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In dem Beitrag "Meritorik und Transak-tionskosten: Ökonomische Argumente

für eine Förderung des ökologischenLandbaus" [1] stellt sich Stefan Mann diezweifellos wichtige Aufgabe, nach einerBegründung für die Förderung des öko-logischen Landbaus zu suchen. Einenaußenstehenden Beobachter der deut-schen Agrarpolitik muß diese Themen-stellung überraschen. Gibt es etwa keineeindeutig guten Gründe für die Förderungdes ökologischen Landbaus als einesbedeutenden Teils der "Wende in derAgrarpolitik"? Die Themenstellung deu-tet an, daß dem nicht so ist.

Der Autor geht von dem allgemeinenKonsens aus, daß in unserem Wirt-schaftssystem grundsätzlich das Primatdes Marktes gilt und Staatseingriffe –etwa in Form einer Förderung bestimm-ter Produktionsweisen – daher einer Be-gründung bedürfen.

Er führt zwei Gründe für die staatlicheFörderung des ökologischen Landbaus an: 1. Die Annahme, ökologisch produzierteLebensmittel seien individualistisch-meritorische Güter.2. Der ökologische Landbau könne ge-wünschte Umwelteffekte billiger erzielenals der konventionelle Landbau. Im Folgenden soll gezeigt werden, daßManns Argumentation kritische Leserkaum überzeugen kann.

Meritorische Güter Individualistisch-meritorische Güter

liegen vor, wenn ein Unterschied zwi-schen reflexiven Präferenzen und Markt-präferenzen in bezug auf den Konsumdieser Güter festgestellt wird. Marktprä-ferenzen kann man leicht an der Zah-lungsbereitschaft für marktgängigeProdukte ablesen, für reflexive Präferen-zen gibt es dagegen keine direkte Infor-mation. Während die Marktpräferenzenzeigen, was das Individuum tatsächlich

entschieden hat, sollen die reflexiven Prä-ferenzen das angeben, was es eigentlichwill. Differieren beide Präferenzen, wirdgefolgert, daß das Individuum an Wil-lensschwäche leidet – es ist nicht in derLage, das zu tun, was gut für es wäre. DerAutor behauptet, daß die Existenz vonmeritorischen Gütern die Begründung fürvielfältige wirtschaftspolitische Eingrif-fe in den Markt liefere. So sei etwa dieHelmpflicht für Motorradfahrer oderauch das Verbot von Drogen nur durchden Status von Motorradhelmen und Dro-gen als meritorische (beziehungsweisedemeritorische) Güter zu rechtfertigen.Dem kann man aber widersprechen:Drogeneinnahme wie auch Fahren ohneHelm kann zu erheblicher negativer Be-einflussung anderer führen. Um in diesenFällen Staatseingriffe zu begründen, be-darf es daher nicht der Existenz meritori-scher Güter; dazu reicht die Existenz ex-terner Effekte vollkommen.

Außerdem: Kann man wirklich be-gründen, daß ökologisch produzierte Le-bensmittel individualistisch-meritorischeGüter sind? Der Autor meint, daß dieGegenüberstellung der Ergebnisse vonBefragungen und tatsächlicher Käufe alsBeweis dafür dienen kann. Diese Inter-pretation ist aber alles andere als zwin-gend. Die Ergebnisse von Befragungenüber die Einstellung zur Wende oder zuBioprodukten können nicht Auskunftüber die wahren Präferenzen geben.Ausdruck einer wahren Präferenz wäregegeben, wenn Situation A (Verzehr vonBioprodukten) einer Situation B (Genußvon konventionell produzierten Produk-ten) unter sonst gleichen Bedingungenvorgezogen würde. Diese Bedingungensind aber nur dann gleich, wenn unteranderem die Preise für beide Produkt-gruppen gleich sind. Da in der SituationA aber die Preise höher sind, mußgleichzeitig auf den Konsum andererProdukte verzichtet werden. Bei den zi-tierten Umfragen über die Akzeptanz derWende wird nicht abgefragt, ob die Ver-braucher auch bei den gegebenen Preis-unterschieden Bioprodukte kaufen wür-den. Niemand weiß, warum die Ver-braucher – selbst dann, wenn sie eine

positive Einstellung zu Bioproduktenhaben – nicht mehr davon kaufen. Mankann vermuten, daß viele Menschen einepositive Einstellung zu Nobelklasseautoshaben, sie aber dennoch nicht kaufen,weil sie ihnen zu teuer sind. Es wirdsogar gelten, daß sich manche Verbrau-cher einen solchen Wagen leisten könn-ten, es aber nicht tun, weil ihnen derPreis zu hoch ist. Der Autor argumen-tiert, der 50-prozentige Preisunterschiedzwischen Bioprodukten und konventio-nell erzeugter Ware sei nicht so bedeu-tend für das Verbraucherbudget. Wenndie Konsumenten diese Produkte nichtkaufen und damit von ihren reflexivenPräferenzen abweichen, liegt es nachMeinung des Autors daran, daß sie zuwillensschwach sind. Der Staat sei daheraufgefordert, durch die Förderung desökologischen Landbaus den Konsumen-ten zu ihrem Glück zu verhelfen.

