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Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen Mensch und Sicherheit Heft M 198 Fahreignung neuro- logischer Patienten – Untersuchung am Beispiel der hepatischen Enzephalopathie

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Berichte derBundesanstalt für Straßenwesen

Mensch und Sicherheit Heft M 198

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198

Fahreignung neuro-logischer Patienten –

Untersuchung amBeispiel der hepatischen

Enzephalopathie

ISSN 0943-9315ISBN 978-3-86509-861-0

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Berichte derBundesanstalt für Straßenwesen

Fahreignung neuro-logischer Patienten –

Untersuchung amBeispiel der hepatischen

Enzephalopathie

Mensch und Sicherheit Heft M 198

vonAnja Knoche

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Die Bundesanstalt für Straßenwesenveröffentlicht ihre Arbeits- und Forschungs-ergebnisse in der Schriftenreihe Berichte derBundesanstalt für Straßenwesen. Die Reihebesteht aus folgenden Unterreihen:

A -AllgemeinesB -Brücken- und IngenieurbauF -FahrzeugtechnikM-Mensch und SicherheitS -StraßenbauV -Verkehrstechnik

Es wird darauf hingewiesen, dass die unterdem Namen der Verfasser veröffentlichtenBerichte nicht in jedem Fall die Ansicht desHerausgebers wiedergeben.

Nachdruck und photomechanische Wieder-gabe, auch auszugsweise, nur mit Genehmi-gung der Bundesanstalt für Straßenwesen,Stabsstelle Presse und Öffentlichkeitsarbeit.

Die Hefte der Schriftenreihe Berichte derBundesanstalt für Straßenwesen könnendirekt beim Wirtschaftsverlag NW,Verlag für neue Wissenschaft GmbH,Bgm.-Smidt-Str. 74-76,D-27568 Bremerhaven,Telefon: (04 71) 9 45 44 - 0, bezogen werden.

Über die Forschungsergebnisse und ihreVeröffentlichungen wird in Kurzform imInformationsdienst BASt-Info berichtet.Dieser Dienst wird kostenlos abgegeben;Interessenten wenden sich bitte an dieBundesanstalt für Straßenwesen,Stabsstelle Presse und Öffentlichkeitsarbeit.

Impressum

Bericht zum Forschungsprojekt 02431 des Arbeitsprogrammesder Bundesanstalt für Straßenwesen:Fahreignungsbeurteilung neurologischer Patienten am Beispiel einerFahreignungsuntersuchung von Patienten mit hepatischer Enzephalopathie

HerausgeberBundesanstalt für StraßenwesenBrüderstraße 53, D-51427 Bergisch GladbachTelefon: (0 22 04) 43 - 0Telefax: (0 22 04) 43 - 674

RedaktionStabsstelle Presse und Öffentlichkeitsarbeit

Druck und VerlagWirtschaftsverlag NWVerlag für neue Wissenschaft GmbHPostfach 10 11 10, D-27511 BremerhavenTelefon: (04 71) 9 45 44 - 0Telefax: (04 71) 9 45 44 77Email: [email protected]: www.nw-verlag.de

ISSN 0943-9315ISBN 978-3-86509-861-0

Bergisch Gladbach, November 2008

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Kurzfassung – Abstract

Fahreignung neurologischer Patienten – Untersuchung am Beispiel der hepatischen Enzephalopathie

Psychometrische Testverfahren oder eine fahr-lehrerbegleitete Fahrprobe reichen oftmals nichtaus, um bei einer neurologischen Erkrankung einFehlverhalten im Straßenverkehr zu prognostizie-ren.

Ein Ziel der vorliegenden Untersuchung war esdaher, relevante Kriterien für die reale Fahrprobebezüglich neuropsychologischer Funktionsstörun-gen im Rahmen von Testfahrten auf einem abge-sperrten Gelände herauszuarbeiten und die Ergeb-nisse der Realfahrtleistung den Ergebnissen einercomputerpsychometrischen Testbatterie zu verglei-chen. Als Probandengruppe wurden Patienten mithepatischer Enzephalopathie (HE) ausgewählt, dadiese im frühen Krankheitsstadium die für vieleneurologische Erkrankungen typischen Leistungs-ausfälle zeigen.

Ab welchem Krankheitsstadium der HE mit neuro-psychologischen Defiziten gerechnet werden muss,die eine Fahreignung ausschließen, ist bislangnicht geklärt und war daher Gegenstand der vorlie-genden Untersuchung.

Von den Ergebnissen der vorliegenden Untersu-chung werden neben den testdiagnostischen Emp-fehlungen auch Empfehlungen zur Beurteilung derFahreignung von Patienten mit einer hepatischenEnzephalopathie abgeleitet.

Die eingesetzten Testverfahren zeigen übereinstim-mend, dass mit zunehmendem Krankheitsfortschrittstärkere Leistungsdefizite in verkehrssicherheitsre-levanten Parametern auftreten, die sich in den Eig-nungsbeurteilungen widerspiegeln.

Ab dem Stadium der minimalen HE-Erkrankungneigen die Patienten zu einer drastischen Leis-tungsüberschätzung ihres Fahrvermögens, wobeisie die schlechtesten Ergebnisse in der Realfahrterreichten. Sowohl die verkehrssicherheitsrelevan-ten Leistungen in den Fahraufgaben als auch dasEignungsurteil des Fahrlehrers zeigen einen deutli-chen Leistungsabfall im Fahrvermögen im Ver-gleich zu den klinisch unauffällig HE-Erkrankten.Somit sollte zumindest ab dem Stadium einer mini-

malen HE eine Fahreignungsprüfung durchgeführtwerden.

In den computerpsychometrischen Testverfahrenerreichten die minimal HE-Erkrankten mit den kli-nisch unauffällig HE-Erkrankten vergleichbar häufigden Eignungszuspruch, wohingegen die Fahrleh-rereinschätzungen seltener zu einer positiven Eig-nungsbeurteilung führten. Dies könnte darauf deu-ten, dass das computerpsychometrische Testver-fahren nicht sensitiv genug ist, um die Mangelleis-tungen von Patienten mit minimaler HE zu erfas-sen. Daher empfiehlt sich für diese Patienten dieDurchführung einer praktischen Fahrprobe. Zusätz-lich sollte die Selbsteinschätzung des eigenenFahrvermögens überprüft werden, wobei im Zweifelder Eignungsbeurteilung eine unzureichendeSelbsteinschätzung zum Abspruch der Fahreig-nung führen sollte.

Da der Anteil der klinisch unauffälligen HE-Patien-ten, die sowohl durch den Fahrlehrer als auch auf-grund der Ergebnisse der Computerpsychometrieals ungeeignet klassifiziert wurden sehr gering ist,bleibt es fraglich, ob bereits in diesem Stadiumgrundsätzlich eine Fahreignungstestung erfolgenmüsste. Zudem verfügen sie über eine äußerst kri-tische Selbstbeurteilung ihres Fahrvermögens – eine wesentliche Voraussetzung für kompensato-risches Fahrverhalten. So kann man annehmen,dass diese Patienten ihre Leistungsmängel selbstim Falle kleiner Leistungseinbussen oder bei Über-beanspruchung während längerer oder anstren-gender Fahrten wahrnehmen und mit einem ange-passten, verkehrssicheren Verhalten reagieren.

Driving ability of neurological patients – an investigation using hepatic encephalopathy asan example

Psychometric test methods or a driving test with anaccompanying driving instructor are often notsufficient to predict the inappropriate behaviour ofdrivers with neurological diseases in road traffic.

The aim of the current investigation was to identifycriteria concerning neuropsychologicaldysfunctions for a real driving test by performingtest drives on a separated test range and

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comparing the actual driving performance with theresults of a computerised, psychometric testbattery. Patients with hepatic encephalopathy (HE)were selected as test persons, as they alreadyshow many of the dysfunctions that are typical forneurological diseases in the early stages of theirillness.

It had previously not been determined from whatstage of HE onwards the expectedneuropsychological dysfunctions are incompatiblewith the ability to drive. This issue was thereforeinvestigated in the current study.

The current investigation was used to derive test-diagnostic recommendations as well asrecommendations for evaluating the driving abilityof patients with hepatic encephalopathy.

All test methods used indicated that performancedeficits with regard to parameters relevant for trafficsafety increase with the advance of the disease.This is reflected in the driving ability evaluations.

Beginning with the state of minimum HE affliction,patients tend to overestimate their ability to drivevery strongly. The worst results were obtainedduring actual drives. The traffic safety performanceduring the driving exercises as well as theevaluation of driving ability by a driving instructorshow a clear decrease in driving ability compared toHE sufferers without clinical symptoms. Drivingability tests should therefore at least be performedfrom the state of minimal HE onwards.

In computerised psychometric tests, the number ofdriving ability approvals of patients with minimumHE affliction was comparable to that of patientswithout clinical symptoms. The judgements of thedriving instructor led to fewer positive assessments.This might indicate that the computerisedpsychometric test method is not sensitive enough todetect the performance deficits of patients withminimum HE affliction. The performance of apractical driving test is therefore recommended forthese patients. In addition, the self-assessment ofthe driver's own ability should be investigated. If thedriving ability is in doubt, insufficient self-assessment should lead to denial of the drivinglicence.

The proportion of HE patients without clinicalsymptoms who were classified as unsuitable by thedriving instructor as well as by the results of thecomputerised psychometric test, is very small. It is

therefore questionable whether a driving ability testshould be compulsory at this stage already. Thepatients assess their driving ability very critically –an important requirement for compensatory drivingbehaviour. It can therefore be assumed that thesepatients will notice a reduction in performance evenwhen the effects are small or in the event ofoverload during long and stressful drives andrespond with adapted, safe traffic behaviour.

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Inhalt

1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

1.1 Fahreignungsrelevante Faktoren bei neurologischen Erkrankungen . . . 7

1.2 Neuropsychologische Funktionen und ihr Einfluss auf das Fahr-vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

1.3 Fahreignungsbeurteilung neurolo-gischer Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . 9

2 Theoretische Grundlagen . . . . . . . . 9

2.1 Hepatische Enzephalopathie . . . . . . . 9

2.2 Untersuchungen und rechtliche Grundlagen zur Fahreignungs-beurteilung bei hepatischer Enzephalopathie . . . . . . . . . . . . . . . . 11

2.3 Entwicklung der Hypothesen zur vorliegenden Untersuchung . . . . . . . . 13

2.3.1 Hypothesen der vorliegenden Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

3 Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

3.1 Stichprobencharakterisierung . . . . . . 15

3.2 Forschungsinstrumentarium . . . . . . . 16

3.2.1 Laboruntersuchungen . . . . . . . . . . . . 16

3.2.2 Fragebogen zur Erfassung persönlicher Daten . . . . . . . . . . . . . . 17

3.2.3 Die Real-Fahrt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

3.2.3.1 Das Untersuchungsfahrzeug . . . . . . . 17

3.2.3.2 Die Entwicklung der Fahraufgaben für die Realfahrt . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

3.2.3.3 Beschreibung der Fahraufgaben . . . . 20

3.2.3.4 Beurteilungen des Fahrlehrers . . . . . 24

3.3 Versuchsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

3.4 Statistische Verfahren . . . . . . . . . . . . 25

4 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

4.1 Stichprobenbeschreibung . . . . . . . . . 26

4.2 Fahrbiografische Daten . . . . . . . . . . . 26

4.3 Versuchsfahrt auf dem ADAC-Verkehrsübungsgelände in Kaarst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

4.4 Auswertung der Fahraufgaben . . . . . . 28

4.5 Zusammenfassung der Ergebnisse der Fahraufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . 40

4.5.1 Motorische Leistungen . . . . . . . . . . . . 41

4.5.2 Wahrnehmung und kognitive Verarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

4.6 Einschätzung des Fahrlehrers . . . . . . 43

4.7 Auswertung der Computer-psychometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

5 Zusammenhänge zwischen Realfahrt und Laborunter-suchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

5.1 Statistische Verfahren . . . . . . . . . . . . . 46

5.2 Faktorielle Struktur der Realfahrt-aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

5.3 Gruppenvergleiche der extrahierten Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

5.4 Korrelationen zwischen den Faktoren der Realfahrt und den Variablen der Laborunter-suchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

5.5 Zusammenhang zwischen den Faktoren der Realfahrt und den Eignungsurteilen (Psychometrie und Fahrlehrer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

5.6 Zusammenhang zwischen dem Eignungsurteil des Fahrlehrers und dem psychometrischen Test-ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

6 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

6.1 Überprüfung der Unterschieds-hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

6.2 Überprüfung der Zusammenhangs-hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

6.3 Schlussfolgerungen und Empfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

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6.3.1 Empfehlungen zur Konzeption der Fahreignungstestung von neurologischen Patienten . . . . . . . . . . 59

6.3.2 Fahreignung von Patienten mit HE in Abhängigkeit des Krank-heitsstadiums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

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1 Einleitung

Gehirn und Nervensystem des Menschen gehörenwohl mit zu den erstaunlichsten Organen, die dasLeben hervorgebracht hat. Das etwa 100 MilliardenZellen umfassende komplexe Nervengewebe, ver-antwortlich für Wahrnehmung, Bewegung, Denken,Empfinden, Lernen und Erinnern, arbeitet mitgroßer Präzision. Voraussetzung dafür ist, dass diekomplexe Struktur von Gehirn und Nervensystemintakt ist und die Stoffwechselprozesse störungsfreiablaufen. Mögliche Unregelmäßigkeiten und Beein-trächtigungen in diesem komplizierten System kön-nen zwar bis zu einem gewissen Grad ausgegli-chen werden, doch dem sind Grenzen gesetzt.Wird die Hirnstruktur geschädigt oder treten schwe-re Störungen der elektrischen und biochemischenVorgänge auf, führt dies häufig zu neurologischenund psychiatrischen Erkrankungen, die auch einenEinfluss auf die Fahreignung ausüben können. Vorallem Störungen der visuellen Wahrnehmung undder Aufmerksamkeitsfunktionen können sich nega-tiv auf ein sicheres Fahrverhalten auswirken. Wenndiese Leistungseinbußen von Persönlichkeitsver-änderungen begleitet werden, kann auch die Mög-lichkeit, durch Kompensationsstrategien ein verant-wortungsbewusstes, sicheres Fahren zu erzielen,eingeschränkt sein.

1.1 Fahreignungsrelevante Faktorenbei neurologischen Erkrankungen

Als die zwei häufigsten neurologischen Erkrankun-gen sind der Schlaganfall und das Schädel-Hirn-Trauma zu nennen.

Rund die Hälfte aller neurologisch erkrankten Pati-enten erlitt einen Schlaganfall. Je nachdem, wel-ches Hirnareal dabei betroffen wurde, prägt sich einspezifisches Störungsbild aus. In den häufigstenFällen leiden diese Patienten an kortikalen Schädi-gungen, die die sensorische Verarbeitung oder garhöhere kognitive Prozesse, wie das planerischeDenken, beeinträchtigen. Außerdem können durchden Schlaganfall subkortikale Strukturen betroffensein. Ein Infarkt im Bereich der Basalganglien etwakann hyper- oder hypokinetische Bewegungs-störungen bedingen. Eine Besonderheit in dieserKrankheitsgruppe stellt das Multi-Infarkt-Syndromdar, da es aufgrund seines stark progressiven Ver-laufs die Ausformung einer Demenz verursachenkann.

Der neurologisch häufigste Befund bei unter 40-Jährigen ist das Schädel-Hirn-Trauma. Hiervonbetroffen sind meist Männer zwischen 15 und 30Jahren. Schädel-Hirn-Traumen verursachen oft-mals Schädigungen des Frontallappens. GedeckteSchädel-Hirn-Traumen sind dabei häufig infe-riofrontal zu lokalisieren. Läsionen in diesem Be-reich können zu Persönlichkeitsveränderungen mitgravierenden Folgen für das Verhalten im Straßen-verkehr führen. Ungeduld, Reizbarkeit, Aggressi-vität und erhöhte Risikobereitschaft gefährden dieVerkehrssicherheit ebenso wie ein durch die Per-sönlichkeitsveränderung ausgeformtes zu striktesregelkonformes Verhalten. Durch den bei einemSchädel-Hirn-Trauma oft nachfolgenden Contre-Coup-Effekt ist meist auch der okzipitale Kortex be-troffen. Hierbei treten nicht selten visuelle Verarbei-tungsstörungen auf. Zudem führen Vernarbungennach einem Schädel-Hirn-Trauma häufig zu epilep-tischen Anfällen.

Im Hinblick auf demografische Entwicklungen sindfür die Fahreignungsdiagnostik zudem mehr undmehr altersbedingte Demenzen relevant: In der Al-terskohorte zwischen 65 und 70 Jahren sind bis zu5 %, in der der über 85-Jährigen bereits 25 % de-ment.

Bezüglich der Fahreignungsbeurteilung haben dieBegutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung(Bundesanstalt für Straßenwesen, 2000) eineReihe von neurologischen Erkrankungen zufriedenstellend erfasst. Jedoch sind die daraus resultie-renden neurologischen Funktionsstörungen undderen Einfluss auf die Fahreignung bislang nichtausreichend beschrieben1.

Das liegt zum einen daran, dass spezifische Krank-heitsbilder fehlen – wie z. B. die hepatische Enze-phalopathie oder das oben beschriebene Syndromnach Schädigung des Frontallappens. Andererseitsstellt sich in der Praxis die Frage, ob eine Untertei-lung in verschiedene Erkrankungen des Zentralner-vensystems (ZNS) in Bezug auf die Fahreignungs-begutachtung zielführend ist. Betrachtet man z. B.die Patientengruppen mit den höchsten Inzidenzen(Schlaganfall- und Infarktpatienten), wird schnell

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1 Die Überarbeitung und Weiterentwicklung der Begutach-tungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung wird von der BAStfortgeschrieben. Es ist u. a. geplant, das Kapitel 3.9 „Erkran-kungen des Nervensystems“ auf Grundlage des aktuellenwissenschaftlichen Erkenntnisstandes zu überarbeiten.

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deutlich, dass man keine grundsätzlich ab-schließende Aussage zur Fahreignung treffen kann,nur weil ein Infarkt oder ein Schlaganfall diagnosti-ziert wurde. Es kommt vielmehr darauf an, welchesHirnareal betroffen ist und welche Funktionsstörungdaraus resultiert. Bei diesen Patienten kann alsonicht allein die Diagnose/Differentialdiagnose alsKriterium zur Fahreignungsbeurteilung herangezo-gen werden, da unabhängig von der Krank-heitsätiologie die neuropsychologischen Funktions-ausfälle einen wesentlichen Beurteilungsfaktor stel-len. Leitlinien, die den Ärzten und Psychologen eineHilfestellung zur Fahreignungsbegutachtung dieserPatienten geben können, sollten demnach die neu-ropsychologischen Funktionsstörungen verstärktfokussieren, unabhängig von dem zugrunde liegen-den Krankheitsbild.

Diesem Paradigmenwechsel stellt sich die vorlie-gende Untersuchung. Am Beispiel von Patientenmit hepatischer Enzephalopathie und ihren wieauch für viele ZNS-Erkrankungen oder -Schädigun-gen typischen neuropsychologischen Funktions-störungen soll die Fahreignung überprüft werden.Diese Patientengruppe eignet sich besonders, dahier nicht weitere Folgeerscheinungen wie z. B.Lähmung oder Agnosien2 auftreten, wohl aber mitFortschreiten der Erkrankung eine zunehmendeAnosognosie3 festgestellt werden kann, was einenegative Auswirkung auf die Selbsteinschätzungbezüglich des Autofahrens hat.

1.2 Neuropsychologische Funktionenund ihr Einfluss auf das Fahr-vermögen

Neuropsychologische Funktionsstörungen könnensich in unterschiedlichem Schweregrad als perzep-tive (z. B. Gesichtsfeldausfall), kognitive (z. B. Auf-merksamkeits-, Gedächtnisdefizite), exekutive (z. B. Störungen höherer Informationsverarbeitung,Handlungsplanung) oder emotionale (z. B. gestei-gerte Aggressivität, Persönlichkeitsstörung)Störungsmuster manifestieren. Im Folgenden wer-

den die Funktionsstörungen, die am häufigsten auf-treten und die Fahreignung einschränken können,benannt.

Eine häufige Folge erworbener Hirnschäden sindcerebral bedingte Sehstörungen, wobei am häu-figsten Gesichtsfeldausfälle diagnostiziert werden.So führt ein Posteriorinfarkt – ein Infarkt in der hin-teren der drei Hauptarterien – oftmals zu einem Ge-sichtsfeldausfall (Läsion in Area 17 oder postchias-matische Läsion), wobei die Größe des Ausfallszwischen einem kleinen Feld bis hin zum halbseiti-gen Gesichtsfeld (Hemianopsie) variieren kann. Vi-suell-räumliche Störungen können zu fehlerhafterDistanzschätzung führen (Läsionen in Area 18/19).Visuo-konstruktive Störungen können sich auf dasSpurhalten negativ auswirken (Läsion in Area 19).Selbst der Visus kann nach spezifischer Läsion derArea 17 vermindert sein, betrifft die Läsion dasAreal, in dem die fovealen Sehnerven terminieren.Obwohl der zum Führen eines Kraftfahrzeuges er-forderliche Visus in den Begutachtungs-Leitlinienzur Kraftfahrereignung klar determiniert ist, sindkortikal bedingte Visuseinbußen, die also nichtdurch eine Brille kompensiert werden können, nichterfasst.

Kognitive Störungen, die als häufige Folge neurolo-gischer Erkrankungen in Erscheinung treten, sindStörungen in der Informationsverarbeitung, wobeizumeist eine generelle Verlangsamung festzustel-len ist. Folge dieser basalen, kognitiven Leistungs-störung können Aufmerksamkeits- und Gedächtnis-defizite – wobei für das sichere Fahren wohl vorallem das Kurzzeitgedächtnis und das Arbeitsge-dächtnis relevant sind – sein. Eine verlangsamte In-formationsverarbeitung allein muss aber noch nichtdie Fahreignung ausschließen. Hier spielt es aucheine Rolle, ob der Patient das Autofahren erst er-lernen muss oder ob er bereits vor seiner Erkran-kung über ausreichend Fahrpraxis verfügte. Kon-trollierte Verarbeitung ist langsam, seriell, anstren-gend und erfordert ein hohes Maß an Aufmerksam-keitskapazität, wohingegen automatisch ablaufen-de Informationsprozesse schnell, parallel und miteinem geringen Maß an Aufmerksamkeitskapazitätablaufen. Hierauf sollte auch bei der Fahreignungs-untersuchung von neurologischen Patienten – zu-meist mittels neuropsychologischer Testverfahren –geachtet werden, zudem psychometrische Tester-gebnisse nicht unbedingt die Ergebnisse einerRealfahrt widerspiegeln (HANNEN, 1998). Eingroßer Unterschied zwischen der Durchführungpsychometrischer Tests und dem Autofahren liegt in

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2 Teilweise oder vollkommene Unfähigkeit, sensorische Reizewahrzunehmen, nicht bedingt durch einen Defekt elementa-rer Empfindungen oder durch ein erniedrigtes Vigilanz-niveau

3 Unfähigkeit eine Krankheit oder ein körperliches Defizit zurKenntnis zu nehmen

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der Übungszeit und Erfahrung der Patienten. Auto-fahren unterliegt einem automatischen Prozess,wobei viele Leistungen zu Routineaufgaben gewor-den sind, wohingegen die Durchführung neuropsy-chologischer Tests oder die künstliche Situation amFahrsimulator nicht routiniert sind.

Als letzte Gruppe fahreignungsrelevanter neuro-psychologischer Störungen sollen hier die Persön-lichkeitsstörungen aufgeführt werden. Meist be-dingt durch progressive Krankheitsverläufe, aberauch durch Schädigung spezifischer Hirnareale,kann eine Persönlichkeitsstörung zu gravierendemFehlverhalten in Bezug auf eine sichere Verkehrs-teilnahme führen, wie z. B. eine verminderte Im-pulskontrolle nach Frontalhirnläsionen. Vor allemPatienten, die an einer Anosognosie (besondersstark ausgeprägt nach rechtshemisphärischen oderfrontalen Läsionen) gekoppelt mit visuellen Störun-gen leiden, können einen großen Gefahrenfaktor imStraßenverkehr stellen. Bei dieser Patientengruppesollte das Testverfahren zur Fahreignungsüberprü-fung wohl überlegt sein. Psychometrische Testver-fahren oder eine von einem Fahrlehrer begleiteteFahrprobe reichen oftmals nicht aus, um ein Fehl-verhalten im Straßenverkehr zu prognostizieren,wenn die Persönlichkeitsstörung nur in bestimmten,kritischen Situationen zu Tage tritt. Labortests soll-ten zur Fahreignungsprüfung nur eingesetzt wer-den, wenn sie über ein hohes Maß an externer Va-lidität verfügen. Je mehr diese Verfahren die Rea-lität abbilden und testen können, desto eher solltensie einer Realfahreignungsprüfung vorzuziehensein. Denn mit dem Einsatz standardisierter Labor-oder Simulatortests können eine bessere Bedin-gungskontrolle und somit eine höhere interne Vali-dität und Reliabilität erzielt werden als bei derDurchführung von Realfahrten.

1.3 Fahreignungsbeurteilung neurolo-gischer Patienten

Wie bereits angedeutet ist es keine leichte Aufgabe,die Fahreignung nach einer Hirnschädigung zu be-urteilen. Die neuropsychologische Testdiagnostikhat nur eine begrenzte Aussagekraft hinsichtlichder Fahreignung, und die praktische Fahrprobe be-inhaltet keine standardisierten Gefahrensituatio-nen, sodass eine hirnschädigungsbedingte Reakti-onsverlangsamung hier nicht erfasst werden kann(NIEMANN & DÖHNER, 1999; HARTJE, 2001). Inwelcher Weise eine Fahreignungsbeurteilung vor-

genommen werden soll, bleibt bislang weitgehendoffen und muss im Einzelfall entschieden werden,wobei die Entscheidung zur Untersuchung der Ver-antwortung des einzelnen Kraftfahrers überlassenwird: Nach § 2 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV)sind sowohl der Bewerber als auch der Inhabereiner Fahrerlaubnis verpflichtet, eigenverantwort-lich Vorsorge zu treffen, dass er sich und anderenicht gefährdet. Ärzte sind zwar verpflichtet, ihrePatienten über die jeweilige Problematik zu infor-mieren und hinsichtlich des weiteren Vorgehens zuberaten, doch unterliegen sie letztlich der Schwei-gepflicht, und eine grundsätzliche Meldepflicht be-steht nicht (BURGARD et al., 2004). Follow-up-Un-tersuchungen zeigen, dass ca. 30-50 % der neuro-logischen Patienten ohne vorherige Fahreignungs-begutachtung wieder Auto fahren (DETTMERS,2001; HANNEN et al., 1991), was gerade bei dernach Hirnschädigungen nicht immer gegebenenadäquaten Selbsteinschätzung gravierende Folgenhaben kann. Vor dem Hintergrund der demografi-schen Entwicklung und einer zunehmenden Motori-sierung wird die Relevanz der Fahreignungsdiskus-sion nach altersbedingten Erkrankungen wie demSchlaganfall deutlich. Während jedes Jahr ca.500.000 Menschen einen Schlaganfall oder eineGehirnblutung erleiden, leben insgesamt ca. eineMillion Menschen in Deutschland mit den Folgeneiner Hirnschädigung.

Gemessen an der Bedeutsamkeit dieser Problema-tik gibt es bislang nur wenig Forschung auf diesemSektor. Zudem ist der neuropsychologische Faktorselten Untersuchungsgegenstand im Bereich derUnfall- und Sicherheitsforschung.

Die vorliegende Arbeit widmet sich daher der Fra-gestellung nach der Fahreignungsbeurteilung neu-rologischer Patienten am Beispiel der hepatischenEnzephalopathie und rückt auch die Testdiagnostikin den Untersuchungsfokus.

2 Theoretische Grundlagen

2.1 Hepatische Enzephalopathie

In Deutschland leiden ca. 1,5-2,5 Millionen Men-schen an einer chronischen Lebererkrankung.Davon haben ca. 300.000 eine gesicherte Leber-zirrhose. Schätzungen gehen jedoch vonannähernd 1 Million Menschen mit einer Leberzirr-hose in Deutschland aus. Ein Großteil – ca. 65 % –

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dieser Erkrankungen sind alkoholtoxisch induziert.Darüber hinaus sind derzeit in Deutschland ca.500.000 Patienten an einer Hepatitis C und ca.200.000 Patienten an einer Hepatitis B erkrankt.Beide Erkrankungen können sich, wenn es nichtgelingt, das Virus zu eliminieren, chronifizieren.Dies kann im Verlaufe von Jahren zur Fibrosierungund schließlich zur Zirrhose der Leber führen, waseine neurologische Leistungsverminderung bedin-gen kann.

Neurologische Komplikationen, hier vor allem neu-ropsychologische Leistungseinbußen, die Auswir-kungen auf die Fahreignung der Patienten habenkönnen, ergeben sich durch die Ausprägung einerhepatischen Enzephalopathie.

Die hepatische Enzephalopathie (HE) ist eine häu-fige extrahepatische Komplikation bei chronischenLeberkrankheiten. Die kranke Leber kann das imStoffwechsel anfallende Ammoniak und andere To-xine nicht mehr effizient aus dem Blut eliminieren,womit das toxische Ammoniak in hoher Konzentra-tion in das Gehirn gelangt, was primär zu einerStörung der Astrozytenfunktion im Sinne einer Hy-dratationsstörung mit nachfolgender neuronalerDysfunktion führt (BUTTERWORTH, 1994; COP-PER & PLUM, 1987).

Die Symptome einer HE reichen von minimalen Be-einträchtigungen des Bewusstseins, der Persön-lichkeit oder subtilen Störungen der intellektuellenFähigkeit bis hin zu schweren Verwirrtheitszustän-den und zum Koma. Die neuropsychologischenStörungen im Rahmen einer HE gehen sowohl miteiner Beeinträchtigung perzeptiver und/oder kogni-tiver Funktionen als auch mit Veränderungen derPersönlichkeit und des Bewusstseins einher. Häufi-ge Auffälligkeiten und klinische Symptome sind:verminderte visuelle Selektionsleistung, ungenaue-re Wahrnehmung visueller Zeichen, verlängerte

Reaktionszeiten, Dissimulationsneigung, ver-schlechterte Selbstkontrolle und Eigenkritikfähig-keit, reduzierte affektive Belastbarkeit, teils auchTendenz zu vorsichtsbetonten Verhaltensweisen.Recht uniforme Symptome insbesondere einer ma-nifesten HE bei kompensierten Zirrhosen sind eineschnelle Ermüdbarkeit, eine verringerte Dauerauf-merksamkeit und eine Reduktion der Vigilanz die-ser Patienten (BLEI & CORDOBA, 1996; ELSASSet al., 1987).

Das Krankheitsstadium wird anhand der klinischenSymptomatik und der Ergebnisse aus psychometri-schen Testverfahren bestimmt. Sowohl klinisch alsauch neurologisch unauffällige Patienten mit zirrho-tischer Lebererkrankung, die auch unauffällige psy-chometrische Testergebnisse in der HE-Diagnostikerzielen, werden dem Krankheitsstadium HE0 – keine HE – zugeordnet. Basierend auf den West-Haven-Kriterien4 unter Einbezug psychometrischerTestverfahren (z. B. der in dieser Untersuchung an-gewandte PSE-Summenscore5; ENNEN et al.,1994) kann die hepatische Enzephalopathie in fünfStadien unterteilt werden (s. Tabelle 1).

Die Grenzen zwischen diesen Stadien sindfließend, was die Eingruppierung des einzelnen Pa-tienten erschwert. Vor allem sollte ein besonderesAugenmerk auf die Frühdiagnose der hepatischenEnzephalopathie gelegt werden, um rechtzeitig the-rapeutische Maßnahmen in die Wege leiten zu kön-nen, sodass ein Fortschreiten in höhergradige Sta-dien frühzeitig verhindert werden kann. Hierzu ste-hen einige wirksame und gut verträgliche Medika-mente wie Ornithin-Aspartat oder Lactulose zurVerfügung (HELD et al., 1996; KIRCHEIS et al.,1997).

Betrachtet man die Symptomatik der verschiede-nen HE-Krankheitsstadien, wird schnell ersichtlich,dass die höheren HE-Stadien eine Fahreignung perse ausschließen (Tabelle 1). Die verkehrsrechtlicheFragestellung nach der Zusprechung der Fahreig-nung von Patienten mit hepatischer Enzephalopa-thie stellt sich vornehmlich bei der Gruppe von Le-berpatienten, die in der klinischen Anamnese un-auffällige Befunde aufweisen.

1970 wurde zum ersten Mal über die latente hepa-tische Enzephalopathie berichtet. Dieses Stadiumder Latenz der hepatischen Enzephalopathie wirddefiniert als eine zerebrale Funktionsstörung beiLeberzirrhotikern, bei der man trotz des Fehlensvon klinisch eindeutigen neurologischen Zeichen inpsychometrischen Testverfahren auffällige Tester-

10

4 Die Diagnose der manifesten hepatischen Enzephalopathieerfolgt anhand des klinischen Bildes, wobei die Stadienein-teilung entsprechend den West-Haven-Kriterien (Bewusst-seinsgrad, intellektuelle Kapazität, neurologische Defizite)vorgenommen wird. Als derzeitiger Standard zur Diagnostikder minimalen hepatischen Enzephalopathie wird die An-wendung des PSE-Scores empfohlen.

5 Der PSE-Summenscore besteht aus fünf Variablen der psy-chometrischen Untertests: Zahlenverbindungstest-A und -B,Liniennachfahrtest (Zeit und Fehler), Test „Kreise- Punktie-ren“ und Zahlensymbol-Test und erlaubt eine gezielte mHE-Diagnostik (WEISSENBORN, 2002). Die Scores aller Unter-tests werden addiert zum PSE-Summenscore.

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gebnisse findet. Derzeit besteht allerdings keinKonsens über ein diagnostisches Standardverfah-ren. Diese Ausprägung der hepatischen Enzepha-lopathie wird im Folgenden als minimal hepatischeEnzephalopathie (mHE) bezeichnet. Patienten miteiner mHE berichten über allmählich fortschreiten-de Aufmerksamkeits- und Konzentrations-schwächen oder Gedächtniseinbußen, die über dasgewöhnliche und bisher bekannte individuelle Maßhinausgehen. Dazu können sich eine Abnahme derReaktionsfähigkeit, Antriebsstörungen oder leichtefeinmotorische Störungen gesellen, die die Lebens-qualität und den Alltag der Patienten merklich be-einflussen können.

Geht man nur von der bekannten Zahl der gesi-cherten Leberzirrhotiker aus, sind ca. 100.000 bis

200.000 Menschen in Deutschland mit den Folgeneiner minimalen HE konfrontiert, den oben angege-benen Schätzungen nach müsste die Anzahl aller-dings eine halbe Million betragen. Die Fahreig-nungsrelevanz dieses Krankheitsbildes ist bislangnicht geklärt. Verschiedene Untersuchungenkamen zu unterschiedlichen, sich teilweise wider-sprechenden Ergebnissen, wie im folgenden Kapi-tel beschrieben wird.

2.2 Untersuchungen und rechtlicheGrundlagen zur Fahreignungsbe-urteilung bei hepatischer Enze-phalopathie

Bereits die Befunde aus der ärztlichen Praxis, diemittels psychometrischer Verfahren Leistungsein-bußen bei neurologischen Erkrankungen auf-decken, geben Hinweise in Bezug auf die Fahreig-nung. Kognitive Leistungsdefizite werden insbeson-dere im Bereich der Aufmerksamkeit und Konzen-tration, die von wesentlicher Bedeutung für ver-kehrssicherheitsrelevante Leistungen sind, evident.Jedoch wurde der Einfluss neuropsychologischerSymptome bei Patienten mit einer Leberzirrhoseauf das Fahrverhalten bislang nur in wenigen Un-tersuchungen beschrieben.

