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Freitag, 10. August 1962 3leuc <3iirdjcr3citttng Mittagausgabe Blatt 4 Nr. 3061 fl&n+c&i Das Beispiel Oesterreich Die Aktion «Der gute Film» Die Bestrebungen zur Förderung wertvoller Filme und zur Bekämpfung der Schundfilme sind so alt wie der Film selbst. Sie wurden und werden in allen Kulturstaatcn von den verschiedensten Organisationen und auch vielfach von Behörden unternommen. In der Beurteilung der Filme waren alle diese Institutionen meist einer Meinung und konnten deshalb trotz etwaigen weltanschaulichen Unterschieden miteinander arbeiten. Dennoch konn- ten sie meist eher Verbotsmaßnahmen als eine posi- tive Forderung durchsetzen. Dadurch kamen sie in einen Gegensatz zur Filmwirtschaft, deren Haupt- geschäft ja der weniger wertvolle Film ist. So kam es, daß viele wertvolle Filme gar nicht das Publikum erreichten, für das sie gedacht waren. Dieser unbefriedigende Zustand veranlaßte das österreichische Bundesministerium für Unter- richt zur Gründung der Aktion «Der gute Film». An dieser Gründung, die im Sommer 1956 erfolgte, wirkten außer den zuständigen Behörden der neun Bundesländer, den Filmreferenten des österreichi- schen Gewerkschaftsbundes und der beiden Kir- chen erstmalig die zentrale Berufsorganisation der Kinos, der Fachverband der Lichtspieltheater, mit. Unterrichtsminister Dr. Heinrich Drimmcl legte damals in einer großen Rede diesen Zweck der Aktion fest: «Unter Koordinierung aller seit Jah- ren bestehenden Einzelbestimmungen werden künf- tig in den größeren Kinoorten regelmäßig Auf- führunge n mit ausgesuchten Filmprogrammen stattfinden. Es sollen systematisch jene Publikums- kreise gesammelt werden, die am guten Film inter- essiert sind, damit sich auf diese Weise allmählich eine Art Abonnentenschaft des guten Films bilde und daß es sich im Bewußtsein der Bevölkerung als feste Einrichtung verankere, daß regelmäßig, an bestimmten Tagen, in den betreffenden Kinos ein ausgesuchtes Programm guter Filme geboten wird.» So gelang es im Laufe dieser Jahre, 180 Kinos in rund 20 Prozent aller österreichischen Kinoortc zur freiwilligen Teilnahme an der Aktion zu ge- winnen. Ab dem kommenden Oktober werden auch zwanzig Wiener Kinos das heißt in jedem der äußeren Bezirke eines jeweils an einem anderen Wochentag ausgewählte Filme spielen. Nun mußte nach dem Block- und Blindbuch- verfahren schon bisher jedes Kino gelegentlieh einen wertvollen Film spielen. Diese Filme, die den kulturell interessierten Menschen meist nicht als wertvoll bekannt waren, hatten gewöhnlich einen schlechten Besuch zu verzeichnen, der die Abnei- gung der Kinounteraehmer gegen wertvolle Filme zu bestätigen schien. Um also dem^Kino zu helfen, sorgt die Aktion «Der gute Film» für eine ent- sprechende Werbung. Diese Werbung erfolgt zu- nächst durch die zahlreichen Ortsreferenten der Aktion. Ihre Aufgabe ist es, gemeinsam mit dem Kinounternehmer das Programm dieser Veranstal- tungen aus der Filmliste der Aktion auszuwählen und dafür zu werben. Die Zentral e der Aktion unterstützt diese Werbung mit Hilfe eigener Plakate, die für die Anschlagebretter von Behör- den, Schulen, Pfarreien und Betrieben bestimmt sind, durch den wöchentlich ausgesandten Presse- dienst, der alle Aktionstermine enthält und der von einem Großteil der Lokalblätter abgedruckt wird und schließlich durch die Bespreehungsgruiid- lagen, die den Ortsreferenten rechtzeitig zugchen. Diese Besprechungsgrundlagen informieren alle örtlichen Mitarbeiter und Interessenten über die Problematik und die besonderen Werte des jewei- ligen Filmes. Mit ihrer Hilfe ist es dem Ortsrefe- renten möglich, die Aktionsveranstaltungcn kurz einzuleiten und gelegentlich auch in einem kleinen Kreis zu diskutieren. Diese gezielte