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Belastungen und Stress im Lehrberuf aus arbeitsmedizinischer Sicht
Dr. med. Claude SidlerFacharzt FMH Allg. Innere Medizin und Arbeitsmedizin
Pädagogische Hochschule Schwyz
19. Oktober 2017
Dr. med. Claude SidlerHausarzt und Arbeitsmediziner
Zuvor 10 Jahre lang im Institut für Arbeitsmedizin/Baden, u.a. Leiter Abteilung Arbeitsmedizin
Wasserschloss
Brugg / AG
Stress und Burnout in der Arbeitswelt: kurzer Exkurs
Negative Folgen für:
o Psyche
o Körper
o Soz. Umfeld
o Leistungsfähigkeit/Performance
Tagi, 2010
Tagi, 2014
Spiegel, 2010
Kraft Verbiegung
Stressor Stressreaktion
Einwirkung Auswirkung
Lärm, Angst ... körperliche Reaktion
Materialprüfung
Stresskonzept nach Selye
Definition
körperliche, seelischeund verhaltensmässigeREAKTION einer Person,um sich an innere undäussere BELASTUNGENanzupassen.
Stressdefinition
Institut für Arbeitsmedizin
Belastung versus Beanspruchung (Ergonomie)
Stressor
chronische Ueberlastung bedroht Gesundheit
Belastung versus Beanspruchung (psychomentale Belastung)
• zu hohe Arbeitsmenge• Zeitdruck• Multitasking• ständige Unterbrechungen
Konsens Stressdefinitionen
Stress ist ein Ungleichgewicht zwischen den
Anforderungen und den persönlichen
Handlungsmöglichkeiten.
Dieser Zustand ist persönlich bedeutsam.
INNERE UND ÄUSSERE
ANFORDERUNGEN AN DIE PERSON
BEWÄLTIGUNGS-MÖGLICH-
KEITEN DER PERSON
Institut für Arbeitsmedizin
Häufigste Stressoren: Seco Studie 2010
Akute Ueberlastung chronische Ueberlastung(Burnout, totale Erschöpfung)
chronischer,nicht bewältigter Stress
Burnout - Entwicklung• Stressoren/Belastungen
schwere Depression
Erschöpfung
Distanzierung
Ineffektivität
Frühsymptome !!!
Gesundheitliche Auswirkungen von chronischem, negativem Stress
Depressionen
Herzinfarkte
Neurotoxizität: Hirnstrukturen schrumpfen
Veränderung an Genen: vorzeitige Alterung
Aktivierung von Gerinnungsfaktoren
Institut für Arbeitsmedizin
Beispiel aus der Praxis• Job: Seit 10 J. als Informatiker in XY-Group. Div. Male ganze Führung ausgewechselt, er sei mittlerweilen
der Dienstälteste. Abteilung habe sich stark verändert, sei gewachsen. Immer mehr Projekte bei weniger Leuten. Führt Kaderfunktion aus, wurde aber nicht entsprechend befördert. Einige MA seien schon gegangen wg Stress, auch BO-Fälle.
• Seit 2.5 J. Fusion von 3 Bereichen, die er fast alleine gemacht hat. Sei nicht gut herausgekommen, man habe ihm Verantwortung entzogen.
• Sei mit Englisch-Kurs und längeren Ferien "geködert" worden -> wollte unbedingt noch durchhalten
• Beschwerden: Vor ca. 2 Wochen während Sitzung Zusammenbruch mit Losheulen. Man hat ihm noch mehr Aufgaben zugeteilt, da ein MA gekündet hat. Sei zuvor oft vor dem explodieren gewesen, habe die Zähne zus.gebissen bei Sitzungen. Stress sei seit 2.5 Jahren noch viel extremer geworden. Sein Umfeld habe bemerkt, dass er Dauergestresst sei.
