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29. Jahrgang Heft 1 Frühjahr 2015 1 Inhalt Inhalt EDITORIAL 3 THEMENSCHWERPUNKT: TZI IN FÜHRUNG Nina Gbur, Das Führungskonzept TZI 7 Ineke van de Braak, Partizipierend Leiten – Zu Mitverantwortung anregen 16 Thomas Echtler, Die Balance ist entscheidend – TZI als Managementmodell in der Sozialwirtschaft 27 Claudia Langen, Social Leadership – Chef sein, aber anders. Ein Erfahrungsbericht aus der Lehre: TZI als Basis für ein Hochschulseminar zu zeitgemäßer Führung 37 Hubert Liebens, Wenn’s nicht so läuft, wie’s laufen soll … Schwierige Führungssituationen wertschätzend, transparent und verantwortungsbewusst gestalten 48 Interview mit Georg Engel, Wie entstand die Leitidee des RCI „The Art of Leading”? 59 Bernhard Pörksen & Friedemann Schulz von Thun, Das Kunststück guter Führung 65 THEORIE UND KONZEPTION Angelika Rubner & Eike Rubner, Das WIR lässt sich nicht programmieren … 71 P RAXIS Anja von Kanitz, Spielend jemand anders sein – Ermutigung zum Sprechen durch den Einsatz von Gruppenrollenspielen im Fremdsprachenunterricht 78 BUCHBESPRECHUNGEN Ulrich Hahn: Dagmar Kumbier, Das Innere Team in der Psychotherapie 90 Bernhard Lemaire: Michael Behnisch, Walter Lotz & Gudrun Maierhof, Soziale Gruppenarbeit mit Kindern und Jugendlichen. 91 Anja von Kanitz: Bernhard Pörksen & Friedemann Schulz von Thun, Kommunikation als Lebenskunst. 92 Arnulf Greimel: Ingeborg & Thomas Dietz, Selbst in Führung. Achtsam die Innenwelt meistern. 95 I MPRESSUM 96

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29. JahrgangHeft 1

Frühjahr 2015

1

Inhalt

InhaltEDITORIAL 3

THEMENSCHWERPUNKT: TZI IN FÜHRUNG

Nina Gbur, Das Führungskonzept TZI 7

Ineke van de Braak, Partizipierend Leiten – Zu Mitverantwortung anregen 16

Thomas Echtler, Die Balance ist entscheidend – TZI als Managementmodell in der Sozialwirtschaft 27

Claudia Langen, Social Leadership – Chef sein, aber anders. Ein Erfahrungsbericht aus der Lehre: TZI als Basis für ein Hochschulseminar zu zeitgemäßer Führung 37

Hubert Liebens, Wenn’s nicht so läuft, wie’s laufen soll … Schwierige Führungssituationen wertschätzend, transparent und verantwortungsbewusst gestalten 48

Interview mit Georg Engel, Wie entstand die Leitidee des RCI „The Art of Leading”? 59

Bernhard Pörksen & Friedemann Schulz von Thun, Das Kunststück guter Führung 65

THEORIE UND KONZEPTION

Angelika Rubner & Eike Rubner, Das WIR lässt sich nicht programmieren … 71

PRAXIS

Anja von Kanitz, Spielend jemand anders sein – Ermutigung zum Sprechen durch den Einsatz von Gruppenrollenspielen im Fremdsprachenunterricht 78

BUCHBESPRECHUNGEN

Ulrich Hahn: Dagmar Kumbier, Das Innere Team in der Psychotherapie 90

Bernhard Lemaire: Michael Behnisch, Walter Lotz & Gudrun Maierhof, Soziale Gruppenarbeit mit Kindern und Jugendlichen. 91

Anja von Kanitz: Bernhard Pörksen & Friedemann Schulz von Thun, Kommunikation als Lebenskunst. 92

Arnulf Greimel: Ingeborg & Thomas Dietz, Selbst in Führung. Achtsam die Innenwelt meistern. 95

