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Einführung in übersinnliche Welterkenntnis und Menschenbestimmung - Gliederung des Menschen nach Leib, Seele und Geist - Das Wesen des Menschen; Wiederverkörperung des Geistes und Schicksal; Die drei Welten; Der Pfad der Erkenntnis

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  • Dieses ebook ist nur zumnichtkommerziellen Gebrauch bestimmt!

  • Rudolf Steiner GA 09 Theosophie (deutsch)

    Rudolf Steiner

    THEOSOPHIEEinfhrung in bersinnliche Welterkenntnis

    und Menschenbestimmung

    GA 09

    ZUR NEU-AUSGABE DIESER SCHRIFT

    (1) Vor dem Erscheinen der neunten Auflage dieser Schrift im Jahre 1918 habe ich sie einersorgfltigen Durcharbeitung unterzogen. Seither ist die Anzahl der Gegenschriften gegen diein ihr dargestellte anthroposophische Weltanschauung um ein bedeutendes gewachsen. 1918hat die Durcharbeitung zu einer groen Zahl von Erweiterungen und Ergnzungen gefhrt.Die Durcharbeitung zu dieser Neu-Ausgabe hat zu einem gleichen nicht gefhrt.

    (2) Wer beachten will, wie ich an den verschiedensten Stellen meiner Schriften mir diemglichen Einwnde selber gemacht habe, uni deren Gewicht zu bestimmen und sie zuentkrften, der kann im wesentlichen wissen, was ich zu den Gegenschriften zu sagen habe.Innere Grnde, den Inhalt in gleicher Art zu ergnzen, wie 1918, gab es aber diesmal nicht,trotzdem sich in meiner Seele die anthroposophische Weltanschauung seither gerade in denletzten vier Jahren nach vielen Seiten erweitert hat und ich sie auch vertiefen durfte. DieseErweiterung und Vertiefung hat mich aber nicht zu einer Erschtterung des in dieser SchriftNiedergeschriebenen gefhrt, sondern zu der Ansicht, da das seither Gefundenegerechtfertigt erscheinen lt, an dem Inhalt dieser grundlegenden Darstellung nichtsWesentliches zu ndern.

    Rudolf Steiner Stuttgart, 24. November 1922

    VORREDE ZUR NEUNTEN AUFLAGE

    (1) Wie vor dem Erscheinen frherer Neuauflagen dieses Buches habe ich auch diesmalseine Ausfhrungen wieder durchgearbeitet. Und diese Durcharbeitung hat fr dievorliegende Neu-Ausgabe zu einer ziemlich groen Zahl von Erweiterungen und Er-gnzungen des Inhaltes gefhrt. Man wird besonders das Kapitel Wiederverkrperung desGeistes und Schicksal fast ganz umgearbeitet finden. An allem, was alsgeisteswissenschaftliche Ergebnisse in vorigen Auflagen geltend gemacht worden ist, habeich nichts zu ndern ntig befunden. Daher ist nichts Wesentliches weggelassen, was frher indem Buche gestanden hat. Dagegen ist vieles hinzugefgt. Auf dem geisteswissenschaft-lichen Gebiete fhlt man gegenber einer Darstellung, die man gegeben hat, stets dasBedrfnis, das einmal Gesagte durch gewisse Lichter, die man von verschiedenen Seiten herauf dasselbe werfen mchte, zu einer greren Klarheit zu bringen. Wie man da sich gentigtsieht, fr die Prgung des Wortes, fr die Ausgestaltung des Ausdruckes zu verwerten, wasdie fortlaufende Seelenerfahrung gewhrt, darber habe ich mich schon in der Vorrede zur

  • Rudolf Steiner GA 09 Theosophie (deutsch)

    sechsten Auflage ausgesprochen. Ich bin dieser Ntigung besonders bei dieser Neu-Ausgabegefolgt. Deshalb darf gerade sie als vielfach erweiterte und ergnzte bezeichnet werden.

    Berlin, Juli 1918 Rudolf Steiner

    VORREDE ZUR SECHSTEN AUFLAGE

    (1) Fast jedesmal, wenn eine neue Auflage dieses Buches ntig wurde, habe ich seineAusfhrungen wieder aufmerksam durchgearbeitet. Auch dieses Mal habe ich mich derAufgabe unterzogen. ber die erneute Durcharbeitung htte ich hnliches zu sagen wie berdiejenige fr die dritte Auflage. Ich lasse daher dem Inhalt des Buches die Vorrede zurdritten Auflage vorangehen. Doch habe ich diesmal eine besondere Sorgfalt daraufverwendet, viele Einzelheiten der Darstellung zu einer noch greren Klarheit zu bringen, alsich dies fr die vorigen Auflagen zu tun vermochte. Ich wei, da vieles, sehr vieles in dieserRichtung noch geschehen mte. Allein bei Darstellungen der geistigen Welt ist man fr dasAuffinden des prgnanten Wortes, der entsprechenden Wendung, die eine Tatsache, einErlebnis zum Ausdruck bringen sollen, von den Wegen abhngig, welche die Seele geht. Aufdiesen Wegen ergibt sich, wenn die rechte Stunde da ist, der Ausdruck, nach dem manvergeblich sucht, wenn man ihn mit Absicht herbeifhren will. (8) Ich glaube, da ich anmanchen Stellen dieser Neuauflage eben in Beziehung auf wichtige Einzelheiten im Erkennender geistigen Welt habe Wichtiges tun drfen. Manches erscheint mir erst jetzt so dargestellt,wie es sein soll. Ich darf es aussprechen, da dieses Buch etwas mitgemacht hat von dem, wasmeine Seele seit dessen erstem Erscheinen vor zehn Jahren, nach weiterer Erkenntnis dergeistigen Welt ringend, durchlebt hat. Mag auch die Anlage, ja fr alles Wesentliche selbstdie Fassung dieser Auflage mit der ersten noch vllig bereinstimmen; an vielen Stellen desBuches wird man doch sehen knnen, da es mir als ein Lebendiges, gegenbergestanden hat,dem ich gegeben habe von dem, was ich glaube mir in zehn Jahren der Geistesforschungerrungen zu haben. Sollte das Buch eine Neuauflage des alten sein und nicht ein vllig neueswerden, so konnte sich die Umgestaltung naturgem nur in bescheidenen Grenzen halten.Ich war namentlich auch bestrebt, durch einzelne Erweiterungen und Ergnzungen dafr zusorgen, da diese oder jene Frage, welche sich der Leser an mancher Stelle aufwerfen kann,ihre Antwort in dem Buche selbst finde.(2) In bewegter Zeit und mit bewegter Seele schreibe ich diese Stze, welche der sechstenAuflage des Buches vorgedrucht werden sollen. Deren Druck war bis Seite 189 vollendet, alsdas schicksaltragende Ereignis ber Europa hereinbrach, das jetzt die Menschheit erlebt. Mirscheint es unmglich, da ich diese Vorrede schreibe, nicht hier anzudeuten, was auf die Seelein solcher Zeit einstrmt.

    Berlin, 7. September 1914 Rudolf Steiner

  • Rudolf Steiner GA 09 Theosophie (deutsch)

    VORREDE ZUR DRITTEN AUFLAGE

    (1) Was anllich der Verffentlichung der zweiten Auflage dieses Buches gesagt wordenist, darf auch dieser dritten gegenber ausgesprochen werden. (9)Es sind auch diesmalErgnzungen und Erweiterungen an einzelnen Stellen eingeschaltet worden, welche zu dergenaueren Prgung des Dargestellten mir wichtig scheinen; zu wesentlichen nderungendessen, was schon in der ersten und zweiten Auflage enthalten war, schien mir nirgends eineNtigung vorzuliegen. (10) Und auch dasjenige, was ber die Aufgabe der Schrift schon beiihrem ersten Erscheinen gesagt worden und in der Vorrede zur zweiten Auflage hinzugefgtworden ist, bedarf gegenwrtig einer nderung nicht. Deshalb soll hier die Vorrede der erstenAuflage und dann auch dasjenige wiedergegeben werden, was in der Vorrede zur zweitenAuflage hinzugefgt worden ist:(2) In diesem Buche soll eine Schilderung einiger Teile der bersinnlichen Welt gegebenwerden. Wer nur die sinnliche gelten lassen will, wird diese Schilderung fr ein wesenlosesPhantasiegebilde halten. Wer aber die Wege suchen will, die aus der Sinnenwelthinausfhren, der wird alsbald verstehen lernen, da menschliches Leben nur Wert undBedeutung durch den Einblick in eine andere Welt gewinnt. Der Mensch wird nicht wieviele frchten durch solchen Einblick dem wirklichen Leben entfremdet. Denn er lerntdurch ihn erst sicher und fest in diesem Leben stehen. Er lernt die Ursachen des Lebens er-kennen, whrend er ohne denselben wie ein Blinder sich durch die Wirkungen hindurchtastet.Durch die Erkenntnis des bersinnlichen gewinnt das sinnliche Wirkliche erst Bedeutung.Deshalb wird man durch diese Erkenntnis tauglicher und nicht untauglicher fr das Leben.Ein wahrhaft praktischer Mensch kann nur werden, wer das Leben versteht.(3) Der Verfasser dieses Buches schildert nichts, wovon er nicht Zeugnis ablegen kann durchErfahrung, durch eine solche Art von Erfahrung, die man in diesen Gebieten machen kann.Nur in diesem Sinne Selbsterlebtes soll dargestellt werden.(4) Wie man Bcher in unserem Zeitalter zu lesen pflegt, kann dieses nicht gelesen werden. Ineiner gewissen Beziehung wird von dem Leser jede Seite, ja mancher Satz erarbeitet werdenmssen. Das ist mit Bewutsein angestrebt worden. Denn nur so kann das Buch dem Leserwerden, was es ihm werden soll. Wer es blo durchliest, der wird es gar nicht gelesen haben.Seine Wahrheiten mssen erlebt werden. Geisteswissenschaft hat nur in diesem Sinne einenWert.(5) Vom Standpunkt der landlufigen Wissenschaft kann das Buch nicht beurteilt werden,wenn nicht der Gesichtspunkt zu solcher Beurteilung aus dem Buche selbst gewonnen wird.Wenn der Kritiker diesen Gesichtspunkt einnehmen wird, dann wird er freilich sehen, dadurch diese Ausfhrungen wahrer Wissenschaftlichkeit in nichts widersprochen werden soll.Der Verfasser wei, da er durch kein Wort mit seiner wissenschaftlichen Gewissenhaftigkeithat in Widerspruch kommen wollen.(6) Wer noch auf einem anderen Wege die hier dargestellten Wahrheiten suchen will, derfindet einen solchen in meiner Philosophie der Freiheit. In verschiedener Art streben diesebeiden Bcher nach dem gleichen Ziele. Zum Verstndnis des einen ist das andere durchausnicht notwendig, wenn auch fr manchen gewi frderlich.(7) Wer in diesem Buche nach den allerletzten Wahrheiten sucht, wird es vielleichtunbefriedigt aus der Hand legen. Es sollten eben aus dem Gesamtgebiete derGeisteswissenschaft zunchst die Grundwahrheiten gegeben werden.(8) Es liegt ja gewi in der Natur des Menschen, gleich nach Anfang und Ende der Welt, nachdem Zwecke des Daseins und nach der Wesenheit Gottes zu fragen. Wer aber nicht Worteund Begriffe fr den Verstand, sondern wirkliche Erkenntnisse fr das Leben im Sinne hat,der wei, da er in einer Schrift, die vom Anfange der Geist-Erkenntnis handelt, nicht Dingesagen darf, die den hheren Stufen der Weisheit angehren. Es wird ja durch das Verstndnis

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    dieses Anfanges erst klar, wie hhere Fragen gestellt werden sollen. In einer anderen, sich andiese anschlieenden Schrift, nmlich in des Verfassers Geheimwissenschaft, findet manweitere Mitteilungen ber das hier behandelte Gebiet.(9) In der Vorrede zur zweiten Auflage wurde ergnzend hinzugefgt: (11) Wer gegenwrtigeine Darstellung bersinnlicher Tatsachen gibt, der sollte sich ber zweierlei klar sein. Daserste ist, da unsere Zeit die Pflege bersinnlicher Erkenntnisse braucht; das andere aber, daheute im Geistesleben eine Flle von Vorstellungen und Empfindungen vorhanden ist, dieeine solche Darstellung fr viele geradezu als wste Phantasterei und Trumerei erscheinenlassen. Es braucht die Gegenwart bersinnliehe Erkenntnisse, weil alles dasjenige, was auf diegebruchliche Art der Mensch ber Welt und Leben erfhrt, eine Unzahl von Fragen in ihmanregt, die nur durch die bersinnlichen Wahrheiten beantwortet werden knnen. (11) Denndarber sollte man sich nicht tuschen: was man ber die Grundlagen des Daseins innerhalbder heutigen Geistesstrmung mitgeteilt erhalten kann, sind fr die tiefer empfindende Seelenicht Antworten, sondern Fragen in bezug auf die groen Rtsel von Welt und Leben. EineZeitlang mag sich mancher der Meinung hingeben, da er in den Ergebnissen strengwissenschaftlicher Tatsachen und in den Folgerungen manches gegenwrtigen Denkers eineLsung der Daseinsrtsel gegeben habe. Geht die Seele aber bis in jene Tiefen, in die siegehen mu, wenn sie sich wirklich selbst versteht, so erscheint ihr das, was ihr anfnglich wieLsung vorgekommen ist, erst als Anregung zu der wahren Frage. Und eine Antwort auf dieseFrage soll nicht blo einer menschlichen Neugierde entgegenkommen, sondern von ihr hngtab die innere Ruhe und Geschlossenheit des Seelen lebens. Das Erringen einer solchenAntwort befriedigt nicht blo den Wissensdrang, sondern sie macht den Menschen arbeits-tchtig und gewachsen den Aufgaben des Lebens, whrend ihn der Mangel einer Lsung derentsprechenden Fragen seelisch und zuletzt auch physisch lhmt. Erkenntnis desbersinnlichen ist eben nicht blo etwas fr das theoretische Bedrfnis, sondern fr einewahre Lebenspraxis. Gerade wegen der Art des gegenwrtigen Geisteslebens ist daherGeist-Erkenntnis ein unentbehrliches Erkenntnisgebiet fr unsere Zeit.

