fahndung nach der zweiten erde

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Oberfläche relativ konstant hält, so dass sich flüssiges Was- ser halten kann und Leben entwickeln könnte. Es gibt viele weitere Faktoren, die einen Einfluss auf die Bewohnbarkeit eines Planeten haben, wie ein Magnetfeld, Plattentektonik und die Aktivität des Zentralsterns (siehe „Bedingungen für die Bewohnbarkeit eines Planeten“, S. 69). Bisher sind nur wenige Supererden bekannt, die sich in- nerhalb der bewohnbaren Zone befinden (Abbildung 2). Vielversprechend ist beispielsweise das Planetensystem um den 20 Lichtjahre entfernten Stern Gliese 581 mit mindes- tens vier Planeten, darunter drei Supererden. Einer davon, Gliese 581d, umkreist den Stern in einem Abstand, bei dem bewohnbare Bedingungen an der Oberfläche herrschen könnten, sofern die Atmosphäre dicht genug ist und einen hohen Gehalt an Treibhausgasen enthält [1]. Leider ist die- ser Planet kein Transitplanet, das heißt, er zieht nicht bei je- dem Umlauf von uns aus gesehen vor dem Stern vorbei. Andernfalls böte sich zukünftig die Möglichkeit, ein Spek- trum seiner Atmosphäre zu erhalten. Auf diese Methode kommen wir später zurück. Da die Zahl der entdeckten extrasolaren Planeten seit 1995 enorm angestiegen ist und die Messmethoden immer empfindlicher werden, wird man auch immer mehr Ge- steinsplaneten entdecken, von denen sich einige in der be- wohnbaren Zone ihres Sterns befinden. Deswegen stellen wir uns schon heute die Frage: Welche Bestandteile in der Atmosphäre sind gute Indikatoren für Leben? Die Frage der Biomarker Vergleicht man das Spektrum der Erdatmosphäre mit dem der Venus und des Mars (Abbildung 3), so erkennt man deut- lich den Unterschied im infraroten Wellenlängenbereich Spektren von Exoplaneten Fahndung nach der zweiten Erde RUTH T ITZ-WEIDER | S TEFANIE G EBAUER | MAREIKE G ODOLT | J OHN L EE G RENFELL Es mehren sich die Entdeckungen mutmaß- licher Gesteinsplaneten in fernen Planeten- systemen. In Zukunft wird man immer mehr Exoplaneten finden, die ihren Zentralstern in der bewohnbaren Zone umkreisen. Damit wird auch der Wunsch immer stärker, in den Atmosphären solcher Planeten nach Signatu- ren für Leben zu suchen. 64 Phys. Unserer Zeit 2/2013 (44) © 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim DOI: 10.1002/piuz.201301320 B is heute hat man mehr als 850 Planeten entdeckt, die um andere Sterne als unsere Sonne kreisen. Von diesen extrasolaren Planeten besitzen rund 60 Planeten weniger als ein Zehnfaches der Erdmasse (Abbildung 1). Diese Exopla- neten bezeichnet man als Supererden. Sie stellen zwar bis jetzt nur eine Minderheit in der Familie der bekannten Exo- planeten dar, sind aber höchst interessante Objekte. Einige von ihnen könnten Gesteinsplaneten sein, auf deren Ober- flächen es flüssiges Wasser gibt und damit möglicherweise lebensfreundliche Bedingungen herrschen. Dafür darf der Planet nicht zu dicht um den Stern kreisen, sonst verduns- tet das Wasser; er darf auch nicht zu weit von ihm entfernt sein, sonst friert das Wasser aus. Den Abstandsbereich zum Zentralstern, der einem Planeten gerade die richtigen Be- dingungen für die Existenz von flüssigem Wasser auf der Pla- netenoberfläche bietet, nennt man bewohnbare Zone. Die Bewohnbarkeit eines Planeten wird entscheidend durch die Existenz einer Atmosphäre beeinflusst. Sie stellt eine Schutzschicht dar, welche die Bedingungen auf der Online-Ausgabe unter: wileyonlinelibrary.com Künstlerische Darstellung des Planetenystems von Gliese 581 (Grafik: ESO).

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Page 1: Fahndung nach der zweiten Erde

Oberfläche relativ konstant hält, so dass sich flüssiges Was-ser halten kann und Leben entwickeln könnte. Es gibt vieleweitere Faktoren, die einen Einfluss auf die Bewohnbarkeiteines Planeten haben, wie ein Magnetfeld, Plattentektonikund die Aktivität des Zentralsterns (siehe „Bedingungen fürdie Bewohnbarkeit eines Planeten“, S. 69).

Bisher sind nur wenige Supererden bekannt, die sich in-nerhalb der bewohnbaren Zone befinden (Abbildung 2).Vielversprechend ist beispielsweise das Planetensystem umden 20 Lichtjahre entfernten Stern Gliese 581 mit mindes-tens vier Planeten, darunter drei Supererden. Einer davon,Gliese 581d, umkreist den Stern in einem Abstand, bei dembewohnbare Bedingungen an der Oberfläche herrschenkönnten, sofern die Atmosphäre dicht genug ist und einenhohen Gehalt an Treibhausgasen enthält [1]. Leider ist die-ser Planet kein Transitplanet, das heißt, er zieht nicht bei je-dem Umlauf von uns aus gesehen vor dem Stern vorbei.Andernfalls böte sich zukünftig die Möglichkeit, ein Spek-trum seiner Atmosphäre zu erhalten. Auf diese Methodekommen wir später zurück.

