtilen Umgang mit dem archi-
tektonischem Ausdruck, der Konstruktion und Materialisierung voraus.
Synchrones Entwerfen
Im Sinne des synchronen Entwurfsprozesses wird die übliche Annäherung an
die Entwurfsaufgabe vom grossen zum kleinen Massstab aufgebrochen. In
einer ersten Phase entwerfen die Studierenden jeweils einen der drei Pro-
grammteile Ausstellungsraum, Saal und Ateliers weitgehend unabhängig vom
konkreten Bauplatz. Konstituierende Entwurfsparameter sind das Raumpro-
gramm, das Konstruktionsmaterial und die Stimmung des Ortes.
In einer zweiten Phase sollen je drei Programmteile zusammen in einer kon-
kreten Setzung stadträumlich am Ort verankert werden. Dazu werden Gruppen
aus drei Studierenden gebildet die gemeinsam einen übergeordneten „Ma-
sterplan“ erarbeiten. In diesen müssen die jeweiligen Entwürfe dann wieder
an- und eingepasst werden.
Bild links: Villa Langmatt, Fotografie ca. 1903Archiv Museum Langmatt, Stiftung Langmatt Sidney und Jenny Brown, Baden
22
Peter Zumthor Serpentine Gallery Pavilion 2011
23
Programmteil Raumbezeichnung Richtraumflächen�m Bemerkungen
Ausstellungsraum Wechselausstellung 150 Raumhöhe�ca.�5m�kontrolliertes�Tageslicht
Technikraum 10
Verbindung�zu�Altbau geschlossene�Verbindung
Vortragssaal Mehrzweckraum 150 120�Personen�Vorträge,�Vernissagen,�
Konzerte,�Vorführungen�
Lager 20 Bestuhlung,�Bühnenelemente
Technikraum 12
Toiletten 15 2�Toiletten�F�1�Toilette,�1�Pissoir�M
Wohnatelier Arbeitsraum 30
Schlafbereich 10
Sanitärraum 3 Toilette,�Dusche,�Lavabo�behindertengerecht
Reduit 6
Raumprogramm
24© www.geo.admin.ch
25
26
Luftaufnahme maps.google.ch
Luftbild: Google Maps
27
Bild: Luftbild der Stadt Zürich (2011).Stadtplan Stadt Zürich. Situati-onausschnitt. URL: http://www.stadtplan.stadt-zuerich.ch(Stand 2013)
28
25 m
Situation
0 5
32
32a
29
30a
30
23
Römerstrasse
u.
u.
3345
1742
1739
1319
1318
1201
2353
5456
220
402
403
404
6247
379
1.2
1.3
1.1
2
3
4
5
6
Grundstücksinformation
Parzellengrösse Kat. Nr. 1318 = 11'370 m2 Parzellengrösse Kat. Nr. 1319 = 1'090 m2
Liegenschaft
Museum Langmatt 1Hauptgebäude1.1Galerieanbau1.2
1.3 Ökonomiegebäude2 Gartenhaus Ost3 Gartenhaus West4 Gewächshaus5 Haus Germann6 Garage
Bauten, bestehend
29
25 m
Situation
0 5
32
32a
29
30a
30
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Römerstrasse
u.
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3345
1742
1739
1319
1318
1201
2353
5456
220
402
403
404
6247
379
1.2
1.3
1.1
2
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5
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Grundstücksinformation
Parzellengrösse Kat. Nr. 1318 = 11'370 m2 Parzellengrösse Kat. Nr. 1319 = 1'090 m2
Liegenschaft
Museum Langmatt 1Hauptgebäude1.1Galerieanbau1.2
1.3 Ökonomiegebäude2 Gartenhaus Ost3 Gartenhaus West4 Gewächshaus5 Haus Germann6 Garage
Bauten, bestehend
30
15 m
H
H
H
H
H
H
H H
Diethelm & Spillmann Architekten, 20.01.14
Grundrisse Ist-Zustand 1:300 – Kenndaten
4045 Machbarkeitsstudie Museum Langmatt
Erdgeschoss
0 3
Untergeschoss
Obergeschoss Dachgeschoss
02Kenndaten nach SIA 416
Geschossfläche, m2
Untergeschoss 2'570ErdgeschossObergeschossDachgeschoss 1Dachgeschoss 2
7302'7306601'980650
880370300160
8'4602'570
GF GV
GFGebäudevolumen, m3GV
31
15 m
H
H
H
H
H
H
H H
Diethelm & Spillmann Architekten, 20.01.14
Grundrisse Ist-Zustand 1:300 – Kenndaten
4045 Machbarkeitsstudie Museum Langmatt
Erdgeschoss
0 3
Untergeschoss
Obergeschoss Dachgeschoss
02Kenndaten nach SIA 416
Geschossfläche, m2
Untergeschoss 2'570ErdgeschossObergeschossDachgeschoss 1Dachgeschoss 2
7302'7306601'980650
880370300160
8'4602'570
GF GV
GFGebäudevolumen, m3GV
15 m
H
H
H
H
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Diethelm & Spillmann Architekten, 20.01.14
Grundrisse Ist-Zustand 1:300 – Kenndaten
4045 Machbarkeitsstudie Museum Langmatt
Erdgeschoss
0 3
Untergeschoss
Obergeschoss Dachgeschoss
02Kenndaten nach SIA 416
Geschossfläche, m2
Untergeschoss 2'570ErdgeschossObergeschossDachgeschoss 1Dachgeschoss 2
7302'7306601'980650
880370300160
8'4602'570
GF GV
GFGebäudevolumen, m3GV
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11
H
Sonnenstore Sonnenstore
ROLROL ROL
Sonnenstore
Eingangslobby (EG Museum)
±0.00 = 382.03 m ü.M.OK fertig Boden
-3.03
-0.02
+5.68
-4.12
-0.20-0.20
+5.38
Diethelm & Spillmann Architekten, 20.01.14
Schnitte 2 1:300 – Ist-Zustand
4045 Machbarkeitsstudie Museum Langmatt
0 2 10 m
KNGW
H
HH H
H
Eingangslobby (EG Museum)
±0.00 = 382.03 m ü.M.OK fertig Boden
-3.63
-0.98
+2.41
+7.42
+5.68
-4.23
-0.01
-3.02
-0.02
+4.21
+4.95
+2.13
-1.27
+10.45
+7.11
+3.73
-0.27 -0.20
+5.38
Schnitt B-B
Schnitt C-C
H
H
H
H
HH H
HH
HH
H H
KMDHKMDH KNGW
ROL
ROL
Eingangslobby (EG Museum)
±0.00 = 382.03 m ü.M.OK fertig Boden
+10.15
+7.15
+3.59
±0.00
-3.02 -3.02
+0.01
+3.59
+7.17
+10.15
+2.41
-0.74
-3.66
+9.85
+6.81
+3.27
-0.21 -0.20
+3.27
+6.82
+9.90
+4.97
+2.14
-0.95
±0.00
H
KMDH
H HH
ROL
ROL
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Eingangslobby (EG Museum)
±0.00 = 382.03 m ü.M.OK fertig Boden
+10.15
+7.15
+3.59
±0.00
-3.02 -3.02
-0.01
+3.58
+7.17
+10.15 +10.15
+7.16
+3.59
-0.01
-3.01
+9.84
+6.81
+3.27
-0.25 -0.25
+3.19
+6.81
+9.84 +9.88
+6.86
+3.30
-0.23
Schnitt 3-3
Schnitt 1-1
33
11
H
Sonnenstore Sonnenstore
ROLROL ROL
Sonnenstore
Eingangslobby (EG Museum)
±0.00 = 382.03 m ü.M.OK fertig Boden
-3.03
-0.02
+5.68
-4.12
-0.20-0.20
+5.38
Diethelm & Spillmann Architekten, 20.01.14
Schnitte 2 1:300 – Ist-Zustand
4045 Machbarkeitsstudie Museum Langmatt
0 2 10 m
KNGW
H
HH H
H
Eingangslobby (EG Museum)
±0.00 = 382.03 m ü.M.OK fertig Boden
-3.63
-0.98
+2.41
+7.42
+5.68
-4.23
-0.01
-3.02
-0.02
+4.21
+4.95
+2.13
-1.27
+10.45
+7.11
+3.73
-0.27 -0.20
+5.38
Schnitt B-B
Schnitt C-C
H
H
H
H
HH H
HH
HH
H H
KMDHKMDH KNGW
ROL
ROL
Eingangslobby (EG Museum)
±0.00 = 382.03 m ü.M.OK fertig Boden
+10.15
+7.15
+3.59
±0.00
-3.02 -3.02
+0.01
+3.59
+7.17
+10.15
+2.41
-0.74
-3.66
+9.85
+6.81
+3.27
-0.21 -0.20
+3.27
+6.82
+9.90
+4.97
+2.14
-0.95
±0.00
H
KMDH
H HH
ROL
ROL
ROL
Eingangslobby (EG Museum)
±0.00 = 382.03 m ü.M.OK fertig Boden
+10.15
+7.15
+3.59
±0.00
-3.02 -3.02
-0.01
+3.58
+7.17
+10.15 +10.15
+7.16
+3.59
-0.01
-3.01
+9.84
+6.81
+3.27
-0.25 -0.25
+3.19
+6.81
+9.84 +9.88
+6.86
+3.30
-0.23
Schnitt 3-3
Schnitt 1-1
34
ROL
ROL ROL ROL ROLROL
WA
ROL ROL
Sonnenstore Sonnenstore
ROLROL ROL
Sonnenstore
Eingangslobby (EG Museum)
±0.00 = 382.03 m ü.M.OK fertig Boden
ROL ROL
ROL ROL
ROLROLROL
/$1*0$77
ROLROL ROL
Übe
rwac
hung
Sire
ne
ROL ROL ROL
ROL ROL
Eingangslobby (EG Museum)
±0.00 = 382.03 m ü.M.OK fertig Boden
Fassaden/Schnitte 1 1:300 – Ist-Zustand
0 3 15 m
ROL ROL ROLROL ROL ROL ROL
ROL
ROL ROLSS
ROL ROL ROL ROL
ROLROLROLROL ROL
ROL
ROL
ROL Sonnenstore
Sonnenstore
804
Ostfassade
Nordfassade
Schnitt A-A / Ostfassade Ökonomiegebäude
ROL ROL ROL
ROL ROL
ROL ROL
H H
S
ROL
H
H
KNGW
+10.15
+7.17
+3.58
-0.01
-3.03
+9.84
+6.81
+3.19
-0.21
-0.02
-3.09
+2.92
-0.20
ROL
H
H
FLP
H
FLP
FLPKNGW
Eingangslobby (EG Museum)
±0.00 = 382.03 m ü.M.OK fertig Boden
+7.16
+10.15
+3.57
±0.00
-3.58
-0.36
+3.21
+6.83
+9.88
-0.02
-3.05
+7.18
+3.59
-0.01
-3.02
+6.86
+3.33
-0.21 -0.20
+2.92
ROLROL
Westfassade
Südfassade
Schnitt 2-2 / Südfassaden Ökonomiegebäude und Galerieanbau Westfassade Galerieanbau
Nordfassade Veranda
35
ROL
ROL ROL ROL ROLROL
WA
ROL ROL
Sonnenstore Sonnenstore
ROLROL ROL
Sonnenstore
Eingangslobby (EG Museum)
±0.00 = 382.03 m ü.M.OK fertig Boden
ROL ROL
ROL ROL
ROLROLROL
/$1*0$77
ROLROL ROL
Übe
rwac
hung
Sire
ne
ROL ROL ROL
ROL ROL
Eingangslobby (EG Museum)
±0.00 = 382.03 m ü.M.OK fertig Boden
Fassaden/Schnitte 1 1:300 – Ist-Zustand
0 3 15 m
ROL ROL ROLROL ROL ROL ROL
ROL
ROL ROLSS
ROL ROL ROL ROL
ROLROLROLROL ROL
ROL
ROL
ROL Sonnenstore
Sonnenstore
804
Ostfassade
Nordfassade
Schnitt A-A / Ostfassade Ökonomiegebäude
ROL ROL ROL
ROL ROL
ROL ROL
H H
S
ROL
H
H
KNGW
+10.15
+7.17
+3.58
-0.01
-3.03
+9.84
+6.81
+3.19
-0.21
-0.02
-3.09
+2.92
-0.20
ROL
H
H
FLP
H
FLP
FLPKNGW
Eingangslobby (EG Museum)
±0.00 = 382.03 m ü.M.OK fertig Boden
+7.16
+10.15
+3.57
±0.00
-3.58
-0.36
+3.21
+6.83
+9.88
-0.02
-3.05
+7.18
+3.59
-0.01
-3.02
+6.86
+3.33
-0.21 -0.20
+2.92
ROLROL
Westfassade
Südfassade
Schnitt 2-2 / Südfassaden Ökonomiegebäude und Galerieanbau Westfassade Galerieanbau
Nordfassade Veranda
36
Projekt für Gartenanlage der Villa Langmatt, 1900Otto Fröbel, Zürich
37
Der Gartenarchitekt Otto Froebel (1844-1906)
Die Gartenanlage der Villa wurde vom Zürcher Gartenarchitekten Otto Froe-
bel gestaltet. Das erste Plandokument zur Projektierung des Gartens stammt
vom April1900. Dieser Plan ist noch stark von den Ideen des Architekten,
Karl Moser, geprägt. Die gärtnerische bzw. gartenbauliche Ausführung wurde
ebenfalls durch die Firma Froebel übernommen.
Otto Froebel wurde in Zürich geboren. Sein Vater, Theodor, war ebenfalls Gar-
tenarchitekt und hatte unter anderem den Rietpark gebaut. Nach dem Gym-
nasium ging er bei seinem Vater in die Lehre. Ab 1865 arbeitete er für seinen
Vater und übernahm 1890 das Geschäft. Unter seiner Leitung wurde die Fir-
ma Froebel & Cie. zur wichtigsten Gartenbaufirma und Handelsgärtnerei der
Schweiz. Berühmt wurde Froebel vor allem durch seine enorme Artenvielfalt,
die er durch Neuzüchtungen und Neueinführungen erreichte.
Die Gartenanlage
Das Haus steht exzentrisch im rechteckigen Grundstück. Das Wege-System ist
stark geometrisiert und bildet einen inneren und äusseren Erschliessungs-
ring. Seide führen zu herausgehobenen Gartenteilen und zu grösseren oder
kleineren Sitz- und Aufenthaltsplätzen und verbinden diese miteinander. Be-
schriebenes Wege- System unterteilt den Garten in Teilräume, die im mo-
dernen Verständnis des Wohngartens auch als Spiel- und Aufenthaltsflächen
gebraucht wurden. Zwei ornamental gestaltete Parterreelemente schliessen
an die Süd- bzw. Ostseite des Hauses an und bilden die eigentlichen garten-
künstlerischen Höhepunkte. Das östliche Parterre ging allerdings bald durch
den Galerieanbau verloren.
Der Garten zeichnete sich gernäss Stöckli, durch die Dichte des Ensembles,
das geglückte Verhältnis zwischen Haus und Garten und den einzelnen Gar-
tenräumen untereinander, das geglückte Verhältnis zwischen formalen und
freien Teilen und die reiche Inszenierung der pflanzlichen Ausstattung .
Der Umbauplan entstand dann wohl um 1905/06 im Zusammenhang mit dem
Galerieanbau, der einen starken Einfluss auf das Erscheinungsbild des Gar-
tens hatte. Die Ausführung wurde wiederum von Otto Froebel übernommen.
Die östliche Erweiterung umfasste vor allem Spiel- und Sporteinrichtungen:
ein Holzhaus mit Garten für die Kinder, einen Turnplatz mit Rundlauf, Reck,
Barren und Schaukel, einen "Lawntennis-Platz" und ein Kegelspiel mit auf-
gehängter Kugel. ln der westlichen Erweiterung wurden unter anderem ein
Rosarium, ein Stauden- und "Naschgarten" (Erdbeeren) sowie ein Laubengang
in der Verlängerung der Eingangsachse des Hauses errichtet.
38
39
Projektplan für den erweiterten Garten. Otto Fröbel, ca. 1905
40
Parallel zur "Französisierung" des Wohnheimes wurde auch der Garten "Fran-
zösisiert", so Stöckli. Der ursprüngliche Garten der Langmatt, zeichnete sich
durch eine grosse Sortenvielfalt von Pflanzen aus. Einige dieser Pflanzensor-
ten waren erst vor Kurzem in Europa bzw. in der Schweiz eingeführt worden,
wie z.B. die Rose "Crimson Rambler'', welche erst 1878 von einem britischen
Ingenieur in Japan "entdeckt" wurde und wegen ihrer Einführungsgeschichte
den Beinamen Ingenieursrose erhielt, oder die erst 1805 entstandene "Phy-
sostegia virginiana Alba".
Nach dem Tode Sidney W. Browns kam 1941 auch die gartenbauliche Entwick-
lung zum Erliegen. Der südliche Teil der Liegenschaft mit Gärtnerhaus, Obst-
garten und Tennisanlage wurde verkauft, abgebrochen und neu bebaut. Die
Stiftung hat nicht nur zur Aufgabe die Sammlung und das Haus zu erhalten,
sondern auch den Garten.
aus: Dokumentation Stiftung Villa Langmatt
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Bild oben: Die Familie Brown um 1900: hin-tere Reihe v. l. n. r.) Carl Täuber, Jenny Sulzer, Ulrich und Jane Mül-ler, Charles Eugen Lancelot, Alice und Georg Boner; vordere Reihe: v. l. n. r.) Ellen «Nelly» Täuber, Sid-ney William, Eugénie und Charles sen., Amelie Nathan, Juliet und Gustav Melms. Archiv Dr. Ambros Boner, Zollikon; Fotograf: Zipser & Schmidt, Baden.
61
Von London via Winterthur und Oerlikon nach Badeneine kurze Geschichte der Familie BrownChristian Engel
1896 heiratete der 31-jährige Ingenieur Sidney William Brown die Enke-
lin des einstigen Patrons seines Vaters, die 25-jährige Jenny Sulzer. Sie
entstammte der Gründerfamilie der Winterthurer Firma Gebrüder Sulzer. Die
Namen Sulzer und Brown gingen beide in die Wirtschaftsgeschichte ein,
verdankt doch die schweizerische Maschinenindustrie des 19. und 20. Jahr-
hunderts den Ingenieuren dieser Familien wichtige Impulse.
Sidney W. Browns Vater Charles Brown 1827–1905) hatte sich als Sohn eines
streng religiösen Zahnarztes im englischen Uxbridge (heute zu London ge-
hörig) sein technisches Wissen selber erarbeitet. 1851 trat er als Ingenieur
in die Firma Gebrüder Sulzer ein. Browns Erfindung der Ventildampfmaschi-
ne bildete den Grundstein zum international erfolgreich agierenden Indus-
triekonzern Sulzer. 1862 heiratete Charles Brown die aus dem Winterthurer
Bürgertum stammende Eugénie Pfau. Brown verliess die Firma Sulzer 1871
und gründete mithilfe von Investoren die Schweizerische Lokomotiv- und
Maschinenfabrik SLM) in Winterthur, deren technischer Direktor er wurde.
1884 wechselte er zur Maschinenfabrik Oerlikon (MFO) und baute dort als
Leiter die elektrotechnische Abteilung auf. Ab 1890 lebte Charles Brown als
selbständiger Ingenieur in Basel. Charles und Eugénie Brown hatten insge-
samt sechs Kinder, zwei Söhne und vier Töchter.
Die beiden Söhne Charles Eugen Lancelot (1863–1924) und Sidney William
(1865–1941) liessen sich beide am Winterthurer Technikum zu Ingenieuren
ausbilden. An der Seite ihres Vaters sammelten sie erste Berufserfahrungen
in Winterthur und Oerlikon. Charles E. L. übernahm von seinem Vater die
Leitung der elektrotechnischen Abteilung der MFO, während Sidney W. sei-
nen Vater 1885 für einen Auftrag nach Pozzuoli bei Neapel begleitete und
von 1888 bis 1889 eine 14 - monatige Reise nach Ostasien und Australien
unternahm.
1891 gründete Charles E. L. Brown zusammen mit dem aus Bamberg stam-
menden Walter Boveri die Firma Brown, Boveri und Cie. (BBC) in Baden.
Sidney W.Brown trat im selben Jahr als technischer Direktor der Firma bei.
Nach der Umwandlung der BBC in eine Aktiengesellschaft war Charles E. L.
von 1900 bis 1911 deren Verwaltungsratspräsident. Danach zog er sich ins
Privatleben zurück und verbrachte seinen Lebensabend in Montagnola (TI).
Sidney W. unterstanden die Konstruktionsbüros, Werkstätten und Versuchs-
abteilungen der BBC. Ab 1898 Teilhaber der Firma, prägte er die Entwick-
lung der BBC als Delegierter 1900–1935) und Vizepräsident 1935–1941) des
Verwaltungsrates entscheidend mit. Er führte eine harmonische Ehe mit der
62
kunstsinnigen und gebildeten Jenny Sulzer 1871–1968). Als Tochter des Seni-
orchefs der Firma Gebrüder Sulzer, Jakob Heinrich Sulzer-Steiner 1837–1906),
war sie im Kreise von fünf Geschwistern in Winterthur aufgewachsen. Aus
Liebe zur Kunst entstand bei Jenny offenbar der Wunsch, selbst künstlerisch
tätig zu werden. So soll sie in jungen Jahren Malunterricht erhalten haben,
zuerst in München, nach ihrer Eheschliessung bei dem aus Konstanz stam-
menden Maler Karl Rauber in Baden.