Werbung, die von der Kirchenkanzel bis zum Betriebsratszimmer, von der Gemeindekanzlei bis zur Schule und zur Volksbildung reicht, hat in vielen Orten die Kul- turschichten für die wertvollen Filme interessiert. Die Filmlistc der Aktion wird von einem Pro- grammbeirat zusammengestellt, dem Vertreter der oben genannten Gründerorganisationen und vor allem die führenden Filmkritiker angehören. Die Liste umfaßt derzeit rund 350 Titel. Sie ist um- fangreich genug, um alle Gesehmackswünscho zu befriedigen. Die Veranstaltungen der Aktion fin- den im Abendprogramm zu den normalen, orts- üblichen Preisen statt. Wir wollen gerade den wert- vollen Film nicht durch niedrigere Eintrittspreise entwerten, die zudem im Zeitpunkt der Hoch- konjunktur wirkungslos wären. Trotz all diesen Maßnahmen kann eine Ver- anstaltung durch ungünstiges Wetter oder durch andere nicht beeinflußbare Umstände schlecht be- sucht sein. Um jedoch den Kinobesitzer nicht allein das etwaige Risiko eines Mißerfolges tragen zu lassen, bemüht sich die Aktion um die steuer- liche Begümtigung wertvoller Filme. Der Film ist in Oesterreich mit 35 bis 40 Prozent vom Eintritts- preis die höchstbesteuerte Ware. Wir sind der Mei- nung, tlali es kulturpolitisch und pädagogisch richtig wäre, durch eine entsprechende Staffelung der Sondersteuern das Wertvolle gegenüber dem Wertlosen zu begünstigen. Nach jahrelangen Be- mühungen ist im Januar dieses Jahres die gemein- same Prädikatisierangskommission der Bundeslän- der gegründet worden. Die von ihr erteilten Prädi- kate stellen die Grundlage für die steuerlichen Be- günstigungen dar, die allerdings bisher nur in einem Bundesland in Salzburg Gesetz sind. Da der Großteil dieser Sondersteuern den Ge- meinden zufließt, ist die Aktion bestrebt, den Oesterrcichischcn Städtebund zu überzeugen, daß eine Förderung der wertvollen Filme zu den kul- turpolitischen Aufgaben der Gemeinden gehört. Zu den Aufgaben der Aktion gehört auch die Filmerzichung der Schuljugend und deren Versor- gung mit jugendgeeigneten Filmen . Der Film übt eine starke Faszination auf alle Menschen aus und insbesondere auf die Jugend. Und da die Mehrzahl der gezeigten Filme wenig künstlerischen oder gar pädagogischen Wert haben, klagen Eltern und Erzieher seit Jahrzehnten über den Schundfilm. Nun kann man durcli Jugemlverbote die absolut ungeeigneten Filme ' von der Jugend fernhalten, aber Verbote allein reichen nicht tius. Es nützt nichts, über das Schlechte zu klagen, man muß das Gute fördern. So kam es zunächst in Großbritan- nien und dann in einigen anderen europäische n Ländern zu den Versuchen einer Filmerziehung der Jugend. Diese Filmerziehung soll ähnlich wie schon seit vielen Jahrzehnten die Kuns't- oder die Literaturerziehung das kritische Ur- teilsvermögen der Jugend schärfen und damit ihren Geschmack heben. Im Bewußtsein dieser Notwendigkeit war die Aktion «Der gute Film» seit jeher bestrebt, die Schulbehörden zu veranlassen, di e Filmerziehung in irgendeiner Form in den Lehrplan einzubauen. 1957 gelang es der Aktion, vom Bundesministerium für Unterricht einen Erlaß zu erwirken, der vor- sieht, daß 1. Spielfilmvorführungen innerhalb der Unterrichtszeit viermal im Schuljahr stattfinden dürfen; 2. auf die Einführung durch den Lehrer und auf entsprechende Auswertung im Unterricht größter Wert zu legen Sei, weil nur dann i'ilinkri- tisebe Erziehung geleistet werden kann; 3. beim klassenweison Besuch von Filmvorführungen auf die Teilnahme eines in der Klasse beschäftigten ljchrers nicht verzichtet werden kann, denn nur da- durch ist eine Auswertung gewährleistet. Es heißt im Erlaß wörtlich: «Das Ucbernehmon der bloßen Beaufsichtigung durch klassenfremde Lehrer ent- spricht den Vorschriften dieses Erlasses nicht.» Dieser vorbildliche