feminismusnachartdesislam: jung,gläubigundemanzipiert · mein. und bei so vielen gemeinsa-men...

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Dieses Projekt wird gefördert aus Mitteln des Euro- päischen Integrationsfonds, des Bundesministeriums für Inneres und der Stadt Wien. auch online: DiePresse.com/integration Islam und Feminismus sind kein Widerspruch: Dudu Kücükgöl sieht sich als gläu- bige Muslimin und gleichzeitig als Kämpferin für die Rechte der Frau. [ Asma Aiad ] Feminismus nach Art des Islam: Jung, gläubig und emanzipiert Islamischer Feminismus. Muslimische Frauen werden in der Öffentlichkeit vor allem als Opfer betrachtet. Viele von ihnen wehren sich gegen dieses Bild – sie sehen sich als Feministinnen in der Tradition des Propheten Mohammed. VON NERMIN ISMAIL [WIEN] Feminismus zielt auf die Gleichstellung von Frau und Mann ab. Er beinhaltet Handlungen und Haltungen, die die Unterdrü- ckung, Benachteiligung, den Ausschluss und die Marginalisie- rung von Frauen zu überwinden versuchen, wie Politikwissen- schaftlerin Birgit Sauer sagt. Wei- ters versuchen Feministinnen, Un- gleichheit aufgrund von sozialer Position, Ethnizität, Religion oder sexueller Orientierung aufzuhe- ben. All das sind Anliegen, die auch muslimische Frauen vertre- ten – und sie erheben diese Forde- rungen zum Teil auch lautstark. Im islamischen Feminismus gehe es darum, die Frau aus ihrer nachgeordneten Rolle im privaten, sozialen, wirtschaftlichen, politi- schen und öffentlichen Raum zu befreien, meint Dudu Kücükgöl. Aber auch darum, der Frau zu er- möglichen, in allen Bereichen einen gleichberechtigten Platz ne- ben dem Mann einzunehmen. Kü- cükgöl bezeichnet sich selbst als is- lamische Feministin. Die Projekt- managerin, die seit Jahren in der Frauen- und Jugendarbeit aktiv ist, etwa bei der Muslimischen Jugend Österreich (MJÖ), sieht im islami- schen Feminismus eine einzigar- tige Besonderheit. Denn dieser ver- einbart in seinen Inhalten islami- sche und feministische Ansätze. Feminismus im Koran Er begründet seine Emanzipa- tionsbestrebungen mit islami- schen Argumenten und verwendet anerkannte islamische Quellen, sagt Kücükgöl. Dies verleihe dem islamischen Feminismus Stärke in der theologischen Diskussion und ermögliche eine breite Anerken- nung. Kücükgöl spricht Stellen im Koran an wie: Seht, ich lasse kein Werk der Wirkenden unter euch verloren gehen, sei es von Mann oder Frau; die einen von euch sind von den anderen.Auf solche und andere Verse berufen sich islami- sche Feministinnen. Sie gehen da- von aus, dass ihre Rechte schon vor 1500 Jahren, in der Zeit des Propheten Mohammed, erkämpft wurden. In der heutigen Realität sind sie jedoch nicht selbstver- ständlich. Heute gelte es also, sich dafür erneut einzusetzen, bezie- hungsweise die Rolle der Frau zeit- gemäß zu definieren. Ich bin Eu- ropäerin, Feministin und Musli- min, meint Kücükgöl. Der Islam, so glaubt die 27-Jährige, könne einen wichtigen Beitrag zur feministischen Debatte liefern. Immerhin habe man mit der Forderung nach Selbstverwirk- lichung und einem selbstbestimm- ten Leben für Frauen, nach wirt- schaftlicher Unabhängigkeit, poli- tischen und gesellschaftlichen Ent- faltungsmöglichkeiten viel mit all den anderen Feministinnen ge- mein. Und bei so vielen gemeinsa- men Forderungen sei es nahelie- gend, sich zusammenzuschließen, um die gemeinsamen Ziele schnel- ler zu erreichen. Neue solidarische, feministi- sche Strategiensind nach Polito- login Sauer dafür nötig. In der Öf- fentlichkeit jedoch werden musli- mische Frauen, die oftmals ein Kopftuch tragen, als arm und un- terdrückt dargestellt. Dies sei ver- heerend und eigentlich zutiefst frauenverachtend, ist die Journa- listin und Autorin Sibylle Hamann überzeugt. Die Geisteshaltung, die arme muslimische Frau zu be- freien, nimmt sie vor allem unter populistischen Politikern wahr, die versuchen, mit ein bisschen feministischer Rhetorik ihre frem- denfeindliche Politik zu verkau- fen. Lächerliche KopftuchdebatteAuch Politikwissenschaftlerin Sau- er