Zunächst deuteten die Studienergebnisse daraufhin, dass die Genese der Lebererkrankung selbsteinen Einfluss auf kognitive Leistungen und somitauch auf ein sicheres Fahrvermögen haben kann(SCHOMERUS et al., 1981). So erzielten Patientenmit einer alkoholtoxisch bedingten Leberzirrhoseeine schlechtere Prognose in Bezug auf die Fahr-eignung als Patienten mit einer nicht-alkoholtoxischbedingten Zirrhose. In dieser Untersuchung wurdeninsgesamt nur 15 % der untersuchten Zirrhosepati-enten als fahrgeeignet eingestuft und bei ihnen wardie Ursache der Lebererkrankung nicht alkoholto-xisch bedingt.

Diesem Ursachenzusammenhang eines Einflusseseiner alkoholtoxischen Genese wurde in weiterenStudien widersprochen. Der Fokus der Untersu-chungen wurde auf den Krankheitsverlauf mit sei-ner Ausprägung auf neuropsychologische fahreig-nungsrelevante Faktoren gerichtet. Eine sensitivereHE-Diagnostik sollte die Schwelle zwischen fahrge-eignet und ungeeignet ermitteln.

WATANABE et al. (1995) untersuchten Patientenmit einer kompensierten Leberzirrhose mittels neu-

11

Tab. 1: Symptomatische Ausprägungen der Krankheitsstadienbei hepatischer Enzephalopathie6

Krankheitsstadium Symptomatik

HE0 • klinisch und neurologisch unauffällig

• keine bzw. nur in einem psychometri-schen Test auffällige Ergebnisse

mHE • klinisch und neurologisch unauffällig

• in mindestens zwei der psychometri-schen Tests auffällige Ergebnisse

HE1 • vermehrtes Schlafbedürfnis

• deutliche Antriebsstörung

• Abnahme der intellektuellen Leistungs-fähigkeit

• Störungen der Feinmotorik

• verlangsamter Bewegungsablauf

HE2 • Apathie subtile Persönlichkeitsverän-derungen

• psychomotorische Verlangsamung

• Orientierungs-, Gedächtnisstörungen

• Verarmung des Gefühlslebens

• feinschlägiges Händezittern

• erhöhte Muskelspannung

HE3 • Praekoma, Somnoleszens

• Orientierungsverlust, Verwirrtheit

• verminderte Reaktion auf Schmerz-reize

• erhöhte Muskelspannung bis hin zur„Muskelsteife“ (Spastik)

• Stuhl- und Harninkontinenz

• Gang- und Standunsicherheit

HE4 • Bewusstlosigkeit bis zum Koma

6 Eine Einteilung in klinisch Unauffällige (HE0) und minimalHE-Erkrankte (mHE) erfolgte nach AMODIO et al. (2004).

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ropsychologischer Testverfahren in Bezug auf ihreFahreignung. Diese Patienten sind klinisch stabilund unauffällig. Ihren kognitiven Leistungen ent-sprechend können sie dem Krankheitsstadium HE0oder mHE zugeordnet werden. Die Untersuchungs-ergebnisse zeigten einen Zusammenhang zwi-schen dem Krankheitsstadium und der Fahreig-nungszusprechung. Während zwei Drittel aller Pa-tienten (HE0, mHE) als fahrgeeignet beurteilt wur-den, erzielte nur knapp die Hälfte der mHE-Patien-ten dieses Ergebnis. Unterschiede zwischen Zirrho-tikern mit und ohne alkoholtoxische Genese ihrerLebererkrankung ergaben sich nicht. Auch in weite-ren Untersuchungen wurden keine Unterschiede inden psychometrischen Leistungen zwischen Zirrho-tikern mit und ohne alkoholische Genese ihrer Le-bererkrankung gefunden (SCHOMERUS et al.,1998; EDWIN et al., 1999; McCREA et al., 1996).

Bislang existieren nur zwei Real-Fahrt-Studien, diezu einer unterschiedlichen Bewertung des Einflus-ses einer mHE auf die Fahreignung kommen.

SRIVASTAVA et al. (1994) nutzten zunächst eineneuropsychologische Testbatterie, um die mHE zudiagnostizieren und von Leberzirrhotikern mit un-auffälligen neuropsychologischen Testergebnissen(HE0) zu unterscheiden. In den anschließenden Si-mulations- und Realfahrten zeigten sich allerdingskeine Unterschiede in den Fahrleistungen von Zirrhosepatienten (HE0 und mHE) im Vergleich zuder gesunden Kontrollgruppe.

Zu einem anderen Schluss führten die Ergebnisseeiner jüngeren Studie mit einer größeren Anzahlvon Patienten mit einer Leberzirrhose, die entwederkeine (HE0) oder nur eine minimale Ausprägung(mHE) der HE aufwiesen (WEIN et al., 2004). In-nerhalb einer einstündigen Stadt- und Autobahn-fahrt beurteilte der beisitzende Fahrlehrer nachstandardisierten Kriterien das Fahrvermögen derTestpersonen. Patienten mit einer diagnostiziertenmHE erzielten signifikant schlechtere Ergebnisseals Patienten ohne mHE. Innerhalb dieser Studiewurden aber auch Testwerte in einem abgeschlos-senen Gelände erhoben, die keine Unterschiede inden Leistungen dieser Patientengruppen zeigten.Allerdings wurde diese geschlossene Kursfahrtnicht näher beschrieben.

Die Zahl dieser Studien ist sehr gering und zudemzeigen ihre jeweiligen Ergebnisse ein heterogenesBild bezüglich der Beurteilung der Fahreignung vonPatienten mit einer Leberzirrhose. Konkrete gesetz-liche Richtlinien oder Verordnungen zur Fahreig-

nungsbeurteilung von Patienten mit Leberzirrhosenund neuropsychologischen Auffälligkeiten existierenbislang nicht. So werden die hepatische Enzepha-lopathie und ihre möglichen Auswirkungen auf einverkehrssicheres Verhalten in den „Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung“ (Bundesanstalt fürStraßenwesen, 2000) auch nicht beschrieben. Le-diglich in dem Kapitel 3.11.2 „Alkoholabhängigkeit“wird auf einen alkoholtoxisch bedingten chronischenLeberschaden hingewiesen, wobei hier aber die Le-berdiagnostik zur Überprüfung eines Abstinenznach-weises im Vordergrund steht.

So heißt es:

„Hierzu sind regelmäßige ärztliche Untersuchun-gen erforderlich einschließlich der relevanten La-bordiagnostik, unter anderen Gamma-GT, GOT,GPT, MCV, CDT und Triglyzeride. Bei Verdachtauf chronischen Leberschaden, z. B. nachlangjährigem Alkoholmissbrauch, nach Hepatitisoder bei anderen relevanten Erkrankungen ist dieLabordiagnostik entsprechend zu erweitern. Diebesonderen Anforderungen und Risiken für dieFahrer der Klasse 2 sind gemäß Anlage 5 zurFahrerlaubnis-Verordnung (FeV) zu berücksichti-gen“.

In Anlage 5 Nr. 2 FeV werden besondere Anforde-rungen an Fahrerlaubnisinhaber der Klassen D, D1,DE, D1E sowie an Fahrgastbeförderer gestellt. ZurErteilung sowie zur Verlängerung (hier ab einemLebensalter von 50 bzw. 60 Jahren) dieser Fahrer-laubnisse müssen die Bewerber bestimmte Leis-tungen in wissenschaftlich standardisierten undunter Aspekten der Verkehrssicherheit validiertenTestverfahren erbringen.

Diese Leistungsbereiche – optische Orientierung,Konzentrationsfähigkeit, Aufmerksamkeit, Reak-tionsfähigkeit und Belastbarkeit – stehen im Ein-klang mit den in Kapitel 2.5 der Begutachtungs-Leit-linien zur Kraftfahrereignung beschriebenen „Anfor-derungen an die psychische Leistungsfähigkeit“.Für die eingesetzten Testverfahren werden hierzudem Grenzwerte in Form von altersunabhängi-gen Prozenträngen für Führerscheininhaber derGruppe 17 und Gruppe 28 definiert. Während für

12

7 Gruppe 1: Führer von Fahrzeugen der Klassen A, A1, B, BE,M, L und T

8 Gruppe 2: Führer von Fahrzeugen der Klassen C, C1, CE,C1E, D, DE, D1E und Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförde-rung

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Gruppe 1 in allen eingesetzten Leistungstests min-destens der Prozentrang 16 erreicht sein muss, giltfür Gruppe 2 die erhöhte Anforderung, dass in derMehrzahl der eingesetzten Verfahren mindestensder Prozentrang 33 und in den relevanten Verfah-ren mindestens der Prozentrang 16 erreicht werdenmuss. Wie viele Testverfahren eingesetzt werdensollen oder welche von diesen die relevanten sind,ist nicht beschrieben. Ebenso werden Kompensa-tionsmöglichkeiten bei Grenzwertunterschreitungendurch weitere Testverfahren nicht konkretisiert. Hierheißt es für die Gruppe 1: „Grenzwertunterschrei-tungen sind zwar nicht als situationsbedingt anzu-sehen, werden aber durch stabile Leistungen in denanderen Verfahren ausgeglichen, sodass eineMängelkumulation ausgeschlossen ist.“ Ausnah-men für Minderleistungen bei Gruppe 2 können er-teilt werden, wenn in einzelnen Untertests Kom-pensationsmöglichkeiten gegeben sind und wenneine Mängelkumulation ausgeschlossen ist.

Insgesamt ist die Beurteilung der Fahreignung vonPatienten mit neuropsychologischen Störungen je-doch unstandardisiert, und da die oben beschriebe-nen Studien neben der heterogenen Ergebnislageteilweise eingeschränkte methodische Untersu-chungsdesigns aufweisen, ist der Auswahl der Test-verfahren für die vorliegende Untersuchung ein ei-genes Kapitel gewidmet (Kapitel 3.2).

2.3 Entwicklung der Hypothesen zurvorliegenden Untersuchung

Trotz der Verfügbarkeit einer Vielzahl von Tests – sowohl Paper-Pencil-Tests als auch verschiede-ner technischer oder computergestützter Verfahren– herrscht in der Beurteilung der Fahreignung beiPatienten mit neuropsychologischen Leistungs-störungen eine erhebliche Unsicherheit.

Eine differentialdiagnostische Untersuchung beiPatienten mit einer hepatischen Enzephalopathieallein kann nicht als ausreichendes Kriterium zurFahreignungsbeurteilung angesehen werden. Wiebereits angesprochen bedient sich die HE-Diag-nostik der West-Haven-Kriterien und des PSE-Summenscores. Das Hauptproblem der PSE-Test-batterie ist jedoch, dass alle Untertests die gleichenbasalen, perzeptiven (visuell-räumlich) und kogniti-ven oder psychomotorischen Funktionseinschrän-kungen reflektieren. Die Gesamtheit der neuropsy-chologischen Störungen einer HE wird somit durchdiese Tests nicht erfasst. Defizite dieser Paper-

Pencil-Tests werden insbesondere in basalen An-forderungsbereichen wie der Aufmerksamkeit undKonzentration, die von wesentlicher Bedeutung fürverkehrssicherheitsrelevante Leistungen sind, evi-dent. Zudem liegen bislang keine validen Untersu-chungsergebnisse über die basalen neuropsycho-logischen Funktionsstörungen von HE-Patientenvor, wodurch eine Klassifizierung und Bewertungdieser speziellen Patientengruppe in Bezug auf ihreFahreignung erschwert werden. Eine homogeneFahreignungsbeurteilung auf der Grundlage der inder ärztlichen Praxis eingesetzten Testverfahren istebenfalls nicht gegeben, da die Ärzte oder anderesKlinikpersonal nicht nach einem einheitlichen Anlei-tungsmuster vorgehen.

Blicken wir daher nun über den Rand der ärztlichenFahreignungsbegutachtung und wenden uns derTestdiagnostik der bundesdeutschen Begutach-tungsstellen für Fahreignung zu, die pro Jahr rund112.000 Klienten untersuchen (KNOCHE, 2006).Hier wird im Rahmen medizinisch-psychologischerUntersuchungen (MPU) eine Reihe von psychome-trischen Testverfahren eingesetzt, die inzwischenweitgehend standardisiert und validiert sind.

Daher wurde in der vorliegenden Untersuchungneben den Paper-Pencil-Tests oder anderen in derärztlichen Praxis verwandten psychometrischenTests zur Fahreignungsprüfung die verkehrspsy-chologische Testbatterie nach SCHUHFRIED ver-wandt, welche als Testverfahren im Rahmen derAnlage 5 (2) FeV in allen Bundesländern anerkanntist und auch im Rahmen einer MPU eingesetzt wird.

Verschiedene Studien zeigten jedoch, dass psy-chometrische Tests nur in begrenztem Maße eineVorhersage der Fahrleistungen in einer standardi-sierten Fahrverhaltensprobe ermöglichen (HARTJEet al., 1991a). Entsprechende Ergebnisse findensich bei HANNEN et al. (1998), NIEMANN undDÖHNER (1999), van ZOMEREN et al. (1987), vanZOMEREN et al. (1988) und BROUWER et al.(1990). Aus diesem Grund wird von mehreren Au-toren zusätzlich die Durchführung einer Fahrverhal-tensprobe zur Fahreignungsbeurteilung empfohlen(BARTHELMESS 1974; BROUWER et al, 1990;JONES et al., 1983; WILSON & SMITH, 1983; vanWOLFFELAAR, 1988). Als problematisch bei einerpraktischen Fahrverhaltensprobe erweist sich je-doch, dass nur ein Teil sicherheitsrelevanter Ver-haltensweisen geprüft werden kann und eine Kon-frontation mit riskanten Verkehrssituationen nichtgegeben ist. In einer Diskussionsrunde mit

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Fachärzten aus den Gebieten der Hepatologie undNeurologie sowie Neuropsychologen und Testent-wicklern für computerisierte Testverfahren, die dervorliegenden Untersuchung vorausging, wurdedeutlich, dass selbst innerhalb einer standardisier-ten Fahrprobe die Mangelleistungen von perzepti-ven, kognitiven und vor allem emotionalen Funktio-nen nicht umfassend detektiert werden können.Daher wurden für die Realfahrt in einem abge-sperrten Gelände standardisierte Fahrleistungsauf-gaben konzipiert. Um die bei neurologischen Pati-enten oftmals geminderte Belastungs- und somitauch Fahrleistungsgrenze zu ermitteln, wurden ineinige Fahraufgaben verdeckte oder offene Dual-Task-Elemente9 integriert. Das zugrunde liegendeKonzept und die daraus resultierende Ableitung dereinzelnen Fahraufgaben sind im Methodenteil Kapi-tel 3.2.3.2 beschrieben. Um eine weitere Einschät-zung der Fahreignung der jeweiligen Probanden zugewinnen, wurden die Fahrlehrerbemerkungennach definierten Kriterien ausgewertet. Das Fahr-verhalten in kritischen Situationen ohne reale Ge-fährdung sollte zudem mit dem Einsatz eines Fahr-simulators getestet werden.

2.3.1 Hypothesen der vorliegenden Untersu-chung

Die in der Praxis verwandten Verfahren (psycho-metrische Testverfahren und Realfahrtprobe) zurÜberprüfung der Fahreignung neurologischer Pati-enten sollen in der vorliegenden Untersuchung ver-glichen werden. Als Untersuchungsklientel wurdenPatienten mit einer hepatischen Enzephalopathieausgewählt. Eine zentrale Fragestellung ist hierbei,ab welchem Krankheitsgrad der HE eine Fahreig-nung nicht mehr gegeben ist (Unterschiedshypo-

thesen). Weiterhin soll untersucht werden, ob die indieser Untersuchung eingesetzten Verfahren (psy-chometrische Testverfahren, Leistungsprofil derRealfahrt, Fahrlehrerbeurteilung) in ihren Ergebnis-sen mit der Fahreignungsbeurteilung übereinstim-men (Zusammenhangshypothesen).

Unterschiedshypothesen

1. Die Leistungen der Versuchsgruppen unter-scheiden sich in Abhängigkeit vom Krankheits-grad der HE in den Realfahraufgaben.

2. Die Leistungen der Versuchsgruppen unter-scheiden sich in Abhängigkeit vom Krankheits-grad der HE in den psychometrischen Testver-fahren.

3. Die Fahrlehrerbeurteilungen zur Fahreignungunterscheiden sich in Abhängigkeit vom Krank-heitsgrad der HE.

Zusammenhangshypothesen

In weiteren Analysen sollen die Zusammenhängeder verwandten Testverfahren berechnet werden.

4. Es besteht ein Zusammenhang zwischen denErgebnissen der einzelnen Subtests der Labor-untersuchungen10 (klinische und psychometri-sche) und den Ergebnissen der Realfahrtaufga-ben: Eine negative Eignungsbeurteilung auf-grund psychometrischer Testergebnisse gehteinher mit einem defizitären Leistungsprofil inder Realfahrt. Die klinisch erhobenen Daten zei-gen einen Zusammenhang zu dem Leistungs-profil der Realfahrt.

5. Die Fahrlehrerbeurteilung der Fahreignung spie-gelt sich im Leistungsprofil der Realfahrtaufga-ben: Eine negative Eignungsbeurteilung gehteinher mit einem defizitären Leistungsprofil inder Realfahrt.

6. Es besteht ein Zusammenhang zwischen denpsychometrischen Ergebnissen und den Eig-nungsbeurteilungen des Fahrlehrers: Eine ne-gative Eignungsbeurteilung aufgrund psycho-metrischer Testergebnisse geht einher mit einernegativen Eignungsbeurteilung des Fahrleh-rers.

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9 Das Dual-Task-Paradigma ist eine häufig genutzte Methodein der kognitiven Psychologie zur Überprüfung und Evalua-tion von Automatisierungsgraden, Hemisphärenlokalisa-tionen von zerebralen Loci und kognitiver Interferenz zweierProzesse. Diese Methode dient z. B. der Überprüfung derAufmerksamkeitskapazität. Indem zwei Aufgaben gleichzei-tig ausgeführt werden und der Anspruch in der Erstaufgabekonstant gehalten wird, ist die Leistung in der Zweitaufgabeein Gradmesser für die verbleibenden kognitiven Ressour-cen.

10 Unter dem Begriff Laboruntersuchungen werden sowohl dieklinischen als auch die psychometrischen Untersuchungender Universitätsklinik Düsseldorf zusammengefasst. In Kapi-tel 3.2 werden die psychometrischen Verfahren (Computer-psychometrie) und die Erhebung der klinischen Daten (Blut-untersuchung, Flimmerverschmelzungsfrequenz) beschrie-ben.

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3 Methoden

3.1 Stichprobencharakterisierung

In Kooperation mit der Klinik für Gastroenterologie,Hepatologie und Infektiologie (Direktor: Prof. Dr.Häussinger) der Heinrich-Heine-Universität Düssel-dorf wurden in dem Zeitraum von Mai 2003 bis Juni2005 unter der Leitung von Herrn Dr. med. KircheisPatienten mit Leberzirrhosen, die einem der obengenannten HE-Stadien entsprechen (HE0, mHE,oHE11) als Versuchspersonen akquiriert.

Die Versuchsgruppe der gesunden Kontrollperso-nen (KG) wurde durch Ausschreibung auf der Uni-versitätshomepage sowie durch Plakatierung in öf-fentlichen Einrichtungen geworben. Bei der Aus-wahl der Kontrollgruppe wurde auf eine mit denPatientengruppen vergleichbare Alters- und Ge-schlechterverteilung geachtet. Bei einigen Proban-den der Kontrollgruppe wurde mittels der durchge-führten Eingangsuntersuchungen eine Fettleberdiagnostiziert, womit sie als gesunde Kontrollper-sonen ausgeschlossen werden mussten. Proban-den, bei denen eine Steatohepatose (Fettleber)festgestellt wurde, bildeten eine eigene Versuchs-gruppe (SH), die getrennt von den Zirrhosepatien-ten und den gesunden Kontrollen ausgewertetwurde.

Alle Versuchspersonen mussten sich zu Beginnder Studie einer ärztlichen Untersuchung unterzie-hen, bei welcher klinische, neurologische und bio-chemische Parameter erhoben wurden. Die Routi-neblutuntersuchung wurde zur Bestimmung fol-gender Parameter vorgenommen: Na+, K+, Cl-,Kreatinin, Harnstoff, N-Harnstoff, Gamma-GT, AST(GOT), ALT (GPT), AP, ACTH, Gesamt-Eiweiß, Albumin, Bilirubin, Quick, PTT, Erythrozyten, Leu-kozyten, Thrombozyten, NH3-TP ohne Proteinbe-lastung.

Die Untersuchung diente der Überprüfung zum Ein-schluss eines Probanden in die Studie. Der Pro-band durfte zudem keines der folgenden Aus-schlusskriterien erfüllen:

• Minderjährigkeit,

• nicht geschäftsfähige bzw. präkomatöse/ko-matöse Patienten (HE-Grad > 2),

• Vorliegen einer akuten alkoholischen Hepatitis,

• Vorliegen eines bekannten Alkohol-/Drogen-oder Medikamentenabusus,

• Vorliegen einer Schwangerschaft, einer Stillzeitsowie Teilnahme einer Patientin im gebärfähi-gen Alter ohne sichere Kontrazeption,

• Vorliegen anderer schwerer Grunderkrankun-gen wie dekompensierter Herzinsuffizienz, Nie-reninsuffizienz (Kreatinin > 3 mg/dl) bzw. akuterStoffwechselentgleisungen (z. B. dekompensier-ter Diabetes mellitus, dekompensierter Hyperto-nus etc.),

• Vorliegen anderer neurologischer oder psychi-scher Erkrankungen,

• weniger als 6 Wochen zurückliegende Oeso-phagusvarizenblutung bzw. Blutung im oberenGastrointestinaltrakt,

• Vorliegen nicht korrigierbarer Elektrolytstörun-gen unter Diuretikagabe,

• weniger als 10 Tage zurückliegende Einnahmefolgender Präparate:

BCAA, schwer resorbierbare Antibiotika, Benzo-diazepine, Benzodiazepinantagonisten, Kortiko-steroide, Interferone, Zink, Wismutpräparate,Psychopharmaka, Sedativa, Neuroleptika, Psy-chostimulantien, Antidepressiva,

• Teilnahme an einer anderen Arzneimittelstudieinnerhalb der letzten 30 Tage,

• Personen, die niemals eine Fahrerlaubnis er-worben haben.

Nach Überprüfung der Ausschlusskriterien undAuswertung aller Laboruntersuchungen konntendie Patienten und die gesunden Kontrollpersonenmit Hilfe psychometrischer Testverfahren fünf Pro-bandengruppen zugeordnet werden (wie in Kapitel2.1 beschrieben). Die Häufigkeitsverteilung in deneinzelnen Gruppen zeigt Tabelle 2.

15

11 In der oHE-Gruppe (overt HE) werden Patienten mit einermanifesten HE zusammengefasst, die zumeist dem Krank-heitsgrad HE1, teilweise aber auch HE2 zuzuordnen sind.

Tab. 2: Verteilung der Versuchspersonen auf Patienten- undKontrollgruppen

Gesund HE0 mHE SH oHE N

48 10 27 10 14 109

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3.2 Forschungsinstrumentarium

In diesem Kapitel werden die eingesetzten Verfah-ren – Fragebogen zur Erfassung persönlicherDaten, Laboruntersuchungen (Blutuntersuchung,Computerpsychometrie, Flimmerfrequenzanalysa-tor12), Fahraufgaben auf definierter Strecke, Fahr-lehrereinschätzung – beschrieben (s. Tabelle 3).

3.2.1 Laboruntersuchungen

Routineblutuntersuchung

Allen Probanden wurde zu Beginn der Untersu-chung Blut entnommen. Das Blut wurde zur Be-stimmung der in Tabelle 3 angeführten Parameteranalysiert. Die Daten der Routineblutuntersuchungwurden ausschließlich in die Analyse der Zusam-menhangshypothesen einbezogen.

Computerpsychometrie

Zur Fahreignungsbeurteilung wurden entsprechendden in den Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahr-ereignung und den in Anlage 5 der FeV aufgeführ-ten kraftfahrtspezifischen Leistungsbereichen fol-gende Untertest (s. Tabelle 4) der verkehrspsycho-logischen Testbatterie nach SCHUHFRIED ausge-wählt.

Gemäß den Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahr-ereignung wurde dann eine Fahreignung nachGruppe 1 ausgesprochen, wenn in allen eingesetz-ten Leistungstests der Prozentrang 16, bezogenauf altersunabhängige Normwerte, erreicht wurde.Bei Grenzwertunterschreitungen in einem Testwurde dem Probanden auch dann das Urteil fahr-geeignet gegeben, wenn er in den anderen Verfah-ren stabile Leistungen zeigte. Zur Auswertung dercomputerpsychometrischen Ergebnisse wurde dasBedienungsmanual von SCHUHFRIED herangezo-gen. Als maßgebliche Indikatoren zur Eignungsü-berprüfung wird hier die Betrachtung der jeweiligenHauptvariablen der eingesetzten Testverfahrenempfohlen. Die Leistungsprofile der Nebenvaria-blen dienten der Falzifitätsüberprüfung und wurdenebenfalls zur Fahreignungsdiagnostik herangezo-

gen. Als zusätzliches Testverfahren bei zweifelhaf-tem Eignungsurteil wurde der Corsi-Block-Test(CORSI) verwandt.

Eine Fahreignung nach Gruppe 2 wurde ausge-sprochen, wenn in mindestens drei dieser Tests einProzentrang größer als 33 und in den übrigen Testsmindestens der Prozentrang 16 erreicht wurde.Auch hier wurden Ergebnisse mit der altersunab-hängigen Normstichprobe vergleichen.

Flimmerfrequenzanalysator

Mit dem von der Klinik für Gastroenterologie, Hepa-tologie und Infekt der Heinrich-Heine-UniversitätDüsseldorf entwickelten Flimmerfrequenzanalysatorwurde bei allen Versuchspersonen die Flimmerver-schmelzungsgrenze in einem aufsteigenden undabsteigenden Verfahren identifiziert. Hierzu wirdmittels eines Flimmerfrequenzanalysators eine in-

16

Tab. 3: Eingesetzte Verfahren der vorliegenden Untersuchung

Methoden Eingesetzte Verfahren

Erfasste Parameter/Merkmale

Laborunter-suchungen

Routineblut-untersuchung

Na+, K+, Kreatinin, PTT,Harnstoff, Gamma-GT, AST(GOT), ALT (GPT), AP, Albu-min, Bilirubin, Quick

Computer-psychometrie

VerkehrspsychologischeTestbatterie nach SCHUH-FRIED (für die einzelnenTests s. Tabelle 4)

Flimmerfrequenz-analysator

Flimmerverschmelzungs-frequenz

Selbstaus-kunft desProbanden

Schriftlicher Fragebogen

Soziodemografie, Fahrbio-grafie, Selbsteinschätzungdes Fahrvermögens, gegen-wärtige Befindlichkeit

Realfahrt

Fahraufgaben auf definierterStrecke (Parcours)

Reaktionszeit, Spurhalten,Gedächtnisleistungen, (Beschreibung der Aufgabenund erfasster Parameter s. Kapitel 3.3.2)

Fahrlehrerein-schätzung

Häufigkeit und Art von Ein-griffen, festgestellte Auffällig-keiten im Fahrverhalten

Tab. 4: Auswahl der Testverfahren für die definierten Leis-tungsbereiche

Testverfahren Leistungsbereich

Linienverfolgungstest (LVT) Orientierungsleistung

Cognitrone (COG) Konzentrationsleistung

Wiener Reaktionstest (RT) Reaktionsfähigkeit

Tachystoskopischer Verkehrsauffas-sungstest (TAVTM)

Aufmerksamkeit

Wiener Determinationstest (WDT) Belastbarkeit

12 Mit Hilfe der Ermittlung der Flimmerfrequenz – einem in derneurologischen und neurophysiologischen Diagnostik seitlangem etablierten Verfahren zur Erfassung zentralnervöserAktiviertheitszustände – eröffnete sich in der Diagnostik dergeringgradigen Formen der hepatischen Enzephalopathieeine neue diagnostische Option zur Optimierung der Schwe-regraduierung (KIRCHEIS et al., 2003).

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trafoveale Lichtreizung erzeugt, wobei einer Test-person das definierte Licht im Bereich von 25-60 Hzin Schritten von 0,1-0,5 Hz in absteigender Richtungvorgegeben wird. Die kritische Frequenz, bei der imabsteigenden Verfahren der Eindruck des Gleich-lichts in den des Flimmerns übergeht, ist als Flim-merfrequenz definiert. Die gemessene visuelle Dis-kriminationsfähigkeit gibt im Sinne der Aktivierungs-theorie das aktuelle Arousal der Testperson an. DieDaten der Flimmerverschmelzungsfrequenz wurdenausschließlich in die Analyse der Zusammenhangs-hypothesen einbezogen.

3.2.2 Fragebogen zur Erfassung persönlicherDaten

Der Fragebogen beinhaltet 15 Fragen mit insge-samt 41 Items zum soziodemografischen Hinter-grund des Probanden sowie zu seiner Fahrbiogra-fie, Selbsteinschätzung des Fahrvermögens undder aktuellen persönlichen Befindlichkeit. Die Ant-worten sollen sowohl den zurückliegenden Zeit-raum als auch den Zeitraum innerhalb der letztendrei Monate vor der Studienteilnahme beleuchten.

3.2.3 Die Real-Fahrt

Die Realfahrten fanden auf dem Verkehrsübungs-platz in Kaarst statt, der in der Zeit der Testdurch-führung für die Öffentlichkeit gesperrt war. DieAußenfahrbahn der Fahrstrecke hatte eine Ge-samtlänge von 1.225 m. Die Versuchspersonenmussten einen Parcours mit insgesamt 14 Aufga-ben durchfahren. In den Vortests, die dieser Unter-suchung vorausgingen, betrugen die Gesamtdurch-fahrt und Absolvierung aller Fahraufgaben ca. 1Stunde. Die Fahrten wurden in dem Zeitraum vonMai 2003 bis Juni 2005 durchgeführt. Dabei wurdendie Versuchsfahrten so durchgeführt, dass alle Ver-suchsgruppen bei annähernd gleichen Witterungs-bzw. Straßenzustandsbedingungen gefahren sind.

3.2.3.1 Das Untersuchungsfahrzeug

Die Fahrten wurden mit dem so genannten Fahr-zeug zur Interaktionsforschung im Straßenverkehr(FIS) der Bundesanstalt für Straßenwesen durchge-führt. Es birgt Platz für den Fahrer (Versuchsper-son), einen Beifahrer mit zweiter Pedalarie (Fahrleh-rer) sowie eine rückwärtige Begleitperson (Beobach-ter, Versuchsleiter). Der übrige Raum wird von derBordtechnik eingenommen. Auf dem Rücksitz sinddem Versuchsleiter alle steuerungsrelevanten Ein-heiten wie Bildschirme, Displays und Terminals zu-

gänglich, die ihrerseits vom umgebenden Verkehrnicht gesehen werden können. Das Fahrumfeld undder Fahrerraum werden von fünf versteckten Spezi-alkameras aufgezeichnet, die Aufzeichnungseinhei-ten und weitere elektronische Versorgungseinrich-tungen befinden sich im Kofferraum. Es ist zudemein Tonaufzeichnungssystem vorhanden. Die Bild-auswertung erlaubt u. a. Abstandsmessungen im ge-samten aufgezeichneten Umfeld.

Das Fahrzeug selbst ist ein VW-Passat mit 79 kWund 184 km/h Höchstgeschwindigkeit, in dessenBordcomputer folgende Daten mit einer Abtastratevon 50 Hz aufgezeichnet wurden:

• Zeit (max. Auflösung: 2 ms);

• zurückgelegter Weg (max. Auflösung: 0,04 m);

• Lenkwinkel im Gesamtbereich (max. Auflösung:0,36°);

• Bremskraft (Auflösung 0,1 kp);

• Gaspedalstellung, Weg 0-100 (Auflösung 0,1);

• eingelegter Gang (1-5, R);

• Blinker rechts/links (ja/nein) und

• Bremslicht (ja/nein).

Die Eigengeschwindigkeit wird fortlaufend über Zeitund Weg bestimmt. Ihre Auflösung ist von der Auf-zeichnungsfrequenz und der Geschwindigkeit ab-hängig; sie liegt bei ca. 0,01 km/h. ZusätzlicheKanäle erlauben die zeitgleiche Ableitung weitererParameter, etwa Innenraumtemperatur oder Puls-frequenz, Augenmuskelaktivität (EOG) und Hautwi-derstand (PGR) des Fahrers, sie wurden jedochnicht belegt.

3.2.3.2 Die Entwicklung der Fahraufgaben fürdie Realfahrt

Das Konstrukt „Fahreignung“ basiert auf dem kom-plexen Zusammenwirken sensorischer, kognitiverund motorischer Fertigkeiten, die anhand einzelnerneuropsychologischer Leistungen charakterisiertwerden können. Um ein umfassendes Leistungs-profil zu erstellen, welches die für die Führungeines Fahrzeugs notwendigen komplexen Leistun-gen erfasst, wurden die standardisierten Fahrleis-tungsaufgaben so konzipiert, dass sie den nachDONGES (1978) und WALLENTOWITZ et al.(2001) beschriebenen drei Hierarchieebenen „Navi-gation“, „Bahnführung“ und „Stabilisierung“ zuge-ordnet werden können. In Tabelle 5 wird das zu-grunde liegende Konzept, nach welchem neuropsy-

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Tab. 5: Theoretisches Konzept zur Entwicklung und Operationalisierung der Fahraufgaben

Fahrzeugführung nachDONGES (1987) undWALLENTOWITZ et al.(2001)

NeuropsychologischeLeistungskomponente

Realfahrtaufgabe Operationalisierung (abhängige Variable)

Stabilisierung

Perzeption

Akustische Wahrnehmung

Ton-Reiz-Reaktionsaufgabe im Stand (A12) Anzahl und Reaktionszeit korrekter Tastendrücke

Visuelle Wahrnehmung

Balleinrollen (A03, A14) Ball wahrnehmen: Ja/Nein

Farb-Reiz-Reaktionsaufgabe im Stand (A12) Anzahl und Reaktionszeit korrekter Tastendrücke

Aufmerksamkeit

Selektive Aufmerksamkeit

Zahlenaufgabe (A06) Reiz-Reaktionsaufgabe in der Fahrt (A13)

Spurhalten: Strecke und Dauer des Überfahrensdes Mittel- oder Randstreifens

Geteilte Aufmerk-samkeit und Vigilanz

Reiz-Reaktionsaufgabe im Stand (A12), inder Fahrt (A13)

Fehleranzahl und Reaktionszeit der Tastendrücke

Daueraufmerksamkeit Balleinrollen: Verhältnis (A03 zu A14) Probandenanteil der Nicht-Reagierer und Ballüberfahrer

Motorik

Motorische KontrolleBalleinrollen (A03, A14) Reaktionszeit

Reiz-Reaktionsaufgabe in der Fahrt (A13) Spurhalten: Strecke und Dauer des Überfahrensdes Mittel- oder Randstreifens

Visuomotorische

Kontrolle

Balleinrollen (A03, A14) Ball wahrgenommen, aber überfahren: Ja/Nein

Reiz-Reaktionsaufgabe im Stand (A12) Reaktionszeit bei richtigen Tastendrücken

Slalom (A07) Anzahl angefahrener Pylone

Kassette einlegen (A10) Walkie-Talkie (A05) Anzahl angefahrener Pylone, Länge und Zeit dergefahrenen Strecke

Ausweichmanöver (A11) Pylon angefahren: Ja/Nein

Bahnführung

Gedächtnis: Langzeit (LZG) und Kurzzeit (KZG)

LZG prozeduralWenden im Hof (A04) Anzahl der Fahrzüge

Slalom (A07) Anzahl angefahrener Pylone

LZG semantisch deklarativ

Proberunde (A01) Anzahl korrekt beachteter Verkehrsschilder, -re-geln (deklarativ)

Richtungssymboltest (A02) Anzahl korrekt benannter Richtungssymbole

KZG visuell Kurzzeitgedächtnistest (A09) Anzahl korrekt benannter Symbole

Motorik

Visuomotorische Koordination

Walkie-Talkie (A05) Slalom (A07) Kassette einlegen (A10)

Anzahl angefahrener Pylone, Dauer des Kasset-teneinlegens bzw. der Walkie-Talkie-Übergabe

Tracking

Proberunde (A01) Richtungssymboltest (A02) Zahlenaufgabe (A06) Reiz-Reaktionsaufgabe in der Fahrt (A13)

Spurhalten: Strecke und Dauer des Überfahrensdes Mittel- oder Randstreifens

Walkie-Talkie (A05) Kassette einlegen (A10) Abweichung von der berechneten Idealspur

Navigation

Kognition

Logisches Denken(Arithmetik)

Richtungssymboltest im Stand (A02) Anzahl korrekt benannter Richtungssymbole

Zahlenaufgabe (A06) Fehlerquote durchgeführter Subtraktionen

LZG deklarativ Langzeitgedächtnistest (A15) Anzahl korrekt benannter Symbole

Mentale Flexibilität Richtungssymboltest in der Fahrt (A02) Erkennungszeit: Benennung der Richtung bisPassieren des Schildes

Situativ bedingtes Agieren nach Entwicklung eines Handlungsplans

LZG prozedural, Semantisch deklarativ

s. o. s. o.