    (10) Auf der anderen Seite liegt die Tatsache vor, da viele heute dasjenige am strkstenzurckweisen, was sie am notwendigsten brauchen. Die zwingende Macht vieler Meinungen,welche man sich auf der Grundlage sicherer wissenschaftlicher Erfahrungen aufgebaut hat,ist fr manche so gro, da sie gar nicht anders knnen, als die Darstellung eines Buches, wiedieses eines ist, fr bodenlosen Unsinn zu halten. Der Darsteller bersinnlicher Erkenntnissekann solchen Dingen durchaus ohne alle Illusion gegenberstehen. Man wird ja allerdingsleicht versucht sein, von einem solchen Darsteller zu verlangen, er solle einwandfreieBeweise fr das geben, was er vorbringt. Man bedenkt dabei nur nicht, da man damit sicheiner Tuschung hingibt. Denn man verlangt allerdings ohne da man sich dessen bewutist nicht die in der Sache liegenden Beweise, sondern diejenigen, welche man selbstanerkennen will oder anzuerkennen in der Lage ist. Der Verfasser dieser Schrift wei, da inihr nichts steht, was nicht jeder anerkennen kann, der auf dem Boden der Naturerkenntnis derGegenwart steht. Er wei, da man allen Anforderungen der Naturwissenschaft gerechtwerden kann und gerade deswegen die Art der hier von der bersinnlichen Welt gegebenenDarstellung in sich gegrndet finden kann. Ja, gerade echte naturwissenschaftlicheVorstellungsart sollte sich heinlisch in dieser Darstellung fhlen. Und wer so denkt, der wirdsich von mancher Diskussion in einer Art berhrt fhlen, welche durch das tiefwahreGoethesche Wort gekennzeichnet ist. Eine falsche Lehre lt sich nicht widerlegen, dennsie ruht ja auf der berzeugung, da das Falsche wahr sei. Diskussionen sind fruchtlosdemjenigen gegenber, der nur Beweise gelten lassen will, die in seiner Denkungsweiseliegen. Wer mit dem Wesen des Beweisens bekannt ist, der ist sich klar darber, da dieMenschenseele auf anderen Wegen als durch Diskussion das Wahre findet. (13) Aus solcherGesinnung heraus sei dieses Buch auch in zweiter Auflage der ffentlichkeit bergeben.Rudolf Steiner

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    EINLEITUNG

    (1) Als Johann Gottlieb Fichte im Herbst 1813 seine Lehre als reife Frucht eines ganzdem Dienste der Wahrheit gewidmeten Lebens vortrug, da sprach er gleich im Anfangefolgendes aus: Diese Lehre setzt voraus ein ganz neues inneres Sinneswerkzeug, durchwelches eine neue Welt gegeben wird, die fr den gewhnlichen Menschen gar nichtvorhanden ist. Und dann zeigte er an einem Vergleich, wie unfalich diese seine Lehredemjenigen sein mu, der sie mit den Vorstellungen der gewhnlichen Sinne beurteilen will.Denke man eine Welt von Blindgeborenen, denen darum allein die Dinge und ihre Verhlt-nisse bekannt sind, die durch den Sinn der Betastung existieren. (14) Tretet unter diese undredet ihnen von Farben und den anderen Verhltnissen, die nur durch das Licht und fr dasSehen vorhanden sind. Entweder ihr redet ihnen von Nichts, und dies ist das Glcklichere,wenn sie es sagen, denn auf diese Weise werdet ihr bald den Fehler merken und, falls ihrihnen nicht die Augen zu ffnen vermgt, das vergebliche Reden einstellen. Nun befindetsich allerdings derjenige, der von solchen Dingen zu Menschen spricht, auf welche Fichte indiesem Falle deutet, nur zu oft in einer Lage, welche der des Sehenden zwischen Blind-geborenen hnlich ist. Aber diese Dinge sind doch diejenigen, die sich auf des Menschenwahres Wesen und hchstes Ziel beziehen. Und es mte somit derjenige an der Menschheitverzweifeln, der glauben -wollte, da es ntig sei, das vergebliche Reden einzustellen.Keinen Augenblick darf vielmehr daran gezweifelt werden, da es in bezug auf diese Dingemglich sei, jedem die Augen zu ffnen, der den guten Willen dazu mitbringt. Aus dieserVoraussetzung heraus haben daher alle diejenigen gesprochen und geschrieben, die in sichfhlten, da ihnen selbst das innere Sinneswerkzeug erwachsen sei, durch das sie das denueren Sinnen verborgene wahre Wesen des Menschen zu erkennen vermochten. Seit denltesten Zeiten wird daher immer wieder und wieder von solcher verborgenen Weisheitgesprochen. Wer etwas von ihr ergriffen hat, fhlt den Besitz ebenso sicher, wie die, welchewohlgebildete Augen haben, den Besitz der Farbenvorstellungen fhlen. Fr ihn bedarf daherdiese verborgene Weisheit keines Beweises. Und er wei auch, da sie fr denjenigenkeines Beweises bedrfen kann, dem sich gleich ihm der hhere Sinn erschlossen hat. Zueinem solchen kann er sprechen, wie ein Reisender ber Amerika zu sprecheii vermag zudenen, die zwar nicht selbst Amerika gesehen haben, die sich aber davon eine Vorstellungmachen knnen, weil sie alles sehen wrden, was er gesehen hat, wenn sieh ihnen dazu dieGelegenheit bte.

    (2) Aber nicht nur zu Erforschern der geistigen Welt soll der Beobachter des bersinnlichensprechen. (15) Er mu seine Worte an alle Menschen richten. Denn er hat ber Dinge zuberichten, die alle Menschen angehen; ja, er wei, da niemand ohne eine Kenntnis dieserDinge im wahren Sinne des Wortes Mensch sein kann. Und er spricht zu allen Menschen,weil ihm bekannt ist, da es verschiedene Grade des Verstndnisses fr das gibt, was er zusagen hat. Er wei, da auch solche, die noch weit entfernt von dem Augenblicke sind, in demihnen die eigene geistige Forschung erschlossen wird, ihm Verstndnis entgegenbringenknnen. Denn das Gefhl und das Verstndnis fr die Wahrheit liegen in jedem Menschen.Und an dieses Verstndnis, das in jeder gesundenSeele aufleuchten kann, wendet er sichzunchst. Er wei auch, da in diesem Verstndnis eine Kraft ist, die allmhlich zu denhheren Graden der Erkenntnis fhren rau. Dieses Gefhl, das vielleicht anfangs gar nichtssieht von dem, wovon zu ihm gesprochen wird, es ist selbst der Zauberer, der das Auge desGeistes aufschliet. In der Dunkelheit regt sich dieses Gefhl. Die Seele sieht nicht; aberdurch dieses Gefhl wird sie erfat von der Macht der Wahrheit; und dann wird die Wahrheitnach und nach herankommen an die Seele und ihr den hheren Sinn ffnen. Fr den einen

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    mag es krzer, fr den andern lnger dauern; wer Geduld und Ausdauer hat, der erreichtdieses Ziel. Denn wenn auch nicht jeder physisch Blindgeborene operiert werden kann:jedes geistige Auge kann geffnet werden und es ist nur eine Frage der Zeit, wann esgeffnet wird.

    (3) Gelehrsamkeit und wissenschaftliche Bildung sind keine Vorbedingungen zurErffnung dieses hheren Sinnes. Dem naiven Menschen kann er sich ebenso erschlieenwie dem wissenschaftlich Hochstehenden. Was in gegenwrtiger Zeit oft die alleinigeWissenschaft genannt wird, kann fr dieses Ziel oft sogar eher hinderlich als frdernd sein.(16) Denn diese Wissenschaft lt naturgem nur dasjenige als wirklich gelten, was dengewhnlichen Sinnen zugnglich ist. Und so gro auch ihre Verdienste um die Erkenntnisdieser Wirklichkeit sind: sie schafft, wenn sie, was fr ihre Wissenschaft notwendig undsegenbringend ist, fr alles menschliche Wissen als magebend erklrt, zugleich eine Fllevon Vorurteilen, die den Zugang zu hheren Wirklichkeiten verschlieen.

    (4) Gegen dasjenige, was hier gesagt ist, wird oft eingewendet: dem Menschen seien einmalunbersteigliche Grenzen seiner Erkenntnis gesetzt. Man knne diese Grenzen nichtberschreiten; deshalb mssen alle Erkenntnisse abgelehnt werden, welche solche Grenzennicht beachten. Und man sieht wohl auch den als recht unbescheiden an, der etwas ber Dingebehaupten will, von denen es vielen fr ausgemacht gilt, da sie jenseits der Grenzenmenschlicher Erkenntnisfhigkeit liegen. Man lt bei einem solchen Einwande vlligunbercksichtigt, da der hheren Erkenntnis eben eine Entwickelung der menschlichenErkenntniskrfte voranzugehen hat. Was vor einer solchen Entwickelung jenseits der Grenzendes Erkennens liegt, das liegt nach der Erweckung von Fhigkeiten, die in jedem Menschenschlummern, durchaus innerhalb des Erkenntnisgebietes. Eines darf dabei allerdings nichtauer acht gelassen werden. Man knnte sagen: wozu ntzt es, ber Dinge zu Menschen zusprechen, fr welche ihre Erkenntniskrfte nicht erweckt sind, die ihnen also selbst dochverschlossen sind? So ist aber die Sache doch falsch beurteilt. Man braucht gewisseFhigkeiten, um die Dinge, um die es sich handelt, aufzufinden: werden sie aber, nachdem sieaufgefunden sind, mitgeteilt, dann kann jeder Mensch sie verstehen, der unbefangene Logikund gesundes Wahrheitsgefhl anwenden will. In diesem Buche werden keine anderen Dingemitgeteilt als solche, die auf jeden, der allseitiges, durch kein Vorurteil getrbtes Denken undrckhaltloses, freies Wahrheitsgefhl in sich wirken lt, den Eindruck machen knnen, dadurch sie an die Rtsel des Menschenlebens und der Welterscheinungen auf einebefriedigende Art herangetreten werden kann. Man stelle sich nur einmal auf den Standpunktder Frage: Gibt es eine befriedigende Erklrung des Lebens, wenn die Dinge wahr sind, die dabehauptet werden? Und man wird finden, da das Leben eines jeden Menschen dieBesttigung liefert.

    (5) Um Lehrer auf diesen hheren Gebieten des Daseins zu sein, gengt es allerdingsnicht, da sich dem Menschen einfach der Sinn fr sie erschlossen hat. (17) Dazu gehrtebenso Wissenschaft auf ihnen, wie zum Lehrerberuf auf dem Gebiete der gewhnlichenWirklichkeit Wissenschaft gehrt. Hheres Schauen macht ebensowenig schon zumWissenden im Geistigen, wie gesunde Sinne zum Gelehrten in der sinnlichenWirklichkeit machen. Und da in Wahrheit alle Wirklichkeit, die niedere und die hheregeistige, nur zwei Seiten einer und derselben Grundwesenheit sind, so wird derjenige, derunwissend in den niederen Erkenntnissen ist, es wohl auch zumeist in hheren Dingenbleiben. Diese Tatsache erzeugt in dem, der sich durch geistige Berufung zumAussprechen ber die geistigen Gebiete des Daseins veranlat fhlt, das Gefhl einer ins Un-ermeliche gehenden Verantwortung. Sie legt ihm Bescheidenheit und Zurckhaltung auf.

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    Niemanden aber soll sie abhalten, sich mit den hheren Wahrheiten zu beschftigen. Auchden nicht, dem sein briges Leben keine Veranlassung gibt, sich mit den gewhnlichenWissenschaften zu befassen. Denn man kann wohl seine Aufgabe als Mensch erfllen, ohnevon Botanik, Zoologie, Mathematik und anderen Wissenschaften etwas zu verstehen; mankann aber nicht in vollem Sinne des Wortes Mensch sein, ohne der durch das Wissen vombersinnlichen enthllten Wesenheit und Bestimmung des Menschen in irgendeiner Artnahegetreten zu sein.

