facharbeit: kreuzzüge
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Eine selbstgeschriebene Facharbeit zum Thema "Kreuzzüge", bezogen auf die Rede Papst Urbans.TRANSCRIPT
Johannes Ofens, Gil F. Hoz-Klemme
EF – GE4
Hr. Gelhorn
Der Erste Kreuzzug –
Papst Urbans II. Rede vor dem Konzil in Clermont
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung.......................................................................................... 1
2. Quellenanalyse................................................................................. 1 2.1 Zusammenfassung der rede Papst Urbans II............................ 1
2.2 Interpretation: Auseinandersetzung mit der europäischen Kirche 2 2.3 Interpretation: Aufruf zum ersten Kreuzzug............................... 3
3. Historischer Kontext........................................................................ 4
4. Fazit................................................................................................... 5
5. Quellenverzeichnis............................................................................ 6
6. Anhang............................................................................................... 7
1 Einleitung
Die folgende Facharbeit beschäftigt sich mit der Rede von Papst Urban II., mit welcher er die
Christen Europas zu Kreuzzug gegen die Seldschuken auffordert. Ziel dieser Ausarbeitung der
Rede wird es sein, zu klären, wie eine Institution, welche auf den Menschenrechten ähnlichen
Richtlinien und Gesetzen basiert, ein so großes Blutvergießen wie den ersten Kreuzzug
rechtfertigen konnte.
Zuerst wird die Rede analysiert, zusammengefasst und in einer zweigliedrigen Interpretation
einzelner Bestandteile weiter ausgeführt. Anschließend wird sie in ihren historischen Kontext
eingeordnet. Zuletzt erfolgt eine Bewertung all der angesprochenen Punkte sowie die ein Fazit.
Da es keine originale Verschriftlichung der Rede gibt, sind die Aufzeichnungen der Chronisten die
einzigen Möglichkeiten herauszufinden, was Urban II. gesagt hat. Die Entscheidung bei der
Auswahl des Chronisten fiel auf Fulcher von Chartres, da er nicht nur bereits 1101 beginnt, sein
Wissen aufzuschreiben, sondern auch über die Reformpolitik von Urban II. informiert war.1
2. Quellenanalyse
2.1 Zusammenfassung der Rede Papst Urbans II.
In der am 21. November 1095 gehaltene , an das in Clermont tagende Konzil gerichtete und von
dem Chronisten Fulcher von Chartres wiedergegebene Rede beschwört Papst Urban II. die
Christenheit zum Zusammenhalt und ruft den ersten Kreuzzug aus.
Zunächst ermahnt Papst Urban II. die geistlichen Amtsträger, den alten Tugenden treu zu bleiben
und ihrer ursprünglichen Aufgabe wieder gerecht zu werden.2 Er bezieht sich dabei vor allem
darauf, dass Menschheit frei von Sünden gehalten werden müsse3 und er erinnert seine Anhänger
an die eigene Bestrafung, die auf ein Versagen bei dem genannten Auftrag folge4. Außerdem sei
es genau so wichtig, die zu lehrenden Tugenden selbst zu praktizieren, wie sie zu lehren, da jenes
eine unabdingbare Voraussetzung sei, um das andere mit Gründlichkeit zu verrichten5 und den
1 Milger, Peter: Die Kreuzzuüge. Krieg im Namen Gottes, München 1988, S. 62 Die Rede Papst Urbans II. in Clermont, Zeile 23 ff. 3 Die Rede Papst Urbans II. in Clermont, Zeile 32 ff.4 Die Rede Papst Urbans II. in Clermont, Zeile 38 ff.5 Die Rede Papst Urbans II. in Clermont, Zeile 43 ff.
Häretikern, welche das Fundament des christliche Glaubens anzweifeln, entgegenzuwirken6.
