final diplomarbeit brandl 07.05.2015

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Crowdfunding Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Magistra iuris im Diplomstudium Rechtswissenschaften Eingereicht von: Tanja Brandl Matrikelnummer: 0655446 Eingereicht bei: Univ.-Prof. Mag. Dr. Eveline Artmann Institut für Unternehmensrecht Linz, Mai 2015

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Page 1: FINAL Diplomarbeit Brandl 07.05.2015

Crowdfunding

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades

Magistra iuris

im Diplomstudium

Rechtswissenschaften

Eingereicht von:

Tanja Brandl

Matrikelnummer: 0655446

Eingereicht bei:

Univ.-Prof. Mag. Dr. Eveline Artmann

Institut für Unternehmensrecht

Linz, Mai 2015

Page 2: FINAL Diplomarbeit Brandl 07.05.2015

Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig

und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und

Hilfsmittel nicht benutzt bzw die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen

als solche kenntlich gemacht habe.

Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten

Textdokument identisch.

_________________________ _______________________

Datum Unterschrift

Hinweis auf die sprachliche Gleichbehandlung

Die personenbezogenen Angaben in dieser Diplomarbeit werden nur in

männlicher Form angeführt, um eine leichtere Lesbarkeit zu gewährleisten. Sie

gelten aber sowohl für Frauen als auch für Männer gleichermaßen.

Page 3: FINAL Diplomarbeit Brandl 07.05.2015

Inhaltsverzeichnis

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS .......................................................................... 5

I. EINLEITUNG ................................................................................................ 7

II. CAUSA STAUDINGER ............................................................................. 7

III. BEGRIFFE .............................................................................................. 10

1. Was ist Crowdfunding? ........................................................................ 10

2. Arten von Crowdfunding ...................................................................... 11

Donation-based Crowdfunding ...................................................................... 11

Reward-based Crowdfunding ........................................................................ 12

Lending-based Crowdfunding ....................................................................... 12

Equity-Based Crowdfunding .......................................................................... 13

3. Beteiligte ................................................................................................ 13

4. Der optimale Finanzierungsmix ........................................................... 13

5. Warum jetzt? .......................................................................................... 14

6. Exkurs: Bürgerbeteiligungsmodelle .................................................... 16

IV. WIE FUNKTIONIERT EIN CROWDFUNDING PROJEKT ...................... 17

1. Aus der Sicht des Projektinitiators ...................................................... 17

1. 1. Crowdfunding-Plattform wählen ..................................................... 17

1. 2. Projekt planen und erstellen ........................................................... 17

1. 3. Werbung ......................................................................................... 18

1. 4. Erste Rückmeldungen .................................................................... 19

1. 5. Projekt einstellen ............................................................................ 19

1. 6. Projekt abschließen ........................................................................ 20

1. 7. Vor- und Nachteile .......................................................................... 20

Vorteile .......................................................................................................... 20

Nachteil ......................................................................................................... 20

2. Aus der Sicht des Finanzintermediärs ................................................ 21

3. Aus der Sicht der Crowdfunding-Plattform ........................................ 21

4. Aus der Sicht des Investors ................................................................. 21

V. AUSGEWÄHLTE BEISPIELE FÜR CROWDFUNDING-PROJEKTE ...... 23

1. Erfolgreiche Crowdfunding-Projekte ................................................... 23

2. Kurioses Crowdfunding-Projekt .......................................................... 24

VI. RECHTLICHE ASPEKTE ........................................................................ 25

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1. Bankwesengesetz ................................................................................. 25

§ 1 Abs 1 Z 1 BWG - Einlagengeschäft ...................................................... 26

§ 1 Abs 1 Z 3 BWG - Kreditgeschäft .......................................................... 35

§ 1 Abs 1 Z 18 BWG - Vermittlung ............................................................. 38

2. Kapitalmarktgesetz ............................................................................... 40

3. Gewerbeordnung/WAG 2007 ................................................................ 48

4. Zahlungsdienstegesetz ......................................................................... 49

5. UWG ....................................................................................................... 50

6. AGB ........................................................................................................ 51

VII. RECHTLICHE ZUKUNFT IN ÖSTERREICH ........................................... 52

1. Forderungen .......................................................................................... 52

VIII. SCHLUSSFOLGERUNGEN ................................................................. 54

QUELLENVERZEICHNIS ................................................................................ 55

Page 5: FINAL Diplomarbeit Brandl 07.05.2015

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ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

ABGB Allgemein bürgerliches Gesetzbuch

AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen

AIFMG Alternatives Investmentfonds Manager-Gesetz

BaFin Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht

BGBl Bundesgesetzblatt

BWG Bankwesengesetz

bzw beziehungsweise

dh das heißt

EStG Einkommensteuergesetz

etc et cetera

EU Europäische Union

gem gemäß

GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung

hA herrschende Ansicht

Hrsg Herausgeber

EStG Einkommensteuergesetz

Fern-FinG Fern-Finanzdienstleistungs-Gesetz

FMA Österreichische Finanzmarkaufsicht

GewO 1994 Gewerbeordnung 1994

GuV Gewinn- und Verlustrechnung

idR in der Regel

IO Insolvenzordnung

iSd im Sinne des

iVm in Verbindung mit

KMG Kapitalmarktgesetz

KMU Klein- und Mittelunternehmen

KSchG Konsumentenschutzgesetz

lt Rsp laut Rechtsprechung

mwN mit weiteren Nachweisen

Nr Nummer

pa per anno

RL Richtlinie

Page 6: FINAL Diplomarbeit Brandl 07.05.2015

- 6 -

ua unter anderem

UStG Umsatzsteuergesetz

usw und so weiter

uU unter Umständen

UWG Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

VStG Verwaltungsstrafgesetz

VKrG Verbraucherkreditgesetz

VwGH Verwaltungsgerichtshof

WAG 2007 Wertpapieraufsichtsgesetz 2007

WKO Wirtschaftskammer Österreich

ZaDIG Zahlungsdienstegesetz

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- 7 -

I. EINLEITUNG

Durch einen Artikel in einer österreichischen Tageszeitung über die Causa

Staudinger wurde ich aufmerksam auf das Thema Crowdfunding. Mein erster

Gedanke war, es sei ein Fall von medialer Übertreibung, dass es in Österreich

verboten sein soll, sich Gelder von jemandem anderen als einer Bank

auszuborgen. Doch ein Blick in die österreichische Rechtslandschaft bestätigte,

dass es sogar einige Bestimmungen gibt, die es zu beachten gibt.

Erklärt man einem Laien was Crowdfunding ist, könnte man es umschreiben als

moderne Form des Spendensammelns mit Hilfe des Internets. So einfach ist es

jedoch nicht. Es haben sich verschiedene Varianten des Crowdfundings

etabliert. In dieser Diplomarbeit wird besprochen, wie ein Crowdfunding-Projekt

abläuft, wie Crowdfunding in der österreichischen Rechtslandschaft

einzuordnen ist und wie dieses Thema in der EU und in anderen Ländern

behandelt wird.

II. CAUSA STAUDINGER

Die Geschichte, die zu einem medialen Aufsehen führte, dreht sich um Herrn

Heinrich Staudinger und die Heinrich Staudinger GmbH.

Der Gesellschaft wurde im Jahr 1999 trotz guter finanzieller Situation von der

Hausbank der Kreditrahmen gekürzt. Daraufhin beschaffte sich Herr Staudinger

das für Investitionen notwendige Geld von 195 Freunden, Bekannten und

sonstigen Unterstützern. Somit hatte er zum Stichtag 20.02.2012 eine Summe

in der Höhe von € 2,979 Millionen erreicht, für die Herr Staudinger jährlich 4

Prozent Zinsen zahlte.1

Durch diverse Pressemeldungen wurde die FMA darauf aufmerksam und

forderte die Heinrich Staudinger GmbH am 16.01.2012 zur Stellungnahme auf.

1 Staudinger, GEA Album Nr. 64 (2012), 3; FMA 30.11.2012, FMA-UB0001.200/0017-BUG/2012, 1.

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Die Lage wurde in regem Schriftverkehr erklärt und bei einem Gesprächstermin

mit der FMA wurde unter anderem auch eine Umwandlung der GmbHs in eine

Genossenschaft besprochen.2

Am 28.06.2012 stellte die FMA dem Vertreter der Heinrich Staudinger GmbH

eine Verfahrensanordnung zu, die den Beschuldigten zur Herstellung des der

Rechtsordnung entsprechenden Zustandes bis 01.10.2012 aufforderte. Diese

Frist ist ungenützt abgelaufen, dh der rechtmäßige Zustand wurde nicht

hergestellt.3

Darum wurden am 30.11.2012 zwei Bescheide zugestellt. Einerseits ein

Straferkenntnis, wodurch über Heinrich Staudinger als Geschäftsführer der

Heinrich Staudinger GmbH wegen Verwaltungsübertretungen eine Strafe in der

Höhe von € 2.000,- gem §§ 16, 19, 44a VStG iVm 98 Abs 1 iVm § 1 Abs 1 Z 1

zweiter Fall iVm § 4 Abs 1 BWG verhängt wurde.4 Andererseits wurde ein

Bescheid zugestellt, wonach die Heinrich Staudinger GmbH es zu unterlassen

habe, weitere fremde Gelder als Einlage entgegenzunehmen oder zu halten.

Weiters wurde bei Nichtbefolgung eine Zwangsstrafe in der Höhe von

€ 10.000,- angedroht.5

Das Straferkenntnis wurde mittels Berufung bekämpft. Der Unabhängige

Verwaltungssenat Wien hat diese jedoch abgewiesen.6

Gegen den Bescheid wurde eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof

eingebracht. Dieser lehnte die Behandlung mit Beschluss ab und trat sie dem

Verwaltungsgerichthof zur Entscheidung ab.7 Der Verwaltungsgerichtshof

wiederum hat die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.8

2 FMA 30.11.2012, FMA-UB0001.200/0017-BUG/2012, 3. 3 FMA 30.11.2012, FMA-UB0001.200/0017-BUG/2012, 5. 4 FMA 30.11.2012, FMA-UB0001.100/0006-BUG/2012, 2. 5 FMA 30.11.2012, FMA-UB0001.200/0017-BUG/2012, 1. 6 apa/aho, Staudinger wehrt sich gegen 10.000-Euro-Strafe, http://kurier.at/wirtschaft/finanzen/heini-staudinger-wehrt-sich-gegen-10-000-euro-strafe/64.616.845 (Stand: 09.05.2014). 7 VwGH 29.11.2013, 2013/17/0242, 2. 8 VwGH 29.11.2013, 2013/17/0242, 1.

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Da also das Finanzierungsmodell von Herrn Staudinger bis in die höchste

Instanz abgelehnt und als verbotenes Einlagengeschäft qualifiziert wurde, war

dieser letztlich unter Zugzwang, um einen der Rechtsordnung entsprechenden

Zustand herzustellen. Im Jänner 2014 wurde bekannt gegeben, dass die

Darlehensverträge der Heinrich Staudinger GmbH mit einer

Nachrangigkeitsklausel versehen werden.9 Aus dieser geht ausdrücklich hervor,

dass der Darlehensgeber im Fall der Insolvenz des Darlehensnehmers erst

nach allen anderen Gläubigern berücksichtigt wird. Diese Variante wurde von

der FMA abgesegnet.10

Anschließend versuchte Herr Staudinger die Vollstreckung der Zwangsstrafe

mittels Beschwerde zu bekämpfen.11

Die Heinrich Staudinger GmbH mag ihren „Kampf“ gegen die FMA verloren

haben. Der Fall hat in Österreich aber hohe Wellen geschlagen. So wurde im

Wirbel um diesen öffentlich gemachten Streit auch der österreichische

Gesetzgeber auf das Thema Crowdfunding aufmerksam und hat erste

Gesetzesänderungen vorgenommen. Folgende für das Crowdfunding relevante

Bestimmungen, die die Ausnahmen von der Prospektpflicht im KMG regeln,

wurden bereits geändert:

Einerseits wurde die in § 3 Abs 1 Z 9 KMG genannte Obergrenze für den

Mindestbetrag pro Anleger bzw die Mindeststückelung von € 50.000,- auf

€ 100.000,- erhöht. Weiters wurde in § 3 Abs 1 Z 14 KMG die Anzahl der

Angebotsempfänger von 100 auf 150 Personen erhöht.12

Eine weitere Änderung erfolgte im Rahmen der Erlassung des AIFMG im Juli

2013. Hier wurde in § 3 Abs 1 Z 10 KMG der Gesamtgegenwert in der Union,

9 Zahrl, Schuhrebell macht Friedensangebot, http://kurier.at/wirtschaft/unternehmen/schuhrebell-macht-friedensangebot/47.379.107 (Stand: 21.01.2014). 10 Genaueres siehe Kapitel VI. 11 apa/aho, Staudinger wehrt sich gegen 10.000-Euro-Strafe, http://kurier.at/wirtschaft/finanzen/heini-staudinger-wehrt-sich-gegen-10-000-euro-strafe/64.616.845 (Stand: 09.05.2014). 12 Änderung durch BGBl I Nr 83/2012.

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den ein Angebot von Wertpapieren oder Veranlagungen maximal betragen darf

um keine Prospektpflicht auszulösen, von € 100.000,- auf € 250.000,- erhöht.

Weitere Gesetzesänderungen werden in naher Zukunft erwartet.13

III. BEGRIFFE

1. Was ist Crowdfunding?

Eigentlich ist Crowdfunding eine Unterkategorie des Crowdsourcing.

Crowdsourcing ergibt sich aus den Begriffen „Crowd“ und „Outsourcing“ und

wurde erstmals im Jahr 2006 in den Sprachgebrauch eingeführt. Es handelt

sich um die Idee der kollektiven Intelligenz. Hier werden also Wissen, Ideen,

Meinung usw vieler Menschen gebündelt und für ein bestimmtes Projekt

genutzt. Wenn man von diesem Begriff nun Crowdfunding herleitet, dann ergibt

sich die Nutzung der kollektiven Finanzkraft einer Menschenmenge für ein

bestimmtes Projekt. 14

Crowdfunding ist eine Form der Geldbeschaffung, bei der durch das Sammeln

vieler kleiner Geldbeträge eine große Summe erreicht wird. Es handelt sich

dabei keineswegs um eine Revolution. Schon der Sockel der New Yorker

Freiheitsstatute wurde von den Bewohnern der Stadt durch kleine Spenden

unterstützt oder auch Artikelveröffentlichungen im Reclam-Verlag im 18.