    (6) Das Hchste, zu dem der Mensch aufzublicken vermag, bezeichnet er als dasGttliche. Und er mu seine hchste Bestimmung in irgendeiner Art mit diesem Gttlichenin Zusammenhang denken. Deshalb mag wohl auch die ber das Sinnliche hinausgehendeWeisheit, welche ihm sein Wesen und damit seine Bestimmung offenbart, gttlicheWeisheit oder Theosophie genannt werden. Der Betrachtung der geistigen Vorgnge imMenschenleben und im Weltall kann man die Bezeichnung Geisteswissenschaft geben. Hebtman aus dieser, wie in diesem Buche geschehen ist, im besonderen diejenigen Ergebnisse her-aus, welche auf den geistigen Wesenskern des Menschen sich beziehen, so kann fr diesesGebiet der Ausdruck Theosophie gebraucht werden, weil er durch Jahrhunderte hindurch ineiner solchen Richtung angewendet worden ist.

    (7) Aus der hiermit angedeuteten Gesinnung heraus wird in dieser Schrift eine Skizzetheosophischer Weltanschauung entworfen. Der sie niedergeschrieben hat, will nichtsdarstellen, was fr ihn nicht in einem hnlichen Sinne Tatsache ist, wie ein Erlebnis derueren Welt Tatsache fr Augen und Ohren und den gewhnlichen Verstand ist. - Man hates ja mit Erlebnissen zu tun, die jedem zugnglich werden, wenn er den in einem besonderenAbschnitt dieser Schrift vorgezeichneten Erkenntnispfad zu betreten entschlossen ist. Manstellt sich in der richtigen Art zu den Dingen der bersinnlichen Welt, wenn man voraussetzt,da gesundes Denken und Empfinden alles zu verstehen vermag, was an wahrenErkenntnissen aus den hheren Welten flieen kann, und da man, wenn man von diesemVerstndnisse ausgeht und den festen Grund damit legt, auch einen gewichtigen Schritt zumeigenen Schauen gemacht hat; wenn auch, um dieses zu erlangen, anderes hinzukommenmu. Man verriegelt sich aber die Tre zu der wahren hheren Erkenntnis, wenn man diesenWeg verschmht und nur auf andere Art in die hheren Welten dringen will. Der Grundsatz:erst hhere Welten anzuerkennen, wenn man sie geschaut hat, ist ein Hindernis fr diesesSchauen selbst. Der Wille, durch gesundes Denken erst zu verstehen, was spter geschautwerden kann, frdert dieses Schauen. Es zaubert wichtige Krfte der Seele hervor, welche zudiesem Schauen des Sehers fhren.

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    DAS WESEN DES MENSCHEN

    (1) Die folgenden Worte Goethes bezeichnen in schner Art den Ausgangspunkt eines derWege, auf denen das Wesen des Menschen erkannt werden kann: Sobald der Mensch dieGegenstnde um sich her gewahr wird, betrachtet er sie in bezug auf sich selbst; und mitRecht, denn es hngt sein ganzes Schicksal davon ab, ob sie ihm gefallen oder mifallen, obsie ihn anziehen oder abstoen, ob sie ihm ntzen oder schaden. (19) Diese ganz natrlicheArt, die Dinge anzusehen und zu beurteilen, scheint so leicht zu sein, als sie notwendig ist,und doch ist der Mensch dabei tausend Irrtmern ausgesetzt, die ihn oft beschmen und ihmdas Leben verbittern. Ein weit schwereres Tagewerk bernehmen diejenigen, derenlebhafter Trieb nach Kenntnis die Gegenstnde der Natur an sich selbst und in ihrenVerhltnissen untereinander zu beobachten strebt: denn sie vermissen bald den Mastab, derihnen zu Hilfe kam, wenn sie als Menschen die Dinge in bezug auf sich betrachten. Es fehltihnen der Mastab des Gefallens und Mifallens, des Anziehens und Abstoens, des Nutzensund Schadens. Diesem sollen sie ganz entsagen, sie sollen als gleichgltige und gleichsamgttliche Wesen suchen und untersuchen, was ist, und nicht, was behagt. So soll den echtenBotaniker weder die Schnheit noch die Nutzbarkeit der Pflanzen rhren, er soll ihre Bildung,ihr Verhltnis zu dem brigen Pflanzenreiche untersuchen; und wie sie alle von der Sonnehervorgelockt und beschienen werden, so soll er mit einem gleichen ruhigen Blicke sie alleansehen und bersehen und den Mastab zu dieser Erkenntnis, die Data der Beurteilung nichtaus sich, sondern aus dem Kreise der Dinge nehmen, die er beobachtet.

    (2) Auf dreierlei lenkt dieser von Goethe ausgesprochene Gedanke die Aufmerksamkeit desMenschen. Das erste sind die Gegenstnde, von denen ihm durch die Tore seiner Sinne fort-whrend Kunde zuhiet, die er tastet, riecht, schmeckt, hrt und sieht. Das zweite sind dieEindrcke, die sie auf ihn machen und die sich als sein Gefallen und Mifallen, sein Begehrenoder Verabscheuen dadurch kennzeichnen, da er das eine sympathisch, das andereantipathisch, das eine ntzlich, das andere schdlich findet. (20) Und das dritte sind dieErkenntnisse, die er sich als gleichsam gttliches Wesen ber die Gegenstnde erwirbtessind die Geheimnisse des Wirkens und Daseins dieser Gegenstnde, die sich ihm enthllen.

    (3) Deutlich scheiden sich diese drei Gebiete im menschlichen Leben. Und der Menschwird daher gewahr, da er in einer dreifachen Art mit der Welt verwoben ist. Die erste Artist etwas, was er vorfindet, was er als eine gegebene Tatsache hinnimmt. Durch die zweite Artmacht er die Welt zu seiner eigenen Angelegenheit, zu etwas, das eine Bedeutung fr ihn hat.Die dritte Art betrachtet er als ein Ziel, zu dem er unaufhrlich hinstreben soll.

    (4) Warum erscheint dem Menschen die Welt in dieser dreifachen Art? Eine einfacheBetrachtung kann das lehren: Ich gehe ber eine mit Blumen bewachsene Wiese. Die Blumenknden mir ihre Farben durch mein Auge. Das ist die Tatsache, die ich als gegeben hinnehme. Ich freue mich ber die Farbenpracht. Dadurch mache ich die Tatsache zu meiner eigenenAngelegenheit. Ich verbinde durch meine Gefhle die Blumen mit meinem eigenen Dasein.Nach einem Jahre gehe ich wieder ber dieselbe Wiese. Andere Blumen sind da. NeueFreude erwchst mir aus ihnen. Meine Freude vom Vorjahre wird als Erinnerung auftauchen.Sie ist in mir; der Gegenstand, der sie angefacht hat, ist vergangen. Aber die Blumen, die ichjetzt sehe, sind von derselben Art wie die vorjhrigen; sie sind nach denselben Gesetzengewachsen wie jene. Habe ich mich ber diese Art, ber diese Gesetze aufgeklrt, so finde ichsie in den diesjhrigen Blumen so wieder, wie ich sie in den vorjhrigen erkannt habe. Und

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    ich werde vielleicht also nachsinnen: Die Blumen des Vorjahres sind vergangen; meineFreude an ihnen ist nur in meiner Erinnerung geblieben. Sie ist nur mit meinem Daseinverknpft. Das aber, was ich im vorigen Jahre an den Blumen erkannt habe und dies Jahrwieder erkenne, das wird bleiben, solange solche Blumen wachsen. Das ist etwas, was sichmir geoffenbart hat, was aber von meinem Dasein nicht in gleicher Art abhngig ist wiemeine Freude. Meine Gefhle der Freude bleiben in mir; die Gesetze, das Wesen der Blumenbleiben auerhalb meiner in der Welt.

    (5) So verbindet sich der Mensch immerwhrend in dieser dreifachen Art mit den Dingender Welt. (21) Man lege zunchst nichts in diese Tatsache hinein, sondern fasse sie auf, wiesie sich darbietet. Es ergibt sich aus ihr, da der Mensch drei Seiten in seinem Wesen hat. Diesund nichts anderes soll hier vorlufig mit den drei Worten Leib, Seele und Geist angedeutetwerden. Wer irgendwelche vorgefaten Meinungen oder gar Hypothesen mit diesen dreiWorten verbindet, wird die folgenden Auseinandersetzungen notwendig miverstehenmssen. Mit Leib ist hier dasjenige gemeint, wodurch sich dem Menschen die Dinge seinerUmwelt offenbaren, wie in obigem Beispiele die Blumen der Wiese. Mit dem Worte Seelesoll auf das gedeutet werden, wodurch er die Dinge mit seinem eigenen Dasein verbindet,wodurch er Gefallen und Mifallen, Lust und Unlust, Freude und Schmerz an ihnenempfindet. Als Geist ist das gemeint, was in ihm offenbar wird, wenn er, nach GoetbesAusdruck, die Dinge als gleichsam gttliches Wesen ansieht. In diesem Sinne besteht derMensch aus Leib, Seele und Geist.

    (6) Durch seinen Leib vermag sich der Mensch fr den Augenblick mit den Dingen in,Verbindung zu setzen. Durch seine Seele bewahrt er in sich die Eindrcke, die sie auf ihnmachen; und durch seinen Geist offenbart sich ihm das, was sich die Dinge selbst bewahren.Nur wenn man den Menschen nach diesen drei Seiten betrachtet, kann man hoffen, Aufschluber seine Wesenheit zu erhalten. Denn diese drei Seiten zeigen ihn in dreifach verschiedenerArt mit der brigen Welt verwandt.

    (7) Durch seinen Leib ist er mit den Dingen verwandt, die sich seinen Sinnen von auendarbieten. Die Stoffe der Auenwelt setzen diesen seinen Leib zusammen; die Krfte derAuenwelt wirken auch in ihm. Und wie er die Dinge der Auenwelt mit seinen Sinnenbetrachtet, so kann er auch sein eigenes leibliches Dasein beobachten. Aber unmglich ist es,in derselben Art das seelische Dasein zu betrachten. Alles, was an mir leibliche Vorgngesind, kann auch mit den leiblichen Sinnen wahrgenommen werden. Mein Gefallen undMifallen, meine Freude und meinen Schmerz kann weder ich noch ein anderer mit leiblichenSinnen wahrnehmen. Das Seelische ist ein Gebiet, das der leiblichen Anschauungunzugnglich ist. Das leibliche Dasein des Menschen ist vor aller Augen offenbar; dasseelische trgt er als seine Welt in sich. (21) Durch den Geist aber wird ihm die Auenwelt ineiner hheren Art offenbar. In seinem Innern enthllen sich zwar die Geheimnisse derAuenwelt; aber er tritt im Geiste aus sich heraus und lt die Dinge ber sich selbst spre-chen, ber dasjenige, was nicht fr ihn, sondern fr sie Bedeutung hat. Der Mensch blicktzum gestirnten Himmel auf: das Entzcken, das seine Seele erlebt, gehrt ihm an; die ewigenGesetze der Sterne, die er im Gedanken, im Geiste erfat, gehren nicht ihm, sondern denSternen selbst an.

    (8) So ist der Mensch Brger dreier Welten. Durch seinen Leib gehrt er der Welt an, die erauch mit seinem Leibe wahrnimmt; durch seine Seele baut er sich seine eigene Welt auf;durch seinen Geist offenbart sich ihm eine Welt, die ber die beiden anderen erhaben ist.

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    (9) Es scheint einleuchtend, da man, wegen der wesentlichen Verschiedenheit dieser dreiWelten, auch nur durch drei verschiedene Betrachtungsarten Klarheit ber sie und den Anteildes Menschen an ihnen wird gewinnen knnen.

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    1. Die leibliche Wesenheit des Menschen

    (1) Durch leibliche Sinne lernt man den Leib des Menschen kennen. (22) Und dieBetrachtungsart kann dabei keine andere sein als diejenige, durch welche man andere sinnlichwahrnehmbare Dinge kennenlernt. Wie man die Mineralien, die Pflanzen, die Tierebetrachtet, so kann man auch den Menschen betrachten. Er ist mit diesen drei Formen desDaseins verwandt. Gleich den Mineralien baut er seinen Leib aus den Stoffen der Natur auf;gleich den Pflanzen wchst er und pflanzt sich fort; gleich den Tieren nimmt er dieGegenstnde um sich herum wahr und bildet auf Grund ihrer Eindrcke in sich innereErlebnisse. Ein mineralisches, ein pflanzliches und ein tierisches Dasein darf man daher demMenschen zusprechen.