Erlaß stellt seither die Grundlage der Filinerzichung in Oesterreich dar. Fanden im Schuljahr 1950/57 insgesamt 500 Vor- stellungen in 90 Kinos in vier Bundesländern statt, so hat die Filmerziehung seit dem Schuljahr 1959/60 alle neun Bundesländer erfaßt . Im ab- gelaufenen Schuljahr 1961/02 haben bereits rund Mit öffentlich ausgehängten Plakaten und mit Hinweisen am Schwarzen Brett in den Schulhäusern setzt sieh die Aktion «Der gute Film» für die Filmerziehung der Jugendlichen und der Erwachse- Das Ende eines Idols Der Tod der Marilyn Monroe Hr. Vor wenigen Tagen ging die Meldung durcli die Presse, daß Marilyn Monroe^ gestorben sei. Lakonisch vermerkte _ der Bericht, die erst 36- jährige Filmschauspielerin habe eine Ueberdosis von Schlaftabletten zu sich genommen. Keine Ab- schiedsbriofe seien gefunden worden, sagt der Peli- zeirapport. In ihrem Bett ist die Schauspielerin gestorben; noch im Tod hat ihre Hand den auf- gelegten Telephonhörer umklammert. Hat sie Hilfe gesucht nach einem Unglücks- fall? Hat sie sich den verzweifelten Hilferuf ver- sagt? Der Spekulation sind Tür und Tor ge- öffnet. Wahrscheinlich aber bleibt, daß die Schauspielerin freiwillig aus dem Leben gegangen Marilyn 'Monroe mit Clark Gable in ihrem nach beider Tod leisten Film «.Misfits-» ist. Mit einer gewissen Bestürzung hat wohl man- cher die Nachricht des plötzlichen Hirusehicds zur Kenntnis genommen; nut der Ahnung der Schick- salsironic, die in diesem Tode geborgen liegt, der ein Hungern nach Erfolg, nach Anerkennung und Ruhm in der Unerfülltlicit abschließt. Und zu- gleich mi t der Ahnung der Tragik, die hinter dem Schicksal einer Diva steht, die offensichtlich zum Opfer ihres Metiers, ihres Startums geworden ist. Der Hinschied Marilyn Monroes bleibt, so oder so betrachtet, ein Symptom. Ein Zeichen, mit dem sich eine Zeitkrankheit äußert. Ei n Star ist ge- storben ist <'am Startum gestorben». Was ein Louis Malle unlängst im Film «Vie privee» am Beispiel der Brigitte Bardot dar- gestellt hat, wird durch den Tod Marilyn Monroes noch einmal gegenwärtig: das Tödliche des Diva- Kultes, das Mensehcnmörderischc eines Daseins im Rampenlicht, in dessen gleisnerischer Helle das Private erlischt. Beide Schauspielerinnen, die MM nicht anders als die BB, sind zu Verkörperungen von Zeitbildern, sozusagen aiim «Inbegriff der Erotik» geworden, zum industriell ausgewerteten Inbegriff allerdings. Die Sehnsucht nach der Kindfrau, nach der Nymphe, die Mädchenunschuld und Dirne in einem ist. hat sich in der BB ver- wirklicht. Die Sehnsucht nach der modernen Venus, ausgestattet mit den Attributen der Ver- führerin und der Mutter zugleich, wurde in der MM personifiziert. Im Halbernst «igt man heute solche Dingo, mit dünnem Gelächter hinter den Worten ; mit einer Ironie, die sich halb ihrer selbst und halb dos Ernstes schämt. Doch eine spätere Generation wird wohl an den Initialen BB und MM einen Teilaspekt des erotischen Charakters unserer Zeit ablesen. Was dannzumal gewiß niclit ohne Ironie geschieht. Am Startuin gestorben: In letzter Zeit haben sich dio Spannungen und Konflikte, denen Mari- lyn Monroe ausgesetzt gewesen ist, vermehrt. Man weiß, daß sich dio Schauspielerin bereits 1961 in psychiatrische Behandlung begeben hat; man weiß, daß sie seit der Scheidung von ihrem dritten Gatten, dem Dramatiker Arthur Miller, an De- pressionen litt. Berufliche Mißerfolg« stellten sich nach dem Erfolg der «Misfits» ein, eines Filmes, der auf Arthur Millers Drehbuch basierte. Wegen Unregelmäßigkeiten, -die sieh der Star bei den Dreharboiten zu «SomcthingV» got to give» zu- schulden kommen ließ, wegen ihres häufigen Fern- bleibens vom Studio, wurde Marilyn Monroo von der 20th Century Fox aus dem Kontrakt ent- lassen. Und der Star wurde auf Schadenersatz