IMPRESSUM 96

Themenzentrierte Interaktion

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Table of Contents

EDITORIAL 3

THEMATIC FOCUS: TCI IN LEADERSHIP

Nina Gbur, TCI as a Leadership Concept 7

Ineke van de Braak, Participative Leadership – Encouraging Co-Responsibility 16

Thomas Echtler, Balance is Crucial – TCI as a Management Model in Social Economy 27

Claudia Langen, Social Leadership – being a different kind of boss. A practical report from an instructor: TCI as the basis for a university seminar on contemporary leadership 37

Hubert Liebens, When things don’t go the way they should … How to be appreciative, transparent and responsible in difficult leadership situations 48

An interview with Georg Engel, How did RCI stake its claim to “The Art of Leading“? 59

Bernhard Pörksen & Friedemann Schulz von Thun, Good Leadership is No Mean Feat 65

THEORY AND CONCEPTS

Angelika Rubner & Eike Rubner, The WE cannot be programmed … 71

PRACTICE

Anja von Kanitz, Playing someone else – encouraging foreign lan- guage learners to speak by using group role play in the classroom 78

BOOK REVIEWS

Ulrich Hahn: Dagmar Kumbier, The Inner Team in Psychotherapy 90

Bernhard Lemaire: Michael Behnisch, Walter Lotz & Gudrun Maier- hof, Social Group Work with Children and Adolescents. 91

Anja von Kanitz: Bernhard Pörksen & Friedemann Schulz von Thun, Communication as an Art of Living. 92

Arnulf Greimel: Ingeborg & Thomas Dietz, Leading Ourselves. Mindfully Mastering our Inner World. 95

IMPRINT 96

Table of Contents

29. JahrgangHeft 1

Frühjahr 2015

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Editorial

Editorial

„The art of leading” wurde 2010 als Motto zur prägnanteren Außendarstellung der TZI entwickelt und innerhalb der TZI-Praktizierenden kritisch diskutiert. Als Redaktion dieser Zeitschrift hat uns die Entstehungsgeschichte interessiert. Walter Zitterbarth interviewte Georg Engel, der die Kommunikation und das Mar-keting für das Ruth-Cohn-Institut weiter entwickelte. Dieses Interview ist Teil unseres Schwerpunkts „TZI in Führung“. Ein Motiv, die Ausbildung in TZI zu beginnen, ist bei vielen Teilneh-menden zweifelsohne, die Kunst des Leitens zu entwickeln oder zu verbessern. Mit diesem Themenschwerpunkt widmen wir uns diesem Aspekt der TZI mit seinen Wirkungen und Folgen für die Theorie und Praxis der Führungsarbeit in Organisationen und Unternehmen. Nina Gbur hatte im letzten Heft „Mehr Haltung?!“ bereits beschrieben, wie Führungskräfte konkret die TZI in ihrem Berufsalltag integrieren. In ihrem theoretischen Artikel geht sie vertiefend der Frage nach, ob und auf welche Weise die TZI als Führungs- und Personalführungskonzept verstanden und genutzt werden kann. Verschiedene Perspektiven auf die Praxis bieten un-sere anderen Autor/innen. Ineke van de Braak definiert aus der Sicht einer Organisationspsychologin und -beraterin das TZI-spezifische Konzept des Partizipierenden Leitens für die Führungsarbeit. Sie beschreibt Verhalten und Haltung, die eine teilnehmende Leitung im Alltag eines Betriebs „verrät“ und benennt Beispiele aus den Berichten ihrer Kunden. Als Geschäftsführer des Caritasverbandes Eichstätt unterscheidet Thomas Echtler in seinem Artikel zwischen den Begriffen Führen, Leiten und Managen und zeigt auf, dass die TZI als Basiskonzept für Personalführung und strategisches Management einer großen sozialen Einrichtung dienen kann. Er schöpft bei seinen Schilderungen aus einer Fülle von persönlichen Erfahrungen und Erlebnissen seiner Leitungstätigkeit. Claudia Langen bereitet als Hochschuldozentin junge Studierende auf eine mögliche Führungsaufgabe vor und führt diese in die Grundlagen von Führung ein. Ihre Vorbereitung, Methoden, Inhalt und Verlauf des Seminars teilt sie mit uns in ihrem Artikel. In die Niederungen von Personalführung begibt sich der Organisations- und Perso-