• Seit ca. 6-9 Monaten folgende Symptome:
• - Angst vor Veränderung (früher war er das pure Gegenteil, hat alle 2-3 J. neuen Job gehabt)
• - sei nicht mehr konfliktfähig -> sei aggressiv und schnauze die anderen an -> danach müsse er sich bei ihnen entschuldigen, da es ihm nicht recht sei
• - sei nicht mehr aufnahmefähig, schlechte Konzentration, könne nicht englisch Lernen, könne sich nichts merken
• - keine Lust, Neues zu lernen, - fühlt sich ausgebrannt, müde, könne nur noch schlafen
• - Zukunftsangst, - keine Energie, - lebe nur noch in den Tag hinein, keinen Antrieb, - Schlaf sei rel. gut
• Einzelne Stressursachen (STRESSOREN):
• - Immer mehr Aufgaben beim Job, immer neue Vorgesetzte
• - seit 2.5 J. (!!!) mit Fusionsprojekt am Anschlag
• - Abfuhr beim Fusionsprojekt- > wurde ihm z.T. weggenommen, da nicht geklappt -> habe ihn verletzt (Kränkung)
• - hat 90% deutsche Kollegen, deren Art ihm auf den Wecker geht (alles Besserwisser)
- Beförderung wurde ihn versprochen, hat bestmögliche Quali, neues Management hat ihn aber nicht befördert -> fühlt sich ungerecht behandelt (Stich ins Herz)
• Privat:
• langjährige stabile Beziehung -> ist ihm eine Stütze
• -> macht sich Sorgen, dass er Partnerin belastet mit seinen Problemen
• Familiengeschichte: Vater gestorben als er 6J. alt war. Pat. war einziger Sohn, hat 3 jüngere Schwestern
• -> hat wohl für die Fam. gesorgt seither. Sei viel als Kind bei Psychiatern und Psychologen gewesen -> hat deswegen den „Ablöscher“
• Persönlichkeit:
• Feinfühlig, verantwortungsbewusst, leistungsbereit, das Wohl der anderen ist ihm wichtig, nimmt es genau
3. Jahrhundert, Wang Shu-he, chinesicher Arzt:
„ein VARIABLER Herzschlag als Zeichen für Gesundheit“
„Wenn das Herz so regelmäßig wie das Klopfen eines Spechtes oder das Tröpfeln des Regens auf dem Dachwird, wird der Patient innerhalb von 4 Tagen sterben."
STRESS messen: Bestimmung der Herzratenvariabilität (HRV)
Medilog Darwin2 Software von Schiller
«Lebensfeuer»3-Kanal-Holter-Gerät bis 72 Std.
Das vegetative Nervensystem
„Kampf und Flucht“- Energie- Leistung/Performance
„Entspannung, Erho-lung, Regeneration“- Schlaf- Abschalten
Sympathikus Parasympathikus
Sympathikus Parasympathikus
Sympathikus Parasympathikus
Wie entsteht ein HRV-Bild ?
Bsp. für hohe Variabilität
Bsp. für tiefe Variabilität
Spektrogramm: Frequenzbereich der Nerven
Parasympathikus
Sympathikus
Der Weg zu Normen - Grenzbeispiele
Total Power 8864
extrem gute Variabilität, d.h.
- äusserst belastbar- viel Energiereserven (Substanz, Resilienz)- gute Fähigkeit zur Erholung, Regeneration
(Parasympathikusfunktion)- gutes Abschalten- guter Schlaf- meist tiefer Puls
Total Power 343
extrem schlechte Variabilität, d.h.
- fehlende Belastbarkeit/Stressresistenz- chronisch müde, erschöpft, ausgelaugt:
leere Batterien- weitgehend aufgehobene Erholungsfähigkeit:
am Tag, in der Nacht, während ausen- kann nicht Abschalten- Puls meist um 100 min. tagsüber
Beispiele
33J., „Burnout“ vor 2 Jahren, fühlt sich wieder gutStandordbestimmung: einige Restsymptome, wieder 100% AF, „viel gelernt nach BO“, fast wieder die Alte, keine Medi
Total Power: 953
Ratschlag an Patient???