Im Laufe der Jahre baute das Ehepaar Brown eine bedeutende Gemälde-
sammlung auf. Zuerst wurden Werke der Münchner Sezessionisten angekauft,
darunter Arbeiten von Franz von Stuck und Julius Exter, bei dem Sidneys
künstlerisch tätige Schwester Juliet Malkurse besucht hatte. Ein Grossteil die-
ser Bilder wurde jedoch bald wieder veräussert, da das Sammlerehepaar ab
1908 seine Liebe zu den französischen Impressionisten, insbesondere Corot,
Renoir und Cézanne, entdeckt hatte. Die 1901 erbaute Villa Langmatt erhielt
1906 für die rasch wachsende Gemäldesammlung einen eigenen Galerieanbau.
Die drei Söhne von Sidney W. und Jenny Brown, Sidney Hamlet 1898–1970),
John Alfred 1900–1987) und Harry Frank (1905–1972), blieben kinderlos.
Sidney H. wirkte nach seiner Promotion zum Dr. iur. zuerst als Sekretär und
Delegierter des Internationalen Roten Kreuzes, 1940 trat er in den Rechts-
dienst der BBC ein und wurde 1948 Generalsekretär des Unternehmens. Har-
ry F. bildete sich nach seiner Promotion in den Rechtswissenschaften zum
Komponisten aus und förderte von seinem Wohnort Paris aus musikalische
Talente. John A. promovierte mit einer wirtschaftshistorischen Arbeit über
das Zinngiesserhandwerk in der Schweiz, lebte ebenfalls in Paris und war im
Musée du Louvre tätig. 1969 heiratete er seine langjährige Lebensgefährtin
Andrée Marthe Müller 1911–1976). 1972 kehrte er nach einem Schlaganfall
in die Villa Langmatt zurück. Gemäss seiner testamentarischen Verfügung
gründete die Stadt Baden nach seinem Tod eine öffentlichrechtliche Stiftung.
Zum Andenken an seine Eltern hatte ihr John A. Brown den Namen «Stiftung
Langmatt Sidney und Jenny Brown» verliehen. Die Villa Langmatt ist seit
1990 als Museum zugänglich.
aus: Badener Neujahrsblätter, Band (Jahr): 87 (2012)Christian Engel
63
«Kommen Sie statt nach Berlin zu mir. Ich habe für Charles Brown in Baden ein grosses undinteressantes Wohnhaus zu bauen. Sie könnten nach Karlsruhe kommen, die Pläne mit mirausarbeiten und, da Sie nun die Badener Verhältnisse kennen, den Bau auch ausführen.»1
Brodtbeck, Wilhelm
In der Rückschau auf seine beruflichen Anfänge erinnert sich der Basler ArchitektWilhelm Brodtbeck an diese Worte Karl Mosers, der seit 1888 zusammen mit Ro¬bert Curjel in Karlsruhe ein erfolgreiches Architekturbüro führte. Brodtbeck avan¬cierte 1897 zumBauleiter für die Villa Römerburg. Sie war die zweite der insgesamtvier Vorstadtvillen, die Curjel& Moser für die Gründer und Partner der Elektrotech¬nikfirma Brown, Boveri&Cie. in Baden gebaut haben. Die Einladung von Moser kamjust zu dem Zeitpunkt, als Brodtbeck, nach einer Tätigkeit im Büro von Mosers Va¬ter Robert, eine neue Herausforderung suchte.
Das Büro Curjel& Moser war gerade mit der Realisierung der Karlsruher Chris-tuskirche
beschäftigt und einem Entwurf für die Basler Pauluskirche, bei dernach dem Verwenden gotischer Stilelemente nun vermehrt romanische zum Tra¬
gen kamen. Brodtbeck und die anderen jungen Architekten in Karlsruhe wurdendeswegen angehalten, am nahe gelegenen Dom in Speyer und sogar in Worms«verwendbares Detail»2 zu skizzieren. So scheinen die Parallelen zumWohnhaus¬bau offensichtlich und die Abfolge der Stilgeschichte im Späthistorismus bereitshinreichend geklärt: Während der spätgotische Stil der Villa Boveri am Ländli¬weg, die erste der Badener Villen von Curjel&Moser, noch auf den spätgotischenStil der Christuskirche in Karlsruhe referiert, reagiert die Villa Römerburg an derRömerstrasse mit den Rundbögen bereits auf die romanischen Anleihen der Bas¬ler Pauluskirche.3
Von Thomas Gnägi, Zürich. Er ist Kunsthistoriker und hat über die
Architekturzeichnungen Karl Mosers promoviert. Er ist Dozent für
Architekturgeschichte an der Zürcher Hochschule für Angewandte
Wissenschaften ZAHW) und Wissenschaftlicher Mitarbeiter am
Kunsthistorischen Institut der Universität Bern.
Aus Karl Mosers Skizzenbuch: die Villender Gebrüder Brown
64
Die charakteristische Herleitung jedes einzelnen Wohnhauses ist jedoch weitauskomplexer, als es die einfach zuzuordnenden Stilformen vermuten lassen würden.Verhält es sich doch so, dass die Gestalt jedes Baus von unzähligen Eindrücken desentwerfenden Architekten und von kaum nachvollziehbaren Entscheidungen ab¬
hängt. Wäre es nämlich ganz direkt nach dem architektonischen Traum des Bau¬herrn Charles Eugen Lancelot Brown gegangen, dem man eine gewisse «Neigungzur theatralischen Selbststilisierung»4 nachsagte, hätte Moser ein Gebäude errich¬ten sollen, «ähnlich wie die Propyläen in München» ein «Mittelbaumit 2 seitlichabschliessenden Pylonen» 5 erinnert sich Brodtbeck.
Englische LandhäuserEiner derart ortsungebundenen und historisierenden Bilderarchitektur wollte sichMoser nicht bedienen. Wie aber sollte der Entwurf einer Industriellenvilla aussehen?Wie der Name «Römerburg» schon andeutet, ist ein Bezug zur römischen Geschichtedes Ortes hergestellt.6 Undmit der Bezeichnung «Langmatt» wird derspäterenBrown-Villa ein lokaler Flurname beigefügt. Gibt es aber auch persönliche Bezüge, die sichin Architektur übersetzen lassen? Und was sind die architektonischen Prämissen fürein Landhaus jener Zeit ganz allgemein?
Der Bau von stadtnahen Villen im Grünen hatte um 1900 Konjunktur. 1909schreibt der Architekt und Publizist Henry Baudin in seiner bilderreichen Übersichtüber die Villen und Landhäuser in der Schweiz, dass sich als Folge «der modernenIdeen und Lebensbedingungen [...] eine gewisse Auswanderung der städtischen Be¬
völkerung aufs Land» vollziehen würde, «um sich im Eigenhaus, der bedeutsamstenErscheinung moderner Wohnkultur, einzunisten» 7 Baudin wiederholt damit eineBe-obachtung, die der deutsche Kulturbeauftragte Hermann Muthesius bereits frü¬her über die englische Lebensart gemacht hat: «Man ‹wohnt› in England nicht in derStadt, man hält sich da nur auf.»8
Besonders das englische Landhaus wurde zum Prototypen der modern organi¬sierten Villa.9 Und als gebürtige Engländer war für die Gebrüder Brown die Orientie¬rung an englischen «Lebensbedingungen» naheliegend. Weder die Römerburg nochdie Villa Langmatt erinnern jedoch in ihrer äusseren Erscheinung explizit an eng¬
lische Architektur. Der entwerfende Architekt Moser selber sah hingegen seine ersteVilla für die BBC, die Villa Boveri, durchaus in dieser Tradition verwurzelt. So zeich¬nete er kurz nach ihrer Errichtung den Grundriss neben solche englischer Prove-nienz,
die er aus Robert Alexander Briggs Bungalow and Country Residences von 1891 ko¬pierte, und beschriftete die Räume Boveris in Englisch. Moser setzte also die BadenerVilla in die Kontinuität des englischen Landhauses, auch wenn es formal näher lie¬gen würde, grossbürgerliche Villen Deutschlands als Paten zu nennen.10
65
Abb.1: Karl Moser, Projektskizze Römerburg, Süd- und Ostfassade, Perspektive Tinte) 1897.gta Archiv Archiv des Instituts für Geschichte und Theorie der ETH Zürich), 33-1897-SKB-3.
Abb.2: Karl Moser, zwei Projektskizzen Römerburg, je Süd- und Ostfassade, PerspektiveBleistift) 189. gta Archiv, 33-1897-SKB-3.
Abb.3: Römerburg, Süd- und Ostfassade, Fotografie von Albert Rieder, um 1900. gta Archiv,135-6-9:1.
66
Entwicklung einer architektonischen FormAusgehend von den genannten Grundrissen erarbeitet Moser die entwerferischenGrundlagen für die zweite Villa der BBC-Gründer. So erwächst die entwerferischeIdee für das neue Projekt gleichsam aus der Nachbereitung des gerade fertigge¬stellten Gebäudes am Ländliweg. Nachdem er in verschiedenen Variationen dieRäume im Erdgeschoss um die englisch inspirierte «hall» angeordnet hat, wechselter in die Darstellungsform der Perspektive. Verfolgt man die Entwicklung der ar¬chitektonischen Form für die Römerburg und dann auch für die Villa Langmatt inden Skizzenbüchern Karl Mosers weiter, wird die spezifische Eigenart dieser zweiexemplarischen Fälle erkennbar.
Vorerst bleibt Moser dem damals üblichen Formenrepertoire verpflichtet. Ervariiert im Äusseren die malerische Typologiemit Türmchen, Giebel, Zwerchhaus,Erker sowie Loggia und orientiert sich damit an den zu Beginn der 1890er-Jahre er¬richteten Villen in einem wenig spezifizierten englischen Stil, wie zum Beispieldenjenigen in den Berliner Vorstädten Abb.1).11 Dann aber erfolgt in der Skizzen¬reihe ein formaler Bruch: Die Kubatur ist deutlich massiger geworden Abb.2). Inder Ostfassade dominiert ein breiter Stichbogen über einem grosszügigen Unter¬stand, auf der Südseite überfängt ein Bogenfeld die ganze Breite der Strassenfassa¬de. Ein überdachter zweiter Eingang wird neu an deren rechter Ecke platziert. Eswird deutlich, dass sich der Architekt bemüht, für zwei Fassaden eine je eigenstän¬dige Lösung zu finden. So verklammert Moser die wenig profilierten Eckstümpfeauf der Ostseite mittels Stichbogen, auf der Südseite wird jetzt das Dachmit einemzusätzlichen Turmbau durchstossen. War in den vorangehenden Zeichnungen dieSeite imOsten als Hauptfassade lesbar, wird sie nun an der Römerstrasse mit demvorspringenden Turmbau als Hauptfassade markiert. Letztlich wurde eine redu¬zierte Turmversion in Form eines Altans, eines abgestützten Vorbaus, gebaut: DerVorbau endet dabei unter der Dachtraufe als Balkon. Damit haben allerdings dieEcken zusätzliche Präsenz erhalten, da sie über das als Pyramide formulierte Dachwie gedeckte Wehrtürme hinausschauen Abb.3). Moser schwächt also im reali¬sierten Bau die formal innovative Lösung einer kompakten Gesamtform zuguns-ten
einer bildhaften Architektur ab.12
Ein amerikanischer Architekt und ein bayrischer MalerWie ist der genannte formale Bruch in der Skizzenfolge zu erklären? Welche Ideesteht hinter solch imponierenden Eckbetonungen, und wie überwindet Moser diezeitgenössische Konvention in der typologischen Durchbildung eines Wohn¬
hauses? Für die Römerburg fällt die Antwort angesichts der vielen Möglichkeiten,
67
die sich mit solchen Fragen gegenüber den vielleicht auch zufälligen und assozia¬tiven Gedanken eines Architekten eröffnen, überraschend eindeutig aus: Moserhat sich während des Zeichnens jener Reise erinnert, die er ein Jahr zuvor, an Os¬
tern 1896, mit dem Künstler und Architekten Max Laeuger zusammen nach Lon¬
don unternommen hatte. Dabei besuchten sie eine Villa im kleinen Vorort Bushey,die vomamerikanischenArchitektenHenry HobsonRichardsonfürdenbayrischenWahl-Engländer und bekannten Maler Sir Hubert von Herkomer gezeichnet wor¬den war.13 Und diese zwei Persönlichkeiten sind auch der Grund, warum Moserden Abstecher nach Bushey unternommen hat.
Die Villa Herkomers war der einzige europäische Bau des berühmten amerika¬nischen Architekten und Begründers des Modern Romanesque in Europa.14 Die Lu-ther-
und Johanniskirche von Curjel&Moser in Karlsruhe undMannheim, die Anto¬niuskirche in Zürich sowie auch bereits die frühe Pauluskirche in Basel sindBeispiele einer intensiven Auseinandersetzung mit Richardsons Bauten.15 Sie
zeichnen sich jeweils durch einen besonders subtilen Umgang mit der Farbigkeitund der Materialität unterschiedlicher Steinsorten aus sowie durch das Verfahren,verschiedene architektonische Einzelformen durch wenige Profilierungen zu plas-tischen
Grossformen zu verschleifen. Ein Blick auf Mosers Skizzen macht seinInteresse an der Fassade in Bushey offensichtlich. Vor allem der breite Stichbogen,der die beiden Ecktürme miteinander verbindet und sie so im Verbund mit derMauer gleichsam aus dieser hervorwachsen lässt, ist ein besonders charakteris-tisches
Merkmal, das an der Ostseite im realisierten Bau in Baden übernommenwurde.
Nur gerade zwei Jahre nach seiner Fertigstellung besichtigt Karl Moser dasenglische Künstlerhaus. Tags zuvor aber, am 1.April 1896, besucht er einige Inte-rieurs
im Inneneinrichtungsgeschäft Waring an der Oxford Street und notiertdazu, wie wirkungsvoll es sei, «wenn alle Möbel organischmit dem Bau verbundenwerden» Er lobt die Engländer und deren «höhere Blüthe der Kunst das Heimkünstlerisch und als Ganzes zu gestalten» sie würden eben «das elende Mieths¬haus System nicht kennen» Er nennt die Arts-and-Crafts-Vertreter Burne Jones undWalther Crane, die die «Freude am eigenen Heim [...] veranlaßt»16 hätten.
Personality einesWohnhausesNach solchen Gedankenmutet der Besuch in Bushey tags darauf etwas anachronis-tisch
an: Ein Bayer soll in Englandmithilfe eines amerikanischen Architekten dasWohnhaus revolutionieren? Abgesehen von der Architektur der Hauptfassadedürfte sich Moser jedoch auch für die Person Huberts von Herkomer interessiert
68
haben oder zumindest für das, was imHause von ihr sichtbar war. Denn Herkomerwar ein aussergewöhnlich innovativer Geist, der Bushey nicht nur zum Zentrumder englischen Aquarellisten-Szene machte – was Moser als passionierter Aquarel¬list ebenfalls angesprochen haben dürfte –, sondern sich in seinem eigenen Studioauch als Filmemacher betätigte, als Schriftsteller wirkte und ein früher Förderervon Autorennen war. Abgesehen von der beruflichen Ausrichtung geradezu einÄquivalent eines Charles Eugen Lancelot Brown.
Der Architekturkritiker Karl Widmer schrieb 1900 in der Zeitschrift DeutscheKunst und Dekoration über das «Prinzip des individuellen Schaffens» der ArchitektenCurjel&Moser, die besonders «auf die Persönlichkeit, die Lebensgewohnheiten unddie Lebensstellung des Bau-Herrn»17 eingehen würden. Ganz explizit ist die Indivi¬dualität des Bauherrn in der Herkomer-Villa in architektonische Darstellung ge¬
bracht worden. Der Hausherr selber führt den Leser seiner Biografie beim be¬
schreibenden Gangdurch dieRäume suggestivin die personality eben dieses Hausesein: «The moment you enter it [...] you are aware of a personality, of the stamp ofmind that not only constructed and decorated it, but intended to live in it. It is justthat element that should permeate a house – personality.»18 Die Persönlichkeit desHauses verschmilzt alsomit der Persönlichkeit des Eigners.
Es ist gerade diese über die Wirkung der architektonischen Details und desMaterials persönlich definierte Lebensumwelt, die Moser interessiert hat – der«Silberstoff» oberhalb der Wandvertäfelung im Drawing Room, die Musikbühnemit «Kupfer getriebener Brüstung»19 und anderes. Es ist die nach dem Besuch desInneneinrichtungsgeschäfts tags zuvor notierte persönliche «Freude am eigenenHeim» die den Entwurf leiten und dieses «künstlerisch und als Ganzes zu gestal¬ten» helfen soll.
Propyläen für BadenDie Römerburg ist nicht die einzige Villa, die von Mosers Besuch in Bushey zeugt.Als erstes kommen nämlich die Pläne für ein Haus auf einem Eckgrundstück inKarlsruhe für den Maler und Professor für Historienmalerei an der Akademie,Ferdinand Keller, zustande. Wie Skizzen vonMoser belegen, gab Herkomers Villahier ganz direkt Anregung für die Badener Ecklösung mit Turm. Nach der Reali¬sierung der Römerburg wird an derselben Karlsruher Strasse und ebenfalls aufeinem Eckgrundstück ein städtebauliches Pendant zur Villa Keller errichtet,nämlich das Wohnhaus für den Kommerzienrat Max Müller. Diese Pläne beru¬hen auf einer direkten Weiterentwicklung der Römerburg. Moser reduziert da¬bei in einer Zeichnung die Form der Badener Villamit wenigen Strichen und Flä-
69
Abb.4: Villa Stuck, Fotografie von August Lorenz, um 1899. Aus: Jo-Anne Birnie Danzker Hg.):Villa Stuck. Ostfildern 2006.
Abb.5: Henry Hobson Richardson, Villa Hubert von Herkomer, Entwurfszeichnung 1886, in: De¬partement of Printing and Graphic Arts, Harvard College Library Hg.), H.H. Richardson and hisOffice. A Centennial of his Move to Boston 1874, Cambridge Mass. 1974 Ausstellungskatalog).
70
chen auf eine schematische Darstellung eines Kubus mit vier über das Dach desHauptbaus hinausragenden Ecktürmen, ähnlich einem Kastell. An späterer Stel¬le in Mosers Skizzenbuch findet sich der Grundriss einer Villa, die sich auf for¬maler
106
Ebene überraschenderweise bestens zur Typologie des Kastells in Bezugsetzen lässt: Es ist die Villa Stuck in München Abb.4).20
Die Persönlichkeit des Malers Herkomer wird in der Persönlichkeit des Hausesin Bushey manifest. Die Exzentrik des Künstlerfürsten Franz Stuck spiegelt sich imAusdruck seiner klassizistischen Künstlervilla. Und in der Römerburg wird der un¬erschöpfliche charakterliche Eigensinn des Bauherrn zur Schau getragen. Die Vil¬
la Stuck inMünchen wurde übrigens exakt zur gleichen Zeit realisiert wie die Rö¬merburg in Baden. So sind die inneren Zusammenhänge zu verstehen – es gibtaber auch architektonische: Mögen auf den ersten Blick mit den drei Bauten imÄusseren ganz unterschiedliche Themen verfolgt sein, so ist vor allem zwischender Münchner und der Badener Villa die ähnliche Kubatur augenfällig. Hier wiedort behaupten seitliche Vorsprünge eine deutliche körperliche Präsenz, wobeidie Römerburg malerisch ausgewogen ist, während bei der Villa Stuck eine prinzi¬piell axiale Symmetrie vorherrscht. Letztlich wurde es verstanden,mit beiden Bau¬ten an einer Strassenseite genügend architektonische Masse aufzubringen. Unter¬stützend wirken dabei die in eine verständliche Formensprache gegossenenallgemeinen Referenzen an die Architekturgeschichte, was der jeweiligen eigenenArt ihrer Bewohner zusätzlich Ausdruck verleiht. Wenn bei der Münchner Villa,durch stilistischeMittel akzentuiert, tatsächlich ein lokaler Bezug zu den Propylä¬en hergestellt werden kann, so wirkt der in Baden gewählte mittelalterliche Be¬
zugsrahmen eher zufällig. Charles E. L.Browns Wunsch nach einem «Mittelbaumit zwei seitlich abschliessenden Pylonen» «ähnlich wie die Propyläen in Mün¬chen» 21 wurdemit romanischen Stilformen kaschiert.
Studiert man nun die ursprünglichen Entwurfsskizzen des amerikanischenArchitekten für Herkomers Künstlervilla, wird die Verwandtschaft der beidenVillen noch deutlicher, als bisher beschrieben Abb.5). Ein solcher von Richard¬son vorgeschlagener Turm mit steilem Pyramidendach und architektonischenAnleihen an Wehrbauten, den Herkomer in London nur in Ansätzen und ohneTurmabschluss realisiert hat, wurde in Baden gleich zweimal erbaut, und zwarin der Anordnung seitlicher Pylonen – im Wissen um Browns Äusserung mussman noch einmal erwähnen: «ähnlich wie die Propyläen in München» Damitwurde diese Fassade letztlich zum charakteristischen architektonischen Aus¬
druck der Persönlichkeit von Charles E.L. Brown.22
71
Abb.6: Karl Moser, «Boppard, 27. V. 97, 1655, Alter Fachwerkbau, Die Fenster haben Rahmen, die aufden Balken aufliegen» gta Archiv, 33-1897-SKB-2.
