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Internationalisierung der Hochschulen Neue Studiengänge und Initiativen auf dem Prüfstand
Referenten:
Inge KnudsenEuropean University Association (EUA), Brüssel
Professor Dr. Tassilo KüpperRektor der Universität zu Köln
Professor Dr. Walter SchmitzLeiter des Lehrzentrums für Sprachen und Kulturen,Technische Universität (TU) Dresden
Professor Hermann-Josef BuchkremerRektor der Fachhochschule (FH) Aachen
Moderation:
Dr. Jochen HellmannUniversität Hamburg
Thema
Die Hochschulen haben in den letzten Jahren massive Anstrengungen unternommen, um die
Beschlüsse von Bologna zur Errichtung eines europäischen Hochschulraums umzusetzen und
die Hochschulen internationaler und damit attraktiver zu machen. Allein die Einführung der
neuen gestuften Abschlüsse Bakkalaureus/Bachelor und Magister/Master, das Anbieten einiger
„auslandsorientierter Studiengänge”oder einiger Kurse in Englisch reichen allerdings nicht aus,
um eine Hochschule als „international” zu bezeichnen. Welche Internationalisierungsstrategien
und -instrumente können erfolgreich eingesetzt werden und wie können Hochschulen die
Qualität ihrer internationalen Angebote sichern?
95Qualität und Wettbewerb
Forum B2
Hellmann, Universität Hamburg
Liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrte Damen und Herren,
in den letzten Jahren ist viel in Bewegung geraten. Der Sorbonne-Bologna-Prag-Prozess einer-
seits und die Debatte um die Attraktivität des Studienstandortes andererseits haben vieles in
Frage gestellt, was kürzlich noch für die Ewigkeit festgeschraubt schien.
Ein Blick in die Bologna-Erklärung zeigt Hauptfelder der Wandlung:
Die Einführung eines international kompatiblen, zweistufigen Systems. Hier sind, was Deutsch-
land betrifft, die erstaunlichsten Fortschritte erzielt worden.
Ein Leistungspunktsystem, das die Anerkennung von im Ausland erbrachten Studienleistungen
fördern soll. Es sind viele Ansätze, viele Modelle produziert worden, ein flächendeckendes Sys-
tem liegt aber noch in weiter Ferne.
Die Forderung nach weiter gehendem Abbau von Mobilitätshindernissen.Dieses Postulat bleibt
unkonkret, jeder ist dafür, aber niemand kann exakte Handlungsanleitungen definieren.
Es wäre sinnvoll, wenn wir zusätzlich ein paar ebenso wichtige, nicht ausreichend im Vorder-
grund stehende Aspekte der Internationalisierung in die Debatte einbeziehen könnten:
- Die überfällige Internationalisierung bei den Lehrenden, die eventuell wichtiger ist als jedes
Mobilitätsprogramm. Ist es wahr, dass noch heute Professoren neu berufen werden, folglich
in den nächsten 30 Jahren das Feld beherrschen, die weder im Ausland gelebt haben, noch in
einer Fremdsprache lehren können?
- Welche Rolle spielt die Internationalisierung als Parameter für leistungsbezogene
Ressourcen-Verteilung?
- Die Rolle der Sprache: Meines Erachtens ist die Förderung englischsprachiger Lehrveranstal-
tungen nicht nur kein Einknicken vor angelsächsischer kultureller Dominanz, sondern sogar
ein Beitrag zur Verteidigung anderer, sekundärer Wissenschaftssprachen, da das Studieren im
nicht-englischsprachigen Ausland nur dann massenhaft als Alternative gesehen wird, wenn
der Unterricht zunächst in Englisch erfolgt.
Mit diesen wenigen Aspekten will ich es zunächst bewenden lassen. Die Vortragenden sollen
Gelegenheit erhalten, ihre Gesichtspunkte ausführlicher darzustellen.
Knudsen, EUA
Ich möchte mich auf drei Themen konzentrieren, die ich für die Internationalisierung der
Hochschulen als vorrangig bewerte:
- Qualitätssicherung
- Umgang mit Studienabbrechern
- Berücksichtigung der demographischen Entwicklung
1. Eine seriöse Qualitätssicherung in den Hochschulen hinsichtlich der Studienangebote ist
unverzichtbar für die weltweite Anerkennung. Denn nur wer seine Angebotsstruktur
transparent macht, kann mit anderen international verglichen werden. Durch die Wechsel-
wirkung von Angebot und Nachfrage können Hochschulen ihre Leistungen derart weiter-
entwickeln, dass sie der Nachfrage angepasst sind.
96 Hochschulmarketing im Aufbruch
Forum B2
Werden noch heute
Professoren eingestellt,
die weder in einer
Fremdsprache
unterrichten können,
noch im Ausland
gelebt haben?
2. Etwa ein Drittel aller Studierenden verlässt die Hochschulen ohne Abschluss, das heißt völlig
ohne Dokumentation der bis dahin erbrachten Leistungen. Die Bologna-Deklaration sieht
vor, dass Leistungspunktsysteme eingerichtet werden. Solche Systeme könnten jede Stu-
dienleistung dokumentieren, unabhängig davon, ob ein Grad erworben wird oder nicht.
Leistungspunktsysteme ermöglichen unterschiedliche Lebensläufe mit Bildungs- und
Weiterbildungsabschnitten zu unterschiedlichen Zeiten. Es sollte auf jeden Fall zugleich
darauf hin gewirkt werden, dass ein hoher Prozentanteil der Hochschulbesucher einen ersten
Abschlussgrad, wie etwa den Bachelor, erwerben kann.