Adäquates Umsetzendes Handlungsplans

Zielbremsung (A08) Bremsbeginn, Abweichung zur Idealgeschwindig-keit, Abstand zum Ziel

Slalom (A07) Anzahl angefahrener Pylone

Wenden im Hof (A04) Anzahl der Fahrzüge, Überfahren der Wendeham-merbegrenzung, Pylon angefahren

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chologische Leistungskomponenten den drei Hier-archieebnen zugeordnet und in definierten Fahrauf-gaben operationalisiert worden sind, erläutert.

Auf der Ebene der Navigation finden planerischeProzesse vor und während der Fahrt statt. VorFahrtantritt sowie während der Fahrt muss ein vo-rausschauender Routenplan im Gedächtnis behal-ten werden und abrufbar sein. Bei der Planung vorFahrtbeginn ist ein Abruf visuell-räumlicher Infor-mationen aus dem Langzeitgedächtnis (z. B.Streckenführung, Verkehrsaufkommen, Straßen-sperrungen etc.) von großer Bedeutung. Währendder Fahrt müssen die notwendigen Informationenzur Einhaltung der Route (Verkehrsschilder, Rich-tungshinweise etc.) wahrgenommen, verstandenund berücksichtigt werden. So müssen zur Inter-pretation und Handlungsumsetzung von Verkehrs-schildern aus dem Gedächtnis abgerufene Infor-mationen mit situationsbedingten Anforderungenverknüpft und ein erforderliches Anpassen an dieeingetretene Situation erreicht werden. Um einesituationsbedingte Anpassung während der Fahrtvorzunehmen, ist ein gewisses Maß an mentalerFlexibilität erforderlich.

In die Versuchsfahrt wurden verschiedene Testszur Überprüfung des Langzeitgedächtnisses inte-griert, sowie verschiedene Aufgaben, die nach derEntwicklung eines Handlungsplans ein situations-bedingtes Agieren erforderten.

Auf der nächstuntergeordneten Ebene der Bahn-führung wird die Fahrweise an den wahrgenomme-nen Straßenverlauf und den umgebenden Verkehrangepasst. Hierunter verstehen WALLENTOWITZet al. (2001) zum einen das Folgen des Straßen-verlaufes innerhalb des jeweilig gewählten Fahr-streifens (z. B. Spurhalten) und zum anderen dieWahl einer adäquaten Fahrgeschwindigkeit. Fürein sicheres Spurhalten sollten die visuomotori-sche Koordination und eine gute Trackingfähigkeitgarantiert sein. Viele motorische Prozesse bei derQuer- und Längsführung verlaufen dabei scheinbarautomatisch bzw. unbewusst. Dafür ist ein Abrufdieser motorischen Prozesse aus dem prozedura-len Gedächtnis, d. h. dem Gedächtnis für automa-tisierte Fähigkeiten und Fertigkeiten (MILNER etal., 1998), erforderlich. Von besonderer Bedeutungsind zusätzlich deklarative Gedächtnisprozesse.Um z. B. Verkehrszeichen zu beachten, ist es nichtnur erforderlich, diese wahrzunehmen, sondern siemüssen auch gedeutet werden. Ist das geschehen,muss diese Bedeutung über eine begrenzte Zeit-

spanne im Gedächnis behalten werden, was ein in-taktes Kurzzeitgedächtnis erfordert.

In die Versuchsfahrt wurden verschiedene Testszur Überprüfung des Langzeitgedächtnisses, desKurzzeitgedächtnisses sowie Aufgaben, in denendas Tracking operationalisiert als Spurhalten ge-messen wurde, integriert.

Die unterste Ebene der Stabilisierung beschreibtdie Umsetzung der Zielgrößen des Fahrerwun-sches in Bezug auf die Fahrzeugbewegung. Daserfordert eine adäquate Bedienung der Steuerele-mente wie Lenkrad, Gaspedal oder Bremsen, diean die jeweiligen situativen Erfordernisse ange-passt wird. Voraussetzung einer Situationsanpas-sung ist das stetige Wahrnehmen und Bewertender Umgebungsbedingungen, damit ein plötzlichauftauchendes Hindernis als solches erkannt undumfahren wird. Dazu sind auf motorischer Seiteeine gute Kontrolle der Feinmotorik und eine mög-lichst kurze Reaktionszeit notwendig. Zum Verfol-gen wichtiger visueller Stimuli ist zudem eine guteKontrolle der Augenbewegung erforderlich. Aufsensorischer Ebene spielt insbesondere die visu-elle, weniger die auditorische Wahrnehmung einewichtige Rolle. Um auf Störgrößen reagieren zukönnen und aus den unzähligen visuellen Einflüs-sen während des Fahrens die relevanten heraus-zufiltern, bedarf es einer adäquaten selektivenAufmerksamkeitskapazität. Dagegen erfordert dasparallele Monitoring verschiedener Stellgrößen(Fahrzeug- und Umgebungsinformationen) die ge-teilte Aufmerksamkeit. Und wie wohl jeder aus ei-gener Erfahrung bestätigen kann, wird es umsoschwieriger, sich auf die Fahrstrecke zu konzen-trieren, je länger die Fahrt dauert. Die Dauerauf-merksamkeit gehört somit auch in das Anforde-rungsprofil der Fahreignung.

In die Versuchsfahrt wurden Tests zur Überprü-fung der verschiedenen Aufmerksamkeitsfunktio-nen und der auf die Umgebungsanforderungenangepassten motorischen Kontrolle integriert.

Über alle Fahraufgaben hinweg wurden Basispa-rameter wie die Geschwindigkeit und das Spurhal-ten erfasst und ausgewertet. Das Spurhalten wirddurch die Zeit und zurückgelegte Wegstrecke desÜberfahrens der Mittellinie sowie des Abkommensvon der Fahrbahn operationalisiert. In zwei dernachfolgend beschriebenen Aufgaben ist dasSpurhalten in der Abweichung von einer errechne-ten Idealspur definiert.

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3.2.3.3 Beschreibung der Fahraufgaben

A01 Proberunde

Alle Versuchspersonen absolvierten zunächst einevom Fahrlehrer definierte Proberunde, um sich mitdem Versuchsfahrzeug vertraut zu machen (Bild 1).Die Fahrgeschwindigkeit von 30 km/h wurde vomFahrlehrer vorgegeben, sowie der Hinweis, dass dienormalen Verkehrsregeln beachtet werden sollen.Zu dieser Zeit war sich keiner der Probanden darü-ber bewusst, dass keine weiteren Fahrzeuge aufdem Gelände fuhren. Die Proberunde von ca. 1.225m wurde nach einem kurzen Stopp zweimal gefah-ren. Zur Post-hoc-Analyse des Videomaterials wur-den pro Rundendurchfahrt an 16 Streckentestpunk-ten definierte Fahrverhaltensparameter erhoben. DieVerkehrsbeachtung an Kreuzungen, Einmündungenund im Kreisverkehr wurde durch Verhaltenspara-meter wie Spiegelblick (Innen- und Außenspiegel),Blick nach rechts und links, Schulterblick und Blin-ken operationalisiert. Ein definierter Streckenpunktbeinhaltete das Rückwärtsfahren um eine Kurve. Dieordnungsgemäße Beachtung der Verkehrsschilderfloss ebenfalls in die Auswertung ein. Die Einhaltungder Verkehrsregeln wurde untergliedert in drei Stu-fen, und die folgenden Bewertungen wurden pro de-finiertem Streckenpunkt vergeben:

1. Verkehrsregeln beachtet: Alle Schilder und Ver-kehrsregeln wurden beachtet,

2. Verkehrsregeln nicht ausreichend beachtet: so-bald eine Regel, z. B. Schild, nicht beachtetwurde,

3. Verkehrsregeln nicht beachtet: wenn alle Ver-kehrsregeln an dem jeweiligen Testpunkt nichtbeachtet wurden, z. B. Stoppschild überfahren.

Die Geschwindigkeit, die Steuer-Entropie13 und dasSpurhalten wurden über beide Proberunden ausge-wertet. Für das Spurhalten wurden die Länge – inZeit und Weg – des Überfahrens und Berührens desMittelstreifens sowie das Abkommen von der Fahr-bahn über den Randstreifen gemessen.

Für alle nachfolgenden Aufgaben gab der Fahrleh-rer die Anweisung, die Verkehrsschilder nicht mehrzu beachten.

A02 Richtungssymboltest

In Anlehnung an den Untertest „Cognitrone“ desWiener Testsystems von SCHUHFRIED wurden 15Richtungssymbolschilder entwickelt und an Kreu-zungen und Abzweigungen auf dem ADAC-Platzaufgestellt. Aus der Anordnung der Symbole aufden Schildern sollte die Fahrtrichtung erschlossenwerden. In der oberen Reihe befanden sich vierSymbole und in der unteren Reihe zwei. Die Pro-banden sollten anhand des Abgleichs der Symboleaus oberer und unterer Reihe die Fahrtrichtung wiefolgt benennen: Ist ein Symbol aus der oberenReihe in der unteren Reihe rechts angeordnet, soll-ten sie nach rechts fahren. Bei gleichem Symbolunten links sollte nach links gefahren werden.Waren in der unteren Reihe zwei Symbole aus deroberen Reihe zu sehen, galt es, geradeaus zu fah-ren (s. Bild 2).

Diese Symbolschilder wurden den Probanden an-hand von sechs Testkarten vor Antritt der Fahrt vomFahrlehrer erklärt, mit weiteren neun Testkartenwurde das Verständnis der Aufgabe überprüft undgesondert ausgewertet. Während der Fahrt solltendie Probanden, sobald sie ein Symbolschild entzif-ferten, die Fahrtrichtung benennen und nachfahren.Wurde die Fahrtrichtung falsch erkannt, wurden dieProbanden erneut am jeweiligen Schild vorbei ge-führt und hatten so die Möglichkeit, sich zu korri-

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Bild 1: A01 Proberunde

13 Die Steuer-Entropie berechnet die Abweichungen zwischenvorhergesagtem und tatsächlichem Lenkwinkel und wurdenach den Formeln von NAKAYAMA et al. (1999) berechnet.Sie dient als Maß für das Spurhalten.

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gieren. Nach einem zweiten Fehlversuch wurde dieFahrtrichtung vom Fahrlehrer angesagt.

Ausgewertet wurden hier die Richtigkeit und derZeitpunkt des Erkennens – gemessen in Weg undZeit von der Benennung der Richtung bis zum Pas-sieren des Schildes – und das Spurhalten sowie dieGeschwindigkeit.

A03 Balleinrollen

Diese Situation traf die Probanden unvorbereitet,da sie nach Anweisung des Fahrlehrers mit 30 km/heine Entspannungsrunde um den Platz fahren soll-ten.

Zur Durchführung dieser Aufgabe wurde in einerKurve am rechten Seitenrand eine für die Proban-den nicht sichtbare Ballwurfmaschine installiert (s.Bild 3). Nach Durchfahren einer Lichtschranke 33 mvor der Ballwurfmaschine wurde die Arretierung desBalls auf der Rampe gelöst und dieser rollte überdie Fahrbahn. Gemessen wurden hier die Reak-tionszeiten und -wege von der für den Probandenersten Sichtbarkeit des Balls bis zur Betätigung derBremse bzw. des Drosselns der Geschwindigkeit.Ein Ausweichmanöver sowie das Überfahren desBalls wurden gesondert erfasst. Diese Aufgabewurde am Ende der Versuchsfahrt (s. Aufgabe 14)noch einmal wiederholt.

A04 Wenden im Hof

Bei dieser Fahraufgabe fährt der Proband zwischenzwei Pylonen in einen Wendehammer, wo er mitmöglichst wenigen Fahrzügen wenden und vor-wärts wieder zwischen den Pylonen herausfahrensoll (s. Bild 4). Die Pylone dürfen beim Ein- undAusfahren nicht berührt werden.

Hier wurden die Anzahl der Fahrzüge, das Abkom-men von der asphaltierten Fläche beim Vor- undZurücksetzen, die gefahrene Zeit und Streckesowie das Berühren der Pylone erfasst.

A05 Walkie-Talkie

Die Versuchspersonen sollten, ohne anzuhalten,eine 2,47 m breite Spurgasse gebildet von siebenPylonenpaaren im Abstand von 7 m durchfahren (s. Bild 5). Bei Durchquerung des ersten Pylonen-paars klingelte ein Walkie-Talkie in der Seitentür

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Bild 2: A02 Richtungssymbolschilder

Bild 3: A03 + A14 Balleinrollen

Bild 4: A04 Wenden im Hof

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des Fahrers und der Proband wurde vom Fahrleh-rer aufgefordert, ihm dieses zu übergeben. Ausge-wertet wurden hier die Geschwindigkeit, die Entro-pie, das Spurhalten in der Pylonengasse sowie dasBerühren oder Umfahren der Pylone. Außerdem

wurden Zeit und Weg der zurückgelegten Streckezwischen Klingeln und Griff zum Walkie-Talkie ge-messen.

A06 Zahlenaufgabe (100 – 7...)

Bei dieser Aufgabe sollten die Probanden mit einerGeschwindigkeit von 30 km/h die Außenrunde derTeststrecke von ca. 590 m (s. Bild 6) fahren undwährenddessen eine Subtraktionskette, bei derfortwährend 7 subtrahiert werden sollte, laut be-rechnen. Die Ausgangszahl war 100. Wurde dieseAufgabe gelöst, bevor eine Platzumrundung been-det war, sollte erneut eine Subtraktionskette mitder Ausgangszahl 102 durchgeführt werden.

Ausgewertet wurden die Geschwindigkeit, die Steu-er-Entropie, das Spurhalten über die gesamteStrecke sowie die Anzahl und die Fehlerquote derdurchgeführten Subtraktionen.

A07 Slalomfahren

Für die Slalomfahrt wurden auf einem Streckenab-schnitt außerhalb der Teststrecke sechs Pylone imAbstand von 8 m aufgestellt. Die Probanden wur-den angewiesen, möglichst zügig und fehlerfrei denParcours zu durchfahren. Ausgewertet wurde dieLänge und Zeit der gefahrenen Strecke, die Ge-schwindigkeit und das Berühren oder Umfahren derPylone (Bild 7).

A08 Zielbremsung

Ziel dieser Aufgabe war es, auf einer 70 m langenStrecke, deren Ende durch zwei Pylone gekenn-zeichnet war, das Fahrzeug auf 50 km/h zu be-schleunigen und es durch eine Vollbremsung sonah wie möglich vor den Pylonen zum Stehen zubringen (s. Bild 8). Gemessen wurden hier derBremsbeginn, die Geschwindigkeit und der Ab-stand zum Ziel. Diese Aufgabe wurde wie die Sla-lomfahrt außerhalb der eigentlichen Teststreckedurchgeführt.

A09 Kurzzeitgedächtnistest

Zur Messung des Kurzzeitgedächtnisses wurdenan einem Streckenabschnitt acht Schilder im Ab-stand von acht Metern mit verschiedenen Symbo-len aufgestellt. Die Probanden wurden vom Fahr-lehrer aufgefordert, im Schritttempo an den Schil-dern vorbeizufahren und sich die Symbole einzu-prägen. Am Ende des Streckenabschnittes sollten

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Bild 5: A05 Walkie-Talkie

Bild 6: A06 Zahlenaufgabe (100 – 7...)

Bild 7: A07 Slalom

Bild 8: A08 Zielbremsung

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die Probanden die Symbole, die sie sich gemerkthatten, aufzählen (Bild 9).

A10 Kassette einlegen

Diese Fahrt führte in umgekehrter Richtung durchdieselben Gasse wie bei der Walkie-Talkie-Aufgabeund endete in einem Kreisverkehr (Bild 10).

Die Probanden wurden während der Fahrt aufge-fordert, eine durchsichtige Musikkassette aus derMittelkonsole, in der sich vier weitere, schwarzeKassetten befanden, zu suchen, in den Kassetten-recorder einzulegen und so lange im Kreisverkehrzu fahren, bis die Musik ertönte.

Ausgewertet wurden hier die Geschwindigkeit, dasSpurhalten in der Pylonengasse sowie dasBerühren oder Umfahren der Pylone und im Kreis-verkehr der Abstand zum rechten Seitenrand.Außerdem wurden Zeit und Weg der zurückgeleg-ten Strecke zwischen der Anweisung des Fahrleh-rers und dem Ertönen der Musik gemessen.

A11 Ausweichmanöver

Bei dieser Aufgabe sollte ein Ausweichmanöver si-muliert werden. Zu diesem Zweck wurden in einem

Kurvenbereich auf der rechten Fahrbahn zwei Py-lone als Hindernis aufgestellt (s. Bild 11). Da dieSicht durch die Pylone nicht beeinträchtigt war, so-dass z. B. entgegenkommende Fahrzeuge frühzei-tig erkannt werden konnten, hätten alle Probandenlinks am Hindernis vorbeifahren können. Es wurdedas Verhalten der Probanden beim Auftauchen desHindernisses erfasst. Bei Probanden, die vor demPylon stoppten, wurde der Frontabstand, bei Pro-banden, die um den Pylon herumfuhren, der Sei-tenabstand zum Hindernis gemessen. Des Weite-ren wurde erfasst, wenn ein Proband den Pylonberührte oder ihn überfuhr.

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Bild 9: A09 Kurzzeitgedächtnis

Bild 10: A10 Kassette einlegen

Bild 11: A11 Ausweichmanöver

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A12 Reiz-Reaktions-Test im Stand

In Anlehnung an den „Wiener Determinationstest“von SCHUHFRIED wurde ein Mehrfachreiz-Reak-tionstest, bei dem sowohl akustische Signale alsauch Farbreize mittels Tastendruck beantwortetwerden mussten, in das Versuchsfahrzeug instal-liert. Dieses Gerät besteht aus einem Universalpa-nel auf dem Lenkrad sowie aus einer Leucht-diodenleiste auf dem Armaturenbrett (s. Bild 12).Den Farben Weiß, Gelb, Rot, Grün und Blau sindReaktionstasten auf dem Universalpanel zugeord-net. Mit zwei weiteren Tasten auf dem Panel mus-ste auf akustische Reize reagiert werden. Insge-samt waren 180 Tastendrücke möglich. Um sich mitdiesem Gerät vertraut zu machen, wurde der Testzuerst im Stand durchgeführt.

Ausgewertet wurden hier die Latenz und die Anzahlreizadäquater Reaktionen.

A13 Reiz-Reaktions-Test während der Fahrt

Bei dieser Aufgabe sollten die Probanden mit einerGeschwindigkeit von 30 km/h die Außenrunde derTeststrecke (590 m) fahren und währenddessendas oben beschriebene Mehrfachreiz-Reaktions-gerät bedienen. Hier wurde neben Latenz und An-zahl reizadäquater Reaktionen auch das Spurhal-ten gemessen.

A14 Ballwurfmaschine

Bei einer angeblichen Entspannungsrunde wurdehier die eingangs unter A03 beschriebene Ballauf-gabe wiederholt.

A15 Langzeitgedächtnis

Am Ende der Testfahrt wurden die Probanden ge-beten, noch einmal die Symbole der Aufgabe Kurz-zeitgedächtnis (A09) aufzuzählen. Die Auswertungerfolgte wie beim Kurzzeitgedächtnis, die Proban-den sollten die Symbole, die sie sich gemerkt hat-ten, aufzählen.

Alle Aufgaben wurden nach Anweisungen und Er-läuterungen des Fahrlehrers durchgeführt.

3.2.3.4 Beurteilungen des Fahrlehrers

Am Ende der Versuchsfahrten füllte der Fahrlehrereinen Fragebogen zum Fahrverhalten der Proban-den aus. Hier konnten gravierende Fahrmängel wiedie Notwendigkeit des Eingreifens des Fahrlehrers

während der Fahrt sowie sonstige Auffälligkeitender Probanden eingetragen werden. Auch eine Ein-schätzung des Fahrlehrers zur körperlich-mentalenBeanspruchung des Probanden während der Ver-suchsfahrt wurde abgegeben. Die in den Fragebo-gen eingetragenen Fahrlehrerbemerkungen wur-den post hoc verwendet, um eine Beurteilung derFahreignung vorzunehmen.

Folgende Kriterien dienten der abschließendenFahreignungsbeurteilung des Fahrlehrers:

Eingreifen des Fahrlehrers:

• Ein- oder mehrmaliger aktiver Eingriff (z. B. Griffins Lenkrad oder Benutzung der Bremspedala-rie),

• ein- oder mehrmaliger verbaler Eingriff.

Sonstige Auffälligkeiten:

• Ausführung der Aufgabe wurde verweigert,

• Aufgabe wurde abgebrochen,

• entgegen der Anweisung wurden Verkehrsschil-der beachtet,

• Ball oder Schild wurde nicht registriert,

• Aufgabenstellung musste wiederholt werden,

• Proband wirkte nervös, angespannt und über-fordert,

• Proband war abwesend und unkonzentriert,großer Erschöpfungszustand gegen Fahrende.

Anhand der festgestellten Bemerkungen konnte derFahrlehrer die Probanden zum Fahreignungsurteilden drei Rubriken „geeignet“, „fraglich“ und „unge-eignet“ zuteilen, wobei das Urteil „geeignet“ nur ge-

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Bild 12: A12 + A13 Reiz-Reaktions-Testgerät

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fällt wurde, wenn keine Bemerkung verzeichnet waroder die Probanden ausschließlich die Bemerkun-gen „entgegen der Anweisung wurden Verkehrs-schilder beachtet“ oder „Ausführung der Aufgabewurde verweigert“ erhielten.

Als ungeeignet beurteilt wurden Probanden, diemindestens einen aktiven Eingriff oder die Bemer-kung „nervös/angespannt/überfordert“ erhielten.

Wenn mindestens eine der folgenden Bemerkun-gen: „Aufgabe abgebrochen und wiederholt“,„Ball/Schild nicht registriert“, „abwesend/unkonzen-triert“, „mehrmaliger verbaler Eingriff“ festgehaltenwurde, bestanden Zweifel an der Fahreignung.

Fahrsimulator

Ursprünglich war geplant, auch Daten mit demSmart-Simulator N10PC-3/61 zu erheben. DieserSimulator verfügt über eine Vibrationseinrichtung,die gemäß der Drehzahl des nachgebildeten Mo-tors den Wagen in eine vorbildgetreue Erschütte-rung versetzt. Mit diesem kinetischen Feedback sollneben einem natürlicheren Fahrgefühl auch die all-gemein bekannte Simulatorkrankheit gedämpftwerden. Dennoch musste die Versuchsdurch-führung am Fahrsimulator nach 10 Probanden ab-gebrochen werden. Alle 10 Probanden klagten überextreme Übelkeit und keiner war in der Lage, dieeinstündige Simulatorfahrt bis zum Ende durchzu-führen. Aus diesen Gründen liegen keine Daten vorund somit konnte auch keine Auswertung erfolgen.

3.3 Versuchsplan

Alle der insgesamt 109 Versuchspersonen wurdenüber den Zweck und den Ablauf der Untersuchungaufgeklärt. Da das Untersuchungsdesign neben derumfassenden ärztlichen Untersuchung jeweilszweistündige Testphasen für die psychometrischenTestverfahren und die Realfahrt sowie eine einstün-dige Testphase im Fahrsimulator vorsah, wurde dieGesamtuntersuchung auf zwei Untersuchungstageinnerhalb einer Woche verteilt (Tabelle 6). Umeinen tageszeitlichen Einfluss auf die Leistungen inden unterschiedlichen Testverfahren auszuglei-chen, wurde versucht, die Versuchsgruppen so auf-zuteilen, dass Probanden aus jeder Gruppe zu ver-schiedenen Tageszeiten an den unterschiedlichenTestverfahren teilnahmen.

Die Erhebung der Routinelabordaten und des PSE-Summenscores am ersten Untersuchungstag dien-

te der Überprüfung des aktuellen gesundheitlichenZustandes sowie der zuvor eingeteilten Probanden-gruppen. Jeweils vor Beginn der Realfahrt fülltendie Versuchspersonen einen Fragebogen zur Erhe-bung soziodemografischer und fahrbiografischerDaten sowie zur Erfassung der aktuellen Befind-lichkeit aus. Die ärztlichen Untersuchungen, psy-chometrischen Erhebungen und die Fahrsimulationwurde in der Klinik für Gastroenterologie, Hepatolo-gie und Infekt der Universität Düsseldorf durchge-führt. Die Realfahrten fanden auf dem Verkehrs-übungsplatz in Kaarst statt.

3.4 Statistische Verfahren

Auswertung des Fragebogens

Zur Auswertung des Fragebogens wurden deskrip-tive Verfahren wie Mittelwert-, Median-, Minimum-,Maximumberechnungen herangezogen. Zur besse-ren Veranschaulichung wurden im Text sowie inden Darstellungen trotz der kleinen Gruppengrößenkeine absoluten Werte sondern Prozentwerte ange-geben. Diese Entscheidung beruht auf der Tatsa-che, dass die jeweilige Probandenanzahl in denGruppen stark differiert und sich dem Leser des-kriptive Unterschiede und daher auch die Darstel-lung der jeweiligen Probandenanteile klarer er-schließen.

Auswertung der Realfahrt

In Abhängigkeit vom Skalenniveau der betrachtetenVariablen wurden bei den Vergleichen zwischen denProbanden-Gruppen einheitlich folgende Auswer-tungsstrategien verfolgt. Bei kategorialen Variablenwurde neben der Kreuztabellierung mit den Proban-

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Tab. 6: Zeitlicher Versuchsablauf

Untersuchungstag 1

8.00 Uhr

Erhebung der Routinelabordaten LeberwerteMangan, Zink, Benzodiazepine, Taurin etc.PSE-Index (z. T. EEG)

Sonografie

klinische Untersuchung

9.00-10.00 PSE-Summenscore

10.00-12.00Psychometrie oder Fahrsimulation oder Real-Fahrt

14.00-16.00Psychometrie oder Fahrsimulation oder Real-Fahrt

Untersuchungstag 2

10.00-12.00Psychometrie oder Fahrsimulation oder Real-Fahrt

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den-Gruppen jeweils ein exakter Randomisations-Test gerechnet, da die Voraussetzungen für den ap-proximativen χ2-Test vielfach nicht erfüllt sind.

Bei metrischen Variablen wurden zusätzlich zur Ta-bellierung der nach Gruppen getrennten Vertei-lungskennwerte (Mittelwert, Streuung, Median, Mi-nimum, Maximum) einfaktorielle Varianzanalysengerechnet.

Zur Illustration deskriptiver Unterschiede wurdenBalkendiagramme erstellt. Auch hier wurden zumTeil, wenn es der Veranschaulichung von Gruppen-unterschieden diente, trotz der kleinen Gruppen-größen keine absoluten Werte, sondern Prozent-werte angegeben.

Sämtliche Signifikanztests wurden ungerichtet aufjeweils α = 0,05 durchgeführt. Im Falle signifikanterErgebnisse werden grundsätzlich der jeweilige p-Wert sowie die empirische Effektgröße genannt. ImRahmen der Varianzanalyse wird als Effektgrößeη2 (Anteil der aufgeklärten Varianz der abhängigenVariablen), bei Häufigkeitsanalysen als globalesZusammenhangsmaß Cramers V angegeben.

Im Anschluss signifikanter Ergebnisse der Varianz-analysen wurden nach BONFERRONI korrigiertePaarvergleiche gerechnet. Sämtliche in diesen Ver-gleichen gefundenen Unterschiede werden im Textberichtet. Das bei diesen Vergleichen zu unter-schreitende korrigierte Niveau liegt bei α’ = 0,05/10= 0,005.

4 Ergebnisse

4.1 Stichprobenbeschreibung

Insgesamt ist es gelungen, die 109 Probanden denjeweiligen Versuchsgruppen so zuzuordnen, dassdiese hinsichtlich der Verteilung der soziodemogra-fischen Merkmale vergleichbar sind. Auch wennweniger Frauen (n = 22) an der Untersuchung teil-genommen haben als Männer (n = 87), war die Ge-schlechterverteilung über die verschiedenen Krank-heitsstufen weitestgehend homogen. Insgesamthaben jedoch mehr gesunde Frauen als Männer ander Untersuchung teilgenommen. So konnten 59 %der Frauen und 40 % der Männer der gesundenKontrollgruppe zugeordnet werden. Demzufolgehaben weniger weibliche als männliche Leberpati-enten an der Untersuchung teilgenommen. DerFrauenanteil in der manifesten HE-Gruppe (oHE)war ca. 10 Prozentpunkte und in der Fettleber-

Gruppe (SH) ca. 5 Prozentpunkte kleiner als derMänneranteil (Bild 13).

Die Probanden sind im Durchschnitt 55 Jahre alt(Min: 31, Max: 81, SD: 11,6) und ihre Altersvertei-lung ist über alle Versuchsgruppen homogen (s. Ta-belle 7), wobei die Probanden mit einer manifestenHE (oHE) mit durchschnittlich 60 Jahren die ältesteund die klinisch unauffälligen Probanden (HE0) mitdurchschnittlich 52 Jahren die jüngste Versuchs-gruppe gebildet haben.

Die meisten Hauptschulabsolventen finden sich mit57 % in der Probandengruppe mit manifester HE(oHE), gefolgt von jeweils 30 % der Probanden ausden Gruppen mit einer minimalen HE (mHE) oderFettleber (SH). Dementsprechend befinden sich diemeisten Abiturienten unter den Gesunden (43 %)und klinisch unauffälligen Probanden (HE0; 50 %).

Zum Zeitpunkt der Untersuchung sind 60 % der Ge-sunden, 50 % der klinisch Unauffälligen (HE0), 33 % der minimal Erkrankten (mHE), 30 % der Fett-leberpatienten (SH) und 21 % der Probanden mitmanifester HE (oHE) erwerbstätig.

4.2 Fahrbiografische Daten

Sowohl der Besitz des Führerscheins wie auch dieDauer der Fahrpraxis unterscheiden sich zwischenden Gruppen nicht. So sind alle Probanden imSchnitt seit 35 Jahren (Min: 6, Max: 64, SD: 11,5)im Besitz eines Führerscheins und haben durch-

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Tab. 7: Altersverteilung der Probandengruppen

Gesund HE0 mHE oHE SH

n 48 10 27 14 10

Mittelwert 54,63 51,50 53,11 60,43 59,70

Streuung 12,0 9,6 11,6 9,8 11,8

Minimum 31 39 36 44 40

Maximum 76 66 81 72 74

Bild 13: Geschlechterverteilung über die fünf Versuchsgruppen

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schnittlich 33 Jahre Fahrpraxis (Min: 7, Max: 64,SD: 11,2), wobei Probanden mit einer unauffälligenHE (HE0) die geringste Fahrpraxis mit durch-schnittlich 31 Jahren und die Probanden mit einermanifesten HE (oHE) mit durchschnittlich 39 Jah-ren die längste Fahrpraxis haben. Rund ein Zehntelaller Probanden gibt an, seit mindestens sechs Mo-naten nicht mehr selbst gefahren zu sein, wobeihier sechs Probanden mit minimaler HE (mHE) dengrößten Anteil an Nicht-Fahrern stellen. Nur jeweilsein Gesunder und ein Fettleberproband (SH) sowiezwei Probanden mit manifester HE (oHE) sind seitmindestens einem Jahr nicht mehr selbst gefahren.

Bei den gefahrenen Kilometerangaben innerhalbdes letzten Jahres heben sich mit mindestens drei-mal so hohen Kilometerangaben im Vergleich zuden anderen Gruppen die Probanden mit minimalerHE (mHE) ab.

Auffällig sind die Angaben zum bisherigen Unfallge-schehen. So geben 43 % Prozent der Probandenmit manifester HE (oHE) an, niemals in ihremLeben an einem Unfall beteiligt gewesen zu sein,gefolgt von Probanden mit minimaler HE (mHE, 37 %) (s. Bild 14).

Bezieht man die Frage der Unfallvorgeschichte aufden Zeitraum zwischen Krankheitsbeginn und demZeitpunkt der Untersuchung, gaben alle Patientenmit einer unauffälligen HE (HE0), 93 % mit einermanifesten HE (HE0), 90 % der Fettleberpatientenund 89 % der Probanden mit einer minimaler HE(mHE) an, nicht an einem Unfall beteiligt gewesenzu sein (s. Bild 15).

Auch wenn alle Probanden mit manifester HE(oHE) angegeben haben, seit Krankheitsbeginn ankeinem Unfall beteiligt gewesen zu sein, so gebendoch 43 % von ihnen an, innerhalb der letzten dreiMonate beim Zurücksetzen einen Gegenstand an-gefahren zu haben, den sie vorher nicht gesehenhaben. Diesen Fahrfehler beschreiben auch 40 %der Fettleberpatienten, aber nur 23 % der Gesun-den, 20 % der klinisch Unauffälligen (HE0) und 19 % der minimalen HE-Patienten (mHE).

Durch selbst verschuldetes Verhalten in kritischeVerkehrssituationen innerhalb der letzten 3 Monategekommen zu sein, wurde von allen Leberpatiententendenziell häufiger bejaht, so gibt z. B. die Hälfteder Probanden mit unauffälliger HE (HE0) an, beimHeranfahren an eine Kreuzung in die falsche Fahr-spur geraten zu sein, wohingegen nur 29 % deroHE-, 22 % der mHE- und 10 % der SH-Probanden

diesen Fahrfehler angaben (Gesunde: 33 %). In dergleichen Reihenfolge fielen auch die Antworten zuder Frage, ob man sich gut auf den Verkehr kon-zentrieren kann, aus. So gaben 80 % der SH-, 48 %der mHE-, 43 % der oHE-Probanden und 35 % derGesunden an, niemals unkonzentriert während desFahrens zu sein, wohingegen nur 20 % der klinischUnauffälligen (HE0) keine Konzentrations-schwächen angaben.

Auffällig ist, dass alle Fragen innerhalb dieser Ru-brik „selbst verschuldetes Verhalten“ von rund 20 %der Probanden mit minimaler HE (mHE) und vonrund 15 % der Probanden mit manifester HE (oHE)unbeantwortet blieben. Die klinisch Unauffälligen(HE0) bejahen am häufigsten Fragen zu selbst er-lebten Problemen beim Autofahren, so gibt auchnur ein Drittel von ihnen an, keine Schwierigkeitenbeim Autofahren zu haben (s. Bild 16).

Bei der Selbstbeurteilung des Fahrvermögens imVergleich zu Personen gleichen Alters geben nur ei-nige Gesunde (4,2 %) und klinisch unauffällige HE-Probanden (HE0, 10 %) an, schlechter abzuschnei-den (s. Bild 17).

Ihren augenblicklichen persönlichen Zustand beur-teilen die gesunden und minimalen HE-Probanden(mHE) am besten. Dagegen fühlen sich die übrigenLeberpatienten eher matt oder müde.