Abb.7: Villa Langmatt, Ansicht von der Strasse, Fotografie um 1903. gta Archiv, 33-1900-6-F-AuG-2.
107
72
Dasmoderne LandhausDie geschlossene Kubatur, die Betonung des Natursteinmauerwerks und ihre bild¬hafte Architektur geben der Villa Römerburg einemonumentale Erscheinung, so¬dass sie wie ein Wehrbau an der Römerstrasse steht. Dagegen wurde beim Land¬haus von Sidney William Brown und Jenny Brown-Sulzer auf eine erzählende odereine die Umgebung dominierende Architektursprache ganz bewusst verzichtetAbb.7). Im Vergleich zur Römerburg, die von einem durch Treppen, Stützmauernund Podestenmit Ballustraden stark strukturierten Garten umgeben ist, bleibt dieLandschaft um die Villa Langmatt nur wenig architektonisch gestaltet. Mit der Ar¬chitektur des Hauses werden Bezüge zur ländlichen Bauart gemacht. Jede Fassadehat ihr eigenes Gesicht. Der ursprünglich geschwungene, als Zwerchhaus ins Dachhinaufgezogene Giebel auf der Südseite, das für die Ostseite bestimmende Fach¬
werkmit Krüppelwalm und nicht zuletzt die Wirtschaftsgebäude im Westen undNorden geben ein Bild einer malerischen, additiv komponierten und aufgelo¬ckerten Architektur.
Ist also der Architekt bloss demWunsch des Bauherrn gefolgt und baute ganzexplizit in einem anderen Stil als beim Haus von Sidneys Bruder?23 Wird anstellevon Schwere und kompakter Geschlossenheit wie bei der Römerburg neuerdingsLeichtigkeit und Abwechslung demonstriert? Die beiden Villen sind offensichtlichsehr verschieden, wenn auch die zentrale Halle eine Gemeinsamkeit in der grund¬legenden Organisation des jeweiligen Gebäudes ist; derartige Hallen sind der An¬gelpunkt, an dem sich die englische Lebensart im intimen Zentrum des Heims ammeisten zeigt. Wie bereits bei der Römerburg ausführlich besprochen, gibt es auchbei der Villa Langmatt noch andere Bezugspunkte, die auf England verweisen. KarlMoser paraphrasiert 1899 in seinem Skizzenbuch seitenlang den englischen Archi¬tekten Mackay Hugh Baillie Scott und nennt die «Englischen Avantgardisten»24
und Initianten der Arts-and-Crafts-Bewegung, John Ruskin und William Morris.Moser liest Baillie Scotts Artikel in der Kunstzeitschrift The Studio, dem Organ derArts-and-Crafts-Bewegung.25 «Das Augemuß so gut wie der Körper im Hause befrie¬digt sein!» zitiert er und bringt damit Baillie Scotts Verständnis von Funktionalitätauf den Punkt, das von der strukturellen Organisation bis zur Dekoration der In¬nenräume reicht.
Das zweite Interesse Mosers an der Arts-and-Crafts-Bewegung kreist um dasVerhältnis der Architektur zur Natur. Er zitiert Horace Townsends Bemerkungenzu den Landhäusern von Charles Francis Annesley Voysey: «Eine feine Situationhilft dem Architekten ein schönes Haus zu schaffen, wenn der Architekt dafür
73
sorgt, sich der Natur unter oder ein zu ordnen [...]. Diese Unterwerfung ist eineQuelle der Inspiration.»26 Moser wird sich für die Villa Langmatt nicht an den bei¬gefügten Beispielen Voyseys orientieren. Vielmehr sind sie Inspiration für dievierte Industriellenvilla in Baden, die Villa Burghalde. Vorerst bringt Moser das Ge¬schriebene mit den in The Studio vorgestellten Häusern eines Baillie Scott zusam¬men. Dieser entwarf mit dem Ideal Suburban House und dem $UWLVWҋV House asymme¬
trische und aufgelockerte Gebäudekonfigurationen mit Fachwerkgiebel undWalmdach, die in der Villa Langmatt ein Echo finden.27 Baillie Scott bezieht sichmit seinen Gebäuden auf die historischen englischen Landhäuser, in denen er ne¬ben praktischer räumlicher Anordnung auch die ursprünglichenMaterialien wieBackstein und Kalkputz wiederfindet. «Neue Ideen gründen sich auf dem Studiumder Vergangenheit; nicht auf der Pflege einer bizarren, ‹neuen Kunst›, die ‹Origi¬nal› sein möchte» 28 votiert der Engländer an anderer Stelle. Das moderne Hausmüsse sich aus der Geschichte ableiten lassen und sich doch immer weiter entwi¬ckeln. Ortsgebundene, aus der Tradition gewachsene Architektur wird zumUnter¬suchungsgegenstand des Architekten.
Es sind genau solche Überlegungen, die Karl Moser ansprechen: Er geht aufden Pfaden genannter englischer Architekten, indem die lokale natürliche) Situa¬tion in Baden geprüft und die traditionelle regionale Bauweise studiert werden.Tatsächlich wird Moser nach dem Besuch in England vermehrt deutsche Fach¬
werkbauten analysieren Abb. 6).29 Ende Mai 1897 macht er eine Reise ins Rhein¬land und skizziert in Kiedrich und Boppard mittelalterliche Fachwerkhäuser bisins Detail, und Mitte September 1898 besucht er mittelalterlicheOrte im Elsass.30
Zudem lehrte seit 1894 der Mittelalter-Spezialist Carl Schäfer am Karlsruher Poly¬technikum und lenkte die Aufmerksamkeit auch in Deutschland auf eine als ur¬sprünglich empfundene Architektur, die in der klassizistischen Planstadt Karlsru¬he freilich gar nie existierte. Schäfer realisierte dort 1896 mit dem Pfarrhaus deraltkatholischen Kirche einen pittoresken Bau in Fachwerk und Krüppelwalm, der1899 auf der anderen Strassenseite von Curjel&Moser mit einem entsprechendenWohnhaus prompt zitiert wurde.31
Für das heimische Baden entwickelte Moser nun in Skizzen ein Landhaus, dasmit Vorbauten und Giebel noch an die englischen Vorbilder eines Baillie Scott an¬knüpft, jedoch durch Anzahl und Höhe der Geschosse eine massigere Gestalt an¬nimmt. Moser verschmelzt das Pittoreske einer tradierten Architektursprache mitdem Volumen eines Bürgerhauses.
Die Villa Langmatt wie auch die Römerburg stehen imWerk Karl Mosers nichtals stilistische Solitäre in der Architekturlandschaft. Vielmehr sind sie Stationen
74
in einem entwerferischen Prozess des modernen Landhausbaus, der in Englandwichtige Impulse erfuhr. Die englische Bauweise wurde so direkt allerdings nieübernommen, sondern hat in stetiger Überarbeitung im einzelnen Bau einen je ei¬
genen Ausdruck erfahren. Moser baute also keine Landhäuser englischen Stils,sondern adaptierte vielmehr die in England früh entwickelte Idee, aus der Indivi¬dualität des Bauherrn, aus der Geschichte des Hausbaus und aus der Situation desOrtes heraus das moderne Landhaus zu entwerfen.
Anmerkungen1 Brodtbeck, Wilhelm: Leben – Bauen– Menschen.Abschrift Manuskript nach 1953. TyposkriptArchiv Steinmann,Aarau, 6; mit besonderemDank an Martin Steinmann.
2 Ebenda, 7.3 Zu den Bauten Curjel & Mosers vgl. Hildebrand,Sonja; Oechslin, Werner, Hg.): Karl Moser. Ar¬chitektur füreineneue Zeit, 2 Bde. Zürich 2010.
4 von Moos, Stanislaus: Karl Moser. Die «Lang¬
matt» undder Traumvom Landleben, in: Preis-werk-Lösel, Eva-Maria Hg.), Ein Haus für die Im¬
pressionisten. Das Museum Langmatt. StiftungSidneyund Jenny Brown, Baden. Gesamtkatalog.Ostfildern-Ruit 2001, 41–59,hier 42.
5 Brodtbeck 1953 wie Anm. 1), 7. Ebenfalls abge¬druckt in: Stalder, Laurent: Der Pulsdes Lebensim«Garten der neuen Kunst» Vier Villen um1900, in: Hildebrand2010 wie Anm. 3), 165–177,hier 176, Anm. 19.
6 Rebsamen, Hanspeter; Röllin, Peter; Stutz,Werner: Baden, in: Inventar der NeuerenSchweizer Architektur. Bern und Zürich 1984,394f.
7 Baudin, Henry: Villen und Landhäuser in derSchweiz. Genf und Leipzig 1909, XI.
8 Muthesius, Hermann: Das englische Haus. Ent¬wicklung,Bedingungen,Anlage, Aufbau, Ein¬richtung und Innenraum, 3 Bde., Bd. 1. Berlin1904, 2.
9 Vgl. Stalder, Laurent: Hermann Mutthesius,1861–1927. Das Landhaus als kulturgeschicht¬licher Entwurf. Zürich 2008.
10 Beispielsweise die VillaKolbe von Otto March inRadebeul bei Dresden. Vgl. von Moos 2001 wieAnm. 4), 44.
11 Siehe beispielsweise die Villa des Kunsthistori¬kers Robert Dome im englischenStil imHansa-Viertel Berlins. Muthesius, Stefan: Das englische
Vorbild. Eine Studie zu den deutschen Reform-bewegungen
in Architektur, Wohnbau undKunstgewerbe im späteren 19. Jahrhundert.München 1974 Studien zur Kunst des neun¬zehnten Jahrhunderts, Bd. 26), 106–108. Sieheauch Janiszewski, Bertram: Das alte Hansa-Vier¬tel in Berlin. Norderstedt 2008, 52.
12 Vgl. auch von Moos, Stanislaus:Die «Römer¬burg» unddie Industriekultur. Zu einem längstzerstörten Landhaus vonCurjel & Moser in Ba¬
den 1898/99), in: Hubach, Hanns; von Orelli-Messerli, Barbara; Tassini, Tadej, Hg.), Reibungs¬punkte. Ordnung und Umbruch in Architekturund Kunst. Festschrift für Hubertus Günther.Petersberg 2008, 189–198, hier 192.
13 Vgl. Stalder 2010 wie Anm. 5), 169.14 Zum Zeitpunkt der Realisierung des Hausesin
Bushey lebte Richardson zwar nichtmehr, aberArchitekturzeichnungen des Architekten bele¬
gen seine Autorschaft. Herkomer selbst hat1886, im TodesjahrRichardsons, ein Porträt desArchitekten gemalt und soll im GegenzugvonRichardson das Projekt zu einem Einfamilien¬hauserhaltenhaben. Herkomer nahm sich letzt¬lich bis 1894 Zeit, um mit der sorgfältigen Wahlder Steine und mit der aufwendigen Innen¬raumgestaltung, ein entsprechend qualitäts¬volles Anwesen zu realisieren. Vgl. Baldry, A. L.:Hubert von Herkomer R. A. A Study and a Bio¬
graphy. London 1901, bes. 102–114. Bis auf Frag¬mente der Eingangspartie istdasGebäude zer¬
stört.15 Bezüglich der Rezeption Richardsons im WerkKarl Mosers vgl. Eaton, LeonardK.:Americanarchitecture Comes of Age. Massachusetts 1972,56–108.
16 gta Archiv Archivdes Instituts für Geschichteund Theorie der ETHZürich), 33-1896-SKB-1.
75
17 Widmer, K[arl]: Neuere Bauten vonCurjel & Mo¬ser, Architektenin Karlsruhe, in:DeutscheKunst und Dekoration7 1900/1901), S. 241–255.Zur Darstellung «persönlicher Wohnvorstel¬lungen» vgl. Stalder 2010 wie Anm. 5), 168.
18 Von Herkomer, Hubert: The Herkomers, 2 Bde.,Bd. 1. London 1911, 209.
19 gtaArchiv, 33-1896-SKB-1.20 Moser wird die Villa Stuck erst um1900 besu¬chen. Vgl. gta Archiv, 33-1900-TGB-3.
21 Wie Anm. 5.22 Die VillaRömerburg wurde 1957 abgebrochen.23 Von Moos meint, dass sich der jüngere Brown ar¬
chitektonisch von der Burg des älteren habe dis-tanzieren
wollen. Vgl. von Moos 2001 wieAnm. 4), 41.
24 gtaArchiv, 33-1899-TGB-1; nachfolgende Zitateebenda.
25 Baillie Scott ist mit Texten über das ideale Vor¬
stadthausvertreten.Vgl.weiter unten. In dersel¬ben Zeitschrift wurden im Übrigen auch mehr¬fach Gemälde Herkomers abgedruckt.
26 gtaArchiv, 33-1899-TGB-1. Vgl. die ÜbersetzungMosers mit Horace Townsend: Notes on Countryand Suburban Houses. Designed by C. F. A. Voy¬sey, in: TheStudio 16 1899), 160.
27 Siehe Baillie Scott,M[ackay] H[ugh]: An Ideal Sub¬urban House, in:The Studio 3 1894), 127–132.Ders.:An$UWLVWҋVHouse, in: The Studio 9 1895),S. 28–37. Letzteres ist nicht zu verwechseln mitdem Wettbewerbsprojekt Baillie Scotts von1901für das Haus eines Kunstfreundes, daserst1902bei Alexander Koch publiziert worden ist unddas deshalb nicht als Vorbild für den Entwurf derLangmatt herangezogen werden kann. Vgl.Breuer, Gerda Hg.): Hauseines Kunstfreundes.Mackay Hugh Baillie Scott, Charles Rennie Ma¬ckintosh, Leopold Bauer. Stuttgart 2002.
28 Baillie Scott, M[ackay] H[ugh]: Häuserund Gär¬
ten. Berlin 1912 orig. Englisch 1906), 9.29 Bereits früher hat er sich mit hölzernen Dach¬
stühlen,auch englischer Provenienz, auseinan¬dergesetzt. Vgl. Hildebrand 2010 wie Anm. 3).
30 Siehe gtaArchiv, 33-1897-SKB-2 und 33-1898-SKB-3.31 Siehe Kabierske, Gerhard: Curjel & Moser undHermann Billing. Wechselwirkungen inder«Jung-Karlsruher Architektenschule» 1890 bis1915, in: Hildebrand 2010, Bd.1 wie Anm. 3),93–111, hier 98f.
aus: Gnägi, Thomas Article
Badener Neujahrsblätter, Band (Jahr): 87 (2012)
76 Musikpavillon Stadthausanlage, ZürichRobert Maillart, 1908
77
Dr. Kerstin Bussmann
DER PAVILLON - NOMADISCHE MOMENTE DER ARCHITEKTUR
Häuser können nicht wandern, aber die Vorstellung, dass sie es könnten,
ist auch in der Geschichte der Architektur nicht folgenlos geblieben. Bereits
in einem fabelartigen, spätantiken Roman über das Leben Alexanders des
Grossen wird von einem mobilen Pavillon berichtet mit dem sich die Köni-
gin Kandaka zu den Kriegsschauplätzen ihrer Armeen bringen liess. Weiter
im Osten werden die beweglichen Bauten umso fantastischer, bis Alexander
schliesslich in Indien in einem Chattree - einem indischen Pavillon - durch die
Lüfte fliegt um aus der Höhe die wirkliche Form der Erde zu erkennen.
Untrennbar verbunden mit diesem Bautypus scheint der Charakter des zeitlich
bedingten Gebrauchs und der Bewegung zu sein. Die Ableitung des Begriffs
vom lateinischen Wort „papilio“ - Schmetterling, im Spätlateinischen „Zelt“,
weist darauf hin.
Diese vom Pavillon implizierten Dichotomien Bewegung und Fixierung überall
und ortlos zugleich zu sein, rücken den Ursprung des Pavillons ins Blick-
feld: Ebenso wie ein Nomadenzelt vermag dieser nicht ohne direkten Bezug
zur umgebenden Welt gedacht zu werden. Der freie Blick auf die Landschaft
bestimmt nicht nur den Pavillon im Alexander-Roman, sondern gehört zum
wesentlichen Prinzip eines solchen Baus.
Ein Gast aus fernen Ländern
In Europa schon seit der ägyptischen Antike bekannt, wurde die Existenz die-
ses flüchtigen Bauwerks in anderen Kulturkreisen, wie dem vorderen Orient,
Indien, Thailand das frühere Siamund China und Japan, als Ort des Vergnügens
oder für sakrale Momente erst im 17. Jahrhundert vermehrt wahrgenommen.
Die Bilder der kaiserlichen Gärten und Paläste in China, die 1724 der Jesuit
Matteo Ripa zusammen mit den ersten möglichen Reiseberichten der Neuzeit
zeigte, verwiesen insbesondere auf die Gartenkunst Chinas, in der der Pavillon
eine lange Tradition hat. Als architektonisches Experiment en miniature und
Symbol einer bewussten Zeitlichkeit fand er vielfach seinen Niederschlag in
den Gartenanlagen des Adels. Als architektonisches Experiment en miniature
und Symbol einer bewussten Zeitlichkeit fand er vielfach seinen Niederschlag
in den Gartenanlagen des Adels.
Ripas Veröffentlichungen unterstützten die Verbreitung der im Abendland po-
pulär gewordenen Texte des Konfuzius und des Laotse, die die Grundlage für
eine Umwälzung der europäischen Landschaftswahrnehmung boten.
Für die chinesischen Philosophen bestimmte die Einordnung des Menschen in
78
Natur und Gesellschaft massgeblich die Kunst und die Gärten als eine Reflexi-
on über die Welt. Diese Prinzipien sehen die Grünanlagen als den Ausschnitt
einer kosmologischen Landschaft, als Ort der Kontemplation, Meditation und
Stille; Innerlichkeit ist ihr Daseinszweck, und die Gebäude waren die „Pavil-
lons des Gelehrten“.
Einer der eifrigsten Verfechter des Konfuzianismus in Europa war der Englän-
der Sir William Temple, der schon 1685 einen Essay mit einer detaillierten
Beschreibung der chinesischen Parkanlagen verfasste. Davon abgeleitet wur-
den nun in England „sharawadgi“ genannte Gärten von geschwungenen We-
gen, Lichtungen, Rondellen mit einem Pavillon oder einer Statue in der Mitte
bestimmt. Für die Architekturen in diesen Anlagen gab es kein einheitliches
Formenrepertoire. Alles vom Ideal der Klassik Entfernte konnte als „exotisch“
bezeichnet werden. Gemeint wurde jedes Mal die Ableitung von chinesischen
Bauten bzw. die Assoziation mit diesen. Charakteristisch war für sie neben
einer für damalige Verhältnisse ungewöhnlichen Farbenpracht ihre Kleintei-
ligkeit und die Neigung zu elegant oder bizarr geschwungenen Kurven statt
der klaren rechten Winkel der Säule-Architrav-Architektur. Ein Musterbuch für
diese groteskexotischen Entwürfe veröffentlichten William und John Halfpen-
ny in den Jahren 1750-1752, deren Vorlagen eher kleine Rokokoarchitekturen
präsentieren. Gegen diese „Ungenauigkeiten“ der Entwürfe versuchte sich der
englische Hofarchitekt William Chambers durch das 1757 in London erschie-
nene Werk „Designs of Chinese Buildings, Furniture, Dresses, Machirres and
Utensils“ abzugrenzen, in dem er behauptete, authentischere Bildvorlagen
liefern zu können. Chambers hatte in der schwedischen Ostindienkompanie
gedient und war dadurch mehrere Male in Indien und China gewesen, wo
er sich mit Architekturstudien befasste. Wenn auch die Abbildungen seiner
Veröffentlichung in vielen Details nicht wirklichkeitsgetreu und einem euro-
päisch-klassischen Prinzip verpflichtet sind, so war sein Buch doch die erste
historische Würdigung chinesischer Baukunst, die in ganz Europa vielfach
Beachtung fand.
Die anglo-chinesische Gartenidee konnte Chambers erstmals in Kew Gardens
von 1757-1762 verwirklichen. Verschiedenste Staffagearchitekturen wie das
Haus des Konfuzius, griechisch-römische Tempel, ein römischer Ruinenbo-
gen, ein gotischer Sitz, eine Moschee, eine Alhambra und eine grosse Pagode
statteten den Park aus. Mit der Einführung dieser unterschiedlichen Pavillons,
doch vor allem des von ihm als „ting“ bezeichneten variablen Bautyps, dessen
Begriff er aus dem Chinesischen abgeleitet hatte, war es Chambers gelun-
gen, für den massenhaften Bedarf an Kleinbauten eine solide gestalterische
Grundlage zu schaffen, die auch den nachfolgenden Architektengenerationen
noch Anregungen liefern sollte.
Ausgehend von den Gärten Chinas und der konfuzianischen Philosophie sym-
bolisierten diese aufeinander abgestimmten Pavillons, Skulpturen und zuge-
hörigen Anpflanzungen in der chambersschen Vorstellung eine philosophi-
sche Reise. Das Ziel war ein illusionistisches „Paradies“, in dem jeder Weltteil
mit einem charakteristischen Bauwerk vertreten war, durch deren Betrachtung
Pavillon ,Ting‘ aus William Cham-bers: New Designs for Chinese Tempels. London 1750-1 752. Tafel II.
79
Emotionen hervorgerufen wurden. Emotionen sollten eine „Reise zur inneren
Erkenntnis“ ermöglichen.