    (2) Die Verschiedenheit im Bau der Mineralien, Pflanzen und Tiere entspricht den dreiFormen ihres Daseins. Und dieser Bau die Gestalt ist es, was man mit den Sinnenwahrnimmt und was man allein Leib nennen kann. Nun ist aber der menschliche Leib vondem tierischen verschieden. Diese Verschiedenheit mu jedermann anerkennen, wie er auchber die Verwandtschaft des Menschen mit den Tieren sonst denken mag. Selbst derradikalste Materialist, der alles Seelische leugnet, wird nicht umhin knnen, den folgendenSatz zu unterschreiben, den Carus in seinem Organon der Erkenntnis der Natur und desGeistes ausspricht: Noch immer bleibt zwar der feinere innerlichste Bau des Nervensystemsund namentlich des Hirns dem Physiologen und Anatomen ein unaufgelstes Rtsel - aber dajene Konzentration der Gebilde mehr und mehr in der Tierheit steigt und im Menschen einenGrad erreicht, wie durchaus in keinem anderen Wesen, dies ist eine vollkommen festgestellteTatsache; es ist fr die Geistesentwicklung des Menschen von hchster Bedeutung, ja wirdrfen es geradezu aussprechen, eigentlich schon die hinreichende Erklrung. Wo der Bau desHirns daher nicht gehrig sich entwickelt hat, wo Kleinheit und Drftigkeit desselben, wiebeim Mikrozephalen und Idioten, sich verraten, da versteht es sich von selbst, da vomHervortreten eigentmlicher Ideen und vorn Erkennen gerade so wenig die Rede sein kannwie in Menschen mit vllig verkmmerten Generationsorganen von Fortbildung der Gattung.Ein krftig und schn entwickelter Bau des ganzen Menschen dagegen und des Gehirnsinsbesondere wird zwar noch nicht allein den Genius ersetzen, aber doch jedenfalls die ersteunerllichste Bedingung fr hhere Erkenntnis gewhren.

    (3) Wie man dem menschlichen Leib die drei Formen des Daseins, die mineralische, diepflanzliche und die tierische, zuspricht, so mu man ihm noch eine vierte, die besonderemenschliche, zusprechen. Durch seine mineralische Daseinsform ist der Mensch verwandt mitallem Sichtbaren, durch seine pflanzliche mit allen Wesen, die wachsen und sich fortpflanzen;durch seine tierische mit allen, die ihre Umgebung wahrnehmen und auf Grund uererEindrcke innere Erlebnisse haben; durch seine menschliche bildet er schon in leiblicherBeziehung ein Reich fr sich.

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    II. Die seelische Wesenheit des Menschen

    Als eigene Innenwelt ist die seelische Wesenheit des Menschen von seiner Leiblichkeitverschieden. (23) Das Eigene tritt sofort entgegen, wenn man die Aufmerksamkeit auf dieeinfachste Sinnesempfindung lenkt. Niemand kann zunchst wissen, ob ein anderer einesolche einfache Sinnesempfindung in genau der gleichen Art erlebt wie er selbst. (24)Bekannt ist, da es Menschen gibt, die farbenblind sind. Solche sehen die Dinge nur inverschiedenen Schattierungen von Grau. Andere sind teilweise farbenblind. Sie knnen dahergewisse Farbennuancen nicht wahrnehmen. Das Weltbild, das ihnen ihr Auge gibt, ist einanderes als dasjenige sogenannter normaler Menschen. Und ein Gleiches gilt mehr oderweniger fr die andern Sinne. Ohne weiteres geht daraus hervor, da schon die einfacheSinnesempfindung zur Innenwelt gehrt. Mit meinen leiblichen Sinnen kann ich den rotenTisch wahrnehmen, den auch der andere wahrnimmt, aber ich kann nicht des andernEmpfindung des Roten wahrnehmen. Man mu demnach die Sinnesempfindung alsSeelisches bezeichnen. Wenn man sich diese Tatsache nur ganz klar macht, dann wird manbald aufhren, die Innenerlebnisse als bloe Gehirnvorgnge oder hnliches anzusehen. Andie Sinnesempfindung schliet sich zunchst das Gefhl. Die eine Empfindung macht demMenschen Lust, die andere Unlust. Das sind Regungen seines inneren, seines seelischenLebens. In seinen Gefhlen schafft sich der Mensch eine zweite Welt zu derjenigen hinzu, dievon auen auf ihn einwirkt. Und ein Drittes kommt hinzu: der Wille. Durch ihn wirkt derMensch wieder auf die Auenwelt zurck. Und dadurch prgt er sein inneres Wesen derAuenwelt auf. Die Seele des Menschen fliet in seinen Willenshandlungen gleichsam nachauen. Dadurch unterscheiden sich die Taten des Menschen von den Ereignissen der uerenNatur, da die ersteren den Stempel seines Innenlebens tragen. So stellt sich die Seele als dasEigene des Menschen der Auenwelt gegenber. Er erhlt von der Auenwelt dieAnregungen; aber er bildet in Gemheit dieser Anregungen eine eigene Welt aus. DieLeiblichkeit wird zum Untergrunde des Seelischen.

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    III. Die geistige Wesenheit des Menschen

    Das Seelische des Menschen wird nicht allein durch den Leib bestimmt. Der Menschschweift nicht richtungs- und ziellos von einem Sinneseindruck zum andern; er handelt auchnicht unter dem Eindrucke jedes beliebigen Reizes, der von auen oder durch die Vorgngeseines Leibes auf ihn ausgebt wird. Er denkt ber seine Wahrnehmungen und ber seineHandlungen nach. Durch das Nachdenken ber die Wahrnehmungen erwirbt er sichErkenntnisse ber die Dinge; durch das Nachdenken ber seine Handlungen bringt er einenvernunftgemen Zusammenhang in sein Leben. Und er wei, da er seine Aufgabe alsMensch nur dann wrdig erfllt, wenn er sich durch richtige Gedanken sowohl im Erkennenwie im Handeln leiten lt. Das Seelische steht also einer zweifachen Notwendigkeitgegenber. Von den Gesetzen des Leibes wird es durch Naturnotwendigkeit bestimmt; vonden Gesetzen, die es zum richtigen Denken fhren, lt es sich bestimmen, weil es derenNotwendigkeit frei anerkennt. Den Gesetzen des Stoffwechsels ist der Mensch durch dieNatur unterworfen; den Denkgesetzen unterwirft er sich selbst. Dadurch macht sich derMensch zum Angehrigen einer hheren Ordnung, als diejenige ist, der er durch seinen Leibangehrt. Und diese Ordnung ist die geistige. So verschieden das Leibliche vom Seelischen,so verschieden ist dieses wieder vom Geistigen. Solange man blo von den Kohlenstoff-,Wasserstoff-, Stickstoff-, Sauerstoffteilchen spricht, die sich im Leibe bewegen, hat man nichtdie Seele im Auge. Das seelische Leben beginnt erst da, wo innerhalb solcher Bewegung dieEmpfindung auftritt: ich schmecke s oder ich fhle Lust. Ebensowenig hat man den Geistim Auge, solange man blo die seelischen Erlebnisse ansieht, die durch den Menschen ziehen,wenn er sich ganz der Auenwelt und seinem Leibesleben berlt. Dieses Seelische istvielmehr erst die Grundlage fr das Geistige, wie das Leibliche die Grundlage fr dasSeelische ist. Der Naturforscher hat es mit dem Leibe, der Seelenforscher (Psychologe) mitder Seele und der Geistesforscher mit dem Geiste zu tun.

    Durch Besinnung auf das eigene Selbst sich den Unterschied von Leib, Seele und Geistklarzumachen ist eine Anforderung, die an denjenigen gestellt werden mu, der sich denkendber das Wesen des Menschen aufklren will.

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    IV. Leib, Seele und Geist

    (1) Der Mensch kann sich in richtiger Art nur ber sich aufklren, wenn er sich dieBedeutung des Denkens innerhalb seiner Wesenheit klarmacht. Das Gehirn ist das leiblicheWerkzeug des Denkens. (25) Wie der Mensch nur mit einem wohlgebildeten Auge Farbensehen kann, so dient ihm das entsprechend gebaute Gehirn zum Denken. Der ganze Leib desMenschen ist so gebildet, da er in dem Geistesorgan, im Gehirn, seine Krnung findet. Mankann den Bau des menschlichen Gehirnes nur verstehen, wenn man es im Hinblick auf seineAufgabe betrachtet. Diese besteht darin, die Leibesgrundlage des denkenden Geistes zu sein.Das zeigt ein vergleichender berblick ber die Tierwelt. Bei den Amphibien ist das Gehirnnoch klein gegenber dem Rckenmark; bei den Sugetieren wird es verhltnismig grer.Beim Menschen ist es am grten gegenber dem ganzen brigen Leib.

    (2) Gegen solche Bemerkungen ber das Denken, wie sie hier vorgebracht werden, herrschtmanches Vorurteil. Manche Menschen sind geneigt, das Denken zu unterschtzen und dasinnige Gefhlsleben, die Empfindung, hher zu stellen. Ja man sagt wohl: nicht durchdas nchterne Denken, sondern durch die Wrme des Gefhls, durch die unmittelbare Kraftder Empfindungen erhebe man sich zu den hheren Erkenntnissen. Menschen, die sosprechen, frchten, durch klares Denken die Gefhle abzustumpfen. Beim alltglichenDenken, das sich nur auf die Dinge der Ntzlichkeit bezieht, ist das sicher der Fall. Aber beiden Gedanken, die in hhere Regionen des Daseins fhren, tritt das Umgekehrte ein. Es gibtkein Gefhl und keinen Enthusiasmus, die sich mit den Empfindungen an Wrme, Schnheitund Gehobenheit vergleichen lassen, welche angefacht werden durch die reinen, kristallklarenGedanken, die sich auf hhere Welten beziehen. Die hchsten Gefhle sind eben nichtdiejenigen, die von selbst sich einstellen, sondern diejenigen, welche in energischerGedankenarbeit errungen werden.

    (3) Der Menschenleib hat einen dem Denken entsprechenden Bau. Dieselben Stoffe undKrfte, die auch im Mineralreich vorhanden sind, finden sich im menschlichen Leib so gefgt,da sich durch diese Zusammenfgung das Denken offenbaren kann. Dieser mineralische, inGemheit seiner Aufgabe gebildete Bau soll fr die folgende Betrachtung der physischeKrper des Menschen heien.

    (4) Der auf das Gehirn, als seinen Mittelpunkt, hingeordnete mineralische Bau entstehtdurch Fortpflanzung und erhlt seine ausgebildete Gestalt durch Wachstum. (26)Fortpflanzung und Wachstum hat der Mensch mit den Pflanzen und Tieren gemein. DurchFortpflanzung und Wachstum unterscheidet sich das Lebendige von dem leblosen Mineral.Lebendiges entsteht aus Lebendigem durch den Keim. Der Nachkomme schliet sich an denVorfahren in der Reihe des Lebendigen. Die Krfte, durch die ein Mineral entsteht, sind aufdie Stoffe selbst gerichtet, die es zusammensetzen. Ein Bergkristall bildet sich durch die demSilizium und dem Sauerstoff innewohnenden Krfte, die in ihm vereinigt sind. Die Krfte, dieeinen Eichbaum gestalten, mssen wir auf dem Umwege durch den Keim in Mutter- undVaterpflanze suchen. Und die Form der Eiche erhlt sich bei der Fortpflanzung von denVorfahren zu den Nachkommen. Es gibt innere, dem Lebenden angeborene Bedingungen. Es war eine rohe Naturanschauung, die glaubte, da niedere Tiere, selbst Fische, ausSchlamm sich bilden knnen. Die Form des Lebenden pflanzt sich durch Vererbung fort. Wieein lebendes Wesen sich entwickelt, hngt davon ab, aus welchem Vater- oder Mutterwesenes entstanden ist, oder mit anderen Worten, welcher Art es angehrt. Die Stoffe, aus denen essich zusammensetzt, wechseln fortwhrend; die Art bleibt whrend des Lebens bestehen undvererbt sich auf die Nachkommen. Die Art ist damit dasjenige, was die Zusammenfgung der

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    Stoffe bestimmt. Diese artbildende Kraft soll Lebenskraft genannt werden. Wie sich diemineralischen Krfte in den Kristallen ausdrcken, so die bildende Lebenskraft in den Artenoder Formen des pflanzlichen und tierischen Lebens.