Da die Zahl der entdeckten extrasolaren Planeten seit1995 enorm angestiegen ist und die Messmethoden immerempfindlicher werden, wird man auch immer mehr Ge-steinsplaneten entdecken, von denen sich einige in der be-wohnbaren Zone ihres Sterns befinden. Deswegen stellenwir uns schon heute die Frage: Welche Bestandteile in derAtmosphäre sind gute Indikatoren für Leben?

Die Frage der BiomarkerVergleicht man das Spektrum der Erdatmosphäre mit demder Venus und des Mars (Abbildung 3), so erkennt man deut-lich den Unterschied im infraroten Wellenlängenbereich

Spektren von Exoplaneten

Fahndung nach der zweiten ErdeRUTH TITZ-WEIDER | STEFANIE GEBAUER | MAREIKE GODOLT | JOHN LEE GRENFELL

Es mehren sich die Entdeckungen mutmaß -licher Gesteins planeten in fernen Planeten -systemen. In Zukunft wird man immer mehrExoplaneten finden, die ihren Zentralstern inder bewohnbaren Zone umkreisen. Damitwird auch der Wunsch immer stärker, in denAtmosphären solcher Planeten nach Signatu-ren für Leben zu suchen.

64 Phys. Unserer Zeit 2/2013 (44) © 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

DOI: 10.1002/ piuz.201301320

Bis heute hat man mehr als 850 Planeten entdeckt, dieum andere Sterne als unsere Sonne kreisen. Von diesen

extrasolaren Planeten besitzen rund 60 Planeten weniger alsein Zehnfaches der Erdmasse (Abbildung 1). Diese Exopla-neten bezeichnet man als Supererden. Sie stellen zwar bisjetzt nur eine Minderheit in der Familie der bekannten Exo-planeten dar, sind aber höchst interessante Objekte. Einigevon ihnen könnten Gesteinsplaneten sein, auf deren Ober-flächen es flüssiges Wasser gibt und damit möglicherweiselebensfreundliche Bedingungen herrschen. Dafür darf derPlanet nicht zu dicht um den Stern kreisen, sonst verduns-tet das Wasser; er darf auch nicht zu weit von ihm entferntsein, sonst friert das Wasser aus. Den Abstandsbereich zumZentralstern, der einem Planeten gerade die richtigen Be-dingungen für die Existenz von flüssigem Wasser auf der Pla-netenoberfläche bietet, nennt man bewohnbare Zone.

Die Bewohnbarkeit eines Planeten wird entscheidenddurch die Existenz einer Atmosphäre beeinflusst. Sie stellteine Schutzschicht dar, welche die Bedingungen auf der

Online-Ausgabe unter:wileyonlinelibrary.com

KünstlerischeDarstellung desPlanetenystemsvon Gliese 581(Grafik: ESO).

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E X O P L A N E T E N A S T R O B I O L O G I E

von 7 bis 20 µm: Bei der Erde sind zahlreiche und tiefe Ab-sorptionsbanden von Wasser und Ozon zu finden. Das Spektrum von Mars oder Venus wird dominiert von einertiefen CO2-Absorptionslinie bei einer Wellenlänge von etwa15 µm.

Selbst wenn man einen Planeten entdeckt, der in seinenParametern wie Radius, Masse, Halbachse und Zentral -sterntyp mit denen unserer Erde übereinstimmt, so ist essehr unwahrscheinlich, dass er sich auch im gleichen Ent-wicklungsstadium wie unser Planet befindet. Deswegen istes wichtig, die Entwicklungsstadien der Erdatmosphäre zurekonstruieren.

Abbildung 4 zeigt, wie sich die Konzentrationen vonKohlendioxid, Methan und Sauerstoff während der Ent-wicklung der Erde wahrscheinlich verändert haben. Koh-lendioxid war zunächst der dominierende Bestandteil derAtmosphäre. Durch die Entstehung der ersten Mikroorga-nismen vor 3,8 Milliarden Jahren nahm die Konzentrationdeutlich ab, denn die Mikroorganismen wandelten Kohlen-dioxid in ihrem Stoffwechsel zu Methan um. Diese Lebe-wesen nennt man Methanogene.

Der nächste entscheidende Schritt war die Entwicklungvon Sauerstoff erzeugenden Bakterien, die den Sauerstoff-gehalt in der Atmosphäre vor rund 2,3 Milliarden Jahrendeutlich ansteigen ließen. Weil Sauerstoff für Methanogenegiftig ist, sank der Methangehalt wieder. Da Methan ein star-kes Treibhausgas ist, könnte dieser Konzentrationsabfall ei-ne Eiszeit hervorgerufen haben [3].

Sauerstoff und OzonDie ersten Sauerstoff produzierenden Lebewesen warenvermutlich die Cyanobakterien, die zu den ältesten undüberall auftretenden Lebensformen auf unserer Erde zählen.Sie können einfallendes Licht in sehr effizienter Weise als

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Zahl

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150

A B B . 1 E XO PL A N E T E N

Zahl der entdeckten Exoplaneten und Supererden pro Jahr.Bis zum Ende des Jahres 2012 wurden 854 Exoplanetenentdeckt, davon 51 Supererden. Die vor 1995 entdecktenPlaneten sind Pulsarplaneten.

A B B . 2 B E WO H N BA R E ZO N E

Die bis September 2012 entdeckten Supererden und die schematisch eingezeichnetebewohnbare Zone. Tendenziell rückt diese von massereichen A-Sternen über die G-Sterne wie unsere Sonne (1 AU) bis zu den massearmen M-Sternen (0,01 AU)immer dichter an den Stern heran [13].