Danach spricht Urban II. die „weltliche Macht“, von der sich die Kirche fernhalten solle, an. Dabei
kritisiert er unterschwellig das Unterschlagen des „Zehnte[n] aller Gaben der Erde“ und fordert auf,
diesen weiterhin an die Kirche abzugeben7. So und durch die Drohung, dass jeder, der der Kirche
oder ihren Dienern auf irgendeine Weise Schaden zufüge, eine entsprechende Strafe zu erwarten
habe8, beweist Urban II., dass die Macht der Kirche so geschwunden sei, dass es nötig sei, die
Menschen an ihre Werte wie das durch ein Zitat von Papst Gregor I. hervorgehobene Teilen des
eigenen Besitzes9, zu erinnern. Denn dies erklärt er für den Grund dafür, dass die Kirche zu
schwach sei, um „Recht zu sprechen“, und keine Sicherheit in Europa mehr herrsche. Deshalb
fordert er die Erneuerung alter Gesetze, um die Habgierigen und Hochmütigen – also jene, die an
der Schwäche der Kirche Schuld seien – zu exkommunizieren10, sodass Frieden wiederhergestellt
werden könne.
Es folgt der Aufruf zum ersten Kreuzzug. Denn wer glaube und dies unter Beweis stellen wolle
beauftragt Urban II., in den Osten zu ziehen, um die Türken, welche in das byzantinische Reich
eingefallen sind, zu vertreiben und den die christliche Welt gegen ihre von eben jenen Türken
ausgehende Vernichtung zu verteidigen11. Indem er sich auf Gott beruft, bittet er, dass jeder Mann
unabhängig davon, welchen Stand er angehöre sich erhebe, um die Christen zu retten12. Unter
dem Namen Christi wird außerdem jedem, der unter dem Kreuz in den Krieg zieht, der Erlass aller
Sünden versprochen13. Um einen weiteren Anreiz zum Aufbruch zu geben, schafft Urban II. ein
Feindbild in den Türken, indem er sie sowohl als niedere Rasse beschreibt, als auch mit Dämonen
in Verbindung bringt14.
Zuletzt ruft der Papst konkret den Krieg aus und beschwört die Christen, eine Einheit zu bilden und
einen gerechten Krieg zu kämpfen, welcher im nächsten Frühling beginnen möge15.
2.2 Interpretation: Auseinandersetzung mit der europäischen Kirche
Wie schon in der Zusammenfassung der Rede deutlich wird, ist die Rede zweigeteilt, da Papst
Urban II. sowohl die Missstände in der Kirche als auch den Kampf gegen die Seldschuken
thematisiert.
Dass er zuerst die kirchlichen Amtsträger anspricht, wird vor allem bei der Auswahl der Worte
6 Die Rede Papst Urbans II. in Clermont, Zeile 55 ff.7 Die Rede Papst Urbans II. in Clermont, Zeile 60 ff.8 Die Rede Papst Urbans II. in Clermont, Zeile 63 ff.9 Die Rede Papst Urbans II. in Clermont, Zeile 68 ff.10 Die Rede Papst Urbans II. in Clermont, Zeile 85 ff.11 Die Rede Papst Urbans II. in Clermont, Zeile 88 ff.12 Die Rede Papst Urbans II. in Clermont, Zeile 103 ff.13 Die Rede Papst Urbans II. in Clermont, Zeile 108 ff.14 Die Rede Papst Urbans II. in Clermont, Zeile 114 f.15 Die Rede Papst Urbans II. in Clermont, Zeile 120 ff.
deutlich, da er nicht nur eine Bibelstelle zitiert16 sondern auch im allgemeinen mit biblischen
Motiven wie „Verunreinigung“, „Sünde“ oder „Hölle“17 arbeitet und nur im Zusammenhang mit Gott
positiv gefärbte Worte verwendet18.
Weiterhin ist es auffällig, dass Urban bei der Erinnerung an das Teilen des Besitzes ausgerechnet
Papst Gregor I., welcher durch die Missionierung der Angelsachsen und der damit verbundenen
Christianisierung ganz Europas mitsamt der Subkontinente – also die Verbreitung eben jener
angesprochenen Werte – berühmt ist19, zitiert. Dieser nämlich trug außerdem mit seinen Schriften
dazu bei, dass der Nordeuropäer des Mittelalters eine Paradies ähnliche Vorstellung vom Süd-
Osten hatte20. So verleiht Urban II., indem er die Erinnerung an die Werte mit einer Missionierung
gleichsetzt, der Dringlichkeit der Erneuerung der Tugenden nicht nur noch mehr Gewicht, sondern
spielt auch noch auf den zweiten Teil seiner Rede an und richtet die Aufmerksamkeit des Zuhörers
langsam auf das Ziel des Kreuzzugs: das gelobte Land.