    (5) Die mineralischen Krfte nimmt der Mensch durch die leiblichen Sinne wahr. Und erkann nur dasjenige wahrnehmen, wofr er solche Sinne hat. Ohne das Auge gibt es keineLicht-, ohne das Ohr keine Schallwahrnehmung. Die niedersten Organismen haben von denbei den Menschen vorhandenen Sinnen nur eine Art Tastsinn. Fr sie sind in der Art dermenschlichen Wahrnehmung nur diejenigen mineralischen Krfte vorhanden, die sich demTastsinn zu erkennen geben. In dem Mae, in dem bei den hheren Tieren die anderen Sinneentwickelt sind, ist fr sie die Umwelt, die auch der Mensch wahrnimmt, reicher,mannigfaltiger. Es hngt also von den Organen eines Wesens ab, ob das, was in derAuenwelt vorhanden ist, auch fr das Wesen selbst als Wahrnehmung, als Empfindungvorhanden ist. (27) Was in der Luft als eine gewisse Bewegung vorhanden ist, wird im Men-schen zur Schallempfindung. Die uerungen der Lebenskraft nimmt der Mensch durch diegewhnlichen Sinne nicht wahr. Er sieht die Farben der Pflanze, er riecht ihren Duft; dieLebenskraft bleibt dieser Beobachtung verborgen. Aber sowenig der Blindgeborene mit Rechtdie Farben ableugnet, sowenig drfen die gewhnlichen Sinne die Lebenskraft ableugnen. DieFarben sind fr den Blindgeborenen da, sobald er operiert worden ist; ebenso sind fr denMenschen die mannigfaltigen, durch die Lebenskraft geschaffenen Arten der Pflanzen undTiere, nicht blo die Individuen, auch als Wahrnehmung vorhanden, wenn sich ihm das Organdafr erschliet. Eine ganz neue Welt geht dem Menschen durch die Erschlieung diesesOrgans auf. Er nimmt nun nicht mehr blo die Farben, Gerche und so weiter der Lebewesen,sondern das Leben dieser Lebewesen selbst wahr. In jeder Pflanze, in jedem Tier empfindet erauer der physischen Gestalt noch die lebenerfllte Geistgestalt. Um einen Ausdruck dafr zuhaben, sei diese Geistgestalt der therleib oder Lebensleib 1) genannt. [1) Der Verfasser diesesBuches hat lange Zeit nach Abfassung desselben (vgl. Zeitschrift Das Reich, viertes Buch des ersten Jahrgangs [Januar1917]) dasjenige, was hier ther- oder Lebensleib genannt wird, auch Bilde-Krfte-Leib genannt. Zu dieser Namengebungfhlte er sich veranlat, weil er glaubt, da man nicht genug tun kann, um dem Miverstndnis vorzubeugen, das hier mittherleib Gemeinte zu verwechseln mit der Lebenskraft der lteren Naturwissenschaft. Wo es sich um Abweisung dieserlteren Vorstellung einer Lebenskraft im Sinne der modernen Naturwissenschaft handelt, steht der Verfasser in einemgewissen Sinne auf dem Standpunkt der Gegner einer solchen Kraft. Denn mit dieser wollte man die besondere Wir-kungsweise der unorganischen Krfte im Organismus erklren. Aber was im Organismus unorganisch wirkt, das wirkt danicht anders als in dem Bereich der unorganischen Welt. Die Gesetze der unorganischen Natur sind im Organismus keineanderen als im Kristall usw. Aber im Organismus liegt eben etwas vor, was nicht unorganisch ist: das bildende Leben.Diesem liegt der ther- oder Bilde-Krfte-Leib zugrunde. Durch seine Annahme wird die berechtigte Aufgabe der Natur-forschung nicht gestrt: dasjenige, was sie ber Krftewirksamkeiten in der unorganischen Natur beobachtet, auch in dieOrganismenwelt hinein zu verfolgen. Und es abzulehnen, diese Wirksamkeit innerhalb des Organismus durch eine besondereLebenskraft abgendert zu denken, das sieht auch eine wahre Geisteswissenschaft als berechtigt an. Der Geistesforscherspricht vom therleib insofern, als im Organismus sich noch anderes offenbart als im Leblosen. Trotz alledem findet sichder Verfasser dieses Buches nicht veranlat, hier den Namen therleib durch den anderen Bilde-Krfte-Leib zuersetzen, da innerhalb des ganzen Zusammenhanges, der hier sich findet, fr jeden, der sehen will, ein Miverstndnisausgeschlossen ist. Ein solches kann mir eintreten, wenn man den Namen in einer Ausfhrung gebraucht, die diesenZusammenhang nicht zeigen kann. (Man vergleiche damit auch das am Schlusse dieses Buches unter EinzelneBemerkungen und Ergnzungen Gesagte.)]Fr den Erforscher des geistigen Lebens stellt sich diese Sache in der folgenden Art dar. Ihmist der therleib nicht etwa blo ein Ergebnis der Stoffe und Krfte des physischen Leibes,sondern eine selbstndige, wirkliche Wesenheit, welche die genannten physischen Stoffe undKrfte erst zum Leben aufruft. (28) Im Sinne der Geisteswissenschaft spricht man, wenn mansagt: ein bloer physischer Krper hat seine Gestalt zum Beispiel ein Kristall durch diedem Leblosen innewohnenden physischen Gestaltungskrfte; ein lebendiger Krper hat seineForm nicht durch diese Krfte, denn in dem Augenblicke, wo das Leben aus ihm gewichen istund er nur den physischen Krften berlassen ist, zerfllt er. (29) Der Lebensleib ist eineWesenheit, durch welche in jedem Augenblicke whrend des Lebens der physische Leib vordem Zerfalle bewahrt wird. Um diesen Lebensleib zu sehen, ihn an einem anderen Wesen

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    wahrzunehmen, braucht man eben das erweckte geistige Auge. Ohne dieses kann man auslogischen Grnden seine Existenz annehmen; schauen kann man ihn aber mit dem geistigenAuge, wie man die Farbe mit dem physischen Auge schaut. Man sollte sich an demAusdruck therleib nicht stoen. ther bezeichnet hier etwas anderes als denhypothetischen ther der Physik. Man nehme die Sache einfach als Bezeichnung fr das hin,was hier beschrieben wird. Und wie der physische Menschenleib in seinem Bau ein Abbildseiner Aufgabe ist, so ist es auch des Menschen therleib. Man versteht auch diesen nur,wenn man ihn im Hinblick auf den denkenden Geist betrachtet. Durch seine Hinordnung aufden denkenden Geist unterscheidet sich der therleib des Menschen von demjenigen derPflanzen und Tiere. So wie der Mensch durch seinen physischen Leib der mineralischen, sogehrt er durch seinen therleib der Lebenswelt an. Nach dem Tode lst sich der physischeLeib in der Mineralwelt, der therleib in der Lebenswelt auf. Mit Leib soll bezeichnetwerden, was einem Wesen von irgendeiner Art Gestalt, Form gibt. Man sollte denAusdruck Leib nicht mit sinnlicher Krperform verwechseln. In dem in dieser Schriftgemeinten Sinne kann die Bezeichnung Leib auch fr das gebraucht werden, was sich alsSeelisches und Geistiges gestaltet.

    (6) Der Lebensleib ist noch etwas dem Menschen uerliches. Mit dem ersten Regen derEmpfindung antwortet das Innere selbst auf die Reize der Auenwelt. Man mag dasjenige,was man Auenwelt zu nennen berechtigt ist, noch so weit verfolgen: die Empfindung wirdman nicht finden knnen. Die Lichtstrahlen dringen in das Auge; sie pflanzen siehinnerhalb desselben bis zur Netzhaut fort. Da rufen sie chemische Vorgnge (im sogenanntenSehpurpur) hervor; die Wirkung dieser Reize setzt sich durch den Sehnerv bis zum Gehirnfort; dort entstehen weitere physische Vorgnge. Knnte man diese beobachten, so she maneben physische Vorgnge wie anderswo in der Auenwelt. Vermag ich den Lebensleib zubeobachten, so werde ich wahrnehmen, wie der physische Gehirnvorgang zugleich einLebensvorgang ist. Aber die Empfindung der blauen Farbe, die der Empfnger derLichtstrahlen hat, kann ich auf diesem Wege nirgends finden. Sie ersteht erst innerhalb derSeele dieses Empfngers. Wre also das Wesen dieses Empfngers mit dem physischenKrper und dem therleib erschpft, so knnte die Empfindung nicht da sein. Ganzwesentlich unterscheidet sich die Ttigkeit, durch welche die Empfindung zur Tatsache wird,von dem Wirken der Lebensbildekraft. Ein inneres Erlebnis wird durch jene Ttigkeit ausdiesem Wirken hervorgelockt. Ohne diese Ttigkeit wre ein bloer Lebensvorgang da, wieman ihn auch an der Pflanze beobachtet. Man stelle sich den Menschen vor, wie er von allenSeiten Eindrcke empfngt. Man mu sich ihn zugleich nach allen Richtungen hin, woher erdiese Eindrcke empfngt, als Quell der bezeichneten Ttigkeit denken. Nach allen Seitenhin antworten die Empfindungen auf die Eindrcke. Dieser Ttigkeitsquell sollEmpfindungsseele heien. Diese Empfindungsseele ist ebenso wirklich wie der physischeKrper. Wenn ein Mensch vor mir steht und ich sehe von seiner Empfindungsseele ab, indemich ihn mir blo als physischen Leib vorstelle, so ist das gerade so, als wenn ich mir voneinem Gemlde blo die Leinwand vorstelle. (30)

    (7) Auch in bezug auf die Wahrnehmung der Empfindungsseele mu hnliches gesagtwerden wie vorher im Hinblick auf den therleib. Die leiblichen Organe sind blind fr sie.Und auch das Organ, von dem das Leben als Leben wahrgenommen werden kann, ist es. Aberso, wie durch dieses Organ der therleib geschaut wird, so kann durch ein noch hheresOrgan die innere Welt der Empfindungen zu einer besonderen Art bersinnlicherWahrnehmungen werden. Der Mensch empfindet dann nicht nur die Eindrcke derphysischen und der Lebenswelt, sondern er schaut die Empfindungen. Vor einem Menschenmit einem solchen Organ liegt die Welt der Empfindungen eines andern Wesens wie eine

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    uere Wirklichkeit da. Man mu unterscheiden zwischen dem Erleben der eigenenEmpfindungswelt und dem Anschauen der Empfindungswelt eines andern Wesens. In seineeigene Empfindungswelt hineinschauen kann natrlich jeder Mensch; die Empfindungswelteines andern Wesens schauen kann nur der Seher mit dem geffneten geistigen Auge. OhneSeher zu sein, kennt der Mensch die Empfindungswelt nur als innere, nur als die eigenenverborgenen Erlebnisse seiner Seele; mit dem geffneten geistigen Auge leuchtet vor demueren geistigen Anblick auf, was sonst nur im Innern des andern Wesens lebt.

    (8) Um Miverstndnissen vorzubeugen, sei hier ausdrcklich gesagt, da der Sehernicht etwa in sich dasselbe erlebt, was das andere Wesen als seinen Inhalt derEmpfindungswelt in sich hat. Dieses erlebt die Empfindungen von dem Gesichtspunkte seinesInnern; der Seher nimmt eine Offenbarung, eine uerung der Empfindungswelt wahr. (31)

    (9) Die Empfindungsseele hngt in bezug auf ihre Wirkung vom therleib ab. Denn ausihm holt sie ja das hervor, was sie als Empfindung aufglnzen lassen soll. Und da dertherleib das Leben innerhalb des physischen Leibes ist, so ist die Empfindungsseele auchvon diesem mittelbar abhngig. Nur bei richtig lebendem, wohl gebautem Auge sindentsprechende Farbenempfindungen mglich. Dadurch wirkt die Leiblichkeit auf dieEmpfindungsseele. Diese ist also durch den Leib in ihrer Wirksamkeit bestimmt und begrenzt.Sie lebt innerhalb der ihr durch die Leiblichkeit gezogenen Grenzen. Der Leib wird also ausden mineralischen Stoffen auferbaut, durch den therleib belebt, und er begrenzt selbst dieEmpfindungsseele. Wer also das oben erwhnte Organ zum Schauen der Empfindungsseelehat, der erkennt sie durch den Leib begrenzt. Aber die Grenze der Empfindungsseele flltnicht mit derjenigen des physischen Krpers zusammen. Diese Seele ragt ber den physischenLeib hinaus. Man sieht daraus, da sie sich mchtiger erweist, als er ist. Aber die Kraft, durchdie ihr die Grenze gesetzt ist, geht von dem physischen Leibe aus. Damit stellt sich zwischenden physischen Leib und den therleib einerseits und die Empfindungsseele andererseits nochein besonderes Glied der menschlichen Wesenheit hin. Es ist der Seelenleib oderEmpfindungsleib. Man kann auch sagen: ein Teil des therleibes sei feiner als der brige, unddieser feinere Teil des therleibes bildet eine Einheit mit der Empfindungsseele, whrend dergrbere Teil eine Art Einheit mit dem physischen Leib bildet. Doch ragt, wie gesagt, dieEmpfindungsseele ber den Seelenleib hinaus.

    (10) Was hier Empfindung genannt wird, ist nur ein Teil des seelischen Wesens. (DerAusdruck Empfindungsseele wird der Einfachheit halber gewhlt.) An die Empfindungenschlieen sich die Gefhle der Lust und Unlust, die Triebe, Instinkte, Leidenschaften. All dastrgt denselben Charakter des Eigenlebens wie die Empfindungen und ist, wie sie, von derLeiblichkeit abhngig.