A B B . 3 V E N U S , E R D E U N D M A R S

Atmosphärenspektrum von Venus, Erde und Mars [2]. Die gemessene Strahlung istin einer Temperaturskala dargestellt. Beide sind über die Rayleigh-Jeans-Näherungder Planck-Kurve eines Schwarzen Körpers eindeutig miteinander verknüpft.

Page 3: Fahndung nach der zweiten Erde

Energielieferant nutzen. Man findet Cyanobakterien daherauch an Orten mit sehr wenig Sonnenlicht, beispielsweisein tiefen Seen oder Erdspalten.

Geologische Funde zeigen, dass es vor rund 2,3 Milliar-den Jahren zu einem deutlichen Anstieg des Sauerstoffge-halts in der Luft kam. Die Cyanobakterien waren vermutlichdie Verursacher dieses Anstiegs. Zunächst blieb der produ-zierte Sauerstoff im Wasser und bildete Metalloxide, erstspäter gelangte er in die Atmosphäre.

Molekularer Sauerstoff zeigt im Spektrum der Erdatmo-sphäre nur sehr schwache Linien im infraroten Wellenlän-genbereich. Er kann deshalb nicht als Biomarker dienen, je-doch bildet sich aus molekularem Sauerstoff Ozon (O3), dasdeutlich Absorptionslinien zeigt.

Rund 90 % des terrestrischen Ozons findet man in derStratosphäre, dem Bereich zwischen 10 und 50 km Höhe,die restlichen 10 % in der unteren Luftschicht, der Tropo-sphäre. Entstehungs- und Zerstörungsprozesse von Ozonkennt man sehr gut. In der Stratosphäre wird Ozon über-wiegend durch den Chapman-Zyklus erzeugt [4], bei demder molekulare Sauerstoff in der Stratosphäre durch die ein-fallende UV-Strahlung aufgespalten wird (Photolyse). Diehierbei entstehenden Sauerstoffatome bilden durch weite-re Reaktion mit molekularem Sauerstoff Ozon.

In der Troposphäre wird Ozon durch den Smog-Me-chanismus erzeugt, der flüchtige organische Komponenten,Stickoxide und UV-Strahlung benötigt [5]. Zerstört wirdOzon überwiegend durch Photolyse. Neben den photolyti-schen Prozessen, die von der spektralen Zusammensetzung

des vom Zentralstern einfallenden Lichts abhängen, sindnoch andere chemische Reaktionen nötig, um die heutigeOzonkonzentration auf der Erde zu erklären. Das sind diekatalytischen Reaktionen mit Spurengasen, die auch in ge-ringen Konzentrationen zu einer deutlichen Abnahme desOzongehalts führen können. Hierzu zählen die chlorhalti-gen Spezies, die durch die Photolyse von anthropogenenFluorchlor-Kohlenwasserstoffen (FCKW) entstehen [6].

Mit zunehmendem Sauerstoffgehalt in der Atmosphäre(Abbildung 3), hat sich auch der Ozongehalt verändert, al-lerdings nicht im gleichen Maße. Ozon ist relativ unemp-findlich gegenüber Schwankungen des Sauerstoffgehalts,und man nimmt an, dass schon ein geringer Sauerstoffgehaltzu einer dünnen Ozonschicht führt.

Die Entdeckung von Ozon in einer Exoplanetenatmo-sphäre wäre aber noch kein eindeutiger Beweis für Leben.Es gibt nämlich auch nichtbiologische Prozesse, die mole-kularen Sauerstoff und somit Ozon erzeugen. Zum Beispielscheinen in einer von CO2 dominierten Atmosphäre ab-hängig von der Sterneinstrahlung und der Magnetfeldstär-ke solche Prozesse möglich zu sein. Selbst in den Atmo-sphären von Venus und Mars hat man sehr kleine Ozon-konzentrationen gemessen [7, 8].

MethanMethanbildende Mikroorganismen (Methanogene) sind inder heutigen Atmosphäre für 90 % der Methangas-Produk-tion verantwortlich. Sie sind ausgesprochen anaerob, be-nötigen also keinen Sauerstoff für ihren Stoffwechsel. Er istfür sie sogar giftig. Der Stoffwechsel findet überwiegend beiTemperaturen zwischen 0 und 70 °C statt, bei höheren Tem-peraturen werden sie abgetötet. Methanogene findet manbeispielsweise in Mooren, Reisfeldern und im Verdauungs-trakt von Wiederkäuern, also in Lebensräumen, in denen sienicht mit Sauerstoff in Berührung kommen.

Methan (CH4) ist aber trotzdem kein eindeutiger Indi-kator für Leben, da es auch abiotische Entstehungsprozes-se gibt. Durch vulkanische Aktivitäten gelangt Methan ausdem Erdinneren in die Atmosphäre. Es ist ein wichtigesTreibhausgas. Es wird durch Oxidationsreaktionen mit demHydroxylradikal OH in der Atmosphäre abgebaut.

Methanogene Mikroorganismen gehörten zu den erstenLebensformen auf der Erde, als in der frühen AtmosphäreKohlendioxid reichlich vorhanden war. Damit erzeugten siein einer Reaktion mit molekularem Wasserstoff Energie.Hierbei wurden Methan und Wasser frei, die die Atmosphäreder Erde grundsätzlich verändert haben.