Zur AutorinJudith Burkhard, Coaching, Personal-, Team- und Organi-sationsentwicklung, Lehrbeauf-tragte für TZI. www.burkhard-beratung.de

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Editorial

nalentwickler Hubert Liebens in seinem Beitrag „Wenn’s nicht so läuft, wie’s laufen soll …“. Er fokussiert dabei auf eine gefürchtete Situation im Alltag einer Führungskraft: Ein/-e Mitarbeiter/in erledigt die ihm/ihr gestellten Aufgaben nicht. Liebens beschreibt, wie dieser Konflikt sich zuspitzen kann und welche Optionen eine Führungskraft hat, um adäquat und wirksam handeln zu können. Schließlich bietet uns Friedemann Schulz von Thun in einem Aus-zug aus seinem neuen Buch im Format eines Interviews mit dem Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen ein Ideal an: die integrale Führungskraft. Diese vereint alle personalen und sozialen Kom-petenzen, mit deren Hilfe eine Führungskraft die Anforderungen an diese Funktion erfüllen können.

In ihrer Replik auf Mina Schneider Landolfs Artikel „Das WIR ist wichtig – welches Wir?” aus Heft 1/2014 nehmen Angelika und Eike Rubner Stellung zur Annahme, dass sie mit ihrem Phasen-modell eine Regelhaftigkeit postulieren würden. Ihre Differen-zierung macht deutlich, dass keine Gruppe und dessen WIR sich programmieren lassen und die Gruppenphasen und deren Abfolge sich entsprechend unterschiedlich entwickeln. Einen erfrischenden Bericht aus der Praxis liefert Anja von Kanitz mit ihrem Beitrag über die Anwendung des Gruppenrollenspiels im Fremdsprachen-unterricht. Als Dozentin vermittelt sie thailändischen LehrerInnen damit eine Alternative zum traditionellen Auswendiglernen und Nachsprechen. Grundlegende Prinzipien des lebendigen Lernens der TZI werden hier erlebbar.

Vier Buchbesprechungen regen abschließend unsere LeserInnen an, sich mit Konzepten der Selbstleitung, Beratung, Therapie, Pä-dagogik und Kommunikation, die der TZI nahe stehen, vertiefter zu befassen.

Judith Burkhard

Themenschwerpunkt Heft 1/2016 WerteTZI ist eine wertgebundene Methode. Dies wird immer wieder betont. Sind dies andere Methoden in Bildung und Pädagogik nicht? Was sind eigentlich Werte? Und was sind TZI-Werte? Wie zeigen sie sich in unserer Praxis? Wo geraten wir mit diesen Werten in Konflikt z.B. in den Institutionen, in denen wir arbeiten oder den Menschen, mit denen wir zu tun haben? Redaktionsschluss: 01.09.2015