Institut für Arbeitsmedizin
58J., Professor, strenge Monate hinter sich, müde, ausgelaugt, hat Angst vor einem Burnout
Institut für Arbeitsmedizin
Beispiel Uebertraining: Variabilität fällt nach Sport zusammen
Institut für Arbeitsmedizin
-> Analogie:Sport - Arbeitswelt
Bsp. Selbsttäuschung: höheres Kader, fühlt sich super, mind. 20 Kaffee pro Tag, mind. 60 Std./Woche, jettet um die Welt, check Mails vor dem Einschlafen, oft auch in der Nacht
Institut für Arbeitsmedizin
Schlafqualität «weggetrunken»38J., SDNN 142, pNN50 11, log LF/HF 0.720, Total power 4231
„Ausgang„ mit mind. 5 l Bier …
Institut für Arbeitsmedizin
Atemtechnik zur intensiven Entspannung I 47-j., IT-Mitarbeiter, chronisch müde, rasch erschöpft. Seit 2 Wochen Atemübungen mehrmals am Tag -> geht schon viel besser
Institut für Arbeitsmedizin
„Cohérence cardiaque“
5 sek. einatmen, 5 sek. ausatmen,
5 min. lang, mehrmals am Tag
Atemtechnik zur intensiven Entspannung II
Institut für Arbeitsmedizin
Spezifische Stressursachen von Lehrpersonen
Lehrerbelastungsstudie ifa 2016
„Aussensicht auf den Lehrberuf und den Arbeitsplatz Schule im Berufsvergleich“
FOKUS: Gesundheit der Lehrperson
Lehrerbelastungsstudie ifa 2016 i.A. des LCH
BELASTUNGEN
kein wenig mässig stark
Chemische Belastungen
Genereller Kontakt mit toxischen Substanzen
X
Physikalische Belastungen
Lärm1
X
Schlechte Luftqualität2
X
Hitze/Kälte
X
Arbeit bei schlechter Beleuchtung
X
UV-Strahlen
X X
Selbstgefährdung3
X
Fremdgefährdung
X
Ergonomische Belastungen
Heben/Tragen von Lasten
X
Wechselbelastung (gesundheitsfördernd)
X
Zwangshaltungen
X X
Monotone Tätigkeiten
X
Biologische Belastungen
Infektionsrisiko4
X
BELASTUNG
kein wenig mässig stark
Psychosoziale Belastungen
Arbeitszeiten
Schicht/Pikett
X
mehr als 9 Std. pro Tag
X X
Akkordarbeit/getaktete Arbeit
X
ständige Erreichbarkeit
X X
Kundenkontakt/Emotionsarbeit X
Zeitspielraum/freie Pausengestaltung 5 (gesundheitsfördernd)
X X
Rückzugsmöglichkeit/Privatzeit 5
X X
Personenverantwortung
X
Sachverantwortung/hohe finanzielle Verantwortung
X
ständige Unterbrechungen 5
X X
Arbeiten mit hohem Tempo
X X
Termindruck
X X
Umstrukturierung/Neuorganisation
X
in der Freizeit arbeiten/nicht definierte Arbeitszeiten
X
Arbeitsplatzunsicherheit
X
Handlungsspielraum (gesundheitsfördernd)
X
Diskriminierung/Gewalt
X
Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten
X
Soziales Ansehen des Berufes
X
Belastungen im Berufsvergleich: nicht spezifisch für den Lehrberuf!!
Belastungsfaktoren in allen Berufen
Lehrberuf
chemisch physikalischbiologisch psychosozial
chemisch: Kontakt mit Chemikalien, Lösemittel etc.