3. Die demographische Entwicklung wird dazu führen, dass die Hochschulen im Gegensatz
zu den steigenden Studierendenzahlen in den 60er und 70er Jahren künftig mit sinkender
Nachfrage konfrontiert sind. In den 70er Jahren wurden zwar Reformen an den Hochschulen
durchgeführt und die Hochschulen demokratisiert, die Lehrpläne und die Studienstrukturen
jedoch sind weitgehend unverändert geblieben. Die Hochschulen müssen – gerade in Zeiten
des Fachkräftemangels – ihre Attraktivität erhöhen, um weiter gute Studierende, Wissen-
schaftler und Forscher anzuziehen beziehungsweise auch zu halten.Denn der Bedarf an hoch
qualifiziert ausgebildeten Arbeitskräften wird weiter zunehmen, insbesondere interdiszipli-
när ausgebildete Menschen mit der Bereitschaft, sich fortlaufend weiter zu qualifizieren,
werden gebraucht. Das heißt: Keine Weiterentwicklung ohne neue Lehrpläne, die den Anfor-
derungen eines modernen Arbeitsmarktes angepasst sind.
Die Hochschulen müssen sich neue Studierendengruppen erschließen, beispielsweise ältere
Menschen oder Berufstätige, die sich parallel zum Erwerbsleben weiter qualifizieren.
Die Erklärung von Bologna (beziehungsweise Prag) zielt insgesamt darauf, Transparenz im
Bildungssystem zu schaffen und nicht zu homogenisieren. Durch Vielfältigkeit entsteht nicht
nur Identität, sondern auch Innovation. Europa muss als Ausbildungsort auf dem Hochschul-
niveau insgesamt attraktiver werden, damit die eigenen Akademiker und Wissenschaftler
bleiben oder zurückkommen und auch ausländische Spitzenkräfte angezogen werden. Die
Erklärung von Bologna ist meines Erachtens umsetzbar: Die Notwendigkeit enger innereuropä-
ischer Zusammenarbeit zur Umsetzung der Ideen lässt dennoch Raum für nationale Freiheiten.
Küpper, Universität zu Köln
Zum Thema Internationalisierung der Hochschulen möchte ich Ihnen heute einige Praxis-
beispiele und Erfahrungen der Universität zu Köln präsentieren. Insbesondere in unserer
Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät haben wir dazu aus Sicht der Universität
Vorbildliches geleistet; in meinem Vortrag werde ich überwiegend über diese Erfahrungen
berichten, zuvor jedoch möchte ich gerne einen kurzen Einblick in die Universität insgesamt
geben.
Bei mehr als 60.000 Studenten, von denen circa elf Prozent ausländische Staatsangehörige sind,
stellt sich die Frage, warum wir uns an einer Marketingstrategie beteiligen mit dem Ziel, noch
mehr Studenten und insbesondere ausländische Studierende anzuziehen. Bereits jetzt können
wir nicht alle Studierenden aus dem Ausland, die sich für unsere Universität interessieren,
annehmen. Gleichwohl sind wir durchaus daran interessiert, den Anteil ausländischer Studie-
render noch zu erhöhen, und wir würden es sehr begrüßen, wenn die rechtlichen Vorgaben
dementsprechend gestaltet würden.
97Qualität und Wettbewerb
Keine Weiterentwicklung
ohne neue Lehrpläne,
die den Anforderungen
eines modernen
Arbeitsmarktes
angepasst sind.
An der Kölner Universität gibt es vielfältige Auslandskontakte; wir verfügen allein über 13 offi-
zielle Hochschulpartnerschaften, die durch 180 weitere Kooperationen etwa im Rahmen von
SOKRATES-/ERASMUS-Programmen ergänzt werden sowie durch circa 40 weitere fakultäts-
übergreifende Partnerschaften.Zusätzlich gibt es Kooperationen zwischen einzelnen Institutionen.
Geographisch liegen unsere gewählten Schwerpunkte in erster Linie in Mittel- und Osteuropa,
Japan, in den USA, aber in verstärktem Maße auch in China und in der Türkei. Als besondere
internationale Studiengänge haben wir beispielsweise den Deutsch-Französischen Magister-
studiengang/Maîtrise en droit français et allemand im Bereich der Rechtswissenschaften mit
der Universität Paris I Sorbonne und ein Deutsch-Französisches Studienprogramm – ebenfalls
mit der rechtswissenschaftlichen Fakultät – entwickelt. Schwerpunktmäßig möchte ich jedoch
heute über die Entwicklung der Internationalisierung an der Wirtschafts- und Sozial-
wissenschaftlichen Fakultät sprechen.
Entwicklung der Internationalisierung bis heute
An der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln ist Interna-
tionalisierung seit zwei Jahrzehnten Realität. Nicht, dass nicht vorher internationale Aktivitäten
existiert hätten: Schon vorher gab es individuelle internationale Kontakte von Fakultätsmitglie-
dern, und schon vorher gab es regelmäßigen Studentenaustausch, beispielsweise mit den USA.
Anfang der 80er Jahre jedoch begann eine neue Ära der Internationalisierung. Mit dem Beitritt
der Fakultät zu PIM (Programme for International Management), dem globalen Netzwerk
führender Wirtschaftshochschulen, setzte an der WiSo-Fakultät ein Prozess der institutionali-
sierten internationalen Kooperation ein.
Mit der Gründung von CEMS im Jahre 1988, der Community of European Management Schools,
erhielt dieser Prozess zusätzlichen Anschub und eine neue Qualität: Weiterentwicklung von
internationaler Zusammenarbeit im Rahmen einer festen Allianz.
Zusätzlich zu der sich zunehmend entfaltenden Kooperationsvielfalt zwischen den inzwischen
17 CEMS-Universitäten und vielen Unternehmen wurden in den vergangenen Jahren weitere
internationale Studienprogramme eingerichtet und die Art und Zahl der internationalen Bezie-
hungen stark ausgebaut.