Jahrhundert wurden von dessen Lesern gefördert.15

Seitdem hat sich aber eines wesentlich geändert: Heutzutage hat ein

Projektinitiator theoretisch die Möglichkeit eine viel größere Anzahl an

13 Näheres dazu in Kapitel VIII. 14 Hemer/Schneider/Dornbusch, Crowdfunding und andere Formen informeller Mikrofinanzierung in der Projekt- und Innovationsfinanzierung (2011) 17 mwN; Hainzer/Stötzer, „Pool their money!“ – Crowdfunding als alternatives Finanzierungspotential für Infrastruktur-Projekte im Dritten Sektor, in Schmidt-Trenz/Stober (Hrsg), Jahrbuch Recht und Ökonomik des Dritten Sektors 2013/2014 (RÖDS): Der Dritte Sektor als Infrastruktur-Akteur (2014) 225 (226) mwN. 15 Schmiedgen, Innovationsmotor Crowdfunding, in Mai (Hrsg), Handbuch Innovationen – Interdisziplinäre Grundlagen und Anwendungsfelder (2014) 121 (122).

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potentiellen Geldgebern zu erreichen, denn dank Tablet, Smartphone und Co

funktioniert dies über das Internet rund um die Uhr und weltweit.

Theoretisch deshalb, weil der Projektinitiator erst durch entsprechende

Werbung auf sich aufmerksam machen muss. Dazu kann er selbst eine

Homepage erstellen, muss diese bewerben, Zahlungskanäle einrichten,

Verträge aufsetzen usw. Da dies unter Umständen mühsam ist und womöglich

über die Kompetenzen eines Projektinitiators hinausgeht, ist es praktikabler sich

auf einer Crowdfunding-Plattform zu registrieren, um sich hier der vorhandenen

Infrastrukturen und des Know-Hows zu bedienen.

Im sozialen und kreativen Bereich hat man das Potenzial der

Schwarmfinanzierung schon früh erkannt. Crowdfunding hat sich aber

mittlerweile auch zu einer Finanzierungsquelle für Start-Ups und kommerzielle

Projekte weiterentwickelt.

2. Arten von Crowdfunding

Je nachdem welche Art der Gegenleistung ein Unterstützer für seinen Beitrag

erhält, unterscheidet man verschiedene Arten des Crowdfunding:

Donation-based Crowdfunding

Hier handelt es sich um eine reine Form der Spende, dh der Projektinitiator

bietet keine direkte Gegenleistung. Der Beitrag ist freiwillig und dient in der

Regel einem karitativem Zweck. Betterplace.org ist die größte deutsche

Spendenplattform. Hier ist es möglich mit wenig Aufwand viele Interessenten zu

erreichen. Dieser Umstand kommt vor allem kleineren Organisationen zu

Gute.16

16 Schmiedgen, Innovationsmotor Crowdfunding 121 (123-124).

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Ein Crowddonating-Beispiel ist die Spendensammelaktion von UNICEF für das

erdbebengeschädigte Haiti, welches über die Seite www.betterplace.org

abgewickelt worden ist. 17

Reward-based Crowdfunding

Bei dieser Form erhält der Geldgeber keine Gegenleistung in Geld, sondern

gemessen an der gespendeten Summe eine Anerkennung, eine frühere

Nutzungsmöglichkeit des Ergebnisses, ein signiertes Exemplar des fertigen

Produkts, eine Einladung zur Premiere, eine Gastrolle in einem Film oder

Ähnliches.18

Solche Projekte findet man ua auf der Crowdfunding-Plattform

www.startnext.de. Hier wurde beispielsweise das Projekt Frauenzimmer-deluxe

erfolgreich abgewickelt.19

Lending-based Crowdfunding

Der Geldgeber entscheidet sich auf einer Crowdfunding-Plattform welches

Projekt er vorübergehend unterstützen will und bekommt nach einer

bestimmten Laufzeit seinen Geldbetrag inklusive Zinsen zurück.20

Auch in diesem Segment gibt es bereits Plattformen wie etwa

www.geldmarie.at.21

17 Hainzer/Stötzer, „Pool their money!“, 225 (237) mwN. 18 Schmiedgen, Innovationsmotor Crowdfunding 121 (124); Startnext, Handbuch für Projektstarter, http://www.startnext.at/Hilfe/handbuch.html (zuletzt abgerufen am: 23.04.2015). 19 https://www.startnext.at/frauenzimmer-deluxe (zuletzt abgerufen am: 23.04.2015). 20 Schmiedgen, Innovationsmotor Crowdfunding 121 (130); Willfort, Crowdfunding ist nicht gleich Crowdfunding, https://1000x1000.at/node/42 (Stand: 30.08.2012). 21 www.geldmarie.at (zuletzt abgerufen am: 23.04.2015).

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Equity-Based Crowdfunding

Bei dieser Variante, die auch Crowdinvesting genannt wird, erwirbt der

Geldgeber eine Beteiligung am Unternehmen. Als Investor ist er also

anteilsmäßig am Gewinn beteiligt, riskiert aber auch den Totalverlust seiner

Einlage.22

Diese Form von Crowdfunding wird beispielsweise auf den Plattformen

https://1000x1000.at oder www.conda.at abgewickelt. Ein erfolgreiches Beispiel

aus Österreich ist die Finanzierung eines Projekts der Woodero GmbH.23 Dabei

handelt es sich um ein Unternehmen, das Schutzhüllen für Smartphones und

Tablets aus Holz herstellt.24

3. Beteiligte

Im Wesentlichen gibt es in einem Crowdfunding-Projekt folgende Beteiligte:

den Projektinitiator

die Crowdfunding-Plattform

den Finanzintermediär und

die Investoren

4. Der optimale Finanzierungsmix

Crowdfunding ist wie bereits gesagte eine Form der Geldbeschaffung. Alleine

mit der Schwarmfinanzierung wird man selten ein Unternehmen oder ein

größeres Projekt starten können. Den Erfolg macht der optimale

Finanzierungsmix aus, dh es gilt die vorhandenen Finanzierungsquellen in den

einzelnen Entwicklungsphasen richtig einzusetzen.

22 Schmiedgen, Innovationsmotor Crowdfunding 121 (126); Willfort, Crowdfunding ist nicht gleich Crowdfunding, https://1000x1000.at/node/42 (Stand: 30.08.2012). 23 https://1000x1000.at/woodero (zuletzt abgerufen am: 23.04.2015). 24 http://www.woodero-shop.at (zuletzt abgerufen am: 23.04.2015).

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Viele Unternehmensgründer scheitern in der heiklen Anfangsphase, auch Early-

Stage genannt. Die Bank ist mangels vorzeigbarer Erfolge noch nicht bereit

einen Kredit zu vergeben und das eigene Startkapital zusammen mit dem Geld

von Freunden, Verwandten und Bekannten reicht nicht aus. Die dadurch

entstehende Lücke nennt man Early-Stage-Gap. Um diese Lücke in der

Frühphasenfinanzierung zu überwinden ist es sinnvoll, hier das Instrument des

Crowdfunding einzusetzen.25

5. Warum jetzt?

Im Jahr 1974 wurde der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht von den G-10-

Ländern gegründet. Diese befassen sich mit der Vereinheitlichung von

Aufsichtsregeln der Finanzbranche. Es sind bereits die umfassenden

Regelwerke Basel I und Basel II in Kraft getreten, deren großes Ziel die

Vorbeugung von Bankenkrisen ist.26

In Basel I wurde die 8-%-Eigenmittelquote der Banken festgelegt. Basel II

beschäftigt sich verkürzt gesagt mit dem Verhältnis der Höhe des Eigenkapitals

zur Höhe des Kreditrisikos. Basel III erweitert das bestehende

Maßnahmenpaket von Basel II, dabei sollen Banken die

Mindestkapitalanforderungen erhöhen und Kapitalpuffer einführen.27

Die Regelungen des Baseler Ausschusses werden durch Rechtsnormen der EU

europarechtlich verbindlich. So sind die Richtlinie 2013/36/EU „CRD IV“28 und

die EU-Verordnung Nr 575/2013 „CRR“29 in Österreich mit der BWG-Novelle

BGBl I Nr 184/2013 umgesetzt worden und sind seit 1.1. 2014 in Kraft.30

25 Hemer/Schneider/Dornbusch, Crowdfunding und andere Formen informeller Mikrofinanzierung in der Projekt- und Innovationsfinanzierung (2011) 30-31. 26 Gaedke/Nöstlthaller-Kropf/Pinter, Innovative Finanzierung & Investitionen – im Klein- & Mittelbetrieb (2012) 181. 27 Gaedke/Nöstlthaller-Kropf/Pinter, Innovative Finanzierung & Investitionen – im Klein- & Mittelbetrieb (2012) 181-182. 28 Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG. 29 Verordnung (EU) Nr 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr 646/2012. 30 FMA, Basel III, http://www.fma.gv.at/de/sonderthemen/basel-iii.html (Stand: 22.01.2015)

Page 15: FINAL Diplomarbeit Brandl 07.05.2015

- 15 -

Die negativen Auswirkungen auf den Zugang zu Finanzmitteln, besonders für

KMUs waren für die österreichische Regierung absehbar, aber sollten nur

vorübergehend bestehen. Langfristig sollte sich der Finanzsektor immer mehr

stabilisieren, Finanzkrisen nicht mehr vorkommen und Österreich als

Finanzstandort attraktiver werden.31

In der Praxis konnte dies nicht so umgesetzt werden. Eine WKO-Umfrage zur

Unternehmensfinanzierung ergab, dass einem Anstieg an Investitionsvorhaben

ein spürbarer Rückgang an Finanzierung durch Bankkredite gegenüber steht.

Da die Banken Kreditwünsche ablehnen oder kürzen, verschieben die

Unternehmer ihre Investitionsvorhaben, wechseln die Hausbank oder nutzen

andere Finanzierungsquellen. Alternative Finanzierungsformen haben einen

Finanzierungsanstieg von 5 % im Jahr 2011 auf 9 % im Jahr 2012 verzeichnet.

Dies ist vorerst ein kleiner Bereich, aber bereits jedes vierte KMU bekundet für

künftige Investitionen Interesse daran.32

Zusammengefasst also: Was auch der genaue Grund sein mag, sei es durch

Vorgaben wie die Regelwerke Basel I, II und III, aufgrund des Spardrucks oder

durch das verlorene Vertrauen der Anleger in die Finanzinstitute, alternative

Finanzierungsmöglichkeiten sind auf dem Vormarsch. Crowdfunding ist

besonders attraktiv, da man sich mit geringen Beträgen an Projekten beteiligen

kann, mit denen man sich identifizieren kann. Der Unterstützer hat ein

persönliches Motiv, denn er weiß genau wofür sein Geld verwendet wird.

Welches Finanzinstitut kann das schon von sich behaupten?

Dieser Gedanke führt auch zu einem kurzen Seitenblick auf eine weitere

aufstrebende alternative Finanzierungsform: Bürgerbeteiligungsmodelle.

31 2438 BlgNR 24. GP 9. 32 Morozov, FHP Analysen Unternehmensfinanzierung 2013 - Strukturbefragung unter österreichischen Betrieben, 4.

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- 16 -

6. Exkurs: Bürgerbeteiligungsmodelle

Eine weitere Folge der derzeitigen Bankenpraxis ist das vermehrte Vorkommen

von Bürgerbeteiligungsmodellen. Der historisch niedrigste Leitzinssatz33

gepaart mit einem gesteigerten Umweltbewusstsein treibt die Sparer anstatt zu

den Banken zu Betreibern von Photovoltaikanlagen, Windparks,

Sonnenkraftwerke, Solarkraftwerke und anderen Anlagen zur Erzeugung

erneuerbarer Energie.

Hierbei verwendet man in der Regel das „Sale and Lease Back Modell“, dh es

werden zwischen Betreibern und Bürgern Kaufverträge zB über ein Modul einer

Photovoltaikanlage abgeschlossen. Der Betreiber least sich das Modul binnen

einer festgelegten Laufzeit zurück und zahlt einen jährlichen Mietzins zwischen

3 und 5 Prozent, dh deutlich über Bankenniveau. Am Ende der Laufzeit kauft

der Betreiber das Modul zurück. Bei diesem Modell besteht kein besonderer

Anlegerschutz, im Falle der Insolvenz des Betreibers, hat der Bürger als

Eigentümer des Moduls einen Eigentumsherausgabeanspruch. Der Vorteil für

den Betreiber ist, er lässt die Anlage von den Bürgern vorfinanzieren, anstatt

von der Bank.34

Die FMA hat diese Finanzierungsform abgesegnet und keine Kollision mit dem

BWG oder KMG gesehen.35

Auf diese Weise werden etwa von der Wien Energie Solarkraftwerke errichtet

und finanziert.36

33 EZB-Leitzinssatz-Historie: http://www.ecb.europa.eu/stats/monetary/rates/html/index.en.html (Stand: 23.04.2015). 34 Padevetova, Bürgerbeteiligungsmodelle für erneuerbare Energie – ein Update, RFG 2013/33, 162. 35 FMA, Allgemeine Information der Finanzmarktaufsicht (FMA) zu Bürgerbeteiligungsmodellen für Verbraucher (Stand: März 2014) 4. 36 http://www.buergerkraftwerke.at/eportal2/ep/programView.do/pageTypeId/67349/programId/68018/channelId/-47864 (zuletzt abgerufen am: 23.04.2015).

Page 17: FINAL Diplomarbeit Brandl 07.05.2015

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IV. WIE FUNKTIONIERT EIN CROWDFUNDING PROJEKT

Dieses Kapitel beschäftigt sich mit dem Ablauf eines Crowdfunding-Projekts

aus der Sicht der Beteiligten.

1. Aus der Sicht des Projektinitiators

1. 1. Crowdfunding-Plattform wählen

Da durch den jüngsten Hype um Crowdfunding eine regelrechte Flut an

Plattformen entstanden ist, muss ein Initiator erstmals jene finden, die seine

Zielgruppe anspricht. Weltweit wurden im Jahr 2013 die Anzahl der

Crowdfunding-Plattformen auf mehr als 1000 geschätzt.37

Es muss abgewogen werden, bei welchem Anbieter man die meisten

potentiellen Investoren erreicht. Auf einer amerikanischen Crowdfunding-

Plattform hätten die Wienerinnen von Frauenzimmer-deluxe mit ihrem in

Mundart aufgenommenem Album wohl keine Chance gehabt. Durch die Wahl

der österreichischen Plattform war ihr Traum vom ersten Album schnell erfüllt.