physikalisch: Luftqualität (CO2, Feuchtigkeit, Hitze, Kälte), ergonomische Belastungen
biologisch: Infektionsrisiko durch Viren, Bakterien, Pilze
psychosozial: „Stress“, Emotionsarbeit, Kundenkontakt, ständige Erreichbarkeit, Unterbrechungen, Regulationshindernisse, fehlende Rückzugsmöglichkeiten
Kindergarten
Oberstufe (3. Sekundarschule)
Englisch an Primarstufe
Pensum >80%, mind. 8 Jahre Berufserfahrung
7-8 Lektionen (ganztags)
Lehrerbelastungsstudie 2016 ifa
Lehrerbelastungsstudie 2016 ifa
Messparameter: vergleichbar, nicht zu spezifisch
Beobachtung - Pausen/Privatzeiten (Rückzugsmöglichkeiten)- Kontaktaufnahmen pro Zeit („Gewusel“)
Stresstools - Herzratenvariabilität/Puls, Speichel-Kortisol
Umgebungsfaktoren - CO2, Temperatur, Licht, Akustik, Raumgrösse
Berufsvergleich Gesamtbelastung (beschreibend)- Polizist, Fliessbandarbeit, Arzt- Anhand allgemeingültiger Stressoren, z.B. Zeitdruck
Resultate: STRESSURSACHEN -> KERN DER BELASTUNG
o Hohes Mass an Emotionsarbeit mit dem zu fördernden, mehr oder weniger selbständigen Kind als «Kunde»
o Ganzheitliche Zielvorgabe, nicht nur auf die Wissensvermittlung beschränkt, sondern auch auf die Entwicklung des Kindes (Sozialkompetenzen, Selbstkompetenzen)
o Fast vollständiges Fehlen von Rückzugsmöglichkeiten und «Privatzeiten»
o Stark eingeschränkte Möglichkeit zu erholsamen Pausen
o Viele mögliche Störfaktoren:- Regulationshindernisse durch Schüler- schlechte Luftqualität- mangelhafte Akustik (hohe Anforderungen an ein Schulzimmer)- mangelhafte Beleuchtung
Resultate: KONTAKTAUFNAHMEN – INTENSITÄT DES UNTERRICHTS
Kontaktaufnahme = Wechsel der Aufmerksamkeit von 1 Kind zum anderen resp. zur Klasse, einzelne Interaktion
Intensität stark abhängig von: • Unterrichtsform (monoton – stark wechselnd – Teamteaching) • Schülerzahl (ganze Klasse – Halbklasse)• Sozialverhalten der Schüler (Kindergarten – Oberstufe)
Beispiele:
Englischunterricht:• alle paar Minuten andere Lernform (Arbeit aus Textbook, Lehrer befragt Klasse, Arbeit mit Hör-CD, Bildbesprechungen)
23 Kontaktaufnahmen / 5 min. 276 pro Std.
• Bingo-Spiel (laut, fröhlich, motorisch unruhig) 228 pro Std.
Oberstufe: • Selbständiges Arbeiten der Schüler, Halbklasse Französisch
1 Kontaktaufnahme pro 5 min. 12 pro Std.
Kindergarten:• Werkstätte, Kinder fragen Lehrperson wild durcheinander:
Ganze Klasse (kleiner und grosser Kindergarten) 200 pro Std. Halbklasse (nur grosse Kinder) 70 pro Std.
Berufsvergleich• Verkaufspersonal Imbissstand (Stosszeiten): 216 pro Std.
• Billettkontrolleur im Zug: 480 pro Std.
Resultate: KONTAKTAUFNAHMEN – INTENSITÄT DES UNTERRICHTS
Resultate: PRIVATZEIT
„Privatzeit“ ist die Zeit, in der die Lehrpersonen ungestört, in Ruhe und ohne Unterbrechungen arbeiten können. Pausen wurden eingeschlossen.
Ständige Unterbrechungen gelten als häufiger Stressor („Gegenteil von Privatzeit“)
o Kindergarten: 0 min. (keine Pause ohne Aufsicht/Verantwortung!)
o Oberstufe: 40 min. (10 min. effektive Pause, 30 min. arbeiten
ohne Schülerkontakt, z.B. kopieren)
o Englisch: 20 min. (grosse Pause am Nachmittag)
Resultate: RAUMFAKTOREN (Winter!)
0
5
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15
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25
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2500
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6:09
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Kohl
endi
oxid
(ppm
CO
2)
Uhrzeit
Klassenraum Sekundarschule, CO2 - Temperatur
Tem
per
atu
r (°
C)
Richtwert für gute Luftqualität< 1000 ppm (SECO)
30 min. Lüften
23 Kinder4 Erwachsene
23 Kinder4 Erwachsene
7 min. Lüften
10 min. Lüften
15 min. Lüften
Zimmer leer Zimmer leer
12 min. Lüften 20 min. Lüften
Resultate: RAUMFAKTOREN (Winter!)