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Editorial

Editorial

In 2010, “the art of leading” was introduced as a concise and pi-thy motto designed to enhance the public image of TCI, which was critically discussed at the time among those practicing TCI. As members of the editing committee, we were interested in the history of the creation of this motto. Walter Zitterbarth in-terviewed Georg Engel, who was in charge of further developing communication and marketing for the Ruth-Cohn-Institute. The interview is part of our thematic focus on “TCI in Leadership”. Doubtless many course participants feel motivated to train in TCI in order to develop or improve their leadership skills. This is why our thematic focus is dedicated to this aspect of TCI, including its effects and repercussions on the theory and practice of leadership work in organizations and businesses. In our last issue, Nina Gbur elaborated on the topic of “More Attitude?!” and how business executives can specifically apply and integrate TCI on the job. In her theoretical article, she explores the question of how and in which way TCI can be understood and used as a personnel and leadership concept. Our other authors provide diverse perspectives from the area of practice. Ineke van de Braak, from her point of view as an organizational psychologist and counselor, defines the con-cept of participative leadership which is specific to TCI, for those who work as leaders. She describes behaviors and attitudes which point to or ‘reveal’ participative leadership in the daily operations of a business, citing examples from reports from her customers. As managing director of the Caritas Association of Eichstätt, Thomas Echtler distinguishes between the concepts of leading and managing in his article, and shows us that TCI can serve as a fundamental concept for personnel leadership and strategic management within a large social institution. A plethora of personal experience and adventures gleaned from his own leadership activities are the back-ground for his contribution. Claudia Langen is a university lecturer whose job it is to prepare young students for potential leadership challenges and to introduce them to the basics of leadership. In her article, she shares with us how she prepares, which methods and content she chooses and how her seminars unfold. The details

About the AuthorJudith Burkhard, Coaching, Per-sonal-, Team- and Organiza-tional Development, Accredited Teacher of TCI. www.burkhard-beratung.de

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Editorial

of personnel leadership are discussed by the organization and personnel developer Hubert Liebens in his article “When things don’t go as they should …”. In so doing, he focuses on a situation feared by many an executive: an employee not doing the work assigned to him/her. Liebens describes how this type of conflict can be exacerbated and which options an executive has in order to take appropriate and effective action. Finally, in an excerpt from his new book in the form of an interview with the media scientist Bernhard Pörksen, Friedemann Schulz von Thun offers us an ideal: the integral executive, bringing together all requisite personal and social skills allowing executives to fulfill the demands of their job.

In their rebuttal to Mina Schneider Landolf ’s article “The WE is important – which WE?”, published in issue 1/2014, Angelika and Eike Rubner state their opinion on the assumption that with their phase model they are allegedly postulating regularity. Their distinc-tion clearly shows that groups and their WE can be programmed, as a result of which group phases and their sequences will evolve differently. Anja von Kanitz provides a refreshing and practical re-port with her contribution on the application of group role play in foreign language instruction, as a university lecturer conveying an alternative to conventional rote-learning and repetition to teachers from Thailand. Here is an opportunity to experience the basic principles of living learning according to TCI.

Finally, four book reviews are meant to encourage our readers to engage in an in-depth reflection on concepts of self-leadership, consultation, therapy, education and communication – all of which are disciplines close to TCI.

Judith Burkhard

Thematic Focus for issue 1/2016 ValuesTCI is a method which depends on values. This has been em-phasized time and again. Is this not true of other methods in the areas of education and pedagogy? What are values? What are TCI- values? How do they show in our practical work? Where and when do we enter into conflict with these values, e.g. in the institutions we work for or the persons with deal with? Deadline for submitting contributions: 01.09.2015

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Nina Gbur, Das Führungskonzept TZI

Nina Gbur

Das Führungskonzept TZI

Viele Führungskräfte schätzen die TZI. Sie hilft im Alltag und in schwierigen Situationen, das eigene Handeln zu reflektieren und stellt mit Axiomen, Postulaten und ihren weiteren Elementen eine Strukturierungshilfe zur Verfügung.

In diesem Artikel geht die Autorin der Frage nach, was ein Füh-rungskonzept ist und ob man die TZI als solches bezeichnen kann.

There is no doubt that many managers do appreciate TCI. In routine work situations, as well as in more challenging ones, it is a method that helps them to reflect on their actions and, with axioms, postulates and their further elements, assists them to structure their analysis of complex situations.

In this article the author will attempt to discuss what exactly a management concept is and whether or not TCI can be consi-dered to be one.