    (11) Ebenso wie mit dem Leibe tritt die Empfindungsseele auch mit dem Denken, demGeiste, in Wechselwirkung. Zunchst dient ihr das Denken. Der Mensch bildet sich Gedankenber seine Empfindungen. Dadurch klrt er sich ber die Auenwelt auf. Das Kind, das sichverbrannt hat, denkt nach und gelangt zu dem Gedanken: das Feuer brennt. Auch seinenTrieben, Instinkten und Leidenschaften folgt der Mensch nicht blindlings; sein Nachdenkenfhrt die Gelegenheit herbei, durch die er sie befriedigen kann. Was man materielle Kulturnennt, bewegt sich durchaus in dieser Richtung. Sie besteht in den Diensten, die das Denkender Empfindungsseele leistet. Unermeliche Summen von Denkkrften werden auf dieses Zielgerichtet. Denkkraft ist es, die Schiffe, Eisenbahnen, Telegraphen, Telephone gebaut hat; undalles das dient zum weitaus grten Teil zur Befriedigung von Bedrfnissen derEmpfindungsseelen. In hnlicher Art, wie die Lebensbildekraft den physischen Krper

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    durchdringt, so durchdringt die Denkkraft die Empfindungsseele. Die Lebensbildekraft knpftden physischen Krper an Vorfahren und Nachkommen und stellt ihn dadurch in eineGesetzmigkeit hinein, die das blo Mineralische nichts angeht. Ebenso stellt die Denkkraftdie Seele in eine Gesetzmigkeit hinein, der sie als bloe Empfindungsseele nicht angehrt. Durch die Empfindungsseele ist der Mensch dem Tiere verwandt. Auch beim Tierebemerken wir das Vorhandensein von Empfindungen, Trieben, Instinkten undLeidenschaften. Aber das Tier folgt diesen unmittelbar. Sie werden bei ihm nicht mitselbstndigen, ber das unmittelbare Erleben hinausgehenden Gedanken durchwoben. Auchbeim unentwickelten Menschen ist das bis zu einem gewissen Grade der Fall. Die bloeEmpfindungsseele ist daher verschieden von dem entwickelten hheren Seelengliede, welchesdas Denken in seinen Dienst stellt. Als Verstandesseele sei diese vom Denken bediente Seelebezeichnet. Man knnte sie auch die Gemtsseele oder das Gemt nennen.

    (12) Die Verstandesseele durchdringt die Empfindungsseele. Wer das Organ zumSchauen der Seele hat, sieht daher die Verstandesseele als eine besondere Wesenheitgegenber der bloen Empfindungsseele an.

    (13) Durch das Denken wird der Mensch ber das Eigenleben hinausgefhrt. Er erwirbt sichetwas, das ber seine Seele hinausreicht. Es ist fr ihn eine selbstverstndliche berzeugung,da die Denkgesetze in bereinstimmung mit der Weltordnung sind. Er betrachtet sichdeshalb als ein Einheimischer in der Welt, weil diese bereinstimmung besteht. Diesebereinstimmung ist eine der gewichtigen Tatsachen, durch die der Mensch seine eigeneWesenheit kennenlernt. In seiner Seele sucht der Mensch nach Wahrheit; und durch dieseWahrheit spricht sich nicht allein die Seele, sondern sprechen sich die Dinge der Welt aus.Was durch das Denken als Wahrheit erkannt wird, hat eine selbstndige Bedeutung, die sichauf die Dinge der Welt bezieht, nicht blo auf die eigene Seele. (33) Mit meinem Entzckenber den Sternenhimmel lebe ich in mir; die Gedanken, die ich mir ber die Bahnen derHimmelskrper bilde, haben fr das Denken jedes anderen dieselbe Bedeutung wie fr dasmeinige. Es wre sinnlos, von meinem Entzcken zu sprechen, wenn ich selbst nichtvorhanden wre; aber es ist nicht in derselben Weise sinnlos, von meinen Gedanken auchohne Beziehung auf mich zu sprechen. Denn die Wahrheit, die ich heute denke, war auchgestern wahr und wird morgen wahr sein, obschon ich mich nur heute mit ihr beschftige.Macht eine Erkenntnis mir Freude, so ist diese Freude so lange von Bedeutung, als sie in mirlebt; die Wahrheit der Erkenntnis hat ihre Bedeutung ganz unabhngig von dieser Freude. Indem Ergreifen der Wahrheit verbindet sich die Seele mit etwas, das seinen Wert in sieh selbsttrgt. Und dieser Wert verschwindet nicht mit der Seelenempfindung, ebensowenig wie er mitdieser entstanden ist. Was wirklich Wahrheit ist, das entsteht nicht und vergeht nicht: das hateine Bedeutung, die nicht vernichtet werden kann. Dem widerspricht es nicht, da einzelnemenschliche Wahrheiten nur einen vorbergehenden Wert haben, weil sie in einer gewissenZeit als teilweise oder ganze Irrtmer erkannt werden. Denn der Mensch mu sich sagen, dadie Wahrheit doch in sich selbst besteht, wenn auch seine Gedanken nur vergnglicheErscheinungsformen der ewigen Wahrheiten sind. Auch wer wie Lessing sagt, er begngesich mit dem ewigen Streben nach Wahrheit, da die volle, reine Wahrheit doch nur fr einenGott da sein knne, der leugnet nicht den Ewigkeitswert der Wahrheit, sondern er besttigtihn gerade durch solchen Ausspruch. Denn nur was eine ewige Bedeutung in sich selbst hat,kann ein ewiges Streben nach sich hervorrufen. Wre die Wahrheit nicht in sich selbstndig,erhielte sie ihren Wert und ihre Bedeutung durch die menschliche Seelenempfindung, dannknnte sie nicht ein einiges Ziel fr alle Menschen sein. Indem man nach ihr streben will,gesteht man ihr ihre selbstndige Wesenheit zu.

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    (14) Und wie mit dem Wahren, so ist es mit dem wahrhaft Guten. Das Sittlich-Gute istunabhngig von Neigungen und Leidenschaften, insofern es sieh nicht von ihnen gebietenlt, sondern ihnen gebietet. Gefallen und Mifallen, Begehren und Verabscheuen gehrender eigenen Seele des Menschen an; die Pflicht steht ber Gefallen und Mifallen. So hochkann dem Menschen die Pflicht stehen, da er fr sie das Leben opfert. Und der Mensch stehtum so hher, je mehr er seine Neigungen, sein Gefallen und Mifallen dahin veredelt hat, dasie ohne Zwang, ohne Unterwerfung durch sich selbst der erkannten Pflicht folgen. DasSittlich-Gute hat ebenso wie die Wahrheit seinen Ewigkeitswert in sich und erhlt ihn nichtdurch die Empfindungsseele.

    (15) Indem der Mensch das selbstndige Wahre und Gute in seinem Innern aufleben lt,erhebt er sich ber die bloe Empfindungsseele. Der ewige Geist scheint in diese herein. EinLicht geht in ihr auf, das unvergnglich ist. Sofern die Seele in diesem Lichte lebt, ist sieeines Ewigen teilhaftig. Sie verbindet mit ihm ihr eigenes Dasein. Was die Seele als Wahresund Gutes in sich trgt, ist unsterblich in ihr. Das, was in der Seele als Ewiges aufleuchtet,sei hier Bewutseinsseele genannt. Von Bewutsein kann man auch bei den niedrigerenSeelenregungen sprechen. Die alltglichste Empfindung ist Gegenstand des Bewutseins.Insofern kommt auch dem Tiere Bewutsein zu. Der Kern des menschlichen Bewutseins,also die Seele in der Seele, ist hier mit Bewutseinsseele gemeint. Die Bewutseinsseele wirdhier noch als ein besonderes Glied der Seele von der Verstandesseele unterschieden. Dieseletztere ist noch in die Empfindungen, in die Triebe, Affekte und so weiter verstrickt. JederMensch wei, wie ihm zunchst das als wahr gilt, was er in seinen Empfindungen und soweiter vorzieht. Erst diejenige Wahrheit aber ist die bleibende, die sich losgelst hat vonallem Beigeschmack solcher Sympathien und Antipathien der Empfindungen und so weiter.(35) Die Wahrheit ist wahr, auch wenn sich alle persnlichen Gefhle gegen sie auflehnen.Derjenige Teil der Seele, in dem diese Wahrheit lebt, soll Bewutseinsseele genannt werden.

    (16) So htte man, wie in dem Leib, auch in der Seele drei Glieder zu unterscheiden. dieEmpfindungsseele, die Verstandesseele und die Bewutseinsseele. Und wie von unten heraufdie Leiblichkeit auf die Seele begrenzend wirkt, so wirkt von oben herunter die Geistigkeitauf sie erweiternd. Denn je mehr sich die Seele von dem Wahren und Guten erfllt, destoweiter und umfassender wird das Ewige in ihr. Fr denjenigen, der die Seele zu schauenvermag, ist der Glanz, der von dem Menschen ausgeht, weil sein Ewiges sich erweitert, eineeben solche Wirklichkeit, wie fr das sinnliche Auge das Licht wirklich ist, das von einerFlamme ausstrahlt. Fr den Sehenden gilt der leibliche Mensch nur als ein Teil des ganzenMenschen. Der Leib liegt als das grbste Gebilde inmitten anderer, die ihn und sich selbstgegenseitig durchdringen. Als eine Lebensform erfllt den physischen Krper der therleib;an allen Seiten ber diesen hinausragend erkennt man den Seelenleib (Astralgestalt). Undwieder ber diesen hinausragend die Empfindungsseele, dann die Verstandesseele, die um sogrer wird, je mehr sie von dem Wahren und Guten in sich aufnimmt. Denn dieses Wahreund Gute bewirkt die Erweiterung der Verstandesseele. Ein Mensch, der lediglich seinenNeigungen, seinem Gefallen und Mifallen leben wrde, htte eine Verstandesseele, derenGrenzen mit denen seiner Empfindungsseele zusammenfielen. Diese Gebilde, inmitten derender physische Krper wie in einer Wolke erscheint, kann man die menschliche Aura nennen.Sie ist dasjenige, um das sich das Wesen des Menschen bereichert, wenn es in der Artgeschaut wird, wie diese Schrift versucht, es darzustellen.

    (17) Im Laufe der Kindheitsentwickelung tritt im Leben des Menschen der Augenblick ein,in dem er sich zum erstenmal als ein selbstndiges Wesen gegenber der ganzen brigen Weltempfindet. Fein empfindenden Menschen ist das ein bedeutsames Erlebnis. Der Dichter Jean

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    Paul erzhlt in seiner Lebensbeschreibung: Nie vergesse ich die noch keinem Menschenerzhlte Erscheinung in mir, wo ich bei der Geburt meines Selbstbewutseins stand, von derich Ort und Zeit anzugeben wei. An einem Vormittag stand ich als ein sehr junges Kindunter der Haustr und sah links nach der Holzlege, als auf einmal das innere Gesicht, ich binein Ich, wie ein Blitzstrahl vorn Himmel auf mich fuhr und seitdem leuchtend stehenblieb: dahatte mein Ich zum erstenmal sich selber gesehen und auf ewig. Tuschungen des Erinnernssind hier schwerlich denkbar, da kein fremdes Erzhlen sich in eine blo im verhangenenAllerheiligsten des Menschen vorgefallene Begebenheit, deren Neuheit allein so alltglichenNebenumstnden das Bleiben gegeben, mit Zustzen mengen konnte. Es ist bekannt, dakleine Kinder von sich sagen: Karl ist brav, Marie will das haben. Man findet esangemessen, da sie von sich so wie von andern reden, weil sie sich ihrer selbstndigenWesenheit noch nicht bewut geworden sind, weil das Bewutsein vom Selbst noch nicht inihnen geboren ist. Durch das Selbstbewutsein bezeichnet sich der Mensch als einselbstndiges, von allem brigen abgeschlossenes Wesen, als Ich. Im Ich fat derMensch alles zusammen, was er als leibliche und seelische Wesenheit erlebt. Leib und Seelesind die Trger des Ich; in ihnen wirkt es. Wie der physische Krper im Gehirn, so hat dieSeele im Ich ihren Mittelpunkt. (36) Zu Empfindungen wird der Mensch von auenangeregt; Gefhle machen sich geltend als Wirkungen der Auenwelt; der Wille bezieht sichauf die Auenwelt, denn er verwirklicht sich in ueren Handlungen. Das Ich bleibt als dieeigentliche Wesenheit des Menschen ganz unsichtbar. Treffend nennt daher Jean Paul dasGewahrwerden des Ich eine blo im verhangenen Allerheiligsten des Menschenvorgefallene Begebenheit. Denn mit seinem Ich ist der Mensch ganz allein. Und diesesIch ist der Mensch selbst. Das berechtigt ihn, dieses Ich als seine wahre Wesenheitanzusehen. Er darf deshalb seinen Leib und seine Seele als die Hllen bezeichnen,innerhalb deren er lebt; und er darf sie als leibliche Bedingungen bezeichnen, durch die erwirkt. Im Laufe seiner Entwickelung lernt er diese Werkzeuge immer mehr als Diener seinesIch gebrauchen. Das Wrtchen Ich, wie es zum Beispiel in der deutschen Spracheangewendet wird, ist ein Name, der sich von allen anderen Namen unterscheidet. Wer berdie Natur dieses Namens in zutreffender Art nachdenkt, dem erffnet sich damit zugleich derZugang zur Erkenntnis der menschlichen Wesenheit im tiefern Sinne. Jeden andern Namenknnen alle Menschen in der gleichen Art auf das ihm entsprechende Ding anwenden. DenTisch kann jeder Tisch, den Stuhl jeder Stuhl nennen. Bei dem Namen Ich ist diesnicht der Fall. Es kann ihn keiner anwenden zur Bezeichnung eines andern; jeder kann nursich selbst Ich nennen. Niemals kann der Name Ich von auen an mein Ohr dringen,wenn er die Bezeichnung fr mich ist. Nur von innen heraus, nur durch sich selbst kann dieSeele sich als Ich bezeichnen. Indem der Mensch also zu sich Ich sagt, beginnt in ihmetwas zu sprechen, was mit keiner der Welten etwas zu tun hat, aus der die bisher genanntenHllen entnommen sind. Das Ich wird immer mehr Herrscher ber Leib und Seele. Auch das kommt in der Aura zum Ausdrucke. Je mehr das Ich Herrscher ist ber Leib undSeele, desto gegliederter, mannigfaltiger, farbenreicher ist die Aura. Die Wirkung des Ich aufdie Aura kann der Sehende schauen. Das Ich selbst ist auch ihm unsichtbar: dieses istwirklich in dem verhangenen Allerheiligsten des Menschen. Aber das Ich nimmt in sichdie Strahlen des Lichtes auf, das als ewiges Licht in dem Menschen aufleuchtet. (37) Wiedieser die Erlebnisse des Leibes und der Seele in dem Ich zusammenfat, so lt er auchdie Gedanken der Wahrheit und Gte in das Ich einflieen. Die Sinneserscheinungenoffenbaren sich dem Ich von der einen, der Geist von der andern Seite. Leib und Seelegeben sich dem Ich hin, um ihm zu dienen; das Ich aber gibt sich dem Geiste hin, da eres erflle. Das Ich lebt in Leib und Seele der Geist aber lebt im Ich. Und was vomGeiste im Ich ist, das ist ewig. Denn das Ich erhlt Wesen und Bedeutung von dem, womit esverbunden ist. Insofern es im physischen Krper lebt, ist es den mineralischen Gesetzen,durch den therleib ist es den Gesetzen der Fortpflanzung und des Wachstums, vermge der