Zeltarchitekturen
Die häufig in den als fernöstlich geltenden Farben Siegellackrot und Zitro-
nengelb gestalteten Zeltarchitekturen ergänzten als „türkischer Kiosk“ die
Kleinbauten in ihrer Variationsbreite. Ob als Wohnbau, Gartenstaffage oder
städtisches Kaffeehaus das erste wurde in Paris im Jahr 1780 eröffnet -, sie
enthielten zum einen den Hinweis auf die osmanische Kultur, deren Zeltstäd-
te bei der Belagerung Wiens in den Jahren 1529 und 1683 deutliche Spuren
in der bildenden Kunst Europas hinterlassen hatten. Zum anderen trägt die
Zeltform des Pavillons den Hinweis auf den Ursprung des Pavillons als Provi-
sorium in sich. Denn Zelte gelten als Unterkünfte der Reisenden, sie bieten
nomadische Momente des Stillstands inmitten der Bewegung. Der ständigen
Veränderung unterliegend, spielen sie mit dem Reiz einer der festen Behau-
sung oppositionellen Gegenwelt.
Räume zum Träumen
Um 1800 wurde die Gestaltung der Pavillons auf Lustschlösschen oder Land-
häuser übertragen. Ein imponierendes Beispiel bietet die eklektizistische
Palazzina Cinese bei Palermo, die von 1802 bis 1815 für das neapolitanische
Königshaus zu einem Exilsitz ausgebaut wurde.
In der europäischen Perspektive wurde zunächst zwischen Chinesisch, Indisch
und Japanisch nicht unterschieden. Noch im frühen 18. Jahrhundert konnte
man ein Gebäude als indisch bezeichnen, das offensichtlich chinesisch sein
wollte. Von der indischen Architektur war in Europa wenig bekannt, als der
sächsische König August II. (der Starke) in Pillnitz an der Elbe seine indi-
anischen Lustschlösser erbauen liess. Um 1770 tauchten erstmals indische
Bauten auf, deren Bauformen von Beginn an einen wissenschaftlichen Aspekt
vermittelten. Diese erste Rezeption der indischen Architektur wurde von den
Veröffentlichungen William Hodges‘ getragen, der „Selected Views of India“
zwischen 1785 und 1788 herausgab, sowie durch die sich auch auf präzise
Einzelheiten indischer Architektur konzentrierende Publikation von Thomas
und William Daniell „Oriental Scenery“, 1795-1808.
Eine der ersten Gartenstaffagen, die sich auf indische Architektur bezogen,
war der indische Tempel in Melchet Park von Thomas Daniell aus dem Jahr
1800. Vorbild des heute nicht mehr bestehenden Pavillons war ein Hindutem-
pel aus „Oriental Scenery“. Damit lieferte Daniell zugleich das erste Beispiel
für die praktische Umsetzung seiner Darstellungen indischer Architektur.
Die bekanntesten Bauten der englischen Indienbegeisterung, die als reprä-
sentative Wohnbauten den Pavillon zitieren, sind das Landhaus Sezincote und
Erste Wiener Türkenbelagerung,zeitgenössische Darstellung von Bartholomäus Beham (1502-1540)
80
der von John Nash ab 1815 errichtete Royal Pavilion in Brighton. Sezincote,
das Samuel Pepys Cockerell für seinen Bruder, einen ehemaligen Beamten der
East Irrdia Company, ausgeführt hatte, präsentiert im Äusseren die Biografie
des Besitzers anhand der Umsetzung exakter Detailaufnahmen der Mogular-
chitektur, mit denen ein aufgelockertes repräsentative Barockschlossschema
überzogen wurde. Es wurde zu einem Denkmal der Indienfaszination und ein
grosses Vorbild für viele indische Pavillonbauten .
Für den Thronanwärter George, den späteren George IV., wurde der Lustpa-
villon in Brighton errichtet. Dieser besteht aus einer linearen Aneinander-
reihung von orientalisch anmutenden Zeltdächern und Kuppeln, die jeden
üppig dekorierten Bauteil bekrönen. Anders als in Sezincote wurde hier die
ausgeprägte Neigung des Bauherrn George IV. zu allen irdischen Genüssen
und Lustbarkeiten deutlich. Für den Royal Pavilion standen indische oder chi-
nesische Lösungen zur Auswahl, als es darum ging, den bestehenden klassi-
zistischen Bau neu zu gestalten. Der indische Stil wurde gewählt als neuester
Trend einer gelebten Sinnlichkeit und weniger als ein Symbol der gefestigten
Macht Englands in Indien. Gemeinsam ist diesen Objekten eine Abwendung
von der realen Welt der Politik und Gesellschaft und eine Hinwendung zu ei-
ner Architektur, die einen luxuriösen, durch Heiterkeit geprägten Aufenthalt
verspricht.
Ebenso unterstreicht ein extravaganter Entwurf für einen schwimmenden Pa-
villon von Robert Home (1752-1834), einem Schüler Angelika Kaufmanns,
diese Tendenz. Seit der Ernennung von Nawab Ghazi-du-din Haidar (r. 1814-
1827) zum König von Oudh im Jahr 1818 war er dessen Hofmaler. Viele indi-
sche Herrscher engagierten europäische Künstler, die neben dem begehrten
klassisch-europäischen Formenrepertoire die gegenseitige Faszination von
Orient und Okzident in ihren Werken belegen.
John Nash, Royal Pavilion, Brighton. 1815-23
81
Weltausstellungen
Mit der französischen Kolonialisierung Nordafrikas und der Entdeckung des
Orients als Ursprung der griechischen Antike entstand im Verlauf des 19.
Jahrhunderts vor allem eine verstärkte Auseinandersetzung mit den islamisch
geprägten Gebieten und deren kulturellen Erzeugnissen. Die architektoni-
schen Inszenierungen der Weltausstellung bedienten von Beginn an durch
aufwendige Gestaltung die Sensationslust des Publikums. 1878 wurde bei-
spielsweise auf dem Pariser Marsfeld die „Rue des Nations“ errichtet, eine
durch aneinandergereihte Pavillons führende Strasse, deren Bauwerke eine
Vorstellung des jeweils als landestypisch angesehenen Stils vermitteln sollten
und in den nächsten Jahrzehnten zu unzähligen Nachbildungen inspirierten.
Dem einsetzenden Drang nach wissenschaftlicher Exaktheit gehorchend, wur-
de es immer wichtiger, architektonische Versatzstücke als Zitate erkennbar zu
machen. Exakte Details zur Umsetzung lieferten Veröffentlichungen wie die
von Owen Jones oder Prisse d‘Avannes. Sie unterstützten die Popularisierung
der orientalisierenden Bauten durch detailgenaue Wiedergaben.
Aufgrund kostengünstiger industrieller Fertigung entstanden nun überall
Pavillons aus preiswerten Materialien wie Gusseisen und Holz. Das Beispiel
zeigt den Kenotaph für den indischen Maharadscha Rajaram Chuttraputti von
Kolhapur, der in Florenz verstarb. An hinduistische Bestattungsriten erin-
nernd, befindet das Denkmal sich am Zusammenfluss zweier Gewässer im Ca-
seinePark.
Vergnügungsarchitekturen
Was zuerst dem elitären Geschmack diente, durch einen innovativen Charakter
überzeugte und gleichzeitig auch die Lustbarkeiten der internationalen High
Society dokumentierte, wurde schliesslich zum grossstädtischen Phänomen.
Freilufttheater, Pavillons in den Bade- und Kuranlagen sowie die architekto-
nisch an die ferne Herkunft der Tiere erinnernden Unterstände in zoologischen
Gärten, Treibhäuser, aber auch die Musik- und Aussichtspavillons in öffentli-
chen Parkanlagen folgten dem Unterhaltungsverlangen der Zeit. Unabhängig
von der Bedeutung der aussereuropäischen Bauten wurden diese zuweilen
extrem transformiert. Im frühen 19. Jahrhundert wurde die „Montagne Russe“
konstruiert, eine Achterbahn in einem Pariser Vergnügungspark, die deutliche
Bezüge zum Observatorium Mishra Yantra in Delhi von 1710 aufweist.
Solche architektonischen Orientalismen boten für wenige Stunden die Mög-
lichkeit zur Flucht aus der industrialisierten Realität, um in eine märchen-
haft sinnliche und „unzivilisiert“ farbenprächtige Welt einzutauchen, wie sie
die Bilder der Orientmaler und Bühnenbildner imaginierten und die bis weit
in das 20. Jahrhundert hinein nicht an Faszination verloren. Bühnenbild-
entwürfe Galileo Chinis für Puccinis „Opera totale d‘arte“ wie auch die der
Ballets-Russes-Inszenierungen popularisierten eine ästhetische Verarbeitung
„Rue des Nations“, Weltausstellung Paris 1878
82
und schufen eine Neuinterpretation der Pavillon bzw. Zeltarchitekturen, die
vor allem an die emotionale Wahrnehmung appellierten.
Ex Oriente Lux
Hundert Jahre nach dem „Brighton Pavilion“ stand Südostasien erneut im
Mittelpunkt des Interesses. Mit einer weiteren Welle des Orientalismus ver-
suchte man einen Neuansatz für das alltägliche Leben zu entwickeln, wie es
schon durch die Lebensreformbewegung und die Theosophie vorbereitet wur-
de. Nicht umsonst sahen die Architekten das „Licht“ der neuen Erkenntnis aus
dem Osten kommen. Das römische Schlagwort „Ex oriente lux“ wurde gerne
gebraucht, so auch von Bruno Taut 1919 für einen Aufsatz, und Erich Mendel-
sohn pries die Pagode, „die ihren Formenrausch breit austrägt, die Welt mit
der Urwüchsigkeit ihres Dschungellebens zu beglücken“.
Nach einer ersten Annäherung dank der Weltausstellungen sind es die Reisen
in den „Orient“, die, wie für Taut, Frank Lloyd Wright und Le Corbusier doku-
mentiert, eine nachhaltige Faszination für die Funktionalität der Konstrukti-
onsprinzipien und für die Schlichtheit der nordafrikanischen wie auch der ja-
panischen Bauweise hervorriefen. Tauts Reisen zwischen 1916 und 1938 von
Istanbul über Russland bis nach Japan faden ihren deutlichen Niederschlag in
seinen Konzepten und in seinem Buch „Das japanische Haus und sein Leben“
von 1936. Neben der mit eigenen Augen gesehenen Architektur sind ihm
genauso die nur auf Fotografien bewunderten hinduistischen Tempelanlagen
Indiens und die buddhistischen Pagoden in Burma und Thailand Vorbild. Sein
Entwurf zum Kristallhaus 1919 kann dem Chamukhte Tempel in Palitana, In-
dien gegenübergestellt werden.
Wie zuvor der Garten dienten die internationalen Ausstellungen als Bühne für
experimentelle architektonische Ausdrucksmöglichkeiten. Dort ist ein Frei-
raum geschaffen worden, um sich ausserhalb der klassischen Konventionen
und Bauordnungen an Stilformen und Materialien zu versuchen.
Damit seine architektonischen Vorstellungen und vielfältigen utopischen Ent-
würfe nicht nur auf dem Papier bestanden, wählte Taut die Möglichkeit des
ephemeren und spielerischen Ausstellungshaus zur Umsetzung; beispielhaft
kann das legendäre Glashaus der Werkbundausstellung von 1914 in Köln an-
geführt werden. Dementsprechend war auch der sowjetische Pavillon auf der
Internationalen Ausstellung der dekorativen und angewandten Kunst
1925 in Paris von Konstantin Melnikow (1890-1974) der erste und zugleich
triumphale Auftritt der nachrevolutionären Architektur vor den Augen der
Welt. Mit einem in Leichtigkeit und Transparenz aufgelösten Baukörper entwi-
ckelte Melnikow neuartige Raumlösungen im Sinne von El Lissitzkys „transfor-
mablen Räumen“, die wie japanische Häuser verschiedene Benutzungs- und
Bewegungsarten erlaubten. Mit dem Plan, der zum Ziel hatte, die Sowjetunion
in ein Industrieland umzuwandeln und die Landwirtschaft zu kollektivieren,
gewannen Ideen der vergesellschafteten Lebensweisen und der Errichtung
Bruno Taut: Das japanische Haus und sein Leben, ISBN 978-3-7861-1882-4
83
von Kommunehäusern an Aktualität, die neben Wohnungen, auch Kindergär-
ten, Grossküchen und Speisesäle beherbergen sollten. Die heterogene Nut-
zung derartiger Bauten verdeutlicht der experimentelle Entwurf von Nikolaj
A. Ladowskij, der kubische Bauformen Nordafrikas, chinesische und thailän-
dische Pavillons und indianische Langhäuser zusammenfügt, bekrönt mit den
geblähten Segeln eines Schiffs.
Das Ideal der Klarheit
Das revolutionäre Selbstverständnis der Architekten des 20. Jahrhunderts be-
deutete nicht, dass sie auf Vorbilder verzichteten, sondern dass neue Anstös-
se gesucht und assimiliert wurden. „Im Übrigen beschmutzt die Geschichte
nicht unsere Hände. Im Gegenteil, sie füllt sie uns.“ Nach solchen Aussagen
verwundert es nicht, dass Le Corbusiers Werk nicht ohne die Impressionen der
islamischen Kultur zu denken ist. Er war es, der auf seiner grossen Orientreise
1911 Istanbul besuchte und hinter dem Reichtum des Dekors die konstitu-
ierenden räumlichen Verhältnisse erkannte und in seinen Bauten umsetzte.
Ebenso flossen die kubischen Wohnbauten Nordafrikas in seine Konstruktio-
nen ein, wie es markant am ersten Entwurf des von einer Dachterrasse bekrön-
ten Citrohan-Hauses, 1919-1920, durch seine klare geometrische Anordnung
der äusserst flachen Fassaden und der strukturlosen Glätte der Mauerflächen,
erkennbar ist.
Modul und Natur
Obgleich Ludwig Mies van der Rohe 1924 behauptete: Es ist ein aussichtsloses
Bemühen, Inhalt und Formen früherer Bauepochen unserer Zeit nutzbar zu
machen“, waren viele europäische Architekten nicht willens, sich von his-
torischen und aussereuropäischen Anlehnungen zu lösen. Die traditionelle
japanische Bauweise schien in ihrer Versachlichung der natürlichen Materi-
alien, der klaren Formgebung und des „offenen Grundrisses“den veränderten
politischen wie sozioökonomischen Verhältnissen Europas gerecht zu werden.
Die Villa Katsura, um 1640 in Japan errichtet, galt als die architektonische
Ikone, von welcher die veränderten Bauprinzipien abgeleitet wurden.
Die Architektur Japans, eingebunden in die umliegende Natur wie ein Gar-
tenpavillon, erinnert an das Provisorium der imaginierten Urhütte. Durch die
Rezeption der japanischen Bauweise übernahm das Abendland einen Aspekt,
der bisher nur in den Pavillons der Gärten zu finden war: eine Öffnung hin
zur Umgebung, eine völlige Durchdringung des Hauses durch die Natur. Die
Schlichtheit der Raumarchitektur wählt sich den Landschaftsausblick als Bild.
Westliche Architekten des ausgehenden 19. Jahrhunderts beschäftigten sich
seitdem bis hin zur Gegenwart mit der Architektur Japans . Schon in den
1890er-Jahren waren an den freistehenden Privathäusern Frank Lloyd Wrights
Villa Katsura, Kyoto Foto: Yasufumi Nakamori
84
nicht zu verleugnende Übernahmen zu erkennen. Er arbeitete jahrelang in
Japan und baute in Tokio von 1916 bis 1922 das Imperial Hotel. Auch Mies
van der Rohe, von Frank Lloyd Wright zur Auseinandersetzung mit dem ja-
panischen Wohnbau angeregt, setzte die Verbindung zum Aussenbereich in
seinen Planungen systematisch um. Der Ausstellungspavillon der Weimarer
Republik auf der Weltausstellung 1929 in Barcelona (Exposiciò Internacional
de Barcelona), wie auch die zeitgleich entstandene Villa Tugendhat in Brünn
weisen darauf hin.
Eine universelle Behausung
Seit dem 17. Jahrhundert durch ein intensiviertes Zusammentreffen mit den
Kulturen Asiens und der islamischen Welt vermehrt im Abendland errichtet,
bot der Pavillon nicht nur die Möglichkeit, mit Baustilen, Formen und Ma-
terialien zu experimentieren. Aus dem Phänomen der Vorzeit der Hütte und
dem Zelt und einem Satz einfachster Bauelemente wurde ein Gast aus fernen
Ländern.
In ihrer zeitlichen Begrenztheit und Eingebundenheit in die Umgebung erin-
nern Pavillons an den Ursprung des Menschen und lassen den Beheimateten
eine Sehnsucht spüren nach dem ehemals nomadischen Leben. Gleichgesetzt
mit dem Streben des festansässigen Menschen nach dem einfachen, unge-
bundenen Leben, das mit dem Dasein von Nomaden und anderen naturnah
lebenden Völkern verbunden wird, beinhaltet diese Konnotation das Heimweh
nach dem Paradies und den Glauben, dass alle, die sich gegen die Zivilisation
gewehrt haben und sich ihrem Einfluss entziehen konnten, den Schlüssel zum
Glück besitzen, das die städtische Menschheit verloren hat. Das Nomaden-
dasein, gehasst oder verehrt, dient als Spiegel des Niedergelassenen, dessen
eskapistische Träume wie eine Fata Morgana in den Pavillons erscheinen.
Zelte wie Pavillons sind Zeichen erstarrter Flexibilität, die als etwas Flüchti-
ges, Weiterziehendes, der ständigen Veränderung unterliegen. Für die noma-
dischen Momente im Stillstand bieten diese ephemeren Erscheinungen Unter-
kunft. Wie ein Kaffeehaus, die Halle an der Tramstation oder wie der Schirm in
der Hand, der ein tragbares Zelt über den Spaziergänger spannt, geben diese
Eintagsfliegen Zuflucht im Irrgarten der Stadt oder einen geschützten Ort
inmitten der (gestalteten) Natur der Landschaftsparks wie es Gustav Mahler
in dem „Lied von der Erde“ beschreibt. In einem Pavillon aus zerbrechlichem
weissem und grünem Porzellan, der allein über eine Brücke zu erreichen ist,
sitzen Freunde: schön gekleidet, trinken, plaudern.
Versenkt man sich in die Metamorphosen des Pavillons im Verlauf seiner Ge-
schichte, so entfalten sie sich zum Panorama eines langlebigen Gebildes, das
jederzeit fähig zu sein scheint, trotz seiner Unstetigkeit überall Fuss zu fassen
und sich für die unterschiedlichsten Zwecke anzubieten. Ebenso ist die zeitli-
che Begrenztheit des Baus charakteristisch. Einen Pavillon baut man nicht für
die Ewigkeit, er begleitet nur zeitweise die Reise durch die Zeit. Ein grosser
Frank Lloyd Wright; Imperial Hotel Tokyo, 1905, 1917-1922
85
Teil der Weltbevölkerung ist mehr denn je unterwegs: Touristen, Geschäftsleu-
te, Wanderarbeiter, Aussteiger, politische Aktivisten, Pilger usw. Wie die No-
maden, die sich als Erste auf einem Pferd fortbewegten, verfügen wir wieder
über die Mittel zur totalen Beweglichkeit. Und so verwundert es nicht, dass
die Pavillons der zeitgenössischen Architektur eine Zähigkeit des Archaischen
und den Überschuss an genetischer Mitgift in ihren einfachsten Elementen
beweisen, die im Kontext einer zunehmenden unscharfen Trennung zwischen
Dauerhaftigkeit und Flüchtigkeit steht. Beinahe erweckt es den Anschein, als
würde der Pavillon in neuer Zurichtung zur universellen Behausung für unsere
eigene Völkerwanderungszeit.
aus: Modulor Magazin, #05-2012
86Serpentine Gallery Pavillon 2013, Hyde Park, LondonSou Fujimoto,
87
Prof. Nikolaus Hirsch
Die Pavillonisierung der Architektur
Schnell experimentell, vergänglich der Pavillon scheint der angenehme Teil der Architektur zu sein. Etymologisch verwurzelt ist das Wort Pa-villon im französischen Begriff „papillon“. Die Unterschiede zwischen Pavillon und Gebäude lösen sich auf und somit wird die Beziehung zwischen Architektur und Ausstellung neu bewertet. Die Rollen von Architekt und Künstler öffnen sich.
„Der Pavillon ist ein Gebilde wie ein Schmetterling, er landet für kurze Zeit
und fliegt wieder davon.1 Im Gegensatz dazu scheint nichts ausser träger
Architektur zu existieren: ein langsames Medium, das sich schwertut, im
Takt mit einem immer sprunghafteren kulturellen Umfeld und dessen immer
schnellerer Abfolge von Ausstellungen zu bleiben. Anders als der Pavillon
kann ein klassisches Gebäude eine Ausstellung zwar zeigen, aber nicht selbst
als Ausstellung agieren. Egal wie spektakulär und neu der Entwurf ist es ver-
gehen Jahre bis zum Baubeginn und zur Fertigstellung, mit dem Ergebnis,
dass das Gebäude oftmals veraltet aussieht. Architektur ist immer ein biss-
chen zu spät.