Es gibt Plattformen, die sich auf Film, Musik, Kunst ua spezialisiert haben oder

jene, die sich an Start-Ups richten. Die Plattform bietet die notwendige

Infrastruktur für den Initiator. Einerseits wird hier die Technik geboten, die

Finanzierung abgewickelt und es ist genau der Ort, an dem sich

investitionsbereite Menschen über potentielle Projekte bzw.

Investitionsmöglichkeiten informieren.

1. 2. Projekt planen und erstellen

Nachdem sich der Projektinitiator auf der Crowdfunding-Plattform seiner Wahl

registriert hat, muss er sein Projekt präsentieren. Dabei muss er zunächst

überlegen, wie hoch das Fundingziel sein sollte. Das ist der Mindestbetrag, den

37 Nietsch/Eberle, Bankaufsichts- und prospektrechtliche Fragen typischer Crowdfunding Modelle, DB 2014/32, 1788 (1789)

Page 18: FINAL Diplomarbeit Brandl 07.05.2015

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er einsammeln will. Weiters muss er die Dauer der Finanzierungsphase

festlegen. Innerhalb dieser Laufzeit muss das Fundingziel erreicht werden.

Nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip wird das Geld von der Plattform bzw einem

Finanzintermediär nur an den Projektinitiator ausgezahlt, wenn das Fundingziel

erreicht wurde. Sonst bekommen die Investoren ihr Geld wieder zurück.38

Da es mittlerweile ein Überangebot an Projekten gibt, haben Projektleiter viel

Arbeit und Zeit zu investieren, um sich von den anderen abzuheben, das

Projekt bekannt zu machen und das Vertrauen der Investoren zu gewinnen, sei

es durch professionelles Auftreten, geschickter Selbstinszenierung oder

ständigem Kontakt zu den Investoren.39

Je detaillierte die Projektbeschreibung ist und je genauer der Investor erkennen

kann, wofür er sein Geld investieren soll, desto seriöser und

vertrauenserweckender kommt das Projekt beim Publikum an. Besonders

ansprechend für die Investoren ist die Vorstellung des Projekts in einem Pitch-

Video.

Sollte es sich um die Variante des reward-based Crowdfunding handeln, muss

sich der Projektwerber überlegen mit welcher Gegenleistung er die Investoren

locken könnte. Diese könnte beispielsweise je nach geleistetem Beitrag

gesteigert werden zB eine CD, eine signierte CD, eine Konzertkarte etc.

1. 3. Werbung

Um alle Facetten des World Wide Webs für sich nutzen zu können, muss man

schon vorab ein virtuelles Netzwerk aufbauen und während der

Finanzierungsphase die Werbetrommel rühren. Sei es auf Socialmedia-Kanälen

wie Facebook oder Twitter, in Internetforen, in einem eigenen Blog, auf You

Tube oder im Verwandten- und Bekanntenkreis, es gilt das Projekt zu bewerben

und darum die Werbeinformation exponentiell zu verbreiten und so potentielle

38 Startnext, Handbuch für Projektstarter; Schmiedgen, Innovationsmotor Crowdfunding 121 (122). 39 Schmiedgen, Innovationsmotor Crowdfunding 121 (132-133).

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- 19 -

Investoren auf die Crowdfunding-Plattform zu locken. Diese Marketingform

nennt man auch Viral Marketing.40

1. 4. Erste Rückmeldungen

Bevor das Projekt online gestellt wird, gibt es auf den Crowdfunding-Plattformen

verschiedene Prozedere, um herauszufinden, ob es sich überhaupt um ein

geeignetes Projekt handelt.

Bei 1000x1000.at werden etwa die Geschäftsideen vorab einigen Experten,

dem sogenannten 1000x1000.at VIP-Club vorgelegt. Erst wenn diese

ausgewählte Gruppe das Projekt für gut befindet, kann es an den Start gehen.41

Will man auf www.startnext.at ein Projekt einstellen, muss man vorab gestaffelt

nach der Höhe des Fundingziels eine bestimmte Anzahl an Fans erreichen.

Schafft man das nicht, hat man die Möglichkeit das Feedback auszuwerten, um

das Projekt eventuell nach den Vorstellungen der potentiellen Investoren

umzugestalten.42

Auch auf www.conda.at werden eingereichte Projekte entsprechend vorab

selektiert.43

1. 5. Projekt einstellen

Wenn alles vorbereitet ist, kann man das Projekt auf der Plattform online stellen

und es beginnt die Finanzierungsphase. Das Geld der Investoren kommt in

dieser Zeit in der Regel auf ein Treuhandkonto. Wird während der Laufzeit das

Fundingziel erreicht, geht das Geld weiter an den Projektinitiator. Sollte die

festgelegte Summe nicht erreicht werden, wird das Geld wieder an den Investor

zurückbezahlt.

40 http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/viral-marketing.html (Stand: 06.01.2015); Schmiedgen, Innovationsmotor Crowdfunding 121 (132). 41 https://1000x1000.at/zukuenftige-projekte (zuletzt abgerufen am 23.04.2015). 42 Startnext, Handbuch für Projektstarter. 43 https://www.conda.eu/crowdinvesting/finanzieren/ (zuletzt abgerufen am 23.04.2015).

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1. 6. Projekt abschließen

Die eigentliche Arbeit beginnt mit Erreichen des Finanzierungszieles. Das

Projekt kann gestartet werden. Die Gegenleistungen sind zu verteilen. Darüber

hinaus hat der Projektinitiator gewisse Berichtspflichten.

1000x1000.at verlangt die Abgabe von vierteljährlichen Firmenreports an die

Investoren.44

Auf www.conda.at verpflichtet man sich nach Abschluss der Finanzierung an

CONDA regelmäßige Unternehmensberichte zu übermitteln.45

1. 7. Vor- und Nachteile

Vorteile

Der Projektinitiator bekommt durch die Investitionsbereitschaft auch die

marketingstrategischen Informationen. Er erfährt, ob das Produkt angenommen

wird. Bindet er die Kapitalgeber in sein Projekt mit ein, entsteht daraus eine

durchaus gewinnbringende Mischung aus Crowdfunding und Crowdsourcing,

dh man bedient sich der Schwarmintelligenz.46

Nachteil

Durch die Preisgabe der Idee vor der Projektrealisierung besteht die Gefahr,

dass diese kopiert wird. Somit ist es notwendig seine Urheberrechte vorab

entsprechend durch Eintragung von Patenten oder Marken abzusichern.47

44 https://1000x1000.at/zukuenftige-projekte (zuletzt abgerufen am 23.04.2015). 45 http://support.conda.at/ist-nach-der-finanzierung-mit-zusatzlichem-verwaltungsaufwand-zu-rechnen (zuletzt abgerufen am 23.04.2015). 46 Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) (Hrsg) (2013): Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands 2013,EFI, Berlin, 36. 47 Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) (Hrsg) (2013): Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands 2013,EFI, Berlin, 38.

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2. Aus der Sicht des Finanzintermediärs

Der Einsatz von Finanzintermediären ist unerlässlich im Hinblick auf die

rechtlichen Anforderungen48, aber auch um etwaigen Missbrauch beim

Geldtransfer zu vermeiden, sowie um den Datenschutz gewährleisten zu

können. Dies kann ganz klassisch über Banken geschehen oder durch

Zusammenarbeit mit einem Steuerberater als Treuhänder oder aber auch mit

einem online-Micropayment-System, etwa Sofortüberweisung.de, PayPal usw.49

Die Crowdfunding-Plattform wird mit dem Finanzintermediär die

Rahmenbedingungen für die Finanzdienstleistungen vereinbaren. Im Gegenzug

behält sich dieser einen gewissen Prozentsatz als Gebühr ein.

3. Aus der Sicht der Crowdfunding-Plattform

Die Crowdfunding-Plattform verdient an dem Projekt durch Einbehaltung eines

prozentuellen Anteils am gesammelten Kapital.

Um eine Kollision mit dem Zahlungsdienstegesetz zu vermeiden, wird die

Crowdfunding-Plattform mit einem Finanzintermediär zusammenarbeiten.50

Die Plattform muss außerdem überprüfen, ob der Investor gewerbsmäßig

Kredite vergibt, da sie sonst unter Umständen den Tatbestand des

Vermittlungsgeschäfts gem § 1 Abs 1 Z 18 lit b iVm § 1 Abs 1 Z 3 BWG erfüllt.51

4. Aus der Sicht des Investors

Für Investoren von donation-based und reward-based Crowdfunding liegt der

Anreiz im guten Gefühl Teil des Projekts geworden zu sein, das soziale

Ansehen, weil man als Förderer genannt wird, die Verbundenheit mit dem

Projekt oder einfach der Ehrgeiz ein Produkt vor allen anderen zu besitzen.

48 Siehe Kapitel VI. 4. 49 Hemer/Schneider/Dornbusch, Crowdfunding und andere Formen informeller Mikrofinanzierung in der Projekt- und Innovationsfinanzierung (2011) 65. 50 Siehe Kapitel VI.4. 51 Siehe Kapitel VI.1.

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Hingegen steht bei den Varianten lending-based und equity-based

Crowdfunding der wirtschaftliche Wert als Motivation im Vordergrund.52

Risiken

Dem Investor muss bewusst sein, dass es sich um ein Risikokapital handelt. Im

schlimmsten Fall kommt es zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals.

Rücktrittsrecht

Beim Abschluss von Verträgen über das Internet ist das Fern-FinG zu

beachten. Dieses ist anwendbar auf Fernabsetzverträge über

Finanzdienstleistungen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher

iSd KSchG:53

Die Crowdfunding-Plattform wird idR den Unternehmerbegriff des § 1 Abs 1

Z 1 KSchG erfüllen.

Ein Investor erfüllt den Verbraucherbegriff des § 1 Abs 1 Z 2 KSchG nur,

wenn er Nichtunternehmer ist.

Der Abschluss eines Vertrages über eine Crowdfunding-Plattform erfüllt den

Begriff des Fernabsatzvertrages gem § 3 Abs 1 Fern-FinG.

Liegen diese Voraussetzungen vor, kann das Rücktrittsrecht gem § 8 Fern-FinG

in Anspruch genommen werden. Danach kann der Investor binnen 14 Tagen

vom auf der Plattform abgeschlossenen Vertrag zurücktreten. Die Rücktrittsfrist

beginnt zu laufen mit dem Tag des Vertragsabschlusses oder bei späterem

Erhalt der Vertragsbedingungen und Vertriebsinformationen, dann mit diesem

Tag.

52 Hemer/Schneider/Dornbusch, Crowdfunding und andere Formen informeller Mikrofinanzierung in der Projekt- und Innovationsfinanzierung (2011) 41. 53 § 1 Fern-FinG.

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Kündigungsrecht:

Die Kündigungsregeln variieren je nach Plattformanbieter und können

entscheidend sein für die Wahl dieser.

Steuern:

Sowohl Unternehmen, als auch Privatpersonen können gem § 4a EStG

Spenden an bestimmte Einrichtungen unter gewissen Voraussetzungen

absetzen.

Bei Zinserträgen im Rahmen des lending-based Crowdfunding und bei

Beteiligungen im Rahmen von equity-based Crowdfunding handelt es sich um

Einkünfte aus Kapitalvermögen iSd § 2 Abs 3 Z 5 iVm § 27 EStG, dh diese

unterliegen der Einkommensteuer.54

V. AUSGEWÄHLTE BEISPIELE FÜR CROWDFUNDING-PROJEKTE

1. Erfolgreiche Crowdfunding-Projekte

Durch die Beliebtheit dieser Finanzierungsform in den letzten Jahren gibt es

auch einige erwähnenswerte Projekte, die durch Crowdfunding erreicht wurden:

der erste Präsidentschaftswahlkampf von Barack Obama

das Kunstmuseum in Lyon konnte mit den gesammelten € 750.000,- ein

Gemälde von Ingrès erwerben

das Pariser Louvre konnte ein Werk von Cranach erwerben

der Kinofilm Stromberg konnte gedreht werden55

54 Unter der Annahme, dass der Investor eine natürliche Person ist und mit seinem Privatvermögen investiert. 55 Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) (Hrsg) (2013): Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands 2013,EFI, Berlin, 37.

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Mit einem Investment-Betrag von 28 Millionen Euro für die Videospiel-

Entwickler von Star Citizen und einem Betrag von sieben Milllionen Euro für die

Smartwatch Pebble, zählen diese beiden Projekte weltweit zu den bis dahin

erfolgsreichsten Crowdfunding-Projekten.56

In Deutschland steht icrane, ein kompakter Kran für bestimmte Smartphones,

Tablets und Kameras, an der Spitze der erfolgreichsten Crowdfunding-Projekte.

2. Kurioses Crowdfunding-Projekt

Ein Amerikaner wollte sich einen Scherz erlauben und stellte ein Crowdfunding-

Projekt mit dem Titel „Ich mache Kartoffelsalat“ auf www.kickstartercom ein.

Dafür wollte er zehn Dollar sammeln, erhielt aber 55.491 Dollar. Da eine so

abartig große Summe zustande gekommen ist, hat der Projektinitiator vor dem

Ende der Finanzierungsphase ein Update bekannt gegeben. Er lud zu einem

Festival, dem PotatoStock 2014 ein und kündigte an sowohl die Festival- als

auch die Kickstarter-Einnahmen in einem Fonds anzulegen. Dieses Geld

überließ er einer Non-Profit-Organisation, die Hunger und Obdachlosigkeit

bekämpft.57

Auf österreichischen Crowdfunding-Plattformen würde ein vergleichbares

Projekt aufgrund der Vorauslese wahrscheinlich gar nicht erst online gehen.

56 Schönleben, Kickstarter, Indiegogo, Startnext: Wie Crowdfunding die Macht an den Konsumenten zurückgibt, http://www.huffingtonpost.de/2014/02/08/crowdfunding-betrug-indiegogo-startnext_n_4695668.html (Stand: 10.02.2014). 57 mbö, Spaßprojekt: Kartoffelsalat-Crowdfunder bekommen Festival, http://www.spiegel.de/netzwelt/web/kartoffelsalat-crowdfunding-bei-kickstarter-55-000-dollar-final-a-984315.html (zuletzt abgerufen am 23.04.2015).