Vor diesem Hintergrund hat die Messung von Methanin der Marsatmosphäre großes Aufsehen erregt [9]. Bis heu-te wird aber diskutiert, ob und wie viel Methan sich tat-sächlich in der Marsatmosphäre befindet und was die mög-lichen Quellen sind.

Lachgas und ChlormethanLachgas (N2O) entsteht überwiegend durch Mikroben in denoberen Erdschichten, angeregt durch Düngung des Bodens.

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A B B . 4 E N T W I C K LU N G D E R E R DAT M OS PH Ä R E

In den vergangenen 4,5 Milliarden Jahren hat sich die Konzentration von Kohlendi-oxid, Sauerstoff und Methan in der Erdatmosphäre verändert (nach [3]).

Page 4: Fahndung nach der zweiten Erde

E X O P L A N E T E N A S T R O B I O L O G I E

Vermutlich war es auch im frühen Entwicklungsstadium derErde vorhanden. Es ist ein besonders starkes Treibhausgas,aber wegen seiner geringen Konzentration hat es keinengroßen Einfluss auf die Gesamtenergiebilanz der Erde.

Auch Chlormethan (CH3Cl ) stammt aus biogenen Quel-len. Seegras und Tang geben es in die Atmosphäre ab. Sei-ne Entstehung und Zerstörung und die anthropogenen An-teile sind nicht genau bekannt. Ähnlich wie Methan wirdes durch das Radikal OH zerstört, wobei atomares Chlor dieReaktionsprozesse beschleunigt.

Aus den obigen Ausführungen erkennt man, dass es denBiomarker vermutlich nicht gibt. Sinnvoll erscheint es, nachmehreren Indizien zu suchen. Der Nachweis von Methanund Sauerstoff oder Ozon würde nach heutigem Stand derForschung auf einen belebten Planeten hinweisen. Diegleichzeitige Existenz von Methan und Sauerstoff in der At-mosphäre ist durch chemische Reaktionen über einen lan-gen Zeitraum nur möglich, wenn sie ständig durch starkeQuellen nachgeliefert werden. Biologische Prozesse, die vonLeben herrühren, wären eine solche Quelle. Eine andereKombination wäre der gleichzeitige Nachweis von Koh-lendioxid, Ozon und Wasser. Die Existenz von Lachgas oderChlormethan in einer Atmosphäre könnte man wahr-scheinlich nur durch biologische Quellen erklären. Wie wirsehen werden, sind diese beiden Substanzen in einem Spek-trum aber nur sehr schwer nachweisbar.

Spektren beim TransitDie direkte Beobachtung eines Exoplaneten ist heute nurunter besonders günstigen Bedingungen möglich, weil derHelligkeitsunterschied zwischen Stern und Planet sehr großist und der Stern den Planeten überstrahlt. Im sichtbaren Be-reich strahlt die Sonne zehnmilliardenmal stärker als derPlanet, im Infraroten „nur“ zehnmillionenfach. Somit er-scheinen beide Körper nicht als getrennte Objekte. Nur beisehr großen gegenseitigen Abständen kann man im infra-roten Wellenlängenbereich den Planeten als einzelnes Ob-jekt direkt nachweisen. Bei diesen Beobachtungen (directimaging) favorisiert man Gasplaneten im frühen Entwick-lungsstadium, weil sie noch sehr warm sind und daher iminfraroten Licht hell leuchten.

Es bleibt nur die indirekte Beobachtung, bei der man dasLicht des Gesamtsystems untersucht. Die beste Möglich-keit, die spektralen Beiträge des Sterns und der Planetenat-mosphäre voneinander zu trennen, bieten die Transitpla-neten [10]. Das sind solche Planeten, deren Bahnebene zu-fällig so liegt, dass sie für einen Beobachter vor ihrem Sternvorbeiziehen (Transit) oder hinter ihm verschwinden (Be-deckung). In solchen Fällen kann man den Planetenradiusbestimmen und in Kombination mit einem anderen Ver-fahren, wie der Radialgeschwindigkeitsmethode, die Masseund damit die mittlere Dichte bestimmen (Physik in unse-rer Zeit 2006, 37(6), 288). Transit- und Bedeckungsereig-nisse bieten auch die Chance, nach Biomarkern zu suchenund dann mit Hilfe von Modellrechnungen die Atmosphä-re genauer zu charakterisieren.

Während des Transits passiert ein kleiner Teil des Ster-nenlichts die ringförmig erscheinende Planetenatmosphä-re und wird durch deren Moleküle in charakteristischer Wei-se verändert. Um ein aussagekräftiges Transmissionsspek-trum der Planetenatmosphäre zu erhalten, muss manmindestens zwei Messungen durchführen. In einer Messungnimmt man das Spektrum des Sterns zusammen mit demPlaneten während des Transits auf, in einer zweiten Mes-sung nur das Spektrum des Sterns. Aus der Differenz dieserbeiden Spektren ergibt sich das Transmissionsspektrum derPlanetenatmosphäre (Abbildung 5). Aus ihm erhält man Informationen über die Zusammensetzung der Planeten -atmosphäre.

Die Stärke der Linien hängt von der Menge der absor-bierenden Substanzen in der Atmosphäre sowie vom Flä-chenverhältnis der Planetenatmosphäre zu dem der Stern-scheibe ab. Somit erhält man für kleinere Sterne und/oderfür ausgedehntere Atmosphären leichter ein gutes Signal.Aus diesem Grunde erscheinen solche Transitmessungenbei kleinen Sternen am Erfolg versprechendsten. Erste Wahlsind hier sogenannte M-Sterne mit etwa 0,3 Sonnenmassenund Temperaturen um 3000 K (mehr zur Sternklassifikati-on siehe www.phiuz.de Special Features/Zusatzmaterialzu den Heften).