Und doch sind die Unterschiede zwischen Pavillon und Gebäude weniger deut-
lich, als es anfänglich scheint. Dauerhafte Gebäude sind oft weniger dauer-
haft, als sie vorgeben, und temporäre Konstruktionen können beständiger
sein, als es zunächst den Anschein hat. Eine kritische Auseinandersetzung
mit dieser simplen Schwarz-Weiss-Sicht erscheint notwendig, um die Dicho-
tomie zwischen "temporär" und "permanent", zwischen Pavillon und Gebäude
zu überwinden. Ziel ist hierbei, eine produktive Strategie zu entwickeln, wel-
che die unterschiedlichen Rhythmen von Architektur und Ausstellung sowohl
gebraucht als auch missbraucht. Hierbei geht es um nicht weniger als um
eine Angleichung der Formate Ausstellung und Architektur sowie den Versuch,
Architektur als solche auszustellen und dadurch die Rollen von Architekt und
Künstler neu zu verhandeln.
Schnelle Museen
Wie kann die Beziehung zwischen Architektur und Ausstellung kritisch bewer-
tet werden? Der Konflikt zwischen diesen Formaten ist vor allem im Bereich
der Museumsarchitektur virulent: Ist Museumsarchitektur lediglich ein Ge-
häuse zur Unterbringung von Ausstellungen? Ist sie mehr als nur ein stabiler 1 Beatriz Colomina : Pavilions of the Future. in: Your Black Horizon Art Pavillion. hrsg.von Eva Ebersber-ger und Daniela Zyman. Köln 2007. S. 158.
88
Rahmen für eine ständig wechselnde kuratarische Praxis? Genauere Untersu-
chungen2 zeigen, dass Museumsarchitektur trotz ihrer stabilisierenden und
konservatorischen Agenda einer Logik des permanenten Wandels gehorcht,
anders gesagt: einer Logik der inneren Pavillonisierung. Die Entwicklung der
Tate Gallery in London im Verlauf der letzten hundert Jahre ist ein hervorra-
gendes Beispiel für den immer schneller werdenden Rhythmus von Kunstin-
stitutionen und ihrer räumlichen Transformation. Ein Vergleich der program-
matischen Struktur zeigt ein dramatisches Abnehmen der Ausstellungsfläche
von achtzig auf dreissig Prozent. Die Ausstellungsflächen wurden durch eine
zunehmend differenzierte Mischung von Funktionen wie Kunstpädagogik,
Cafés, Buchläden und anderen sekundären Funktionen ersetzt. Die stärkere
Differenzierung der räumlichen Struktur ist nicht nur auf die fortschreitende
Ökonomisierung durch Programme wie Museumsshops, Buchhandlungen und
Gastronomie zurückzuführen, sondern ist auch eine Konsequenz veränderter
künstlerischer Praktiken, die zunehmend Kunstvermittlung, Vorträge, Filme
und Performances zum festen Bestandteil ihrer Arbeiten machenden.
Im Massstab eines einjährigen Zyklus wird ein weiteres Prinzip klar: ständi-
ger Umbau durch Ausstellungsarchitektur. Ein Jahr im Leben einer Kunsthalle
wie der Schirn in Frankfurt am Main veranschaulicht die Verwendung von
Ausstellungsarchitektur zur Herstellung von spezifischen Environments, die
dem Rhythmus der Ausstellungen folgen. Dabei scheint es jedoch ein Problem
der Synchronisierung zu geben. Innerhalb der gegenwärtigen Museumspraxis
berühren sich die Rhythmen der architektonischen Hülle und jener der künst-
lerischen Tätigkeit gegenseitig nicht. Das Prinzip des ständigen institutionel-
len Umbaus ist konzeptuell in dem dauerhaften Modell nicht bedacht. Daraus
entstehen grundlegende Einschränkungen für die programmatische und kura-
tarische Arbeit.
Langsame Pavillons
Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass Pavillons temporäre Gebäu-
de sind, die nur eine kurze Lebensdauer haben. Eine detaillierte empirische
Untersuchung der Praxis des Pavillons zeigt jedoch vielschichtigere und auch
gegensätzliche zeitliche Abläufe. Häufig werden Pavillons für einen Sommer
erbaut, bleiben aber den folgenden Winter über stehen, dann noch ein Jahr
und ein weiteres und landen schliesslich auf der Denkmalliste oder werden zu
Sammlungsobjekten. Und dann wird es undenkbar, dass sie wieder verschwin-
den sollen. Einige Pavillons nähern sich dennoch der ursprünglichen Idee
des Verschwindens an. So entstehen die von Julia Peyton-Jones und Hans
Ulrich Obrist kuratierten Serpentine Pavillons in extrem kurzer Zeit, nahezu
ad hoc: Nur sechs Monate vergehen zwischen der Beauftragung der Architek-2 Siehe Institution Building . Artists. Curators. Architects in the Struggle for lnstitutional Space. hrsg. von Nikolaus Hirsch u. a. New York und Berlin 2009. S. 8-46.
89
ten und der Eröffnung der Ausstellung. Dann steht der Pavillon drei Monate
lang in Kensington Gardens, bevor er wieder abgebaut wird und ein weniger
spektakuläres Nachleben an einem anderen Ort beginnt. Cybermohalla Hub,
eine experimentelle Institution in Delhi (Architekten Nikolaus Hirsch und Mi-
chel Müller), wurde 2008 auf der Manifesta 7 in Bozen gezeigt, bevor sie für
Francesca von Habsburgs Sammlung Thyssen-Bornemisza Art Contemporary
angekauft wurde und nach Wien wanderte und schliesslich zu einer neuen,
grösseren Version in Delhi führte.3
Mies van der Rohes Barcelona-Pavillon von 1929 veranschaulicht einen wei-
teren noch widersprüchlicheren Prozess, der kurze Zeitspannen mit der Dau-
erhaftigkeit der Rekonstruktion vermengt. Nach der Weltausstellung 1930
zerstört, wurde er 1983 bis 1986 als Ikone der modernen Architektur wieder
aufgebaut. Andere Pavillons blieben einfach stehen: Dan Grahams Oktogon,
1987 gebaut für Kasper Königs Skulptur Projekte Münster blieb erhalten. Für
Frei Ottos Multihalle für die Bundesgartenschau 1975 in Mannheim waren
nicht dauerhafte, sondern temporär eingestufte Materialien wie billige Holz-
elemente und einfache Plastikfolien verwendet worden, und trotzdem wurde
sie schliesslich zu einem historischen Baudenkmal, das für die Ewigkeit be-
wahrt werden soll. Der Logik der kulturellen Wertsteigerung folgend, verwan-
delt sich der Pavillon vom "papillon" in ein eher schweres und unbewegliches
Insekt; in ein Tier, das verlernt hat zu fliegen. In letzter Konsequenz wird es
fraglich, ob der dauerhafte Pavillon immer noch zu der Kategorie der "flie-
genden Bauten" einem Rechtsbegriff der Bauordnung, der temporäre Gebäude
bezeichnet zu zählen ist.
Pavillonisierung
Im Kontext einer zunehmend unscharfen Trennung zwischen Dauerhaftigkeit
und Flüchtigkeit wird es möglich, ein Hybrid zwischen Pavillon und permanen-
tem Gebäude zu entwickeln. Der Entwurf für die European Kunsthalle arbeitet
an einer extremen Strategie, die das Phänomen der temporären Serpentine
Pavillions auf ein neues kritisches Level hebt. Anstatt die Pavillons nach dem
Sommer wieder abzubauen, initiiert dieser Ansatz eine endlose Sommerparty.
Das Prinzip der Pavillons wird verwendet, um eine nachhaltige, wachsende
Kunsteinrichtung zu schaffen. Der Baurhythmus passt sich der Zeitstruktur
der Ausstellung an. Durch die Akkumulation von immer mehr Pavillons und
programmatischen Einheiten wächst die Institution und wird im Lauf der Zeit
immer stabiler. Die Architektur wird zur Ausstellung.
Der heimliche Plan wäre, die rechtlichen Vorteile der "fliegenden Bauten" so
3 Siehe Cybermohalla Hub. hrsg.von Nikolaus Hirsch. Berlin/New York 2012; Sculpture Unlimited. hrsg. von Eva Grubinger. Jörg Heier. Berlin/New York 2011. Manifesta 7 I Index. hrsg . von Adam Budak u. a. Mailand 2008. S. 81 .
90
Skizze zum Projekt von Peter Zumthor für den Serpentine Gallery Pavillon 2011, Hyde Park, Londonaus: Cameron McEwan, „Architec-ture of Analogy“ (http://cameron-mcewan.wordpress.com)
91
zu gebrauchen und zu missbrauchen, dass eine Situation entsteht, in welcher
der temporäre Pavillon zu einer permanenten Einrichtung wird. Das Resultat
könnte als eine "Pavillonisierung" der Architektur beschrieben werden: eine
ständige Abfolge kurzfristiger Planungen. Jedes neue Stück des Gebäudes wird
zum neuen Stück der Ausstellung. Nicht ad hoc, aber in den für Ausstellungen
typischen Zyklen, zum Beispiel in drei Monaten. Auf diese Art wird Architektur
zum kuratarischen Objekt.
Exquisite Corpse
Die auf Pavillons basierende, wachsende Kunstinstitution verweist auf die
Logik des surrealistischen Spiels "Cadavre exquis" (auch "Exquisite Corps"
genannt): Eine Prozedur, bei der sich eine Konstellation durch das kollektive
Zusammenfügen individueller Einzelteile ergibt. Dieser Ansatz bricht mit der
Vorstellung, dass der Entwurf einer Kunstinstitution mit ihren Ausstellungs-
räumen, Büros, Depots, Sanitäranlagen, Vortragssälen, Cafés und so weiter
eine in sich kohärente Einheit formt, die von einem einzigen Autor, dem
Architekten, geschaffen ist. Stattdessen teilt dieser Plan den Raum in auto-
nome und doch zusammenhängende Komponenten auf. Das Resultat ist ein
Netzwerk möglicher Wege, die einen Anfang haben und sich dann in eine
Vielzahl möglicher unterschiedlicher Richtungen aufteilen.
Die Neuverhandlung von Autorenschaft und deren traditionellen Rollenmodel-
len bezieht sich auf die wachsende Zahl von Künstlern, die an infrastrukturel-
len Architekturen arbeiten: Liam Gillicks Conference Room für den Frankfurter
Kunstverein, Monica Bonvicinis Toilet, Elmgreens & Dragsets Galerien (besser
bekannt als Powerless Structures) oder Anton Vidokles und Julieta Arandas
Martha Rosler Library. Es ist jedoch paradox, dass im Allgemeinen immer noch
davon ausgegangen wird, dass die räumlich-körperliche Einheit einer Insti-
tution eine kohärente physische Konstruktion sein muss, die von einem ein-
zelnen Autor, dem Architekten, erdacht ist. Exquisite Corpse, ein Projekt von
Nikolaus Hirsch und Philipp Misselwitz im Rahmen des Curating-Architecture-
Programms4 des Londoner Goldsmiths College, forderte Künstler und Designer
(Judith Hopf, Raqs Media Collective, Tobias Rehberger, Rirkrit Tiravanija, An-
ton Vidokle und Eyal Weizman) auf, gemeinsam eine Kunsthalle zu zeichnen,
die sich in einer Abfolge von Faxsendungen entwickelte und schliesslich als
dreidimensionales Modell umgesetzt wurde (Abb. 5). Die traditionellen Rollen
haben sich geöffnet, und wer weiss vielleicht wird eines Tages der Künstler
als Architekt agieren, der Kurator als Künstler und der Architekt als Kurator.
aus: Modulor Magazin, #05-2012
4 Andrea Phillips : The Body of a Building. Exquisite Corpse at Curating Architec- ture. in. Hirsch u.a.. 2009 (wie Anm. 2). S. 54-73.
92
93
Die Orte der Marguerite DurasText zum Atelierdiskurs von Eberhard Tröger
94
aus: Marguerite Duras, Michelle Porte; Die Orte der Marguerite Duras; Edition Suhrkamp 1080, Band 80, Frankfurt am Main 1982
95
Doßmann, Wenzel, Wenzel: Architektur auf Zeit. Baracken, Pavillons, Container, Berlin 2006, S. 13-31.
1
Schneller sein – Architektur auf Zeit
Ein Gespräch zur Einleitung
Axel Doßmann, Jan Wenzel und Kai Wenzel
Aus: Axel Doßmann, Jan Wenzel und Kai Wenzel, Architektur auf Zeit. Baracken, Pavillons,
Container, Berlin (b_books) 2006, S. 13-31.
AD — Es ist erstaunlich, wie sich durch temporäre Bauten die Atmosphäre eines Ortes
verändern kann. Ich bin gerade mit dem Rad vom Berliner Westen in den Osten gefahren
und kam an dem Zirkus vorbei, der das bislang freie Areal neben der Neuen Nationalgalerie
besetzt hat. Innerhalb von wenigen Tagen ist hier eine zeltartige Arena aus Holztafelwänden
entstanden. Stahlcontainer dienen als Kassenhäuschen, Toiletten, Geräteschuppen und
Werbedisplay für dieses ›schönste Theater der Welt‹. Auf den Außenflächen der weißen
Kisten steht ›SALOME‹, auf den Dächern glänzen goldene orientalische Kuppeln in der
Sonne. Fünfhundert Meter weiter, auf dem stets zugigen Potsdamer Platz, zogen im
Dezember 2005 flache Blockhütten mit Glühwein, Würstchen und Schlagermusik Leute an,
die sonst vermutlich gleich in den Shopping Malls verschwunden wären. Eine meterhohe
schiefe Ebene war mit Schnee bedeckt und warb zwischen den Glasfassaden der
Hochhäuser für Skiurlaub in den künstlichen Landschaften Österreichs.
KW — Solche temporären Bauten in der Innenstadt haben eine lange Tradition: künstliche
Rodelhänge zum Beispiel gibt es bereits seit dem 16. Jahrhundert. ›Russische Berge‹
nannte man diese Holzgestelle, die von wandernden Schaustellern für kurze Zeit an einem
Ort aufgebaut wurden. Auf den öffentlichen Plätzen zahlreicher europäischer Metropolen
waren sie ein Anziehungspunkt für das Publikum der winterlichen Jahrmärkte. Überhaupt
markieren Jahrmärkte vermutlich den Anfang einer bestimmten Tradition temporären Bauens
in Städten. Im Mittelalter und der Frühen Neuzeit ließ man bei der Anlage oder dem Ausbau
einer Stadt bewusst große Flächen im Zentrum für den Warenumschlag frei. Auf diesen
Marktplätzen errichteten dann Händler, die oft von weit her anreisten, während der
Jahrmärkte ihre Verkaufsstände und Buden. Hier hatten auch die Spektakel der Gaukler und
Vergnügungsunternehmer ihren Platz. Durch die strukturellen Veränderungen des Handels
im 19. Jahrhundert, die Entstehung von Einkaufspassagen und Warenhäusern,[1] veränderte
sich die Funktion der Jahrmärkte. Sie wurden zu Orten des kurzweiligen Vergnügens, deren
Attraktionen ständig wechselten.
96
Doßmann, Wenzel, Wenzel: Architektur auf Zeit. Baracken, Pavillons, Container, Berlin 2006, S. 13-31.
2
JW — Die erhöhte Frequenz des Warenumschlags hat ihre Auswirkungen auf die
architektonische Struktur der Stadt. Von japanischen Metropolen heißt es, dass sie eine
ständige Metamorphose von Aufbau, Abbau und Zerfall darstellen. Endgültiges gilt als nicht
erstrebenswert. Der Journalist Kaye Geipel schreibt, dass in »Tokyo ganze Stadtviertel
schneller ihre Fassaden wechseln als in Europa Boutiquen ihr Interieur«. Er sieht darin
einerseits den »Triumph einer ökonomischen Moderne«, die in einen immer schnelleren
Taumel von Produktion und Entwertung treibt, andererseits aber auch die Fortführung einer
»vormodernen« Anschauung, die temporäre Konstruktionen als adäquaten Ausdruck
angesichts der Brüchigkeit und Verletzbarkeit materieller Existenz erfand.[2] Auch in der
europäischen Stadt lässt sich eine »Tradition der kurzen Dauer«, wie Kaye Geipel es nennt,
feststellen. Sie ist auf vielfältige Weise mit der Industrialisierung und Kapitalisierung des
urbanen Raums verknüpft. So werden zum Beispiel die Buden, die auf ein nostalgisches Bild
kleinteiligen Warenumschlags anspielen, auf den traditionellen Jahrmarkt also, heute ähnlich
organisiert wie Shopping Malls. Es gibt einen Anbieter, der die gesamte Anlage aufbaut und
dann können sich Einzelhändler dort einmieten. Das funktioniert auf dem Potsdamer Platz in
Berlin genauso wie auf dem Leipziger Augustusplatz oder in Paris-La Défense.
KW — Auf innerstädtischen Plätzen wie dem Leipziger Augustusplatz haben aber auch
temporäre Bauten für politische Rituale und die Inszenierung staatlicher Macht eine lange
Tradition. Bis ins frühe 20. Jahrhundert sind es Triumphbögen und Festarchitekturen, die für
Herrscherempfänge errichtet werden.[3] Während des ›Dritten Reichs‹ und in der DDR
stehen Pavillons für propagandistische Ausstellungen und Tribünen für die verordneten
Massenumzüge auf dem Augustusplatz. Dass heute die Tribünen der smart beach tour [4]
hier aufgebaut werden oder wie zur Fußball-WM die Großsponsoren mit temporären Bauten,
Absperrgittern und Sicherheitsdiensten den Ort besetzen, verweist darauf, dass die
Herrschaft über die öffentliche Sphäre heutzutage nicht mehr von einer ständischen oder
totalitären Politik beansprucht wird, sondern von global agierenden Unternehmen.
AD — Viele deiner Beispiele verdeutlichen, dass der Einsatz temporärer Bauten oft politisch
motiviert ist. Das schließt Handel und Unterhaltung als Modi bürgerlicher Öffentlichkeit
ebenso ein wie die herrschaftlichen Selbstinszenierungen. Worin aber besteht der politische
Gebrauch solcher Architekturen genau? Ist es das strategische Moment? Die schnelle
Besetzung? Und die zeitweise Beherrschung eines Stadtraums? Sicher, aber das Beispiel
des Augustusplatzes verweist auf einen weiter reichenden Aspekt: Die extravaganten
Pavillons auf den kurzlebigen Weltausstellungen, Mustermessen und Vergnügungsparks des
97
Doßmann, Wenzel, Wenzel: Architektur auf Zeit. Baracken, Pavillons, Container, Berlin 2006, S. 13-31.
3
19. Jahrhunderts sind ja gewissermaßen die Morgendämmerung jener »Gesellschaft des
Spektakels«, an der Guy Debord den Wandel von der traditionellen Ökonomie hin zur
immateriellen Ökonomie im Postfordismus festgemacht hat. Der kulturelle Gehalt einer Ware
ist heute mehr denn je selbst ein Konsumgegenstand und Distinktionsmerkmal geworden.
Gleich ob Markenprodukt, Nation oder Replik einer historischen Architektur, alles will auf
Prestigegewinne, auf Aufmerksamkeit und Beachtung hinaus. Es geht um eine Politik
intensivierter Gefühle in diesem »mentalen Kapitalismus«.[5] In der Stadt sind zentrale
Plätze bevorzugte Orte für solche emotionalisierenden Events. Temporäre, meist
vorgefertigte Architektur kann genau hier ihr Potenzial für die »Künste des Regierens«[6]
entfalten, denn sie ermöglicht oft den größten Effekt bei geringstmöglichem materiellen
Aufwand.
JW — Was du beschreibst, macht klar, warum die Weltausstellungen des 19. Jahrhunderts
ein wichtiger Kristallisationspunkt für eine politische Geschichte temporärer Architekturen
sind, die wir in diesem Buch exemplarisch entwickeln. Als wir mit den Recherchen
begannen, stand ja zunächst auch die Frage, wie weit eine solche Geschichte von
›Architektur auf Zeit‹ in die Vergangenheit zurückgreifen muss? Sollten wir bei den
Weltausstellungen des 19. Jahrhunderts einsetzen? Bei den Festarchitekturen des Barock
mit ihren monumentalen Lust- und Scheinbauten? Oder schon beim Zelt – bei der Wohnung
als Ausrüstung?
AD — Haben wir uns nicht alle drei von recht unterschiedlichen Punkten dem gemeinsamen
Gegenstand genähert? Mich zum Beispiel beschäftigt schon lange eine Medien- und
Kulturgeschichte von Infrastrukturen unter der Frage nach Macht- und
Herrschaftszusammenhängen. Egal ob ich Autobahnen, Überwachungstechnologien,
Siedlungsbau oder eben Lager, Baracken und Container in ihrer gesellschaftlichen Praxis
erforsche – oft ist der Ausgangspunkt die irritierende Beobachtung, dass zahlreiche
Infrastrukturen ganz wesentlich die Alltagsroutinen von Menschen bestimmen, das
öffentliche und private Leben mobilisieren und funktionieren lassen, dennoch aber als
technische Artefakte meist nur in ihrer ›Pilot‹- bzw. Einführungsphase öffentlich thematisiert
werden. Denn Infrastrukturen gleichen, so lange sie funktionieren, einer ›zweiten Natur‹.