Es muß mit Nachdruck darauf hinge-wiesen werden, daß Manns Interpretationsubjektiver Natur ist. Natürlich kann essein, daß manch ein Verbraucher nichtweiß, was für ihn gut ist. Würde man abergrundsätzlich unterstellen, daß Individuennicht wissen, was für sie gut ist, könnteman mit diesem subjektiven Argumentjeden Staatseingriff rechtfertigen.

Ein weiteres Argument kann gegen diegenannte Interpretation angeführt werden. Wären denn die Verbraucher tatsächlichbesser gestellt, wenn sie mehr Bioproduk-te konsumieren würden? Der Autor weistdarauf hin, es sei nicht von Bedeutung, obBioprodukte tatsächlich besser (gesünder)seien, wichtig sei nur, daß die Verbraucherdieses subjektiv so empfänden. Es kannnicht bezweifelt werden, daß die Verbrau-cher weder zum Zeitpunkt der Befragun-gen noch zum Zeitpunkt des Kaufes vollinformiert waren. So dürften viele Ver-braucher nicht wissen, daß die bessere ge-sundheitliche Wirkung von Bioproduktenwissenschaftlich nicht nachgewiesen ist.Daher ist zu vermuten, daß die positiveEinstellung zu Bioprodukten auch durchunzureichende Information beeinflußt ist.Kann man unter diesen Bedingungenwirklich argumentieren, die Mitglieder derGesellschaft sollen mit höheren Steuern

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* Postadresse: Prof. Dr. U. KoesterChristian-Albrechts-Universität KielD-24098 Kiel (Deutschland)

E-Mail: [email protected]

Landwirten die richtigen Signale gebenUlrich Koester*

belastet werden, um den ökologischenLandbau zu fördern? Es ist natürlich rich-tig, daß niemand weiß, warum die Befrag-ten so oder so geantwortet haben. Da mandas aber nicht weiß, ist es nicht überzeu-gend, auf diese Argumentation staatlicheFörderungsprogramme zu basieren. Wenngenerell das Primat des Marktes gilt, habendiejenigen, die staatliche Interventionenfordern, überzeugend zu begründen, daßsich die Situation der Menschen in derGesellschaft dadurch verbessert. Der Re-kurs auf individualistisch-meritorischeGüter bietet somit keine überzeugende Be-gründung für die Förderung des ökologi-schen Landbaus.

Verwunderlich ist die den Personenunterstellte Schizophrenie als Verbrau-cher und als Wähler. Der Verfasserargumentiert, daß der Verbraucher alsWähler die Politiker unterstützt, die ihmzu seinem Glück verhelfen. Der Wählerweiß angeblich, welche Partei ihn zu sei-

nem Glück, nämlich mehr Bioproduktezu konsumieren, zwingen kann. Ist dasrealistisch? Sprechen für die Wahl einerPartei nicht viele Gründe? Kann man ausder Tatsache, daß eine kleine Partei, dievor der Wahl dem Wähler bestimmteAttribute angeboten hat und auch wegenbestimmter politischer Konstellationenals Koalitionspartner in der Regierungmitwirkt, folgern, daß diese Partei überZwangsabgaben allen Bürgern ihr Wahl-programm aufzwingen darf?

Transaktionskosten und Umwelteffekte

Der Autor stellt berechtigt heraus, daßbei der Beurteilung eines Produktions-systems nicht nur die Produktionskostenim engeren Sinn, sondern auch die Trans-aktionskosten zu berücksichtigen sind.Die Kontrollkosten als ein wichtiges Ele-ment der Transaktionskosten sind nach

Meinung des Verfassers im ökologischenLandbau niedriger als im konventionel-len. Während man im ökologischenLandbau bereits etablierte private Kon-trollsysteme hat, müßte man im konven-tionellen Landbau Kontrollsysteme erstaufbauen, um die gewünschten Umwelt-effekte zu erreichen.