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VI. RECHTLICHE ASPEKTE

Die derzeitige österreichische Rechtslage bringt es mit sich, dass man sich

durch die Geldbeschaffung mittels Crowdfunding schnell auf den Wegen der

Illegalität befindet. Diese Hürden sind in folgenden Gesetzen normiert und

werden genauer besprochen:

Bankwesengesetz

Kapitalmarkgesetz

Gewerbeordnung

Zahlungsdienstegesetz

1. Bankwesengesetz

Ein Hindernis für Crowdfunding stellt das Bankwesengesetz dar. Je nach

Ausgestaltung der Finanzierung könnte ein Tatbestand des BWG erfüllt sein,

der das Erfordernis einer Bankkonzession auslöst.

In den folgenden Konstellationen ist es denkbar, in Österreich legal eine Bank

zu führen58:

Dem Kreditinstitut wurde eine Konzession gem § 4 BWG erteilt.

Es handelt sich um ein Kreditinstitut, das schon vor Inkrafttreten des BWG

zur Durchführung von Bankgeschäften berechtigt war (§ 103 Z 5 BWG).

Ein Kreditinstitut aus einem Mitgliedstaat wird in Österreich im Rahmen der

Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit tätig (§§ 9 ff BWG).

Die Berechtigung wird von einem anderen Bundesgesetz hergeleitet, etwa

vom Postsparkassengesetz.

Ein Projektinitiator wird idR keine Bankkonzession haben, darum ist zu

beachten, ob seine Tätigkeit ein Bankgeschäft, also einen

konzessionsauslösenden Tatbestand darstellt. Nachfolgend werden jene

58 1130 BlgNR 18. GP 113.

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Bankgeschäfte angeführt, die durch das Geldsammeln mittels Crowdfunding

erfüllt werden könnten:

§ 1 Abs 1 Z 1 BWG - Einlagengeschäft

Die Entgegennahme fremder Gelder zur Verwaltung oder als Einlage ist ein

Einlagengeschäft und bei gewerblicher Durchführung ein Bankgeschäft, das

einer Konzession der Finanzmarktbehörde iSd § 4 BWG bedarf. Nimmt man ein

solches Einlagengeschäft konzessionslos vor, begeht man eine strafbare

Verwaltungsübertretung gem § 98 Abs 1 BWG, die von der FMA zu ahnden ist.

Gewerblichkeit

Nur ein gewerbliches Einlagengeschäft bedarf einer Konzession iSd BWG.

Diese Abgrenzung ist wichtig, denn im Umkehrschluss sind bloß private bzw

gelegentliche Tätigkeiten, die einem Bankgeschäft gem § 1 Abs 1 BWG

entsprechen, nicht konzessionspflichtig.59

Die Gewerblichkeit wird im BWG nicht näher bestimmt, dh zur Auslegung ist

hier nach hA auf den § 2 Abs 1 UStG zurückzugreifen.60 Vorausgesetzt wird

eine Tätigkeit, dh eine wirtschaftliche bzw unternehmerische Leistung, deren

Vorliegen angenommen wird, wenn eine private Person wie ein Händler

auftritt.61 Eine Tätigkeit ist gewerblich, wenn sie nachhaltig ist und mit

Einnahmenerzielungsabsicht betrieben wird.62 Impliziert wird hier eine

selbstständig erbrachte Tätigkeit, wobei das Eingehen einer Rechtsbeziehung

mit einem anderen bereits ausreicht.63 Nachhaltigkeit ist gegeben bei

mehrmaligem Wiederholen der Tätigkeit unter denselben Umständen oder

59 Göth, GEWERBLICHES BETREIBEN VON BANKGESCHÄFTEN, ecolex 1993, 495; Karas/Träxler/Waldherr in Dellinger, BWG § 1 Rz 9; 1130 BlgNR 18. GP 113. 60 Chini/Oppitz, BWG, § 1 RZ 4; 1130 BlgNR 18. GP 113; BVwG 15.10.2014, W148 2000371-1; Gegen die Heranziehung des UStG zur Auslegung der Gewerblichkeit: Göth, ecolex 1993, 495, der meint, das BWG allein mit seinem Anlegerschutz unter Heranziehung gewisser Bezugspunkte sei ausreichend, um gewerbliche Bankgeschäfte von denen, die es nicht sind, abgrenzen zu können. 61 Karas/Träxler/Waldherr in Dellinger, BWG § 1 Rz 7 62 FMA 30.11.2012, FMA-UB0001.200/0017-BUG/2012, 8; RIS-VwGH 29.11.2013, 2013/17/0242 (RS 7); 1130 BlgNR 18. GP 113. 63 FMA 30.11.2012, FMA-UB0001.200/0017-BUG/2012, 8; Karas/Träxler/Waldherr in Dellinger, BWG § 1 Rz 6.

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wenn aus den Umständen des Einzelfalls ersichtlich ist, dass eine

Wiederholungsabsicht vorliegt. Abzugrenzen ist dies von einer bloß einmaligen

oder gelegentlichen Tätigkeit. Weiters erfordert die Gewerblichkeit nach BWG,

dass die nachhaltige Tätigkeit mit Einnahmenerzielungsabsicht vorgenommen

wird. Es kommt dabei nicht auf den Zweck der Tätigkeit oder die Absicht einen

Gewinn zu erzielen an.64

Entgegennahme fremder Gelder

Auch die Entgegennahme fremder Gelder wird im § 1 Abs 1 Z 1 BWG nicht

näher konkretisiert.

Entgegennahme bedeutet, es wird am fremden Geld eine tatsächliche

Verfügungsmacht eingeräumt. Eine Eigentumsverschaffung wird nicht

vorausgesetzt. Es reicht das Einlangen der fremden Gelder beim

Annehmenden, etwa in bar oder auf einem Anderkonto.65 Fremdes Geld gilt als

entgegengenommen, wenn die Vertragsparteien die Absicht haben, dass dem

Geldgeber einen Anspruch auf Rückzahlung zustehen soll.66

Der Geldbegriff ist sehr weit zu interpretieren, sodass auch Buchgeld oder

fremde Währungen davon erfasst sind.67 Es ist jedoch jedenfalls jenes Geld

erfasst, das auf Euro lautet.68

Geteilter Meinung ist die Lehre bei dem unbestimmten Begriff „fremd“.

Einerseits wird vertreten der Begriff sei überflüssig, da ein Kreditinstitut ohnehin

kein eigenes Geld bei sich selbst als Einlage verbuchen könne. Anderseits

könnte dies auch einfach ein Hinweis auf die Rückzahlungspflicht des

Kreditinstituts sein oder es dient der Klarstellung, dass es sich nicht um

64 FMA 30.11.2012, FMA-UB0001.200/0017-BUG/2012, 8; RIS VwGH 21.05.2001, 2000/17/0134 (RS 7). 65 Apathy in: Apathy/Iro/Koziol (Hrsg), Österreichisches Bankenvertragsrecht² - Band II: Konto und Depot (2008) Rz 3/3. 66 Karas/Träxler/Waldherr in Dellinger, BWG § 1 Rz 19; VwGH 28.03.2014, 2014/02/0004. 67 Avancini in: Avancini/Iro/Koziol, Bankenvertragsrecht I (1987) Rz 9/2. 68 Karas/Träxler/Waldherr in Dellinger, BWG § 1 Rz 17.

Page 28: FINAL Diplomarbeit Brandl 07.05.2015

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Einlagen handelt, wenn es um Einlagen iSd Gesellschaftsrechts geht.69 Folgt

man einer anderen Meinung stellt das Merkmal „fremd“ darauf ab, dass zwei

oder mehrere Vertragsparteien beteiligt sind, die sich fremd sind.70 Diesen

Überlegungen folgt auch die Judikatur.71

Ein Einlagengeschäft betreibt jene Person, „die Schuldner aus einem Vertrag

über die Verwaltung oder Einlage der fremden Gelder ist“72. Der Vertrag kann

rechtlich unterschiedlich konstruiert sein zB als Darlehen, aber es muss in Geld

bezahlt und zurückgezahlt werden.73

§ 1 Abs 1 Z 1 erster Fall BWG Entgegennahme fremder Gelder zur Verwaltung

Der erste Tatbestand des Einlagengeschäfts ist erfüllt, wenn fremde Gelder zur

Verwaltung entgegengenommen werden. Hier sind lt Rsp die

entgegengenommenen Gelder im Interesse des Geldgebers einzusetzen, wobei

im Einzelfall die vertragliche Ausgestaltung entscheidend dafür ist, ob der

Tatbestand erfüllt ist.74

Bei diesem Tatbestand kommt es also auf die Verwaltungstätigkeit an. Eine

solche liegt vor, wenn dem Geldnehmer selbst - in einem zumindest kleinem

Ausmaß – Entscheidungsbefugnisse bei der Mittelverwendung zukommen,

wenn auch die Interessen der Geldgeber im Vordergrund stehen. Dem steht

nicht entgegen, wenn den Geldgebern etwa ein Einspruchsrecht, oder im

Einzelfall ein Mitentscheidungs- oder ein Weisungsrecht zusteht.75

Werden fremde Gelder zur Verwaltung entgegengenommen, liegt idR ein

Geschäftsbesorgungsvertrag vor, auf den §§ 1002 ff ABGB anzuwenden sind.

Die Interessen des Geldgebers sind dabei zu wahren und der Geldnehmer ist

69 Apathy in: Apathy/Iro/Koziol (Hrsg), Österreichisches Bankenvertragsrecht² - Band II: Konto und Depot (2008) Rz 3/2. 70 Karas/Träxler/Waldherr in Dellinger, BWG § 1 Rz 18. 71 BVwG 04.03.2014, W148 2000361-1. 72 Laurer, BWG³ § 1 Rz 5; FMA 30.11.2012, FMA-UB0001.200/0017-BUG/2012, 9. 73 Laurer, BWG³ § 1 Rz 5. 74 RIS-VwGH 24.04.2014, 2014/02/0014 (RS 1 und 2). 75 Avancini in: Avancini/Iro/Koziol, Bankenvertragsrecht I (1987) R 9/4; Karas/Träxler/Waldherr in Dellinger, BWG § 1 Rz 23.

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wieder zur Herausgabe verpflichtet. Da der Vertrag für einen längeren Zeitraum

abgeschlossen wird, handelt es sich dabei um ein Dauerschuldverhältnis.76

Ausschlaggebend für Verjährungsfragen ist der Zeitpunkt der Beendigung der

Tat. Nach ständiger Rsp gehört zum deliktischen Verhalten nicht nur die

Entgegennahme der fremden Gelder, sondern auch das daran anschließende

Halten dieser Gelder.77

Beispiele

Folgende Sachverhalte wurden in der Judikatur unter die erste

Tatbestandsvariante des § 1 Abs 1 Z 1 BWG subsumiert:

BVwG 10.07.2014, W210 2000404-1, W210 2000398-1, W210 2000407-

1, W210 2000365-1, W210 2000368-1 und W210 2000402-1:

Es handelt sich um die Entgegennahme fremder Gelder zur Verwaltung, wenn

eine Gesellschaft Genussscheinserien begibt und für jede dieser Serien einen

eigenen Rechnungskreis bildet. Die Genussscheininhaber erwerben einen

Anspruch auf einen Anteil an dem jeweiligen Rechnungskreis. Sowohl die

Entgegennahme, als auch das anschließende Halten der

entgegengenommenen Gelder durch die Gesellschaft ist Teil des deliktischen

Verhaltens.

BVwG 18.06.2014, W107 2000443-1 und W107 2000449-1:

Auch in diesem Fall begibt eine Gesellschaft Genussscheinserien und bildet für

jede dieser Serien einen eigenen Rechnungskreis. Mit den

entgegengenommenen Geldern erwirbt die Gesellschaft amerikanische

Zweitmarkt-Lebensversicherungs-Polizzen. Die Anlagenkriterien sind in den

Genussscheinbedingungen vereinbart, nach denen die Genussscheininhaber

keinen Entscheidungsbefugnis in Bezug auf die Veranlagung haben. Der

76 Apathy in: Apathy/Iro/Koziol (Hrsg), Österreichisches Bankenvertragsrecht² - Band II: Konto und Depot (2008) Rz 3/5. 77 VwGH 24.04.2014, 2014/02/0014; VwGH 28.03.2014, 2014/02/0004; VwGH 07.10.2013, 2013/17/0592.

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Anspruch auf Rückzahlung ist vom Veranlagungserfolg abhängig. Auch hier

liegt eine Entgegennahme fremder Gelder zur Verwaltung vor.

VwGH 27.01.2014, 2011/17/0073 = ÖBA 2014/153 (VwGH):

Bei dem Tatbestand gem § 1 Abs 1 Z 1 erster Fall BWG kommt es nicht darauf

an, wo die Verwaltungstätigkeit ausgeübt wird, es wird darauf abgestellt, dass in

Österreich Gelder zur Verwaltung entgegengenommen werden. Dies ist auch

dann der Fall, wenn ein inländisches Unternehmen Gelder entgegennimmt, die

Entscheidungen über die Veranlagung trifft und die Gelder zur Verwaltung an

ein ausländisches Unternehmen weiterleitet.

VwGH 4. 9. 2008, 2008/17/0034 = ÖBA 2008/90 (VwGH):

Das Einlagengeschäft iSd § 1 Abs 1 Z 1 erster Fall BWG78 ist erfüllt, wenn ein

Emittent Gelder entgegennimmt, das Vermögen in eigene Rechnungskreise

zusammenfasst und einen Dritten iSd Anleihebedingungen mit der Verwaltung

beauftragt.

Fazit

Ein Projektinitiator, der ein Crowdfunding-Projekt mit der Begebung von

Genusscheinen finanziert, wodurch die Investoren einen Anspruch auf einen

Anteil an dem vom Genussrechtskapital gebildeten Veranlagung erhalten, erfüllt

den Tatbestand der Entgegennahme fremder Gelder zur Verwaltung gem § 1

Abs 1 Z 1 erster Fall BWG.

§ 1 Abs 1 Z 1 zweiter Fall BWG Entgegennahme fremder Gelder als Einlage

Im BWG sind lediglich Spareinlagen definiert. Dabei handelt es sich um

Geldeinlagen bei Kreditinstituten, die der Anlage und nicht dem Zahlungserkehr

dienen.79 Die Ausstellung einer Sparurkunde ist konstitutiv und darf nur durch

Kreditinstitute erfolgen, die eine Berechtigung zu Spareinlagengeschäften

78 Die belangte Behörde bezeichnete die erste Tatbestandsvariante des § 1 Abs 1 Z 1 BWG als zweiten Fall. Siehe VwGH 4. 9. 2008, 2008/17/0034 Anm 2.3.aE. 79 § 31 Abs 1 BWG.