kennt diesen feministischen Diskurs. Obwohl das Kopftuch im- mer wieder ins Zentrum der De- batte gestellt wird und eine breite Projektionsfläche bietet, spielt es im Diskurs des islamischen Femi- nismus keine bedeutende Rolle. Die Abgrenzung von den ande- ren, denen es ja schlechter gehe, ist eine Strategie, das ,Wirdiskur- siv herzustellen, meint sie. Kücükgöl, die selbst Kopftuch trägt, findet die Koptuchdebatte lächerlich und verfehlt. Ihre For- derung: Lasst uns bitte über wirt- schaftliche Unabhängigkeit, Bil- dung, Chancen und Selbstverwirk- lichung sprechen.Auch in arabisch-islamischen Ländern scheint die Lage der Frau in vielen gesellschaftlichen Berei- chen auf den ersten Blick nach wie vor unverändert. Allerdings gibt es auch hier einige Bewegung. Zahl- reiche Organisationen von Frauen wenden sich gegen vorherrschen- de patriarchale Strukturen, die nicht auf islamischen Prinzipien beruhen, mit dem Ziel, diese zu durchbrechen. Auch bei den Revo- lutionen in Ägypten marschierten Frauen zum Teil an vorderster Front mit. Viele Erfahrungshintergründe Auf die Frage, ob auch diese Art von Feminismus einen Beitrag in Österreich leisten kann, sagt Ha- mann: Österreich braucht islami- sche Feministinnen dringend, denn je mehr verschiedene Erfah- rungshintergründe einfließen, des- to besser.Viele setzen hier Hoffnungen auf die junge Generation der öster- reichischen Musliminnen. Sie sind nicht nur jung, sondern auch emanzipiert, und haben sowohl westliche als auch islamisch-femi- nistische Werte verinnerlicht. Mit Projekten wie der Qualifikationsof- fensive Fatimasetzen sich etwa die Jungen Musliminnen Öster- reich(JMÖ) nicht nur für die För- derung muslimischer Mädchen und Frauen ein, sondern zeigen der Öffentlichkeit auch, dass es längst Zeit ist, sich von alten Kli- schees und Feindbildern über die muslimische Frau zu verabschie- den. WEITERE INFORMATIONEN UNTER www.20000frauen.at Auf einen Blick Organisation: Die Jungen Musliminnen Österreich (JMÖ) sind die erste deutschsprachige Organisation für muslimische Frauen und Mädchen ab 15 Jahren. WEITERE INFORMATIONEN UNTER www.jmoe.at ÖSTERREICH 11 MITTWOCH, 9. MÄRZ 2011 DIEPRESSE.COM Die Presse Starke Frauen für den Zionismus Organisation. Die Women’s International Zionist Organization, die größte zionistische Frauenorganisation der Welt, hat sich Hilfe für Frauen in Israel zum Ziel gesetzt. VON IDA LABUDOVIC [WIEN] Schon in biblischen Zeiten gab es bei den Juden starke Frauen wie Mirjam die Prophetin, die äl- tere Schwester von Moses, sagt Hava Bugajer. Aber es geht nicht nur um starke, sondern um alle Frauen, die gleiche Rechte haben sollten.Bugajer ist Präsidentin des Österreich-Ablegers der Wo- men’s International Zionist Orga- nization (Wizo). Die in Israel geborene Ärztin, die ein von ihrem Ehemann er- worbenes Ambulatorium für Phy- sikalische Medizin in Wien leitet, hatte ihre erste Begegnung mit Wizo in Israel. Eine Frau, Mitglied der Wizo, hat bei meinem Vater ge- arbeitet und immer wieder für Hilfsbedürftige Kleidung gesam- melt, erinnert sich Bugajer. Bald wurde sie Teil der Organi- sation: Wizo steht für selbststän- dige, berufstätige Frauen und Aka- demikerinnen, die auf ihren eige- nen Füßen stehen.Die Wizo in Österreich wurde im Jahr 1921 ge- gründet und war in allen Bundes- ländern tätig. In Wien gab es fünf Wizo-Klubs und einen eigenen Klub für die Jungen: Wizo war ein Teil des Gemeindelebens, die auch Bälle und Empfänge organisiert hat, sagt Bugajer. Zu den Grün- dungszielen der Organisation ge- hörte allerdings auch die Unter- stützung der zionistischen Bewe- gung – man unterstützte die Aus- wanderung von Juden aus Europa und half mit, die wirtschaftliche und soziale Situation jüdischer Frauen in Palästina zu verbessern. Die Frauen in der zionisti- schen Organisation waren schon Ende des 19. Jahrhunderts formell gleichberechtigt und beim ersten zionistischen Kongress in Basel anwesend. In der Praxis haben sie aber keine Funktion gehabt. Daher wurden damals gleich zwei zionis- tische Frauenorganisationen