Bevor der Planet hinter dem Stern verschwindet, ist dieangestrahlte Planetenscheibe dem Beobachter zugewandt.Dann lässt sich das reflektierte und emittierte Licht der Pla-netenoberfläche und der Atmosphäre beobachten. Da Pla-neten meist niedrigere Temperaturen besitzen als ihr Stern,emittieren sie nach dem Wienschen Verschiebungsgesetzden Hauptteil ihrer Strahlung im Infraroten, im Gegensatzzu den Sternen, deren Strahlungsmaximum im sichtbarenBereich liegt. Der interessante Wellenlängenbereich liegtdabei im nahen bis mittleren Infrarot, etwa von 0,78 µm bis20 µm. Das Emissionsspektrum des Planeten erhält man –wie beim Transmissionsspektrum – durch die Kombinationvon zwei Messungen. Einmal misst man den Strahlungsfluss

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ssWellenlänge Wellenlänge

A B B . 5 T R A N S M I SS I O N SS PE K T R U M

Schematische Darstellung der Messung eines Transmissionsspektrums: erste Mes -sung (links): Stern + Planet, zweite Messung (Mitte): Stern, Differenzbildung vonerster und zweiter Messung ergibt das Transmissionsspektrum (rechts) (nach [11]).

Page 5: Fahndung nach der zweiten Erde

von Stern und Planet kurz vor der Bedeckung und einmaldas reine Sternenlicht während der Bedeckung.

Das Emissionsspektrum erhält man durch die Differenzder beiden Strahlungsflüsse (Abbildung 6). In diesem Spek-trum zeigen sich die Emission des Planeten und seiner Atmosphäre als schwarzer Körper sowie die Absorptiondurch die atmosphärischen Bestandteile.

In der schematischen Darstellung sind die Linienstär-ken und der Kontrast zwischen Stern und Planet übertrie-ben dargestellt, um das Prinzip zu erläutern. Das Emissi-onsspektrum enthält Informationen über die Temperaturdes Planeten und seiner Atmosphäre sowie über deren Zu-sammensetzung.

Die Stärke des Signals der Planetenatmosphäre hängtauch bei dieser Messung wieder von mehreren Faktorenab. Zum einen ist das Signal umso stärker, je größer die Pla-netenscheibe im Vergleich zur Sternscheibe ist. Zum ande-ren lässt sich die Emission des Planeten umso leichter nach-

weisen, je größer der Strahlungsfluss des Planeten im Ver-gleich zu dem des Sterns ist.

Auch hier bieten M-Sterne wegen ihres kleinen Radiusdie besten Möglichkeiten, die Atmosphäre bewohnbarer Ge-steinsplaneten zu messen. Um ein günstiges Strahlungs-flussverhältnis zu erreichen, nimmt man Emissionsspektrenvor allem im Infraroten auf, da der Planet hier das Maxi-mum seiner Strahlung abgibt und Sterne vergleichsweisedunkel erscheinen.

Wichtig für diese Messungen ist die scheinbare Hellig-keit der Sterne. Je heller ein Stern erscheint, desto leichterlassen sich die kleinen Signale der Planetenatmosphärennachweisen, da hier instrumentelle Effekte weniger stören.Die scheinbare Helligkeit eines Sterns hängt von seiner wah-

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Wellenlänge Wellenlänge Wellenlänge

A B B . 6 E M I SS I O N SS PE K T R U M

Schematische Darstellung der Ermittlung des Emissionsspektrums eines Exo -planeten (nach [11]).

0,5 1 1,5 2Wellenlänge /µm

10–6

10–4

10–2

1

Flu

ss/W

• m-2

• n

m-1

A B B . 7 S T E R N T Y PE N

Spektren verschiedener Sterntypen: Sonne (schwarz), AD Leo(rot) und M7-Stern (blau). Die Strahlung des M7-Sterns istdurch eine Planck-Kurve dargestellt. Für die Sonne und ADLeo gibt es genau vermessene Spektren (nach [12]).

150 200 250 300Temperatur /K

0

-1

-2

-3

-4

log p

/bar

A B B . 8 T E M PE R AT U R U N D O ZO N

Temperatur- und Ozonprofile, wie sie sich auf der Erde einstellen würden bei Einstrahlung durch die Sonne (schwarze Linie), den M-Stern AD Leo (rot) und einen M7-Stern (blau). Statt der Höhe wird in diesen Modellen der Luftdruck angegeben (nach [12]).

Ozon

107 108 109 1010 1011 1012 1013

Dichte /cm-3

0

-1

-2

-3

-4

log p

/ bar

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E X O P L A N E T E N A S T R O B I O L O G I E

ren Helligkeit, also dem Sternentyp, und seiner Entfernungzur Erde ab. Spezialisiert man sich auf die lichtschwachenM-Sterne, so sollte ein Kandidat möglichst nahe sein.

Modelle von PlanetenatmosphärenVon einigen extrasolaren Gasriesen hat man bereits Spek-tren der Atmosphären gemessen. Auch von zwei Super -erden, GJ 1214 b und 55 Cancri e, gibt es erste Untersu-chungen, aber beide sind nicht bewohnbar, weil sie zu dichtum ihren Zentralstern kreisen und damit zu heiß sind.