Doch zunächst spricht Urban II. von der Wiederaufnahme des sogenannten „Gottesfrieden“. Damit
ist die 1027 auf dem Konzil von Elne-Toulouges-Roussillon erstmals beschlossene Verbindung des
pax Dei (Gottesfriede), welcher es verbietet, Wehrlose anzugreifen, aber die Kriegsführung im
allgemeinen erlaubt, und des treuga Dei (Landfriede), der unbewaffneten Geistlichen, Mönchen,
Kirchengänger und sich in Frauengesellschaften Reisenden sowie allen Gebäuden, die sich näher
als 45 Meter an einer Kirche befanden, Schutz gewährt und das jegliche Kriegshandlung zwischen
Samstag 15:00 Uhr und 7:00 am folgenden Montag untersagt, gemeint21. Die Erneuerung dieser
Gesetze dient natürlich zum einen dem Schutz der Christen und Mittellosen, zum anderen aber
auch der Positionierung der Kirche über die Kriegsführenden Europas, die sich bei der
Durchsetzung dieses Gesetzes nach nach der unangreifbaren Kirche richten müssten. So würde
Urban II. den Glauben tatsächlich über jede „weltliche[...] Macht“ heben, was ihm die Herrschaft
über ganz Europa sichern würde.
2.3 Interpretation: Aufruf zum ersten Kreuzzug
Daraufhin kommt Urban II. zu dem wohl wichtigsten Teil der Rede: der Aufruf zum Kreuzzug. Denn
in diesem Abschnitt findet sich schon früh eine interessante Formulierung, da die Bewohner von
Byzanz mit „[e]uren im Osten lebenden Brüdern“ umschrieben werden. Dies ist insofern
besonders, als dass das Verhältnis zwischen Ost- und Westkirche seit dem großen formellen
Schisma 1054 eher distanziert war22. Daher ist es umso einfacher zu erkennen, dass Urban II. eine
16 Die Rede Papst Urbans II. in Clermont, Zeile 32, 49 f.17 Die Rede Papst Urbans II. in Clermont, Zeile 39, 48 18 Die Rede Papst Urbans II. in Clermont, Zeile 5219 Evans, Gillian: Die christliche Welt im Mittelalter, Oxford 2002, Seite 15 f.20 Evans, Gillian: Die christliche Welt im Mittelalter, Oxford 2002, Seite 14021 Bredero, Adrian H.: Christenheit und Christentum im Mittelalter: über das Verhältnis von Religion, Kirche und
Gesellschaft, Stuttgart 1998, Seite 9322 Evans, Gillian: Die christliche Welt im Mittelalter, Oxford 2002, Seite 94
starke geeinte Kirche wichtig ist, mit der er einen Schlachtzug gegen die von ihn als marodierende
Barbaren dargestellten Türken ausführen kann. Und da er sein Feindbild schon so effektiv etabliert
hat, kann er ohne den Zweifel seiner Zuhörer behaupten, die Türken würden das Christentum –
egal ob der Ost- oder Westkirche angehörig – restlos von der erde tilgen.
Doch Papst Urban II. ist sich bewusst, dass eine geeinte Kirche und ein Feindbild nicht genug
Gründe sind, um alles zurückzulassen und in einen Krieg zu ziehen, weshalb er zusätzlich im
Namen Christi die Vergebung alles Sünde verspricht. Dieses Symbol ist besonders stark, da
ausgerechnet Jesus Christus, welcher nach einer populären Deutung des Neuen Testamentes sein
Leben gab, um Menschheit von ihren Sünden zu befreien23, nun erneut die Schuld von den
Gläubigen nehme.