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Bild 14: Angaben zur Unfallvorgeschichte aller Versuchsgrup-pen

Bild 15: Unfallfreiheit seit Krankheitsbeginn der 4 Leberpatien-tengruppen

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4.3 Versuchsfahrt auf dem ADAC-Ver-kehrsübungsgelände in Kaarst

Es ist gelungen, die Versuchstage so zu wählen,dass alle Gruppen zu vergleichbaren Witterungsbe-dingungen gefahren sind bzw. dass die Witterungs-und Straßenzustandsbedingungen über alle Grup-pen annähernd gleichverteilt waren (Bild 18).

In Bild 18 sind die Daten über die Witterungsver-hältnisse „es regnet leicht/nieselt“ und „nasserStraßenzustand nach Regen“ in der Rubrik „nass“zusammengefasst. Bei stärkerem Regen oderSchneefall wurde nicht gefahren.

Gesamtversuchsdauer

In den Vortests, die dieser Untersuchung voraus-gingen, betrugen die Gesamtdurchfahrt und Absol-vierung aller Fahraufgaben ca. 1 Stunde, was in derRegel von den Probanden auch eingehalten wer-den konnte.

Dennoch unterscheidet sich die Gesamtversuchs-dauer signifikant zwischen den Gruppen (η2 = 0,19;p = 0,00), wobei die Probanden mit manifester(oHE) und minimaler HE (mHE) die längsten Zeiten

aufweisen und im Paarvergleich jeweils signifikantvon den Gesunden abweichen (s. Bild 19).

4.4 Auswertung der Fahraufgaben

Einige Messwerte wurden bei allen bzw. mehrerenRealfahrtaufgaben erhoben und einheitlich zu denin Tabelle 8 aufgeführten Kennwerten berechnet.

Zur Bestimmung der Steuer-Entropie (vgl. Aufgabe1 und Aufgabe 6) wurden zunächst für alle Proban-den die Verteilungen der Abweichungen zwischenvorhergesagten und tatsächlichen Lenkwinkelnnach den Formeln von NAKAYAMA et al. (1999) be-rechnet. Als individueller α-Wert wurde der Mittel-wert des 95%-Quantils und dem Betrag des 5%-Quantils der Prognosefehlerverteilungen gewählt.Die Entropiewerte wurden anschließend für alleProbanden auf Basis des mittleren α-Wertes derGesunden berechnet, d. h. für alle Personen aufBasis ein und desselben α-Wertes.

Die Aufbereitung der für die einzelnen Aufgabenspezifischen Messwerte wird in den folgenden Ab-schnitten erläutert.

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Bild 16: Angabe zum Auftreten von Fahrschwierigkeiten allerVersuchsgruppen

Bild 17: Selbstbeurteilung des Fahrvermögens im Altersver-gleich

Bild 18: Straßenzustand über die gesamte Versuchszeit für alleGruppen

Bild 19: Minimum, Median und Maximum der Versuchsdauer(in min) gesamt

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A01 Proberunde

In dieser Aufgabe sollten die Probanden bei einervorgegebenen Fahrgeschwindigkeit von 30 km/hden Richtungsanweisungen des Fahrlehrers folgenund dabei die Verkehrsregeln und Verkehrsschilderbeachten.

Geschwindigkeit

Die mittlere Geschwindigkeit unterscheidet sich zwi-schen den Gruppen, wobei die Probanden mit ma-nifester (oHE) und minimaler HE (mHE) am lang-samsten fahren (η2 = 0,10; p = 0,04) (s. Tabelle 9).

Die auf α´ = 0,005 nach BONFERRONI korrigiertenPaarvergleiche sind trotz der Gesamtsignifikanzhier sämtlich nicht signifikant.

Entropie

Es wurde erwartet, dass insbesondere Probandenmit manifester HE (oHE) höhere Werte der Steue-rentropie aufweisen als gesunde Probanden. Ent-gegen dieser Erwartung zeigt sich hier jedoch, dassdie Probanden mit manifester HE (oHE) die ge-ringsten Entropiewerte aufweisen.

Da die Entropiewerte mit der durchschnittlichen Ge-schwindigkeit korrelieren (r = 0,55, p = 0,00), wurdeeine Varianzanalyse mit der Geschwindigkeit alsKovariate durchgeführt. Aber auch dann weisen dieso geschätzten Mittelwerte darauf hin, dass Pro-banden mit manifester HE (oHE) im Mittel tenden-ziell die geringsten Entropiewerte haben (s. Tabelle10).

Spurhalten

Das Spurhalten („Überfahren der Mittellinie“) unter-scheidet sich zwischen den Probandengruppen im

Hinblick auf die aufsummierte Dauer (η2 = 0,17; p =0,00) und die zurückgelegte Wegstrecke (η2 = 0,13;p = 0,02). Die Patienten mit einer minimalen (mHE)oder manifesten Form der HE (oHE) überfahrendurchschnittlich länger die Mittellinie als die übrigenProbandengruppen (s. Bild 20). In der Post-hoc-Analyse der zeitlichen Dauer des Mittellinienüber-fahrens zeigt sich, dass die Signifikanz auf den Un-terschied zwischen Gesunden und Probanden mitmanifester HE (oHE) zurückzuführen ist. Die Paar-vergleiche der zurückgelegten Wegstrecken sindhingegen alle nicht signifikant.

Das Spurhalten wurde getrennt nach der Fahrtrich-tung ausgewertet. Für die Rückwärtsfahrt ergebensich signifikante Unterschiede bezüglich des „Ab-

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Tab. 8: Auswertungsschema

Aufgaben Variablen der Rohdatensätze Kennwerte

1-8; 10; 11; 13; 14

[zeit] Zeit ab Abfahrt Zeitdauer in Sekunden

[weg] Zurückgelegte Wegstrecke Gesamtstrecke in Metern

[geschw] Geschwindigkeit km/hArithmetisches Mittel der Geschwindigkeit Minimum, Median und Maximum der Geschwindigkeit

[strzu] StraßenzustandVorwiegender Straßenzustand („nass“ oder „trocken“ unter Einbezug derWitterungsverhältnisse)

1; 2; 3; 6; 13; 14 [spurh] Spurhalten

Anzahl der Ereignisse des Abkommens von der Fahrbahn durch Mittel-oder Randstreifenüberfahrt Gesamtdauer (Zeit zwischen jeweiligem Ereignisbeginn und -ende) gesamt zurückgelegte Wegstrecke (analog zur Gesamtdauer)

Tab. 9: (A01) Durchschnittliche Geschwindigkeit

Gültige n

Mittel-wert

Streuung Minimum Median Maxi-mum

Gesund n = 41 19,22 1,95 15,61 19,36 23,18

HE0 n = 8 19,27 1,71 16,64 19,17 22,50

oHE n = 12 17,51 2,68 11,98 17,71 22,46

SH n = 10 18,77 1,75 16,02 18,88 21,01

mHE n = 21 17,92 2,05 15,10 18,11 23,18

Gesamt n = 92 18,66 2,11 11,98 18,46 23,18

Tab. 10: (A01) Steuerentropie

Gültige n

Mittel-wert

Streuung Minimum Median Maxi-mum

Gesund n = 41 ,46 ,05 ,38 ,45 ,60

HE0 n = 8 ,45 ,05 ,36 ,45 ,50

oHE n = 12 ,41 ,06 ,34 ,41 ,52

SH n = 10 ,46 ,04 ,40 ,46 ,51

mHE n = 21 ,46 ,04 ,39 ,45 ,54

Gesamt n = 92 ,45 ,05 ,34 ,45 ,60

Page 31: Fahreignung neuro- logischer Patienten – Untersuchung am ... · Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen Fahreignung neuro-logischer Patienten – Untersuchung am Beispiel

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kommens von der Fahrbahn“ (η2 = 0,29; p = 0,03),wobei die Probanden mit minimaler HE (mHE) amhäufigsten von der Fahrbahn abkommen.

Verkehrsbeachtung

Die ordnungsgemäße Beachtung der Verkehrs-schilder floss ebenfalls in die Auswertung ein. DieEinhaltung der Verkehrsregeln wurde untergliedertin drei Stufen und die folgenden Bewertungen wur-den pro definiertem Streckenpunkt vergeben:

1. Verkehrsregeln beachtet: Alle Schilder und Ver-kehrsregeln wurden beachtet,

2. Verkehrsregeln nicht ausreichend beachtet: so-bald eine Regel, z. B. Schild, nicht beachtetwurde,

3. Verkehrsregeln nicht beachtet: wenn alle Ver-kehrsregeln an dem jeweiligen Testpunkt nichtbeachtet wurden, z. B. Stoppschild überfahren.

Deskriptiv deutet sich an, dass Probanden mit ma-nifester (oHE) und minimaler HE (mHE) etwas häu-figer den Verkehr nicht oder nicht ausreichend be-achten.

A 02 Richtungssymboltest

Auf dem Testgelände waren 15 Richtungssymbol-schilder aufgestellt, denen die Probanden folgensollten. Aus der Anordnung der Symbole auf denSchildern sollte die Fahrtrichtung erschlossen, be-nannt und anschließend befolgt werden.

Richtungssymboltest im Fahrzeugstand

Diese Aufgabe diente als Baseline-Erhebung, umdas Aufgabenverständnis zu überprüfen. Bevordiese Aufgabe während der Fahrt durchgeführt

wurde, sollten die Probanden ihnen vorgelegteRichtungssymbolschilder identifizieren (links,rechts, geradeaus). Die Anzahl der korrekten Rich-tungsansagen bei Fahrzeugstillstand unterscheidetsich zwischen den Gruppen nicht signifikant. AlleProbanden haben im Mittel sieben von neun Rich-tungsanzeigen14 korrekt benannt. Somit konnte ga-rantiert werden, dass alle Probanden die Zielset-zung der Aufgabe verstanden haben und anwen-den können.

Richtungssymboltest während der Fahrt

Die durchschnittlichen Geschwindigkeiten zwi-schen den Gruppen unterscheiden sich (η2 = 0,15;p = 0,01), wobei hier, wie auch in Aufgabe A01, dieProbanden mit manifester HE (oHE) am langsam-sten fahren und sich signifikant im Post-hoc-Ver-gleich von den Gesunden unterscheiden. Zu be-achten ist aber, dass die Probanden aufgrund wie-derholter Aufgabenstellung bei falscher Bearbei-tung unterschiedlich lange Strecken gefahren sind.

Richtungsansage

Die Probanden sollten, sobald sie die aus den 14Symbolschildern zu identifizierende Fahrtrichtungerkannten, diese laut benennen.

Gesunde Probanden erzielen die meisten korrektenRichtungsansagen (η2 = 0,23; p = 0,00). In derPost-hoc-Analyse nach BONFERRONI sind hierdie Unterschiede zwischen Gesunden und Patien-ten mit einer minimalen (mHE) oder manifestenForm (oHE) der HE signifikant (s. Bild 21).

Erkennungszeitraum

Diese Variable spiegelt die Zeit wider, die ein Pro-band benötigt, um das Symbolschild zu erkennenund die identifizierte Richtung zu benennen. Ge-messen wird hier der Zeitraum zwischen Rich-tungsansage und Erreichen des Schilds.

Da die Probandengruppen unterschiedlich schnellgefahren sind, wird zur Auswertung des Erken-nungszeitraums die jeweilige Entfernung zumSchild zum Zeitpunkt der Fahrtrichtungsansage ge-messen. Es zeigen sich hierbei tendenzielle Unter-

Bild 20: (A01) Mittelwerte „Mittellinie überfahren“ in Metern(Säulen) und Sekunden (Punktlinie)

14 Die meisten richtigen Antworten geben die Gesunden mit 7 im Mittelwert, und die Gruppe der Fettleberpatienten mit6,2 im Mittel identifizierte die wenigsten Symbole.

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schiede zwischen den Gruppen (p = 0,08), wobeidie Gesunden trotz höchster Fahrtgeschwindigkeitdie korrekte Fahrtrichtung in der größten Entfer-nung zum Schild erkennen und benennen. Je aus-geprägter das Krankheitsbild der HE ist, destonäher und langsamer fahren die Probanden an dasSchild heran, um die Fahrtrichtung zu identifizieren.Die Fettleberpatienten schneiden bei dieser Aufga-be am schlechtesten ab (s. Bild 22).

Berücksichtigt man in dieser Auswertung auch dieDaten der falschen Richtungsansagen, so zeigtsich, dass Patienten mit einer minimalen HE (mHE)bei Schildern, die sie falsch identifizierten, langsa-mer gefahren sind als bei korrekter Identifizierung.Alle anderen Probandengruppen sind bei korrekterund falscher Identifizierung vergleichbar schnell ge-fahren.

Spurhalten

Beim direkten Vergleich der Variablen zum Spur-halten („Berühren der Mittellinie“) zeigen sich signi-

fikante Unterschiede hinsichtlich der Dauer (η2 =0,10; p = 0,05) und der Länge der berührtenStrecke (η2 = 0,10; p = 0,04). Auch hinsichtlich des„Überfahrens der Mittellinie“ deuten sich Unter-schiede zwischen den Gruppen an (Anzahl: η2 =0,10; p = 0,05; Zeit: η2 = 0,09; p = 0,06). So habenPatienten mit einer minimalen HE (mHE), gefolgtvon Patienten mit manifester HE (oHE) und denFettleberpatienten (SH) am längsten die Mittellinieüberfahren (s. Bild 23).

Da aber Probanden, die in die falsche Richtung ge-fahren sind, die jeweiligen Schilder wiederholt an-steuern mussten, unterscheiden sich die insgesamtzurückgelegten Wegstrecken erheblich. Zudemsind die Korrelationen zwischen Gesamtzeit und -strecke mit den Variablen des Spurhaltens durch-weg positiv und signifikant. Daher wurden die Zei-ten und Strecken der einzelnen Variablen zumSpurhalten an der Gesamtfahrtzeit bzw. -strecke re-lativiert. Die sich hier ergebenden Unterschiedesind insgesamt klein und nicht signifikant.

A03 und A14 Balleinrollen

In dieser Aufgabe wurde nach Durchfahren einerLichtschranke unvorhergesehen das Balleinrollenauf die Fahrbahn ausgelöst. Die Anweisung desFahrlehrers lautete, dass die Probanden in einerEntspannungsrunde mit 30 km/h die Außenrundedes Parcours entlang fahren sollten. Erfasst wurdehier das Reaktionsverhalten der Probanden.

Geschwindigkeit

Erster Streckenabschnitt bis zum Einrollen desBalls auf die Fahrbahn:

Die Fettleberpatienten (SH) fahren zu Beginn die-ser Aufgabe im Mittel etwa 2 km/h schneller als die

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Bild 21: (A02) Mittelwerte der Anzahl korrekter Richtungsansa-gen

Bild 22: (A02) Mittelwerte des Abstands zum Symbolschild(Säulen) und der Geschwindigkeit (Punktlinie) zumZeitpunkt der korrekten Richtungsansage (hellgrau)und zum Zeitpunkt korrekter und falscher Richtungs-ansagen (dunkelgrau)

Bild 23: (A02) Mittelwerte des Berührens und Überfahrens derMittellinie in Metern

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anderen Gruppen. Zum Zeitpunkt des Balleinrol-lens (erstmögliche Ballsicht) fahren die Fettleberpa-tienten (SH) immer noch 1,4 km/h schneller und dieProbanden mit minimaler HE (mHE) 0,9 km/hlangsamer als das Gesamtmittel aller Gruppen. Alleanderen Gruppen fahren zum Zeitpunkt des Ball-einrollens ein vergleichbares Tempo. Bei Wiederho-lung der Ballaufgabe (A14) gibt es im Mittel keinewesentlichen Geschwindigkeitsunterschiede zwi-schen den Gruppen.

Zweiter Streckenabschnitt ab dem Einrollen desBalls auf die Fahrbahn:

Zwischen dem Einrollen des Balls (erstmöglicheBallsicht) und dem Erreichen der Ballmaschine re-duzieren alle Gruppen die Geschwindigkeit, wobeidie Gesunden sowie die Probanden mit klinisch un-auffälliger HE (HE0) das Tempo in beiden Aufgabenstärker drosseln als die anderen Gruppen (Aufgabe3: η2 = 0,09; p = 0,10; Aufgabe 14: η2 = 0,03; p =0,57).

Beim erstmaligen Durchführen der „Ballaufgabe“(A03) unterscheiden sich die Gruppen signifikanthinsichtlich der Häufigkeiten, mit denen vom Gasgegangen (η2 = 0,36; p = 0,02) bzw. gebremstwurde (η2 = 0,39; p = 0,01) (s. Bild 24). Analog zumVergleich der Temporeduktion zeigt sich, dass derAnteil von Probanden, die nach erstmöglicher Ball-sicht vom Gas gegangen sind oder auch gebremsthaben, in den Gruppen von Probanden mit klinischunauffälliger HE (HE0, je 88 %) und gesunden Pro-banden (je über 60 %) am größten ist. Von denFettleberpatienten (SH) drosseln nur 22 % ihre Ge-schwindigkeit und nur die Hälfte von diesen leitetweiterhin einen Bremsvorgang ein, obwohl sie mitder vergleichsweise höchsten Geschwindigkeit fah-ren. Von den manifesten HE-Probanden (oHE) rea-

gierten 33 %, von den minimalen HE-Probanden 45 % mit einer Geschwindigkeitsreduktion zumZeitpunkt der erstmöglichen Ballsicht.

Bei wiederholter Aufgabenstellung (A14) hat sich imVergleich zum ersten Durchlauf (A03) der Anteil vonProbanden, die nach erstmöglicher Ballsicht vomGas gegangen sind oder auch gebremst haben, infast allen Gruppen erhöht. Dabei weist die Gruppeder minimalen HE-Probanden (mHE) den größtenAnteil der „Nicht-Reagierer“ auf. Nur in der Gruppeder klinisch Unauffälligen (HE0) bremsten unddrosselten bei der Aufgabenwiederholung (A14)weniger Probanden. Die Gruppenunterschiede sindhier im Gegensatz zu Aufgabe 03 nicht signifikant(Drosseln: η2 = 0,21; p = 0,42; Bremsen: η2 = 0,18; p = 0,60).

Reaktionszeiten und -wege

In diese Auswertung können nur die Daten der Pro-banden eingehen, die die Geschwindigkeit drosselnoder abbremsen. Die Reaktionszeiten und -wege,gemessen über die Abstände zwischen dem Einrol-len des Balls auf die Fahrbahn (erstmögliche Ball-sicht) und Eintritt des Ereignisses „Drosseln“ oder„Bremsen“ unterscheiden sich zwischen den Grup-pen nicht signifikant, wobei man bedenken muss,dass hier auch der Einfluss der reduzierten Grup-pengrößen eine Rolle spielt.

Deskriptiv deuten sich größere Unterschiede beider Aufgabenwiederholung (A14) an. Die Proban-den mit manifester HE (oHE) reagieren sowohl imVergleich zu den anderen als auch im Vergleichzum ersten Aufgabendurchgang langsamer. Alle

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Bild 24: (A03 + A14) Prozentualer Probandenanteil pro Ver-suchsgruppe, die vom Gas gehen (drosseln) undbremsen

Bild 25: (A03 + A14) Mittelwerte der Reaktionszeiten von erst-möglicher Ballsicht bis zum Drosseln oder Einleitendes Bremsvorgangs (hellgraue Säulen A03, dunkel-graue Säulen A14) und der durchschnittlichen Ge-schwindigkeit (rechte Skalierung) zum Zeitpunkt erst-möglicher Ballsicht (schwarze Linie A03, hellgraueLinie A14)

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anderen Gruppen unterscheiden sich in ihrer Reak-tionszeit zum ersten Durchgang nicht (HE0, SH)oder reagieren schneller (Gesunde, mHE) (Bild 25).

Auffällig ist weiterhin, dass Probanden mit minima-ler HE (mHE) bei erstmaligem Aufgabendurchlauf(A03) mit einer wesentlich niedrigeren Geschwin-digkeit die längsten Reaktionszeiten im Vergleichzu den anderen Gruppen aufweisen. Die Gruppeder Fettleberpatienten (SH) zeigt auch trotz hoherGeschwindigkeit im ersten Durchlauf (A03) ein kon-stantes und mit den Gesunden vergleichbares Re-aktionszeitniveau.

Ball überfahren

Das Kriterium „Ball überfahren“ sollte nicht als Ein-zelleistung interpretiert werden, da ein Unterschiedin der Ausgangsgeschwindigkeit dazu führen kann,dass der Ball (nicht) überfahren wird.

Die Gruppen unterscheiden sich nicht wesentlich inbeiden Aufgabendurchgängen (A03 + A14) hin-sichtlich ihres Anteils an Probanden, die den Ballüberfahren haben (Aufgabe A03: η2 = 0,15; p =0,86; Aufgabe A14: η2 = 0,14; p = 0,85). Dennochzeigen sich in beiden Durchgängen deskriptive Un-terschiede, die im Folgenden in Zusammenhangmit den oben beschriebenen Ergebnissen und denFahrlehrerbemerkungen erläutert werden (s. Bild26).

Im ersten Durchgang überfahren die Zirrhosepati-enten (HE0: 25 %; oHE: 25 %; mHE: 32 %) den Ballweniger oft als die Gesunden (36 %) und bedeu-tend seltener als die Probanden mit Fettlebern (SH:56 %). Der hohe Anteil der Ballüberfahrer bei denFettleberpatienten (SH) könnte auf den Umstandzurückzuführen sein, dass diese im Vergleich zu

den anderen Gruppen mit der höchsten Ausgangs-geschwindigkeit fuhren. Trotzdem bleibt es auffällig,dass diese Gruppe ihre vergleichsweise hohe Ge-schwindigkeit ab dem Zeitpunkt des Balleinrollensam wenigsten reduzierte.

Bei der Aufgabenwiederholung am Ende der Ver-suchsfahrt verbessern sich die Leistungen von allenGruppen bis auf die der manifesten HE-Probanden,von denen nun einer mehr den Ball überfährt. DieGesunden verbessern sich auf nur noch 20 % ge-folgt von den Fettleberpatienten mit einem Anteil von33 % an Ballüberfahrern. Unter den klinisch unauf-fälligen HE-Probanden (HE0) findet sich in beidenAufgaben der geringste Anteil an Ballüberfahrern (25% bzw. 14 %). Zieht man hinzu, dass diese Proban-den auch am stärksten ihre Geschwindigkeit beimEinrollen des Balls drosselten, so kann man folgern,dass sie die Aufgabe am besten gelöst haben.

Mittelt man den prozentualen Probandenanteil bei-der Aufgabendurchgänge, so schneiden die Gesun-den (28 %) dicht gefolgt von den minimalen undmanifesten HE-Probanden (mHE, 30 %; oHE, 29 %) besser als die Fettleberpatienten mit 44 %Ballüberfahrern ab.

Zur Interpretation dieser Ergebnisse sollten ausden Bemerkungen des Fahrlehrers (Kapitel 3.2.3.4)die Daten über die Probanden, die den Ball nichtwahrgenommen haben, einbezogen werden (s. Bild27). Die Ball-Wahrnehmung unterscheidet sich inbeiden Aufgabendurchläufen signifikant zwischenden Gruppen (A03: η2 = 0,316; p = 0,01; A14: η2 =0,273; p = 0,04).

In dem ersten Durchlauf dieser Aufgabe (A03) neh-men 22 % bzw. 21 % der Probanden aus den Grup-pen der minimalen HE (mHE) bzw. der manifesten

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Bild 26: (A03 + A14) Prozentualer Anteil an Probanden pro Ver-suchsgruppe, die den Ball überfahren haben („Ball-Überfahrer“)

Bild 27: (A03 + A14) Prozentualer Probandenanteil pro Ver-suchsgruppe, die den Ball nach Aussage des Fahrleh-rers nicht registriert haben („Ball-nicht-Wahrnehmer“)

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HE (oHE) den auf der Fahrbahn rollenden Ball nichtwahr. 10 % der Fettleberprobanden und 2 % derGesunden haben den Ball ebenfalls nicht regis-triert. Nur die klinisch unauffälligen HE-Probanden(HE0) können in beiden Aufgabendurchläufen demFahrlehrer jedes Mal das Balleinrollen bestätigen.

Während der Anteil derjenigen, die den Ball nichtwahrgenommen haben, bei den minimal HE-Er-krankten (mHE) in dem wiederholten Aufgaben-durchlauf (A14) auf 15 % sinkt, bleibt er für alle an-deren Probandengruppen gleich, womit auch beider Wiederholung die minimal und manifest HE-Er-krankten den Ball am häufigsten nicht wahrneh-men.

Da zumindest einige wenige der minimalen (mHE)und manifesten HE-Probanden (oHE) auch dasÜberfahren oder Anfahren des Balls nicht registrie-ren, können die „Ball-Überfahrer“ und „Ball-nicht-Wahrnehmer“ nicht addiert werden. Dennoch führteine gemeinsame Betrachtung beider Ergebnissefür die Fettleberpatienten (SH) und vor allem für dieminimalen (mHE) und manifesten HE-Probanden(oHE) zu einer wesentlich schlechteren Gesamt-leistung dieser Aufgabe.

A04 Wenden im Hof

In dieser Aufgabe sollten die Probanden in einemWendehammer mit möglichst wenigen Fahrzügenwenden. Beim Ein- und Ausfahren sollten sie durchzwei Pylone fahren, ohne diese zu berühren.

Die benötigte Zeit (η2 = 0,11; p = 0,03) wie auch diebenötigte Wegstrecke (η2 = 0,11; p = 0,03) unter-scheiden sich signifikant zwischen den Gruppen, dieAnzahl der benötigten Fahrzüge hingegen nicht (η2

= 0,04; p = 0,44). Von den nach BONFERRONI kor-rigierten Paarvergleichen ist hinsichtlich der Zeiten (s. Bild 28) der Unterschied zwischen Gesunden undProbanden mit minimaler HE (mHE), hinsichtlich derWegstrecken der Unterschied zwischen Gesundenund Probanden mit Fettleber (SH) signifikant.

Berühren und Überfahren von Rand und Pylon

Hier wurden die Anzahl der Fahrzüge, das Abkom-men von der asphaltierten Fläche beim Vor- undZurücksetzen sowie das Berühren der Pylone er-fasst.

Insgesamt sechs Probanden – gleichverteilt überdie Versuchsgruppen bis auf die Gruppe der kli-nisch Unauffälligen (HE0), die keinen Pylon berühr-

ten – berührten einen der beiden Pylone, die zuAufgabenbeginn durchfahren werden sollten.

Die Leberzirrhosepatienten (HE0, mHE und oHE)überfuhren die Wendehammerbegrenzung zurWiese zu jeweils über 70 % und somit um mindes-tens 12 Prozentpunkte mehr als die Gesunden undbis zu 27 Prozentpunkten mehr als die Fettleberpa-tienten (SH).

Für die Fahrfehler ergeben sich hingegen signifi-kante Unterschiede zwischen den Gruppen (η2 =0,18; p = 0,00), wobei die Gesunden die Mittel amwenigsten und die Gruppe mit minimaler HE (mHE)die meisten Fahrfehler aufweisen (s. Bild 28). Posthoc ergibt sich zwischen diesen beiden Gruppenauch ein signifikanter Unterschied bezüglich derbenötigten Wendezeit, wobei die Gesunden in kür-zerer Zeit wendeten.

A05 Walkie-Talkie

Die Versuchspersonen sollten, ohne anzuhalteneine Spurgasse gebildet von 7 Pylonenpaarendurchfahren. Bei Durchquerung des ersten Pylo-nenpaars klingelte ein Walkie-Talkie in der Seitentürdes Fahrers und der Proband wurde vom Fahrleh-rer aufgefordert, ihm dieses zu übergeben.

Geschwindigkeit und Entropie

Sowohl die mittleren Geschwindigkeiten (η2 = 0,05;p = 0,29) als auch die Entropiewerte (η2 = 0,07; p =0,15) unterscheiden sich zwischen den Gruppennicht wesentlich. Die Gruppe der klinisch unauffälli-gen HE-Probanden (HE0) fährt mit 20,3 km/h amschnellsten und die Gruppe mit minimaler HE(mHE) mit 15,6 km/h am langsamsten durch dieSpurgasse (s. Bild 29).

34

Bild 28: (A04) Mittelwert der benötigten Wendezeit (Säulen)und Mittelwert der Fahrfehler (Linie)

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Handlungsdauer

Ebenso gibt es keine signifikanten Unterschiedehinsichtlich der Handlungsdauer (Klingeln bis Grei-fen nach dem Walkie-Talkie) (η2 = 0,08; p = 0,17)und der dabei zurückgelegten Wegstrecke (η2 =0,04; p = 0,54).

Spurhalten

Bis auf einen Fettleberpatienten (SH) haben alleProbanden die Gasse ohne Berühren oder Über-fahren der Pylone passiert.

Das Spurhalten15 hingegen unterscheidet sich zwi-schen den Gruppen signifikant, wobei die Gesun-den und die klinisch unauffälligen Probanden (HE0)am wenigsten von dieser geraden Spur abweichen(Bild 29). Für die Strecke zwischen Pylon 2 bisPylon 7 ergibt sich ein η2 = 0,1 (p = 0,05), für denindividuell berechneten Abschnitt „Klingeln bisPylon 7“ ein η2 = 0,09 (p = 0,07).

A06 Zahlenaufgabe

Während einer Subtraktionskettenaufgabe solltendie Probanden mit 40 km/h die Außenrunde derVersuchsstrecke befahren.

Geschwindigkeit und Entropie

Sowohl die mittleren Geschwindigkeiten (η2 = 0,04;p = 0,48) als auch die Entropiewerte (η2 = 0,03;

p = 0,64) unterscheiden sich zwischen den Grup-pen nicht wesentlich.

Subtraktionsergebnisse

Die Leistungen im Subtrahieren unterscheiden sichsignifikant zwischen den Gruppen (η2 = 0,26; p = 0,00). Die Gruppe der Fettleberpatienten (SH) schneidet hier durch einen Ausreißer am schlechtesten ab. Vergleicht man die robusterenMediane, sieht man, dass die Patienten mit der ma-nifesten HE (oHE) am häufigsten falsch subtrahie-ren. Die Leistungen der Fettleberpatienten (SH) undder Probanden mit manifester HE (oHE) sind signi-fikant schlechter als die Leistungen der Gruppe mitminimaler HE (mHE) und der Gesunden.

Spurhalten

Neben der Berührung oder dem Überfahren desMittelstreifens konnte in einigen Fällen auch dasAbkommen von der Fahrbahn nach rechts festge-stellt werden. Die Häufigkeiten der beobachtetenEreignisse zum Spurhalten wurden relativ zu derGesamtfahrtzeit der Aufgabe ausgewertet. Hin-sichtlich der an der Gesamtfahrtzeit bzw. -streckerelativierten Werte zeigen sich Unterschiede zwi-schen den Gruppen (Zeit: η2 = 0,12; p = 0,02). Ma-nifeste (oHE) und minimale (mHE) HE-Probandenüberfahren die Mittellinie länger als die übrigenGruppen, wobei in der Post-hoc-Analyse nur derVergleich zwischen Gesunden und Patienten mitmanifester HE signifikant ist (Bild 30).

Bezieht man in die Auswertung zudem das Abkom-men von der Fahrbahn nach rechts ein (s. Bild 30),ergibt sich das gleiche Ergebnis, wobei nun auchdie Probanden mit klinisch unauffälliger HE (HE0)etwas schlechter als die Gesunden abschneiden.

35

Bild 29: (A05) Summe der Spurabweichungen (Säulen) undGeschwindigkeiten (Linie) ab dem Zeitpunkt des Klin-gelns bis zum Greifen nach dem Walkie-Talkie

Bild 30: (A06) Mittelwerte der Zeit (sek) des Überfahrens derMittellinie oder des Abkommens von der Fahrbahnnach rechst

15 Das Spurhalten berechnet sich hier über die absoluten Ab-weichungen von einem geraden Kurs, dieser Kurs wurdeüber eine lineare Regression der „Abstände zu den Pylonennach rechts“ auf die gleich abständigen „Pylone“ berechnet,wobei hier der erste Pylon außer Acht gelassen wird, da dieGasseneinfahrt aus einer Kurve heraus erfolgte.

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A07 Slalom

Für die Slalomfahrt wurden auf einem Streckenab-schnitt außerhalb der Teststrecke sechs Pylone imAbstand von 8 m aufgestellt. Die Probanden wur-den angewiesen, möglichst zügig und fehlerfrei denParcours zu durchfahren.

Die durchschnittliche Geschwindigkeit beträgt ca.10 km/h über alle Versuchsgruppen. Zwischen denGruppen liegen ferner keine wesentlichen Unter-schiede hinsichtlich Zeit und benötigter Strecke fürdie Slalomfahrt vor. Das heißt, diese Aufgabe konn-te hinsichtlich des Slalomfahrverhaltens von Ge-sunden und Patienten mit oder ohne Leberzirrhosegleich gut gelöst werden.

Leichte Unterschiede zeigen sich jedoch bezüglichdes Berührens, Umfahrens oder Auslassens vonPylonen.

Die überwiegende Mehrheit der Probanden hat dieSlalomstrecke fehlerfrei absolviert. In allen Gruppenbis auf die der klinisch unauffälligen Form der HE(HE0) wurden vereinzelt Pylone umgefahren oderausgelassen. Die Probanden mit minimaler HE (mHE)berührten oder überfuhren die meisten Pylone.

A08 Zielbremsung

Ziel dieser Aufgabe war es, auf einer 70 m langenStrecke, deren Ende durch zwei Pylone gekenn-zeichnet war, das Fahrzeug auf 50 km/h zu be-schleunigen und durch eine Vollbremsung so nahwie möglich vor den Pylonen zum Stehen zu brin-gen.

Maximale Geschwindigkeit und Entfernungzum Ziel

Die durchschnittlichen maximalen Geschwindigkei-ten liegen zwischen 42 km/h (oHE) und 47 km/h(HE0) (η2 = 0,07, p = 0,13). Auffällig ist hier, dassdie manifesten HE-Probanden (oHE) trotz der ge-ringsten maximalen Geschwindigkeit im Vergleichzu den anderen Leberpatientengruppen mit 21 Me-tern am weitesten vor der Ziellinie vom Gas gehen,während die klinisch unauffälligen Probanden(HE0) mit der höchsten maximalen Geschwindig-keit erst bei einer Distanz von 18 Metern zur Zielli-nie die Geschwindigkeit drosseln.

Bei den Entfernungen zur Ziellinie zum Zeitpunktder maximalen Geschwindigkeit fällt insbesondereder zu allen anderen Gruppen deutlich kleinere

Wert von 14,4 Metern der Probanden mit minimalerHE (mHE) ins Auge (η2 = 0,13; p = 0,01). Das be-deutet, dass diese Probanden den Bremsvorgangam spätesten einleiten (s. Bild 31). In der Post-hoc-Analyse zeigt sich auch hier ein signifikanter Unter-schied zu den Gesunden. Im Vergleich zu allen an-deren Gruppen sind die Patienten mit minimaler HE(mHE) aber auch am langsamsten gefahren undhaben die geringste Maximalgeschwindigkeit(Vmax) erreicht.

Distanz zur Ziellinie

Die Aufgabe A08 „Zielbremsung“ war dann am besten gelöst, wenn der Abstand zur Ziellinie beimStopp des Fahrzeugs möglichst gering war. Die ge-messenen Distanzen zur Ziellinie bei Fahrzeug-stopp unterscheiden sich zwischen den Gruppen(Kruskal-Wallis-Test: p = 0,00), wobei die Gesun-den im Mittel – wegen der Ausreißerwerte ist hierder Median betrachtet worden – am nahesten zurZiellinie anhalten konnten und die Probanden mitminimaler HE (mHE) mit der größten Entfernungvor oder hinter der Ziellinie hielten (s. Bild 32). Die-ser Paarvergleich ist auch in den Bonferroni-korri-gierten Analysen signifikant.

Die kategorisierten Distanzen (≤ oder > 1 m; s. Bild33) machen deutlich, dass die Gesunden am ehes-ten in der Lage sind, nahe der Ziellinie zu halten (η2 = 0,30; p = 0,01).

Betrachtet man diese Leistung in Zusammenhangmit den oben angegebenen Maximalgeschwindig-keiten und Entfernungen zur Ziellinie bei maximalerGeschwindigkeit, kann man folgern, dass die Grup-pe der minimalen HE-Erkrankten (mHE) in dieserAufgabe am schlechtesten abschnitt, da sie die ge-forderte Maximalgeschwindigkeit am stärksten un-terschritten und am weitesten entfernt von der Ziel-linie stoppen konnten.