Die Themenzentrierte Interaktion ist ein „konstruktivistisch-systemisches Konzept der ganzheitlichen Kompetenzentwicklung und effektiven Teamarbeit“ (Faßhauer 2009, 84). Trotzdem vermisst man sie häufig in der Literatur zum Thema Personalführung. Ab und an wird sie als eine Methode unter anderen aufgezählt, in der Regel allerdings nur fragmentarisch dargestellt und selten aus-führlicher beschrieben (vgl. z.B. Fischer, 2004, 192; Keese, 1996b, 7). Umgekehrt bezieht sich auch wenig TZI-Literatur auf den Komplex der Personalführung (vgl. Hannen, 2001, 17).

Führung

Führung ist ein äußerst vielschichtiges Phänomen, das sehr unter-schiedlich definiert wird und dessen Erfolg zudem kaum gemessen werden kann. „In der Führungslehre hat sich die Unterscheidung zwischen interaktioneller und struktureller Führung durchgesetzt“ (Gölzner, 2006, 310). Interaktionelle Führung beschreibt die un-mittelbare Einflussnahme durch individuelle Kommunikation.

Zur Autoringeb. 1979, Dipl. Soz. Päd. (FH), Personalentwicklung (MA), Ge-schäftsführerin des Netzwerks für Demokratie und Courage Sachsen, TZI-Zertifikat. [email protected]

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Themenzentrierte Interaktion

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Themenschwerpunkt: TZI in Führung

Strukturelle Führung bezieht sich auf die Festlegung von struk-turgebenden Regeln, Abläufen und Grundsätzen, die unabhängig von gezielter, personeller Interaktion das Handeln der Organisa-tionsmitglieder beeinflusst (vgl. Gölzner, 2006, 310f.).

Führung ist demnach der absichtsvolle und legitime Versuch, die Bedingungen so zu beeinflussen, dass sie für geführte Personen zur Grundlage ihres Entscheidens und Handelns werden, um das von der Führungskraft erwünschte Verhalten hervorzurufen. Das Führungshandeln interveniert also in Differenz zu ohnehin vielfältig wirkenden Einflussfaktoren (Neuberger, 2002, 47). Man kann Führung auch kürzer als „zielbezogene Einflussnahme“ (Rosenstiel nach Neuberger, 2009, 3) oder einen zielgerichteten, sozialen Einflussprozess bezeichnen (Gölzner, 2006, 3). Führung ist also jeder Versuch oder jedes Ergebnis einer Verhaltensbeeinflussung und damit auch prinzipiell unabhängig von sozialen Hierarchien.

Ob Führungshandeln erfolgreich war, kann schwer bis gar nicht wissenschaftlich gemessen werden (Gölzner, 2006, 16). Dies liegt insbesondere daran, dass die Führungsforschung keine eindeutigen Erfolgskriterien für Führungshandeln definieren kann (vgl. u.a. Rosenstiel et al. 2005; Gölzner, 2006; Drumm, 1996, 8f.). Der Erfolg von Führung wird in der Praxis demnach eher „politisch“ entschieden (Rosenstiel et al., 2005, 365). In der Diskussion um Führung ist also immer mit der Schwierigkeit umzugehen, dass sie „ein Prozess der Ursachenzuschreibung an individuelle Akteure“ ist und somit „ein soziales Phänomen, das nicht endgültig und voll-ständig geklärt und erklärt werden kann“ (Steinkellner, 2007, 28).

Dieser Artikel fokussiert die interaktionelle Führung, also jenes Führungshandeln, das sich auf die interpersonelle Einflussnahme beschränkt. Folglich jedes Handeln oder Nicht-Handeln einer Führungskraft, das Einfluss zu nehmen sucht oder Einfluss nimmt.

Merkmale eines Führungskonzeptes

Der Begriff Konzept stammt aus dem Lateinischen (conceptus) und bedeutet „das Zusammenfassen“. Es beschreibt u.a. einen klar umrissenen Plan, ein Programm für ein Vorhaben (vgl. Meyers, 1999, 144).