Im Zuge des Internationalisierungsprozesses haben diese Aktivitäten bis heute eine zuneh-
mende Strukturierung, Institutionalisierung und fakultätsweite Koordination erfahren. So
wurde während der vergangenen zehn Jahre das Zentrum für Internationale Beziehungen (ZIB)
der WiSo-Fakultät aufgebaut, das die internationalen Aktivitäten fakultätsweit koordiniert. Das
ZIB funktioniert als zentrales Organ für die Gestaltung und Weiterentwicklung der internatio-
nalen Beziehungen. Dabei liegen die Prioritäten auf:
- internationalen Studienprogrammen,
- institutioneller Mitgliedschaft in renommierten Netzwerken,
- ausgewählten bilateralen Beziehungen mit erstklassigen Universitäten weltweit,
- internationaler Unternehmenszusammenarbeit,
- innovativen Formen der interuniversitären Kooperation.
98 Hochschulmarketing im Aufbruch
Forum B2
Das Zentrum für
Internationale
Beziehungen
koordiniert die
internationalen
Beziehungen
der WiSO-Fakultät.
Die Verwirklichung dieser Ziele ist nur möglich, wenn sie durch entsprechende Dienstleistun-
gen – für Fakultätsmitglieder, in- und ausländische Studierende, ausländische Kooperations-
partner und internationale Unternehmen – unterstützt wird. Um die Dimension der in Köln zur
Verfügung stehenden professionellen Infrastruktur zu veranschaulichen, soll die breite Palette
von Dienstleistungen, die die Fakultät im Zentrum für Internationale Beziehungen bietet, kurz
geschildert werden:
Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter nutzen das ZIB als Informationsquelle über
internationale Kontakte und potenzielle Kooperationspartner. Sie finden hier ebenfalls die
Infrastruktur und Hilfestellung für die Vermittlung von Forschungsaufenthalten und Gastvor-
trägen im Ausland, für die Einladungen an ausländische Kollegen nach Köln. Besonders erfolg-
reich war das ZIB in der Vermittlung von internationalen Projektpartnern für gemeinsame
Forschungsprojekte und für die gemeinsame Entwicklung von Lehrveranstaltungen.
Ausländische Gaststudenten können sich auf die Wohnungsvermittlung und administrative
Unterstützung des ZIB verlassen – sie erhalten umfassende Studienberatung und genießen
die individuelle Betreuung eines studentischen Tutors. Bei der Organisation eines kulturellen
Rahmenprogramms arbeitet das ZIB eng mit der Studenteninitiative internationaler Studenten
in Köln zusammen.
Bei ihrer Suche nach Praktika oder bei einem möglichen Berufseinstieg in Deutschland bietet
das ZIB im Rahmen der strukturierten Zusammenarbeit mit Unternehmen effektive Hilfestel-
lung.
Kölner Studenten erhalten umfassende Beratung über die Möglichkeiten einer internationalen
Gestaltung ihres Studiums. Sie haben die Möglichkeit, sich für zahlreiche Studien- und Aus-
tauschprogramme zu bewerben. Studenten, die für eines der Programme ausgewählt wurden,
haben Zugang zu den von ZIB organisierten internationalen Fachveranstaltungen, zu Schulun-
gen spezieller Fertigkeiten wie Präsentations- oder Verhandlungstechniken, zu kulturellen Ver-
anstaltungen, zu speziellen Sprachkursen und zu Unternehmenspräsentationen. Mit einer den
Unternehmen zugänglichen Datenbank, mit einem elektronischen Job-Markt, mit Praktikaver-
mittlung, mit von Unternehmen ausgerichteten Schulungen und mit der Vermittlung von
Berufseinstiegsmöglichkeiten werden für diese Studierenden Beziehungen zu international
tätigen Unternehmen hergestellt, die ihnen ganz besondere Chancen eröffnen.
In- und ausländische Unternehmen nutzen das ZIB als generelle Anlaufstelle für die Planung
ihrer Aktivitäten an der Fakultät. Unternehmen, die in internationalen Studienprogrammen
aktiv mitwirken oder international qualifizierte Absolventen rekrutieren möchten, finden hier
die geeignete Vermittlungsstelle. Besonders für die Organisation von studentischen Beratungs-
projekten, Unternehmenspräsentationen und Schulungsseminaren ist eine professionelle Infra-
struktur vorhanden. Die Datenbank mit international qualifizierten in- und ausländischen
Studierenden enthält rund 500 Lebensläufe und rundet – zusammen mit dem elektronischen
Job-Markt – die Palette der angebotenen Dienstleistungen ab.
Ausländische Universitäten und Institutionen weltweit finden im ZIB einen Dialogpartner, der
Informationen bereitstellt und recherchiert, Besuche arrangiert, Kontakte für neue Kooperatio-
nen herstellt, Kooperationsverträge gestaltet und als Vermittler von externen und internen
Kontakten dient.
99Qualität und Wettbewerb
Das Zentrum für
Internationale Beziehun-
gen versteht sich als
Serviceeinrichtung
für alle Zielgruppen.
Bandbreite der internationalen Kooperationen – CEMS als Flaggschiff
Die wichtigsten internationalen Programme möchte ich im Folgenden kurz darstellen:
Seit 1970 existiert das älteste Austauschprogramm der Fakultät mit der Pennsylvania State
University, wo Kölner Studierende für ein USA-spezifisches Diplomarbeitsthema recherchieren.
Das Wahlstudium „International Management”, das allen Studierenden der Fakultät als zertifi-
ziertes sechstes Fach offen steht, bietet die Möglichkeit, international orientierte Lehrinhalte in
englischer und in deutscher Sprache zu verfolgen.
Ein bilaterales Abkommen mit der französischen Partnerhochschule HEC (Ecole des Hautes
Etudes Commerciales) ermöglicht den Austausch und die wechselseitige Betreuung von Dokto-
randen.
Im Rahmen der Mitgliedschaft in der European Doctoral Programmes Association in Manage-
ment and Business Administration (EDAMBA) können Kölner Doktoranden an speziellen euro-
päischen Seminaren teilnehmen.
Ein einheitliches europäisches PhD-Programm wird derzeit im CEMS-Verbund entworfen.