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haben.80 Ein Projektinitiator hat idR keine Berechtigung Spareinlagengeschäfte

zu betreiben. Es werden regelmäßig Darlehensverträge abgeschlossen und

keine Sparurkunden iSd BWG ausgestellt. Somit werden beim Crowdfunding

keine Spareinlage iSd BWG entgegengenommen. Spareinlagen sind aber nur

eine Form des Einlagengeschäfts, wobei es für andere Varianten keine

Definition im Gesetz gibt.

Da der Einlagenbegriff im Gesetz nicht näher konkretisiert wird und es sich

dabei um einen Terminus aus der Bankpraxis handelt, muss man den Begriff

unter zwei Aspekten auslegen: Einerseits zieht man eine bankwirtschaftliche

Verkehrsanschauung heran, andererseits ist der Schutzzweck des Gesetzes,

der Anlegerschutz, zu berücksichtigen.81

Ein Einlagengeschäft ist anzunehmen, wenn von mehreren Kapitalgebern

(Nicht-Banken) aufgrund „typisierte Verträge darlehensweise oder in ähnlicher

Weise nicht banküblich besicherte Gelder entgegengenommen werden“.82

Ausschlaggebendes Kriterium für das Vorliegen eines Einlagengeschäftes ist

die unbedingte Rückzahlungspflicht, dies ergibt sich auch ausdrücklich aus der

Bankenrichtlinie83.84

In der Lehre gibt es unterschiedliche Herangehensweisen, wie ein

Einlagenvertrag zu qualifizieren sei zB als Darlehensvertrag, als depositum

irregulare oder als Vertrag sui generis. Dies ist beispielsweise interessant, wenn

es um die Anwendbarkeit des Aufrechnungsverbotes gem § 1440 ABGB geht.85

80 Apathy/Iro/Koziol (Hrsg), Österreichisches Bankenvertragsrecht² - Band II: Konto und Depot (2008) Rz 3/11; § 31 Abs 2 BWG. 81 Avancini in: Avancini/Iro/Koziol, Bankenvertragsrecht I (1987) R 9/5; Apathy in: Apathy/Iro/Koziol (Hrsg), Österreichisches Bankenvertragsrecht² - Band II: Konto und Depot (2008) Rz 3/1. 82 Avancini in: Avancini/Iro/Koziol, Bankenvertragsrecht I (1987) R 9/5. 83 RL 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (Neufassung). 84 Apathy in: Apathy/Iro/Koziol (Hrsg), Österreichisches Bankenvertragsrecht² - Band II: Konto und Depot (2008) Rz 3/6; Karas/Träxler/Waldherr in Dellinger, BWG § 1 Rz 22. 85 Avancini in: Avancini/Iro/Koziol, Bankenvertragsrecht I (1987) R 9/7; Apathy in: Apathy/Iro/Koziol (Hrsg), Österreichisches Bankenvertragsrecht² - Band II: Konto und Depot (2008) Rz 3/8; RIS RS0108218, zuletzt: OGH 28.02.2012, 4Ob179/11w.

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Beispiele

Folgende Sachverhalte wurden in der Judikatur unter die zweite

Tatbestandsvariante des § 1 Abs 1 Z 1 BWG subsumiert:

BVwG 04.03.2014, W148 2000361-1:

Um den Bau einer Photovoltaikanlage finanzieren zu können, hat die

niederösterreichische Gemeinde Randegg ein Bürgerbeteiligungsmodell

vorgestellt. Im Zuge dessen wurden 20 Darlehensverträge abgeschlossen und

so € 60.000,- entgegengenommen. In den Verträgen ist eine Verzinsung von

4 % pa, sowie eine Laufzeit von 13 Jahren vorgesehen. Dieses

Finanzierungsmodell stellt die Entgegennahme fremder Gelder als Einlage dar.

VwGH 29. 11. 2013, 2013/17/0242 = ÖBA 2014/141 (VwGH) = Causa

Staudinger86:

Eine Gesellschaft nimmt nicht bloß gelegentlich fremde Gelder, die rückzahlbar

sind und der Anlage dienen, entgegen. Der Tatbestand des § 1 Abs 1 Z 1

zweiter Fall BWG ist erfüllt, es wird hier nicht auf den Verwendungszweck der

entgegengenommenen Gelder abgestellt. Auch die freundschaftliche

Verbundenheit zwischen Geldgeber und Geldnehmer verhindert nicht, dass die

Tätigkeit als eine gewerbliche anzusehen ist.

Fazit

Ein Projektinitiator, der ein Crowdfunding-Projekt durch den Abschluss von

standardisierten Darlehensverträgen finanziert, wodurch die Investoren einen

Anspruch auf Zahlung eines jährlichen Zinssatzes und nach Ablauf der

Vertragszeit auf Rückzahlung des Kapitals erhalten, erfüllt den Tatbestand der

Entgegennahme fremder Gelder als Einlage gem § 1 Abs 1 Z 1 zweiter Fall

BWG.

86 Siehe Kapitel II.

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Rechtliche Probleme in der Causa Staudinger

Die Heinrich Staudinger GmbH hatte genau in diesem Bereich ihre rechtlichen

Probleme. Sie hat sich ihre finanziellen Mittel durch Darlehensverträge

beschafft. Dem Unternehmen wurden Gelder überwiesen, wofür die

Unterstützer jährlich 4 % Zinsen erhalten.

Die GmbH hat also gegen das BWG verstoßen, da sie ohne erforderliche

Konzession Einlagengeschäfte tätigte. Die FMA hat sowohl im Straferkenntnis87

als auch im Unterlassungsbescheid88 folgendes festgestellt:

Die Heinrich Staudinger GmbH schließt wiederholt in eigenem Namen und auf

eigene Rechnung Darlehensverträge auf längere Zeit ab, dh es handelt sich um

eine nachhaltige und selbstständig erbrachte Tätigkeit.

Einnahmenerzielungsabsicht liegt auch vor, weil die Darlehensbeträge zur

Finanzierung der GmbH verwendet werden. Somit liegt eine gewerbliche

Tätigkeit vor.

Weiters ist die Heinrich Staudinger GmbH Schuldner aus den

Darlehensverträgen. Die Geldgeber überweisen die Beträge, also das für die

Heinrich Staudinger GmbH fremde Geld, auf ein bekannt gegebenes Konto. Mit

der Kontogutschrift nimmt das Unternehmen fremde Gelder entgegen. Die

Darlehensgeber haben aus dem Darlehensvertrag einen Anspruch auf

Rückzahlung nach einer Mindestlaufzeit von 12 Monaten und unter Einhaltung

einer Kündigungsfrist von 3 Monaten. Daher steht fest, dass die Heinrich

Staudinger GmbH gewerblich fremde Gelder als Einlage entgegengenommen

hat und den Darlehensgebern ein Rückzahlungsanspruch zusteht.

Somit hat die Heinrich Staudinger GmbH den Tatbestand gem § 1 Abs 1 Z 1

zweiter Fall BWG erfüllt.

Sämtliche Rechtmittel des Unternehmens waren erfolglos. Staudingers

Rechtsanwalts-Team bemängelte die verpasste Chance des VwGHs den 87 FMA 30.11.2012, FMA-UB0001.100/0006-BUG/2012. 88 FMA 30.11.2012, FMA-UB0001.200/0017-BUG/2012.

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Gewerblichkeitsbegriff auch vom Verwendungszweck abhängig zu machen.89

Der EuGH hat darüber jedoch bereits in der Rechtssache „Romanelli“ im Jahr

1999 entschieden. Art 9 RL 2013/36/EU normiert das Verbot für Personen und

Unternehmen, die keine Kreditinstitute sind, Einlagen oder andere

rückzahlbaren Gelder des Publikums gewerbsmäßig entgegenzunehmen. Laut

EuGH ist dieser Anwendungsbereich sehr weit auszulegen sei, um den Schutz

der Sparer zu gewährleisten.90

Qualifiziertes Nachrangdarlehen – Lösung oder neues Problem?

Das Problem der fehlenden Bankkonzession versucht man durch die

Ausgestaltung der Verträge mit einem qualifizierten Nachrangdarlehen zu

lösen.

Aus einem Informationsblatt der FMA geht hervor:

Die Nachrangigkeitsklausel bedeutet für den Geldgeber, dass er im Falle der

Insolvenz des Unternehmens, als nachrangiger Gläubiger behandelt wird. Somit

ist er gegenüber normalen Gläubigern schlechter gestellt bzw wird letztendlich

vermutlich keinen Anteil an der Quote erhalten. Gleichzeitig wird meist

ausbedungen, dass die Darlehensrückzahlung und die Zinszahlung ausbleiben

kann, wenn das beim Unternehmen einen Insolvenzgrund bedeuten würde.91

Mit diesem Modell ist die FMA grundsätzlich zufrieden, da der Geldgeber genau

weiß, unter welchen Bedingungen er den Vertrag eingeht. Der Investor weiß,

dass er einem nicht von der FMA konzessionierten Unternehmen sein Geld gibt

und aus diesem Grund keine gesetzliche Einlagensicherung für diese Beträge

besteht.92

89 Pressemitteilung 5.12.2013, Das versteht kein Mensch! http://www.w4tler.at/geaneu/7558/fma-vs-gea/das-versteht-kein-mensch (Stand: 06.01.2015) 90 EuGH 11.02.1999, C-366-97, Massimo Romanelli/Paolo Romanelli. 91 FMA, Allgemeine Information der Finanzmarktaufsicht (FMA) zu Bürgerbeteiligungsmodellen für Verbraucher, http://www.fma.gv.at/de/sonderthemen/information-zu-buergerbeteiligungsmodellen.html (Stand: März 2014), 6. 92 FMA, Allgemeine Information der Finanzmarktaufsicht (FMA) zu Bürgerbeteiligungsmodellen für Verbraucher, 7; Zahrl, Schuhrebell macht Friedensangebot, http://kurier.at/wirtschaft/unternehmen/schuhrebell-macht-friedensangebot/47.379.107 (Stand: 21.01.2014).

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In der Praxis geht die Ausgestaltung der Nachrangigkeit oft weiter als in dem

von der FMA beschriebenen Nachrangigkeitsdarlehen:93

Äußerst bedenklich ist beispielsweise eine Klausel, mit der sich der

Darlehensgeber verpflichtet zur Beseitigung einer Krise beizutragen. Das

bedeutet, dass die Anspruchsauszahlung ausfällt, solange die

Rückzahlungssperre gem § 14 EKEG andauert. Bedenklich ist dies vor

allem deshalb, weil die Krise iSd EKEG ua von dem ungenauen Begriff

des Reorganisationsbedarfs abhängt.94

Unter Umständen könnten die Darlehensgeber schlechter gestellt sein

als die Gesellschafter. Dies ist etwa der Fall, wenn für die Auszahlung

der Ansprüche auf einen etwaigen Jahresüberschuss und nicht auf einen

Bilanzgewinn abgestellt wird und gleichzeitig Rücklagen oder ein

Gewinnvortrag vorhanden sind, die in der GuV erst nach dem

Jahresüberschuss positioniert sind und diesen somit nicht

beeinflussen.95

Ein Problem stellt das qualifizierte Nachrangdarlehen außerdem dar, wenn es

als Veranlagung gem § 1 Abs 1 Z 3 KMG qualifiziert wird.96

§ 1 Abs 1 Z 3 BWG - Kreditgeschäft

Der Abschluss von Geldkreditverträgen und die Gewährung von Gelddarlehen

sind Kreditgeschäfte und bei gewerblicher Durchführung Bankgeschäfte, die

gem § 4 BWG konzessionsbedürftig sind. Bei gewerblicher Durchführung eines

Kreditgeschäftes tritt nicht nur der Verwaltungsstraftatbestand gem § 98 Abs 1

BWG ein, sondern auch die zivilrechtliche Sanktion gem § 100 Abs 1 BWG, die

93 Karollus, „Crowd Funding“ über Nachrangdarlehen und Prospektpflicht nach dem KMG, in Heinz/Krejci (Hrsg), FS Johannes Reich-Rohrwig – Zum 60. Geburtstag, 81 (87): Hier wird ein konkret vorliegendes Exemplar an AGB zu einem Nachrangdarlehen analysiert, die „offenbar der derzeitigen Praxis entsprechen“. 94 Karollus, „Crowd Funding“ über Nachrangdarlehen und Prospektpflicht nach dem KMG, in Heinz/Krejci (Hrsg), FS Johannes Reich-Rohrwig – Zum 60. Geburtstag, 81 (87). 95 Karollus, „Crowd Funding“ über Nachrangdarlehen und Prospektpflicht nach dem KMG, in Heinz/Krejci (Hrsg), FS Johannes Reich-Rohrwig – Zum 60. Geburtstag, 81 (88). 96 Dieses Problem wird im Zuge des KMG (Kapitel VI.2.) besprochen.

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dem Kreditgeber den Anspruch auf alle mit diesen Geschäften verbundenen

Vergütungen, wie zB Zinsen oder Provisionen, verwehrt.97

Gewerblichkeit

Die beim Einlagenbegriff angeführten Kriterien der Gewerblichkeit können hier

entsprechend angewandt werden. Es ist auf das UStG zurückzugreifen. Die

Kreditvergabe ist gewerblich, wenn sie auf Einnahmenerzielung gerichtet ist

und nachhaltig, wenn nacheinander mehrere idente Geschäfte abgeschlossen

werden.98 Bloß einmalige oder gelegentliche Tätigkeiten sind nicht vom

Tatbestand erfasst, da es an der Gewerblichkeit fehlt.