ge- gründet: Hadassah im Jahr 1912 in den USA und eben Wizo 1920 in Großbritannien, wo die Gründe- rinnen zusammen mit den engli- schen Frauen für allgemeine Frau- enrechte demonstrierten. Frauen sichtbar machen So werden die Frauen hörbar und sichtbar, wenn sie eine separate Organisation haben, meint Buga- jer. Hadassah setzt sich vor allem für das Gesundheitswesen und die Stärkung der Position der Frauen ein. Wizo hat sich um die Kinder gekümmert und den Frauen er- möglicht, einen Beruf zu erlernen, damit sie als gleichwertige Partner in der neu entstehenden Gesell- schaft Eretz Israel ihren Beitrag leisten können, so Bugajer. Dazu zählt etwa auch, dass die Organisa- tion armen Kindern das Schulgeld zahlt oder Einrichtungen für miss- handelte Frauen unterstützt. Wizo ist die größte zionistische Frauenorganisation der Welt mit 250.000 Mitgliedern in 52 Ländern. In Österreich gibt es zwischen 400 und 500 Mitglieder. Sie nimmt sich in zahlreichen Projekten der Frau- en, Kinder und älteren Menschen in Israel an, ungeachtet deren Na- tionalität und Religionszugehörig- keit und ist der größte Partner des Staates im Sozialbereich. Wizo Ös- terreich unterstützt derzeit drei Kindertagesheime in Israel, in de- nen sozialbedürftige Kinder aller Religionen betreut werden. Wir sind als NGO (Non-Go- vernmental Organization) aner- kannt und wir werden den Frauen- tag bei der UNO feiern, bei der wir am 10. März eine festliche Sitzung innerhalb des ,Vienna NGO Com- mittee on the Status of Womenhaben, sagt Präsidentin Bugajer. Separat werden wir 90 Jahre Wizo Österreich feiern, zusammen mit Wizo Aviv und Wizo Mirjam, unse- rem jüngsten Nachfolger. WEITERE INFORMATIONEN UNTER www.wizo.at Berufswahl ohne Klischees Ausbildung. Der Verein Sprungbrett hilft Mädchen bei der Arbeitsplatzsuche – besonders oft Migrantinnen. VON ANA ZNIDAR [WIEN] Als Frau musst du dich gar nicht erst bewerben.Sprüche wie diese bekommen Mädchen gar nicht so selten zu hören, wenn sie mit der Idee spielen, Tischlerin, Spenglerin, Kfz-Mechanikerin oder EDV-Technikerin zu werden. Das muss nicht sein – mit der rich- tigen Ausbildung und etwas Unter- stützung bei der Lehr- oder Ar- beitsplatzsuche öffnen sich Türen. Hilfe gibt es etwa beim Verein Sprungbrett. Er hat es sich zur Auf- gabe gemacht, Mädchen auf ihrem Weg in eine selbstbestimmte Zu- kunft den Rücken zu stärken. Die kostenlosen Angebote des Vereins sind eigentlich für alle Mädchen da – aber 80 Prozent haben Migra- tionshintergrund. Gerade sie kämpfen beim Einstieg ins Er- werbsleben mit doppelten Hür- den. Bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz ist die Ge- schlechtszugehörigkeit, dicht ge- folgt vom Migrationshintergrund, ganz oben auf der Liste der Be- nachteiligungsfaktoren. Dazu kommt, dass junge Mi- grantinnen seltener als Einheimi- sche auf das soziale Umfeld als Unterstützung bei der Ausbil- dungs- oder Arbeitsplatzsuche zu- greifen können. Ihr Umfeld ist oft auch nicht in der Lage, die Mäd- chen bei der Bewältigung ihrer Entwicklungsaufgaben zu unter- stützen und gegen negative Ent- wicklungen wie schlechte Noten und Schulabbruch zu arbeiten. Gibt es Probleme in der Schu- le, hat das oft soziale Gründe, sagt Susanne Gugrel vom Sprungbrett. Nicht selten sind Gewalt, Sexuali- tät und die Förderung des Selbst- bewusstseins Thema der Beratun- gen.Der Schwerpunkt liegt zwar auf Ausbildung und Berufswahl, aber es wird auch eine ganzheitli- che Beratung angeboten. Neue Möglichkeiten Gerade Mädchen mit Migrations- hintergrund haben tendenziell we- niger Scheu vor technischen Beru- fen – wenn die Ausbildung passt, sagt Gugrel. In Jobwerkstätten können sie in einem geschützten Rahmen herausfinden, was ihnen Spaß macht: bohren, Modelle ent- werfen, bauen, verkabeln und mehr. Sprungbrett sorgt auch bei der Gegenseite für Mitarbeit: Ein Betriebsconsulting entkräftet Vor- urteile bei den Betrieben gegen- über einer Einstellung von Mäd- chen und schafft so neue Möglich- keiten für deren Zukunft. WEITERE INFORMATIONEN UNTER www.sprungbrett.or.at