Um Instrumente für zukünftige Teleskope optimal zubauen, muss man wissen, welche Signale man überhaupt er-warten kann. Dazu führt man Modellrechnungen durch undberechnet die Spektren mit verschiedenen Planetenpara-metern, Atmosphären und Sterntypen. Der Bereich der Pa-rameter ist sehr groß, daher muss man sich in den Studienauf bestimmte Szenarien beschränken. Die folgenden Er-gebnisse beruhen auf einer Studie unserer Arbeitsgruppe,in der wir bewohnbare Planeten um M-Sterne untersuchthaben [12].

In unserer Studie beschreiben wir die Planetenatmo-sphären mit einem eindimensionalen Modell, das globaleJahresmittel der Temperatur und das Konzentrationsprofilder atmosphärischen Bestandteile berechnet. Es berück-sichtigt keine Variationen in Abhängigkeit vom Längen- oderBreitengrad oder von Tag und Nacht und kennt keine Jah-reszeiten. Der Planet geht dabei nur durch seine Gravitati-on ein. Diese entspricht entweder derjenigen der Erde odereiner Supererde mit der dreifachen Erdbeschleunigung.

Den Aufbau der Atmosphäre bestimmt das hydrostati-sche Gleichgewicht, in das Gravitation, Temperatur undmittleres molekulares Gewicht, das heißt Zusammenset-zung und Masse der Atmosphäre, eingehen. Die heutige Erd-atmosphäre wird dabei als Ausgangspunkt gewählt. Durchdie stellare Einstrahlung und die möglichen temperaturab-hängigen Prozesse ergeben sich dann in selbstkonsistenterWeise – wenn der stationäre Zustand erreicht ist – die Tem-peratur- und Höhenprofile der verschiedenen atmosphäri-schen Spezies.

Die Temperatur wird über die Energietransportprozes-se, Strahlungstransport und Konvektion berechnet. Die Zu-sammensetzung der Atmosphäre ergibt sich über chemi-sche und photochemische Prozesse und die Quellen undSenken chemischer Substanzen am Boden. Diese sind sogewählt wie auf der heutigen Erde. Die Spektren wurdenfür drei verschiedene Sterntypen (Sonne, M-Stern AD Leound einen Modellstern vom Typ M7) berechnet. Der Ge-samtenergieeintrag durch den Stern wird mit der Solar-konstante (1366 W/m2) skaliert, wobei sich die Sterntypenzudem in der spektralen Verteilung unterscheiden (Abbil-dung 7).

Der Einfluss der spektralen Verteilung des einfallendenSternenlichts auf die Atmosphäre wird im Bereich der ul-travioletten Strahlung besonders deutlich. Diese bestimmtwichtige photochemische Prozesse, wie die Aufspaltung desSauerstoffmoleküls, die zur Ozonbildung führt. Die Strah-

lung in diesem Bereich kann um mehrere Größenordnun-gen von Stern zu Stern variieren.

Abbildung 8 zeigt die Temperatur- und Ozonkonzen-trationsprofile, die sich aus unserer Modellrechnung für dieAtmosphäre eines erdgroßen Planeten unter verschiedenenEinstrahlungen ergeben. Bei den Temperaturprofilen (links)erkennt man das gemittelte Profil der Erde (schwarze Li-nie) mit dem typischen S-förmigen Verlauf: Temperaturab-fall in der unteren Luftschicht bis zur Tropopause, dann An-stieg bis zum Maximum (Stratopause) und erneuter Abfalldarüber. Den Temperaturanstieg in der Stratosphäre verur-sacht die Absorption durch Ozon im sichtbaren und ultra-violetten Wellenlängenbereich.

Im Gegensatz dazu stellen sich bei der Einstrahlungdurch die beiden M-Sterne höhere Temperaturen in der un-tersten Luftschicht ein. Das rührt von der höheren Infra-roteinstrahlung, die von der Atmosphäre – vor allem durchWasser, Methan und Kohlendioxid – absorbiert wird und ingeringerem Maße zurückgestreut wird. Die für die Erdat-mosphäre so markante Temperaturerhöhung in der Strato-

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B E D I N G U N G E N F Ü R D I E B E WO H N BA R K E I T E I N E S PL A N E T E N |Damit sich Leben entwickeln underhalten kann, müssen über lange Zeit geschützte und konstante Umweltbedingungen herrschen.Außerdem müssen ausreichendeEnergiequellen und Nährstoffe wiePhosphor und Stickstoff sowie flüssi-ges Wasser vorhanden sein. Es gibtaber auch noch andere Faktoren, diedie Bewohnbarkeit beeinflussenkönnen:

Das Magnetfeld. Es schützt das Lebenauf der Erde vor kosmischer Strahlung.Diese hochenergetischen Partikel, diein der Sonne oder außerhalb unseresSonnensystems entstehen, werdendurch das Magnetfeld zu den magneti-schen Polen umgelenkt und könnenmeistens nicht bis zur Erdoberflächevordringen. Sowohl das Magnetfeldwie auch die Atmosphäre stellen einenSchutzschirm dar, wobei die Anteiledurchaus unter Fachleuten diskutiertwerden.

Die Plattentektonik: Sie hält einenKreislauf in Gang, der unser Klimareguliert: Wenn es auf der Erde sehrkalt würde, könnten sogar die Ozeanegefrieren. Dann regnet es nicht mehr,und CO2 wird nicht mehr aus derAtmosphäre ausgewaschen. CO2 wirdaber weiterhin durch vulkanischeAusgasungsprozesse in die Atmosphä-re gelangen und sich dort ansammeln.