In der Praxis wird ein Konzept als eine Sammlung von Leitge-danken verstanden, die Eckpunkte eines Projekts beinhaltet. Ent-sprechend finden sich in der Praxis vielfältigste und unterschied-lichste Konzepte: Pädagogische Einrichtungen haben Konzepte, die Prinzipien ihrer Arbeit beschreiben, Werbekonzepte beschreiben einen umfassenden Vorgehensplan und politische Konzepte be-schreiben Vorgehens- oder Maßnahmenpläne politischen Handelns.

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Nina Gbur, Das Führungskonzept TZI

Ein Konzept im Sinne der Psychologie und der Naturwissenschaft ist einerseits ein „Werkzeug begrifflicher Klarheit“ und andererseits „eine Art Handlungsentwurf“. Entsprechend spielen Konzepte in der praxisbezogenen Literatur als „symbolisch repräsentative Zusammenhänge“ eine besondere Rolle (vgl. Kron, 1999, 78).

Bei der Zusammenführung der Begriffe Führung und Konzept ergibt sich die paradoxe Situation, dass ein nicht vollständig erklär-bares, soziales Phänomen begrifflich klar und eindeutig dargestellt werden soll, sowie mit einem Handlungsentwurf verknüpft werden muss. Es verwundert daher auch nicht, dass in der Management-literatur keine einheitliche Definition von Führungskonzept zu finden ist.

In der Pädagogik wird ein Konzept als eine „langfristige, über-greifende, gedankliche Zusammenfassung“ mit entsprechender praxisnaher Handlungsorientierung beschrieben (Reiser, 2009, 209f.). Bezogen auf Führung und verbunden mit dem Verständnis von Konzept als „Werkzeug begrifflicher Klarheit“ und anderer-seits „eine Art Handlungsentwurf“ (Kron, 1999, 78) wird deut-lich, dass ein Führungskonzept sowohl ein klares Verständnis von Führung als auch eine klare, umfassende Handlungsorientierung aufweisen muss.

Ein Führungskonzept muss also± ein klares Bild erzeugen, was Führungshandeln darstellt,± langfristige und übergreifende Leitgedanken für das Füh-

rungshandeln sowie± allgemeine handlungsleitendende Bezüge zur Praxis herstel-

len, die Lösungsvorschläge für praktische Probleme alltägli-chen Führungshandelns aufzeigen, die aber nicht lediglich für Einzelprobleme nutzbar sind.

Bei der Untersuchung der Frage, ob die TZI als Konzept der Personalführung tauglich sein kann, spielt also die Verknüpfung von TZI-Theorie und Personalführungs-praxis eine entscheidende Rolle. Danach kann die TZI als Führungskonzept verstanden werden, wenn sie ein klares Bild vermittelt, was Führungshandeln darstellt und lang-fristige und übergreifende Leitgedanken für das Führungs-handeln bereitstellt. Die Frage nach dem Führungserfolg wird mangels objektiver Erfolgskriterien auch hier nicht zu beantworten sein. Eine Annäherung kann lediglich aus rein subjektiver Perspektive der Führungskräfte erfolgen.

Die TZI kann als Führungskonzept

verstanden werden, wenn sie ein klares Bild vermittelt, was Führungshandeln

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Themenzentrierte Interaktion

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Themenschwerpunkt: TZI in Führung

Die TZI und die Wirtschaft

Der wohl erste Kontakt von Wirtschaft und TZI kam zustande, als Ruth Cohn Anfang der 1960er Jahre von einem Psychoanalytiker eines großen US-amerikanischen Konzerns gebeten wurde, das obere Management psychologisch zu beraten. Die Themen, die sie dort bearbeitete, waren u.a. Verbesserung der Kommunikation (über Hierarchiegrenzen hinweg) sowie Ängste und Konflikte (vgl. Cohn/Farau, 2008, 336ff.).