3 Historischer Kontext
Die wichtigsten Faktoren für das Ausrufen eines Kreuzzuges waren für Urban der politische und
der religiöse. Politisch gesehen zeigte er Stärke, indem er auf den Angriff der seldschukischen
Türken und die Entweihung der Grabeskirche24 reagierte und offen den Krieg erklärte. Dies war
von großer Wichtigkeit, da die römisch katholische Kirche zunehmend an Macht verloren hatte.Die
von der Kirche abgewandten Dualisten oder Häretiker zweifelten offen die Kirche an und hatten
sogar ein eigenes Glaubensbekenntnis25. Heinrich IV. hatte dem vorherigen Papst Gregor VII. bei
Canossa eine schwere Niederlage beigebracht26, Urban war nun in den Lateran zurückgekehrt und
wollte wohl die Schmach seines Amtes wettmachen. Zudem erschuf eine Einheit in ganz Europa,
sodass sich die kriegerische Energie nun vor allem im heiligen Land entlud und sich nicht gegen
Klöster, Kapellen oder anderen kirchliche Besitztümer wendete. Aus den Raubrittern und
Wegelageren wurden Kämpfer im Dienste der Kirche.
Das byzantinische Kaiserreich beanspruchte ebenfalls die Position des Stellvertreters Gottes auf
Erden, die diplomatischen Beziehungen waren angespannt, eine Einigung in der Kirchenpolitik
undenkbar.
Aus religiöser Sicht vereinte er die Christen gegen den Islam indem er ein starkes Feindbild
benutzte, sie mit Dämonen in Verbindung brachte und die angeblichen Schandtaten beschrieb27.
Zudem versprach er die Reinigung von allen Sünden für diejenigen, die beim Kampf um Jerusalem
oder auf dem Weg dorthin umkamen aber auch für die, welche zurückkehrten. Da
Endzeitvorstellungen weit verbreitet waren wollten viele ihre Seele entlasten um vom jüngsten
Gericht direkt in den Himmel aufzusteigen. Dies betraf vor allem ungebildete Bauern da diese in
ständiger Angst vor dem Weltuntergang lebten.
23 Spitzing, Günter: Jesus den sie Christus nennen Jesulogie der Befreiung, Hamburg 2011, Seite 11224 Milger, Peter: Die Kreuzzuüge. Krieg im Namen Gottes, München 1988, Seite 825 Evans, Gillian: Die christliche Welt im Mittelalter, Oxford 2002, Seite 92, 9526 Evans, Gillian: Die christliche Welt im Mittelalter, Oxford 2002, Seite 9027 Milger, Peter: Die Kreuzzuüge. Krieg im Namen Gottes, München 1988, Seite 10
Für viele Teilnehmer waren die Gründe wesentlich praktischerer Natur, viele hofften auf Beute aus
eroberten Gebieten, vor allem die nicht erbenden Söhne von Adeligen28. Da den Leibeigenen ihre
Freiheit in Aussicht gestellt worden war schlossen sich auch von ihnen viele an. Manche wollten
nicht allein zurückbleiben und schlossen sich der Mehrheit an, auch um nicht als “ungläubig”
bezeichnet zu werden. Zudem wurde die Familie während der Abwesenheit des Mannes unter den
Schutz der Kirche gestellt.
Doch der Grundgedanke der Kreuzzüge hielt sich nicht lange. Denn nach dem ersten Kreuzzug,
der mit der Eroberung Jerusalems sein Ende fand, folgten immer erfolglosere: sowohl der zweite
als auch der dritte Kreuzzug endeten in einem großen Fiasko, da nicht genügend Streitkräfte
vorhanden waren, und der vierte wurde schließlich nur noch von den Handelsinteressen der
Venezianer getrieben. So gerieten auch die Ideale in Vergessenheit, was dazu führte, dass die
Kreuzfahrer plündernd und vergewaltigend durch die Lande zogen29.
Und obwohl der Kreuzzug die Ost- und die Westkirche wieder ein Stück zusammenrückte und sie
am 7.12.1965 schließlich wieder zusammengeführt wurden, ist eine derartige Einteilung noch
immer präsent30.