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    Empfindungs- und Verstandesseele den Gesetzen der seelischen Welt unterworfen; insofernes das Geistige in sich aufnimmt, ist es den Gesetzen des Geistes unterworfen. Was diemineralischen, was die Lebensgesetze bilden, entsteht und vergeht; der Geist aber hat mitEntstehung und Untergang nichts zu tun. (38)

    (18) Das Ich lebt in der Seele. Wenn auch die hchste uerung des Ich derBewutseinsseele angehrt, so mu man doch sagen, da dieses Ich von da ausstrahlend dieganze Seele erfllt und durch die Seele seine Wirkung auf den Leib uert. Und in dem Ich istder Geist lebendig. Es strahlt der Geist in das Ich und lebt in ihm als in seiner Hlle, wiedas Ich in Leib und Seele als seinen Hllen lebt. Der Geist bildet das Ich von innen nachauen, die mineralische Welt von auen nach innen. Der ein Ich bildende und als Ichlebende Geist sei Geistselbst genannt, weil er als Ich oder Selbst des Menschenerscheint. Den Unterschied zwischen dem Geistselbst und der Bewutseinsseele kannman sich in folgender Art klarmachen. Die Bewutseinsseele berhrt die von jeder Antipathieund Sympathie unabhngige, durch sich selbst bestehende Wahrheit; das Geistselbst trgt insich dieselbe Wahrheit, aber aufgenommen und umschlossen durch das Ich; durch dasletztere individualisiert und in die selbstndige Wesenheit des Menschen bernommen.Dadurch, da die ewige Wahrheit so verselbstndigt und mit dem Ich zu einer Wesenheitverbunden wird, erlangt das Ich. selbst die Ewigkeit.

    (19) Das Geistselbst ist eine Offenbarung der geistigen Welt innerhalb des Ich, wie von derandern Seite her die Sinnesempfindung eine Offenbarung der physischen Welt innerhalb desIch ist. In dem, was rot, grn, hell, dunkel, hart, weich, warm, kalt ist, erkennt man dieOffenbarungen der krperlichen Welt; in dem, was wahr und gut ist, die Offenbarungen dergeistigen Welt. In dem gleichen Sinne, wie die Offenbarung des Krperlichen Empfindungheit, sei die Offenbarung des Geistigen Intuition genannt. Der einfachste Gedanke enthltschon Intuition, denn man kann ihn nicht mit Hnden tasten, nicht mit Augen sehen: man museine Offenbarung aus dem Geiste durch das Ich empfangen. Wenn ein unentwickelter undein entwickelter Mensch eine Pflanze ansehen, so lebt in dem Ich des einen etwas ganzanderes als in dem des zweiten. Und doch sind die Empfindungen beider durch denselbenGegenstand hervorgerufen. Die Verschiedenheit liegt darin, da der eine sich weitvollkommenere Gedanken ber den Gegenstand machen kann als der andere. Offenbarten dieGegenstnde sich allein durch die Empfindung, dann knnte es keinen Fortschritt in dergeistigen Entwickelung geben. Die Natur empfindet auch der Wilde; die Naturgesetzeoffenbaren sich erst den von der Intuition befruchteten Gedanken des hher entwickeltenMenschen. Die Reize der Auenwelt empfindet auch das Kind als Antrieb des Willens, dieGebote des sittlich Guten gehen ihm aber nur im Laufe der Entwickelung auf, indem es imGeiste leben und dessen Offenbarung verstehen lernt.

    (20) Wie ohne das Auge keine Farbenempfindungen da wren, so ohne das hhere Denkendes Geistselbst keine Intuitionen. Und sowenig die Empfindung die Pflanze schafft, an der dieFarbe erscheint, sowenig schafft die Intuition das Geistige, von welchem sie vielmehr mirKunde gibt. (39)

    (21) Durch die Intuitionen holt sich das Ich des Menschen, das in der Seele auflebt, dieBotschaften von oben, von der Geisteswelt, wie es sieh durch die Empfindungen dieBotschaften aus der physischen Welt holt. Und dadurch macht es die Geisteswelt ebenso zumEigenleben seiner Seele wie vermittels der Sinne die physische Welt. Die Seele, oder das inihr aufleuchtende Ich, ffnet nach zwei Seiten hin seine Tore: nach der Seite des Krperlichenund nach derjenigen des Geistigen.

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    (22) Wie nun die physische Welt dem Ich nur dadurch von sich Kunde geben kann, dasie aus ihren Stoffen und Krften einen Krper aufbaut, in dem die bewute Seele leben kannund innerhalb dessen diese Organe besitzt, um das Krperliche auer sich wahrzunehmen, sobaut auch die geistige Welt mit ihren Geistesstoffen und ihren Geisteskrften einenGeistkrper auf, in dem das Ich leben und durch Intuitionen das Geistige wahrnehmen kann.(Es ist einleuchtend, da die Ausdrcke Geiststoff, Geistkrper dem Wortsinne nach einenWiderspruch enthalten. Sie sollen nur gebraucht werden, um den Gedanken auf dasjenigehinzulenken, was im Geistigen dem physischen Leibe des Menschen entspricht.)

    (23) Und ebenso wie innerhalb der physischen Welt der einzelne menschliche Krper alseine abgesonderte Wesenheit aufgebaut wird, so innerhalb der Geisteswelt der Geistkrper. Esgibt in der Geisteswelt fr den Menschen ebenso ein Innen und Auen wie in der physischenWelt. Wie der Mensch aus der physischen Umwelt die Stoffe aufnimmt und sie in seinemphysischen Leib verarbeitet, so nimmt er aus der geistigen Umwelt das Geistige auf undmacht es zu dem Seinigen. Das Geistige ist die ewige Nahrung des Menschen. Und wie derMensch aus der physischen Welt geboren ist, so wird er aus dem Geiste durch die ewigenGesetze des Wahren und Guten geboren. Er ist von der auer ihm befindlichen Geistesweltabgetrennt, wie er von der gesamten physischen Welt als ein selbstndiges Wesen abgetrenntist. Diese selbstndige geistige Wesenheit sei Geistmensch genannt.

    (24) Wenn wir den physischen Menschenkrper untersuchen, finden wir in ihm dieselbenStoffe und Krfte, die auerhalb desselben in der brigen physischen Welt vorhanden sind. Soist es auch mit dem Geistmenschen. In ihm pulsieren die Elemente der ueren Geisteswelt, inihm sind die Krfte der brigen Geisteswelt ttig. Wie in der physischen Haut ein Wesen insich abgeschlossen wird, das lebend und empfindend ist, so auch in der Geisteswelt. Diegeistige Haut, die den Geistmenschen von der einheitlichen Geisteswelt abschliet, ihninnerhalb derselben zu einem selbstndigen Geisteswesen macht, das in sich lebt und intuitivden Geistesinhalt der Welt wahrnimmt, diese geistige Haut sei Geisteshlle (aurischeHlle) genannt. Nur mu festgehalten werden, da diese geistige Haut sich fortdauernd mitder fortschreitenden menschlichen Entwickelung ausdehnt, so da die geistige Individualittdes Menschen (seine aurische Hlle) einer unbegrenzten Vergrerung fhig ist.

    (25) Innerhalb dieser Geisteshlle lebt der Geistesmensch. (40) Dieser wird durch diegeistige Lebenskraft in demselben Sinne auferbaut, wie der physische Leib durch diephysische Lebenskraft. In hnlicher Weise, wie man von einem therleib spricht, mu mandaher von einem thergeist in bezug auf den Geistesmenschen sprechen. Dieser thergeistsei Lebensgeist genannt. - In drei Teile gliedert sich also die geistige Wesenheit des Men-schen: in den Geistmenschen, den Lebensgeist und das Geistselbst.

    (26) Fr den in den geistigen Gebieten Sehenden ist diese geistige Zr Wesenheit desMenschen als der hhere eigentliche geistige Teil der Aura eine wahrnehmbareWirklichkeit. Er schaut innerhalb der Geisteshlle den Geistesmenschen als Lebensgeist;und er schaut, wie sich dieser Lebensgeist fortwhrend durch Aufnahme vonGeistesnahrung aus der geistigen Auenwelt vergrert. Und ferner sieht er, wie durch dieseAufnahme sich die Geisteshlle fortdauernd weitet, wie der Geistmensch immer grer undgrer wird. Insofern dieses Grerwerden rumlich geschaut wird, ist esselbstverstndlich nur ein Bild der Wirklichkeit. Dessenungeachtet ist in der Vorstellungdieses Bildes die Menschenseele auf die entsprechende geistige Wirklichkeit hin gerichtet. Esist der Unterschied der geistigen Wesenheit des Menschen von seiner physischen, da die

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    letztere eine begrenzte Gre hat, whrend die erstere unbegrenzt wachsen kann. Was angeistiger Nahrung aufgenommen wird, hat ja einen Ewigkeitswert. Aus zwei sichdurchdringenden Teilen setzt sich deshalb die menschliche Aura zusammen. Dem einen gibtFrbung und Form das physische Dasein des Menschen, dem andern sein geistiges.

    (27) Das Ich gibt die Trennung zwischen beiden, in der Art, da sich das Physische inseiner Eigenart hingibt und einen Leib aufbaut, der eine Seele in sich aufleben lt-, und dasIch gibt sich wieder hin und lt in sich den Geist aufleben, der nun seinerseits die Seeledurchdringt und ihr das Ziel gibt in der Geisteswelt. Durch den Leib ist die Seeleeingeschlossen im Physischen, durch den Geistmenschen wachsen ihr die Flgel zurBewegung in der geistigen Welt. (41)

    (28) Will man den ganzen Menschen erfassen, so mu man ihn aus den genanntenBestandteilen zusammengesetzt denken. Der Leib baut sich aus der physischen Stoffwelt auf,so da dieser Bau auf das denkende Ich hingeordnet ist. Er ist von Lebenskraft durchdrungenund wird dadurch zum therleib oder Lebensleib. Als solcher schliet er sich in denSinnesorganen nach auen auf und wird zum Seelenleib. Diesen durchdringt dieEmpfindungsseele und wird eine Einheit mit ihm. Die Empfindungsseele empfngt nicht blodie Eindrcke der Auenwelt als Empfindungen; sie hat ihr eigenes Leben, das sich durch dasDenken auf der andern Seite ebenso befruchtet wie durch die Empfindungen auf der einen. Sowird sie zur Verstandesseele. Sie kann das dadurch, da sie sich nach oben hin den Intuitionenerschliet wie nach unten hin den Empfindungen. Dadurch ist sie Bewutseinsseele. Das istihr deshalb mglich, weil ihr die Geisteswelt das Intuitionsorgan hineinbildet, wie ihr der phy-sische Leib die Sinnesorgane bildet. (42) Wie die Sinne durch den Seelenleib dieEmpfindungen, so vermittelt ihr der Geist durch das Intuitionsorgan die Intuitionen. DerGeistmensch ist dadurch mit der Bewutseinsseele in einer Einheit verbunden wie derphysische Krper mit der Empfindungsseele im Seelenleib. Bewutseinsseele und Geistselbstbilden eine Einheit. In dieser Einheit lebt der Geistesmensch als Lebensgeist, wie der ther-leib fr den Seelenleib die leibliche Lebensgrundlage bildet. Und wie der physische Krper inder physischen Haut sich abschliet, so der Geistmensch in der Geisteshlle. Es ergibt sichdie Gliederung des ganzen Menschen in folgender Art:

    A. Physischer KrperB. therleib oder LebensleibC. SeelenleibD. EmpfindungsseeleE. VerstandesseeleF. BewutseinsseeleG. GeistselbstH. LebensgeistI. Geistesmensch.