Trotz dieser frühen Kontakte von TZI und Wirtschaft war lange umstritten, in welchem Maß TZI für profitorientierte Unter-nehmen relevant sein kann (vgl. Emme/Spielmann, 2009, 131). Zurückzuführen ist dies wohl darauf, dass es schlussendlich eine Frage der Deutung ist, ob die axiomatischen Grundlagen der TZI „als Prozess des stetigen Ringens um die humane Gestaltung der Gesellschaft im jeweiligen Umfeld der Einzelnen“ (von Kanitz, 2009, 79) mit den Zielen einer nach Profitmaximierung strebenden Unternehmenswelt vereinbar sind. Es bleibt – und das ist wohl auch im dialektischen Sinne der TZI – eine diskursiv und situativ zu lösende ethische Frage, ob der Anspruch der Humanisierung erfüllt werden kann oder ob er den Interessen eines Wirtschafts-betriebs unvereinbar entgegensteht.

Seit Mitte der 1980er Jahre werden wirtschaftliche Fragen in die Wertediskussion der TZI einbezogen (vgl. Emme, Spielmann, 2009, 131). Auch in der „Wirtschaft“ gestalten Menschen die Strukturen, Interaktion und Prozesse, auch wenn die Bedingungen, Belastun-gen, Arbeits- und Lebensgeschichten vermeintlich andere sind als in nicht profitorientierten Systemen. Folgt man der Argumentation von Keese, dass volkswirtschaftliche Strukturen und internatio-naler Wettbewerb mit ihrem konkurrenzwirtschaftlichen Den-ken weitgehend fixe Rahmenbedingungen darstellen (vgl. Keese 1996a, 42f.), dann kann TZI dennoch innerhalb dieses GLOBEs ihren Platz dort finden, wo „Transparenz und Verständlichkeit, Kommunikation und Interaktion, Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit notwendig sind“ (ebd., 52f.). Ungeachtet dessen ist es wohl nicht erstaunlich, dass die TZI sich nicht auf die Wirtschaft als Betätigungsfeld gestürzt hat, gibt es doch zahlreiche andere Berufsfelder, deren vordergründige Lebensförderlichkeit offen-sichtlicher und unstrittiger ist.

TZI und Personalführung

Verschiedene Autoren schreiben der TZI für Führungstätigkeiten ein erhebliches Potenzial zu. Dabei beziehen sich die Autoren insbesondere auf das Vier-Faktoren-Modell, die TZI-Haltung

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Nina Gbur, Das Führungskonzept TZI

sowie die Wertegrundlage der TZI, die Axiome und die Postulate.Die heutige Situation von Führungskräften ist durch zuneh-

mende Konkurrenz, immer schnellere Veränderungen außerhalb der Organisation, knappe finanzielle Ressourcen sowie unter-schiedliche und anspruchsvollere Mitarbeitende gekennzeichnet. Die systemische Einsicht, dass alles mit allem zusammenhängt, stellt Führungskräfte vor die Aufgabe, komplexe Zusammenhänge so gut wie möglich zu durchschauen, um einzuschätzen, wohin die Aufmerksamkeit gerichtet werden muss. Bei diesen Anforderungen drohen Führungskräfte zunehmend zwischen den Erwartungen ihrer Vorgesetzten, den eigenen Bedürfnissen und denen ihrer Mitarbeitenden zerrieben zu werden. Die TZI bietet in dieser schnelllebigen, komplexen Realität mit dem Vier-Faktoren-Modell ein ganzheitliches Betrachtungs- und Analyseinstrument, das es ermöglicht, sowohl Sachanlie-gen wie Arbeitsaufgabe und Ergebnisse, die individuellen Mitarbeitenden, deren Kooperation, als auch den Kontext und das Umfeld der Gesamtorganisation zu berücksichtigen (vgl. van de Braak, 2009, 317f.).