4 Fazit
Zusammenfassend kann man sagen, dass Papst Urban II. mit seiner Rede sein Ziel kurzfristig
gesehen nicht verfehlt hat: die innerkirchlichen Streitpunkte und die Kriegslust, die in Europa
herrschte, wurden auf einen Feind fokussiert. Doch das „unchristliche“ Verhalten konnte dadurch
nicht gebannt werden und so scheiterte auch dieser versuch der Kirche, in den eigenen Reihen
Ordnung zu schaffen. Denn weder der Zweck noch das Ergebnis heiligen die Mittel in dem Maße,
dass die Kreuzzüge in irgendeiner Weise gerechtfertigt werden könnten.
28 Evans, Gillian: Die christliche Welt im Mittelalter, Oxford 2002, Seite 13729 Evans, Gillian: Die christliche Welt im Mittelalter, Oxford 2002, Seite 139 ff.30 Evans, Gillian: Die christliche Welt im Mittelalter, Oxford 2002, Seite 94
5. Quellenverzeichnis
• Evans, Gillian: Die christliche Welt im Mittelalter, Oxford 2002
• Spitzing, Günter: Jesus den sie Christus nennen Jesulogie der Befreiung, Hamburg 2011
• Milger, Peter: Die Kreuzzuüge. Krieg im Namen Gottes, München 1988
• Bredero, Adrian H.: Christenheit und Christentum im Mittelalter: über das Verhältnis von
Religion, Kirche und Gesellschaft, Stuttgart 1998
• Die Rede Papst Urbans II. in Clermont nach Fulcher von Chartres auf
http://www.manfredhiebl.de/urban.htm
• Krey, C.: The First Crusade: The Accounts of Eyewitnesses and Participants, Princeton
1921 auf http://www.fordham.edu/halsall/source/urban2-5vers.asp
6. Anhang
Die Rede Papst Urbans des Zweiten auf dem Konzil von Clermont 1095
Liebste Brüder,
ich, Urban, oberster Pontifex und mit Gottes Duldung Prälat der gesamten Welt, bin in dieser Zeit
drängendster Not zu Euch, den Dienern Gottes in diesen Gebieten, als Überbringer göttlicher
Ermahnung gekommen. Ich hoffe, daß jene, die Verwalter geistlicher Ämter sind, rein und ehrlich
und frei von Heuchelei angetroffen werden.
Denn wenn einer verschlagen und unredlich ist
und sich weit von einem Maß an Vernunft und
Gerechtigkeit entfernt hat und das Gesetz Gottes
vereitelt, dann werde ich mir mit göttlicher
Unterstützung Mühe geben, ihn zurechtzuweisen.
Denn der Herr hat Euch zu Haushaltern Seiner
Hofhaltung gemacht, auf daß Ihr Ihn, wenn die Zeit
naht, mit Speise maßvoller Würze versehen könnt.
Ihr werdet freilich selig, wenn der Herr des
Verwalteramtes Euch das tun sieht.
Man nennt Euch Hirten; seht zu, daß Ihr nicht die
Arbeit von Gedungenen verrichtet. Seid wahre Hirten, die stets ihren Krummstab in Händen halten;
und schlafet nicht, wachet nach jeder Seite über die Herde, die Euch anvertraut ist.
Denn wenn aus Sorglosigkeit oder Nachlässigkeit ein Wolf ein Schaf hinwegträgt, werdet Ihr
sicher nicht nur des Lohns, der von Unserm Herrn für Euch bereitlag, verlustig gehen, sondern Ihr
werdet, nachdem Ihr zuerst mit den Ruten des Liktors geschlagen worden seid, fristlos in den
Aufenthalt der Verdammten geschleudert.
Mit den Worten des Evangeliums: »Ihr seid das Salz der Erde.« Doch wenn Ihr fehlt, wie soll
dann das Salzen geschehen? O wie viele Menschen müssen gewürzt werden! Es tut not, daß Ihr
die Unwissenden, die allzusehr nach den Lüsten der Welt trachten, mit dem Linderung
verschaffenden Salz Eurer Weisheit bestreut. Sonst werden sie durch ihre Vergehen verfaulen und
unbestreut angetroffen werden, wenn der Herr zu ihnen spricht.