Da CO2 ein Treibhausgas ist, steigt dieTemperatur wieder an, und das Eisschmilzt. Würde sich die Erde so starkerwärmen, dass die Meere verdunsten,käme es zu erhöhten Niederschlägen,und CO2 würde schneller aus derAtmosphäre ausgewaschen. Ein ver -minderter CO2-Gehalt führt jedoch zurAbkühlung. In beiden Fällen stabili-siert also dieser Kreislauf (Karbonat-Silikat-Zyklus) die globale Temperatur.Planeten mit aktiver Tektonik habendeswegen eine deutlich breiterebewohnbare Zone als Planeten ohneaktive Tektonik.

Die Sternaktivität: Unsere Sonne istrelativ inaktiv im Vergleich zu jünge-ren Sternen und Sternen andererSpektralklassen. Ein gut bekannteraktiver Stern ist der M-Zwerg AD Leo.M-Zwerge haben geringere Tempera-turen als unsere Sonne, weswegen diebewohnbare Zone näher am Stern ist.Der geringe Abstand führt zu einemextrem hohen Fluss stellarer kosmi-scher Strahlung auf dem Planeten, derlebensfeindlich ist. Außerdem stelltsich vermutlich hier schon bald einegebundene Rotation ein, so dassimmer die gleiche Seite des Planetenvom Stern angestrahlt wird. DieDichte der Atmosphäre ist dannentscheidend für den Energietransportzur Nachtseite und den Temperatur-ausgleich.

Page 7: Fahndung nach der zweiten Erde

sphäre mit der Temperaturinversion in der Stratopause isthier nicht mehr zu erkennen. Der Grund: M-Sterne gebenin dem Wellenlängenbereich, in dem Ozon absorbiert, we-niger Strahlung ab. Für die Einstrahlung durch einen M7-Stern sieht man dennoch eine Erhöhung der Temperatur inder Stratosphäre. Dies ist auf die Absorption von Methanund Wasser zurückzuführen, die hier in höherer Konzen-tration vorliegen.

In Abbildung 8 erkennt man zudem deutlich den ge-ringeren Ozongehalt in der Atmosphäre des Planeten desM7-Sterns. Das liegt daran, dass das angenommene Stern-spektrum, eine Schwarzkörperstrahlung von 2500 K, weni-ger Strahlung in dem Wellenlängenbereich enthält, der fürdie Photolyse von molekularem Sauerstoff und damit die Bil-dung von Ozon wichtig ist. Die hier nicht gezeigten Profi-le der anderen atmosphärischen Spezies wurden ebenfallsmit dem Modell berechnet.

Die resultierenden SpektrenMit den gewonnenen Temperatur- und Höhenprofilen derPlanetenatmosphären bei unterschiedlichen stellaren Ein-strahlungen errechneten wir die zu erwartenden Spektren.Das Strahlungstransportmodell berücksichtigt dabei dieEmission der Planetenoberfläche, der Atmosphäre und dieAbsorption.

Abbildung 9 zeigt ein Emissionsspektrum, das aus Mes-sungen vor und nach einer Bedeckung gewonnen werdenkann. Man erkennt charakteristische Linien im Wellenlän-genbereich zwischen 2 und 10 µm. Bei 9,6 µm kann manbei den Planeten bei einem sonnenähnlichen Stern und ADLeo die Ozon-Absorptionsbande gut erkennen, die im Falledes M7-Sterns verschwindet. Absorptionsbanden von Me-than tauchen bei 2,3 µm, 3,3 µm und 7,6 µm auf. Lachgaszeigt nur eine sehr schwache Absorption bei etwa 4,5 µm,die aber von starken Kohlendioxidbanden überlagert wird.Im Wellenlängenbereich zwischen 2,5 und 2,8 µm sowiezwischen 5 und 7,5 µm liegen starke Absorptionsbandenvon Wasser. Linien von Chlormethan sind in keinem Spek-trum zu beobachten.

Die Temperatur in der Atmosphäre bestimmt das Ab-sorptionsvermögen der Moleküle. Da sie für einen Planetenbei einem M7-Stern relativ konstant in der Höhe ist, wird dieabsorbierte Strahlung bei nahezu gleicher Temperatur wiedie Oberflächentemperatur wieder emittiert, was zur Ab-schwächung aller Absorptionsbanden führt. Das Tempera-turprofil wird in diesem Fall durch eine besonders hoheKonzentration von Methan und Wasser bestimmt.

Im rechten Teil von Abbildung 9 ist das Spektrum miteiner gröberen spektralen Auflösung dargestellt, wie sie ver-mutlich die erste Generation von Messinstrumenten errei-chen wird. Von Bedeckungsmessungen an Gesteinsplanetenerwartet man nur wenige Photonen, die man über einengrößeren Wellenlängenbereich mitteln muss, um ein besse-res Signal zu bekommen. Entsprechend wird man Absorp-

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James Webb Space Telescopewww.jwst.nasa.gov

European Extremely Large Telescope (E-ELT)www.eso.org/public/teles-instr/e-elt.html

Suche nach der zweiten Erde (NASA)planetquest.jpl.nasa.gov

Planetary Habitability Laboratoryphl.upr.edu

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Emissionsspektren erdähnlicher Planeten für die Sonne (schwarz), M-Stern AD Leo (rot) und M7-Stern (blau). Im linken Bildteilsind die Spektren hochaufgelöst dargestellt, im rechten mit einer niedrigen Auslösung, wie sie von einem realen Messinstru-ment zu erwarten sind (nach [12]).