Zum Thema werden sie immer dann, wenn eine Störung eintritt, wenn sie fehlen oder
Mängel aufweisen: beim Stau, beim Unfall, bei der Katastrophe, wenn eine Stadt wie New
York plötzlich ins Dunkel fällt, weil das Stromnetz zusammengebrochen ist.[7]
Am temporären Bauen interessiert mich vor allem die Frage, wie der moderne Nationalstaat
alte Fragen der herrschaftlichen Raumordnung neu behandelt oder differenziert, um auf
98
Doßmann, Wenzel, Wenzel: Architektur auf Zeit. Baracken, Pavillons, Container, Berlin 2006, S. 13-31.
4
neue Erschließungsaufgaben oder alte, jetzt aber anders wahrgenommene Probleme wie
Bevölkerungs- und Stadtwachstum, Hygiene, Mobilität und Sicherheit, Krieg und Handel
schneller, flexibler und vor allem auch berechenbar reagieren zu können. »Kultur ist, wenn
es trotzdem klappt« – das Vermögen zur Improvisation ist ein guter Indikator dafür. Industriell
(vor-)gefertigte Architekturen wie die transportable Baracke sind dabei ein bislang
unterschätzter Aspekt, der für eine Gesellschaftsanalyse seismographische Qualitäten
haben kann: Wenn eine temporäre Architektur als technisch-infrastrukturelle Antwort auf ein
soziales oder ökonomisches Problem gewählt wird, zeigt sich dabei oft schlagartig das
Politische in der Kultur.
KW — Mich faszinierten an der transportablen Baracke zunächst die architektonischen
Eigenschaften dieses seriell gefertigten, flexiblen und multifunktionalen Gebäudetyps, der mit
dem Etikett ›Behelfsbau‹ völlig unterbewertet wäre. Mein Ausgangspunkt war dabei die
Geschichte des Unternehmens Christoph & Unmack, das seit dem späten 19. Jahrhundert
nicht nur Baracken, sondern ganz verschiedene urbane Infrastrukturen hergestellt hatte:
Eisenbahnen, Straßenbahnen, U- und S-Bahnen, LKWs, Stahlbrücken, Motoren für
›Kraftzentralen‹ und eben transportable Holzbauten. Die Nutzungsmöglichkeiten, die die
Firma für ihre Baracken und Häuser in Tafelbauweise vorschlug – vom Lazarett über
Notwohnungen zu Schulen, Krankenpavillons und Büroräumen –, fand ich sehr
bemerkenswert. Die Baracke erschien plötzlich nicht mehr als eine improvisierte Architektur,
sondern als ein hoch spezialisiertes, funktionalistisches Produkt, das verschiedene
Bauaufgaben kompensieren konnte. Aus der Beschäftigung mit der Baracke als einem
Prototyp mobiler und industriell vorgefertigter Architektur ist auch mein Interesse für ihre
medialen Repräsentationen gewachsen, zum Beispiel für Firmenschriften früher
Vorfertigungsunternehmen oder für Postkarten, die Barackenlager zeigen, von denen einige
in unserem Buch zu sehen sind. Auch hier war mein Erstaunen groß: In der ersten Hälfte des
20. Jahrhunderts zählten Baracken, Militärlager und Flüchtlinge zu den populären
Postkartenmotiven.
JW — Mein Zugang war assoziativer. Ich habe unseren Arbeitstitel ›Architektur auf Zeit‹
zuerst einmal als einen Suchbegriff verstanden. Als einen selbst gewählten Fokus, um so die
vielfältigen Zusammenhänge zwischen bestimmten architektonischen Formen und den mit
ihrer Nutzung verbundenen Zeitkonzepten überhaupt in den Blick zu bekommen. Mit
Zeitkonzept meine ich, dass Zeit selbst ein Faktor ist, der sich nicht nur in soziale
Situationen, Handlungsweisen und Handlungsperspektiven einschreibt, sondern auch für die
Produktion von Architektur bestimmend ist. Ich denke da zum Beispiel an die Ausstellung
99
Doßmann, Wenzel, Wenzel: Architektur auf Zeit. Baracken, Pavillons, Container, Berlin 2006, S. 13-31.
5
»Das wachsende Haus«, die der Berliner Stadtbaurat Martin Wagner 1932 organisierte. In
ihr wurden Entwürfe für Wohnhäuser vorgestellt, die der »Wanderungsfähigkeit« des
Investitionskapitals Rechnung trugen.[8] Die Montagehäuser sollten an einem Tag aufgestellt
und in derselben Zeit auch wieder demontiert werden können. Eine Ausgangsthese der
Ausstellung war, dass der provisorische Charakter der Architektur in Zeiten ökonomischer
und sozialer Unsicherheit die Reaktionsfähigkeit erhöhen kann. Der Wunsch, Wohnen und
Mobilität zu kombinieren, zieht sich wie ein roter Faden durch die Architekturmoderne.
Allerdings sind die meisten Projekte, wie »Das wachsende Haus« von 1932 oder Archigrams
»Plug-in City« von 1966, Utopien geblieben. Interessanterweise scheinen wirtschaftliche
Umbruchphasen solche Architekturfantasien zu begünstigen. Man kann sagen, mit dem
Provisorischen verbinden sich ganz bestimmte räumlich-situative Strategien. Das zeigt sich
auch in den 1990er Jahren, wo das Wort ›provisorisch‹ für einen Lebensstil steht, in dem der
Imperativ der Flexibilität jede langfristige Perspektive torpediert. Ein Leben auf Abruf also, für
das ein Laptop bereits ein Büro und ein Handy eine feste Adresse bedeutet, das für viele
aber vor allem mit widersprüchlichen Anforderungen und zunehmenden Ungewissheiten und
Unsicherheitszuständen verbunden ist. Für mich war die »Renaissance des Provisorischen«
und dessen Stilisierung in den 1990er Jahren ein wichtiger Punkt der Auseinandersetzung.
AD — Allerdings stießen wir bald auch auf einen verbreiteten Trugschluss: Nicht alles, was
›temporär‹ ist, muss auch ›provisorisch‹ sein. Und umgekehrt: nicht alles, was ›provisorisch‹
gedacht ist, verschwindet nach wenigen Jahren tatsächlich wieder.[9] Baracken oder
Container für Flüchtlinge oder Häftlinge zum Beispiel sollen meist gar nicht durch feste oder
›bessere‹ Bauten ersetzt werden. Vielmehr ist eine Baracke meist genau der Raum, den die
Autoritäten den Insassen auf oft noch unbestimmte Zeit zumuten wollen.
JW — Unsere Begriffsarbeit zum ›Provisorischen‹ und ›Temporären‹ hat im Frühjahr 2005
auf ganz praktische Weise begonnen, mit der Reihe thematischer Stadtführungen, die wir in
Leipzig organisiert haben und die wir »Provisorien. Urbane Konzepte für Zwischenzeiten«
genannt haben. Dabei ging es um die selten reflektierten und gewürdigten Provisorien einer
Stadt, gewissermaßen um die blinden Flecken der konventionellen Stadtführer und der auf
›bedeutende‹ Architekten fixierten Architekturgeschichte.
AD — Angeregt waren diese Führungen sicher auch durch unser Seminar zur Geschichte
der Baracke mit Studierenden der Architektur und Medienwissenschaft an der Bauhaus-Uni
in Weimar. Mit den Recherchen in Leipzig war ein lokaler Bezugspunkt und auch Ruhepunkt
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Doßmann, Wenzel, Wenzel: Architektur auf Zeit. Baracken, Pavillons, Container, Berlin 2006, S. 13-31.
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für unser gemeinsames Interesse an einer politischen Geschichte des temporären Bauens
gefunden.
KW — Die vier thematischen Stadtführungen im Rahmen des Projekts »Heimat Moderne«
haben uns auch die Diversität provisorischer und temporärer Architekturen vor Augen
geführt. Ein Spaziergang führte durch den Clara-Zetkin-Park, an dessen Stelle 1897 die
Bauten der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbeausstellung standen. Bei der
zweiten Tour fuhren wir quer durch Leipzig zu Orten, an denen während des ›Dritten Reichs‹
Zwangsarbeiterlager existierten.[10] Mit den Führungen wollten wir darauf hinweisen, dass
sich in der Moderne temporäres Bauen zu einer beständigen und vielfältigen Praxis
entwickelt hat. Dabei zeigte sich, wie zahlreich die Beispiele vorübergehender
Raumproduktion allein in einer Großstadt wie Leipzig aus der Zeitspanne vom
wilhelminischen Kaiserreich bis in die Gegenwart zu finden sind. Um sie wahrnehmen zu
können, reicht eine architekturhistorische Perspektive allein nicht aus. Für die Geschichte
temporären Bauens ist interdisziplinäres Arbeiten eine wichtige Voraussetzung, um die ganz
verschiedenen ›Geschichten‹, vor allem die politischen Intentionen der Akteure in den Blick
zu bekommen.
AD — Intuitiv wurde uns durch die Stadtführungen klar: um sowohl die pragmatische
Funktion als auch die symbolische Bedeutung provisorischer und temporärer Architektur für
das Regieren einigermaßen gründlich beschreiben zu können, empfiehlt sich eine
konzentrierte Untersuchung einer ausgewählten Stadt. Leipzig ist da ideal: kein Sonderfall
einer privilegierten Hauptstadt, aber eine gewachsene deutsche Großstadt mit bedeutender
Messe, mit Industrie.
JW — Dass wir uns auf eine einzige Stadt konzentriert haben, hat sich meiner Meinung nach
als sehr produktiv herausgestellt. Aus mehreren Gründen. Zum einen ist die ›Einheit des
Ortes‹ erzähltechnisch ein sehr wirkungsvoller Modus. All die verschiedenen Phänomene,
die wir beschreiben, haben an ein und demselben Ort existiert, das ist sozusagen der
Darstellungsrahmen unseres Buches. Vielleicht wird es überhaupt erst durch diesen Fixpunkt
möglich, bestimmte Gebrauchsweisen und das Politische an ihnen, zu konkretisieren.
Es ist schon auffällig, dass die meisten Publikationen, die sich mit mobiler Architektur
beschäftigen, diese Bauten so beschreiben, wie man auch ein Auto begreifen könnte – als
ein Gehäuse, das völlig unabhängig von einem bestimmten Ort existiert.[11] Unter diesem
Blickwinkel bleiben die Fragen des konkreten Gebrauchs oft eher diffus, ohne dass dies, wie
von Rudolf Arnheim, selbst zum Thema gemacht wird. Er schätzt an einem beweglichen
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Doßmann, Wenzel, Wenzel: Architektur auf Zeit. Baracken, Pavillons, Container, Berlin 2006, S. 13-31.
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Gebäude, dass es sich in Größe, Form und Farbe nicht nach einem bestimmten Gelände zu
richten braucht, sondern so konstruiert ist, »daß es in allen Situationen seiner Aufgabe
einigermaßen gerecht wird, ohne sich in irgendeiner spezifischen Situation besonders
auszuzeichnen. Seine individuelle Erscheinungsform leitet sich aus seinem eigenen Wesen
her und nicht aus dem Wesen eines bestimmten, ihm zugedachten Standorts.«[12]
Auch um zu klären, wie sich diese funktionale Offenheit dann doch mit konkreten
Gebrauchssituationen verbindet, war die Konzentration auf eine Stadt hilfreich. Denn erst
dadurch haben wir Beispiele in den Blick bekommen, die bei einem größeren
Beobachtungsfeld ganz sicher durch das Wahrnehmungsraster gefallen wären: nicht nur weil
sie zunächst zu unscheinbar sind, sondern weil man auf bestimmte alltägliche Formen des
Gebrauchs gar nicht gestoßen wäre, wenn es eure wochenlangen Recherchen im Leipziger
Stadtarchiv nicht gegeben hätte. Erst durch dieses sehr intensive Abklopfen eines Ortes, war
es möglich, die Geschichte eines bestimmten Raumgebrauchs nachzuzeichnen.
KW — Unser ›Graben‹ nach Bauakten, behördlichen Genehmigungsverfahren und
Planungsdisputen stellte neben der Suche nach zeitgenössischen Bildquellen in der Tat eine
wesentliche Grundlage des Buches dar. Zu einigen Themen konnten wir im Leipziger
Stadtarchiv auf umfangreiche Bestände zurückgreifen, etwa zur Planungs- und
Baugeschichte von Obdachlosenbaracken, Zwangsarbeiterlagern, Flüchtlingslagern oder zu
Provisorien der ›Wendejahre‹. Für die meisten Leipziger ›Architekturen auf Zeit‹ aber, die
uns zunächst in ihrer fotografisch überlieferten Form gereizt hatten, fanden wir nur knappe
oder überhaupt keine Informationen und meist auch kaum Zeitzeugen, die sich an die
konkrete Funktion oder auch nur an die schiere Existenz eines solchen Gebäudes erinnern
konnten.
AD — Das war manchmal enttäuschend. Was blieb, war das Foto, ein visuell verbürgter Ort,
ein historischer Augenblick, eine Perspektive. Aber die Story fehlte, die Erzählung, der Stoff,
um gleich auch noch Alltagserfahrungen der Nutzer dieser Gebäude zu rekonstruieren – das
verlangt angesichts der Quellenlage dann meist doch allgemeinere Bezugnahmen, die uns
hier nur für die übergreifenden Essays zur Baracke und zum Lager in der Stadt sinnvoll
schienen.[13] Das Flüchtige dieser Architekturen macht besonders augenfällig, wie stark das
historische Gedächtnis von der Überlieferungschance abhängt, das einem Ereignis oder
einem Artefakt von den nachfolgenden Generationen eingeräumt wird. Über diese klassische
Archivarbeit hinaus haben wir versucht, aus der Not eine ›Tugend mit Methode‹ zu machen.
Die Lektüren von Akten, Lageplänen, Aufklärungsfotografien oder auch die Leerstellen im
Archiv führten uns (zurück) an die Orte, wo ›vorher‹ mal eine Baracke oder eine ganzes Dorf
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Doßmann, Wenzel, Wenzel: Architektur auf Zeit. Baracken, Pavillons, Container, Berlin 2006, S. 13-31.
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aus Pappmaché und Gips gestanden hat. Das provozierte eigene Fotos, unsere ›Nachher-
Bilder‹, wenn man so will: Aufnahmen von Hinterhöfen, Schulhöfen, brachliegenden Flächen,
Park- und Sportanlagen, öffentlichen Plätzen, Denkmälern an NS-Verbrechen. Nicht selten
werden die Orte, an denen temporäre Bauten verankert waren, bald nach deren
Verschwinden ›begrünt‹ oder ihrem Schicksal überlassen – eine andere Art und Weise, Gras
über Geschichte wachsen zu lassen.
JW — Oft sind diese verlassenen Räume verwildert, weil jegliches Interesse und jede Form
der Nutzung von ihnen abgezogen wurde. Denn nicht nur der schnelle Zugriff auf Räume,
auch die Möglichkeit, einen Ort ebenso rasch wieder aufzulösen und sich zurückziehen zu
können, charakterisieren die vielfältigen Formen der räumlichen Umorganisierung, die mit
›Architektur auf Zeit‹ verbunden sind. Gerade dadurch, dass sie so schnell wieder
verschwinden können, geht von diesen Architekturen oft auch etwas ›Unheimliches‹ aus.
Das ist mir zuletzt erst wieder klar geworden durch den Abtransport des Polizeicontainers in
der Löhrstraße. [� Erstarrte Bewegung, S. 66f.; � Straßenabsperrungen, S. 244f.] Ohne
dass sich an der Sicherheitslage im Frühjahr 2006 spürbar etwas geändert hatte, war er auf
einmal überflüssig.
AD — Und will man dieses unheimliche Verschwinden aufklären, sagt einem die Polizei
freundlich, aber wenig hilfreich: Der Container ist »aus polizeitaktischen Gründen«
verschwunden, es sei »alles in Ordnung«.[14] Dabei hat sich doch mit dem Verschwinden
des Polizeicontainers in dieser Straße mit dem Raumbild auch die atmosphärische
Suggestion von Sicherheit oder Angst verändert, je nachdem, von welcher Seite man es
betrachtet.
JW — Bei Siegfried Kracauer ist zu lesen: »Jede Gesellschaftsschicht hat den ihr
zugeordneten Raum. (...) Jeder typische Raum wird durch typische gesellschaftliche
Verhältnisse zustande gebracht, die sich ohne die störende Dazwischenkunft des
Bewußtseins in ihm ausdrücken. Alles vom Bewußtsein Verleugnete, alles, was sonst
geflissentlich übersehen wird, ist an seinem Aufbau beteiligt. Die Raumbilder sind die
Träume der Gesellschaft. Wo immer die Hieroglyphe irgendeines Raumbildes entziffert ist,
dort bietet sich der Grund der sozialen Wirklichkeit dar.«[15]
Der clusterartige Aufbau unseres Buches stellt ja auch einen Versuch dar, sich dem von uns
untersuchten Phänomen durch abrupte Perspektivwechsel auf ganz unterschiedlichen
Wegen anzunähern: über bestimmte Einsatzfelder, über konkrete Orte, über typische
Gebäudeformen.
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KW — Wir wollten nicht ein auf Vollständigkeit angelegtes Inventar provisorischen und
temporären Bauens in Leipzig schreiben, was als Vorhaben ja auch eher müßig wäre. Uns
ging es vielmehr darum, an prägnanten Beispielen zu zeigen, in welchen gesellschaftlichen
Feldern und auf welche Weise ›Architekturen auf Zeit‹ im großstädtischen Raum verwendet
werden. Betrachtet man diese einzelnen Bereiche, dann lassen sich ganz verschiedene
Strategien feststellen: Städtische Fürsorge setzt mitunter bewusst temporäre Bauten ein, um
Situationen des Unbestimmten zu schaffen und die Dauer des fürsorglichen Handelns offen
zu halten, wie wir im Fall der Obdachlosenbaracken gesehen haben. [� Fürsorge, S. 85-87]
Geschäftsleute nutzen ›Architektur auf Zeit‹ mitunter als Anker, der ausgeworfen wird, um
sich im nächsten Schritt einen dauerhaften Platz auf dem lokalen Markt zu sichern [�
Geschäftssinn, S. 210-221]. Geht diese Strategie nicht auf, lässt sich ein Container schneller
wieder aufgeben als ein kostspieliges Ladenlokal.
AD — Wobei bei Kleinunternehmern meist auch das verfügbare Startkapital eine wichtige
Rolle spielt. Für eine Imbissbude reicht das Geld vielleicht gerade noch, aber die Mietsumme
für große Gewerberäume ist für viele von vornherein unbezahlbar. Es ist ja kein Zufall, dass
es oft Türken, Vietnamesen und andere Migranten sind, die sich als Familienbetrieb mit
Dönerbuden und Asia-Imbissen über Wasser zu halten versuchen. Knappe Kassen und
wenige Arbeitsplätze erzwingen Mobilität und flexible Anpassung, oft alternativlos. Wenn
eine planende Stadtverwaltung indes ›auf kurze Zeit‹ baut, argumentiert sie besonders gern
mit der Figur des Sachzwangs, die oft nur Schutzbehauptung ist.[16]
KW — Oder der Griff zum Provisorium wird als kluge Voraussicht erklärt mit dem Argument,
dass »auch bei uns Bauleuten alles im Fluß ist« – so hatte das 1949 mal ein Architekt in
einer Kunstzeitschrift erläutert.[17]
JW — Das »alles im Fluss ist«, mit dieser Formulierung lässt sich ja auch die
widersprüchliche Vermischung von Berechenbarkeit und Kontingenz ummanteln, von der
Tom Holert und Mark Terkessidis sagen, dass sie »ein entscheidendes Kennzeichen
gegenwärtigen Regierens« ist. [� Erstarrte Bewegung, S. 61] Architekturen, die sich leicht
auf und abbauen lassen, werden häufig für zeitlich begrenzte, also ›vorübergehende‹
Unterbringung genutzt. Oft wird mit dem Status der Architektur auch die Lebenssituation der
Bewohner identifiziert. Das Temporäre ihres Aufenthalts wurde und wird ihnen – bewusst
oder unbewusst – auch in der Art ihrer Unterbringung vor Augen geführt. Die Unterbringung
von Migranten in temporären Bauten hat in Deutschland eine lange Tradition. Denn die
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deutsche Einwanderungspolitik ist seit dem 19. Jahrhundert selten auf dauerhafte Integration
ausgerichtet, sondern fördert vor allem zeitlich begrenzte Aufenthalte und lässt nur
temporäre Bindungen zu.[18] Man könnte sagen, in der Form der Unterbringung in
temporären Bauten werden Zeitkonzepte architektonisch umgesetzt, die auf der politischen
Ebene bereits ausgeformt wurden.
AD — Die zweistöckige Containeranlage in der Raschwitzer Straße, in die 1993 die ersten
Flüchtlinge einquartiert wurden, ist hier ein gutes Beispiel. Die mit Fragen der
Asylbewerberunterbringung wenig vertrauten Mitarbeiter des Leipziger Sozialamtes hatten
die Container von Kollegen aus der Partnerstadt Hannover mit dem Hinweis empfohlen
bekommen, diese Architektur diene am effektivsten dem Ziel, Flüchtlinge schnell und billig
unterzubringen, ohne dass dabei bleibende Infrastrukturen entstehen. [� Lager, S. 153f.]
Hier zeigt sich etwas, was wir bei vielen dieser temporären Architekturen beobachten
konnten: das Prinzip ›schneller sein‹. Im Fall des Containerlagers Raschwitzer Straße heißt
das unter anderem, dass die Verwaltung ihr Planungsverfahren abkürzen konnte. So war es
der Stadt auch möglich, flexibler auf die schwer abschätzbare Zahl an Zuweisungen von
Asylbewerbern aus der Vermittlungsstelle, der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung in
Chemnitz, zu reagieren. Dass dieses Kalkül dann oft doch nicht aufgeht, steht auf einem
anderen Blatt.