Denn wenn Er wegen Eurer trägen Pflichterfüllung Würmer in ihnen entdeckt, d.h. Sünden, wird
Er sie, die Er verschmäht, in den Abgrund der Hölle werfen lassen. Und weil Ihr nicht in der Lage
sein werdet, Ihm einen solchen Verlust zurückzuerstatten, wird Er Euch, von Seinem Urteil dazu
verdammt, stracks aus Seiner Liebe Allgegenwart verbannen.
Denn einer, der ausstreut, sollte klug, weitblickend, maßvoll, gelehrt, friedensstiftend,
wahrheitssuchend, fromm, gerecht, unparteiisch und rein sein. Denn wie sollen Ungelehrte andere
zu Gelehrten machen, Maßlose andere maßvoll und Unreine andre rein? Wie kann einer, der den
Frieden haßt, Frieden herbeiführen? Oder wenn einer befleckte Hände hat, wie kann der jene
reinwaschen, die durch andere Verunreinigung beschmutzt sind? Denn es steht
geschrieben: »Wenn aber ein Blinder den andern führt, so fallen sie beide in die Grube.«
Tadelt folglich zuerst Euch selbst, so daß Ihr dann ohne Vorwurf jene, die unter Eurer Obhut
stehen, zurechtweisen könnt. Wenn Ihr wahrhaftig Freunde Gottes heißen wollt, dann tut frohen
Herzens das, wovon Ihr wißt, daß es Ihn erfreut.
Seht insbesondere zu, daß die Angelegenheiten der Kirche getreu ihrem Gesetz bewahrt
werden, so daß simonische Häresie durch nichts unter Euch Wurzeln schlägt. Sorgt dafür, daß
Verkäufer und Käufer, von den Peitschenhieben des Herrn gegeißelt, elendiglich hinausgetrieben
werden durch die engen Pforten in die äußerste Verdammnis.
Haltet die Kirche in all ihren Rängen gänzlich frei von weltlicher Macht, veranlaßt, daß der
Zehnte aller Gaben der Erde gewissenhaft an Gott abgetreten wird, und laßt nicht zu, daß er
verkauft oder einbehalten wird.
Wer auch immer sich an einem Bischof vergriffen hat, solle verflucht sein. Wer immer sich an
Mönchen oder Priestern oder Nonnen und ihren Dienern oder Pilgern und Händlern vergriffen hat
und sie beraubt hat, möge verflucht sein. Diebe und wer Häuser niederbrennt und ihre Komplizen
sollen aus der Kirche verbannt und exkommuniziert werden.
»Danach müssen wir besonders erwägen,« sagte Gregor, »wie schwer derjenige bestraft
werden muß, der einem anderen etwas stiehlt, ob er etwa zu Höllenstrafen verdammt ist, weil er
mit dem eigenen Besitz nicht freigebig umgegangen ist.« Denn so geschah es dem Reichen in der
bekannten Geschichte aus dem Evangelium. Er wurde nicht bestraft, weil er einem anderen etwas
stahl, sondern weil er die Reichtümer, die er empfangen hatte, schlecht verwendete.
Durch diese Sünden, liebste Brüder, hattet Ihr die Welt lange Zeit in Unordnung geraten sehn,
und ganz besonders in manchen Teilen Eurer Provinzen, wie man uns erzählt hat. Vielleicht
aufgrund unserer eigenen Schwäche, Recht zu sprechen, wagt sich kaum noch einer, der auf
Sicherheit baut, auf den Straßen zu reisen, aus Angst, am Tag von Räubern heimgesucht zu
werden oder in der Nacht von Dieben, mit Gewalt oder Hinterlist, zu Hause oder draußen.
Und deshalb sollte der Gottesfriede, wie er genannt zu werden pflegte, der vor langer Zeit von
den heiligen Vätern eingeführt wurde, erneuert werden. Ich rate jedem von Euch dringend, ihn in
Eurer eigenen Diözese strikt durchzusetzen. Doch wenn einer, der von Habgier oder Hochmut
befallen ist, diesen Frieden bereitwillig bricht, möge er sich kraft Gottes Amtsgewalt und mit
Billigung der Entscheide dieses Konzils unter die Exkommunizierten einreihen.