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Page 1: FeminismusnachArtdesIslam: Jung,gläubigundemanzipiert · mein. Und bei so vielen gemeinsa-men Forderungen sei es nahelie-gend, sich zusammenzuschließen, ... derung muslimischer

Dieses Projekt wird gefördert aus Mitteln des Euro- päischen Integrationsfonds, des Bundesministeriums für Inneres und der Stadt Wien.

auch online: DiePresse.com/integration

Islam und Feminismus sind kein Widerspruch: Dudu Kücükgöl sieht sich als gläu-bige Muslimin und gleichzeitig als Kämpferin für die Rechte der Frau. [ Asma Aiad ]

Feminismus nach Art des Islam:Jung, gläubig und emanzipiertIslamischer Feminismus.Muslimische Frauen werden in der Öffentlichkeit vorallem als Opfer betrachtet. Viele von ihnen wehren sich gegen dieses Bild – siesehen sich als Feministinnen in der Tradition des Propheten Mohammed.VON NERMIN ISMAIL

[WIEN] Feminismus zielt auf dieGleichstellung von Frau undMannab. Er beinhaltet „Handlungenund Haltungen, die die Unterdrü-ckung, Benachteiligung, denAusschluss und die Marginalisie-rung von Frauen zu überwindenversuchen“, wie Politikwissen-schaftlerin Birgit Sauer sagt. Wei-ters versuchen Feministinnen, Un-gleichheit aufgrund von sozialerPosition, Ethnizität, Religion odersexueller Orientierung aufzuhe-ben. All das sind Anliegen, dieauch muslimische Frauen vertre-ten – und sie erheben diese Forde-rungen zum Teil auch lautstark.

Im islamischen Feminismusgehe es darum, „die Frau aus ihrernachgeordneten Rolle im privaten,sozialen, wirtschaftlichen, politi-schen und öffentlichen Raum zubefreien“, meint Dudu Kücükgöl.Aber auch darum, der Frau zu er-möglichen, in allen Bereicheneinen gleichberechtigten Platz ne-ben dem Mann einzunehmen. Kü-cükgöl bezeichnet sich selbst als is-lamische Feministin. Die Projekt-managerin, die seit Jahren in derFrauen- und Jugendarbeit aktiv ist,etwa bei der Muslimischen JugendÖsterreich (MJÖ), sieht im islami-schen Feminismus eine einzigar-tige Besonderheit. Denn dieser ver-einbart in seinen Inhalten islami-sche und feministische Ansätze.