ver- klagt. Drohte der Diva, die ejnst mit viel Publicity als ein Kunstprodukt der Filmindustrie zum Idol des Sex-Appeal» hochgespielt worden ist. nunmehr der Niedergang? Marilyn Monroe war der Dro- hung nicht gewachsen. Der lenkenden Hand eines Arthur Miller enthoben, in dessen Intellekt sie Schutz und Halt gesucht hatte, mußte sie an den Spannungen ihrer Karriere fast zwangsläufig zer- brechen. Sie war vor ihrem Tod nicht mehr das unwissende Geschöpf, das sie einst, zu Beginn ihrer Karriere, gewesen ist; sie ist an der Seite Arthur Millers «wissend» geworden und fühlte sich doch, auf sich selbst gestellt, nicht beheimatet in diesem Wissen. Ihr Leben ist ein Roman der modernen Indu- striezivilisation. Was an ihr «die Monroe» war, er- scheint als Zivilisationsprodukt. Unter dem Namen Norma Jean Baker wurde sie. am 1. Juni 1926 in Los Angeles geboren. Sie wuchs in mißlichen Ver- hältnissen auf, ging mit IC Jahren mit einem Flug- zeugmechaniker eine Frühehe ein, arbeitete selber in der Flugzcugfabrik als Arbeiterin und verdiente später ihr Brot als Photomodell und Filmstarlet. Dann wurde sie von der Filmindustrie in Holly- wood als «neues Schönheitsideal» entdeckt und als «Sexbombe» mit großem Reklamerummel heraus- gebracht. Eine relativ kleine Rolle in John Hustons «Asphalt Jungle» gab ihr die Startposition; «All about Eve» (neben Betto Davis) nnd «Niagara» begründeten den Ruhm ihrer Körperreize. Sie wurdo zum Vorbild für die vollbusigo Betty Boop der Comic Stripes; sie machte als Pin-up-Maskotte der GIs sozusagen «im Abziehbild» den Korea- feldzug mit und gründete alsbald mit dem Photo- graphen Milton Greene die Monroe-Corporation. Ein ganzer Mann, oder zumindest ganz Mann, war ihr zweiter Gatte, der muskelstarke Baseballheld Joe Dimaggio. Der Männlichkeit andere Seite, den Intellekt, lernte sie später in Arthur Miller kennen, nachdem sie selbst bereits mit Laurencc Oliviers «The Prince and the Showgirl» die höhere Ebene der Komödiantin erklommen hatte. Sie ist nicht, man darf es sagen, die «Nur- Weiblicbe» geblieben, di« sie zu Anfang war. Sie bewahrte sich die Weiblichkeit, die Fülle ihrer Reize und reifte an ihrem Schicksal, an den An- forderungen der Karriere. Sie rückte zu den echten Begabungen, zu den guten Schauspielerinnen auf. Dio Kürperschönheit und der Intellekt schienen sich in ihrer Ehe mit Arthur Miller wahrhaft ver- mählt zu haben; Marilyn Monaoe wurde, auch die Spötter gestanden es ein, zu einem andern Men- schen. Sie wurde «gebildet»; sie las Aristophanes, Proust nnd Joyce. Sie hatte, wie es schien, eine neue Welt entdeckt. Aber war es wirklich ihre Welt? Ein Abenteuer mit Yves Montand, eine Rückkehr zur Körperscligkeit, ließ sie zurück- stürzen in die Welt, aus der sie gekommen ist In die Scheidung, in den Lebensbereich der Diva, des Stars Marilyn Monroe. Das Ende dieses Sturzes kennen wir jetzt ; es ist da-s Ende eines Lebens und eines Idols. Der Traum vom Dnsein in der Schein- weit ist ausgeträumt; der Versuch einer «Selbst- verwirklichung jenseits von sieh selbst» ist ge- scheitert. Vielleicht gibt dieser Lebensroman einer Diva dereinst die Vorlage für einen Roman oder für einen Film. Würde dieser klug gestaltet, müßte daran wirklich ein Teilaspekt unserer industriali- sierten Zivilisation lesbar werden. Marilyn Monroe ist nicht nur ein Name, der die kleine Nonna Jean Baker aus Los Angeles benannt und umgeformt hat; der Name bezeichnet ein Symptom und ein Phänomen unserer Zeit. 2500 Vorstellungen in rund 500 Kinos stattgefun- den, an denen die Schüler von mehr als 1000 Schu- len teilnahmen. Gemäß den Vorschriften des oben erwähnten Erlasses versorgt die Aktion die Lehrer mit den Bcsprechnngsgrundlagen. Um den ständig wachsen- den Bedarf an geeigneten Jugendfilmen in neuen Kopien zu