Theoretischer vs. verfügbarer Anhalteweg

Die Probanden hatten die Aufgabe, möglichst hochzu beschleunigen und möglichst nah vor der Zielli-nie zu halten. Zur Beurteilung des Bremsvorgangswurde die Differenz zwischen dem (theoretischen)Anhalteweg bei zum Bremsbeginn gegebener Ge-schwindigkeit und der Entfernung zur Ziellinie beiBremsbeginn (verfügbarer Anhalteweg) berechnet.Der theoretische Anhalteweg wurde nach folgenderFormel berechnet: BW = v2/(2a), wobei v die Ge-schwindigkeit in km/h ist und a die Bremsverzöge-

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rung ist, die hier als 4,5 m/s2 angenommen wird. Jekleiner diese Differenz (theoretisch minus verfüg-bar) ist, desto akkurater wurde diese Aufgabe aus-geführt (Tabelle 11).

Die Differenzen deuten an (η2 = 0,09; p = 0,06),dass die Probanden mit manifester HE (oHE) dasZiel dieser Aufgabe am wenigsten und die klinischUnauffälligen (HE0) am erfolgreichsten absolvier-ten (s. Tabelle 11). Die Probanden mit minimaler HE(mHE) zeigen bei dieser Berechnung zwar auchgute Ergebnisse, doch konnten sie trotz der ge-ringsten Maximalgeschwindigkeit im Vergleich zuden anderen Gruppen am weitesten entfernt vonder Ziellinie stoppen (s. Bild 33). Somit haben siedas Ziel dieser Aufgabe verfehlt.

A09 und A15 Gedächtnisleistung

Zur Messung des Kurzzeitgedächtnisses (A09)wurden an einem Streckenabschnitt acht Schilderim Abstand von acht Metern mit verschiedenenSymbolen aufgestellt. Die Probanden wurden vomFahrlehrer aufgefordert, im Schritttempo an denSchildern vorbeizufahren und sich die Symbole ein-zuprägen. Am Ende des Streckenabschnittes soll-ten die Probanden die Symbole, die sie sich ge-merkt hatten, aufzählen. Eine erneute Abfrage derSymbole erfolgte am Ende der Testfahrt. Diesezweite Erhebung diente der Messung des Langzeit-gedächtnisses (A15).

Es unterscheiden sich weder die Kurzzeitgedächt-nisleistungen (KZG) noch die des Langzeitgedächt-nisses (LZG) zwischen den Gruppen (KZG: η2 =0,03; LZG: η2 = 0,06). Alle Gruppen haben im Mit-tel fünf der sieben Symbolschilder direkt wiederge-geben, gegen Ende des Versuchs konnten die Pro-banden sich im Mittel an vier Symbolschilder erin-nern. Die Probanden mit klinisch unauffälliger HE(HE0) schnitten in beiden Tests am besten ab.

A10 Kassette einlegen

Die Probanden wurden während der Durchfahrtdurch eine Pylonengasse aufgefordert, eine durch-sichtige Musikkassette aus der Mittelkonsole, in dersich vier weitere, schwarze Kassetten befanden, zusuchen und in den Kassettenrecorder einzulegen.

Geschwindigkeit

Die Geschwindigkeiten, gemessen zwischen Pylon1 und Pylon 7, unterscheiden sich nicht signifikant

37

Bild 31: (A08) Distanz (Säulen) zur Ziellinie bei maximaler Ge-schwindigkeit (Linie)

Bild 32: (A08) Median der Distanz (m) zur Ziellinie bei Stoppdes Fahrzeugs

Bild 33: (A08) Prozentualer Anteil der Probanden, die bei Fahr-zeugstopp eine Distanz zur Ziellinie > 1 m erzielten

Tab. 11: (A08) Differenz zwischen theoretischem und verfügba-rem Anhalteweg

Gültige n

Mittel-wert

Streuung Minimum Median Maxi-mum

Gesund n = 44 -2,38 7,17 -21,22 -1,44 13,36

HE0 n = 8 -,36 4,96 -7,11 1,10 6,50

oHE n = 13 -4,94 5,63 -11,52 -6,61 4,83

SH n = 10 -4,63 8,70 -22,19 -4,70 7,85

mHE n = 23 1,49 7,74 -12,76 1,73 18,42

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(η2 = 0,07; p = 0,17), wobei die Gruppe mit der ma-nifesten HE (oHE) mit 13,3 km/h am langsamstenund die Gruppe der klinisch Unauffälligen (HE0) mit17 km/h am schnellsten gefahren sind.

Suchzeit und -weg

Als Suchzeit bzw. -weg wird die Zeit bzw. Streckebezeichnet, die der Proband während der Fahrtdurch eine Pylonengasse benötigt, um eine be-stimmte Kassette aus der Konsole herauszusuchenund in das Kassettenfach einzuschieben. DieSuchzeiten (η2 = 0,16; p = 0,00) und folglich auchdie Suchwege (η2 = 0,11; p = 0,03) unterscheidensich signifikant zwischen den Gruppen, wobei vorallem die Probanden mit manifester HE (oHE) län-ger als die anderen Gruppen benötigen, um dieKassette zu finden und einzulegen (s. Bild 34).

Für die Suchzeiten zeigt sich dies auch in der Post-hoc-Analyse, in welcher sich die Probanden mitmanifester HE (oHE) von allen anderen Gruppen –bis auf die Probanden mit Fettleber – signifikant un-terscheiden. Sie benötigen nicht nur doppelt so vielZeit, sie fahren auch am langsamsten. Im Gegen-satz dazu fahren die klinisch Unauffälligen (HE0)mit der höchsten Geschwindigkeit und legen amschnellsten die Kassette ein.

Spurhalten

Das Spurhalten in der Gasse, wiederum als Abwei-chung von einem über lineare Regression berech-neten Kurs bestimmt, unterscheidet sich zwischenden Gruppen nicht signifikant (η2 = 0,04; p = 0,37).Wie in Aufgabe 5 (Walkie-Talkie) aber sind es auchhier die Gesunden und die klinisch unauffälligenProbanden (HE0), die am wenigsten von einer ge-raden Spur abweichen (s. Bild 35).

Pylon überfahren

Insgesamt sechs Probanden – gleichverteilt überdie Versuchsgruppen – haben Pylone berührt oderüberfahren. Nur die Probanden mit klinisch unauf-fälliger HE (HE0) haben die Spurgasse fehlerfreidurchfahren.

A11 Ausweichmanöver

Bei dieser Aufgabe sollte ein unangemeldetes Aus-weichmanöver simuliert werden. Zu diesem Zweckwurden in einem Kurvenbereich auf der rechtenFahrbahn zwei Pylone als Hindernis aufgestellt. Da

die Sicht durch die Pylone nicht beeinträchtigt war,sodass z. B. entgegenkommende Fahrzeuge früh-zeitig erkannt werden konnten, hätten alle Proban-den links am Hindernis vorbeifahren können.

Geschwindigkeit

Die Geschwindigkeiten zum Kurvenanfang (η2 =0,05) und zur Kurvenmitte (η2 = 0,05) unterschei-den sich nicht signifikant.

Fahrverhalten

Das Verhalten (vor dem Pylon anhalten oder andem Pylon vorbeifahren) unterscheidet sich zwi-schen den Probanden nicht signifikant (η2 = 0,19; p= 0,51). Die Gesunden und die Probanden mit kli-nisch unauffälliger HE (HE0) sind im Vergleich zuden anderen Gruppen häufiger an dem Hindernisvorbeigefahren, anstatt davor zu anzuhalten. DieHäufigkeiten der eingeleiteten Bremsvorgänge un-terscheiden sich nicht signifikant.

Abstände des Fahrzeugs zum Pylon

Die Abstände zu den Pylonen bei Vorbeifahrt unter-scheiden sich zwischen den Gruppen nicht (η2 =

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Bild 34: (A10) Mittelwerte der Suchdauer (Säulen) und derFahrgeschwindigkeit (Linie)

Bild 35: (A10) Summe der Spurabweichungen

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0,02) (s. Tabelle 12). Für die Probanden, die ge-stoppt haben, deutet sich an, dass die Gesundendichter an die Pylone herangefahren sind als dieanderen Gruppen (η2 = 0,35; p = 0,06), jedoch sinddie Gruppengrößen hier jeweils sehr gering.

A12 Reiz-Reaktions-Test im Fahrzeugstand

Die Probanden waren angewiesen, auf die opti-schen und akustischen Signale eines Mehrfachreiz-Reaktionsgeräts, welches am Lenkrad angebrachtwar, durch adäquaten Tastendruck zu reagieren.

Korrektheit der Reaktionen und Reaktionszei-ten

Bevor der Reiz-Reaktions-Test während der Fahrtdurchgeführt wurde, sollten die Probanden diesenbei Fahrzeugstillstand ausführen. Diese Aufgabediente als Baseline-Erhebung, um das Aufgaben-verständnis zu überprüfen.

Während sich die Anzahl der reizadäquaten Reak-tionen (s. Bild 36) zwischen den Gruppen nicht sig-nifikant voneinander unterscheidet (η2 = 0,07), sinddie Reaktionszeiten der manifesten (oHE) und auchder minimalen HE-Probanden (mHE) signifikantlänger als die der anderen Gruppen (η2 = 0,35; p = 0,00).

Da sich die Anzahl der reizadäquaten Reaktionenzwischen den Gruppen nicht unterschied, konntedavon ausgegangen werden, dass alle Probandendie Aufgabe verstanden und richtig umgesetzthaben.

A13 Reiz-Reaktions-Test während der Fahrt

Die Probanden sollten nun mit einer Geschwindig-keit von 30 km/h die Außenrunde der Teststrecke(590 m) fahren und währenddessen adäquat aufdie Signale des Mehrfachreiz-Reaktionsgeräts rea-gieren.

Korrektheit der Reaktionen und Reaktionszei-ten

Wie im Stand unterscheiden sich auch in der Fahrtdie Reaktionszeiten zwischen den Gruppen signifi-kant voneinander (η2 = 0,34; p = 0,00). In der Post-hoc-Analyse zeigt sich, dass fünf der insgesamtzehn Paarvergleiche signifikant sind (s. Bild 37 undTabelle 13). Auch hier unterscheidet sich die Anzahlder reizadäquaten Reaktionen nicht voneinander.

Wie Bild 37 gezeigt, reagieren die minimal (mHE)und manifest (oHE) Erkrankten signifikant lang-samer als die Gesunden, Letztere auch signifikantlangsamer als die klinisch Unauffälligen (HE0).

39

Tab. 12: (A11) Abstand zum Hindernis bei Stopp in cm

Gültige n

Mittel-wert

Streuung Minimum Median Maxi-mum

Gesund n = 7 183,14 161,15 20,00 170,00 500,00

HE0 n = 1 430,00 0,0 430,00 430,00 430,00

oHE n = 4 420,00 145,37 250,00 435,00 560,00

SH n = 4 255,00 127,93 70,00 300,00 350,00

mHE n = 9 390,78 150,03 170,00 350,00 600,00

Bild 36: (A12) Reaktionszeit (sek) bei Fahrzeugstillstand

Bild 37: (A13) Reaktionszeit (sek) während der Fahrt

Tab. 13: (A13) Median der Reaktionszeiten (sek) und p-Werteder Paarvergleiche zur Reaktionszeit (α’ = 0,005); n.s.: nicht signifikant

MedianReaktions-

zeit

mHE SH oHE HE0

Gesund 0,96 p = 0,00 n. s. p = 0,00 n. s.

HE0 0,93 n. s. n. s. p = 0,00

oHE 1,28 p = 0,00 p = 0,00

SH 1,00 n. s.

mHE 1,10

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Die manifesten HE-Probanden (oHE) schnittendazu noch signifikant schlechter als die Fettleber-patienten (SH) oder die minimal HE-Erkrankten(mHE) ab.

Differenzen der Reaktionszeiten von AufgabeA12 und A13

Wie der Vergleich von Bild 36 und Bild 37 anzeigt(s. Bild 38), sind die Reaktionszeiten während derFahrt erwartungsgemäß länger als im Stand (allePaarvergleiche sind signifikant). Zudem stellt sichdie Frage, ob diese Zunahme der Reaktionszeitenauch zwischen den Gruppen gleichermaßen aus-fällt. Daher wurde eine Varianzanalyse über die Dif-ferenzwerte der Reaktionszeiten von Aufgabe 13und Aufgabe 12 gerechnet, welche signifikante Un-terschiede zwischen den Gruppen aufzeigt (η2 =0,18; p = 0,01).

Die signifikanten Gruppenunterschiede gehen al-lein auf die deutlich größeren Differenzwerte derProbanden mit manifester HE (oHE) zurück, diesich von fast allen anderen Gruppen, bis auf dieProbanden mit Fettleber, signifikant unterscheiden(s. Tabelle 14).

Spurhalten

Deskriptiv deutet sich an, dass Probanden mit ma-nifester HE (oHE) und Probanden mit minimaler HE(mHE) die Spur weniger gut halten als die anderenProbandengruppen. Außerdem kam es auch nur indiesen Gruppen vor, dass das Fahrzeug nachrechts von der Fahrbahn abgekommen ist.

4.5 Zusammenfassung der Ergebnis-se der Fahraufgaben

Aufgrund der Ergebnisfülle der ausgewertetenRealfahrtdaten soll in diesem Kapitel ein Überblicküber die wesentlichen Ergebnisse der einzelnenFahraufgaben gegeben und die auffälligsten undhäufigsten Gruppenunterschiede zusammenge-fasst werden.

In zehn der 15 Fahraufgaben ergaben sich signifi-kante Gruppenunterschiede. Die im Anschlussdurchgeführten Paarvergleiche zeigten in siebender zehn Aufgaben signifikante Unterschiede. Dadas bei diesen Paarvergleichen zu unterschreiten-de α aufgrund der erforderlichen Bonferroni-Korrek-tur (α = 0,005) sehr klein ist und die Patientengrup-pen zudem eine geringe Probandenzahl aufwiesen,sollten auch nur die auffälligsten und häufigstendeskriptiven Ergebnisse in die inhaltliche Auswer-tung einbezogen werden.

Die verkehrssicherheitsrelevanten Leistungsmerk-male perzeptiver, kognitiver und motorischer Fer-tigkeiten wurden in den verschiedenen Fahraufga-ben operationalisiert, sodass je nach Aufgabenstel-lung unterschiedliche Variablen untersucht wordensind (vgl. Tabelle 5). Einheitlich wurden in allen Auf-gaben, die in der Fahrt durchgeführt wurden, dieParameter Geschwindigkeit und Spurhalten er-fasst. Die Analyse dieser beiden Variablen ergab infast allen Aufgaben signifikante Gruppenunter-schiede.

Die zusammenfassende Betrachtung der Fahrge-schwindigkeit zeigt, dass die minimalen und mani-festen HE-Probanden (mHE, oHE) am langsams-ten fuhren und somit durchschnittlich 10 Minutenlänger als die Gesunden und die klinisch unauffälli-gen HE-Probanden für die Gesamtversuchsfahrtbenötigten. Dieser Parameter allein lässt keineAussage in Bezug auf ein leistungsschwachesFahrverhalten zu und könnte zunächst für eine an-gepasstere Fahrweise aufgrund wahrgenommenerLeistungsdefizite sprechen.

40

Tab. 14: (A12 + A13) Erhöhung der Reaktionszeit von A12 zuA13 in Sekunden und p-Werte der Paarvergleiche zurDifferenz der Reaktionszeiten (α’ = 0,005); n. s.: nichtsignifikant

MedianReaktions-

zeit

mHE SH oHE HE0

Gesund 0,17 n. s. n. s. p = 0,00 n. s.

HE0 0,14 n. s. n. s. n. s.

oHE 0,22 p = 0,00 p = 0,00

SH 0,12 n. s.

mHE 0,15

Bild 38: (A12 + A13) Differenz der Reaktionszeiten

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4.5.1 Motorische Leistungen

Spurhalten

Der für ein verkehrssicheres Fahren relevante Pa-rameter „Spurhalten“ zeigte in drei von sechs Auf-gaben, in denen er als abhängige Variable erhobenwurde, signifikante Gruppenunterschiede (A01„Proberunde“, A05 „Walkie-Talkie“, A06 „Zahlenauf-gabe“). Die deskriptiven Ergebnisse der restlichendrei Aufgaben (A02 „Richtungssymboltest“, A10„Kassette einlegen“, A13 „Reiz-Reaktions-Test“) er-zielen tendenziell vergleichbare Ergebnisse inBezug auf das Spurhalten, sodass zusammenfas-send gefolgert werden kann, dass die Probandenmit minimaler und manifester HE (mHE, oHE) Defi-zite im Spurhalten aufweisen. So überfahren sie amhäufigsten die Mittellinie und kommen von derFahrbahn ab, wobei die minimal Erkrankten (mHE)teilweise schlechtere Ergebnisse erzielten als diemanifesten HE-Probanden (oHE). Die Fettleberpa-tienten (SH) zeigten in den Aufgaben A05 „Walkie-Talkie“ und A10 „Kassette einlegen“, in denen einePylonengasse durchfahren werden musste, ein mitden manifest HE-Erkrankten (oHE) vergleichbarschlechtes Ergebnis, während die klinisch Unauffäl-ligen (HE0) in allen 6 Aufgaben ein mit den Gesun-den vergleichbar gutes Ergebnis erzielten. Auffälligist, dass die klinisch Unauffälligen (HE0) im Ver-gleich zu den Gesunden im ersten Drittel des Ge-samtversuchs sogar bessere Leistungen im Spur-halten erbringen. Über die gesamte Versuchszeitließen die klinisch Unauffälligen (HE0) verglichenmit den Gesunden in ihren zu Beginn besserenSpurhalte-Ergebnissen nach und folgten gegenEnde des Versuchs schlechter der Fahrspur als dieGesunden. Insofern kann angenommen werden,dass die Daueraufmerksamkeit oder Belastbarkeitder klinisch Unauffälligen (HE0) in dem Realfahrt-versuch stärker beansprucht wird, als es bei Ge-sunden der Fall ist.

Für ein adäquates situationsangepasstes Reagie-ren muss eine ausreichende sensumotorische Kon-trolle gegeben sein. Daher muss das Abkommenvon der Fahrbahn oder in die entgegenführendeFahrbahn als Fahreignungskriterium stark bewertetwerden, ebenso wie ein angemessenes Reagierenauf unvorhergesehene Reize.

Visuomotorische Kontrolle und Koordination

Eine Komponente der motorischen Kontrolle ist dieReaktionszeit, die in den Aufgaben A03 und A14 als

Dauer vom Balleinrollen auf die Fahrbahn bis zumZeitpunkt der Geschwindigkeitsreduktion operatio-nalisiert wurde. Während die Leberpatienten beider erstmaligen Durchführung der Aufgabe in derReihenfolge minimal, manifest HE-Erkrankte (mHE,oHE) und Fettleberpatienten (SH) die längsten Re-aktionszeiten aufwiesen und die klinisch Unauffälli-gen (HE0) sogar kürzere Reaktionszeiten hattenals die Gesunden, zeigten die klinisch Unauffälligen(HE0) bei der Aufgabenwiederholung gegen Endedes Gesamtversuchs einen Leistungsabfall, da siehier langsamer als die Gesunden und die Fettleber-patienten (SH) reagierten. Wohl aber bildeten sie(HE0) prozentual den größten Anteil an Probanden,die überhaupt auf das Balleinrollen reagierten, undüberfuhren in beiden Aufgabendurchläufen aucham wenigsten häufig den Ball im Vergleich zu allenanderen Gruppen.

Weitere Aufgaben, in denen die motorische Kon-trolle und die visuomotorische Koordination über-prüft werden sollten, sind A07 „Slalom“ und dieDual-Task-Aufgaben A05 „Walkie-Talkie“ und A10„Kassette einlegen“. Wurde während des Fahrenseine zusätzliche motorische Koordinationsaufgabe,wie das Heraussuchen und Einlegen einer be-stimmten Kassette oder das Übergeben des Wal-kie-Talkies an den Fahrlehrer, gestellt, konnten dieminimal und manifest HE-Erkrankten (mHE, oHE)sowie die Fettleberpatienten (SH) die Aufgabe zwarlösen, doch beanspruchte diese so viel Kapazität,dass es zu einer Abnahme der visuomotorischenKontrolle kam, was sich in einer Verschlechterungder Spurhaltung äußerte. Die besten Leistungen indiesen beiden Dual-Task-Aufgaben erbrachten dieklinisch Unauffälligen (HE0). Sie überfuhren die we-nigsten Pylone und benötigten zudem noch die kür-zeste Zeit zum Einlegen der Kassette. In AufgabeA07 „Slalom“ erzielten die klinisch Unauffälligen(HE0) wiederum die besten Ergebnisse und die mi-nimal HE-Erkrankten (mHE) zeigten hier dieschlechtesten Leistungen, allerdings sind diese Un-terschiede nur deskriptiv feststellbar. Dass keineGruppenunterschiede in Bezug auf Dauer und Ge-schwindigkeit der Slalomfahrt zu finden sind, deutetauf eine ungestörte prozedurale Gedächtnisfunk-tion der Leberpatienten hin, zumindest sind ihremotorischen Leistungen beim Slalomfahren mitdenen der Gesunden vergleichbar.

Auch wenn die Aufgabenstellung zur motorischenKontrolle noch ein adäquates Umsetzen einesHandlungsplans wie in den Aufgaben A04 „Wendenim Hof“ und A08 „Zielbremsung“ fordert, erzielten

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die klinisch Unauffälligen (HE0) die besten Ergeb-nisse in Bezug auf eine akkurate Aufgabenlösung.So brauchten sie die geringste Zeit und Strecke, umin den vorgeschriebenen Fahrzügen zu wenden, undkonnten die Zielbremsung am genauesten durch-führen, wobei sie zudem als einzige Versuchsgruppedie geforderte Maximalgeschwindigkeit erreichten.Die manifest HE-Erkrankten (oHE) absolviertendiese Aufgabe am ungenauesten und die minimalErkrankten (mHE) überfuhren trotz der geringstenMaximalgeschwindigkeit die Ziellinie am weitesten.

Somit erzielen die klinisch Unauffälligen (HE0) diebesten Leistungen in Situationen, in denen auf un-vorhergesehene Reize reagiert, zusätzliche motori-sche Leistungen durchgeführt oder ein Handlungs-plan umgesetzt werden musste.

4.5.2 Wahrnehmung und kognitive Verarbei-tung

Weitere hervorzuhebende Variablen aus den Berei-chen Wahrnehmung und kognitive Verarbeitung,die aufgrund der jeweiligen Aufgabenstellung nur ineinzelnen Aufgaben erhoben werden können, sindin Aufgabe A01 „Proberunde“ die Variable „Ver-kehrsbeachtung“, in Aufgabe A02 „Richtungssym-boltest“ die „Erkennungszeit“ und in den AufgabenA03 und A14 „Balleinrollen“ die „Wahrnehmung desBalleinrollens“.

Auch hier fallen wiederum die minimal und manifestHE-Erkrankten (mHE, oHE) durch die schlechtes-ten Leistungen auf. So beachteten sie weniger häu-fig die Verkehrsregeln, benötigten die meiste Zeit,um die Richtungssymbolschilder zu erkennen,wobei sie zudem die häufigsten Fehlantwortengaben, und bildeten den größten Anteil an den Pro-banden, die das Einrollen des Balls nicht wahrge-nommen haben. Die Fettleberpatienten (SH) zeig-ten nur im „Richtungssymboltest“ schlechtere Er-gebnisse als die minimal und manifest HE-Erkrank-ten (mHE, oHE), indem sie am längsten zur Identi-fizierung der Richtung aus den Symbolschildernbrauchten, wobei sie auf Höhe der aufgestelltenSchilder auch am langsamsten gefahren sind. Dieklinisch Unauffälligen (HE0) beachteten die Ver-kehrsregeln häufiger als die Gesunden und jedervon ihnen hat im Gegensatz zu allen anderen Grup-pen in beiden Aufgabendurchläufen das Einrollendes Balls wahrgenommen.

In weiteren Aufgaben, in denen kognitive Leistun-gen wie Aufmerksamkeits- und Gedächtnisfunktio-

nen getestet wurden, zeigten die minimal und ma-nifest HE-Erkrankten (mHE, oHE) die schlechte-sten Aufmerksamkeitsleistungen, wohingegen sichdie Gedächtnisleistungen zwischen den Gruppennicht unterschieden. Hier deuteten sich lediglichdeskriptive Unterschiede an, wobei die klinisch Un-auffälligen (HE0) zusammen mit den Gesunden diebesten und die Fettleberpatienten (SH) zusammenmit den manifest HE-Erkrankten (oHE) die schlech-testen Kurzzeit- und Langzeit-Gedächtnisleistun-gen erzielten. Auffällig im Bereich der Aufmerksam-keitstestung, die in den Dual-Task-Aufgaben A06„Zahlenaufgabe“ und A13 „Reiz-Reaktions-Test“durchgeführt wurde, ist, dass die klinisch Unauffäl-ligen (HE0) zwar die Fahrspur besser halten konn-ten als die manifest und minimal HE-Erkrankten(oHE, mHE), aber schlechter als die Gesunden unddie Fettleberpatienten (SH) abschnitten. Die Fettle-berpatienten (SH) wiesen in diesen beiden Aufga-ben mehr Fehler und längere Reaktionszeiten inder Dual-Task auf als die klinisch Unauffälligen(HE0), doch ist für ein verkehrssicheres Fahren dasSpurhalten von größerer Bedeutung als die exakteDurchführung der Dual-Task.

Somit erbrachten die klinisch Unauffälligen (HE0) inBezug auf selektive und geteilte Aufmerksamkeitschlechtere Leistungen als die Gesunden und Fett-leberpatienten (SH). Dem entgegen scheinen ihreArousal16-Funktionen ungestört zu sein. Eine Aus-sage über den Zustand des Arousal erlaubt die Re-aktion auf das „Einrollen des Balls“. Die klinisch Un-auffälligen (HE0) erbrachten hier in beiden Aufga-bendurchläufen die besten Leistungen von allenGruppen, während unter den minimal und manifestHE-Erkrankten (mHE, oHE) die geringste Anzahlvon Probanden war, die überhaupt auf den Ball rea-giert haben. Diese haben zudem langsamer als dieübrigen Gruppen reagiert. Dass die Leistung der kli-nisch Unauffälligen (HE0) bei der Wiederholung derAufgabe gegen Ende des Versuchs nicht abfiel,spricht für ein gleich bleibend adäquates Aktivitäts-niveau (Arousal).

Zusammengefasst kann festgestellt werden, dassdie klinisch unauffälligen HE-Probanden (HE0) zu-meist mit den Gesunden vergleichbare, teilweisesogar bessere Leistungen erzielten. Durchgängig

42

16 Arousal bezeichnet den physiologischen und psychologi-schen Zustand des Wachseins und ist eine Basiskomponen-te zur Regulation von Aufmerksamkeitsprozessen und derInformationsverarbeitung.

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bessere Leistungen als die Gesunden zeigten sie inallen Aufgaben zur motorischen Kontrolle und in denAufgaben, in denen Wahrnehmung und deren kog-nitive Verarbeitung getestet werden. Auffällig sindallerdings die unterschiedlichen Ergebnisse ihrerGesamtleistungen in den vier verschiedenen Dual-Task-Aufgaben (A05 „Walkie-Talkie“, A10 „Kassetteeinlegen“, A06 „Zahlenaufgabe“, A13 „Reiz-Reak-tions-Test“). War der Anspruch der zusätzlichen Auf-gabe gering (A05, A10), erzielten die klinisch Un-auffälligen (HE0) die besten Fahrleistungsergebnis-se, während sie bei kognitiv stark beanspruchendenZusatzaufgaben (A06, A13) schlechter sind als dieder Gesunden, teilweise sogar schlechter als dieder Fettleberpatienten (SH).

Auch die Tatsache, dass die klinisch Unauffälligen(HE0) z. B. im Spurhalten gegen Versuchsendeeinen Leistungsabfall zeigten, deutet eine geringe-re Belastbarkeit dieser Probanden hin. Es ist aberauch denkbar, dass sich diese Versuchsgruppe be-sonders anstrengte, gute Ergebnisse zu erzielen,da sie sich über mögliche Fahrdefizite bewusst istund sie somit schneller ihre Leistungsgrenzen er-reichte.

Die Leistungen der manifest HE-Erkrankten warenzwar häufiger signifikant schlechter auf als die derminimal HE-Erkrankten, aber unter Berücksichti-gung aller Ergebnisse zeigten die minimal HE-Er-krankten (mHE) in allen gemessenen Funktionsbe-reichen (Wahrnehmung und kognitive Verarbeitung,Aufmerksamkeitsfunktionen, Motorik) schlechtereLeistungen als die Fettleberpatienten (SH), die Ge-sunden und die klinisch Unauffälligen (HE0). Teil-weise erzielten sie (mHE) sogar schlechtere Leis-tungen als die manifest HE-Erkrankten (oHE). DieFettleberpatienten (SH) bewegen sich mit ihren Leistungen meist im Mittelfeld oder im Bereich derLeistungen von minimal und manifest HE-Erkrank-ten (mHE, oHE).

Die für ein verkehrssicheres Verhalten erforderli-chen psychischen Leistungsmerkmale wie Belast-barkeit und Selbsteinschätzung werden nach derErgebnisdarstellung der Eignungsbewertung desFahrlehrers im folgenden Kapitel diskutiert.

4.6 Einschätzung des Fahrlehrers

Der Fahrlehrer wusste zwar nicht, ob ein Probanderkrankt oder gesund war, doch wies die körperli-che Symptomatik (aufgetriebener Bauch, Wasser-

einlagerungen in den Beinen) einiger manifestenHE-Patienten (oHE) auf eine Erkrankung hin.

Die Einschätzungen des Fahrlehrers basieren nichtauf den oben beschriebenen Post-hoc-Auswertun-gen der einzelnen Aufgaben der Realfahrt, sondernwurden während der Fahrt erhoben. Die Probandenwurden anhand der aufgelisteten Bemerkungendes Fahrlehrers (s. Kapitel 3.2.3.4) bezüglich ihrerFahreignung als „geeignet“, „zweifelhaft“ oder „un-geeignet“ beurteilt.

Die Einschätzung „geeignet“ wurde nur dann gege-ben, wenn keine Bemerkung verzeichnet war oderausschließlich die Bemerkungen „entgegen der An-weisung wurden Verkehrsschilder beachtet“ oder„Ausführung der Aufgabe wurde verweigert“ festge-halten waren.

Als ungeeignet beurteilt wurden Probanden, diemindestens einen aktiven Eingriff oder die Bemer-kung „nervös/angespannt/überfordert“ erhielten.

Wenn mindestens eine der Bemerkungen „Aufgabeabgebrochen und wiederholt“, „Ball/Schild nicht re-gistriert“, „abwesend/unkonzentriert“, „mehrmaligerverbaler Eingriff“ festgehalten wurde, bestandenZweifel an der Fahreignung.

Insgesamt betrachtet unterscheidet sich die Anzahlder Fahrlehrerbemerkungen zwischen den Grup-pen, wobei zu den Probanden mit manifester HE(oHE) die meisten Bemerkungen festgehalten wur-den (η2 = 0,30; p = 0,03). Wesentlich zur Eig-nungsbeurteilung war aber nicht die Häufigkeit,sondern der Inhalt der Bemerkungen.

Der Fahrlehrer beurteilte den Großteil der Proban-den mit manifester HE (oHE) zum Ende des Ver-suchs als stark erschöpft. Probanden mit minimalerHE (mHE), gefolgt von denen mit Fettleber (SH)wirkten angespannt oder unkonzentriert währendder Fahrt. Weiterhin haben im Mittel über beide Auf-gaben des „Balleinrollens“ (A03 und A14) jeweilsca. 20 % der manifest HE-Erkrankten (oHE) undder minimal HE-Erkrankten (mHE) sowie 10 % derFettleberpatienten (SH) das Ballüberqueren nichtwahrgenommen (s. Bild 27). Nur die Gruppe der mi-nimal HE-Erkrankten (mHE) steigerte ihre Leistungbei der Wiederholung der Aufgabe leicht um 5 Pro-zentpunkte.

Besonders relevant sind als Fahrlehrerbemerkun-gen die aktiven Eingriffe des Fahrlehrers in dieFahrt zu bewerten.

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Die Notwendigkeit eines aktiven Eingriffs in dieFahrt war mit 43 % bei den Probanden mit manifes-ter HE (oHE) am häufigsten gegeben, gefolgt vonEingriffen bei 22 % der minimal HE-Erkrankten(mHE) und 20 % der Fettleberpatienten (SH) (s.Bild 39).

Im Folgenden werden die Bemerkungen des Fahr-lehrers in den drei Rubriken „geeignet“, „fraglich“und „ungeeignet“ zusammengefasst, um eine zu-sätzliche Information über die Fahreignung der Pro-banden zu erlangen:

Die Fahreignungsurteile unterscheiden sich signifi-kant zwischen den Gruppen (V = 0,33; p = 0,01),wobei die Gesunden mit 13 % am seltensten unddie Probanden mit manifester HE (oHE) mit 46 %am häufigsten als ungeeignet beurteilt wurden.Zweifel an der Fahreignung erhielten nur die Pro-banden mit manifester HE (oHE, 15 %) und die Pro-banden mit minimaler HE (mHE, 16 %) und erhiel-ten folglich am seltensten das Urteil „geeignet“ (s.Bild 40).

Fasst man die Fahrlehrerbemerkungen „fraglich“und „ungeeignet“ zusammen, sieht man, dass 61 %

der Probanden mit einer manifesten HE (oHE), 52 % mit einer minimalen HE (mHE) und 40 % derFettleberpatienten (SH) als nicht geeignet beurteiltwurden. Demgegenüber erhielten nur 25 % der kli-nisch unauffälligen Probanden (HE0) und 13 % derGesunden das Urteil „ungeeignet“.

Im Folgenden sollen die Einschätzungen des Fahr-lehrers zur psychischen Belastbarkeit der Proban-den der im Fragebogen ermittelten Selbsteinschät-zung der Probanden gegenübergestellt werden, umso eine Aussage zu ihren verkehrssicherheitsrele-vanten psychischen Leistungen zu treffen.

Belastbarkeit

Schon zu Beginn der Testfahrt fühlten sich die ma-nifest Erkrankten (oHE) nach eigenen Angabeneher matt, nicht entspannt und nicht so selbstsicherwie die übrigen Leberpatienten.

Der Fahrlehrer beurteilte den Großteil der Proban-den mit manifester HE (oHE) zum Ende des Ver-suchs als sehr erschöpft. Probanden mit minimalerHE (mHE), gefolgt von denen mit Fettleber (SH),wirkten angespannt oder unkonzentriert währendder Fahrt. So benötigten diese drei Patientengrup-pen auch die längste Zeit, um alle Aufgaben zulösen.

Die Dual-Task-Aufgaben hatten zum einen denZweck, selektive und geteilte Aufmerksamkeitsleis-tungen zu testen, zum anderen wurde durch diestarke zusätzliche Beanspruchung aber auch dieLeistungsgrenze der Probanden auf die Probe ge-stellt. Vergleicht man z. B. die Leistungen beiderBall-Aufgaben, so weisen die manifest HE-Erkrank-ten (oHE) am Ende der Versuchsfahrt durch häufi-geres Ballüberfahren oder Nicht-Wahrnehmen diestärkste Leistungsminderung auf.

Man kann davon ausgehen, dass die Versuchsfahrtalle Leberpatienten bis auf die Gruppe der klinischUnauffälligen (HE0) stark beansprucht und an ihreLeistungsgrenze geführt hat. In diesem Stadiummuss mit Defiziten in allen Aufmerksamkeitsfunktio-nen gerechnet werden, sodass es in plötzlich er-höhten Anforderungs- oder Belastungssituationenzu defizitärer Wahrnehmung mit entsprechenderFehlreaktion kommen kann.