Feminismus im Koran„Er begründet seine Emanzipa-tionsbestrebungen mit islami-schen Argumenten und verwendetanerkannte islamische Quellen“,sagt Kücükgöl. Dies verleihe demislamischen Feminismus Stärke inder theologischen Diskussion undermögliche eine breite Anerken-nung. Kücükgöl spricht Stellen imKoran an wie: „Seht, ich lasse keinWerk der Wirkenden unter euch

verloren gehen, sei es von Mannoder Frau; die einen von euch sindvon den anderen.“ Auf solche undandere Verse berufen sich islami-sche Feministinnen. Sie gehen da-von aus, dass ihre Rechte schonvor 1500 Jahren, in der Zeit desPropheten Mohammed, erkämpftwurden. In der heutigen Realitätsind sie jedoch nicht selbstver-ständlich. Heute gelte es also, sichdafür erneut einzusetzen, bezie-hungsweise die Rolle der Frau zeit-gemäß zu definieren. „Ich bin Eu-ropäerin, Feministin und Musli-min“, meint Kücükgöl.

Der Islam, so glaubt die27-Jährige, könne einen wichtigen

Beitrag zur feministischen Debatteliefern. Immerhin habe man mitder Forderung nach Selbstverwirk-lichung und einem selbstbestimm-ten Leben für Frauen, nach wirt-schaftlicher Unabhängigkeit, poli-tischen und gesellschaftlichen Ent-faltungsmöglichkeiten viel mit allden anderen Feministinnen ge-mein. Und bei so vielen gemeinsa-men Forderungen sei es nahelie-gend, sich zusammenzuschließen,

um die gemeinsamen Ziele schnel-ler zu erreichen.

„Neue solidarische, feministi-sche Strategien“ sind nach Polito-login Sauer dafür nötig. In der Öf-fentlichkeit jedoch werden musli-mische Frauen, die oftmals einKopftuch tragen, als arm und un-terdrückt dargestellt. Dies sei „ver-heerend und eigentlich zutiefstfrauenverachtend“, ist die Journa-listin und Autorin Sibylle Hamannüberzeugt. Die Geisteshaltung,„die armemuslimische Frau zu be-freien“, nimmt sie vor allem unterpopulistischen Politikern wahr,„die versuchen, mit ein bisschenfeministischer Rhetorik ihre frem-denfeindliche Politik zu verkau-fen“.

„Lächerliche Kopftuchdebatte“Auch Politikwissenschaftlerin Sau-er kennt diesen feministischenDiskurs. Obwohl das Kopftuch im-mer wieder ins Zentrum der De-batte gestellt wird und eine breiteProjektionsfläche bietet, spielt esim Diskurs des islamischen Femi-nismus keine bedeutende Rolle.„Die Abgrenzung von den ande-ren, denen es ja schlechter gehe,ist eine Strategie, das ,Wir‘ diskur-siv herzustellen“, meint sie.

Kücükgöl, die selbst Kopftuchträgt, findet die Koptuchdebatte„lächerlich und verfehlt“. Ihre For-derung: „Lasst uns bitte über wirt-schaftliche Unabhängigkeit, Bil-dung, Chancen und Selbstverwirk-lichung sprechen.“

Auch in arabisch-islamischenLändern scheint die Lage der Frauin vielen gesellschaftlichen Berei-chen auf den ersten Blick nach wievor unverändert. Allerdings gibt esauch hier einige Bewegung. Zahl-reiche Organisationen von Frauenwenden sich gegen vorherrschen-de patriarchale Strukturen, dienicht auf islamischen Prinzipienberuhen, mit dem Ziel, diese zu

durchbrechen. Auch bei den Revo-lutionen in Ägypten marschiertenFrauen zum Teil an vordersterFront mit.