Als berufsbegleitende Fortbildung wird der Global eCommerce Master (GEM) – ein einjähriger,
zum MBA führender Studiengang – angeboten.Die inhaltliche Fokussierung auf „e-commerce”-
bezogene Themen und die globale Ausrichtung durch das geblockte Studium in verschiedenen
Teilen der Welt machen den GEM für das mittlere Management in deutschen Unternehmen
besonders attraktiv.
In Kooperation mit der türkischen Anadolu-Universität, die weltweit die meiste Erfahrung mit
Fernstudien aufzuweisen hat, wird derzeit speziell für Kölner Studenten mit türkischem Famili-
enhintergrund ein Studienprogramm „Türkische Management Studien” entwickelt. Hier sollen
die Studierenden durch spezifische türkischsprachige Lehrveranstaltungen, Auslandsstudium
und Praktikum bei türkischen Niederlassungen deutscher Unternehmen in die Lage versetzt
werden, auch auf beruflicher Ebene die türkisch-deutschen Beziehungen zu stärken.
Im PIM (Programme for International Management) sind weltweit 50 führende Wirtschafts-
hochschulen und -fakultäten vereint, die das Netzwerk als Plattform für bilaterale Vereinbarun-
gen über einen Studenten- und Dozentenaustausch nutzen.
Die bei weitem umfassendste und dynamischste Kooperation der Fakultät ist die CEMS-Allianz
– die Community of European Management Schools. Mit der gemeinsamen Entwicklung und
Positionierung eines strukturierten paneuropäischen European Masters Programm, der Einrich-
tung eines Europäischen Forschungszentrums für Management und den jüngsten Plänen für
ein europäisches PhD-Programm ist sie für alle Mitglieder von strategischer Tragkraft.
Mit CEMS gehen wir im europäischen Verbund zukunftsweisende Wege: Die Mitglieder schla-
gen die Brücke zwischen Universitäten und Unternehmen, erfassen die interdisziplinäre multi-
nationale Pluralität in Europa und nutzen die Möglichkeiten der neuen Medien zur Bildung
einer interaktiven Plattform für Forschung und Lehre.
100 Hochschulmarketing im Aufbruch
Forum B2
Besonderheiten der CEMS-Kooperationen
Die 17 CEMS Universitäten und rund 60 CEMS Unternehmen zeichnen gemeinsam verantwort-
lich für die Gestaltung von europäischen Kooperationsfeldern.
Das CEMS Programm wird seit zwölf Jahren erfolgreich betrieben und ab dem kommenden
Wintersemester als neu strukturiertes einjähriges „European Masters Programme in Internatio-
nal Management” angeboten.
Dazu gehören ebenfalls das Europäische Forschungszentrum, das derzeit auf der Grundlage
einer umfassenden Datenbank zu einer internetbasierten interaktiven Kooperationsplattform
entwickelt wird und das PhD-Programm, das den wissenschaftlichen Nachwuchs in Verbindung
mit dem heimischen Promotionsstudium, direkt für Lehrtätigkeiten im europäischen Kontext
qualifiziert.
Das European Masters Programme zeichnet sich durch folgende Faktoren aus: abgestimmte
Curricula, internationale Dimension, Interdisziplinarität, innovative Lehrmethoden, Unter-
nehmenskooperation, Einsatz neuer Medien, englischsprachige Lehrveranstaltungen und
Master-/Bachelor-Strukturen.
Bedeutung der Internationalisierung für Fakultät und Universität
Durch die Internationalisierung der Fakultät und der Universität – und ganz besonders durch
die CEMS-Kooperation – gehen wir bedeutende Schritte auf dem Weg
- der Sichtbarkeit der Universität im globalen Kontext,
- der Stärkung der Wettbewerbsposition deutscher Studenten im sich dynamisch entwickeln-
den globalen Arbeitsmarkt,
- der Steigerung der Attraktivität der Universität für in- und ausländische Studenten,
- der Anpassung des Studienangebots an den Bedarf von Studenten und Arbeitgebern,
- der konstanten Weiterentwicklung der Qualität von Forschung und Lehre.
Schmitz, TU Dresden
Am 28. September 2001 suchte mich überraschend ein an unserem „Mitteleuropazentrum”
durch die Humboldt-Stiftung geförderter Wissenschaftler auf und teilte mir seine in der nächsten
Woche bevorstehende Abschiebung in ein östliches Nachbarland mit. Das Einwohnermeldeamt
hatte festgestellt, dass er nicht hinreichend versichert sei. Die von ihm abgeschlossene Versi-
cherung hatte den Betrag von 10.000 US-Dollar gekostet, und die Versicherungsunterlagen
lagen dem Einwohnermeldeamt vor. Diese waren jedoch auf Englisch geschrieben, und es zeig-
te sich, dass die zuständige Sachbearbeiterin dieser Sprache nicht mächtig war. Daher nahm sie
an, die Versicherung bestünde nicht, und es kam zu einer Aufforderung zur Stellungnahme, ver-
bunden mit der Androhung der Abschiebung. Diese Aufforderung wurde durch ein postalisches
Versehen nicht zugestellt, löste demnach auch keine Stellungnahme aus. Da keine Stellung-
101Qualität und Wettbewerb
Das CEMS-Programm wird
demnächst als „European
Masters Programme
in International
Management”
angeboten.
nahme einging, wurde die Abschiebung verfügt. Nach etlichen Telefonaten, die auch zu einer
tieferen Einsicht in die Struktur des Einwohnermeldeamtes führten – und einem Zeitaufwand
von einem Arbeitstag (die notwendigen Gänge nicht eingerechnet) – kam es schließlich dazu,
dass die abgeschlossene Versicherung akzeptiert und der von der Humboldt-Stiftung geförder-
te Forschungsaufenthalt weiterhin ermöglicht wurde.