In der Judikatur wird außerdem darauf abgestellt, ob der Rahmen der privaten

Vermögensverwaltung überschritten wird.99 In einer Gesamtschau ist zu prüfen,

ob die Tätigkeit „einem Bild entspricht, das nach der Verkaufsauffassung einen

Gewerbebetrieb ausmacht.“100

§ 1 Abs 1 Z 3 1. Fall BWG Abschluss von Geldkreditverträgen

Der Kreditvertrag ist im BWG nicht näher konkretisiert. Eine Definition findet

man jedoch in § 988 ABGB. Demnach handelt es sich beim Kreditvertrag um

einen entgeltlichen Darlehensvertrag zwischen einem Kreditgeber und einem

Kreditnehmer. Es handelt sich dabei also um einen Unterfall des

Darlehensvertrages.101

Wird ein Kreditvertrag von mindestens € 200,- zwischen einem Verbraucher

und einem Unternehmer iSd KschG abgeschlossen, so sind die strengeren

Vorschriften des VKrG anzuwenden.102

97 Bollenberger in Apathy/Iro/Koziol (Hrsg), Österreichisches Bankenvertragsrecht² - Band IV: Kreditgeschäft (2012) Rz 1/13. 98 Diwok in Diwok/Göth, Bankwesengesetz, § 1 Rz 9. 99 UVS 10.10.2013, 06/FM/47/15225/2012. 100 VwGH 23.03.2004, 2003/14/0096 mwN. 101 Bollenberger in Apathy/Iro/Koziol (Hrsg), Österreichisches Bankenvertragsrecht² - Band IV: Kreditgeschäft (2012) Rz 1/9. 102 §§ 1 Abs 1 und 2, 2 VKrG.

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§ 1 Abs 1 Z 3 2. Fall BWG Gewährung von Gelddarlehen

Das BWG kennt keine Definition für den Darlehensvertrag. Darum muss man

auch hier auf die Regelungen im ABGB zurückgreifen. Beim Darlehensvertrag,

übergibt der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer vertretbare Sachen, mit

der Verpflichtung am Vertragsende ebenso viele Sachen derselben Gattung

und Güte zurückzugeben.103 Es wird zwischen Geld- und Sachdarlehen

unterschieden.104 Der Vertrag kann unentgeltlich sein, wobei es dann ein

zwingendes Schriftformerfordnis gibt.105 Haben die Parteien im Vertrag über

das Entgelt nichts vereinbart, so ist von dessen Entgeltlichkeit auszugehen.106

Beispiele

BVwG 15.10.2004, W148 2000371-1:

Eine Gesellschaft, die einer anderen Gesellschaft bestimmte Geldsummen zur

Verfügung stellt, die zu einem vereinbarten Zeitpunkt zurückzuzahlen sind, sind

als Darlehensvertrag zu werten. Die Einnahmenerzielungsabsicht ist gegeben,

da sich die geldgebende Gesellschaft weite Vertriebsbeziehungen mit der

geldnehmenden Gesellschaft sichern wollte. Ein Vorschuss liegt in diesem Fall

nicht vor, da nur bei einem Arbeits- oder Angestelltenverhältnis im Zweifel ein

Vorschuss und kein Darlehen anzunehmen ist und diese Zweifelsregel nicht

zwischen Unternehmen anwendbar ist.

VwGH 20.06.2012, 2008/17/0226:

Eine Kreditgewährung unter beteiligten Unternehmen, sofern sie nicht auch an

Dritte stattfindet, erfüllt noch nicht das Kriterium der Gewerblichkeit.

103 § 983 ABGB. 104 § 984 Abs 1 ABGB. 105 § 984 Abs 2 ABGB; Dies dient vor allem als Übereilungsschutz. Perner in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar4 Rz 9. 106 § 984 Abs 1 ABGB; Man kann aber auch anders argumentieren zB bei Gelddarlehen unter Angehörigen. Perner in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar4 Rz 6.

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Fazit

Der Tatbestand von § 1 Abs 1 Z 3 1. Fall könnte beim Crowdfunding durch den

Investor verwirklicht werden, wenn er als Kreditgeber gegen Zinsen oder

andere Gegenleistungen gewisse Geldbeträge überlässt und dabei den

Rahmen der Gelegentlichkeit überschreitet. Das bedeutet er müsste in so viele

Crowdfunding-Projekte investieren, das durch seine Tätigkeiten ein Bild erzeugt

wird, die nach der Verkehrsauffassung eine Gewerblichkeit ergeben.

§ 1 Abs 1 Z 18 BWG - Vermittlung

Die gewerbliche Vermittlung von ua Einlagengeschäften und Kreditgeschäften

stellt ebenfalls ein konzessionsbedürftiges Bankgeschäft dar.107

Gewerblichkeit

Ein Vermittlungsgeschäft wird gewerblich betrieben, wenn nachhaltige

Einnahmenerzielung beabsichtigt wird zB in Form von Provisionszahlungen. Es

kommt nicht darauf an, dass ein Gewinn erzielt wird oder ob Gewerblichkeit

beim vermittelten Bankgeschäft vorliegt.108

Vermittlungsgeschäfte

Die Vermittlung kommt zu Stande, wenn durch das aktive Auftreten des

Vermittlers zwischen den Parteien ein Vertrag zu Stande kommt. Der Vermittler

hat dabei die Aufgabe zu informieren, vorzubereiten und zu unterstützen, um

den Abschluss des Vertrages zu forcieren.109

Es liegt kein Bankgeschäft vor,

bei der Vermittlung eines Einlagengeschäfts durch ein Unternehmen der

Vertragsversicherung und

107 § 1 Abs 1 Z 18 lit a und b BWG. 108 Karas/Träxler/Waldherr in Dellinger, BWG § 1 Rz 164. 109 Karas/Träxler/Waldherr in Dellinger, BWG § 1 Rz 165.

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bei Vermittlung von Hypothekar- und Personalkrediten im Rahmen der

Gewerbe der Immobilienmakler und der Gewerbe der Vermittlung von

Personalkrediten, Hypothekarkrediten und Vermögensberatung.

Somit sind gewerbliche Vermittlungsgeschäfte, die nicht von einer der in § 1

Abs 1 Z 18 BWG angeführten Ausnahmen erfasst sind, Bankgeschäfte und

daher konzessionsbedürftig.110

Beispiele

VwGH 28.03.2014, 2014/02/0012:

Eine Gesellschaft, die auf ihrer Homepage und in der Zeitung mit

Kreditvermittlung wirbt, erfüllt den Tatbestand des Vermittlungsgeschäftes gem

§ 1 Abs 1 Z 18 lit b iVm § 1 Abs 1 Z 3 BWG. Darüber hinaus entsteht in der

Öffentlichkeit das falsche Bild, die Gesellschaft würde über eine entsprechende

Konzession für das Bankgeschäft verfügen. Aus diesem Grund ist die FMA gem

§ 4 Abs 7 BWG berechtigt, die Öffentlichkeit durch Kundmachung im Internet,

Abdruck in der „Wiener Zeitung“ oder sonst einer österreichweiten Zeitung

darüber zu informieren, dass die Gesellschaft das vorliegende Bankgeschäft

konzessionslos betreibe.

OGH 18.11.2003, 4Ob154/03f = RdW 2004,280 = ÖBA 2004,634

Eine Gesellschaft, die zur Finanzierung der bei ihr abzuschließenden

Vorsorgerentenversicherung einen Bankkredit vermittelt, erfüllt den Tatbestand

der Vermittlungstätigkeit gem § 1 Abs 1 Z 18 BWG.

Fazit

Eine Crowdfunding-Plattform könnte unter Umständen mit ihrer Tätigkeit den

Tatbestand des Vermittlungsgeschäfts gem § 1 Abs 1 Z 18 lit a oder b BWG

erfüllen. Ziel der Plattform ist es die Projektinitiatoren und die Investoren

zusammenzubringen, dh zum Abschluss eines Vertrages zu bewegen. Dabei

müssen die zu vermittelnden Geschäfte Einlagengeschäfte gem § 1 Abs 1 Z 1 110 OGH 18.11.2003, 4 Ob 154/03f = RdW 2004,280 = ÖBA 2004,634; Karas/Träxler/Waldherr in Dellinger, BWG § 1 Rz 168.

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BWG oder Kreditgeschäfte gem § 1 Abs 1 Z 3 BWG sein. Die Plattform

informiert über neueste Crowdfunding-Projekte und stellt Musterverträge zur

Verfügung, dh sie bereitet auch vor und bei Fragen unterstützt sie die Parteien.

Die Gewerblichkeit ist gegeben, da die Plattform für ihre Tätigkeit

Provisionsgebühren einnimmt. Handelt es sich bei der Crowdfunding-Plattform

also um kein Versicherungsunternehmen oder hat sie keine der in § 1 Abs 1 Z

18 lit b genannten Gewerbe angemeldet, handelt es sich bei den Tätigkeiten um

Bankgeschäfte, die einer Konzession bedürfen.

2. Kapitalmarktgesetz

Wie bereits eingehend erörtert findet Crowdfunding heutzutage hauptsächlich

im Internet über Crowdfunding-Plattformen statt. Hier birgt sich die Gefahr, dass

man durch das öffentliche Anbieten gegen die Bestimmungen des KMG

verstößt.

§ 2 Abs 1 KMG normiert eine Prospektpflicht für öffentliche Angebote im Inland.

Die Legaldefinition für ein öffentliches Angebot findet man in § 1 Abs 1 Z 1 KMG

und meint damit Angebotsinformationen über die zu erwerbenden Wertpapiere

oder Veranlagungen, um dem Anleger zur Entscheidung zu verhelfen.

Da der Begriff des öffentlichen Angebots gem § 1 Abs 1 Z 1 KMG entscheidend

für die Anwendung des KMG ist, bedarf dieser einer genauen Behandlung und

Zerlegung in folgende Tatbestandsmerkmale:111

Auslöser der Prospektpflicht ist eine Mitteilung. Dies kann einerseits eine

Willenserklärung sein, dh der Wille ein Rechtsgeschäft abzuschließen liegt vor.

Andererseits reicht eine Willensmitteilung, dh eine Einladung zur Zeichnung,

wobei eine (unverbindliche) Veräußerungsabsicht erkennbar sein muss.112

Diese Mitteilung richtet sich an ein Publikum, also ist ein gewisser Grad an

Öffentlichkeit erforderlich. Somit ist entscheidend für die Prospektpflicht, dass 111 Zib/Russ/Lorenz, Kapitalmarktgesetz – Kommentar, § 1 Rz 1. 112 Zib/Russ/Lorenz, Kapitalmarktgesetz – Kommentar, § 1 Rz 4-5; Für das Erfordernis einer Willensmitteilung siehe auch: Koziol in Apathy/Iro/Koziol (Hrsg), Österreichisches Bankenvertragsrecht² - Band VI: Kapitalmarkt (2007) Rz 1/12.

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sich das Angebot an mehrere unbestimmte Personen richtet (quantitative

Komponente und personenbezogene Unbestimmtheit). Was im Umkehrschluss

eine bestimmte Personengruppe ist, ergibt sich aus einer qualitativen

Komponente. Es handelt sich hierbei um derart informierte und ausgebildete

Personen, die vom Anlegerschutz nicht erfasst sind und die keine Informationen

iSd Prospektpflicht benötigen, da sie selbst dazu in der Lage sind relevante

Auskünfte über ein Angebot einzuholen. Dazu zählen etwa institutionelle

Investoren, qualifizierte Investoren gem § 1 Abs 1 Z 5a KMG, uU auch

bestehende Vertragspartner oder auch Familienmitglieder.113

Die Definition spricht von „einer Mitteilung an das Publikum in jedweder Form

und auf jedwede Art und Weise“. Sinn dieser umfassenden Ausdrucksweise

ist, dass nicht nur schriftliche und mündliche Angebote erfasst werden sollen,

sondern auch sämtliche Verkaufsvarianten, die ein Entstehen der

Prospektpflicht umgehen könnten, wie beispielsweise die im Gesetz genannte

Platzierung durch Finanzintermediäre.114

Weiters kommt es noch auf den Inhalt des öffentlichen Angebotes an. Der

Anleger braucht ausreichende Informationen für eine Kaufentscheidung.

Ausreichend sind jedenfalls die Bekanntgabe der essentialia negotii.115

Zuletzt ist zu beachten, ob es sich um ein Angebot von Wertpapieren oder

Veranlagungen handelt. Beim Crowdfunding werden idR keine Wertpapiere

begeben, sodass darauf nicht einzugehen ist.

Eine Legaldefinition der Veranlagungen gibt es in § 1 Abs 1 Z 3 KMG und lässt

sich in folgende Tatbestandsmerkmale zerlegen: 116

113 Zib/Russ/Lorenz, Kapitalmarktgesetz – Kommentar, § 1 Rz 10-12; Zu den Schwierigkeiten bei der Auslegung des Publikumbegriffes siehe auch: Koziol in Apathy/Iro/Koziol (Hrsg), Österreichisches Bankenvertragsrecht² - Band VI: Kapitalmarkt (2007) Rz 1/16ff . 114 Zib/Russ/Lorenz, Kapitalmarktgesetz – Kommentar, § 1 Rz 18. 115 Zib/Russ/Lorenz, Kapitalmarktgesetz – Kommentar, § 1 Rz 19. 116 Kriegner, Erfüllen „qualifizierte Nachrangdarlehen“ den Tatbestand der Veranlagung iSd § 1 Abs 1 Z 3 KMG?, ÖBA 2014, 521; Karollus, „Crowd Funding“ über Nachrangdarlehen und Prospektpflicht nach dem KMG, in Heinz/Krejci (Hrsg), FS Johannes Reich-Rohrwig – Zum 60. Geburtstag, 81 (92).

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Es liegt ein Vermögensrecht vor.

Über das Vermögensrecht wird kein Wertpapier iSd § 1 Abs 1 Z 4 KMG

ausgegeben und es liegt kein Geldmarktinstrument mit einer Laufzeit von

weniger als zwölf Monaten vor.

Es wird das Kapital mehrerer Anleger direkt/indirekt investiert.

Das Kapital muss direkt oder indirekt durch mehrere Anleger auf

gemeinsame Rechnung und gemeinsames Risiko oder auf gemeinsame

Rechnung und gemeinsames Risiko mit dem Emittenten investiert

werden.

Der Anleger verwaltet das investierte Geld nicht selbst.

Die Prospektpflicht erfüllt zwei Funktionen: Einerseits gewährleistet sie den

Funktionsschutz des Kapitalmarkts, andererseits Anlegerschutz.117

Es gibt allerdings Ausnahmen von der Prospektpflicht, die in § 3 Abs 1 KMG

aufgezählt sind:

Der höchstmögliche Einzahlungsbetrag je Unterstützer soll € 100.000,-

nicht übersteigen, dann erfüllt man die Ausnahme des § 3 Abs 1 Z 9

KMG.