Viele ErfahrungshintergründeAuf die Frage, ob auch diese Artvon Feminismus einen Beitrag inÖsterreich leisten kann, sagt Ha-mann: „Österreich braucht islami-sche Feministinnen dringend,denn je mehr verschiedene Erfah-rungshintergründe einfließen, des-to besser.“

Viele setzen hier Hoffnungenauf die junge Generation der öster-reichischen Musliminnen. Sie sind

nicht nur jung, sondern auchemanzipiert, und haben sowohlwestliche als auch islamisch-femi-nistische Werte verinnerlicht. MitProjekten wie der Qualifikationsof-fensive „Fatima“ setzen sich etwadie „Jungen Musliminnen Öster-reich“ (JMÖ) nicht nur für die För-derung muslimischer Mädchenund Frauen ein, sondern zeigender Öffentlichkeit auch, dass eslängst Zeit ist, sich von alten Kli-schees und Feindbildern über diemuslimische Frau zu verabschie-den.� WEITERE INFORMATIONEN UNTERwww.20000frauen.at

Auf einen BlickOrganisation: Die JungenMusliminnen Österreich (JMÖ) sinddie erste deutschsprachigeOrganisation für muslimischeFrauen und Mädchen ab 15 Jahren.� WEITERE INFORMATIONEN UNTERwww.jmoe.at

ÖSTERREICH 11MITTWOCH, 9. MÄRZ 2011DIEPRESSE.COMDie Presse

Starke Frauen für den ZionismusOrganisation. Die Women’s International Zionist Organization, die größte zionistischeFrauenorganisation der Welt, hat sich Hilfe für Frauen in Israel zum Ziel gesetzt.

VON IDA LABUDOVIC

[WIEN] „Schon in biblischen Zeitengab es bei den Juden starke Frauenwie Mirjam die Prophetin, die äl-tere Schwester von Moses“, sagtHava Bugajer. „Aber es geht nichtnur um starke, sondern um alleFrauen, die gleiche Rechte habensollten.“ Bugajer ist Präsidentindes Österreich-Ablegers der Wo-men’s International Zionist Orga-nization (Wizo).

Die in Israel geborene Ärztin,die ein von ihrem Ehemann er-worbenes Ambulatorium für Phy-sikalische Medizin in Wien leitet,hatte ihre erste Begegnung mitWizo in Israel. „Eine Frau, Mitgliedder Wizo, hat bei meinem Vater ge-arbeitet und immer wieder fürHilfsbedürftige Kleidung gesam-melt“, erinnert sich Bugajer.

Bald wurde sie Teil der Organi-sation: „Wizo steht für selbststän-dige, berufstätige Frauen und Aka-demikerinnen, die auf ihren eige-nen Füßen stehen.“ Die Wizo inÖsterreich wurde im Jahr 1921 ge-gründet und war in allen Bundes-ländern tätig. In Wien gab es fünfWizo-Klubs und einen eigenenKlub für die Jungen: „Wizo war einTeil des Gemeindelebens, die auchBälle und Empfänge organisierthat“, sagt Bugajer. Zu den Grün-

dungszielen der Organisation ge-hörte allerdings auch die Unter-stützung der zionistischen Bewe-gung – man unterstützte die Aus-wanderung von Juden aus Europaund half mit, die wirtschaftlicheund soziale Situation jüdischerFrauen in Palästina zu verbessern.

Die Frauen in der zionisti-schen Organisation waren schonEnde des 19. Jahrhunderts formellgleichberechtigt und beim erstenzionistischen Kongress in Baselanwesend. In der Praxis haben sieaber keine Funktion gehabt. Daherwurden damals gleich zwei zionis-tische Frauenorganisationen ge-gründet: Hadassah im Jahr 1912 inden USA und eben Wizo 1920 inGroßbritannien, wo die Gründe-rinnen zusammen mit den engli-schen Frauen für allgemeine Frau-enrechte demonstrierten.

Frauen sichtbar machen„So werden die Frauen hörbar undsichtbar, wenn sie eine separateOrganisation haben“, meint Buga-jer. Hadassah setzt sich vor allemfür das Gesundheitswesen und dieStärkung der Position der Frauenein.

„Wizo hat sich um die Kindergekümmert und den Frauen er-möglicht, einen Beruf zu erlernen,damit sie als gleichwertige Partner

in der neu entstehenden Gesell-schaft Eretz Israel ihren Beitragleisten können“, so Bugajer. Dazuzählt etwa auch, dass die Organisa-tion armen Kindern das Schulgeldzahlt oder Einrichtungen für miss-handelte Frauen unterstützt.