KW — Situationen, in denen temporäre Architekturen von der Verwaltung als Werkzeug
gebraucht wurden, um bestimmte Dynamiken steuern zu können, lassen sich schon in der
Frühzeit der modernen Stadt beobachten. Sie sind unmittelbar mit der Herausbildung des
modernen Verwaltungswesens verbunden, wie es Lutz Raphael beschrieben hat.[19] Die
Modernisierung der Verwaltung im Verlauf des 19. Jahrhunderts veränderte den Blick auf
›Stadt‹: Der gewachsene, mit bestimmten Traditionen verbundene Ort wurde zunehmend als
ein Organismus angesehen, der durch operative Eingriffe an die neuen Sicherheits-,
Hygiene- und Segregationsvorstellungen angepasst werden sollte.[20] Funktionale
Zonierungen zerlegten den Stadtraum in Bereiche des Wohnens, der Arbeit, des Handels
und des Vergnügens, die durch Verkehrsmittel wieder verknüpft wurden. Jeder dieser
einzelnen Bereiche besaß seine eigene komplexe Dynamik, die von wachsenden
Verwaltungsapparaten erzeugt und gleichzeitig effektiv zu beherrschen versucht wurde.
Dabei griff man immer wieder auf temporäre und provisorische Bauten zurück, die jene
Zwischenzeiten überbrücken sollten, in denen bestimmte Entscheidungen offen oder
divergierende Konzepte noch nicht aufeinander abgestimmt waren. Ich denke dabei zum
Beispiel an provisorische Kirchen und Schulbaracken, wie sie nicht nur in Leipzig in schnell
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Doßmann, Wenzel, Wenzel: Architektur auf Zeit. Baracken, Pavillons, Container, Berlin 2006, S. 13-31.
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wachsenden Stadtteilen errichtet wurden. Sie dienten als Platzhalter, bis für das jeweilige
Gebäude eine dauerhafte Lösung und für das gesamte Viertel eine langfristige Perspektive
ausgearbeitet war.
AD — Das heißt, sobald es um langfristige Planungen geht, kommt ›Architektur auf Zeit‹ als
Joker mit ins Spiel. So wie beim Kartenspiel der Joker fehlende Karten eines Spieler zu
ersetzen hilft, so übernimmt ein temporärer Bau für einen Stadtregierung zeitweilig die
Funktionen anderer Gebäude. Wenn Stadtplaner und Architekten sich selbst und ihrer Zeit
ein bleibendes Denkmal setzen wollen, dann müssen sie gleichzeitig Kulturtechniken des
Provisorischen entwickeln und beherrschen, die es erlauben, Entscheidungen
aufzuschieben, Zeit gewissermaßen zu dehnen, ohne dass dabei das Funktionieren einer
Stadt wesentlich gestört wird.
JW — Das ist sicher ein ganz wichtiger Aspekt. Hier zeigt sich eine Zeit-Strategie, die man
als Überbrückung bezeichnen kann. Allerdings lassen sich temporäre Architekturen nicht auf
diesen Aspekt reduzieren. Überbrückung findet man vor allem dort, wo es Masterplanung
gibt, wo eine Vorgehensweise existiert, die zeitlich vorausgreift und festschreibt. Diese
geschlossenen Planungssysteme stehen ja mehr und mehr in Frage, weil sich mit ihnen die
Komplexität heutiger Stadtgefüge kaum noch beherrschen lässt. Die Zeit-Strategie, die
gegenwärtig die weitaus größere Rolle spielt, ist eine des kurzfristigen Pragmatismus; eine
Strategie, die dazu treibt, gleichzeitig unterschiedliche Optionen zu verfolgen, um so für alle
möglichen Krisensituationen reaktionsfähig zu sein.
KW — Das Wort ›Baustelle‹ ist seit den 1990er Jahren ja geradezu eine Metapher für viele
Bereiche der Gesellschaft geworden.[21] In postsozialistischen Städten wie Leipzig, in denen
starke Transformationsprozesse ablaufen, finden heute Umbauten oder Umwidmungen in
allen Teilen zeitgleich statt, vom Zentrum bis zur Peripherie. Ein Quartier, das noch vor
wenigen Jahren einen Aufschwung erlebte, kann sich heute schon wieder im Niedergang
befinden. Für diese zyklischen Veränderungen scheinen temporäre Architekturen die
anpassungsfähigsten Bauweisen zu sein. Gleichzeitig ist es in der Gegenwart schwieriger zu
sagen, was eigentlich ›Architekturen auf Zeit‹ sind. Wenn heute in Leipzig ein Kaufhaus
gebaut wird, sei es am Stadtrand oder in der Innenstadt, dann rechnen die Investoren mit
einer Nutzungsperspektive von zwanzig bis dreißig Jahren. Andererseits steht in Leipzig-
Probstheida eine Grundschule aus Containern, bei der die Stadtverwaltung ebenfalls von
dreißig Jahren Nutzungsdauer ausgeht. Die ›Lebenszeit‹ von Gebäuden – kurzlebige
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Stahlbetonbauten und langlebige, potenziell mobile Architekturen – scheint sich mehr und
mehr anzunähern.
JW — Von Zygmunt Bauman stammt die These, dass im Verlauf der Moderne an die Stelle
fester Strukturen mehr und mehr flüssige und flüchtige getreten sind. »Wir kennen das aus
der eigenen Erfahrung – mit leichtem Gepäck kommt man schneller voran«, heißt es am
Beginn seines Buches »Flüchtige Moderne«.[22] Auch für den Bereich der Architektur lohnt
es sich, die Geschichte dieser flüchtigen Strukturen genauer zu betrachten. Sie sind ein
wesentlicher Aspekt der Stadt der Moderne, und nur die Tatsache, dass man umbauten
Raum überwiegend unter dem Aspekt der architektonischen Form und nicht unter dem des
Gebrauchs betrachtet, hat dazu geführt, dass temporäre Gebäude so lange übersehen
wurden. Wenn sich eine Stadtverwaltung Ende des 19. Jahrhunderts drei transportable
Lazarettbaracken angeschafft hat, um beim Ausbruch einer Epidemie schnell reagieren zu
können, ist das dann für die Architekturgeschichte der Moderne nicht ebenso wichtig wie die
neuartigen Stahlkonstruktionen Gustave Eiffels, die zur selben Zeit entstanden?
AD — Lasst uns die Hypothese zuspitzen: Ohne temporäre Architekturen hätte sich das 20.
Jahrhundert nicht so dynamisch entfalten können. Denn worum geht es in der Moderne?
Zygmunt Bauman deutet es an. Es geht um ›schneller sein‹ – also darum, schneller zu sein
als andere: zum Beispiel schneller als andere Armeen, andere Staaten, andere Firmen, als
der Kollege usw. Es ist dieser Wettlauf, dieses Konkurrenzdispositiv, das in der Moderne
förmlich zu Tempo antreibt und Energien mobilisiert, »die mittels des Dispositivs für die
Ökonomie funktionalisiert werden, was den nach Subjekterfahrung Heißhungrigen aber
vollständig unbewusst und ggf. piepe ist«.[23] Der berühmte ›Fortschritt‹ ist als neuzeitlicher
Kollektivsingular eben ein Bewegungsbegriff. Das mag trivial klingen, aber darin scheint viel
von der Energie verborgen zu sein, die wir auch bei unseren Analysen zu den ›Architekturen
auf Zeit‹ beobachtet haben.
JW — ›Schneller sein‹ ist ein Imperativ industrieller Gesellschaften. »Ökonomie der Zeit,
darin löst sich schließlich alle Ökonomie auf«, heißt es bei Marx.[24] Wie aber wird der Zeit-
Gewinn mittels industriell vorgefertigter Architekturen nun konkret realisiert? Vergleicht man
die Firmenprospekte von Barackenherstellern am Ende des 19. Jahrhunderts mit Katalogen
von Containerfirmen heute, findet man auf diese Frage fast wortwörtlich dieselben
Antworten. Das Set der Verkaufsargumente bleibt erstaunlich gleich. Das erste ist meist die
Beweglichkeit solcher Architekturen und die Schnelligkeit, mit der sie auf- und abbaubar
sind. Das zweite ist ihre Verfügbarkeit, der Fakt also, dass sie jederzeit abrufbar sind. Der
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Doßmann, Wenzel, Wenzel: Architektur auf Zeit. Baracken, Pavillons, Container, Berlin 2006, S. 13-31.
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dritte Punkt ist ihre Nutzerfreundlichkeit. Betont wird fast immer, dass diese Gebäude auch
von ungeübten Kräften errichtet werden können, was Auswirkungen auf die Konstruktion hat,
die möglichst simpel sein muss. Hinzu kommt als Viertes die Multifunktionalität solcher
Bauten, auf die die Anbieter meist schon hinweisen. Oft lässt sich die einfache Grundform
durch leichte Modifikationen für die unterschiedlichsten Zwecke und Raumbedürfnisse
herrichten. Natürlich sind solche Architekturen, und das wäre der fünfte Punkt, da sie in
Großserie produziert werden, auch konkurrenzlos günstig.
AD — Schnell, einfach, praktisch, billig – vier Imperative jeder Massenproduktion im Namen
des Fortschritts. Fortschritt wurde oft gleichgesetzt mit Beschleunigung, sie sollte die finale
Erlösung bringen. Peter Sloterdijk spricht von Fortschritt als »Bewegung zur gesteigerten
Bewegungsfähigkeit« und bezeichnet Kinetik als die Ethik der Moderne: »Es gibt keine
ethischen Imperative modernen Typus mehr, die nicht zugleich kinetische Impulse
wären.«[25] Als wir uns zu Beginn unserer Recherchen fragten, auf welche Probleme der
Gesellschaft die zerlegbare, transportable Baracke eine Antwort gewesen ist, liefen etliche
unserer Überlegungen auf dieses vielstimmige Begehren nach »gesteigerter
Bewegungsfähigkeit« hinaus. Mit der temporeichen modernen Kriegsführung, den neuen
Reichweiten der Waffen, den massenhaft auftretenden Verletzten und einem neuen
internationalen Kriegsrecht wurden die Forderungen von Militärs, Ärzten und
Gesundheitsreformern nach ortsunabhängigen und sofort zu errichtenden Lazarett-Baracken
immer lauter. Betrachtet man dann die Details im Zusammenhang, gelangt man rasch zu
hochbrisanten Aspekten der Analyse von Macht und Herrschaft: politische und soziale Ein-
und Ausschlüsse, Diskriminierungen, biopolitische Strategien, internationale Rechte und
Standards, Fragen der Hygiene und Sicherheit.
KW — Aus der Interaktion von Industrie, Verwaltung und Militär entstand im späten 19.
Jahrhundert ein regelrechter Markt für temporäre Bauten: in der Fabrik vorgefertigte,
einheitliche Gebäude, die jederzeit verfügbar und sofort benutzbar sein sollten. Ein wichtiger
Impuls dafür war der internationale Barackenwettbewerb, der auf der Weltausstellung in
Antwerpen 1885 stattfand. Eine Jury aus europäischen Militärärzten und hohen Funktionären
des Internationalen Roten Kreuzes wählte aus zahlreichen Vorschlägen die zerlegbare
Doecker-Baracke als das am besten geeignete »Bauwerk zur Behandlung von Verwundeten
und Infektionskranken für Kriegs- und Friedenszwecke« und versuchte damit einen
internationalen Raum-Standard zu setzen.
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AD — Dieses Ereignis steht in einer Reihe internationaler Standardisierungsbemühungen
des späten 19. Jahrhunderts, zu denen beispielsweise auch die Einführung der Weltzeit
gehört. Es sind Zeit-, Raum- und Technikstandards, die es ermöglichen sollten, dass sowohl
in Kriegs- als auch Friedenszeiten alles noch einfacher, schneller, vor allem berechenbarer
zirkulieren kann.[26] Aber ich möchte noch einen Schritt weiter gehen, hin zu normativ-
rechtlichen und biopolitischen Fragen, also den weniger offensichtlichen Motiven. Wenn um
1880 transportable Baracken oder um 1970 Wohncontainer an der Schnittstelle von
unternehmerischen und staatlichen Interessen entwickelt wurden, dann gehen damit auch
sozial-rechtliche Normalisierung und zugleich Entstaatlichungen der Raumproduktion auf der
Ebene des Rechts einher. Nicht mehr ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz, sondern
so genannte Experten aus industriellen Verbänden legen DIN-Normen fest, die Regierungen
dann bereitwillig durchzusetzen helfen. Bis es nach einer Phase der Einführung temporärer
Architekturen alle mehr oder weniger ›normal‹ und akzeptabel finden, dass zum Beispiel
Asylbewerber in einem genormten Stahlcontainer ihren einstweiligen ›Platz‹ außerhalb der
Gesellschaft finden.
KW — Ein Punkt, auf den unsere Beschäftigung mit ›Architekturen auf Zeit‹ immer wieder
hinausläuft, ist ihr konkreter Gebrauch. Ähnlich wie Computer sind es universell nutzbare
Werkzeuge, die unterschiedlichste Funktionen übernehmen können. So wurden
transportable Baracken unter anderem für Krankenhäuser, Schulen, Kindergärten, Kirchen,
Arbeiterunterkünfte, Kasernen, Flüchtlingslager oder Konzentrationslager verwendet. Oft
lassen sich sogar in der Nutzungsgeschichte ein und desselben Gebäudes solche
Mehrfachverwendungen finden.
Uns hat aber auch interessiert, die stadträumlichen Dynamiken zu zeigen, die mit Gebäuden
wie Baracken oder Containern verbunden sind. Was heißt es konkret, einen Ort zeitweilig zu
besetzen? Welche neuen Handlungsspielräume werden durch temporäre Architekturen
geschaffen? Mit welchen Zeitperspektiven rechnen der Staat, städtische Behörden,
Unternehmen oder Einzelpersonen, wenn sie sich für solche Gebäude entscheiden?
AD — Hier lohnt die Erinnerung an die vielleicht berühmteste Baracke Deutschlands, die
›SPD-Baracke‹. Die stand einmal in Bonn am Rhein, ein Flachbau aus Holz in
Plattenbauweise, in dem die SPD-Parteispitze 1951 ihr Quartier in der umstrittenen
Bundeshauptstadt bezog. Einigkeit bestand damals allein in dem Glauben, Bonn sei nur eine
provisorische Hauptstadt, die bei einer bald erwarteten Wiedervereinigung von Berlin
abgelöst werden könnte. Erst 1975 weihten die Sozialdemokraten in Bonn das ›Erich-
Ollenhauer-Haus‹ ein – den Namen ›Baracke‹ verlor die SPD-Parteizentrale allerdings bis
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heute nicht. Provisorische Architektur als Stellvertreter-Architektur ist immer auch politisches
Statement, mal intendiert, mal unfreiwillig. Aus Teilen dieses Holzbaus ist Mitte der 1970er
Jahre übrigens bei Travemünde ein Erholungsheim der Arbeiterwohlfahrt errichtet worden,
das bis heute existiert. Was meint ihr, wenn sich heute eine neue Partei gründen würde:
Könnte sie ihren ersten Sitz in einem Containerbau etablieren bei all den politischen
Fallstricken, die mit dem Container als Ikone globalisierten Handels verbunden sind?
KW — Vermutlich würde sie nicht auf herkömmliche ISO-Container zurückgreifen. Die
Hersteller von Containerbauten bieten heute Lösungen an, die mit ihren Vorhangfassaden
optisch nicht mehr an Frachtcontainer erinnern und sich zu komplexen ›Systembauten‹
kombinieren lassen. Sie werden für ganz verschiedene Zwecke eingesetzt, vom
Kindergarten bis zum Truppenlager der Bundeswehr im Auslandseinsatz, warum nicht auch
mit der entsprechenden Fassade als politischer Repräsentationsbau. Dein Gedankenspiel
zeigt aber, wie sehr politische Codierungen temporären Bauten impliziert sein können.
Nehmt den Pavillon der Nationalen Front, der auf dem Leipziger Marktplatz stand. Als am 17.
Juni 1953 auch in Leipzig gegen die staatlichen Arbeitsnormerhöhungen protestiert wurde,
zündeten Demonstranten den Pavillon an. Das war bestimmt nicht nur als Angriff auf eine
temporäre Architektur gemeint, sondern auf den Staat, den der Pavillon repräsentierte.
JW — Und dennoch wäre es ein Trugschluss, solche Codierungen als fix anzusehen.
Da wir schon einmal dabei sind: ein Besuch im Big Brother-Container diente Guido
Westerwelle im Wahlkampf 2002 als Höhe- oder besser gesagt Tiefpunkt des FDP-
Spaßwahlkampfs. Container können im wörtlichen und im übertragenen Sinn Behälter für
alle möglichen Inhalte sein. Was an ihnen politisch ist, ist wohl eher ihre Vagheit und
Unverbindlichkeit, die auch die unterschiedlichsten Besetzungen zulässt. Das hat nicht erst
Christoph Schlingensiefs Container-Aktion »Ausländer raus!« 2001 in Wien klar gemacht.[27]
AD — Diese Vagheit, die, zugespitzt formuliert, auch auf der symbolischen Ebene in eine
Eigenschaftslosigkeit umschlagen kann, ist vielleicht das stärkste Kennzeichen und ein
Grund mehr, warum es so schwer ist, diese Blechbox wie andere mobile oder auch nur
temporäre und provisorische Gebäude auf den Begriff zu bringen. Robert Venturi spricht in
»Learning from Las Vegas« vom Kiosk als ›decorated shed‹: Wieder ist es das Zeichen, die
Oberfläche, weniger der Gebrauch der Räume, der interessiert. Ihr hattet ja bereits
angedeutet, dass die Architektur- und Designgeschichte bislang meist doch nur die schrillen
und effektheischenden Oberflächen und Formen von Pavillons, Kiosken oder mobilen
Wohnmodulen ausgeleuchtet hat. Am ehesten haben bislang noch empirische Stadt- und
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Alltagsforscher und Fotografen versucht, über die Architektur hinaus ein paar
kulturhistorische oder soziale Facetten sichtbar zu machen. Das ist wohl in der Kiosk-
Forschung am deutlichsten geworden, wobei das nicht notwendig temporäre Gebäude sein
müssen.[28]
KW — In der Architekturgeschichte bleibt das Interesse oft leider nur auf die formalen
Aspekte temporärer, provisorischer oder mobiler Bauten beschränkt. Und erstaunlicherweise
stehen selten solche Gebäude im Mittelpunkt, die auch realisiert wurden. Vielmehr scheint
von utopischen Projekten wie Richard Buckmister Fullers »Dymaxion House« oder
Archigrams »Plug-In-City« eine größere Faszination auszugehen. In hohen Stückzahlen
realisierte ›Architekturen auf Zeit‹ hingegen sind – wenn überhaupt – meist ein Thema am
Rand. Wer kennt schon die transportablen Wohnhäuser für die Arbeiter der Tennessee
Valley Authority (TVA) oder die Tafelbauten der Christoph & Unmack AG?[29]
AD — Es ist wirklich paradox. Auch Designer und Künstler scheinen oft vom Charme und
den Abgründen des Informell-Nomadischen fasziniert zu sein und wollen zum Beispiel
Obdachlosen durch »robuste Kapseln« als einem »neuen Statussymbol« mehr
gesellschaftliche Aufmerksamkeit verschaffen. Im Programm vom »Designmai 2006«, dem
Berliner Internationalen Designfestival, habe ich jetzt folgendes über »Wohnsysteme für
Obdachlose und andere urbane Nomaden« gelesen: »Mit den Instant Housings wird Raum
zur Verfügung gestellt, der in erster Linie als Schlafplatz dient, der aber auch immer
Kunstraum ist.« Konkret handelt es sich um Blechgehäuse, die gar nicht verleugnen wollen,
dass sie auch wieder als rollbare Mülltonnen genutzt werden könnten. Mit einem Computer
ausgestattet sollen sie auch als »transportabler Arbeitsplatz« geeignet sein. Man sieht schon
förmlich die Figuren aus René Pollesch-Stücken da rein kriechen. Sicher, mit diesen Tonnen
will der Designer keine Lösung des Obdachlosen-Problems bieten. Er will provozieren, wie
Krysztof Wodiczko mit seinem »Homeless Vehicle Project« in New York bereits fünfzehn
Jahre früher, gleichzeitig aber doch irgendwie dem Bedürftigen die Chance geben, einen Ort
in der Stadt »sein Eigen zu nennen, indem er eines der Instant Houses besetzt.«[30] Was
solche Design-Antworten auf die funktionalen Leerstellen der Gesellschaft meist zeigen, ist
ein Desinteresse für die politische und soziale Geschichte temporärer Architekturen,
insbesondere der ihres massenhaften Gebrauchs. Das Wissen um diese Geschichte kann
vielleicht sensibler machen für die Schattenseiten von Strategien, mit denen soziale
Probleme (design-)technisch statt politisch beantwortet werden.
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JW — Was auffällt, ist eine Diskrepanz in der Wahrnehmung temporärer Architektur. Bis
heute ist die architekturhistorische Vorstellung davon, was umbauter Raum ist, sehr einseitig
auf feste Bauten ausgerichtet. Wahrgenommen wird, was massiv, dauerhaft und unflexibel
ist; ausgeblendet wird in den meisten Fällen, was beweglich, temporär und leicht
demontierbar ist. Oder in welchem Überblickswerk zur Geschichte der modernen Architektur
kommen zum Beispiel Baracken bzw. Container vor?