Das Fundingziel, also der Gesamtgegenwert des Projekts darf

€ 250.000,- gem § 3 Abs 1 Z 10 KMG nicht übersteigen.

Das Angebot richtet sich an nicht mehr als 150 Personen, die keine

qualifizierten Anleger sind, pro EWR-Staat. Dieser Ausnahmetatbestand

gem § 3 Abs 1 Z 14 KMG ist bei einem öffentlichen Angebot über das

Internet praktisch nicht realisierbar.

Die Prospektpflicht gilt grundsätzlich nur für öffentliche Angebote im Inland. Es

ist jedoch in § 8b KMG eine gemeinschaftsweite Geltung von gebilligten

Prospekten vorgesehen. Hat ein ausländisches Prospekt bereits in einem

117 Karollus, „Crowd Funding“ über Nachrangdarlehen und Prospektpflicht nach dem KMG, in Heinz/Krejci (Hrsg), FS Johannes Reich-Rohrwig – Zum 60. Geburtstag, 81 (84).

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anderen EWR-Staat ein Billigungsverfahren durchlaufen, wird es nach einer

Notifizierung in einem Mitgliedstaat auch dort als gebilligt angesehen.118

Für Verbraucher normiert § 5 Abs 1 KMG unter gewissen Voraussetzungen ein

Rücktrittsrecht. Handelt es sich um ein prospektpflichtiges Angebot, dem keine

Prospektveröffentlichung oder Veröffentlichung der nachzutragenden Umstände

iSd § 6 KMG vorangeht, ist der jederzeitige, unbefristete, schriftliche Rücktritt

des Verbrauchers möglich.119

Die Folge der Anwendbarkeit des KMG ist nicht nur das Entstehen einer

Prospektpflicht, sondern auch die Möglichkeit des Anlegers einer

Prospekthaftung gem § 11 KMG gegen die in Z 1-4 Genannten geltend zu

machen. Vorausgesetzt wird das Vorliegen eines öffentlichen Angebots und die

Veröffentlichung eines Prospekts, das Vorliegen einer mangelhaften

Prospektinformation, die Kausalität der mangelhaften Prospektinformation für

die Entscheidung des Anlegers und der Beweis des Verschuldens durch den

Anleger, sowie die gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche binnen 10

Jahren. Die Durchsetzung dieser Ansprüche ist für den Anleger sehr mühsam,

da den Geschädigten die Beweislast trifft, der Erwerbspreis die Obergrenze des

Haftungsbetrages ist und die Ansprüche binnen 10 Jahren gerichtlich geltend

gemacht werden müssen.120

Daneben erlaubt § 11 Abs 8 KMG auch die Forderung von

Schadenersatzansprüche aufgrund anderer Gesetze bzw aus

Vertragsverletzung. In der Lehre umstritten121, aber von der Rechtsprechung122

angewandt wird die Prospekthaftung nach allgemeinem Zivilrecht, welche aus

der Haftung für culpa in contrahendo weiterentwickelt wurde. Die Vorteile

gegenüber der Prospekthaftung nach KMG liegen auf der Hand: es kommt zur

Beweislastumkehr, dh der Schädiger muss seine Unschuld beweisen und haftet

118 Koziol in Apathy/Iro/Koziol (Hrsg), Österreichisches Bankenvertragsrecht² - Band VI: Kapitalmarkt (2007) Rz 1/19. 119 Karollus, „Crowd Funding“ über Nachrangdarlehen und Prospektpflicht nach dem KMG, in Heinz/Krejci (Hrsg), FS Johannes Reich-Rohrwig – Zum 60. Geburtstag, 81 (84). 120 Iro/Riss, Die Haftung des Prospektkontrollors nach allgemeinen Grundsätzen, RdW Heft 8, 447 (448). 121 Kritisch dazu: Welser , Prospektkontrolle und Prospekthaftung nach dem KMG, ecolex 1992; bejahend: Koziol, Die Konkurrenz zwischen allgemeinem Zivilrecht, KMG und BörseG bei der Prospekthaftung, ÖBA 1992, 886. 122 RIS RS0108218

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bei jedem Verschulden, es gibt keine Höchstbetragsgrenzen für die Haftung

und der Anspruch verjährt binnen 3 Jahren nach Kenntnis des Schadens und

des Schädigers bzw in 30 Jahren.123

Fällt also ein Crowdfunding-Projekt in den Anwendungsbereich des KMG, so

haftet der Projektinitiator dem Investor gem § 1 Abs 1 Z 1 KMG für unrichtige

und unvollständige Prospektangaben bereits bei leichtem Verschulden. Auch

eine Prospekthaftung des Projektinitiators nach allgemeinem Zivilrecht ist

denkbar. Danach obliegen ihm die Informationspflichten, angelehnt an

vorvertragliche Aufklärungspflichten.

Darüber hinaus ist die Nichtveröffentlichung eines Prospektes oder eines

Nachtrages zum Prospekt gem § 6 KMG strafbar. § 15 Abs 1 Z 1 KMG

pönalisiert diesen Tatbestand, sofern die Tat nicht nach anderen

Bestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, mit einer Freiheitsstrafe bis zu

zwei Jahren oder mit einer Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen.

Wird durch die Tätigkeit kein gerichtlich strafbarer Tatbestand erfüllt, kann gem

§ 16 Z 1 KMG in Bezug auf ein prospektpflichtiges öffentliches Angebot von

Wertpapieren oder Veranlagungen immer noch eine Verwaltungsübertretung

vorliegen, die von der FMA zu ahnden und mit Geldstrafe bis zu € 50.000,- zu

bestrafen ist.

Das Kapitalmarktgesetz setzt die Europäische Prospektrichtlinie124 um. Darum

gilt EU-weit ein vergleichbarer Regelungsstandard. Das bedeutet, wenn

beispielweise ein österreichischer Projektinitiator auf einer deutschen

Crowdfunding-Plattform Investoren sucht, ist zu prüfen, ob der Sachverhalt in

den Anwendungsbereich des deutschen Wertpapierprospektgesetz im Fall von

Wertpapieren bzw des deutschen Vermögensanlagengesetz im Fall von Nicht-

123 Koziol, Die Konkurrenz zwischen allgemeinem Zivilrecht, KMG und BörseG bei der Prospekthaftung, ÖBA 1992, 886 (887). 124 RL 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl L 2003/345, 64.

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Wertpapieren fällt, wo eine vergleichbare Prospektpflicht samt Ausnahmen

geregelt ist.

Auch die genannten Ausnahmen in § 3 KMG sind von der ProspektRL

abzuleiten. In diesem Bereich sind vor Kurzem jene Schwellenwerte, die für

Crowdfunding relevant sind, angehoben worden und zwar durch die Richtlinie

2010/73/EU125.

Weiters enthält Art 1 Abs 2 lit h ProspektRL eine Grenze für Angebote von

Wertpapieren in der Höhe von € 5.000.000,- pro Jahr und innerhalb der Union.

Bis zu diesem Betrag findet die Richtlinie keine Anwendung. Allerdings wurde

diese Ausnahmebestimmung nicht in dieser Höhe ins Kapitalmarktgesetz

umgesetzt. Der österreichische Gesetzgeber orientiert sich bewusst am unteren

Ende der Schwellenwerte und begründet, dass man sich aus

Anlegerschutzgründen dazu entschieden habe.126

Fazit

Löst also Crowdfunding im Internet die Prospektpflicht des KMG aus? Ein

Projektinitiator stellt sein Crowdfunding-Projekt im Internet vor und will

Investoren akquirieren. Es handelt sich dabei um eine Mitteilung ein

Rechtsgeschäft abschließen zu wollen. Das Angebot im Internet kann weltweit

von Internetnutzern auf der konkreten Homepage eingesehen werden, dh es

richtet sich an viele unbestimmte Personen. Der Anleger bekommt außerdem

ausreichend Informationen über Art des Projekts, Dauer der

Finanzierungsphase, benötigtes Kapitalvolumen, Art der Gegenleistung usw,

womit das Angebot auch inhaltlich hinreichend konkretisiert ist. Das

Tatbestandsmerkmal das Mitteilungen in jedweder Form und auf jedwede Art

und Weise erfasst sind, ist durch die Mitteilung an das Publikum via Internet

auch erfüllt. Somit ist das Angebot also öffentlich iSd KMG.

125 RL 2010/73/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Änderung der Richtlinie 2003/71/EG betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, ABl L 2010/327, 1. 126 2401 BlgNR 24. GP, 30.

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Aber es muss sich auch um ein Angebot über ein Wertpapier oder eine

Veranlagung handeln. Somit fallen die Varianten des donation-based und

reward-based Crowdfunding nicht in den Anwendungsbereich des KMG.

Kommt es beim lending-based Crowdfunding zur Vergabe eines qualifizierten

Nachrangdarlehens könnte dieses als Veranlagung gem § 1 Abs 1 Z 3 KMG

handeln. Dafür muss es sich um ein Vermögensrecht handeln, was beim

Nachrangdarlehen der Fall ist, besteht doch ein Rückzahlungsanspruch des

Geldgebers. Es darf über dieses Vermögensrecht kein Wertpapier gem § 1

Abs 1 Z 4 KMG ausgegeben werden, was bei Crowdfunding idR nicht

geschieht. Weiters muss das Kapital direkt oder indirekt durch mehrere

Anleger auf gemeinsame Rechnung und gemeinsames Risiko oder auf

gemeinsame Rechnung und gemeinsames Risiko mit dem Emittenten investiert

werden. Eine solche wirtschaftliche Risikogemeinschaft liegt bei einem

qualifizierten Nachrangdarlehen vor. Die Investoren geben ihr Geld dem Initiator

mit der Erwartung das Kapital inklusive Zinsen zurückzubekommen. Die

Rückzahlung ist von einem entsprechenden wirtschaftlichen Erfolg des

Crowdfunding-Projekts bzw des Projektinitiators abhängig, ansonsten droht ja

sogar der Totalverlust des Kapitals. Weiters erfordert eine Veranlagung gem § 1

Abs 1 Z 3 KMG, dass der Anleger das investierte Kapital nicht selbst verwaltet.

Auch dieses Tatbestandsmerkmal ist beim Crowdfunding unproblematisch.127

Wenn nun die Laufzeit des Nachrangdarlehens länger als zwölf Monate beträgt,

dann wäre infolge dieser Ausführungen, dieses Vermögensrecht als

Veranlagung gem § 1 Abs 1 Z 3 KMG zu werten.

Richtigerweise meint die FMA in ihrem derzeit gültigen Informationsblatt zu

diesem Thema, dass der Tatbestand gem § 1 Abs 1 Z 3 KMG vorliegen könnte,

dies aber je nach Ausgestaltung einzelfallbezogen sei.128

127 Kriegner, Erfüllen „qualifizierte Nachrangdarlehen“ den Tatbestand der Veranlagung iSd § 1 Abs 1 Z 3 KMG?, ÖBA 2014, 521. 128 FMA, Allgemeine Information der Finanzmarktaufsicht (FMA) zu Bürgerbeteiligungsmodell-en für Verbraucher, 6; Im Gegensatz zur früheren Stellungnahme der FMA vom November 2013, in der sie meinte, qualifizierte Nachrangdarlehen würden den Tatbestand der Veranlagung gem § 1 Abs 1 Z 3 KMG nicht erfüllen, Karollus, „Crowd Funding“ über Nachrangdarlehen und Prospektpflicht nach dem KMG, in Heinz/Krejci (Hrsg), FS Johannes Reich-Rohrwig – Zum 60. Geburtstag, 81 (82).

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Die Tatsache, dass es im KMG zur Anhebung der Crowdfunding-relevanten

Schwellen gekommen ist, spricht dafür, dass auch der Gesetzgeber

Crowdfunding im Anwendungsbereich des KMG ansiedelt.129

Das qualifizierte Nachrangdarlehen wurde bisher in Crowdfunding-Projekten

nicht beanstandet, aber die Ausführungen zeigen, dass dies auch anders

gewertet werden kann.

Die Ausgestaltung der Verträge mit Nachrangigkeitsklauseln machen aus dem

Darlehen ein Hochrisikoprodukt für den Anleger. Schon allein aus diesem

Grund ist es angebracht einen umfassenden Informationsfluss, über sämtliche

Rechte und Pflichten zwischen Darlehennehmer und –geber zu

gewährleisten.130

Im Fall von equity-based Crowdfunding werden auf den Crowdfunding-

Plattformen verschiedene Gegenleistungen für die Kapitalinvestition angeboten.

Jeder dieser Varianten fallen unter Umständen in den Anwendungsbereich des

KMG zB:

Startnext.at:

o Genossenschaftsanteile, also Veranlagungen iSd § 1 Abs 1 Z 3

KMG

o partiarische Nachrangdarlehen, gemäß der obigen Ausführungen

ebenfalls Veranlagungen iSd § 1 Abs 1 Z 3 KMG

Conda.at:

o Substanzgenussrechte, dass sind Dividendenwerte gem § 1 Abs 1

Z4a KMG131

o partiarische Nachrangdarlehen, gemäß der obigen Ausführungen

ebenfalls Veranlagungen iSd § 1 Abs 1 Z 3 KMG

1000x1000.at:

o Genussrechte132

129 Karollus, „Crowd Funding“ über Nachrangdarlehen und Prospektpflicht nach dem KMG, in Heinz/Krejci (Hrsg), FS Johannes Reich-Rohrwig – Zum 60. Geburtstag, 81 (97). 130 Karollus, „Crowd Funding“ über Nachrangdarlehen und Prospektpflicht nach dem KMG, in Heinz/Krejci (Hrsg), FS Johannes Reich-Rohrwig – Zum 60. Geburtstag, 81 (90). 131 Zib/Russ/Lorenz, Kapitalmarktgesetz – Kommentar, § 1 Rz 62. 132 Diese könnten unter den Tatbestand des § 1 Abs 1 Z 1 erster Fall BWG subsumiert werden, siehe die Ausführungen oben unter Kapitel VI.1.

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3. Gewerbeordnung/WAG 2007

In Österreich schützt vor allem das WAG 2007 die Investoren. Das Gesetz hat

einen organisatorischen Teil und einen Teil mit den Wohlverhaltensregeln. Die

Wohlverhaltensregeln sind bedeutend für das Aufsichtsrecht und das Zivilrecht.