Selbsteinschätzung

Auffällig sind die Probandenangaben zum bisheri-gen Unfallgeschehen. So geben fast die Hälfte der

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Bild 39: Prozentualer Anteil über alle Fahraufgaben, bei denender Fahrlehrer in die Fahrt eingegriffen hat

Bild 40: Fahreignungsbeurteilung nach Realfahrt gemäß Fahr-lehrerbemerkungen

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manifest Erkrankten (oHE) und ein Drittel der mini-mal Erkrankten an, niemals in ihrem Leben aneinem Unfall beteiligt gewesen zu sein. Beziehtman die Frage der Unfallvorgeschichte auf denZeitraum zwischen Krankheitsbeginn und der vor-liegenden Untersuchung, geben fast alle Leberpa-tienten vollkommene Unfallfreiheit an.

Befragt man sie aber nach kritischen Fahrsituatio-nen innerhalb der letzten drei Monate, so berichtetfast die Hälfte der manifest Erkrankten (oHE) undder Fettleberpatienten (SH), beim Zurücksetzeneinen Gegenstand angefahren zu haben, den sievorher nicht gesehen haben. Ob selbst verschulde-tes Verhalten zu kritischen Verkehrssituationenführte, bejahten zwar alle Leberpatienten tendenzi-ell häufiger, aber vor allem die Probanden mit un-auffälliger HE (HE0) schilderten die meisten Pro-bleme beim Autofahren. So gibt die Hälfte vonihnen an, beim Heranfahren an eine Kreuzung indie falsche Fahrspur geraten zu sein.

Bei der Selbstbeurteilung des Fahrvermögens imVergleich zu Personen gleichen Alters geben nur ei-nige Gesunde und klinisch unauffällige HE-Proban-den (HE0) an, schlechter abzuschneiden. Alle ma-nifest Erkrankten (oHE) beurteilen ihr Fahrvermö-gen eher gut und ein Drittel der Fettleberpatienten(SH) und 11 % der minimal HE-Erkrankten (mHE)sogar sehr gut im Vergleich zu ihren Altersgenos-sen.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dassdie Fahrlehrerbewertung dem Krankheitsstadiumder HE entspricht. Das heißt, es wurden im An-fangsstadium der HE mehr Probanden als geeignetbeurteilt als in höheren Krankheitsstadien.Während zwei Drittel der klinisch Unauffälligen(HE0) als geeignet beurteilt wurden, erzielte diesesUrteil weniger als die Hälfte der minimal HE-Er-krankten (mHE mit 48 %) und der manifest HE-Er-krankten (oHE mit 39 %). Der Fahrlehrer beurteilteden Großteil der Probanden mit manifester HE(oHE) zum Ende des Versuchs als sehr erschöpft.Probanden mit minimaler HE (mHE), gefolgt vondenen mit Fettleber (SH), wirkten angespannt oderunkonzentriert während der Fahrt. Das deutet da-rauf hin, dass die Versuchsfahrt alle Leberpatientenbis auf die Gruppe der klinisch Unauffälligen (HE0)stark beansprucht und an ihre Leistungsgrenze ge-führt hat. Doch auch die Gruppe der klinisch Un-auffälligen (HE0) zeigt tendenzielle Belastungser-scheinungen am Ende der Versuchsfahrt, wobei sieaber mit ihren Leistungen immer noch im Bereich

der gesunden Kontrollen liegen. Außerdem beurtei-len sie (HE0) ihr Fahrvermögen sehr kritisch, wo-hingegen die minimal (mHE) und manifest HE-Er-krankten (oHE) ihre Fahrleistung eher überschät-zen. Eine mangelhafte Selbstbeurteilung ist bei die-sen Patientengruppen als stark einschränkendesEignungskriterium zu werten.

4.7 Auswertung der Computerpsycho-metrie

Im Folgenden werden die Ergebnisse der sechscomputerpsychometrischen Verfahren (CPM) ausder Verkehrspsychologischen Testbatterie nachSCHUHFRIED – Linienverfolgungstest (LVT), Cog-nitrone (COG), Wiener Reaktionstest (RT), Tachy-stoskopischer Verkehrsauffassungstest (TAVTMB),Wiener Determinationstest (DT), Corsi-Block-Test –dargestellt, die gemäß der Begutachtungs-Leitlini-en zur Kraftfahrereignung bezüglich der Fahreig-nung relevant sind.

Hierzu wurden zum einen die Kategorien „geeignet“und „ungeeignet“ und zum anderen die Kategorien„Eignung für Gruppe 1“, „Eignung für Gruppe 2“,„Zweifel an der Fahreignung“ und „ungeeignet“ ge-bildet.

Die Versuchsgruppen unterscheiden sich hinsicht-lich ihrer CPM-Fahreignungsurteile sowohl bezüg-lich der Einteilung „geeignet“ und „ungeeignet“ alsauch in der Eignungszuordnung „Eignung für Grup-pe 1“, „Eignung für Gruppe 2“, „Zweifel an der Fahr-eignung“ und „ungeeignet“ (Bild 41: η2 = 0,57; p =0,00; Bild 40: η2 = 0,40; p = 0,00) signifikant.

Wie zu erwarten, erhält die Gruppe der manifestenHE-Probanden (oHE) nach den CPM-Ergebnissenmit 77 % am häufigsten das Fahreignungsurteil

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Bild 41: Prozentualer Probandengruppenanteil an Fahreignung(geeignet vs ungeeignet)

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„nicht geeignet“. In allen anderen Gruppen errei-chen dieses Urteil zwischen 7 % (Gesunde) und 22 % (Fettleberpatienten). Die Probanden mit mini-maler HE (mHE) liegen mit 16 % etwas höher alsdie Gruppe der klinisch unauffälligen HE-Proban-den (HE0) mit 13 % als ungeeignet Beurteilten.

Differenziert man dieses Ergebnis noch in die Fahr-eignungsurteile für Gruppe 1 und 2 sowie in eineGruppe, bei welcher eine Fahreignung nicht zwei-felsfrei ausgesprochen werden kann („zweifelhaft“),ergibt sich folgendes Bild (s. Bild 42).

Nach wie vor stellen die manifesten HE-Probanden(oHE) mit 77 % den größten Anteil an dem Fahr-eignungsurteil „ungeeignet“ und keiner von ihnenwird im Gegensatz zu den anderen Gruppen als ge-eignet für die Gruppe 2 oder als zweifelhaft geeig-net beurteilt. Die Gruppe der Gesunden bzw. kli-nisch unauffälligen HE-Probanden (HE0) hat mit 62 % bzw. 63 % den größten Anteil an Personen,die nach dem CPM-Ergebnis eine Fahrerlaubnis fürdie Gruppe 2 erhalten würden. Immerhin erzielenaber auch 36 % der minimal HE-Erkrankten (mHE)und 22 % der Fettleberpatienten (SH) dieses Er-gebnis.

Betrachtet man die Einzelergebnisse der jeweili-gen Hauptvariablen der CPM-Tests (s. Tabelle 15),so sieht man insgesamt, dass für die Reaktions-fähigkeit (RT), gefolgt von der Belastbarkeit (DT)und danach der Konzentrationsfähigkeit (COG),die meisten Probanden einen Prozentrang vonunter 16 erreichen. Wie auch in den Realfahrtauf-gaben erreichen die Gesunden und die klinisch Un-auffälligen (HE0) abwechselnd das beste oderzweitbeste Ergebnis, während die minimal HE-Er-krankten (mHE) vergleichbare oder schlechtere Er-gebnisse als die Fettleberpatienten (SH) erzielen.So schneiden die Fettleberpatienten in ihrer Reak-

tionsfähigkeit (RT) und Orientierung (LVT) besserab und die minimal HE-Erkrankten (mHE) in ihrerBelastbarkeit (DT).

Auffällig sind die Ergebnisse des Linienverfol-gungstests (LVT), der die Orientierungsleistungmisst, da bis auf die manifest HE-Erkrankten (oHE)nahezu alle Probanden ausreichende Ergebnisseerzielen. Weiterhin sind für alle Probanden bis aufdie Fettleberpatienten (SH) und die klinisch Unauf-fälligen (HE0) die Ergebnisse der Konzentrations-(COG) und Belastbarkeitsaufgabe (DT) vergleich-bar. Diese zwei Leberpatientengruppen zeigengrößere Defizite in ihrer Belastbarkeit (DT).

In der Computerpsychometrie werden insgesamtweniger Probanden (20 %) als ungeeignet beurteiltals durch den Fahrlehrer (27 %), wobei sich die un-terschiedliche Beurteilung nicht gleichmäßig überdie Gruppen verteilt, was im Folgenden erörtertwerden soll.

5 Zusammenhänge zwischenRealfahrt und Laborunter-suchungen

Dieses Kapitel widmet sich der Frage nach den Zu-sammenhängen von Ergebnissen der Computer-psychometrie, der Realfahrtaufgaben und der Fahr-lehrerbeurteilung.

5.1 Statistische Verfahren

Der im Folgenden betrachtete Datensatz umfasst570 Variablen der Realfahrtaufgaben sowie 179 Va-riablen der Laboruntersuchungen von N = 100 Pro-banden. Zur Reduktion dieser Vielzahl von Varia-blen und zur Beschreibung der Datenstruktur derRealfahrtaufgaben wurden Faktorenanalysendurchgeführt. Da die Zahl der Variablen die Zahl derProbanden deutlich übersteigt, wurde von einer si-

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Bild 42: Prozentualer Anteil fahrgeeigneter Probanden (geeig-net: Gruppe 1 und Gruppe 2, zweifelhafte Eignung undungeeignet)

Tab. 15: Prozentualer Probandenanteil mit PR < 16 in den je-weiligen Hauptvariablen der Tests

COG DT TAVTMB LVT RT

Gesund 4 % 4 % 6 % 6 % 25 %

HE0 10 % 20 % 0 % 0 % 30 %

mHE 19 % 23 % 12 % 8 % 46 %

oHE 71 % 71 % 36 % 50 % 79 %

SH 20 % 30 % 10 % 0 % 20 %

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multanen Analyse aller Variablen Abstand genom-men und für jede Realfahrtaufgabe getrennt eineHauptkomponentenanalyse mit orthogonaler Rota-tion (Varimax-Methode) auf Basis der Korrelations-matrizen durchgeführt. Fehlende Werte wurdenhierbei durch den Mittelwert der jeweiligen Variableersetzt. Zur Bestimmung der Faktorenanzahl wur-den sowohl die Kaiser-Gutman-Regel (Eigenwerte> 1) sowie der Screeplot herangezogen.

Um Anhaltspunkte für etwaige Zusammenhängezwischen den Realfahrtaufgaben und den Laborda-ten zu erhalten, wurden anschließend sämtliche bi-variaten Korrelationen zwischen den Faktorwertenund den Labordaten berechnet. Weitere Anhalts-punkte hierfür ergeben die ferner berechneten Kor-relationen zwischen den inhaltlich einfacher zu in-terpretierenden ursprünglichen Realfahrtvariablenund dem Gesamtergebnis der psychometrischenUntersuchung. Abschließend werden die Zusam-menhänge zwischen den Fahreignungsurteilen ausder computerpsychometrischen Untersuchung undaus dem Fahrlehrerurteil analysiert.

5.2 Faktorielle Struktur der Realfahrt-aufgaben

A01 Probefahrt

52 Variablen von Aufgabe A01 wurden in der Fak-torenanalyse berücksichtigt, die Variablen der nachRunden getrennten Auswertung wurden ausge-schlossen. 13 Hauptkomponenten haben Eigen-werte größer 1 und klären 93 % der Gesamtvarianzauf. Der Screeplot rät zu einer 9- oder 4-faktoriellenLösung, welche 82 % bzw. 54 % Varianz aufklärt.Die weitere Betrachtung ergab fünf inhaltlich inter-pretierbare Faktoren, die sich wie folgt bezeichnenlassen: „Geschwindigkeit“ (5 Variablen), „Mittellinieüberfahren“ (9 Variablen), „Mittellinie berührt“ (8 Va-riablen), „Beachtung Verkehr“ (4 Variablen), „Ab-kommen von der Fahrbahn“ (4 Variablen), welchezusammen 61 % Varianz aufklären. Diese fünf Fak-toren werden in den weiteren Analysen berücksich-tigt. Das heißt, dass von den 52 Variablen 30 in dieweiteren Auswertungen eingingen.

A02 Richtungssymboltest

39 Variablen von Aufgabe A02 wurden in der Fak-torenanalyse berücksichtigt. 9 Hauptkomponentenhaben Eigenwerte größer 1 und klären 85 % derGesamtvarianz auf. Der Screeplot rät zu einer vier-

faktoriellen Lösung, die noch 65 % der Varianz auf-klärt. Aufgrund der Faktorenladungen lassen sich 3Komponenten wie folgt bezeichnen: „Anzahlfalscher Ansagen“ (16 Variablen), „Spurhalten“ (9Variablen) und „Ansagezeit“ (2 Variablen). Der vier-te Faktor ist inhaltlich nicht zu interpretieren. Diesedrei Faktoren mit insgesamt 55 % Varianzauf-klärung werden in den weiteren Analysen berück-sichtigt. Das heißt, dass von den 38 Variablen 27 indie weiteren Auswertungen eingingen.

A03 Balleinrollen (1)

47 Variablen von Aufgabe A03 wurden in der Fak-torenanalyse berücksichtigt. Elf Hauptkomponen-ten haben Eigenwerte größer 1 und klären 86 % derGesamtvarianz auf. Der Screeplot rät zu einer fünf-faktoriellen Lösung, die noch 64 % der Varianz auf-klärt. Aufgrund der Faktorenladungen lassen sichzwei Komponenten inhaltlich interpretieren: „Ge-schwindigkeit“ (20 Variablen) und „Seitenabstand“(2 Variablen). In den vierten Faktor ist im Wesentli-chen die aktuelle Gesamtversuchsdauer eingeflos-sen. Dieser Faktor ist also nicht spezifisch für Auf-gabe A03, sondern betrifft den gesamten Versuch.Diese Variable wird gesondert ausgewertet. Diezwei Faktoren „Geschwindigkeit“ und „Seitenab-stand“ mit zusammen 29 % Varianzaufklärung wer-den in den weiteren Analysen berücksichtigt. Dasheißt, dass von den 47 Variablen 22 in die weiterenAuswertungen eingingen.

A04 Wenden im Hof

Zehn Variablen von Aufgabe A04 wurden in derFaktorenanalyse berücksichtigt. Vier Hauptkompo-nenten haben Eigenwerte größer 1 und klären 64 %der Gesamtvarianz auf. Der Screeplot rät zu einereinfaktoriellen Lösung, die nur noch 27 % der Vari-anz aufklärt. Aufgrund der Faktorenladungen lässtsich dieser Faktor als „Abkommen von der Fahr-bahn“ bezeichnen (5 Variablen) und geht in die wei-teren Analysen ein. Damit gehen fünf der zehn Va-riablen in die weiteren Auswertungen ein.

A05 Walkie-Talkie

Zehn Variablen von Aufgabe A05 wurden in derFaktorenanalyse berücksichtigt. Vier Hauptkompo-nenten haben Eigenwerte größer 1 und klären 80 %der Gesamtvarianz auf. Aufgrund der Faktorenla-dungen lassen sich diese Komponenten wie folgtbezeichnen: „Entropie“ (3 Variablen), „Geschwin-

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digkeit“ (2 Variablen), „Handlungsdauer“ (2 Varia-blen), „Spurhalten (2 Variablen)“. Diese 4 Faktorenwerden in den weiteren Analysen berücksichtigt.Das heißt, dass von den 10 Variablen 9 in die wei-teren Auswertungen eingingen.

A06 Zahlenaufgabe

18 Variablen von Aufgabe A06 wurden in der Fak-torenanalyse berücksichtigt. Fünf Hauptkomponen-ten haben Eigenwerte größer 1 und klären 89 % derGesamtvarianz auf. Der Screeplot rät zu einer ein-oder vierfaktoriellen Lösung, die 35 % bzw. 81 %der Varianz aufklärt. Aufgrund der Faktorenladun-gen lassen sich vier Komponenten wie folgt be-zeichnen: „Spurhalten“ (8 Variablen), „Bearbei-tungszeit“ (3 Variablen), „Abkommen“ (3 Variablen),„Geschwindigkeit“ (4 Variablen). Diese vier Fakto-ren mit allen 18 Variablen werden in den weiterenAnalysen berücksichtigt.

A07 Slalom

Drei Variablen von Aufgabe A07 wurden in der Fak-torenanalyse berücksichtigt. Eine Hauptkomponen-te hat einen Eigenwert größer 1 und klärt 55 % derGesamtvarianz auf. Dieser Faktor kann mit „Ge-schwindigkeit“ (3 Variablen) beschrieben werden.Dieser Faktor wird in den weiteren Analysenberücksichtigt.

A08 Zielbremsung

29 Variablen von Aufgabe A08 wurden in der Fak-torenanalyse berücksichtigt. Sechs Hauptkompo-nenten haben Eigenwerte größer 1 und klären 89 %der Gesamtvarianz auf. Der Screeplot rät zu einerdreifaktoriellen Lösung, die noch 75 % der Varianzaufklärt. Aufgrund der Faktorenladungen lassensich diese Komponenten wie folgt bezeichnen: „Ge-schwindigkeit (12 Variablen)“, „Bremsbeginn“ (10Variablen), „Bremsweg“ (2 Variablen). Diese dreiFaktoren werden in den weiteren Analysen berück-sichtigt. Das heißt, dass von den 29 Variablen 24 indie weiteren Auswertungen eingingen.

A09 Kurzzeitgedächtnis und A15 Langzeit-gedächtnis

Diese Aufgaben gingen nicht in die Faktorenanaly-se ein, da sie nicht während der Fahrt erhobenwurden. Sie dienten der Überprüfung der Gedächt-nisleistung.

A10 Kassette suchen

Sieben Variablen von Aufgabe A10 wurden in derFaktorenanalyse berücksichtigt. Zwei Hauptkompo-nenten haben Eigenwerte größer 1 und klären 73 %der Gesamtvarianz auf. Aufgrund der Faktorenla-dungen lassen sich diese Komponenten als „Spur-halten“ (3 Variablen) und „Suchdauer“ (2 Variablen)bezeichnen. Diese zwei Faktoren werden in denweiteren Analysen berücksichtigt. Das heißt, dassvon den sieben Variablen fünf in die weiteren Aus-wertungen eingingen.

A11 Ausweichmanöver

Neun Variablen von Aufgabe A11 wurden in derFaktorenanalyse berücksichtigt. Vier Hauptkompo-nenten haben Eigenwerte größer 1 und klären 85 %der Gesamtvarianz auf. Aufgrund der Faktorenla-dungen lassen sich diese Komponenten wie folgtbezeichnen: „Geschwindigkeit“ (4 Variablen), „Kur-vengeschwindigkeit“ (2 Variablen), „Seitenabstand“(2 Variablen), „Verhalten“ (1 Variable). Diese vierFaktoren werden in den weiteren Analysen berück-sichtigt. Das heißt, dass alle Variablen in die weite-ren Auswertungen eingingen.

A13 Reiz-Reaktions-Test (in der Fahrt)

44 Variablen von Aufgabe A13 wurden in der Fak-torenanalyse berücksichtigt. Sieben Hauptkompo-nenten haben Eigenwerte größer 1 und klären 92 %der Gesamtvarianz auf. Der Screeplot rät zu einerdreifaktoriellen Lösung, die noch 74 % der Varianzaufklärt. Aufgrund der Faktorenladungen lassensich diese Komponenten wie folgt bezeichnen: „Mit-tellinie überfahren“ (25 Variablen), „Abkommen“ (9Variablen), „Mittellinie berührt“ (6 Variablen). Diesedrei Faktoren werden in den weiteren Analysenberücksichtigt. Das heißt, dass von den 44 Varia-blen 40 in die weiteren Auswertungen eingingen.

A14 Balleinrollen (2)

47 Variablen von Aufgabe A14 wurden in der Fak-torenanalyse berücksichtigt. Zwölf Hauptkompo-nenten haben Eigenwerte größer 1 und klären 87 %der Gesamtvarianz auf. Der Screeplot rät zu einerdreifaktoriellen Lösung, die noch 49 % der Varianzaufklärt. Aufgrund der Faktorenladungen lassensich die ersten beiden Komponenten mit „Ge-schwindigkeit“ (18 Variablen) und „Kurvenge-schwindigkeit“ (8 Variablen) bezeichnen, in den drit-ten Faktor sind hier die absoluten Versuchszeiten

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(5 Variablen), das entspricht ungefähr der Gesamt-dauer aller Realfahrten, eingegangen. Dieser Fak-tor ist also keine Eigenschaft von Aufgabe 14, son-dern bezieht sich auf den gesamten Versuch. Dieübrigen zwei Faktoren werden in den weiteren Ana-lysen berücksichtigt. Das heißt, dass von den 47Variablen 26 in die weiteren Auswertungen eingin-gen.

5.3 Gruppenvergleiche der extrahier-ten Faktoren

Insgesamt sind 315 Variablen in die berichtetenFaktorenanalysen eingegangen, aus denen 43Hauptkomponenten extrahiert wurden. Diese Fak-toren klären durchschnittlich 68 % der Gesamtvari-anz aller Aufgaben auf. Wie man Tabelle 16 ent-nehmen kann, sind die Faktoren „Geschwindigkeit“und „Spurhalten“ in fast allen Aufgaben an der Vari-anzaufklärung beteiligt, wobei sich der Anteil ihrerVarianzaufklärung zwischen den Aufgaben unter-scheidet.

Der für ein verkehrssicheres Fahren relevantereFaktor „Spurhalten“ erzielt in den Aufgaben A06„Zahlenaufgabe“ mit 51 %, A10 „Kassette einlegen“mit 44 % und in der Aufgabe A13 „Reiz-Reaktions-aufgabe“ mit 74 % die höchste Varianzaufklärung.

Weitere hervorzuhebende Faktoren, die aufgrundder jeweiligen Aufgabenstellung nur einzelnen Auf-gaben zugeordnet werden können, sind in AufgabeA01 „Proberunde“ der Faktor „Verkehrsbeachtung“mit 10 % aufgeklärter Varianz und in Aufgabe A02„Richtungssymboltest“ die „Anzahl falscher Rich-tungsansagen“ mit 29 % aufgeklärter Varianz. Auchdie Dauer der Bearbeitungszeit der jeweiligen Auf-gabenstellung bestimmt einen Anteil der Varianz-aufklärung. In den drei Realfahrtaufgaben (A05„Walkie-Talkie“, A06 „Zahlenaufgabe“, A10 „Kasset-te einlegen“), in denen die Bearbeitungszeit alsFaktor ermittelt werden konnte, klärt dieser Faktordurchschnittlich 21 % der Gesamtvarianz pro Auf-gabe auf.

Im Folgenden werden die varianzaufklärenden Fak-toren über alle Aufgaben zusammengestellt und aufihre Bedeutsamkeit zur Feststellung signifikanterGruppenunterschiede geprüft (s. Tabelle 16).

Betrachtet man hierzu die in den letzten beidenSpalten der Tabelle 16 eingetragenen Ergebnisseder varianzanalytischen Gruppenvergleiche derFaktorwerte, sieht man, dass in sechs von den vier-

49

Tab. 16: Faktorielle Struktur der Realfahrtaufgaben (alle Fakto-ren zur Geschwindigkeit sind unterstrichen, alle Fakto-ren zum Spurhalten fett gedruckt)

Varianzauf-klärung

Gruppen-vergleiche

An-zahl Var.

FaktorPro

FaktorGe-samt

p η2

Aufgabe 1 52

1 Geschwindigkeit 17 % 0,27 0,05

2Mittellinie überfahren

16 % 0,00 0,17

3 Mittellinie berührt 12 % 0,78 0,02

4 Beachtung Verkehr 10 % 0,41 0,04

5 Abkommen 7 % 0,09 0,08

6 NN 6 % 0,94 0,01

7 NN 5 % 0,61 0,03

8 NN 5 % 0,15 0,07

9 NN 4 % 82 % 0,70 0,02

Aufgabe 2 39

1Anzahl falscherAnsagen

29 % 0,00 0,21

2 Spurhalten 18 % 0,49 0,03

3 NN 9 % 0,72 0,02

4 Ansagezeit 9 % 65 % 0,60 0,03

Aufgabe 3 47

1 Geschwindigkeit 23 % 0,01 0,14

2 NN 15 % 0,97 0,01

3 NN 13 % 0,16 0,07

4 [Versuchsdauer] 7 % 0,01 0,13

5 Seitenabstand 6 % 64 % 0,80 0,02

Aufgabe 4 10 1 Abkommen 27 % 27 % 0,00 0,18

Aufgabe 5 10

1 Entropie 26 % 0,32 0,05

2 Geschwindigkeit 23 % 0,09 0,08

3 Handlungsdauer 17 % 0,18 0,06

4 Spurhalten 13 % 80 % 0,48 0,04

Aufgabe 6 18

1 Spurhalten 35 % 0,17 0,06

2 Bearbeitungszeit 18 % 0,23 0,06

3 Abkommen 16 % 0,06 0,09

4 Geschwindigkeit 13 % 81 % 0,40 0,04

Aufgabe 7 3 1 Geschwindigkeit 55 % 55 % 0,62 0,03

Aufgabe 8 29

1 Geschwindigkeit 37 % 0,16 0,06

2 Bremsbeginn 28 % 0,00 0,21

3 Bremsweg 10 % 75 % 0,01 0,12

Aufgabe 10 71 Spurhalten 44 % 0,38 0,04

2 Suchdauer 29 % 73 % 0,01 0,13

Aufgabe 11 9

1 Geschwindigkeit 36 % 0,33 0,05

2Kurven-geschwindigkeit

24 % 0,21 0,06

3 Seitenabstand 15 % 0,36 0,04

4 Verhalten 11 % 85 % 0,52 0,03

Aufgabe 13 44

1Mittellinie überfahren

41 % 0,25 0,07

2 Abkommen 20 % 0,55 0,04

3 Mittellinie berührt 13 % 74 % 0,81 0,02

Aufgabe 14 44

1 Geschwindigkeit 26 % 0,49 0,03

2Kurven-geschwindigkeit

14 % 0,60 0,03

3[Versuchsdauer(gesamt)]

9 % 49 % 0,00 0,16

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zehn Aufgaben signifikante Gruppenunterschiedehinsichtlich der oben genannten Faktoren ermitteltwerden konnten. Auch der Faktor der „Versuchs-dauer gesamt“, der über alle Aufgaben ermitteltwurde, weist signifikante Gruppenunterschiede auf.

Signifikante Gruppenunterschiede für das „Spurhal-ten“ finden sich nur in Aufgabe A01 „Proberunde“für den Faktor „Mittellinie Überfahren“ und in Aufga-be A04 „Wenden im Hof“ für den Faktor „Abkom-men von der Fahrbahn“. In Aufgabe A10 „Kassetteeinlegen“ ergeben sich für den Faktor „Suchdauer“signifikante Gruppenunterschiede. Der Faktor „An-zahl falscher Ansagen“ in Aufgabe A02 „Richtungs-symboltests“ ergibt ebenfalls signifikante Gruppen-unterschiede.

Die sich anschließende Frage ist, ob und inwieweitdie Ergebnisse der Computerpsychometrie und derFahrlehrerbeurteilung die Ergebnisse der Realfahrtwiderspiegeln. Bevor die Zusammenhänge vonFahrlehrer- und psychometrischer Eignungsbeur-teilung mit den Realfahrtergebnissen berechnetwerden (Kapitel 5.5), werden im Folgenden die Kor-relationen zwischen den Realfahrtfaktoren und denVariablen der Laboruntersuchungen (Blutuntersu-chung, Computerpsychometrie, Flimmerverschmel-zungsfrequenz) beschrieben.

5.4 Korrelationen zwischen den Fak-toren der Realfahrt und den Varia-blen der Laboruntersuchungen

Die Ergebnisse dieser Berechnung werden auf-grund der Datenfülle zusammengefasst. Korrelatio-nen, deren Betrag größer als 0,2 ist, bilden den kri-tischen Wert für N = 101 und α = 0,05. Von einerAuflistung dieser Korrelationen wird aus o. g. Grundebenfalls abgesehen, sodass im Folgenden nur dieherausragendsten Ergebnisse vor allem unterBerücksichtigung der zur Eignungsdiagnostik he-rangezogenen CPM-Verfahren und -Variablen er-läutert werden. Bei den Blutuntersuchungen wer-den im Folgenden die Korrelationen der Variablen„Albumin“ und „Bilirubin“ hervorgehoben, da dieseam häufigsten mit den Faktoren der Realfahrt kor-relierten.

Flimmerfrequenz

Die Zusammenhänge zwischen den Faktoren derRealfahrtdaten und der Flimmerfrequenz sind ins-gesamt betrachtet gering. Nur fünf (siehe Aufgaben

A03, A05, A10 und A14) der 43 berechneten Korre-lationen sind signifikant, der insgesamt größte Zu-sammenhang liegt mit r = -0,30 zum Faktor „Such-dauer“ von Aufgabe 10 vor. Das heißt, dass Pro-banden mit niedrigen Flimmerfrequenzwerten, wiesie beim Krankheitsfortschreiten der HE beobachtetwerden, mehr Zeit benötigen, während des Fahrenseine Kassette herauszusuchen und einzulegen.

In den nachfolgenden Beschreibungen der korrela-tiven Zusammenhänge werden immer die Korrela-tionen der ermittelten Faktoren der Realfahrtaufga-ben mit den Prozenträngen der Hauptvariablen17

der eignungsrelevanten CPM-Verfahren genannt.Ist eine Korrelation mit einer Nebenvariable odereinem Rohwert innerhalb eines CPM-Verfahrenshöher, wird dies explizit erläutert.

A01 Proberunde

Von den Faktoren der Aufgabe A01 weist der Fak-tor „Mittellinie überfahren“ die meisten signifikantenKorrelationen auf. Die größten Zusammenhängeliegen hinsichtlich der Prozentränge der Nebenva-riablen des Reaktionstests („Motorische Reaktions-zeit“, r = -0,41), der Hauptvariablen des Linienver-folgungstests („Score“, r = -0,38) und des Determi-nationstests („Anzahl richtiger Antworten“, r = -0,36)vor. Demnach haben Probanden mit einer längerenReaktionszeit, einer schlechteren Orientierung undeiner niedrigeren Belastbarkeit länger die Mittellinieüberfahren. Der Faktor „Mittelinie überfahren“ zeigtzudem signifikante Korrelationen zu den Laborwer-ten von Albumin (r = -0,39) und Bilirubin (r = 0,36),wobei die Mittellinie je länger überfahren wurde,desto höher die Bilirubin- oder/und desto niedrigerdie Albuminkonzentration im Blut der Probandenwar. Auch der Faktor „Verkehrsbeachtung“ weistsignifikante, wenn auch geringere Korrelationenauf, vor allem zu den Variablen des Cognitrone unddes Determinationstests. Probanden, die sich bes-

50

17 Als maßgebliche Indikatoren zur Eignungsüberprüfung wirdin dem Bedienungsmanual der verkehrspsychologischenTestbatterie von Schuhfried die Betrachtung der jeweiligenHauptvariablen der eingesetzten Testverfahren empfohlen.Die Leistungsprofile der Nebenvariablen dienen der Falzi-fitätsüberprüfung und werden als zusätzliches Maß zur Fahr-eignungsdiagnostik herangezogen. Die Rohwerte der Haupt-und Nebenvariablen gingen mit in die Korrelationsanalysenein, um Empfehlungen für die Anwendung und Auswertungdieses CPM-Verfahrens in der Fahreignungsdiagnostik vonHE-Patienten zu geben.

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ser konzentrieren konnten und belastbarer sind,haben auch häufiger die Verkehrsregeln beachtet.

A02 Richtungssymboltest

Bei Aufgabe A02 weist der Faktor „Anzahl falscherAnsagen“ durchweg signifikante Korrelationen mitden CPM-Variablen auf, wobei der größte Zusam-menhang mit dem Determinationstest (r = 0,-52)und mit der motorischen Zeit des Reaktionstests (r = 0,44) vorliegt. Mit der Hauptvariable des Reak-tionstests („PR: Median Reaktionszeit“) beträgt dieKorrelation immerhin noch r = -0,28. Das heißt, jemehr falsche Ansagen während der Realfahrt zumRichtungssymboltest gegeben wurden, desto weni-ger richtige Antworten wurden beim Determinati-onstest erzielt und desto länger war die Reaktions-zeit (v. a. die motorische) im Reaktionstest. Auchdie Orientierungsleistung korreliert mit der „Anzahlfalscher Ansagen“ (LVT (PR): r = -0,37), sowie dieLaborwerte von Albumin (r = -0,34) und Bilirubin (r = 0,21), wobei häufiger falsche Ansagen gegebenwurden, je höher die Bilirubin- oder/und je niedrigerdie Albuminkonzentration im Blut der Probandenist. Die anderen Faktoren weisen keine systemati-schen Korrelationen zu den Labordaten auf.

A03 Balleinrollen (1)

Die Faktoren von Aufgabe A03 zeigen tendenziellkleine Zusammenhänge jeweils zwischen dem Fak-tor „Geschwindigkeit“ und den Variablen des Deter-minationstests sowie zum Alter der Probanden. Jebesser die Ergebnisse im DT oder je jünger die Pro-banden sind, desto langsamer fahren sie.

A04 Wenden im Hof

Es ergeben sich signifikante Korrelationen zwi-schen dem Faktor „Abkommen von der Fahrbahn“und vereinzelten psychometrischen Testvariablen,wobei diese aber insgesamt klein sind. Die maxi-male Korrelation liegt bei r = 0,3 für die Nebenva-riable „Motorische Reaktionszeit“ des Reaktions-tests. Ein häufigeres oder länger andauerndes Ab-kommen von der Fahrbahn sowie ein häufigeresAnfahren der Pylone entsprechen demnach einerlängeren Reaktionszeit im RT.

A05 Walkie-Talkie

Von den vier Faktoren der Aufgabe A05 zeigen sichnur für den Faktor Geschwindigkeit systematisch

Korrelationen, wobei die größten Zusammenhängemit der gemessenen Albuminkonzentration (r = -0,41), der motorischen Zeit des Reaktionstests (r =0,40) und dem Determinationstest (PR AnzahlRichtige: r = -0,33) bestehen. Die Probanden miteiner höheren Albuminkonzentration und einerhöheren Belastbarkeit fahren langsamer.

A06 Zahlenaufgabe

Die meisten signifikanten Zusammenhänge beste-hen hier mit dem Faktor „Spurhalten“, wobei hierdie Rohwerte des Reaktionstests (r = 0,36) und desCognitrone (r = 0,33) zeigen, dass eine schnellereReaktion und eine höhere Konzentration mit weni-ger Spurabweichungen korrelieren.

A07 Slalom

Signifikante Korrelationen mit der Geschwindigkeittreten hier nur hinsichtlich der „motorischen Reakti-onszeit“ im RT (r = 0,31) und in der Nebenvariabledes TAVTM (PR der falschen Antwort: r = -0,25) auf.Somit fahren diejenigen langsamer, die langsamerreagieren oder weniger falsche Antworten gebenoder höhere Albuminwerte haben (r = -0,34).

A08 Zielbremsung

Die einzige nennenswerte Korrelation tritt hier zwi-schen dem Faktor „Geschwindigkeit“ und dem Roh-wert der motorischen Zeit des Reaktionstests (r = -0,44) auf.

A09 „Kurzzeitgedächtnis“ und A15 „Langzeit-gedächtnis“

Diese Aufgaben gingen nicht in die Korrelations-analysen ein, da sie lediglich der Gedächtnisleis-tungsüberprüfung dienten und nicht während desFahrens erhoben wurden.

A10 Kassette einlegen

Es ergeben sich durchweg signifikante Korrelatio-nen zum Faktor „Suchdauer“, die insbesondere mitdem Determinationstest relativ hoch sind (bis zu r =0,41). Die Nebenvariable des Medians der Reak-tionszeit im DT liegt mit r = 0,55 höher als dieHauptvariable. Ältere sowie weniger belastbareProbanden benötigen mehr Zeit, die richtige Kas-sette herauszusuchen und während der Fahrt ein-zulegen (r = 0,35). Der Faktor „Spurhalten“ korre-

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liert vor allem mit der Nebenvariablen des TAVTMB„falsche Antwort“ (PR: r = -0,34) und dem Rohwertder Reaktionszeit im RT (r = 0,33), sodass die Spurvon den Probanden besser gehalten wird, dieschneller reagieren und weniger falsche Antwortengeben.