Resultate: LICHT (Winter!)
spezifische Stressoren aus Studien (Auswahl)
Lehrer Lämpel, 1865
- Schüler unterrichten, denen die Motivation fehlt- Disziplin aufrechterhalten- von anderen beurteilt/evaluiert werden- mit Kolleginnen und Kollegen zurechtkommen- Rollenkonflikt und Rollenambiguität aushalten
Kyriacou (2001)
- schlechtes Benehmen von Schülern/Schülerinnen (Disziplinlosigkeit, Unkonzentriertheit etc.)
- schlechte Arbeitsbedingungen- Reformen- Zeitdruck
Risikofaktoren schulische Arbeitsumgebung
Wer soll nun die Kinder lehrenUnd die Wissenschaft vermehren?Wer soll nun für Lämpel leitenSeine Amtestätigkeiten?
- die Schule wird schlecht beurteilt (siehe auch Freitag, 1998)43
- ungepflegte Räume und Gebäude- häufige Disziplinprobleme mit Schülerinnen und Schülern- der Einsatz der Mittel wird als ineffizient eingestuft- die zunehmende Autonomie der Einzelschule wird negativbeurteilt
Unter den Burnout begünstigenden gesellschaftlichen Faktoren werden u.a. folgende genannt(Cherniss, 1980; Farber, 1991a; Barth, 1992; Krause & Dorsemagen, 2007):– zunehmende Anonymität und Vereinsamung in der Gesellschaft– Hektik– Spezialisierung– Wertewandel, Wertepluralismus– wettbewerbsorientierter Individualismus westlicher Kulturen– Zerfall familiärer und kommunitärer Bindungen/Veränderungen der sozialenStrukturen– demografischer Wandel– Veränderung politischer Prioritäten (immer weniger Geld für den sozialen Bereich)– steigende Anforderungen an Lehrkräfte (erzieherisch und fachlich)– sinkendes Image von Lehrpersonen
Risikofaktoren schulische Arbeitsumgebung
Burnout im LehrberufDefinition – Ursachen – PräventionEin Überblick über die aktuelle LiteraturDoris Kunz Heim und Miriam Nido
Gesamtbeurteilung – Resultate IDie Lehrperson …
- ist ein Dienstleister (Emotionsarbeit, «Kunde ist König», der Kunde hat Eltern )
- hat 2 Arbeitsplätze/Tätigkeitsfelder (Schule <-> Home office)
- hat v.a. psychosoziale Belastungen (viele Anspruchspartner, fehlende Rückzugsmöglichkeiten, fast ständige Erreichbarkeit etc.)
- arbeitet oft unter schlechten Raumverhältnissen (hohe CO2-Belastung, schlechtes Licht, Akustik (?))
Gesamtbeurteilung – Resultate IIDie Lehrperson …
- hat geringe ergonomische, physikalische, biologische und chemische Belastungen (im Berufsvergleich)
- hat einen grossen Handlungsspielraum ausserhalb des Unterrichtens
- hat kaum Privatzeit/Rückzugsmöglichkeiten währenddes Unterrichtens
- Multiple Anspruchspartner: Schüler, Klasse, Eltern, Behörden,Therapeuten, Schulleitung, Kollegium etc. („Baustellenwechsel“)
• Effektive Pausen, Rückzugsmöglichkeiten während des Unterrichtens fördern (z.B. Pausenablöse für Kindergarten)
• Lehrpersonen zur Abgrenzung ermutigen/unterstützen, Erreichbarkeit klar definieren (nur in der Schule, via Telefon, Mail etc.)
• Aktivitäten ausserhalb des Kerngeschäfts des Unterrrichtensreduzieren/begrenzen?