Direkt anzuwenden sind sie bei Konzessionstatbeständen, also dort wo die

FMA das Aufsichtsrecht ausübt. Indirekt anwendbar sind die

Wohlverhaltensregeln für Dienstleistungen, die keinen Tatbestand gemäß WAG

2007 erfüllen, also dort wo die Gewerbebehörde die Aufsicht über hat.133

Jene Plattformen, die Crowdinvesting-Projekte vorstellen, also dem Projektleiter

beim Suchen von Investoren helfen, leisten eine Vorarbeit zur Vermittlung.134

Solche Vermittlungstätigkeiten entsprechen dem reglementierten Gewerbe der

Gewerblichen Vermögensberatung gem § 94 Z 75 iVm § 136a GewO 1994.

Weiters handelt es sich dabei um ein sensibles Gewerbe gem § 95 GewO

1994, dh es wird zusätzlich zu den allgemeinen und besonderen

Gewerbeausübungsvoraussetzungen die Zuverlässigkeit überprüft.

Handelt es sich bei der Annahme und Übermittlung von Aufträgen um

Veranlagungen iSd § 1 Abs 1 Z 3 KMG, so hat der Vermittler die Eignung der

Anlageberatungs- oder Portfolioverwaltungsdienstleistung gem § 44 WAG auf

die Eignung für den konkreten Kunden zu überprüfen.135

Aber auch für sonstige Wertpapierdienstleistungen hat der Vermittler die

Angemessenheit für den Investor zu prüfen.136 Um dieser Verpflichtung zu

entgehen gibt es die Möglichkeit Geschäfte, die nur in der Ausführung oder

Annahme und Übermittlung von Kundenaufträgen bestehen, ohne vorheriger

Beratung abzuschließen.137

133 Bohrn/Siemaszko, Gewerberechtliche Sicht von Crowd-Funding/Crowd-Investing (Crowd-Plattformen) (Stand: 12.04.2013) 3. 134 Hanusch, GewO18 § 136 a GewO Rz 2; Bohrn/Siemaszko, Gewerberechtliche Sicht von Crowd-Funding/Crowd-Investing (Crowd-Plattformen) (Stand: 12.04.2013) 3. 135 § 136a Abs 11 GewO 1994. 136 § 45 WAG 2007. 137 § 46 WAG 2007.

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Damit ein sogenanntes Execution-Only-Geschäft vorliegt wird vorausgesetzt:138

es handelt sich um ein nicht komplexes Finanzinstrument gem § 1 Z 7 WAG

2007

die Initiative des Kunden

die Warnung an den Kunden, dass keine Überprüfung gem § 45 WAG 2007

durchgeführt wird und er nicht durch die einschlägigen

Wohlverhaltensregeln geschützt wird und

die Pflichten bzgl der Interessenkonflikte gem §§ 34 f WAG 2007 werden

eingehalten

Fazit

Entsprechend dieser Ausführungen müsste eine Crowdfunding-Plattform das

reglementierte Gewerbe der Gewerblichen Vermögensberatung anmelden,

widrigenfalls eine Geldstrafe bis zu € 3.600,- wegen einer

Verwaltungsübertretung droht.139 Die Behörde wäre demnach auch berechtigt

einstweilige Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen zu verfügen.140 Darüber

hinaus müssten die Plattformbetreiber eine

Vermögensschadenhaftpflichtversicherung abschließen.141 Tatsächlich verfügt

nur eine von drei österreichischen geprüften Crowdfunding-Plattformen über

eine solche Konzession.

Die Wohlverhaltensregeln des WAG 2007 sind indirekt anwendbar und

gewährleisten mit ihrem strengen Regelwerk den Anlegerschutz.

4. Zahlungsdienstegesetz

Die Plattformen könnten auch beim Zahlungsdienstegesetz an ihre Grenzen

stoßen. Unter Zahlungsdienste fällt gemäß § 1 Abs 2 Z 5 ZaDiG unter anderem

auch:

138 § 46 Z 1-4 WAG 2007; Bohrn/Siemaszko, Gewerberechtliche Sicht von Crowd-Funding/Crowd-Investing (Crowd-Plattformen) (Stand: 12.04.2013) 7. 139 § 366 Abs 1 Z 1 GewO 1994. 140 § 360 Abs 1 und 3 GewO 1994. 141 § 136a Abs 12 GewO 1994.

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„Dienste, bei denen ohne Einrichtung eines Zahlungskontos auf den Namen

des Zahlers oder des Zahlungsempfängers ein Geldbetrag eines Zahlers

ausschließlich zum Transfer eines entsprechenden Betrags an einen

Zahlungsempfänger oder an einen anderen, im Namen des

Zahlungsempfängers handelnden Zahlungsdienstleister

entgegengenommen wird oder bei dem der Geldbetrag im Namen des

Zahlungsempfängers entgegengenommen und diesem verfügbar gemacht

wird (Finanztransfergeschäft)“

Wird der vom Projektinitiator festgelegte Schwellenwert erreicht, wird das Geld

an ihn ausgezahlt. Kommt die benötigte Summe nicht zu Stande, erhalten die

Investoren ihr Geld zurück. Es handelt sich also um einen Zahlungsdienst iSd

ZaDiG. Da die Plattformen idR keine Zahlungsdienstleister sind und auch keine

Ausnahmeregelung des § 2 ZaDiG zutrifft, handelt es sich hier um eine

Verwaltungsübertretung gem § 66 (1) ZaDiG, die von der FMA mit einer

Geldstrafe von bis zu € 50.000,- zu bestrafen ist.

Aus diesem Grund arbeiten hier die meisten Crowdfunding-Plattformen mit

einem Finanzintermediär zusammen.142

5. UWG

Im Zusammenhang mit der Verletzung der Prospektpflicht bei Vorliegen eines

öffentlichen Angebots sind die Regelungen des UWG zu beachten:

Gegen unlautere Geschäftspraktiken im geschäftlichen Verkehr kann ein

Anspruch auf Unterlassung, bei Verschulden sogar Schadenersatz geltend

gemacht werden.143

Als unlautere Geschäftspraktiken sind ua solche, die irreführend sind und der

Vorsprung durch Rechtsbruch zu qualifizieren. Eine irreführende

Geschäftspraktik ist beispielsweise gegeben, wenn gesetzlich vorgeschriebene

142 Hainzer/Stötzer, „Pool their money!“, 225 (231) mwN; Bohrn/Siemaszko, Gewerberechtliche Sicht von Crowd-Funding/Crowd-Investing (Crowd-Plattformen) (Stand: 12.04.2013) 6. 143 §§ 1, 14 UWG.

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Informationen ausbleiben.144 Vorsprung durch Rechtsbruch bedeutet, dass

derjenige, der sich nicht an gesetzliche Vorschriften hält, gegenüber

Mitbewerbern einen Wettbewerbsvorteil hat.

Fazit

Der Projektinitiator, der kein Prospekt für ein öffentliches prospektpflichtiges

Angebot veröffentlicht, verstößt gegen das KMG und kann daher abgesehen,

von den dort vorgesehenen Strafbestimmungen, auch noch iSd UWG auf

Unterlassen oder bei Verschulden auf Schadenersatz geklagt werden.

6. AGB

Ein Projektinitiator, der seinen Verträgen AGB zugrundelegt, muss beachten,

dass diese der AGB-Kontrolle standhalten.

Die AGB-Kontrolle verläuft nach folgenden Prüfungsschritten:145

1. Einbeziehungskontrolle

Wurde vereinbart, dass die AGB dem Vertrag zugrunde gelegt werden?

2. Geltungskontrolle gem § 864 a ABGB

Enthalten die AGB Bestimmungen mit einem ungewöhnlichen Inhalt oder sind

sie für den Vertragspartner nachteilig, musste dieser nicht damit rechnen oder

wurde nicht darauf hingewiesen, werden diese nicht Inhalt des Vertrages.

3. Inhaltskontrolle gem § 879 Abs 3 ABGB

Enthalten die AGB solche Bestimmungen, die den Vertragspartner in einer

Nebenleistung gröblich benachteiligen, so sind diese nichtig.

Ist der Vertragspartner Verbraucher iSd KSchG so sind weiters folgende

Normen zu beachten:

144 Karollus, „Crowd Funding“ über Nachrangdarlehen und Prospektpflicht nach dem KMG, in Heinz/Krejci (Hrsg), FS Johannes Reich-Rohrwig – Zum 60. Geburtstag, 81 (85). 145 Perner, Aktuelle Judikatur zum AGB-Recht, ecolex 2009, 288.

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4. Inhaltskontrolle gem § 6 Abs 1 und 2 KSchG

Enthalten die AGB Bestimmungen gem § 6 Abs 1 KSchG, so sind sie nichtig,

entsprechen sie jedoch § 6 Abs 2 KSchG sind sie nur nichtig, wenn sie nicht

konkret ausbedungen worden sind.

5. Transparenzgebot gem § 6 Abs 3 KSchG

Enthalten die AGB Bestimmungen, die unklar oder unverständlich sind, so

entfalten sie keine Wirksamkeit.

VII. RECHTLICHE ZUKUNFT IN ÖSTERREICH

Auch die österreichische Bundesregierung hat das Potenzial des

Crowdfundings als alternative Finanzierungsform erkannt und will einen

Rechtsrahmen dafür erarbeiten. Das Ziel, dies bis zum 31. März 2014 erledigt

zu haben, wurde bereits versäumt. Auch die Ankündigung des seit September

amtierenden Finanzministers Schelling, das mit einer gesetzlichen Lösung für

Crowdfunding noch im Jahr 2014 zu rechnen sei, hat sich nicht bewahrheitet.146

Was uns in Österreich erwartet bleibt also noch offen.147

1. Forderungen

Wie immer, wenn sich neue Möglichkeiten auftun, möchte von allen Seiten

mitgestaltet werden.

So wird aus der Ecke der Interessenvertretung der Unternehmer gefordert,

dass der Terminus „Einlagengeschäft“ im Bankwesengesetz geändert wird.

Damit soll die Aufnahme von Privatkrediten bewirkt werden, mit denen

realwirtschaftliche Projekte finanzierbar werden.148 Wer dies zur Zeit macht,

dem droht nach der aktuellen Rechtslage eine Verwaltungsstrafverfahren.

146 Parlamentskorrespondenz Nr. 919 vom 16.10.2014 147 Arbeitsprogramm der österreichischen Bundesregierung 2013-2018, 16. 148 Finanzierungsumfrage von aws und WKÖ zeigt neue Trends bei Österreichs KMU, https://www.awsg.at/Content.Node/footer/presse/85647.php (zuletzt abgerufen am 23.04.2015); Franke et al, The Power of the Crowd – Crowdinvesting für kapitalsuchende Unternehmen und Investoren, 5.

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Weiters fordert die Unternehmerfraktion die Ausreizung des rechtlichen

Rahmens der ProspektRL, dh die Anhebung der Prospektpflicht auf

€ 5.000.000,-, sowie eine gestaffelte Informationspflicht nach dem

Kapitalmarktgesetz. Vorgeschlagen wird hier ein „kleines“ Prospekt ab

€ 500.000,-, ein „mittleres“ Prospekt ab € 2.500.000,- und ein „großes“ Prospekt

ab € 5.000.000,-.149

Auch die Interessensvertretung der Verbraucher hat bereits ihre Fühler

ausgestreckt und die österreichischen Crowdfunding-Plattformen überprüft. In

dieser Analyse wird gelobt, dass bei allen auf die Möglichkeit eines

Totalverlusts hingewiesen wurde, sowie bei den meisten ein Link zu den

Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorhanden war. Zu bemängeln war, dass

nur bei einer Plattform Angaben zu Rücktrittsrechten gemacht werden und

generell unzureichende Hinweise über Kündigungsmöglichkeiten vorhanden

waren. Weiterer Kritikpunkt ist, dass nur eine von drei österreichischen

Crowdinvesting-Plattformen eine Gewerbeberechtigung für Vermögensberatung

vorweisen können. Zwar betonen die Plattformen keine Anlageberatung

durchzuführen, agieren andererseits als Vermittlung von

Veranlagungsprodukten. Die Arbeitkammer fordert in diesem Bereich das

Vorliegen einer Gewerbeberechtigung für die Vermögensberatung iSd § 136a

GewO 1994.150

Natürlich sind die Verbraucherschützer ganz anderer Meinung als die

Konkurrenten auf Unternehmerseite. So fordern sie die Beibehaltung des

Begriffes „Einlagengeschäft“ im Bankwesengesetz, da der Begriff

„realwirtschaftliche Tätigkeiten“ zu unbestimmt sei und hier das Potenzial für

Missbrauch besteht. Weiters wollen sie keine erneute Lockerung im Bereich

des Kapitalmarktgesetzes, da hier eine Verwässerung des Prospektrechts

befürchtet wird.151

149 Finanzierungsumfrage von aws und WKÖ zeigt neue Trends bei Österreichs KMU, https://www.awsg.at/Content.Node/footer/presse/85647.php (zuletzt abgerufen am 23.04.2015); Franke et al, The Power of the Crowd – Crowdinvesting für kapitalsuchende Unternehmen und Investoren, 5. 150 Prantner, Crowdfunding unter dem Aspekt des Verbraucherschutzes, 9-10. 151 Prantner, Crowdfunding unter dem Aspekt des Verbraucherschutzes, 59-60.

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VIII. SCHLUSSFOLGERUNGEN

Crowdfunding ist mit Sicherheit eine gute Möglichkeit der zusätzlichen

Geldbeschaffung. Hier kommt es auf die richtige Kombination der

verschiedenen Finanzierungsformen an.

Ein großes Hindernis ist derzeit bestimmt die Rechtsunsicherheit der Anwender.

Hilfreich wäre ein umfassender Leitfaden, der genau erklärt, was im rechtlichen

Rahmen erlaubt ist und was nicht.

Außerdem wäre die Einführung eines Zertifikats für Crowdfunding-Plattformen

sinnvoll, um aus der Unmenge an Anbietern, die Vertrauenswürdigen

herausfiltern zu können.

Ohne Zweifel ist der Bereich des Crowdfunding sehr missbrauchsanfällig. Aber

der Staat sollte auch nicht zu viel in die Privatautonomie der Menschen

eingreifen. Es liegt nun am Gesetzgeber ein ausgewogenes Verhältnis

zwischen Anlegerschutz und Förderung der Potenziale des Crowdfunding-

Segments zu schaffen.

Page 55: FINAL Diplomarbeit Brandl 07.05.2015

- 55 -

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