A11 Ausweichmanöver

Insgesamt zeigen sich hier nur wenige signifikanteund eher geringe Korrelationen. Der Faktor „Ver-halten“ weist hier noch die meisten Zusammenhän-ge auf. Jedoch lässt dieser Faktor sich nicht ein-deutig bezüglich seiner Verkehrssicherheitsrele-vanz interpretieren, da bei dieser Aufgabenstellungnicht ermittelt werden konnte, ob es sicherer ist,dem Hindernis auszuweichen oder vorher abzu-bremsen.

A13 Reiz-Reaktions-Test

Der Faktor „Mittellinie überfahren“ weist durchgän-gig Korrelationen zu den Labordaten auf. Die höchste Korrelation mit den jeweiligen Hauptvaria-blen des Determinationstests (r = -0,45) und desCognitrone (r = -0,38) weist darauf hin, dass dieMittellinie umso öfter überfahren wird, je geringerdie Belastbarkeit und die Konzentration der Pro-banden sind. Geringe Korrelationen zeigen sich,indem ältere Probanden oder solche mit erhöhterAlbuminkonzentration häufiger die Mittellinie über-fahren (r = 0,23) oder auch nach rechts von derStraße abkommen (r = 0,25).

A14 Balleinrollen (2)

Wie bereits in dem ersten Durchlauf dieser Aufgabe(A03) weist der Faktor „Geschwindigkeit“ mit Varia-blen des Determinationstests („Reaktionszeit“) sig-nifikante Korrelationen (r = 0,35) auf. Ebenfalls sig-nifikante Korrelationen (r = -0,31) dieses Faktorsbestehen mit der Hauptvariablen „falsche Antwor-ten“ im TAVTMB. Je kürzer die Reaktionszeit im DToder je mehr falsche Antworteingaben die Proban-den erzielen, desto langsamer fahren sie.

Gesamtversuchsdauer

Im Vergleich zu den bisher betrachteten Variablenbzw. Faktoren der Realfahrt weist die Gesamtver-suchsdauer die deutlichsten Zusammenhänge zueiner Vielzahl von Labordaten auf. Vor allem dieNebenvariablen im Determinationstet (Median Re-

aktionszeit: r = 0,64; Anzahl der Reize: r = -0,62)und die Nebenvariable des Reaktionstests (motori-sche Reaktionszeit: r = 0,51) sowie die Albumin-konzentration (r = -0,44) zeigen hohe Korrelationenzur Gesamtversuchsdauer. Da die Versuchsdauerauch mit dem Alter korreliert (r = 0,4), wurdenzudem Partialkorrelationen mit dem Alter als Kon-trollvariable berechnet. Es wird deutlich, dass dieZusammenhänge zwischen Versuchsdauer und La-bordaten nicht auf das Alter zurückzuführen sind,im Gegenteil ergeben sich nach Herauspartialisie-ren des Alters insgesamt mehr signifikante Zusam-menhänge.

Es ergeben sich auch bei den anderen Realfahrt-variablen keine nennenswerten Zusammenhängemit dem Alter. So sind nur vereinzelt niedrige Kor-relationen zwischen dem Alter der Fahrgeschwin-digkeit oder dem Spurhalten (nur in A13) zu fin-den.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass alleinnerhalb der Realfahrt ermittelten Faktoren signi-fikante Zusammenhänge zu den verschiedenenLaborvariablen zeigen, wobei es sich allerdingsdurchgehend um niedrige Korrelationen handelt.Bei den klinischen Laborparametern zeigen sichsignifikante Korrelationen zwischen dem Spurhal-ten und den Bilirubin-, häufiger noch den Albumin-werten. Das Spurhalten ist umso schlechter, jehöher die Bilirubin- oder je niedriger die Albumin-konzentration im Blut des Probanden ist. NiedrigeAlbumin- und hohe Bilirubinwerte kennzeichneneine defizitäre Leberfunktion und zeigen im Ge-gensatz zu den anderen erhobenen „Leberwerten“Gamma-GT, GOT und GPT nicht nur Korrelationenmit dem Spurhalten, sondern auch mit der Anzahlkorrekt identifizierter Richtungsansagen.

Betrachtet man die Korrelation zwischen den ver-kehrssicherheitsrelevanten Faktoren in der Real-fahrt (Mittellinie überfahren, nach rechts von derFahrbahn abkommen und Spurhalten in der Pylo-nengasse) und den zur Fahreignungsbeurteilungherangezogenen psychometrischen Testvariablen,so finden sich die häufigsten signifikanten Ergeb-nisse mit der Hauptvariablen des Determinations-tests und der Nebenvariable des Reaktionstests„motorische Reaktionszeit“. Diese Reaktionstest-nebenvariable zeigt ebenso wie der Rohwert derHauptvariablen „Reaktionszeit“ häufiger als die ei-gentliche Hauptvariable „PR Reaktionszeit“ einenZusammenhang mit den in der Realfahrt ermittel-ten Faktoren wie dem Spurhalten oder dem Rich-

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tungssymbolerkennen. Dabei kennzeichnen kür-zere Reaktionszeiten besseres Spurhalten undmehr richtig identifizierte Richtungssymbole.

Der Determinationstest und die Hauptvariable desCognitrone zeigen niedrigere, wenn auch signifi-kante Korrelationen zu der Verkehrsbeachtung.Auffällig ist auch, dass bei dem tachistoskopischenVerkehrsauffassungstest die Nebenvariable „fal-sche Aussage“ stärker mit den Realfahrtvariab-len korreliert als die „Überblicksgewinnung“. Teil-weise zeigen die Rohwerte der psychometrischenTestdaten stärkere Korrelationen als die Prozen-tränge.

5.5 Zusammenhang zwischen denFaktoren der Realfahrt und denEignungsurteilen (Psychometrieund Fahrlehrer)

Die computerdiagnostischen Fahreignungsurteile(„geeignet“, „ungeeignet“) werden den ermitteltenFaktoren der einzelnen Realfahrtaufgaben gegen-übergestellt und es wird berechnet, ob sich die Fak-torwerte (z. B. das Spurhalten) zwischen den bei-den Eignungsgruppen unterscheiden. In der Tabel-le 17 werden pro Aufgabe nur die signifikanten bzw.deskriptiv auffälligen (0,1 > p > 0,05) Ergebnisseaufgeführt.

In Tabelle 18 wurden die Fahrlehrerbeurteilungendichotomisiert, sodass in der Gruppe der „Ungeeig-neten“ auch die Probanden mit „zweifelhafter Eig-nung“ aufgeführt sind. Auch hier werden wieder dieFahreignungsurteile den ermittelten Faktoren dereinzelnen Realfahrtaufgaben gegenübergestelltund es wird berechnet, ob sich die Faktorwerte (z. B. das Spurhalten) zwischen den beiden Eig-nungsgruppen unterscheiden. In der Tabelle wer-den pro Aufgabe nur die signifikanten (fett) bzw.deskriptiv auffälligen (0,1 > p > 0,05) Ergebnisseaufgeführt.

Für fast alle durch die Faktorenanalyse ermitteltenstärksten varianzaufklärenden Faktoren (vgl. mitTabelle 16) der Realfahrtaufgaben zeigen die Eig-nungsbeurteilungen, die aus den CPM-Ergebnis-sen oder den Fahrlehrerbemerkungen gefällt wur-den, signifikante Unterschiede zwischen den in „ge-eignet“ und „ungeeignet“ aufgeteilten Probanden-gruppen. Vor allem das Spurhalten oder auch dieEinzelleistung „Mittellinie überfahren“ spiegelt sichin den Eignungsurteilen wider, wobei ein Probandumso eher als ungeeignet eingestuft wurde, jeschlechter er die Spur halten konnte. Insgesamt istder Zusammenhang zwischen den Fahrlehrerbeur-teilungen und den Realfahrtfaktoren größer als zwi-schen der CPM-Eignungsbeurteilung und denRealfahrtfaktoren, so sind z. B. die Eignungsgrup-penunterschiede für den Faktor Spurhalten öftersignifikant. Das Spurhalten in der Pylonengasse

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Tab. 17: Deskription und Testung (Welch-Test) der Faktorwerte getrennt nach CPM-Eignung

ungeeignet (N = 20) geeignet (N = 80)t df p

Mittelwert Streuung Mittelwert Streuung

A01 Mittellinie überfahren 0,82 0,81 -0,20 0,95 4,84 33,19 0,00

A02 Anzahl falscher Ansagen 0,90 0,91 -0,22 0,90 4,93 29,13 0,00

A03Geschwindigkeit 0,71 0,83 -0,19 0,96 4,21 32,77 0,00

Seitenabstand -0,37 0,93 0,10 1,01 -1,99 31,22 0,06

A05Entropie 0,35 0,73 -0,09 1,05 2,21 40,91 0,03

Spurhalten 0,50 1,05 -0,11 0,95 2,36 27,38 0,03

A06Spurhalten 0,56 1,59 -0,14 0,75 1,92 21,14 0,07

Abkommen 0,49 1,51 -0,12 0,80 1,74 21,77 0,10

A08 Bremsweg -0,26 0,59 0,07 1,08 -1,82 55,13 0,07

A10 Suchdauer 0,87 1,50 -0,23 0,68 3,21 21,00 0,00

A11 Verhalten 0,33 0,92 -0,08 1,01 1,74 31,68 0,09

A13 Mittellinie überfahren 0,60 1,11 -0,19 0,89 2,81 25,82 0,01

A14 Geschwindigkeit 0,70 1,19 -0,17 0,88 3,07 24,36 0,01

Versuchsdauer (gesamt) -0,63 0,99 0,16 0,95 -3,19 28,36 0,00

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zeigt hier zwar nur für die durch CPM ermitteltenErgebnisse signifikante Unterschiede, in einer diffe-renzierteren Analyse des Spurhaltens, bei der klei-nere Fahrtstreckenabschnitte untersucht wurden,konnten aber ein signifikanter Gruppenunterschiedfür das Spurhalten in der Pylonengasse für Aufga-be A05 „Walkie-Talkie“ (p = 0,00) und ein deskrip-tiver Unterschied in Aufgabe A10 „Kassette einle-gen“ (p = 0,08) für die Fahrlehrerbeurteilung ermit-telt werden.

Die differenziertere Streckenanalyse zeigt, dass vorallem in den Kurven öfter die Mittellinie überfahrenwurde und dass häufiger signifikante Gruppenun-terschiede auftreten, wenn das Eignungsurteildurch den Fahrlehrer gefällt wurde.

In beiden Eignungsunterteilungen (CPM und Fahr-lehrer) unterscheiden sich die Eignungsgruppen inder Dauer des „Kassetteneinlegens“ (A10) sowie inder Anzahl falsch erkannter Richtungssymbolschil-der (A02 „Richtungssymboltest“), wobei ein als un-geeignet beurteilter Proband die Richtung öfterfalsch identifizierte und länger zum Einlegen derKassette benötigte. Nur bei der Eignungsuntertei-lung durch den Fahrlehrer finden sich signifikanteGruppenunterschiede für das Abkommen von derFahrbahn in Aufgabe A04 „Wenden in Hof“. Zudem

zeigt sich für das Fahrlehrerurteil in fast allen Auf-gaben ein signifikanter Unterschied zwischen denjeweiligen Fahrgeschwindigkeiten der Eignungs-gruppen.

Insgesamt belegt dieses Ergebnis, dass sich dieEignungsbeurteilungen (CPM und Fahrlehrer) mitden varianzanalytischen Gruppenvergleichen derFaktorwerte deckt und sich die Beurteilung in ver-kehrssicherheitsrelevanten Aspekten – wie z. B.dem Spurhalten – widerspiegelt, wobei die durchden Fahrlehrer eingeteilten Eignungsgruppen sichhäufiger in ihren Realfahrtleistungen unterschei-den. Daher wird dem Zusammenhang zwischenFahrlehrerurteil und dem Eignungsurteil aus denCPM-Ergebnissen das nächste Kapitel gewidmet.

5.6 Zusammenhang zwischen demEignungsurteil des Fahrlehrersund dem psychometrischen Testergebnis

Zunächst wurden Korrelationen zwischen den La-boruntersuchungen (klinische Parameter und CPM-Ergebnisse) und den Fahrlehrerbeurteilungen (ge-eignet, zweifelhafte Eignung, ungeeignet) berech-

54

Tab. 18: Deskription und Testung (Welch-t-Test) der Faktorwerte getrennt nach Eignungsbeurteilung des Fahrlehrers

Ungeeignet (N = 27) Geeignet (N = 68) Welch-Test

Mittelwert Streuung Mittelwert Streuung t df p

01 Mittellinie überfahren 0,47 1,24 -0,22 0,83 2,67 35,61 0,01

02 Anzahl falscher Ansagen 0,41 0,90 -0,25 0,89 3,21 47,42 0,00

03Geschwindigkeit 0,46 1,03 -0,21 0,94 2,97 44,25 0,00

[Versuchsdauer] 0,39 1,24 -0,18 0,84 2,21 35,83 0,03

04 Abkommen 0,63 1,20 -0,30 0,51 3,86 29,82 0,00

05

Entropie 0,34 0,89 -0,13 1,01 2,26 53,34 0,03

Geschwindigkeit 0,63 0,93 -0,32 0,77 4,69 41,08 0,00

Handlungsdauer -0,27 0,75 0,05 0,96 -1,73 61,11 0,09

Spurhalten 0,31 1,16 -0,15 0,91 1,86 39,31 0,07

06 Spurhalten 0,34 1,03 -0,20 0,75 2,47 37,53 0,02

07 Geschwindigkeit 0,27 0,99 -0,17 0,92 1,97 44,91 0,06

08 Geschwindigkeit -0,28 0,85 0,13 1,05 -2,01 58,42 0,05

10 Suchdauer 0,49 1,19 -0,20 0,88 2,76 37,77 0,01

11 Verhalten 0,22 0,95 -0,16 0,90 1,76 45,25 0,09

13 Mittellinie überfahren 0,40 1,10 -0,26 0,87 2,58 37,30 0,01

14 Geschwindigkeit (1) 0,47 1,11 -0,23 0,89 2,93 40,03 0,01

[Versuchsdauer (gesamt)] -0,31 1,01 0,19 0,90 -2,26 43,14 0,03

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net. Insgesamt sind die Zusammenhänge zwischender Fahrlehrerbeurteilung und den Variablen derLaboruntersuchungen eher gering. Die größten Zu-sammenhänge ergeben sich zu den Variablen desDeterminationstests und der Albuminkonzentration.Auch hier zeigt sich wieder, dass die Nebenvariabledes Reaktionstests (motorische Reaktionszeit) stär-ker zu bewerten ist als die Hauptvariable, da siehöher mit dem Fahrlehrerurteil korreliert. Wenn dieZusammenhänge insgesamt auch gering sind, soergeben sich doch für alle Hauptvariablen derCPM-Tests signifikante Korrelationen mit der Fahr-lehrerbeurteilung.

Die Tabellen 19 und 20 geben nun die Zusammen-hänge der Eignungsbeurteilungen zwischen denCPM-Verfahren und den Fahrlehrerurteil wieder. Fürdie Berechnung der prozentualen Übereinstimmungwurden jeweils nur die eindeutigen Kategorienberücksichtigt, die zugehörigen Zellen sind grau un-terlegt.

Insgesamt erhalten mehr Probanden durch dieCPM-Diagnostik als durch den Fahrlehrer das Urteilgeeignet.

Von 94 Probanden (ohne die „fraglich“ geeigneten)wurden 60 nach beiden Verfahren als geeignet undneun als ungeeignet beurteilt. Somit ergeben sich73 % übereinstimmende Urteile. Während derFahrlehrer aber acht Probanden als geeignet beur-teilt, die durch die CPM-Ergebnisse als ungeeignetbeurteilt wurden, hätte der Fahrlehrer in 17 Fällenim Gegensatz zu den psychometrischen Ergebnis-sen die Fahreignung verweigert. Ein ähnliches Er-gebnis ergibt sich, wenn man die psychometrischeFahreignungseinteilung noch in die zusätzlichenGruppen „zweifelhaft“ und die Gruppe „geeignet“ in„Gruppe 1“ und „Gruppe 2“ aufteilt (Tabelle 20).

Hier stimmen 77 % der Urteile (ohne „zweifelhaft“oder „fraglich“) überein. Auffällig ist, dass es keineÜbereinstimmungen für Probanden gibt, die in bei-den Urteilen ein zweifelhaftes oder fragliches Eig-nungsergebnis erzielen. Zudem werden nach denCPM-Ergebnissen sogar sieben Probanden fürfähig befunden, eine Fahrerlaubnis der Gruppe 2 zuerhalten (Voraussetzung für Gruppe 2: Mehrzahlder eingesetzten Tests PR > 33), obwohl diesedurch den Fahrlehrer als ungeeignet zum Führeneines Kraftfahrzeugs beurteilt wurden.

Eine Übereinstimmung von über 70 % zwischenbeiden Beurteilungsverfahren erscheint zunächstrecht hoch, doch die isolierte Betrachtung der Pro-banden, denen vom Fahrlehrer die Fahreignungabgesprochen wird, zeigt mit zwischen 35 % (Ta-belle 21) und 39 % (Tabelle 22) wesentlich geringe-re Übereinstimmungen mit den CPM-Urteilen,wobei gerade bei diesen Probanden ein fehlerhaf-

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Tab. 21: Zusammenhang der Fahreignungsurteile getrennt nach Gruppen; U = ungeeignet, F = fraglich, G = geeignet

CPM-Fahreignung

Gesund HE0 mHE oHE SH

U G U G U G U G U G

Fahrlehrer-Beurteilung

U 6 1 1 2 7 5 1 1 2

F 1 3 2

G 3 36 6 1 11 3 2 1 5

Tab. 20: Klassifikation der Fahreignungsurteile von Fahrlehrer und CPM (2)

CPM-Fahreignung

Gesamt ungeeignet zweifelhaft

geeignet (Gruppe 1)

geeignet (Gruppe 2)

Fahrlehrer-Beurteilung

ungeeignet 9 3 7 7 26

fraglich 3 0 3 0 6

geeignet 6 5 20 37 68

Gesamt 18 8 30 44 100

Tab. 19: Klassifikation der Fahreignungsurteile von Fahrlehrerund CPM (1)

CPM-FahreignungGesamt

ungeeignet geeignet

Fahrlehrer-Beurteilung

ungeeignet 9 17 26

fraglich 3 3 6

geeignet 8 60 68

Gesamt 20 80 100

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tes Eignungsurteil als äußerst kritisch bewertet wer-den muss.

Fragt man nun nach der Übereinstimmung der Eig-nungsurteile in Bezug auf die Krankheitsabstufun-gen, ergibt sich die in Tabelle 21 gezeigte Darstel-lung.

Die größten Übereinstimmungen in beiden Eig-nungsurteilen liegen mit 88 % bei der Gruppe derklinisch unauffälligen HE-Probanden (HE0) und denGesunden (80 %). Am wenigsten Übereinstimmungfindet sich bei den minimal Erkrankten (mHE: 62%), dicht gefolgt von den anderen beiden Leberpa-tientengruppen (oHE: 64 % und SH: 67 %). Geradedie Gruppe der minimalen HE-Probanden (mHE)stellt ein bekanntermaßen für die Fahreignungschwer zu diagnostizierendes Klientel, umso kriti-scher erscheint es, dass fast ein Drittel dieser Pati-enten nach den psychometrischen Testverfahrendie Fahreignung zugesprochen bekommt, währendder Fahrlehrer ihnen diese abspricht.

Bringt man diese Ergebnisse in Zusammenhangmit den fahrbiografischen Daten, sieht man, dassgerade diese Gruppe der minimalen HE-Probanden(mHE) mit rund 22 % den größten Anteil an Führer-scheinbesitzern stellt, die aus eigenem Anlass seitmindestens sechs Monaten vor dieser Untersu-chung nicht mehr selbst fahren. Somit stellt sich dieFrage, ob diese Patienten in der Lage sind, ihr fah-rerisches Können adäquat einzuschätzen.

Zum Zeitpunkt der vorliegenden Untersuchunggeben sechs Probanden mit minimaler HE, dienach der Beurteilung des Fahrlehrers ungeeignetsind, und weitere vier, bei denen zumindest Zweifelan der Fahreignung bestehen, an, selbst zu fahren.Demgegenüber fahren nur drei mHE-Probanden,die nach der Fahrlehrerbeurteilung ungeeignet zumFühren eines Fahrzeugs sind, seit mindestenssechs Monaten vor dieser Untersuchung nicht mehrselbst. Nach der CPM-Eignungsbeurteilung über-schätzen drei Probanden dieser Gruppe ihr Fahr-vermögen, während drei weitere dieses unterschät-zen, da sie nach den CPM-Ergebnissen geeignetwären, aber seit mindestens sechs Monaten nichtmehr selbst fahren. Durch beide Eignungsbeurtei-lungsverfahren werden Fehleinschätzungen vonSeiten der mHE-Probanden bezüglich ihres Fahr-vermögens aufgedeckt und zeigen, dass ein Teildieser Probandengruppe trotz verkehrssicherheits-relevanter Leistungseinbußen weiter ein Fahrzeugführt. Eine Erklärung hierfür wäre eine mangelhafteSelbsteinschätzung der eigenen Fahrleistung. Sostufen alle mHE-Probanden ihr Fahrvermögen imVergleich zu Altersgenossen eher gut oder sogarsehr gut ein, obwohl 26 % von ihnen angeben, in-nerhalb der letzten drei Monate Fahrschwierigkei-ten zu haben und so z. B. beim Zurücksetzen desFahrzeugs einen Gegenstand angefahren haben.Ein weiteres äußerst bedenkliches Ergebnis ausobiger Tabelle ist die Tatsache, dass sechs bzw.neun Probanden mit einer manifesten HE (oHE)weiterhin ein Fahrzeug selbst führen, obwohl diesenach beiden Beurteilungsverfahren dazu nichtmehr in der Lage wären. Auch hier schätzen sichalle Probanden eher gut im Vergleich zu ihren Al-tersgenossen ein.

6 Diskussion

Im Hinblick auf die in Kapitel 2.3.1 formulierten Hy-pothesen sollen zunächst die Gruppenunterschiededer Probanden innerhalb der eingesetzten Testver-fahren beschrieben und diskutiert werden. An-schließend werden die einzelnen Prüfverfahren ein-ander gegenübergestellt, sodass Empfehlungenzur Fahreignungsprüfung neurologischer Patientenim Allgemeinen und von Patienten mit einer hepa-tischen Enzephalopathie im Besonderen abgeleitetwerden können.

Voraussetzung für eine Interpretation der Ergebnis-se zu den Gruppenunterschieden ist die Vergleich-

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Tab. 22: Fahrpraxis getrennt nach Gruppen und Eignungsgrup-pen

CPM-Fahreignung

ungeeignet geeignet

fahreselbst

fahre nichtmehr selbst

fahreselbst

fahre nichtmehr selbst

Fah

rlehr

erbe

urte

ilung

Gesundungeeignet 6

geeignet 2 1 36

HE0ungeeignet 1 1

geeignet 6

mHE

ungeeignet 1 1 5 2

fraglich 1 3

geeignet 1 10 1

oHE

ungeeignet 4 1 1

fraglich 2

geeignet 3 2

SHungeeignet 1 1 1

geeignet 1 5

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barkeit der Untersuchungsbedingungen. Insgesamtist es gelungen, 109 Probanden mit vergleichbarenfahrbiografischen (z. B. Fahrpraxis) und biografi-schen (z. B. Alter) Daten auf die Versuchsgruppenzu verteilen. Auch die Versuchsbedingungen, wie z. B. die Witterungsverhältnisse während der Real-fahrten waren für alle Versuchsgruppen weitestge-hend vergleichbar.

6.1 Überprüfung der Unterschieds-hypothesen

Die in Kapitel 4.5 zusammengefassten Ergebnisseder Realfahrtaufgaben zeigen deutliche Unter-schiede in den Leistungen der einzelnen Proban-dengruppen. So erzielen die klinisch unauffälligenHE-Probanden (HE0) zumeist mit den Gesundenvergleichbare, teilweise sogar bessere Leistungen,wie z. B. in allen Aufgaben zur motorischen Kon-trolle und in den Aufgaben, in denen Wahrnehmungund deren kognitive Verarbeitung getestet werden.Erst gegen Versuchende zeigen sie im Vergleich zuden Gesunden einen leichten Leistungsabfall, wasfür ein Erreichen ihrer mentalen Belastungsgrenzespricht.

Die Leistungen der manifest HE-Erkrankten wiesenzwar häufiger signifikante Mängel auf als die derminimal HE-Erkrankten, aber unter Berücksichti-gung aller Ergebnisse zeigten die minimal HE-Er-krankten (mHE) in allen gemessenen Leistungsbe-reichen (Wahrnehmung und kognitive Verarbeitung,Aufmerksamkeitsfunktionen, Motorik) schlechtereLeistungen als die der Fettleberpatienten (SH), derGesunden und der klinisch Unauffälligen (HE0).Teilweise erzielten sie (mHE) sogar schlechtereLeistungen in den Aufgaben, in welchen eine siche-re Fahrzeugbeherrschung (Reaktion, Spurhalten)gefordert war, als die manifest HE-Erkrankten(oHE).

Die Hypothese 1 ist somit bestätigt, dass sich in Ab-hängigkeit vom Krankheitsgrad der HE die Leistun-gen in den Realfahrtaufgaben unterscheiden.Dabei wiesen die manifest und minimal HE-Er-krankten (oHE, mHE) in den verkehrssicherheitsre-levanten Merkmalen deutliche Defizite auf und dieklinisch Unauffälligen (HE0) liegen im Leistungsbe-reich der Gesunden.

Die Ergebnisse des computerpsychometrischenVerfahrens der verkehrspsychologischen Testbatte-rie nach SCHUHFRIED bestätigen die Hypothese 2insofern, dass auch hier in Abhängigkeit vom

Krankheitsgrad der HE unterschiedliche Leistungender Versuchsgruppen aufgezeigt wurden, womitsich eine unterschiedliche Verteilung in Bezug aufdie Zusprechung der Fahreignung ergab.

Am weitaus häufigsten erhielten hier die Probandenmit einer manifesten HE (oHE mit 77 %) das Fahr-eignungsurteil „nicht geeignet“. Die Probanden mitminimaler HE (mHE) liegen mit 16 % etwas höherals die Gruppe der klinisch unauffälligen HE-Pro-banden (HE0) mit 13 % der als ungeeignet Beur-teilten und werden ca. doppelt so oft als „ungeeig-net“ beurteilt wie die Gesunden.

Die Gruppe der Gesunden bzw. klinisch unauffälli-gen HE-Probanden (HE0) hat mit 62 % bzw. 63 %den größten Anteil an Personen, die nach demCPM-Ergebnis eine Fahrerlaubnis für die Gruppe 2erhalten würden. Immerhin erzielen aber auch 36 %der minimal HE-Erkrankten (mHE) dieses gute Er-gebnis.

Die Einzelergebnisse der jeweiligen Hauptvariablender CPM-Tests zeigen, dass alle fünf Probanden-gruppen in den Tests zur Reaktionsfähigkeit (RT),gefolgt von der Belastbarkeit (DT) und der Konzen-trationsfähigkeit (COG), die schlechtesten Leistun-gen in der verkehrspsychologischen Testbatterie er-zielten. Auffällig sind die Ergebnisse des Linienver-folgungstests (LVT), der die Orientierungsleistungmisst, da bis auf die manifest HE-Erkrankten (oHE)nahezu alle Probanden ausreichende Ergebnissein Bezug auf das Fahreignungsurteil erzielen. Daskönnte dafür sprechen, dass dieser Test die Pro-bandengruppen am wenigsten differenzieren kannoder aber dass die Orientierungsleistung bei einerHE-Erkrankung keine relevanten Defizite aufweist.Die Gruppe der klinisch Unauffälligen (HE0) zeigt inden Orientierungsleistungen sowie in dem Auf-merksamkeitstest (TAVTMB) sogar bessere Ergeb-nisse als die Gesunden.

Die in Kapitel 4.6 beschriebene Eignungsbewer-tung des Fahrlehrers bestätigt die Hypothese 3,dass sich die Fahrlehrerbeurteilungen in Abhängig-keit vom Krankheitsgrad der HE unterscheiden.

Während zwei Drittel der klinisch Unauffälligen(HE0) als geeignet beurteilt wurden, erzielte diesesUrteil nicht einmal die Hälfte der minimal HE-Er-krankten (mHE mit 48 %) und der manifest HE-Er-krankten (oHE mit 39 %). Die Notwendigkeit einesaktiven Eingriffs in die Fahrt, welches als das gra-vierendste Fahrfehlverhalten gewertet werdenmuss, war bei den manifest HE-Erkrankten (oHE)

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aber doppelt so häufig erforderlich wie bei den mi-nimal HE-Erkrankten (mHE). Der Fahrlehrer beur-teilte den Großteil der Probanden mit manifesterHE (oHE) zum Ende des Versuchs als sehr er-schöpft. Probanden mit minimaler HE (mHE), ge-folgt von denen mit Fettleber (SH), wirkten ange-spannt oder unkonzentriert während der Fahrt. Dasdeutet darauf hin, dass die Versuchsfahrt alle Le-berpatienten bis auf die Gruppe der klinisch Unauf-fälligen (HE0) stark beansprucht und an ihre Leis-tungsgrenze geführt hat.

Vergleicht man die Leistungsbeurteilung durchRealfahrt, computerpsychometrische Verfahrenund den Fahrlehrer miteinander, so kann festge-stellt werden, dass diese Verfahren alle ein Leis-tungsdefizit bei zunehmendem Krankheitsfortschrittdiagnostizieren. Allerdings unterscheidet sich derVersuchsgruppenanteil der defizitären Leistungenüber die drei Methoden. Daher sollen zunächst,bevor eine abschließende Bewertung zur Fahreig-nung von HE-Patienten getroffen werden kann, dieZusammenhangshypothesen der verwendeten Me-thoden geprüft werden.

6.2 Überprüfung der Zusammen-hangshypothesen

Über alle innerhalb der Realfahrt ermittelten Fakto-ren zeigen sich signifikante Zusammenhänge zuden verschiedenen Laborvariablen, wobei es sichallerdings durchgehend um niedrige Korrelationenhandelt. Das Leistungsprofil in der Realfahrt spie-gelt sich in den Eignungsbeurteilungen der psycho-metrischen Testverfahren (CPM) wider und zeigtebenfalls einen Zusammenhang zu einzelnen kli-nisch erhobenen Daten, womit die Hypothese 4 an-genommen werden kann.

Bei den klinischen Laborparametern zeigen sichsignifikante Korrelationen zwischen dem Spurhal-ten und den Bilirubin-, häufiger noch den Albumin-werten. Das Spurhalten ist umso schlechter und dieAnzahl korrekt identifizierter Richtungssymbolebleibt kleiner, je höher die Bilirubin- oder je niedri-ger die Albuminkonzentration im Blut des Proban-den ist.

Betrachtet man die Korrelationen zwischen denverkehrssicherheitsrelevanten Faktoren in derRealfahrt (Mittellinie überfahren, nach rechts vonder Fahrbahn abkommen und Spurhalten in der Pylonengasse) und den zur Fahreignungsbeurtei-

lung herangezogenen psychometrischen Testvaria-blen, so finden sich die häufigsten signifikanten Er-gebnisse mit der Hauptvariablen des Determina-tionstests (DT) und der Nebenvariablen „motori-sche Reaktionszeit“ oder dem Rohwert der Haupt-variablen „Reaktionszeit“ des Reaktionstests (RT).Dabei gehen kürzere Reaktionszeiten (RT) undeine höhere Anzahl richtiger Reaktionen (DT) mitbesserem Spurhalten und mehr richtig identifizier-ten Richtungssymbolen einher. Der Linienverfol-gungstest und der Cognitrone zeigen nur in einerbzw. zwei Realfahrtaufgaben signifikante Korrela-tionen mit dem Spurhalten. Auffällig ist, dass beidem tachistoskopischen Verkehrsauffassungstestdie Nebenvariable „falsche Aussage“ stärker mitden Realfahrtvariablen korreliert als die Hauptvaria-ble „Überblicksgewinnung“.

Die Hypothese 5 kann ebenfalls bestätigt werden,da sich die Eignungsbeurteilung des Fahrlehrers indem Leistungsprofil der Realfahrt widerspiegelt. Sozeigen sich in der Eignungsbeurteilung des Fahr-lehrers für fast alle durch die Faktoranalyse ermit-telten stärksten varianzaufklärenden Faktoren (vgl.mit Tabelle 16) der Realfahrtaufgaben signifikanteUnterschiede zwischen den als „geeignet“ und „un-geeignet“ beurteilten Probanden. Vor allem dasSpurhalten und die Einzelleistung „Mittellinie über-fahren“ spiegeln sich in den Eignungsurteilen wider,wobei ein Proband umso eher als ungeeignet ein-gestuft wurde, je schlechter er die Spur haltenkonnte. Das Abkommen von der Fahrbahn, dieDauer des „Kassetteneinlegens“ sowie die Anzahlfalsch erkannter Richtungssymbolschilder spiegelnsich in dem Fahrlehrerurteil wider, wobei ein als un-geeignet beurteilter Proband die Richtung öfterfalsch identifizierte, länger zum Einlegen der Kas-sette benötigte und öfter von der Fahrbahn abkam.

Insgesamt belegen diese Ergebnisse, dass sich dieEignungsbeurteilungen (CPM und Fahrlehrer) mitden varianzanalytischen Gruppenvergleichen derFaktorwerte decken. Weiterhin spiegelt sich die Be-urteilung in verkehrssicherheitsrelevanten Aspekten– wie z. B. dem Spurhalten – wider, wobei der Zu-sammenhang zwischen den Fahrlehrerbeurteilun-gen und den Realfahrtfaktoren größer ist als zwi-schen den CPM-Eignungsbeurteilungen und denRealfahrtfaktoren. Offen bleibt als Letztes die Frage,ob die Eignungsbeurteilungen des Fahrlehrers mitdenen des CPM-Verfahrens übereinstimmen.

Betrachtet man zunächst die Korrelationen zwi-schen den einzelnen Variablen der Laboruntersu-

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chungen (klinische Parameter und CPM-Ergebnis-se) und den Fahrlehrerbeurteilungen (geeignet,zweifelhafte Eignung, ungeeignet), zeigen sichzwar kleine Zusammenhänge, doch korrelieren alleHauptvariablen der CPM-Tests signifikant mit derFahrlehrerbeurteilung. Die größten Zusammenhän-ge finden sich mit den Variablen des Determinati-onstests und der Albuminkonzentration. Auch hierzeigt sich wieder, dass die Nebenvariable des Re-aktionstests (motorische Reaktionszeit) stärker zubewerten ist als die Hauptvariable, da sie höher mitdem Fahrlehrerurteil korreliert.

Vergleicht man nun die Eignungsurteile des Fahr-lehrers und der CPM-Verfahren, sieht man eineÜbereinstimmung in 77 % der Fälle, womit die Hy-pothese 6 bestätigt ist. Eine negative Eignungsbe-urteilung aufgrund der psychometrischen Tester-gebnisse geht einher mit einer negativen Eignungs-beurteilung des Fahrlehrers.

Insgesamt erhalten mehr Probanden durch dieCPM-Diagnostik als durch den Fahrlehrer das Urteil„geeignet“. Zudem werden nach den CPM-Ergeb-nissen sogar sieben Probanden für fähig befunden,eine Fahrerlaubnis der Gruppe 2 zu erhalten, ob-wohl diese durch den Fahrlehrer als ungeeignetzum Führen eines Kraftfahrzeugs beurteilt wurden.Auffällig ist, dass es keine Übereinstimmungen fürProbanden gibt, die in beiden Urteilen ein zweifel-haftes Eignungsergebnis erzielen.