Weil Ihr Ihm, o Söhne Gottes, gelobt habt, untereinander Frieden zu halten und für die Rechte
der heiligen Kirche aufrichtiger als bisher treu einzustehen, verbleibt Euch eine wichtige Aufgabe,
die jüngst durch göttlichen Eingriff wachgerüttelt sich sowohl für Euch als auch für Gott ziemt, bei
der Ihr die Ernsthaftigkeit Eures guten Willens erweisen könnt. Denn Ihr müßt Euch sputen, um
Euren im Osten lebenden Brüdern, die Eure Unterstützung brauchen, um die sie oft dringend
nachsuchten, Hilfe zu bringen.
Denn die Türken, ein persisches Volk, haben sie angegriffen, wie viele von Euch bereits wissen,
und sind bis zu jenem Teil des Mittelmeers, den man den Arm des heiligen Georg nennt, auf
römisches Territorium vorgedrungen. Sie haben immer mehr Länder der Christen an sich gerissen,
haben sie bereits siebenmal in ebenso vielen Schlachten besiegt, viele getötet oder
gefangengenommen, haben Kirchen zerstört und haben Gottes Königreich verwüstet. Wenn Ihr
ihnen gestattet, noch viel länger weiterzumachen, werden sie Gottes gläubiges Volk auf weiter Flur
unterwerfen.
Und deshalb ermahne ich, nein, nicht ich, ermahnt Gott Euch als inständige Herolde Christi mit
aufrechter Bitte, Männer jeglichen Standes, ganz gleich welchen, Ritter wie Fußkämpfer, reiche
und arme, wiederholt aufzufordern, diese wertlose Rasse in unseren Ländern auszurotten und den
christlichen Bewohnern rechtzeitig zu helfen.
Ich richte mich an die Anwesenden, ich verkündige es jenen, die abwesend sind; überdies
befiehlt es Christus. All jenen, die dorthin gehen, ob sie auf dem Landweg marschieren oder übers
Meer fahren oder im Kampf gegen die Heiden das Ende dieses Lebens in Gefangenschaft finden,
werden ihre Sünden vergeben. Dies gewähre ich all denen, die gehn, kraft der Vollmacht, mit der
Gott mich ausgestattet hat.
O welch eine Schande, wenn eine Rasse, die so verächtlich, so verkommen und von Dämonen
geknechtet ist, auf solche Art ein Volk überwinden sollte, welches mit dem Glauben an den
allmächtigen Gott ausgestattet ist und im Namen Christi glänzt. O welche Vorwürfe werden Euch
vom Herrn selbst zur Last gelegt, wenn Ihr nicht jenen geholfen habt, die wie Ihr dem christlichen
Glauben zugerechnet werden!
Jene, die leichtfertig einen persönlichen Krieg gegen die Gläubigen zu führen pflegen, mögen
nun gegen die Ungläubigen in einen Krieg ziehen, der jetzt begonnen und siegreich zu Ende
gebracht werden sollte. Jene, die lange Räuber gewesen sind, mögen nun zu Streitern Christi
werden. Die, die einst gegen Brüder und Verwandte kämpften, mögen nun rechtmäßig gegen
Barbaren kämpfen. Jene, die käuflich gewesen sind für einige Stücke Silbers, sollen nun ewigen
Lohn empfangen. Jene, die sich selbst zum Nachteil von Körper und Seele erschöpft haben, sollen
nun um doppelten Ruhm arbeiten. Zur einen Hand, fürwahr, werden die Traurigen und die Armen
sein, zur anderen die Fröhlichen und die Wohlhabenden, hier die Feinde des Herrn, dort Seine
Freunde.
Nichts möge jene, die sich anschicken zu gehen, aufhalten. Sie sollen ihre Angelegenheiten
regeln, Geld anhäufen, und wenn der Winter vorbei und der Frühling gekommen ist, die Reise
unter der Führung des Herrn voll Eifers antreten. (
http://www.manfredhiebl.de/urban.htm )