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tionsbanden womöglich nur schwer nachweisen können.So erhält man zwar für einen M7-Stern das beste Kontrast-verhältnis, aber einzelne Linien lassen sich in dem hier si-mulierten Fall nicht nachweisen. Für den M-Stern AD Leound die Sonne als Zentralstern könnte man die Absorpti-onsbande von Ozon bei 9,6 µm gerade noch sichtbar sein,jedoch ist für diese beiden Sterntypen das Kontrastverhält-nis insgesamt ungünstiger.

Lange Beobachtungszeit nötigDie Studie zeigt, dass es in jedem Fall eine große Heraus-forderung darstellen wird, atmosphärische Signaturen vonGesteinsplaneten zu beobachten. Das liegt daran, dass bis-her nur wenige Planeten um helle Sterne gefunden wurdenund es nicht viele helle und gleichzeitig kühle Sterne in un-serer nahen Umgebung gibt, die man für ein gutes Kon-trastverhältnis braucht.

Für lichtschwache Sterne müsste man sehr viele Tran-sitbeobachtungen aufaddieren, um ein Signal zu erhalten.Ein Planet in der bewohnbaren Zone eines M7-Sterns, wiein der Studie angenommen, braucht für eine Umkreisung et-wa vier Tage, die Supererde Gliese 581b, die einen M2-Sternumkreist, benötigt aber bereits 66,6 Tage. Also braucht man– selbst im Idealfall – mehr als ein Jahr um hundert Transitsaufzunehmen. Dabei könnten jedoch die systematischenFehler durch das Instrument sehr groß werden, was dieMessung zusätzlich erschwert. Man wird also sehr viel Be-obachtungszeit an zukünftigen Spitzeninstrumenten benö-tigen wie dem James Webb Space Telescope der NASA oderdem Großteleskop E-ELT der ESO, die ab 2018 beziehungs-weise 2020 in Betrieb gehen sollen.

ZusammenfassungErdähnliche Planeten oder Supererden, bei denen man Tran-sit- und Bedeckungsereignisse beobachten kann, sind für spek-troskopische Untersuchungen der Atmosphäre geeignete Ob-jekte. Es ist aber keineswegs eindeutig zu sagem, welche Be-standteile der Atmosphäre Indizien für Leben sind und wiesich diese während der Entwicklung in Milliarden von Jahrenändern. Um Instrumente zur Messung der extrasolaren At-mosphären zu entwickeln, braucht man Modellrechnungen,mit denen man die zu erwartenden Signale bei verschiedenenSterntypen abschätzen kann.

StichworteExoplaneten, erdähnliche Gesteinsplaneten, Supererde, bewohnbare Zone, Atmosphäre, Spektren, Transitspektren,Biomarker.

Literatur[1] Ph. von Paris et al., Astronomy & Astrophysics 2011, 534, A26.[2] C. A. Beichmann (Hrsg.), A Road Map for the Exploration of

Neighboring Planetary Systems, JPL Publication 1996, 96.[3] J. F. Kasting, Spektrum der Wissenschaft 2004, 9, 62.[4] S. Chapman, Mem. Roy. Meteorol. Soc. 1930, 3, 103.[5] A. Haagen-Smits, Ind. Eng. Chem. 1952, 44, 1342.[6] T. E. Graedel, P. J. Crutzen, Chemie der Atmosphäre, Spektrum

Akademischer Verlag, Heidelberg 1994.[7] F. Montmessin et al., Icarus 2011, 216(1), 82.[8] K. E. Fast et al., Icarus 2009, 203(1), 20.[9] V. Formisano et al, Science 2004, 306,1758.

[10] R. Titz-Weider, Physik in unserer Zeit 2006, 37(6), 286.[11] C. A. Haswell, Transiting Planets, Cambridge University Press,

Cambridge 2010.[12] H. Rauer et al., Astron. Astrophys. 2011, 529, A8.[13] H. Rauer et al.,in: J. Seckbach (Hrsg.), Cellular Origins, Life in

Extreme Habitats and Astrobiology, Springer-Verlag, Heidelberg, im Druck.

Die Autoren

Stefanie Gebauer studierte Physik an der Technischen Universität Berlin undpromoviert jetzt dort am Zentrum für Astronomie und Astrophysik zumThema Einfluss biogeochemischer Prozesse auf die Atmosphäre terrestrischerextrasolarer Planeten. Mareike Godolt studierte Physik an der TechnischenUniversität Berlin, promovierte und arbeitet jetzt am Institut für Planeten -forschung des DLR an der Klimamodellierung terrestrischer extrasolarerPlaneten. Ruth Titz-Weider studierte Physik, promovierte am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn, sucht jetzt am Institut für Planeten -forschung des DLR extrasolare Planeten, engagiert sich in der Öffentlichkeits-arbeit, Lehrerfortbildung und Jugend forscht. John Lee Grenfell promoviertean der University of Cambridge (GB), arbeitet am Zentrum für Astronomieund Astrophysik (ZAA) der TU Berlin an der numerischen Modellierung photo -chemischer Prozesse und Spektren atmosphärischer Bioindikatoren inerdähnlichen Exoplaneten-Atmosphären (v.l.n.r.).

AnschriftDr. Ruth Titz-Weider, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Institut fürPlanetenforschung, Rutherfordstraße 2, D-12489 Berlin. [email protected]

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