Wizo ist die größte zionistischeFrauenorganisation der Welt mit250.000 Mitgliedern in 52 Ländern.In Österreich gibt es zwischen 400und 500 Mitglieder. Sie nimmt sichin zahlreichen Projekten der Frau-en, Kinder und älteren Menschenin Israel an, ungeachtet deren Na-tionalität und Religionszugehörig-keit und ist der größte Partner desStaates im Sozialbereich. Wizo Ös-terreich unterstützt derzeit dreiKindertagesheime in Israel, in de-nen sozialbedürftige Kinder allerReligionen betreut werden.

„Wir sind als NGO (Non-Go-vernmental Organization) aner-kannt und wir werden den Frauen-tag bei der UNO feiern, bei der wiram 10. März eine festliche Sitzunginnerhalb des ,Vienna NGO Com-mittee on the Status of Women‘haben“, sagt Präsidentin Bugajer.„Separat werden wir 90 Jahre WizoÖsterreich feiern, zusammen mitWizo Aviv und Wizo Mirjam, unse-rem jüngsten Nachfolger.“� WEITERE INFORMATIONEN UNTERwww.wizo.at

Berufswahl ohne KlischeesAusbildung. Der Verein Sprungbrett hilft Mädchen beider Arbeitsplatzsuche – besonders oft Migrantinnen.

VON ANA ZNIDAR

[WIEN] „Als Frau musst du dich garnicht erst bewerben.“ Sprüche wiediese bekommen Mädchen garnicht so selten zu hören, wenn siemit der Idee spielen, Tischlerin,Spenglerin, Kfz-Mechanikerinoder EDV-Technikerin zu werden.Das muss nicht sein – mit der rich-tigen Ausbildung und etwas Unter-stützung bei der Lehr- oder Ar-beitsplatzsuche öffnen sich Türen.

Hilfe gibt es etwa beim VereinSprungbrett. Er hat es sich zur Auf-gabe gemacht, Mädchen auf ihremWeg in eine selbstbestimmte Zu-kunft den Rücken zu stärken. Diekostenlosen Angebote des Vereinssind eigentlich für alle Mädchenda – aber 80 Prozent haben Migra-tionshintergrund. Gerade siekämpfen beim Einstieg ins Er-werbsleben mit doppelten Hür-den. Bei der Suche nach einemAusbildungsplatz ist die Ge-schlechtszugehörigkeit, dicht ge-folgt vom Migrationshintergrund,ganz oben auf der Liste der Be-nachteiligungsfaktoren.

Dazu kommt, dass junge Mi-grantinnen seltener als Einheimi-sche auf das soziale Umfeld alsUnterstützung bei der Ausbil-dungs- oder Arbeitsplatzsuche zu-greifen können. Ihr Umfeld ist oft

auch nicht in der Lage, die Mäd-chen bei der Bewältigung ihrerEntwicklungsaufgaben zu unter-stützen und gegen negative Ent-wicklungen wie schlechte Notenund Schulabbruch zu arbeiten.

„Gibt es Probleme in der Schu-le, hat das oft soziale Gründe“, sagtSusanne Gugrel vom Sprungbrett.„Nicht selten sind Gewalt, Sexuali-tät und die Förderung des Selbst-bewusstseins Thema der Beratun-gen.“ Der Schwerpunkt liegt zwarauf Ausbildung und Berufswahl,aber es wird auch eine ganzheitli-che Beratung angeboten.

Neue Möglichkeiten„Gerade Mädchen mit Migrations-hintergrund haben tendenziell we-niger Scheu vor technischen Beru-fen – wenn die Ausbildung passt“,sagt Gugrel. In Jobwerkstättenkönnen sie in einem geschütztenRahmen herausfinden, was ihnenSpaß macht: bohren, Modelle ent-werfen, bauen, verkabeln undmehr. Sprungbrett sorgt auch beider Gegenseite für Mitarbeit: EinBetriebsconsulting entkräftet Vor-urteile bei den Betrieben gegen-über einer Einstellung von Mäd-chen und schafft so neue Möglich-keiten für deren Zukunft.� WEITERE INFORMATIONEN UNTERwww.sprungbrett.or.at