• Raumparameter aktiv messen, für Lüftungsproblematik sensibilisieren 1 Messgerät pro Schule anschaffen Mind. 1x pro Jahr jedes Zimmer messen Spezialisten beiziehen
Massnahmen aus der Beobachtungsstudie
• ACHTUNG „STRESSMULTIPLIKATOREN“
kleine Schulzimmer schlechte Lüftung, wenig Tageslicht grosse Schulklassen (!) keine Halbklassen „unruhige“ Schüler (motorisch, sozial unreif)
-> zu erwartende Effekte:
Höhere Lärmbelastung, motorisch unruhigere Atmosphäre, schlechtere Luft, mehr Interaktionen nötig, um Klasse anzuleiten/zu disziplinieren, mehr Vor-und Nachbereitungszeiten, mehr Kontakte mit Anspruchspartner
Massnahmen aus der Beobachtungsstudie II
Folgen von Burnout von Lehrpersonen: Studien
KNAUDER (1996): BEEINFLUSSUNG DES SCHULKLIMAS
- betroffene Lehrpersonen übertragen einen Teil ihrer Frustration, ihrer Hoffnungslosigkeitund ihres Überdrusses auf ihre Schülerinnen und Schüler
- Besonders gravierend sind diese negativen Übertragungseffekte bei Volksschülern, weil diesesich aufgrund ihres geringen Alters nicht ohne Weiteres von ihrer Lehrperson distanzieren können
- betroffene SchülerInnen weisen die geringste Schulfreude, das schlechteste Sozialverhalten und diegrösste Angst auf. Allerdings sind diese Schüler am pflichteifrigsten
- v.a. die Burnout-Dimension Depersonalisation ist entscheidend. So hat die negative und unpersönlicheEinstellung gegenüber den Schülerinnen und Schülern den gravierendsten negativen Einfluss auf dasSchulklima.
STÖCKLI (1999): QUALITÄT DER LEHRPERSON – SCHÜLERINNEN – BEZIEHUNG
- Die Ergebnisse seiner Studie zeigten, dass das pädagogische Ausbrennen mit hoher Depersonalisation undreduzierter Leistungsfähigkeit einhergeht, aber nicht mit Erschöpfung
KLUSMANN (2016): MATHEMATIKLEISTUNGEN DER SCHÜLERINNEN
- Grundschulkinder, die von emotional erschöpften Lehrkräften unterrichtet werden, erbringen tendenziellschlechtere Leistungen in Mathematik.
- «Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass nicht nur die fachliche Qualität von Lehrkräften für die Schüler wichtig ist, sondern auch deren affektives Erleben»
DEPERSONALISIERUNG (Entfremdung): Die Person hat eine distanzierte und zynische Haltung im Beruf; die Menschen, die ihr im Beruf begegnen, werden zu Objekten.
Praktisch-Pragmatische Empfehlungen/Bemerkungen
1. Es lebe die ABGRENZUNG !!!
- EIGENVERANTWORTUNG: „Boulot, boulot, bistro, bistro“
„Good is good enough“
„Reduce to the max“
- VERANTWORUNG ARBEITGEBER: Gesundheitsschutz -> „Think Health, think Stress“
Neues Label …Stress Neutral
Mach den Stress-Check !
Stress Neutral
Mehr oder weniger Stressbelastung für die Lehrperson???
2. ACHTUNG SCHULKLIMA
GESUNDHEITSFÖRDERUNG ist die „Mutter der psychosozialen Prophylaxe“
Negatives, feindseliges, konkurrenzierendes Klima ist toxisch!
Führungspersonen, Schulleiter sind Schlüsselpersonen
3. WENNS WIRKLICH BRENNT, BRAUCHTS DIE FEUERWEHR
„Chont scho guet….“
„Mer send jo alles erwachseni ond vernöftigi Lüt …“
„Er escho scho emmer ächli en eigenartige gsi …“
„Das esch jo ned s‘erschte Mol, dass mer so e Situation händ ….“
Professionelle Anlaufstellen: Arbeitsärzte, Arbeitspsychologen, therapeutische Psychologen, Coaches, Mediatoren, Gesundheitsförderer, Techniker etc.
zum Schluss …