Richard Sennett überschreibt ein Kapitel in seinem Buch »Der flexible Mensch« mit
»Unlesbarkeit«. Ich denke, viele der Architekturen, mit denen wir uns beschäftigen, könnten
in diesem Sinne auch unlesbar werden, weil die etablierte Methode, Architekturen und
Räume zu denken und entziffern, anderen Regeln folgt. Sicher, man hat in den letzten
Jahren wieder begonnen, sich dafür zu interessieren, wie Gebäude gebaut sein müssten,
damit sie »flexibel genug sind, um sich den momentanen Bedürfnissen anzupassen«, wie
Hans Ulrich Obrist über den »Fun Palace« von Cederic Price schreibt, bei dem »Zeit –
neben der Breite, Länge und Höhe – die vierte Dimension von Design ist«.[31] Aber auch
dieses Beispiel zeigt eher, wie kurzsichtig die Wahrnehmung von Zeitkonzepten im
Zusammenhang mit Architektur nach wie vor ist.
AD — Unlesbarkeit der Stadt ist ja aus Sicht des Staates vor allem eine Herausforderung für
seine Sicherheits- und Machtansprüche. Dafür hat er bereits frühzeitig Lösungsstrategien
entwickelt, die zu einer neuen Lesbarkeit führten: Das sind vor allem »rasterförmige
Erfassungen« (Gilles Deleuze). Raster sind ganz wesentliche Elemente in der Kartografie, in
der Anlage von Siedlungen, aber auch in der Registrierung von Vornamen, der Statistik, der
Zentrierung von städtischen Verkehrswegen.[32] »Ordnung ist aller Raster Anfang«, schrieb
der Architekturkritiker Julius Posener.[33] Die rasterförmige Erfassung von
Menschenmassen ermöglicht den präzisen Zugriff auf Einzelne.[34] Es geht dabei um
Adressierung: Jeder Punkt im Planquadrat des Rasters ist eindeutig definiert, gleich ob es
sich um Baracken in einem Lager handelt oder Menschen, die einzelnen ›Blöcken‹
zugeordnet sind und eine ›Adresse‹ erhalten. Und dennoch ersetzt diese Perspektive, die
uns die Bedeutung von Rasterung vor Augen führt, nicht den Blick auf Details im Innenleben
temporärer Architekturen. Individuelle Aneignungen zu rekonstruieren, ist eine schwierige
Aufgabe. Auch uns ist das hier nur punktuell möglich gewesen. Aber soviel ist sicher: Ein
und dieselbe RAD-Baracke konnte für die einen in bestimmten Situationen Freiheit und
Glück bedeuten, für andere Elend und Tod. Es ist der konkrete Gebrauch, nicht die
Architektur oder Technik ›an sich‹, der wichtige Schlüsse auf die Gesellschaft zulässt.
112
Doßmann, Wenzel, Wenzel: Architektur auf Zeit. Baracken, Pavillons, Container, Berlin 2006, S. 13-31.
18
1 Dazu allgemein: Gabriele Bickendorf, Hotel, Passage, Warenhaus. Urbaner Lebensstil und neue
Konsumformen, Heidelberg 1992; Helmut Frei, Tempel der Kauflust. Eine Geschichte der
Warenhauskultur, Leipzig 1997.
2 Siehe dazu Kaye Geipel, Tradition der kurzen Dauer, in: ARCH+, Tokyo – Megapolis des
organisierten Deliriums, 2:123 (1994), S. 38.
3 Marina Dmitrieva, Ephemere Architektur in Krakau und Prag. Zur Inszenierung von
Herrschereinzügen in ostmitteleuropäischen Metropolen, in: dies., Karen Lambrecht, Krakau, Prag
und Wien. Funktionen von Metropolen im frühmodernen Staat, Stuttgart 2000, S. 255-281.
4 Die smart beach tour machte im Mai 2006 auf dem Leipziger Augustusplatz Station.
5 Georg Franck, Mentaler Kapitalismus. Eine politische Ökonomie des Geistes, München/Wien
2005.
6 Neben Michel Foucaults eigenen Arbeiten zur Gouvernementalität siehe auch: Ulrich Bröckling,
Susanne Krasmann, Thomas Lemke (Hg.), Glossar der Gegenwart, Frankfurt/Main 2004; Sven
Opitz, Gouvernementalität im Postfordismus. Macht, Wissen und Techniken des Selbst im Feld
unternehmerischer Rationalität, Hamburg 2004; Boris Michel, Stadt und Gouvernementalität,
Münster 2005.
7 Siehe dazu Dirk van Laak, Infra-Strukturgeschichte, in: Geschichte und Gesellschaft 27:3 (2001),
S. 367–393 sowie ders., Imperiale Infrastruktur. Deutsche Planungen für eine Erschließung Afrikas
1880 bis 1960, Paderborn 2004.
8 Martin Wagner, Zur Ökonomie von Städtebau und Bauwirtschaft, in: Siegfried v. Kardorff, Hans
Schäffer, Götz Briefs, Hans Kroner (Hg.), Der internationale Kapitalismus und die Krise. Festschrift
für Julius Wolf zum 20. April 1932, Stuttgart 1932, S. 361–367.
9 Zum Begriff des Provisorischen siehe u. a. Immanuel Chi, Provisorische Artefakte, in: Immanuel
Toshihito Chi, Susanne Düchting, Jens Schröter (Hg.), ephemer – temporär – provisorisch, Essen
2002, S. 53–62; zu temporären Nutzungen in der Stadt siehe auch dérive – Zeitschrift für
Stadtforschung 4:14 (Dezember 2003) sowie Antje Havemann, Margit Schild, Der Nylonstrumpf als
temporäre Aktion – oder: Was können Provisorien? in: dérive – Zeitschrift für Stadtforschung
6:21/22 (Januar 2005).
10 Katja Heinecke, Jan Wenzel für Experimentale e. V. (Hg.), Heimat Moderne, Berlin 2006, Index
11–14.
11 Matthias Ludwig, Mobile Architektur. Geschichte und Entwicklung transportabler und modularer
Bauten, Stuttgart 1997; Courtenay Smith, Sean Topham, Xtreme Houses,
München/Berlin/London/New York 2002; Liesbeth Melis (Hg.), Parasite Paradise. A Manifesto for
Temporary Architecture and Flexible Urbanism, Rotterdam 2003.
12 Rudolf Arnheim, Die Dynamik der architektonischen Form, Köln 1980 (zuerst engl. 1977), S.
150.
13 Zu dieser Perspektive siehe als sehr nützliche Zusammenfassung der Forschung: Alf Lüdtke
(Hg.), Lager – Lagerleben – Überleben? = SOWI (Sozialwissenschaftliche Informationen) 29:3
(2000).
14 Auskunft von Birgit Schlegel, Pressesprecherin der Polizeidirektion Leipzig, 09.06.2006.
15 Siegfried Kracauer, Über Arbeitsnachweise (zuerst 1929), in: ders., Straßen in Berlin und
anderswo, Berlin 1987, S. 52–59, hier S. 52.
16 Willibald Steinmetz, Anbetung und Dämonisierung des ›Sachzwangs‹. Zur Archäologie einer
Redefigur, in: Michael Jeismann (Hg.), Obsessionen. Beherrschende Gedanken im
wissenschaftlichen Zeitalter, Frankfurt/Main 1995, S. 293–333.
17 Günther Kühne, Provisorium oder Dauerbau? in: Bildende Kunst 3 (1949), S. 125.
18 Saskia Sassen, Migranten, Siedler, Flüchtlinge. Von der Massenauswanderung zur Festung
Europa, Frankfurt/Main 1996, S. 74.
113
Doßmann, Wenzel, Wenzel: Architektur auf Zeit. Baracken, Pavillons, Container, Berlin 2006, S. 13-31.
19
19 Lutz Raphael, Recht und Ordnung. Herrschaft durch Verwaltung im 19. Jahrhundert,
Frankfurt/Main 2000.
20 Heide Berndt, Das Gesellschaftsbild bei Stadtplanern, Stuttgart/Bern 1968.
21 Franz Pröfener (Hg.), Zeitzeichen Baustelle. Realität, Inszenierung und Metaphorik eines
abseitigen Ortes, Frankfurt/Main/New York 1998.
22 Zygmunt Bauman, Flüchtige Moderne, Frankfurt/Main 2003 (zuerst engl. 2000), S. 21.
23 Jürgen Link, Kleines Begriffslexikon/Dispositiv (interdiskursives), in: kultuRRevolution.
Zeitschrift für angewandte Diskurstheorie 11 (Februar 1986), S. 71.
24 Zitiert nach: Wohnung, Siedlung, Lebensweise. Aus Werken und Briefen von Karl Marx und
Friedrich Engels, Ausgewählt und bearbeitet von Gerhard Schmitz, Berlin 1980, S. 289.
25 Peter Sloterdijk, Eurotaoismus. Zur Kritik der politischen Kinetik, Frankfurt/Main 1989, bes. S.
32ff., hier S. 36.
26 Siehe dazu Frank Haase, Die Beschleunigung des Nachrichtenflusses: Telegraphie, Funk,
Fernsehen, in: Georg Christoph Tholen, Michael Scholl, Martin Heller (Hg.), Zeitreise: Bilder,
Maschinen, Strategien, Rätsel, Basel/Frankfurt/Main 1993, S. 161–170.
27 Schlingensiefs Ausländer raus. Bitte liebt Österreich, Dokumentation von Matthias Lilienthal,
Claus Philipp, Frankfurt/Main 2000.
28 Willy Römer, Ambulantes Gewerbe Berlin 1904–1932, Berlin 1983; Wolfgang Baumann, Harald
Kimpel, Friedrich Wilhelm Kniess, Schnellimbiss. Eine Reise durch die kulinarische Provinz, Marburg
1980; Hermann Sturm, Alltagsarchitektur. Dargestellt am Beispiel Buden, in: Deutscher Werkbund
e. V. (Hg.), Werk und Zeit 2:6 (Darmstadt 1981); Elisabeth Neumann, Kiosk. Entdeckungen an
einem alltäglichen Ort. Vom Lustpavillon zum kleinen Konsumtempel, Marburg 2003; Frankfurter
Wasserhäuschen. Fotografien von Martin Starl, Frankfurt/Main 2003; Jon von Wetzlar, Christoph
Buckstegen (Hg.), Urbane Anarchisten. Die Kultur der Imbissbude, Marburg 2003; Peter Arlt, Jens
Fischer, Benjamin Foerster-Baldenius, Kioskisierung. 29 Kioskmonografien aus 4 osteuropäischen
Plattenbaugebieten, Berlin 2005.
29 Zu den transportablen TVA-Häusern: John Gloag, Grey Wornum, House out of Factory, London
1946, S. 59–64; Zu den Fertigteilhäusern der Christoph & Unmack AG und anderen vorgefertigten
Wohnbauten aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts siehe: Kurt Junghanns, Das Haus für alle.
Zu Geschichte der Vorfertigung in Deutschland, Berlin 1994.
30 Transform Berlin e. V., Mateo Kries (Hg.), Designcity. Design for Urban Space and the Design
City Discussion, Berlin 2006, S. 153f. und S. 209f. Siehe auch http://www.winfried-baumann.de,
20.05.2006.
31 Hans Ulrich Obrist, Cederic Price, in: Philipp Misselwitz, Hans Ulrich Obrist, Philipp Oswalt (Hg.),
Fun Palace 200X. Der Berliner Schlossplatz, Abriss, Neubau oder grüne Wiese?, Berlin 2005, S. 89.
32 James C. Scott, Seeing Like a State. How Certain Schemes to Improve the Human Condition
Have Failed, New Haven/London 1998, bes. S. 53ff.
33 Julius Posener, Spaziergang in B.B.R., in: ders., Aufsätze und Vorträge 1931–1980,
Braunschweig/Wiesbaden 1981, S. 169–173, hier S. 172.
34 Bernhard Siegert, (Nicht) Am Ort. Zum Raster als Kulturtechnik, in: Thesis. Wissenschaftliche
Zeitschrift der Bauhaus-Universität Weimar 49 (2003), S. 92–104.
© Die Autoren und b_books Verlag (Berlin)
114
Weitere Literatur zum Thema
Werner Oechslin, Sonja Hildebrand (Hg.)
Karl Moser; Architektur für eine neue Zeit, 1880 bis 1936
Verlag gta, 2010
ISBN 978-3-85676-250-6
Badener Neujahrsblätter
Band 87 (2012): „Meet the Browns“
Herausgeber: Literarische Gesellschaft Baden; Vereinigung für Heimatkunde
des Bezirks Baden
http://retro.seals.ch/digbib/voltoc?pid=ban-001:2012:87
Arch plus : Zeitschrift für Architektur und Städtebau
Ausgabe 107, 3-1991
Der Pavillon: Lust und Polemik in der Architektur
Herausgeber: Peter Cachola Schmal
Verlag Distributed Art Pub Incorporated, 2009
ISBN 377572494X, 9783775724944
Chi, I. (2002).
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Klartext, Essen.
Dossmann, A., Wenzel, J. und Wenzel, K. (2006).
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Houses in Motion: The Genesis, History and Development of the Portable
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Wiley-Academy.
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Lob des Schattens. Entwurf einer japanischen Ästhetik. Manesse 2010
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Mensch und Raum. 6. Auflage. Stuttgart Berlin Köln 1963
Aldo Rossi:
Wissenschaftliche Selbstbiographie. Bern Gachnang & Springer 1991
Colin Rowe, Robert Slutzky:
Transparenz. Kommentar von Bernhard Hoesli und Einführung von Werner
Oechslin.
Basel 1997
116
Biographien Dozierende
Alain Roserens1967 geboren in Zürich1996 Diplom ETH Zürich bei Prof. Flora Ruchat1996 - 1998 Bürogemeinschaft mit Samuel Bünzli und Simon Courvoisier1998 - Architekturbüro in Zürich mit Lorenz Baumann1998 - 2003 Diplomassistent bei Prof. Adrian Meyer, ETH Zürich2003 - Mitglied Kommission SIA 142 (Arch/Ingenieurwettbewerbe)2005 - Vorstand Architekturforum Zürich2010 - Dozent für Entwurf und Konstruktion ZHAW
Marc Loeliger1965 geboren in Zürich1991 Diplom ETH Zürich bei Prof. Flora Ruchat1991 Mitarbeit bei Meili, Peter Architekten, Zürich1991 - 1992 Mitarbeit bei Bétrix Consolascio Architekten, Erlenbach1993 - 1997 Mitarbeit bei Peter Zumthor, Haldestein1997 - Architekturbüro in Zürich, ab 1999 mit Barbara Strub1998 - 2004 Assistentz Lehrstuhl Prof. Adfrian Meyer, ETH Zürich2005 - Dozent für Entwurf und KOnstruktion ZHAW
Eberhard Tröger1969 geboren in Hof, Saale (D)1990 - 1996 Architekturstudium an der TU Berlin 1999 - 2001 Postgraduate Master am Institut gta der ETH Zürich 2005 - Architekt, Hochschullehrer, Autor und Künstler in Zurich 2006 - 2013 Assistent Architektur und Entwurf an der ETH Zürich 2010 Generalkommissar des Deutschen Pavillons an der Architektur- Biennale in Venedig2013 - Dozent ür Gestalten und Visualisieren an der ZHAW 2014 - Dozent für „Spatial Design“ an der ZHdK Autor verschiedener Bücher und Artikel in Fachzeitschriften (neuestes Buch „Dichte Atmosphäre“)
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Josef Kurath1987 Diplom als Bauingenieur HTL am Technikum Winterthur Ingeni- eurschule1991 Diplom als Bauingenieur ETH an der ETH Zürich Laufende Weiterbildung in Kursen, Seminarien1991 Gründung Ingenieurbüro Staubli, Kurath & Partner AG1998 - Dozent an der Zürcher Hochschule Winterthur2000 Gründung Swissfiber AG2001 - Forschung und Entwicklung im Bereich FVK an der ZHW2006 Verleihung Professorentitel
Daniel Tschudy1963 geboren 1991 Dipl. Arch. ETH Zürich 1991 (MSc ETH)1996 PGD Light Engineering TU Ilmenau2007 - Dozent Lichttechnik am Lehrstuhl Gebäudetechnik ETHZ 2010 MBA International Business USQ, University of Southern Queensland, 20102010 - Bereichsleiter & Partner / Mitglied GL A+W Holding2014 Dozent MAS ETH integrated building systems
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Semesterablauf, Termine und Anforderungen
KW Datum Zeit Veranstaltungsart Themen Dozierende
38 15.09.14 Mo 09:00 Einführung Begrüssung,�Organisation Alain�Roserens,�Marc�Loeliger
10:00 Inputvortrag Synchrones�Entwerfen Marc�Loeliger
11:00 Atelierdiskurs Kunst-Raum Eberhard�Träger�
16.09.14 Di 09:00 Inputvortrag Fröbel�und�der�Privatgarten Claudia�Moll
10:00 Inputvortrag Bauliche�Geschichte�Langmatt Thomas�Gnägi
11:00 Besichtigung�Bauplatz Museum�Langmatt Noël�Cordier
16:00 Atelierdiskurs Leichtbau�als�Tragwerk Sepp�Kurath
39 Study�Week�1
22.09.14 Mo Atelierbetrieb Atelierarbeit
23.09.14 Di 09:00 Atelierdiskussion�GA Kunst-Raum Eberhard�Träger�
24.09.14 Mi 15:00 Zwischenbesprechung Leichtbau�als�Tragwerk Sepp�Kurath
25.09.14 Do Atelierbetrieb Atelierarbeit
26.09.14 Fr 10:00 Inputvortrag�AQ Mobile�Architekturen Annette�Spillmann,��Harald�Echsle
40 29.09.14 Mo Atelierbetrieb Atelierarbeit
17:30 Blauer�Montag Vortrag Markus�Peter
30.09.14 Di 09:00 Atelierdiskussion�GA Leichtbau�als�Tragwerk Sepp�Kurath
Tischbesprechungen Alain�Roserens
41 06.10.14 Mo Atelierbetrieb Atelierarbeit
07.10.14 Di Tischbesprechungen Alain�Roserens
42 13.10.14 Mo Atelierbetrieb Atelierarbeit
17:30 Blauer�Montag Vortrag Lisa�Euler,�Tanja�Reimer
14.10.14 Di 1.�Zwischenkritik�GA
43 20.10.14 Mo Atelierbetrieb Atelierarbeit
20.10.14 Mo 15:00 Atelierdiskurs�GA Licht-Raum Daniel�Tschudi
21.10.14 Di Tischbesprechungen Alain�Roserens
44 27.10.14 Mo Atelierbetrieb Atelierarbeit
27.10.14 Mo 14:00 Atelierdiskussion�GA Licht-Raum Daniel�Tschudi
17:30 Blauer�Montag Vortrag Jean-Piere�Dürig
28.10.14 Di Tischbesprechungen Alain�Roserens
Semesterablauf�HS�2014/15� Ephemere�Räume
15.09.2014 �1
119
45 Study�Week�2
03.11.14 Mo 10:00 Seminarreise Berlin�-�Räume�für�die�Kunst A.�Roserens,�M.�Loeliger
04.11.14 Di Seminarreise Berlin�-�Räume�für�die�Kunst A.�Roserens,�M.�Loeliger
05.11.14 Mi Seminarreise Berlin�-�Räume�für�die�Kunst A.�Roserens,�M.�Loeliger
06.11.14 Do Seminarreise Berlin�-�Räume�für�die�Kunst A.�Roserens,�M.�Loeliger
07.11.14 Fr 17:00 „Langer�Tisch“�Halle�180 A.�Roserens,�M.�Loeliger
46 10.11.14 Mo Atelierbetrieb Atelierarbeit
17:30 Blauer�Montag Vortrag Gion�A.�Caminada
11.11.14 Di Tischbesprechungen Alain�Roserens
47 17.11.14 Mo Atelierbetrieb Atelierarbeit
18.11.14 Di 2.�Zwischenkritik�AQ
48 24.11.14 Mo Atelierbetrieb Atelierarbeit
25.11.14 Di Tischbesprechungen Alain�Roserens
25.11.14 Di 17:00 Inputvortrag�GA Projekte�für�die�Kunst� Alain�Roserens
49 01.12.14 Mo Atelierbetrieb Atelierarbeit
02.12.14 Di Tischbesprechungen Alain�Roserens
50 08.12.14 Mo Atelierbetrieb Atelierarbeit
09.12.14 Di Tischbesprechungen Alain�Roserens
51 16.12.14 Di 3.�Zwischenkritik�AQ
52 22.12.14 Mo Unterrichtsfreie�Zeit
23.12.14 Di Unterrichtsfreie�Zeit
53 29.12.14 Mo Unterrichtsfreie�Zeit
30.12.14 Di Unterrichtsfreie�Zeit
02 05.01.15 Mo Atelierbetrieb Atelierarbeit
06.01.15 Di Tischbesprechungen Alain�Roserens
09.01.15 Fr Schlussabgabe
03 12.01.15 Mo Schlusskritik� Gäste
13.01.15 Di Schlusskritik Gäste
15.01.15 Do Besp.�Nachbereitung
16.01.15 Fr Ende�Herbstsemester
15.09.2014 �2