Das Vier-Faktoren-Modell mit seinen dynamischen Be-ziehungen ist zudem hilfreich dabei, die Qualität der Inter-aktion in zunehmend flacheren Hierarchien und gesteiger-ten Abstimmungs- und Koordinierungsbedarfen zu verbessern. Die situative, individuelle, reflektierte Beachtung der vier Faktoren im Arbeitsalltag ermöglichen es, mit den eigenen Wünschen, Hoff-nungen und Enttäuschungen in Kontakt zu bleiben, darüber aber den Blick für die Anderen, die Sache und das Umfeld nicht aus den Augen zu verlieren, sowie Widerspruch und Widerstand ernst zu nehmen und zu beachten (vgl. Keese, 1996a, 70f.).

Verschiedene Autoren betonen die Relevanz der TZI-Haltung, die eine kommunikations- und kooperationsförderliche Wirkung habe (Keese, 1996b, 70). Als individuell entwickelte Identität legt die TZI-Haltung bestimmte Sichtweisen nahe: „Orientierung an Wertfragen, Respekt vor den subjektiven Sinnbezügen anderer Menschen, Bemühen um Authentizität, Vertrauen in die Ein-sichts- und Entwicklungsfähigkeit anderer Menschen, Vertreten der eigenen Autonomie, Übernahme von Verantwortung innerhalb der eigenen Möglichkeiten“ (Reiser in Reiser/Lotz, 1995, 232). Die TZI ist damit ideal für kooperative Personalführung, die ein grundlegendes Umdenken weg von direktiven und patriarchalen Verhaltensweisen erfordert.

Der normative Aspekt der TZI ist zentral für das Konzept. Die Axiome helfen, wertegebundene und nachhaltige Entscheidungen zu treffen und Entwicklungsprozessen Raum zu geben (vgl. van de Braak, 2009, 317f.). Verantwortungsethische Normen1 sind keine Frucht wissenschaftlicher Untersuchungen und sollten explizit als

Die TZI bietet in die-ser schnelllebigen, komplexen Reali-tät mit dem Vier-Faktoren-Modell

ein ganzheitliches Betrachtungs- und Analyseinstrument

1 „Verantwortungsethische Normen geben Empfeh-lungen zu gutem und rich-tigem Handeln. Sie sind für Unternehmungen und deren Mitarbeiter dann relevant, wenn deren Manager be-stimmte verantwortungs-ethische Normen für sich selbst akzeptieren“ (Drumm 1996, 11).

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Themenzentrierte Interaktion

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Themenschwerpunkt: TZI in Führung

normative Empfehlungen durch die Nennung ihrer Wertebasis gekennzeichnet werden (vgl. Drumm, 1996, 12). Dies ist bei einem Führungskonzept insbesondere legitim, da davon auszugehen ist, dass eine große Zahl von Führungsentscheidungen schlussendlich Gewissensentscheidungen sind. Diese sind durch entsprechende verantwortungsethische Normen geprägt, auch wenn dies dem Selbstverständnis vieler personalwirtschaftlicher Wissenschaftler in Deutschland widerspricht.2

Die Postulate der TZI haben handlungsleitende Funktion. Das Chairperson-Postulat fordert dazu auf, bei all den unterschiedli-chen Anforderungen mit den eigenen Emotionen und Gedanken in Kontakt zu bleiben, Handlungsspielräume zu entdecken und be-wusste Handlungsentscheidungen zu treffen. Das Störungspostulat fordert zum aktiven Umgang mit Verstörtheiten, Hindernissen und Unstimmigkeiten auf und fördert so eine offene Kommunikation, die für lernende Organisationen essenziell ist. Mit dem Prinzip der partizipierenden, selektiv authentischen Leitung ist der Anspruch an Echtheit, Integrität und Verlässlichkeit verbunden. Im Leiten mit TZI-Thema besteht die Chance, vielfältige Perspektiven in den Austausch zu bringen und Abstand zu nehmen von direktiven

2 Drumm führt diese Ableh-nung auf die Tatsache zu-rück, dass die meisten von ihnen Betriebswirte seien, die in Anlehnung an Max Weber der Überzeugung sind, dass die Betriebswirtschaftslehre wertfrei zu sein habe (vgl. 1996, 11f.).

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Tabelle1

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