Ich beginne mit dieser Anekdote, weder um Heiterkeit noch um Entsetzen zu erregen. Ich
möchte nur darauf hinweisen, dass Internationalisierung der Hochschulen – und dieser Hinweis
ist zurzeit ja aktueller denn je – sich in einem gesamtgesellschaftlichen Rahmen vollzieht. In
einem politischen und gesellschaftlichen Klima, das der Internationalität nicht günstig ist, min-
dert sich die Anziehungskraft von internationalen Studiengängen und allem, was die Hoch-
schulen anbieten können, nicht unerheblich. Es mag selbstverständlich sein, aber es verdient
doch in einer ersten These festgehalten zu werden, dass Internationalisierung und vor allem
deren Qualitätssicherung komplexe Vorgänge sind, die sich nicht auf die Institution der
Hochschule beschränken lassen.
Globale Prozesse – Lokales Wissen
Es ist zum Gemeinplatz geworden, in solchen Reden auf Globalisierungsprozesse hinzuweisen,
sowohl mit einem aktuellen Akzent als auch als „argumentum ex historia”. Denn Wissen und
akademisches Leben sind ja schon immer „international” (oder genauer: überregional) gewe-
sen, von den wandernden Scholaren des Mittelalters bis zu den jettenden Nobelpreisaspiranten
von heute. Dennoch sind mindestens drei Dimensionen des Neuen zu benennen:
Die konsequente Internationalisierung der Wissensproduktion: Sie ist dank der Integration
durch neue kommunikative Möglichkeiten zu einem arbeitsteiligen Prozess im Weltmaßstab
geworden.
Dazu gegenläufig die Relokalisierung der Wissensproduktion: Sie ergibt sich als – paradoxe –
Folge aus jener Internationalisierung, die sich eben nicht nur in einem Prozess freudigen Mit-
einander-Wirkens, sondern auch in einem Prozess des harten Wettbewerbs, ja ökonomischer
Konkurrenz vollzieht. In dieser Konkurrenz geht es um Standorte und Standortvorteile. Keines-
wegs setzt jede Universität nur ihr Ziel daran, ein Knoten neben anderen in einem globalen
Kommunikationsnetzwerk zu sein, sondern sie will Kommunikationsprozesse bündeln, um ihre
eigene Exzellenz zu beweisen. Wer global agieren will, muss erst einmal lokal kenntlich sein.
Internationalisierungsstrategien haben das stets prekäre Gleichgewicht dieser auseinander
strebenden Tendenzen so effizient wie möglich auszubalancieren. Daraus entsteht eine neue
Selbstwahrnehmung, eine bewusst und zielstrebig zu entwickelnde institutionelle Identität der
jeweiligen Hochschule.
Schließlich die Kulturalisierung der akademischen Welt: Es ist evident, dass „Internationalisie-
rung” nicht nur die Mobilisierung von Wissensbeständen, sondern auch die Mobilität von Per-
sonen voraussetzt. Diese aber gehen in ihrer Funktion als WissenschaftlerInnen nicht auf. Sie
kommen als Fremde in eine Lebenswelt, die sie damit verfremden; sie verändern auch unsere
Selbstwahrnehmung in Alltagsprozessen, schärfen unseren Blick für unsere Eigenheiten und
verschaffen uns die Erfahrung, dass auch in unseren eigenen Universitäten Wissenschaften
102 Hochschulmarketing im Aufbruch
Forum B2
Internationalisierung
ist eine gesamtgesell-
schaftliche Aufgabe.
zugleich lebensweltliche Kulturen im Rahmen akademischer Fächer bilden. Das Problem der
kulturellen Diversität – mit dem populären Schlagwort „Multikulturalität” – ist also nicht nur
ein Gegenstand wissenschaftlichen Interesses an modernen internationalisierten Hochschulen,
sondern es ist eine Erfahrung ihres akademischen Alltags, die in jenes eben genannte prekäre
Gleichgewicht mit einbezogen werden muss.
Damit – so will ich diese weiteren Teilthesen bündeln – müssen Strategien der Internationali-
sierung also die Bestände des Wissens, die Identität der Hochschule und den akademischen
Alltag umfassen, wenn sie im vollen Wortsinn erfolgreich sein sollen. Und die Qualitätssiche-
rung dieses Prozesses sollte in all diesen Dimensionen angemessene Strategien entwickeln –
nicht zuletzt zur Integration einer solchen Vielfalt.
Dimensionen der Internationalisierung an der Technischen Universität Dresden
Ich will im Folgenden einzelne Dimensionen jenes komplexen Prozesses, der mit dem Stichwort
„Internationalisierung” anvisiert wird, benennen und dazu einige Beispiele aus der Praxis an
der Technischen Universität Dresden geben.
Die Technische Universität Dresden hat sich früh und intensiv um eine stärkere Internationa-
lisierung bemüht. Dies mag auch mit einer Schwellensituation zusammenhängen, dem Über-
gang von der führenden Technischen Universität der ehemaligen DDR mit einer entsprechen-
den Ausstrahlung in Länder Mittel- und Osteuropas sowie der Dritten Welt zu einer modernen
Universität im bundesrepublikanischen Wettbewerb mit der Aufgabe, neue Chancen interna-
tionaler Arbeit zu nutzen.
Obwohl der Anteil der ausländischen Studierenden im Verlauf der Zeit kontinuierlich gestiegen
ist, liegt die Quote nur bei etwas mehr als sieben Prozent an der ebenfalls ansteigenden
Gesamtzahl der Studenten. Wir haben uns das Ziel gesetzt, diesen Anteil auf zehn Prozent zu
erhöhen.
Die Zahl der Bewerbungen von Ausländern gibt uns dabei Anlass zur Hoffnung: So zählten wir
zum 1. August 2001 für das anschließende Wintersemester 3.377 Bewerber, die sich jedoch nicht
alle definitiv für den Studienort Dresden entschieden. Die Gründe für diese starke Fluktuation
verweisen zugleich auf die Optimierungsansätze. Sie liegen beispielsweise in einer besseren
fachlichen und sprachlichen Ausbildung, um die Bewerbung bei uns zu einer erfolgverheißen-
den Studienaufnahme zu führen.