Betrachtet man nun die Eignungsergebnisse derFahrlehrerbeurteilung und der CPM-Verfahren inBezug auf die Krankheitsabstufungen, so zeigtsich, dass die größten Übereinstimmungen in derBeurteilung von klinisch Unauffälligen (HE0) unddie geringsten Übereinstimmungen in den Eig-nungsurteilen der minimal HE-Erkrankten (mHE)liegen. Gerade diese Gruppe der minimalen HE-Probanden (mHE) stellt bekanntermaßen ein hin-sichtlich der Fahreignung schwer zu diagnostizie-rendes Klientel. Umso kritischer erscheint es, dassfast ein Drittel dieser Patienten aufgrund der psy-chometrischen Testverfahren die Fahreignung zu-gesprochen bekam, während der Fahrlehrer ihnendiese abspricht. Betrachtet man hierzu nun nochdie Auswertung der fahrbiografischen Daten, siehtman außerdem, dass die Gruppe der minimalenHE-Probanden (mHE) ihr Fahrvermögen starküberschätzt, was bei einer falsch positiv Beurtei-lung ein zusätzliches Risiko birgt.

Zusammenfassend wird ersichtlich, dass die Eig-nungsbeurteilung des Fahrlehrers mit der Realfahrt

insgesamt, aber auch vor allem mit den verkehrssi-cherheitsrelevanten Parametern, wie z. B. demSpurhalten, höher korreliert als die Eignungsbeur-teilung durch die computerpsychometrischen Ver-fahren. Eine Übereinstimmung beider Beurteilun-gen (Fahrlehrer und CPM) zeigte sich zwar für dieGesunden oder klinisch unauffälligen HE-Patienten(HE0), aber große Differenzen ergaben sich bei derBeurteilung der übrigen Leberpatienten mit der ge-ringsten Übereinstimmung bei Patienten mit mini-maler HE (mHE).

6.3 Schlussfolgerungen und Empfeh-lungen

Aus der abschließenden Betrachtung der Leis-tungsergebnisse der Probanden in Abhängigkeitihres Krankheitsstadiums in den verschiedenenTestmethoden sowie aus dem Vergleich der ange-wandten Prüfverfahren sollen Empfehlungen zurFahreignungsprüfung neurologischer Patienten imAllgemeinen und von Patienten mit einer hepati-schen Enzephalopathie im Besonderen generiertwerden.

6.3.1 Empfehlungen zur Konzeption der Fahr-eignungstestung von neurologischen Patienten

Eine standardisierte Realfahrtprobe ist sicherlicheine Methode, die einen hohen Grad externer Vali-dität verspricht, doch dafür wesentlich aufwändigerdurchzuführen ist als die Testung in einem Labor.Labortests sollten zur Fahreignungsprüfung nureingesetzt werden, wenn sie an einem externenKriterium validiert sind. Je mehr diese Verfahren dieRealität abbilden und testen können, desto ehersollten sie einer Realfahrteignungsprüfung vorzu-ziehen sein, denn mit dem Einsatz standardisierterLabor- oder Simulatortests können eine bessereBedingungskontrolle und somit eine höhere interneValidität erzielt werden als bei der Durchführungvon Realfahrten.

Aus den Ergebnissen der dieser Untersuchung zu-grunde liegenden Testverfahren sollen im Folgen-den Empfehlungen zur Fahreignungsprüfung vonPatienten mit neuropsychologischen Leistungsdefi-ziten abgeleitet werden.

Wie bereits in Kapitel 1.3 diskutiert, reichen psy-chometrische Testverfahren oder eine von einemFahrlehrer begleitete Fahrprobe oftmals nicht aus,

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um ein Fehlverhalten im Straßenverkehr zu prog-nostizieren, wenn das neuropsychologische Defizit,hier v. a. die Persönlichkeitsstörung, nur in be-stimmten, kritischen Situationen zu Tage tritt. Kriti-sche Situationen können durch das Eintreten un-vorhergesehener Ereignisse evoziert werden. Aberauch wenn zusätzliche belastende Situationen ineine Fahrverhaltensprobe integriert werden, kannman innerhalb einer kurzen Messzeit die Klientenan ihre Leistungsgrenzen heranführen, um even-tuelle verkehrssicherheitsrelevante Defizite aufzu-decken.

Daher entschieden wir uns in der vorliegenden Un-tersuchung, mit standardisierten Fahraufgaben ver-schiedene Aspekte des Fahrvermögens zu testen.Im Unterschied zu einer in der Praxis üblichenFahrverhaltensprobe konnten hier zudem Reaktio-nen auf ein plötzlich eintretendes Ereignis gemes-sen werden. Außerdem konnte durch die Dual-Task-Aufgaben das reale Auftreten einer zusätzli-chen Anforderung außerhalb der planmäßigenFahrt simuliert werden. Durch diese Aufgabenstel-lung traten die Gruppenunterschiede deutlicherhervor, und es konnte z. B. in mehreren Aufgabenein Zusammenhang zwischen dem Spurhalten unddem Krankheitsgrad der HE demonstriert werden.Die Zweitaufgabe muss nicht kompliziert sein.Schon eine zusätzliche Subtraktionsaufgabewährend des Fahrens kann deutliche verkehrssi-cherheitsrelevante Defizite aufdecken. Unsere Er-gebnisse zeigten weiterhin, dass die Fahrleistung jenach Modus der Zweitaufgabe unterschiedlich be-einflusst wird. So führte der Einsatz kognitiverZweitaufgaben zu anderen Resultaten als der mo-torischer Zweitaufgaben.

Fahraufgaben, die am wenigsten verkehrssicher-heitsrelevante Leistungsunterschiede zwischenden Gruppen aufzeigen konnten, waren das Sla-lomfahren und das Ausweichmanöver. Bei demEinsatz eines plötzlich auftretenden Hindernisses,wie hier das Balleinrollen, muss auf eine weitest-gehende Standardisierung der Versuchsbedingun-gen geachtet werden. So spielte die Fahrge-schwindigkeit eine große Rolle dafür, ob das Ball-einrollen auf die Fahrbahn überhaupt ein riskantesHindernis darstellte. Wenn die Probanden sichnicht an die Instruktion des Fahrlehrers gehaltenhaben und langsamer als gefordert gefahren sind,war ein Abbremsen nicht nötig und es bleibt unklar,ob diese Probanden auf ein plötzlich eintretendesEreignis adäquat reagieren können. Außerdemsollte nicht alleine das Kriterium „Fehlreaktion“,

also das „Ball-Überfahren“, zu einer Fahrvermö-gensaussage herangezogen werden. Die Wahr-nehmung des plötzlich eintretenden Ereignissessowie die Reaktionszeit oder -stärke müssen auchbei dem Nicht-Eintreten der „Fehlreaktion“ mit ana-lysiert werden.

Im Hinblick auf den in der Faktorenanalyse in allenFahraufgaben ermittelten varianzaufklärenden Fak-tor „Spurhalten“ zeigten sich in weiteren Berech-nungen signifikante Gruppenunterschiede und Kor-relationen zur Fahrlehrerbeurteilung und teilweiseauch zur Eignungsbeurteilung nach den CPM-Ver-fahren. Somit stellt die Variable „Spurhalten“ einewesentliche Größe in der Beurteilung des Fahrver-mögens im Realfahrtversuch dar.

Zur psychometrischen Fahreignungsbeurteilungwurden entsprechend den in den Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung und den in Anlage5 der FeV aufgeführten kraftfahrtspezifischen Leis-tungsbereichen folgende Untertest der verkehrs-psychologischen Testbatterie nach SCHUHFRIEDausgewählt: Wiener Determinationstest (DT), Lini-enverfolgungstest (LVT), Cognitrone (COG), Wie-ner Reaktionstest (RT), Tachystoskopischer Ver-kehrsauffassungstest (TAVTMB). Zur Auswertungder computerpsychometrischen Ergebnisse wurdedas Bedienungsmanual von SCHUHFRIED heran-gezogen. Als maßgeblicher Indikator zur Eignungs-überprüfung wird hier die Betrachtung der jeweili-gen Hauptvariablen der eingesetzten Testverfahrenempfohlen. Die Leistungsprofile der Nebenva-riablen dienten der Falzifitätsüberprüfung und wur-den ebenfalls zur Fahreignungsdiagnostik herange-zogen.

Die Hauptvariablen der verkehrspsychologischenTestbatterie zeigten zwar in einzelnen Tests Über-einstimmungen mit dem Fahrverhalten, wurdenzudem aber auch noch die Ergebnisse aller Neben-variablen dieser Tests sowie weiterer Verfahren(motorische Leistungsserie) hinzugezogen, stiegendie Korrelationen vor allem mit dem Spurhalten. Dazudem teilweise die Rohwerte dieser Tests höhereKorrelationen mit den Realfahrtvariablen als dieProzentränge aufwiesen, sollte das Konzept derProzentränge für die Fahreignungsbeurteilungüberdacht werden.

Von den verwendeten computerpsychometrischenPrüfverfahren zeigen der Determinations- und Re-aktionstest (DT, RT) die meisten Übereinstimmun-gen mit den Fahrleistungen in der Realfahrt. Vorallem die Nebenvariablen „motorische Reaktions-

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zeit“ aus dem RT und „Anzahl der Reize“ aus demDT korrelierten am höchsten mit dem Spurhalten.Die „motorische Reaktionszeit“ des RT korreliertzudem hoch mit der Wahrnehmung und der kogni-tiven Verarbeitung von Reizen in der Realfahrt. ImDT weist dagegen die Nebenvariable „Reaktions-zeit“ die höchsten Korrelationen mit Wahrnehmungund kognitiver Verarbeitung in der Realfahrt auf.Auffällig ist, dass die Nebenvariable „falsche Ant-worten“ des tachistoskopischen Verkehrsauffas-sungstests in fast allen Aufgaben mit mehr Real-fahrtvariablen korreliert oder höhere Korrelationenaufweist als die Hauptvariable. Der zusätzlich hin-zugezogene Corsi-Test korrelierte mit den wenigs-ten Realfahrtparametern, sodass geschlossen wer-den kann, dass dieser Test keine verkehrssicher-heitsrelevanten Parameter erfasst.

Somit sollten bei dem Einsatz der in der Untersu-chung zur Fahreignungsprüfung eingesetztenCPM-Verfahren nicht nur die in dem Auswertungs-manual beschriebenen Hauptvariablen in die Aus-wertung einbezogen werden, sondern der Diag-nostiker sollte auch die Rohwerte und Nebenvaria-blen dieser Testverfahren in die Analyse einbezie-hen, um ein sichereres Urteil in Bezug auf die Fahr-eignung fällen zu können.

Ob die gewählten psychometrischen Testverfahrendie in den Begutachtungs-Leitlinien geforderten An-forderungen der fünf Leistungsbereiche abdecken,bleibt unklar, da nur der Reaktionstest und der De-terminationstest wesentliche Korrelationen mit derRealfahrt aufweisen. Doch muss man auch hinzu-fügen, dass die hier formulierten Begriffe der zuüberprüfenden Leistungsbereiche unscharf sindund nicht dem derzeitigen wissenschaftlichenSprachgebrauch entsprechen (GOLZ et al., 2004).Demzufolge ist eine wissenschaftlich eindeutigeZuordnung von psychometrischen Tests zu diesenLeistungsbereichen nicht möglich und es bleibtfraglich, ob diese unscharf formulierten Leistungs-bereiche das Spektrum verkehrssicherheitsrelevan-ter Parameter abdecken. Unumstößlich ist, dasszur Überprüfung eines sicheren Fahrverhaltensmehrere Komponenten aus perzeptiven, kognitivenund psychomotorischen Leistungsbereichen ge-messen werden sollten und dass die Selbstein-schätzung des Fahrvermögens eine nicht zu ver-nachlässigende Rolle spielt. Der Vorteil von stan-dardisierten Fahraufgaben gegenüber einer in derPraxis üblichen Fahrprobe ist, Defizite gerade in-nerhalb dieser unterschiedlichen Leistungsbereicheherauszustellen und somit auch gezielter mögliche

Kompensationsstrategien zu überprüfen oder mittherapeutischen Interventionsmaßnahmen zu reha-bilitieren.

Hinsichtlich der Laboruntersuchungen bei Patien-ten mit hepatischer Enzephalopathie muss der Stel-lenwert der biochemischen Laborparameter hervor-gehoben werden. So ist neben der Bilirubinkonzen-tration vor allem die Höhe des Albuminspiegels imBlut der Probanden ein aussagekräftiger Indikatorfür sicherheitsrelevante Fahrverhaltensparameter.Niedrige Albumin- und hohe Bilirubinwerte kenn-zeichnen eine defizitäre Leberfunktion und zeigenim Gegensatz zu den anderen erhobenen „Leber-werten“ Gamma-GT, GOT und GPT Korrelationenmit dem Spurhalten und mit kognitiven Aufgaben-stellungen, bei denen ein deklaratives Gedächtnisund logisches Schlussfolgern eine Rolle spielen.

6.3.2 Fahreignung von Patienten mit HE in Abhängigkeit des Krankheitsstadiums

Vergleicht man die Leistungsbeurteilung der einge-setzten Testmethoden miteinander, so kann festge-stellt werden, dass diese Methoden alle bei zuneh-mendem Krankheitsfortschritt stärkere Leistungs-defizite bezüglich verkehrssicherheitsrelevanterParameter diagnostizieren. Somit sind die Anteileder klinisch unauffälligen Patienten (HE0) nach Ein-schätzung des Fahrlehrers und aufgrund der Er-gebnisse des CPM-Verfahrens vergleichbar inBezug auf das Urteil „geeignet“. Doch schon in demnächsten Krankheitsstadium der minimalen HE-Er-krankung (mHE) unterscheiden sich die Eignungs-beurteilungen maßgeblich. Daher sollen zunächstdie erhobenen Leistungen in den Realfahrtaufga-ben in Bezug auf die Fragestellung, ab welchemKrankheitsstadium von einer Fahreignungsein-schränkung ausgegangen werden muss, diskutiertwerden.

Eine allgemeine Beurteilung zur Fahreignung vonFettleberpatienten (SH) kann und sollte hier nichtgetroffen werden. Sie bewegen sich mit ihren Leis-tungen meist im Mittelfeld oder im Bereich der Leis-tungen von minimal und manifest HE-Erkranktenund es bliebe im Einzelfall zu prüfen, ob bei ihneneine Fahreignung gewährleistet ist oder nicht. DieFettleberpatienten hatten sich als gesunde Kontrol-len zur Studie gemeldet, mussten aber aufgrundunklarer Leberenzymerhöhung (GOT/GPT/GGT)oder aufgrund einer sonografisch ermittelten erhöh-ten Echodichte der Leber in eine separate Ver-suchsgruppe aufgenommen werden.

61

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Vergleicht man die verkehrssicherheitsrelevantenFahrfertigkeiten auf der Basis des hierarchischenModells nach WALLENTOWITZ et. al. (2001), solassen sich auf allen drei Ebenen auffällige Grup-penunterschiede aufzeigen, auf deren Basis Emp-fehlungen zum Fahreignungsurteil abgeleitet wer-den können.

Auf der Ebene der Bahnführung und Stabilisierungsind die Minderleistungen vor allem von Patientenmit manifester (oHE), aber auch mit minimaler HE(mHE) so prägnant, dass bei ihnen weder ein si-cheres Spurhalten noch ein reaktionsadäquatesFahrverhalten garantiert sind. Zieht man wie in Ka-pitel 3.2.3.2 beschrieben das prozedurale Gedächt-nis als Leistungskomponente hinzu, zeigen die mi-nimal HE-Erkrankten (mHE) auf der Ebene derBahnführung eine weitere Leistungseinschränkung.Sowohl für selektive und geteilte Aufmerksam-keitsleistungen als auch eine situationsangepasstemotorische Kontrolle, wie sie auf der Ebene derStabilisierung für ein situationsangepasstes Agie-ren erforderlich sind, zeigen wiederum beide Pa-tientengruppen die größten Defizite. MangelhafteLeistungen erbringen die minimal HE-Erkrankten(mHE) zudem auf der Ebene der Navigation in derpsychomotorischen Kontrolle und Umsetzung einesvorher erstellten Handlungsplans, wobei sie aberüber ein leistungsstärkeres deklaratives Langzeit-gedächtnis als die Fettleberpatienten (SH) und diemanifest Erkrankten (oHE) verfügen.

Diese Ergebnisse stimmen mit den Ergebnissender Realfahrtstudie von WEIN et al. (2004) überein,bei denen Patienten mit einer minimalen HE (mHE)signifikant schlechtere Ergebnisse in einer einstün-digen Stadt- und Autobahnfahrt erzielten als Pa-tienten ohne HE.

Auffällig in unserer Realfahrt ist, dass die klinischunauffälligen HE-Probanden (HE0) mit den Gesun-den vergleichbare, teilweise aber auch bessere Leistungen, z. B. auf der Ebene der Navigation indem situativ bedingten Agieren nach Entwicklungeines Handlungsplans oder in ihren Gedächtnisleis-tungen, erzielten. Die im Vergleich zu den Gesun-den besseren Leistungen auf der Ebene der Bahn-führung, z. B. im Spurhalten, erbringen die klinischUnauffälligen HE-Probanden (HE0) in der erstenHälfte des Gesamtversuchs. Danach fallen sie inihren Leistungen ab, wobei der Unterschied zwi-schen ihnen und den Gesunden zwar nicht signifi-kant ist, aber darauf hindeutet, dass die klinisch un-auffälligen HE-Probanden (HE0) durch die Ver-

suchsfahrt an ihre Leistungsgrenzen geführt wur-den und nicht so belastbar sind wie die Gesunden.Da sie im Gesamtversuch in ihren Leistungen mitden Gesunden vergleichbar oder zeitweilig besserwaren, tritt der Leistungsunterschied zwischenihnen und den minimal HE-Erkrankten (mHE) deut-lich hervor. Dieses Resultat unterstützt somit auchdie Ergebnisse von WATANABE et al. (1995), dermittels neuropsychologischer Testverfahren mini-mal HE-Erkrankten (mHE) häufiger die Fahreig-nung absprach als den klinisch Unauffälligen(HE0).

Insgesamt betrachtet sind die in Kapitel 3.2.3.2 de-finierten verkehrssicherheitsrelevanten neuropsy-chologischen Leistungen der manifest HE-Erkrank-ten (oHE) zwar häufiger signifikant schlechter alsdie Leistungen der minimal HE-Erkrankten (mHE),doch unter Berücksichtigung aller Ergebnisse zeig-ten die minimal HE-Erkrankten (mHE) in allen ge-messenen Leistungen (Wahrnehmung und kogniti-ve Verarbeitung, Aufmerksamkeitsfunktionen, Mo-torik) deutlich schlechtere Leistungen als die kli-nisch Unauffälligen (HE0), die mit den Gesundenvergleichbare oder sogar bessere Ergebnisse er-zielten. Somit zeigte sich ein deutlicher Unterschiedzwischen diesen beiden aufeinanderfolgendenKrankheitsstadien (HE0 und mHE) in Bezug auffahrrelevante Leistungen.

Daraus ist zu folgern, dass mindestens ab dem Sta-dium der minimalen HE-Erkrankungen eine Fahr-eignungsprüfung erfolgen sollte. Der Anteil der kli-nisch Unauffälligen (HE0), die sowohl durch denFahrlehrer als auch in den CPM-Verfahren als un-geeignet klassifiziert wurden, ist sehr gering undsomit bleibt es fraglich, ob bereits in diesem Sta-dium eine Fahreignungstestung erfolgen sollte,zudem in beiden Verfahren auch ein kleiner Anteilder Gesunden als ungeeignet klassifiziert wurde.Zur Klärung der Frage ab welchem Krankheitssta-dium eine Fahreignungsprüfung anzuraten wäre,sollten die Ergebnisse zur Selbstbeurteilung desFahrvermögens berücksichtigt werden. Die klinischUnauffälligen (HE0) beurteilen ihr Fahrvermögenüberaus kritisch und verfügen somit über eine wich-tige Voraussetzung für kompensatorisches Fahr-verhalten. Es kann angenommen werden, dassdiese Patienten ihre Leistungsmängel selbst imFalle kleiner Leistungseinbußen oder bei Überbe-anspruchung während längerer oder anstrengen-der Fahrten wahrnehmen und mit einem angepass-ten, verkehrssicheren Verhalten reagieren.

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Weiterhin sollte aus den vorliegenden Ergebnissenauch nicht gefolgert werden, dass ab dem Stadiumder manifesten HE-Erkrankung per se eine Fahr-eignung abgesprochen werden muss, da es auchvorkam, dass diese Patienten (oHE) in beiden Test-verfahren als fahrgeeignet beurteilt wurden.

Da sich hohe Übereinstimmungen in beiden Test-verfahren für die Beurteilung der klinisch Unauffälli-gen (HE0) ergaben, müsste eine CPM-Diagnostikfür die Fahreignungsbeurteilung von dieser Patien-tengruppe ausreichen.

Im Fall der minimal HE-Erkrankten (mHE) zeigtensich allerdings die wenigsten Übereinstimmungenin der Eignungsbeurteilung beider Verfahren, wobeidurch das CPM-Verfahren mehr minimal HE-Er-krankte (mHE) ein positives Eignungsurteil erhiel-ten als durch die Bewertung des Fahrlehrers. Dabislang in anderen Untersuchungen gerade diesePatientengruppe uneinheitlich bezüglich der Fahr-eignung beurteilt wurde und diese zudem nochstarke Defizite in den in dieser Untersuchung erho-benen Leistungsparametern des Fahrvermögensaufweist, wird hier eine praktische Fahrprobe emp-fohlen. Zumindest war das der Untersuchung zu-grunde liegende psychometrische Testverfahrennicht sensitiv genug, um diese Patientengruppe(mHE) bezüglich ihrer Fahreignung so einzustufen,dass die Ergebnisse mit der Fahrlehrerbeurteilungoder den Realfahrtleistungen übereinstimmen.

Voraussetzung für ein angepasstes verkehrssiche-res Verhalten auch im Sinne eines kompensatori-schen Mängelausgleichs durch therapeutische In-terventionsmaßnahmen ist die Einsicht in die be-stehende Leistungsminderung. Nur eine adäquateSelbsteinschätzung gerade bei neurologischen Pa-tienten gewährleistet den Zuspruch zur Fahreig-nung.

Im Falle des Vorliegens einer hepatischen Enze-phalopathie muss man allerdings feststellen, dasseine adäquate Selbsteinschätzung für das eigeneFahrvermögen ab dem Stadium der minimalen HE(mHE) nicht mehr gegeben sein kann, sodass imZweifel der Beurteilung eine mangelhafteSelbsteinschätzung zum Absprechen der Fahreig-nung führen sollte.

Abschließend soll noch angemerkt werden, dassneuropsychologische Defizite durch rehabilitativeMaßnahmen oder durch ein kompensatorischesFahrverhalten bis zu einem gewissen Maß ausge-glichen werden können. Vor allem Aufmerksam-

keitsstörungen, die initial bei 80 % aller neurologi-schen Patienten vorliegen, können durch therapeu-tische Interventionsmaßnahmen vermindert werden(KARBE et al., 2006). Auch bei perzeptiven Störun-gen wie der Hemianopsie können therapeutischeMaßnahmen helfen, wenn die Patienten lernen,ihre Aufmerksamkeit gezielt in das blinde Gesichts-feld zu lenken (NETZ, 2004). Wenn man bedenkt,dass eine berufliche Reintegration ohne gültigeFahrerlaubnis in einen Arbeitsmarkt, der Flexibilitätfordert, stark erschwert wird, sollte künftig die Mög-lichkeit therapeutischer Intervention mehr Beach-tung finden. Voraussetzung für die Umsetzung derin der Therapie erlernten Defizitausgleiche ist aller-dings die Einsicht in die bestehende Leistungsmin-derung sowie eine adäquate Selbsteinschätzung(KUNERT & LÖHRER, 2005).

Danksagung

Diese Untersuchung war nur möglich durch die Ko-operation mit Herrn Dr. med. Kircheis, Klinik für Ga-stroenterologie, Hepatologie und Infektiologie (Di-rektor: Prof. Dr. Häussinger) der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Der Verkehrsübungsplatzwurde uns freundlicherweise vom ADAC (Herr Rup-pert) kostenfrei zur Verfügung gestellt. Das WienerD-Gerät wurde eigens für diese Untersuchung vonHerrn Rood entwickelt. Weiterer Dank gilt den Mit-arbeitern der PACE GmbH.

Zu dem Gelingen dieser Studie haben viele weiterePersonen beigetragen: Katharina Hansen, RalfGottwald, Josef Flach und Angelika Müffeler-Römer.

Ihnen allen sei an dieser Stelle herzlich gedankt.

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Schriftenreihe

Berichte der Bundesanstaltfür Straßenwesen

Unterreihe „Mensch und Sicherheit“

M 135: Nutzung von Inline-Skates im StraßenverkehrAlrutz, Gündel, Müller, Brückner, Gnielka, Lerner, Meyhöfer 16,00

M 136: Verkehrssicherheit von ausländischen Arbeitnehmern und ihren FamilienFunk, Wiedemann, Rehm, Wasilewski, Faßmann, Kabakci, Dorsch, Klapproth, Ringleb, Schmidtpott 20,00

M 137: Schwerpunkte des Unfallgeschehens von MotorradfahrernAssing 15,00

M 138: Beteiligung, Verhalten und Sicherheit von Kindern und Jugendlichen im StraßenverkehrFunk, Faßmann, Büschges, Wasilewski, Dorsch, Ehret, Klapproth, May, Ringleb, Schießl, Wiedemann, Zimmermann 25,50M 139: Verkehrssicherheitsmaßnahmen für Kinder – Eine Sich-tung der MaßnahmenlandschaftFunk, Wiedemann, Büschges, Wasilewski, Klapproth,Ringleb, Schießl 17,00

M 140: Optimierung von Rettungseinsätzen – Praktische und ökonomische KonsequenzenSchmiedel, Moecke, Behrendt 33,50

M 141: Die Bedeutung des Rettungsdienstes bei Verkehrsunfällen mit schädel-hirn-traumatisierten Kindern – Eine retrospektive Aus-wertung von Notarzteinsatzprotokollen in BayernBrandt, Sefrin 12,50

M 142: Rettungsdienst im GroßschadensfallHolle, Pohl-Meuthen 15,50

M 143: Zweite Internationale Konferenz „Junge Fahrer und Fahre-rinnen“ 22,50

M 144: Internationale Erfahrungen mit neuen Ansätzen zur Ab-senkung des Unfallrisikos junger Fahrer und Fahranfänger Willmes-Lenz 12,00

M 145: Drogen im Straßenverkehr – Fahrsimulationstest, ärztliche und toxikologische Untersuchung bei Cannabis und AmphetaminenVollrath, Sachs, Babel, Krüger 15,00

M 146: Standards der Geschwindigkeitsüberwachung im Verkehr– Vergleich polizeilicher und kommunaler ÜberwachungsmaßnahmenPfeiffer, Wiebusch-Wothge 14,00

M 147: Leistungen des Rettungsdienstes 2000/01 – Zusammen-stellung von Infrastrukturdaten zum Rettungsdienst 2000 und Analyse des Leistungsniveaus im Rettungsdienst für die Jahre 2000 und 2001Schmiedel, Behrendt 15,00

M 148: Moderne Verkehrssicherheitstechnologie – Fahrdaten-speicher und Junge FahrerHeinzmann, Schade 13,50

M 149: Auswirkungen neuer Informationstechnologien auf das FahrerverhaltenFärber, Färber 16,00

M 150: Benzodiazepine: Konzentrationen, Wirkprofile und Fahr-tüchigkeitLutz, Strohbeck-Kühner, Aderjan, Mattern 25,50

M 151: Aggressionen im StraßenverkehrMaag, Krüger, Breuer, Benmimoun, Neunzig, Ehmanns 20,00

M 152: Kongressbericht 2003 der Deutschen Gesellschaft für Ver- kehrsmedizin e. V. 22,00

M 153: Grundlagen streckenbezogener Unfallanalysen auf Bun-desautobahnenPöppel-Decker, Schepers, Koßmann 13,00

M 154: Begleitetes Fahren ab 17 – Vorschlag zu einem fahrpra-xisbezogenen Maßnahmenansatz zur Verringerung des Unfallri-sikos junger Fahranfängerinnen und Fahranfänger in Deutschland Projektgruppe „Begleitetes Fahren“ 12,50

M 155: Prognosemöglichkeiten zur Wirkung von Verkehrssicher-heitsmaßnahmen anhand des VerkehrszentralregistersSchade, Heinzmann 17,50

M 156: Unfallgeschehen mit schweren Lkw über 12 tAssing 14,00

M 157: Verkehrserziehung in der SekundarstufeWeishaupt, Berger, Saul, Schimunek, Grimm, Pleßmann, Zügenrücker 17,50

M 158: Sehvermögen von Kraftfahrern und Lichtbedingungen im nächtlichen StraßenverkehrSchmidt-Clausen, Freiding 11,50M 159: Risikogruppen im VZR als Basis für eine Prämiendif- ferenzierung in der Kfz-HaftpflichtHeinzmann, Schade 13,00

M 160: Risikoorientierte Prämiendifferenzierung in der Kfz-Haft-pflichtversicherung – Erfahrungen und Perspektiven Ewers(†), Growitsch, Wein, Schwarze, Schwintowski 15,50

M 161: Sicher fahren in Europa – 5. Symposium 19,00

M 162: Verkehrsteilnahme und -erleben im Straßenverkehr bei Krankheit und MedikamenteneinnahmeHolte, Albrecht 13,50

M 163: Referenzdatenbank Rettungsdienst DeutschlandKill, Andrä-Welker 13,50

M 164: Kinder im StraßenverkehrFunk, Wasilewski, Eilenberger, Zimmermann 19,50

M 165: Förderung der Verkehrssicherheit durch differenzierte An- sprache junger Fahrerinnen und FahrerHoppe, Tekaat, Woltring 18,50

M 166: Förderung des Helmtragens Rad fahrender Kinder und Jugendlicher – Analyse der Einflussfaktoren der Fahrradhelmnut-zung und ihrer altersbezogenen VeränderungSchreckenberg, Schlittmeier, Ziesenitz 16,00

M 167: Fahrausbildung für Behinderte Zawatzky, Dorsch, Langfeldt, Lempp, Mischau 19,00

M 168: Optimierung der Fahrerlaubnisprüfung – Ein Reformvor-schlag für die theoretische FahrerlaubnisprüfungBönninger, Sturzbecher 22,00

M 169: Risikoanalyse von Massenunfällen bei NebelDebus, Heller, Wille, Dütschke, Normann, Placke,Wallentowitz, Neunzig, Benmimoun 17,00

M 170: Integratives Konzept zur Senkung der Unfallrate junger Fahrerinnen und Fahrer – Evaluation des Modellversuchs im Land NiedersachsenStiensmeier-Pelster 15,00

M 171: Kongressbericht 2005 der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin e. V. – 33. Jahrestagung 29,50

M 172: Das Unfallgeschehen bei NachtLerner, Albrecht, Evers 17,50

2004

2003

2002

2005

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M 173: Kolloquium „Mobilitäts-/Verkehrserziehung in der Sekundar-stufe“ 15,00

M 174: Verhaltensbezogene Ursachen schwerer Lkw-UnfälleEvers, Auerbach 13,50

M 175: Untersuchungen zur Entdeckung der Drogenfahrt in DeutschlandIwersen-Bergmann, Kauert 18,50

M 176: Lokale Kinderverkehrssicherheitsmaßnahmen und -pro-gramme im europäischen AuslandFunk, Faßmann, Zimmermann, unter Mitarbeit von Wasilewski, Eilenberger 15,00

M 177: Mobile Verkehrserziehung junger FahranfängerKrampe, Großmann 15,50

M 178: Fehlerhafte Nutzung von Kinderschutzsystemen in PkwFastenmeier, Lehnig 15,00

M 179: Geschlechtsspezifische Interventionen in der Unfallprä-ventionKleinert, Hartmann-Tews, Combrink, Allmer, Jüngling, Lobinger 17,50M 180: Wirksamkeit des Ausbildungspraktikums für Fahrlehrer-anfängerFriedrich, Brünken, Debus, Leutner, Müller 17,00

M 181: Rennspiele am Computer: Implikationen für die Ver-kehrssicherheitsarbeit – Zum Einfluss von Computerspielen mit Fahrzeugbezug auf das Fahrverhalten junger FahrerVorderer, Klimmt 23,00

M 182: Cannabis und Verkehrssicherheit – Mangelnde Fahreig-nung nach Cannabiskonsum: Leistungsdefizite, psychologische Indikatoren und analytischer NachweisMüller, Topic, Huston, Strohbeck-Kühner, Lutz, Skopp, Aderjan 23,50

M 183: Hindernisse für grenzüberschreitende Rettungsein-sätzePohl-Meuthen, Schäfer, Gerigk, Moecke, Schlechtriemen 17,50

M 184: Verkehrssicherheitsbotschaften für Senioren – Nutzung der Kommunikationspotenziale im allgemeinmedizinischen Behandlungsalltag Kocherscheid, Rietz, Poppelreuter, Riest, Müller, Rudinger, Engin 18,50

M 185: 1st FERSI Scientific Road Safety Research-ConferenceDieser Bericht liegt nur in digitaler Form vor und kann kostenpflichtig unter www.nw-verlag.de heruntergeladen werden 24,00

M 186: Assessment of Road Safety MeasuresErstellt im Rahmen des EU-Projektes ROSEBUD (Road Safety and Environmental Benefit-Cost and Cost-Effectiveness Analysis for Use in Decision-Making) 16,00

M 187: Fahrerlaubnisbesitz in DeutschlandKalinowska, Kloas, Kuhfeld 15,50

M 188: Leistungen des Rettungsdienstes 2004/05 – Analyse des Leistungsniveaus im Rettungsdienst für die Jahre 2004 und 2005Schmiedel, Behrendt 15,50

M 189: Verkehrssicherheitsberatung älterer Verkehrsteilnehmer – Handbuch für ÄrzteHenning 15,00

Alle Berichte sind zu beziehen beim:

Wirtschaftsverlag NWVerlag für neue Wissenschaft GmbHPostfach 10 11 10D-27511 BremerhavenTelefon: (04 71) 9 45 44 - 0Telefax: (04 71) 9 45 44 77Email: [email protected]: www.nw-verlag.de

Dort ist auch ein Komplettverzeichnis erhältlich.

M 190: Potenziale zur Verringerung des Unfallgeschehens an Haltestellen des ÖPNV/ÖPSVBaier, Benthaus, Klemps, Schäfer, Maier, Enke, Schüller 16,00

M 191: ADAC/BASt-Symposium "Sicher fahren in Europa" – Re-ferate des Symposiums vom 13. Oktober 2006 in Baden-BadenDieser Bericht liegt nur in digitaler Form vor und kann kostenpflichtig unter www.nw-verlag.de heruntergeladen werden. 24,00

M 192: KinderunfallatlasNeumann-Opitz, Bartz, Leipnitz 14,50

M 193: Alterstypisches VerkehrsrisikoSchade, Heinzmann 14,50

M 194: Wirkungsanalyse und Bewertung der neuen Regelungen im Rahmen der Fahrerlaubnis auf ProbeDebus, Leutner, Brünken, Skottke, Biermann 14,50

M 195: Kongressbericht 2007 der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin (DGVM e.V.) – zugleich 50-jähriges Jubiläum der Fachgesellschaft DGVM – 34. Jahrestag 28,00

M 196: Psychologische Rehabilitations- und Therapiemaß- nahmen für verkehrsauffällige KraftfahrerFollmann, Heinrich, Corvo, Mühlensiep, Zimmermann, Klipp, Bornewasser, Glitsch, Dünkel 18,50

M 197: Aus- und Weiterbildung von Lkw- und Busfahrern zur Verbesserung der VerkehrssicherheitFrühauf, Roth, Schygulla 15,50

M 198: Fahreignung neurologischer Patienten – Untersuchung am Beispiel der hepatischen EnzephalopathieKnoche 15,00

2006

2007

2008