    (29) Seelenleib (C) und Empfindungsseele (D) sind eine Einheit im irdischen Menschen -ebenso Bewutseinsseele (F) und Geistselbst (G). Dadurch ergeben sich sieben Teile desirdischen Menschen:

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    1. Der physische Krper2. Der ther- oder Lebensleib3. Der empfindende Seelenleib4. Die Verstandesseele5. Die geisterfllte Bewutseinsseele6. Der Lebensgeist7. Der Geistesmensch.

    (30) In der Seele blitzt das Ich auf, empfngt aus dem Geiste den Einschlag und wirddadurch zum Trger des Geistmenschen. Dadurch nimmt der Mensch an den drei Welten(der physischen, seelischen und geistigen) teil. Er wurzelt durch physischen Krper, therleibund Seelenleib in der physischen Welt und blht durch das Geistselbst, den Lebensgeist undGeistesmenschen in die geistige Welt hinauf. Der Stamm aber, der nach der einen Seitewurzelt, nach der andern blht, das ist die Seele selbst.

    (31) Man kann, durchaus im Einklange mit dieser Gliederung des Menschen, einevereinfachte Form derselben geben. Obwohl das menschliche Ich in der Bewutseinsseeleaufleuchtet, so durchdringt es doch das ganze seelische Wesen. Die Teile dieses seelischenWesens sind -berhaupt nicht so scharf gesondert wie die Leibesglieder; sie durchdringen sichin einem hheren Sinne. Fat man dann Verstandesseele und Bewutseinsseele als die zweizusammengehrigen Hllen des Ich und dieses als den Kern derselben ins Auge, dann kannman den Menschen gliedern in: physischen Leib, Lebensleib, Astralleib und Ich. Mit demAusdruck Astralleib wird dabei hier das bezeichnet, was Seelenleib und Empfindungsseelezusammen sind. Der Ausdruck findet sich in der lteren Literatur und sei hier frei angewendetauf dasjenige in der menschlichen Wesenheit, was ber das Sinnlich-Wahrnehmbarehinausliegt. (43) Trotzdem die Empfindungsseele in gewisser Beziehung auch von dem Ichdurchkraftet wird, hngt sie mit dem Seelenleib so eng zusammen, da fr beide, vereinigtgedacht, ein einziger Ausdruck berechtigt ist. Wenn nun das Ich sich mit dem Geistselbstdurchdringt, so tritt dieses Geistselbst so auf, da der Astralleib von dem Seelischen ausumgearbeitet wird. In dem Astralleib wirken zunchst des Menschen Triebe, Begierden,Leidenschaften, insofern diese empfunden werden; und es wirken in ihm die sinnlichenWahrnehmungen. Die sinnlichen Wahrnehmungen entstehen durch den Seelenleib als einGlied im Menschen, das ihm von der ueren Welt zukommt. Die Triebe, Begierden,Leidenschaften und so weiter entstehen in der Empfindungsseele, insofern diese vom Innerndurchkraftet wird, bevor dieses Innere sich dem Geistselbst hingegeben hat. Durchdringt sichdas Ich mit dem Geistselbst, so durchkraftet die Seele den Astralleib wieder mit diesemGeistselbst. Es drckt sich dies so aus, da dann die Triebe, Begierden und Leidenschaftendurchleuchtet sind von dem, was das Ich aus dem Geiste empfangen hat. Das Ich ist dannvermge seines Anteiles an der geistigen Welt Herr geworden in der Welt der Triebe,Begierden und so weiter. In dem Mae, als es dies geworden ist, erscheint das Geistselbst imAstralleib. Und dieser selbst wird dadurch verwandelt. Der Astralleib erscheint dann selbst alszweigliedrige Wesenheit, als zum Teil unverwandelt, zum Teil verwandelt. Daher kann mandas Geistselbst in seiner Offenbarung am Menschen als den verwandelten Astralleibbezeichnen. Ein hnliches geht in dem Menschen vor, wenn er in sein Ich den Lebensgeistaufnimmt. Dann verwandelt sich der Lebensleib. Er wird durchdrungen von dem Lebensgeist.Dieser offenbart sich in der Art, da der Lebensleib ein anderer wird. Daher kann man auchsagen, da der Lebensgeist der verwandelte Lebensleib ist. Und nimmt das Ich denGeistesmenschen in sich auf, so erhlt es dadurch die starke Kraft, den physischen Leib damitzu durchdringen. Es ist natrlich, da dasjenige, was so von dem physischen Leibe

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    verwandelt ist, nicht mit den physischen Sinnen wahrzunehmen ist. Es ist ja gerade das amphysischen Leib Geistesmensch geworden, was vergeistigt ist. Es ist dann fr die sinnlicheWahrnehmung als Sinnliches vorhanden; und insofern dieses Sinnliche vergeistigt ist, mu esvom geistigen Erkenntnisvermgen wahrgenommen werden. Den ueren Sinnen erscheinteben auch das vom Geistigen durchdrungene Physische nur sinnlich. (44) MitZugrundelegung von alledem kann man auch folgende Gliederung des Menschen geben:

    1. Physischer Leib2. Lebensleib3. Astralleib4. Ich als Seelenkern5. Geistselbst als verwandelter Astralleib6. Lebensgeist als verwandelter Lebensleib7. Geistesmensch als verwandelter physischer Leib.

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    WIEDERVERKRPERUNG DES GEISTES UND SCHICKSAL

    (1) In der Mitte zwischen Leib und Geist lebt die Seele. Die Eindrcke, die ihr durch denLeib zukommen, sind vorbergehend. Sie sind nur so lange vorhanden, als der Leib seineOrgane den Dingen der Auenwelt ffnet. Mein Auge empfindet die Farbe an der Rose nur solange, als die Rose ihm gegenbersteht und es selbst geffnet ist. Die Gegenwart sowohl desDinges in der Auenwelt wie auch diejenige des leiblichen Organs sind notwendig, damit einEindruck, eine Empfindung oder Wahrnehmung zustande kommen knnen. Was ich aber imGeiste als Wahrheit ber die Rose erkannt habe, das geht mit der Gegenwart nicht vorber.Und es ist in seiner Wahrheit auch ganz und gar nicht von mir abhngig. Es wre wahr, auchwenn ich niemals der Rose gegenbergetreten wre. Was ich durch den Geist erkenne, ist ineinem Elemente des Seelenlebens gegrndet, durch das die Seele mit einem Weltinhaltzusammenhngt, der in ihr sich unabhngig von ihren vergnglichen Leibesgrundlagenoffenbart. Es kommt nicht darauf an, ob das sich Offenbarende selbst berall einUnvergngliches ist, sondern darauf, ob die Offenbarung fr die Seele so geschieht, da dabeinicht ihre vergngliche Leibesgrundlage in Betracht kommt, sondern dasjenige, was in ihrvon diesem Vergnglichen unabhngig ist. Das Dauernde in der Seele ist in dem Augenblickein die Beobachtung gestellt, in dem man gewahr wird, da Erlebnisse da sind, die nicht durchihr Vergngliches begrenzt sind. Auch darum handelt es sich nicht, ob diese Erlebnissezunchst durch vergngliche Verrichtungen der Leibesorganisation bewut werden, sonderndarum, da sie etwas enthalten, was zwar in der Seele lebt, aber doch in seiner Wahrheitunabhngig ist von dem vergnglichen Vorgange der Wahrnehmung. (45) Zwischen Gegen-wart und Dauer ist die Seele gestellt, indem sie die Mitte hlt zwischen Leib und Geist. Abersie vermittelt auch Gegenwart und Dauer. Sie bewahrt das Gegenwrtige fr die Erinnerung.Dadurch entreit sie es der Vergnglichkeit und nimmt es in die Dauer ihres Geistigen auf.Auch prgt sie das Dauernde dem Zeitlich-Vergnglichen ein, indem sie in ihrem Leben sichnicht nur den vorbergehenden Reizen hingibt, sondern von sich aus die Dinge bestimmt,ihnen ihr Wesen in den Handlungen einverleibt, die sie verrichtet. Durch die Erinnerungbewahrt die Seele das Gestern; durch die Handlung bereitet sie das Morgen vor.

    (2) Meine Seele mte das Rot der Rose immer von neuem wahrnehmen, um es imBewutsein zu haben, wenn sie es nicht durch die Erinnerung behalten knnte. Das, was nachdem ueren Eindruck zurckbleibt, was von der Seele behalten werden kann, kannunabhngig von dem ueren Eindrucke wieder Vorstellung werden. Durch diese Gabe machtdie Seele die Auenwelt so zu ihrer eigenen Innenwelt, da sie diese dann durch das Gedcht-nis fr die Erinnerung behalten und unabhngig von den gewonnenen Eindrcken mit ihrweiter ein eigenes Leben fhren kann. Das Seelenleben wird so zur dauernden Wirkung dervergnglichen Eindrcke der Auenwelt.

    (3) Aber auch die Handlung erhlt Dauer, wenn sie einmal der Auenwelt aufgeprgt ist.Schneide ich einen Zweig von einem Baume, so ist durch meine Seele etwas geschehen, wasden Lauf der Ereignisse in der Auenwelt vollkommen ndert. Es wre mit dem Zweige andem Baume etwas ganz anderes geschehen, wenn ich nicht handelnd eingegriffen htte. Ichhabe eine Reihe von Wirkungen ins Leben gerufen, die ohne mein Dasein nicht vorhandengewesen wren. Was ich heute getan habe, bleibt fr morgen bestehen. Es wird dauernd durchdie Tat, wie meine Eindrcke von gestern fr meine Seele dauernd geworden sind durch dasGedchtnis.

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    (4) Fr dieses Dauerndwerden durch die Tat bildet man im gewhnlichen Bewutsein nichtin der gleichen Art eine Vorstellung aus, wie diejenige ist, die man fr Gedchtnis hat, frdas Dauerndwerden eines Erlebnisses, das auf Grund einer Wahrnehmung erfolgt. Aber wirdnicht das Ich des Menschen mit der in der Welt erfolgten Vernderung durch seine Tatebenso verbunden wie mit der aus einem Eindruck erfolgenden Erinnerung? (46) Das Ichurteilt ber neue Eindrcke anders, je nachdem es die eine oder die andere Erinnerung hatoder nicht. Aber es ist auch als Ich in eine andere Verbindung zur Welt getreten, jenachdem es die eine oder die andere Tat verrichtet hat oder nicht. Ob ich auf einen andernMenschen einen Eindruck gemacht habe durch eine Tat oder nicht, davon hngt es ab, obetwas in dem Verhltnisse der Welt zu meinem Ich vorhanden ist oder nicht. Ich bin inmeinem Verhltnis zur Welt ein anderer, nachdem ich auf meine Umgebung einen Eindruckgemacht habe. Da man, was hier gemeint ist, nicht so bemerkt wie die Vernderung desIch durch Erwerb einer Erinnerung, das rhrt allein davon her, da die Erinnerung sich so-gleich bei ihrer Bildung verbindet mit dem Seelenleben, das man schon immer als das seinigeempfunden hat; die uere Wirkung der Tat aber verluft, losgelst von diesem Seelenleben,in Folgen, die noch etwas anderes sind, als was man davon in der Erinnerung behlt.Dessenungeachtet aber sollte man zugeben, da, nach einer vollbrachten Tat, etwas in derWelt ist, dem sein Charakter durch das Ich aufgeprgt ist. Man wird, wenn man das hier inBetracht Kommende wirklich durchdenkt, zu der Frage kommen: Knnte es nicht sein, dadie Folgen einer vollbrachten Tat, denen ihr Wesen durch das Ich aufgeprgt ist, eineTendenz erhalten, zu dem Ich wieder hinzuzutreten, wie ein im Gedchtnis bewahrterEindruck wieder auflebt, wenn sich dazu eine uere Veranlassung ergibt? Das im GedchtnisBewahrte wartet auf eine solche Veranlassung. Knnte nicht das in der Auenwelt mit demIch-Charakt