Zunächst aber lassen Sie mich Ihnen noch die wichtigsten Herkunftsländer präsentieren, da sie
zum einen alte Traditionen erkennen lassen – Vietnam, Bulgarien, Mongolei, vielleicht auch
China –, zum anderen aber ebenso zeigen, dass der TU Dresden der Sprung nach Westeuropa
und in die USA gelungen ist. Ich will nicht versäumen, auf die ambivalente Rolle Chinas hinzu-
weisen, denn gerade auf diesem wachsenden Segment des globalen Bildungsmarktes werden
von uns gegenwärtig besondere Anstrengungen unternommen, auf die noch einzugehen ist.
Was ist aber nun im Einzelnen zu tun? Was wurde begonnen? Was ist noch erforderlich und
steht bevor?
103Qualität und Wettbewerb
Der Anteil der
ausländischen
Studierenden soll von
sieben auf zehn Prozent
gesteigert werden.
Globalisierung curricularer Strukturen
Ich will die verschiedenen Möglichkeiten, die in den letzten Jahren vielfach diskutiert und erör-
tert wurden, nicht noch einmal im Detail vorstellen. Wir alle wissen, dass ein konsekutiver
Studienaufbau mit BA- und MA-Abschlüssen das Angebot deutscher Universitäten kommuni-
kabler, transparenter und attraktiver in weiten Teilen der Welt macht. Wir wissen, dass Doppel-
diplome stabile internationale Partnerschaften begründen, und wir haben feststellen können,
dass auslandsorientierte Studiengänge sich durchweg mit Erfolg etablieren.
Ich will aber statt einer Liste der Erfolge die Probleme anführen,die sich an der Technischen Uni-
versität Dresden nach den Erfahrungen der letzten Jahre ergeben. Mit den Stichworten der cur-
ricularen Entwicklung sind bislang gleichsam nur Inseln der Internationalität benannt, die sich
allmählich in die komplex gegliederte Masse der national geprägten Tradition des Universitäts-
aufbaus hineinschieben. Dieser Prozess ist dabei bislang noch unter einer kritischen Marge
geblieben; die einzelnen Aktivitäten sind Solitäre, oft aus eigener Kraft geschaffen, oft genug
durch Förderprogramme gestützt. Zu einem – nicht allzu fernen – Zeitpunkt jedoch werden wir
klären müssen, in welchem kohärenten Zusammenhang diese Aktivitäten stehen und ob sie in
der Summe nicht eine Umwandlung der gesamten Ausbildungsstruktur an unserer Universität
erfordern. So prüfen wir gerade unter dem Aspekt der internationalen Akzeptanz und der Qua-
litätssicherung, ob die geeignete Plattform, auf der sich die neuen Studienabschlüsse und die
jeweiligen „Brücken” wie Doppeldiplome und auslandsorientierte Studiengänge koordinieren
lassen, nicht internationale Netzwerkbildungen sein müssten. In einer verstetigten, nachhalti-
gen Zusammenarbeit zwischen Universitäten vergleichbaren Ranges und kompatibler Zielset-
zungen sollte die Mobilität über Grenzen hinweg geregelt werden.
Internationalisierung der akademischen Praxis und Lebenswelt
Dabei gilt selbstverständlich, dass Internationalisierung keine Einbahnstraße sein darf, die von
draußen nach drinnen führt. Internationalisierung ist, über die Organisation der Curricula
hinaus, deshalb auch eine Frage der Inhalte und der Präsentations- und Ausbildungsformen vor
Ort, sie greift in die akademische Praxis in der Universität ein.Dazu gehört die Einheit von Mobi-
lität und Treue, die wir uns von unseren Studierenden wünschen: Sie sollen die TU Dresden zu –
gut geplanten – Auslandsaufenthalten verlassen, sollen zurückkehren, das akademische Leben
mit ihren Erfahrungen bereichern und nach dem Examen (oder Doppeldiplom) zu verlässlichen
und hilfreichen Alumni der TU Dresden werden. Dazu müssen wir das Auslandsteilstudium voll
kompatibel machen, und zwar durch ein Credit Point-System und durch ein individuelles
„Learning Agreement“ in jenen Netzwerken, die sich allmählich herausbilden. Wir stellen die
Transparenz der Ansprüche wie die der Leistungen durch ein allgemein gültiges „Diploma
Supplement“ her.
Die Gewinnung von Internationalität der berufsorientierenden Erfahrung wird durch Praktika
ermöglicht. Zu unserer Infrastruktur gehört deshalb das Leonardo-Part-Büro Sachsen, das
Praktika in großem Ausmaße vermittelt und dazu auch entsprechende Drittmittel einwirbt.
Eine Voraussetzung für derartige Aktivitäten der Studierenden sind stets die Kenntnisse von
Fremdsprachen und kultur- und landeskundlichen Zusammenhängen. Auch dazu unternimmt
die Technische Universität Dresden beträchtliche Anstrengungen. Sie hat ein „Mitteleuropazen-
trum für Staats-, Wirtschafts- und Kulturwissenschaften” eingerichtet, das forschungsintensiv
ist, zugleich aber auch große Pilotprojekte akademischer Lehre durchführt, beispielsweise die
Einrichtung eines „Zentrums für Deutschland- und Europastudien” an der Universität von Sofia.
104 Hochschulmarketing im Aufbruch
Forum B2
Einzelne
„Internationalisierungs-
Inseln” genügen nicht.