decken, hat «las Bundesministerium für Unterricht im Frühjahr 1959 den Jugendfilmfonds gegründet, der von der Aktion verwaltet wird. Der Jugendfilmfonds bevorschußt neue Kopien von Jugendfilmen so daß der Verleih gar kein Risiko trägt und subventioniert den Ankauf neuer Filme. Nur mit Hilfe des Jugendfilmfonds konnte es gelingen, trotz dem Ankauf zahlreicher Jugendfilme durch das Fernsehen, eine genügend große Zahl für die Filmerziehung zu erhalten. Da begreiflicherweise auch die viermal jährlich stattfindenden Filmvorführungen in der Unter- richtszeit nicht ausreichen, um den Filmhunger der Jugend zu stillen, fördert die Aktion mit Hilfe der Plakataktion in den Schulen die wertvollen jugendgeeigneten Filme im Normalprogramm der Kinos. Mit Hilfe des Bundesministeriums für Unterricht wurden 2500 Pflicht- und Mittelschulen in Oesterreich mit eigenen Aushangtafeln versorgt, in deren Steckrahmen Plakate und Merkblätter auf den bevorstehenden Einsatz eines empfohlenen Jugendfilmes im Nachbarkino hinweisen. Ei n eige- ner Streifen informiert über Ort und Zeit der Veranstaltung. Diese Aushangtafeln hängen an einem allen Schülern zugänglichen Ort, gewöhnlich an der Wand des Schulkorridors. Jeder Klassen- lehrer erhält zusätzlich ein Informationsblatt, das ihm alles Wissenswerte übe r den Film mitteilt und ihm jenen Gesprächsstoff liefert, den er benötigt, um den Unterricht lebendig zu gestalten. Die werb- liche Aufmachung der Tafeln, der Plakate und der Merkblätter erregen das Interesse der Kinder. Wenn der Lehrer nun noch in der Klasse dieses Interesse steigert, dann kommt es zu Rekordbesu- chen, die häufig zu einer Prolongation des Ein- satzes des betreffenden Filmes führen. Diese Ver- längerungen ergeben dann automatisch den Her- auswurf eines weniger wertvollen Filmes aus dem Programm. Da das Taschengeld der meisten Kin- der beschränkt ist, so führt die Plakataktion auch zu einer Konsumlenkung, die weit wirksamer als jedes Verbot den Besuch ungeeigneter Filme für die Jugend verhindert. Im Anfang betrachtete die Filmwirtschaft die Plakataktion in den Schulen, für deren Kosten sie aufzukommen hat, mit einiger Skepsis. Dio «6er- ragenden Erfolge der Plakataktion in allen jenen Orten, in denen die Lehrerschaft sieh aktiv für sie einsetzte, haben aber dio Filmverleiher und die Kinounternelnner überzeugt, daß die Plakataktion ein wirksames Mittel gegen die Filmwirtsehafts- krisc ist. Es werden uns weit mehr Filme angebo- ten, als wir für diesen Zweck für geeignet halten. Wir fördern jedes Jahr etwa zehn bis zwölf neue Jugendfilme. Aus der obigen Einschränkung mag zu ersehen sein, daß noch nicht alle Lehrer die Möglichkeiten und Notwendigkeiten der Filmerziehung erkannt haben. Wenngleich der Film in der offiziellen Schulpolitik als legitimes Beeinflussungsmittel und auch als Unterrichtsmittel anerkannt ist, so gibt es doch noch vielerorts Lehrer, die ihm verständnislos und fremd gegenüberstehen. So muß die Aktion «Der gute Fijm» neben der Filmerziehuhg der Schüler auch eine Filmerziehung der Lehrer durch- führen. Diese findet in Kursen meistens während der Ferien oder in wöchentlichen Seminarstunden statt. Für Dezember 1962 ist eine Tagung der Landesschulinspektoren also der höchsten Schul- aufsichtsorgane und der Direktoren der Lehrer- bildungsanstalten geplant, in der Unterrichtsmini- ster Dr. Drimmel und der Leiter der pädagogischen Sektion, Sektionschef Dr. Wohlgemuth, im Verein mit einigen Praktikern der Filmerziehung die Teil- nehmer über, den derzeitigen Stand der Filnrerzic- hung informieren werden. Auch damit erweist sich Oesterreich als das führende Land auf diesem Gebiet der Pädagogik. Dr. Sigmund Kennedy, Wien Neue Zürcher Zeitung vom 10.08.1962

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