Die Universität verfügt über ein breit ausgebautes Fachsprachenzentrum, daneben über Zen-
tren für den ostasiatischen und den lateinamerikanischen Raum, und sie verlangt von jedem
Studierenden vier Semesterwochenstunden Pflichtfremdsprachenunterricht und gewährt bis
zu sechs Semesterwochenstunden zusätzlichen kostenlosen Fremdsprachenunterricht. Wir
können übrigens, auch wenn sich die Sprache der Wissenschaften vereinheitlicht, aus unseren
Erfahrungen mit den östlichen Nachbarländern die Bevorzugung einer Unterrichtssprache
Englisch nicht in jedem Fall teilen. Ich sage dies ausdrücklich mit der zusätzlichen Bemerkung,
dass sich hier kein Ressentiment gegen eine Lingua franca Englisch verbirgt, sondern dass es
mir nur um ein Plädoyer für eine fallädaquate Lösung geht.
Diese Details fügen sich zu einem Bild der Studierenden, in dem sich der scharfe Unterschied
von Ausländern und Inländern auflöst in ein Bündel von Differenzen, Begegnungen, Gruppie-
rungen. Im Blick auf jene, die zu uns kommen, erwähne ich hier nur das „Link Partner-
Programm”, das jeweils einen ausländischen mit einem einheimischen Studierenden verbindet,
der als persönlicher Ansprechpartner zugeordnet wird. Nach meiner Überzeugung dürfen wir
keine Mühe scheuen, um aus unserer Universität einen Ort des gemeinsamen Lebens in kultu-
reller Vielfalt zu machen – heute mehr denn je.
Wie uns Globalisierungsprozesse auch zunehmend in der Berufspraxis zum lebenslangen
Lernen zwingen, so wächst damit auch den Universitäten die größere Aufgabe zu, durch
Weiterbildungsprogramme internationales lebenslanges Lernen zu ermöglichen. In diesem
Bereich ist die Technische Universität Dresden durch zwei Institutionen – das „Europäische Insti-
tut für postgraduale Studien” (EIPOS) und die TUDIAS GmbH (Technische Universität Dresden
Institute of Advanced Studies) – tätig. Beide Institute arbeiten inzwischen eng zusammen und
bieten europäische Diplome in den entsprechenden Netzwerken an, parallel dazu in zuneh-
mendem Maße auch Masterprogramme, deren Qualitätsbewertung und Akkreditierung zu
einer ständig anwachsenden Aufgabe im Rahmen der universitären Strategie wird.
Profilbildung im internationalen Feld
Es geht keineswegs darum, dass jeder an jedem Ort versucht, alles zu tun. Vielmehr fordern
gerade die internationale Zusammenarbeit wie auch der internationale Wettbewerb ein Profil
des Besonderen. Für die Technische Universität Dresden liegt die Entscheidung für eine Mission
nahe – und zwar im Wortsinne. Rund fünfzig Kilometer trennen uns von den Grenzen zu Polen
und der Tschechischen Republik, die nächsten großen Nachbaruniversitäten sind kaum weiter
entfernt als etwa die Berliner Humboldt-Universität. Dazu kommt die Euregio Neisse, die eben-
falls eine dichte und noch ausbaufähige Wissenslandschaft darstellt.
Geographische Nähe genügt nicht als Basis einer wissenschaftlichen und akademischen Koope-
ration, aber sie erleichtert die Zusammenarbeit. Diese Nähe erlaubt eine gemeinsame Reflexion
über die kulturellen Prämissen von Wissenschaft, sie schafft und stabilisiert gemeinsame Stan-
dards, sie macht gemeinsame Erfahrungsräume kenntlich und definiert damit gleichsam Zonen
besonders hoher Anschließbarkeit in jenem internationalen Netzwerk. Bei dieser Gelegenheit
will ich, trotz der Erwartungen, die sich an eine Technische Universität richten mögen, darauf
hinweisen, wie sich gerade den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften große Chancen
öffnen, eine konsequente Internationalisierung voranzutreiben; die bisherigen Erfolge unseres
„Mitteleuropazentrums für Staats-, Wirtschafts- und Kulturwissenschaften”, einer zentralen
wissenschaftlichen Einrichtung, bestätigen mir dies.
105Qualität und Wettbewerb
Fremdsprachenunterricht
ist für jeden Studierenden
an der TU Dresden Pflicht.
Internationalisierung des Hochschulmarketings
Wer international präsent sein will, muss sich präsentieren: Hochschulmarketing heißt das
Gebot der Stunde im globalen Wettbewerb. Die Universitäten bilden dabei nicht nur Netze mit
anderen Universitäten, sondern sie schaffen sich auch durch die Gründung von „Offshore-
Dependencen“ ihr eigenes Netz und ihre spezifischen Rekrutierungsfelder. Die TU Dresden hat
soeben ein Dresden College an der Wuhan University of Science and Technology ins Leben geru-
fen. Dort sollen chinesische Studenten fachlich und kulturell auf ein Studium an der TU Dresden
vorbereitet werden. Hinzu kommt die Teilnahme an dem Konsortium für internationales Hoch-
schulmarketing GATE Germany.
Ausblick
Man muss einräumen, dass die Hochschulen in ihrer jetzigen Organisationsform mit der Reali-
sierung der genannten Maßnahmen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit und auch darüber
hinaus geführt werden. Die beste Form der Internationalisierung des deutschen Universitäts-
systems wäre seine angemessene Finanzierung. Darauf ist kaum zu hoffen. So ließe sich denn,
im beschränkten Handlungsfeld von mangelverwaltenden Universitäten, abschließend noch
einmal ein Gedanke aufgreifen, der sich schon angesichts der vielfältigen Innovationen im
Bereich der curricularen Entwicklung andeutete: eine spezifische, Kräfte bündelnde und Kosten
reduzierende Initiative zur organisatorischen Gestaltung von Integration. Definitives kann ich,
was die TU Dresden angeht, hierzu nicht sagen. Erwogen wird zurzeit die Gründung einer Agen-
tur „Internationales Universitätskolleg”, eventuell in Trägerschaft der eben erwähnten TUDIAS
GmbH, um alle Aktivitäten zu bündeln und koordiniert zu steuern, in direkter Zuordnung zum
Rektoratskollegium. Dies wäre ein Schritt zur administrativen Reform, der noch einmal zeigt,
dass Internationalisierung keine kleine Aufgabe für die deutschen Universitäten im Allgemei-
nen und für die Technische Universität Dresden im Besonderen ist.
Buchkremer, FH Aachen
Die Fachhochschule Aachen hat zurzeit circa 8.000 Studierende, in früheren Jahren waren es bis
zu 11.000. Acht Fachbereiche sind in Aachen, vier weitere in Jülich angesiedelt. An unserer
Fachhochschule sind bereits seit vielen Jahren Auslandsaufenthalte für Studierende integraler
Bestandteil der Studiengänge.
Im Zuge zunehmender Internationalisierung und durch Förderung im Rahmen des Programms
„Auslandsorientierte Studiengänge” durch den DAAD wurden mehrere konsekutive Studien-
gänge mit Bachelor- und Masterabschlüssen und englischsprachigen Unterrichtsanteilen ein-
geführt, die in zunehmendem Maß von ausländischen und deutschen Interessenten besucht
werden.
Im Rahmen einer Mitarbeit am BLK-Projekt zur Modularisierung von Studiengängen wurden
die Semester mit je drei Modulen versehen. Das konsekutive Studienmodell baut darauf genau-
so auf wie das traditionelle Diplom, das im Augenblick parallel bestehen bleibt. An Stelle eines
Praxissemesters für Diplom-Studierende verfassen die Bachelor-Studierenden im sechsten
Semester ihre Thesis.
106 Hochschulmarketing im Aufbruch
Forum B2
Die beste Form der
Internationalisierung
des Universitätssystems
wäre seine angemesse-
ne Finanzierung.
Nach den ersten Erfahrungen seit 1997 haben wir ein kostenpflichtiges „Freshman-Year” einge-
führt, das Interessenten ohne unmittelbare Zugangsberechtigung für den eigentlichen Einstieg
ins Fachstudium vorbereitet.
Die Auswahl und Betreuung der ausländischen Teilnehmer der Studiengänge erfolgt durch ein
eigens eingerichtetes Büro, das auch in erheblichem Umfang die Betreuung in praktischen Fra-
gen wie Unterbringung der Studierenden, Bereitstellung von Sprachkursangebot etc. leistet.Die
Eingangsprüfungen erfolgen zum Teil vor Ort, zum Beispiel in China.
Wir planen für die Zukunft, Vorbereitungskurse auch zum Teil im Ausland durchzuführen, Ver-
handlungen laufen zurzeit mit Einrichtungen im Libanon, den Arabischen Emiraten und China.
Die künftige Planung sieht vor:
- Vergabe von „Diploma Supplements“
- Akkreditierung/Evaluation zur Qualitätssicherung
- Alumni-Aktivitäten zur Kontaktpflege mit Ehemaligen
- Deutschland-interne Kooperation, zum Beispiel für Promotionen von Master-Absolventen
DiskussionFrage:Welche Internationalisierungsstrategie existiert an der Universität Köln?
Dr. Stefan Bildhauer, Leiter des Akademischen Auslandsamtes der Universität zuKöln: Wir hoffen, dass die erfolgreichen Aktivitäten des Fachbereichs Wirtschaftswissen-
schaften auf die anderen Fachbereiche ausstrahlen. Ich möchte unterstreichen, dass Inter-
nationalisierungsstrategien eine Qualitätssteigerung, nicht eine Ausweitung der Quantitäten
zum Ziel haben müssen.
107Qualität und Wettbewerb
Knudsen, EUA: Um eine Internationalisierungskultur an den Hochschulen entwickeln zu
können, müssen Netzwerke entstehen, die von allen Ebenen der Hochschulen belebt werden.
Frage:
Haben sich die Bachelor-Studiengänge durchgesetzt, ist die Akzeptanz inzwischen gewähr-
leistet?
Buchkremer, FH Aachen: Ich habe Verständnis für die Skepsis, sehe aber ebenso die inter-
nationale Notwendigkeit des zweistufigen Systems. Es ist wichtig, die gestuften Abschlüsse
rechtzeitig einzuführen, um international kompatibel zu sein. Wir tragen zurzeit in Aachen der
existierenden Skepsis durch die Beibehaltung der Diplom-Abschlüsse parallel zur Einführung
von zweistufigen Studiengängen Rechnung. Zwischen den Diplom- und Masterstudiengängen
gibt es keine Durchlässigkeit, denn die Studierenden haben im Vorfeld genügend Zeit, sich für
den einen oder den anderen Abschluss zu entscheiden.
Knudsen, EUA: Die Bologna-Erklärung fordert nicht eindeutig das zweistufige System,
sondern spricht vielmehr von Leistungspunktsystemen, die Transparenz schaffen und das Akku-
mulieren von Punkten über einen längeren Zeitraum oder in einzelnen Lebens-Abschnitten
ermöglichen sollen.
Werner Weber, RWTH Aachen: Ich sehe an deutschen Hochschulen eher die Notwendig-
keit der formalen Umstrukturierung des Systems hin zur Zweistufigkeit als den Bedarf nach
Qualitätssicherung. Die Qualität ist hervorragend.
Frage:
Wie werden in Deutschland künftig die Bedingungen für die Einnahme von Studiengebühren
geregelt? In Nordrhein-Westfalen werden beispielsweise keine Gebühren erhoben, wenn Stu-
dierende konsekutiv Bachelor und Master studieren. Im Falle eines Masterstudiums im
Anschluss an ein Diplom werden Gebühren erhoben. Reine Weiterbildungsangebote können
ebenfalls mit Studiengebühren belegt werden.
Knudsen, EUA: Die Bologna-Deklaration sagt nichts zum Thema Studiengebühren.
Dies ist natürlich ein wichtiger Punkt, den es für die Zukunft zu klären gilt.
108 Hochschulmarketing im Aufbruch
Forum B2
Ich habe Verständnis für
die Skepsis, sehe aber
die internationale
Notwendigkeit des
zweistufigen Systems.