Der Verfasser unterstellt bei seiner Ar-gumentation, daß im ökologischen Land-bau die Umwelteffekte stets günstigersind als bei jeder Form des konventionel-len Landbaus ohne Kontrolle. Tatsächlichtreten auch im ökologischen Landbau jenach Bewirtschaftungsform und Boden-güte negative Umwelteffekte auf. Ruhe etal. [2] zeigten beispielsweise, daß aufAckerstandorten die Auswaschung vonStickstoff (N) in ökologischen Betriebenebenso hoch sein kann wie in konventio-nellen Betrieben (Tabelle 1). Entschei-dend ist demnach nicht, welche Pro-duktionsmethode eingesetzt und ob

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Tabelle 1: Einfluß des Anbausystems auf Nitrat-Stickstoff-Auswaschung und Getreideertrag im Durchschnitt der Fruchtfolge(FF) (Versuchsbetrieb Lindhof, 1999-2002). Quelle: [2]

Ökologischer Kleegras 33 88* 8.2 d 40.1Gemischtbetrieb (Schnittnutzung) N-extensiv Hafer

Winterroggen

Ökologischer Kleegras 33 88* 12.7 bcd 35.3Gemischtbetrieb (Schnittnutzung)N-extensiv Winterweizen

Winterroggen

Ökologischer Kleegras 50 93* 9.6 cd 41.7Gemischtbetrieb (Schnittnutzung)N-intensiv Hafer

KörnerleguminoseWinterweizen

Ökologischer Kleegras 50 86* 17.5 bc 46.1Ackerbaubetrieb (Gründüngung)N-intensiv Hafer

KörnerleguminoseWinterweizen

Konventioneller Zuckerrüben --- 185** 19.0 b 91.1Ackerbaubetrieb Winterweizen

WinterrapsWinterweizen

Dauergrünland --- --- --- 6.3 d ---Öko schnittgenutzt

DauergrünlandÖko beweidet --- --- --- 44.7 a ---

Mischwald --- --- --- 3.8 d ---

* biologische Stickstoff-Fixierung der Leguminosen. ** mineralische Stickstoffdüngung (Grenzwert der Trinkwasserverordnung (EU-Norm) von 50 mg Nitrat pro Liter entspricht einer

errechneten N-Fracht von 21.5 kg N/ha). Werte mit gleichen Buchstaben unterscheiden sich nicht signifikant (Student-Newman-Keuls-Test (p=0.05)).

Anbausystem Fruchtfolge (FF) Leguminosen- Jährlicher N-Input Nitrat-N- Getreideertrag im anteil der FF im Mittel der FF Auswaschung Durchschnitt der FF

(%) [kg N/ha] [kg N/ha] [dt/ha]

mineralische Düngemittel verwandt wer-den. Entscheidend sind vielmehr dasAusmaß des Stickstoffentzugs durch diePflanzen, die eingesetzte N-Dünger-menge und deren zeitliche Dosierungunter Berücksichtigung der N-Aufnah-men durch die Pflanzen und der Boden-art.

Es ist somit nicht realitätsnah, zu unter-stellen, daß ökologisch wirtschaftendeBetriebe stets umweltfreundlicher produ-zieren als konventionelle Betriebe. Dochselbst wenn dies richtig wäre, folgt dar-aus nicht, daß zusätzliche positive Um-welteffekte durch eine Ausdehnung desökologischen Landbaus billiger als durcheine Änderung des konventionellen Land-baus produziert werden können. Bei denKosten für die Ausdehnung des ökologi-schen Landbaus darf man natürlich nichtnur die Produktionskosten in Form vonaufgewandter Arbeit, benötigten Vorlei-stungen und Kapital betrachten. Man mußauch berücksichtigen, daß auf der dazunötigen Fläche auch konventionell pro-duzierte Agrarprodukte angebaut werdenkönnten und dies bei erheblich höherenErträgen als im ökologischen Anbau.

Weiterhin ist zu beachten, daß alleinDruck- und Anreizmechanismen bei kon-ventioneller Wirtschaftsweise vermehrtpositive Umwelteffekte erzielen könnten.Würden etwa die produktgebundenenTransferzahlungen bei Getreide (Preis-stützung und Direktzahlungen) tatsäch-lich so entkoppelt, wie es der Vorschlagder EU-Kommission vom Januar 2003vorsieht, wird auf leichten Böden wahr-scheinlich kein Getreide mehr produziert,sondern stattdessen extensive Viehhal-tung betrieben. Es würde damit mit Si-cherheit weniger Stickstoff ausgewa-schen. Eine vergleichbare Wirkung wärezu erwarten, wenn in der tierischen Pro-duktion (einschließlich Milch) die pro-duktionsabhängigen Transferzahlungenabgebaut würden. Es ist daher nicht rich-tig anzunehmen, daß der konventionelleLandbau umso effizienter positive Um-welteffekte produzieren würde, je diffe-renzierter die Umweltprogramme sind. ImGegenteil, der konventionelle Landbauwürde am billigsten positive Umweltef-

fekte erzielen, wenn die produktionsver-zerrenden Eingriffe des Staates zurück-genommen würden.

Der Autor behauptet, daß die Kon-trollkosten im ökologischen Landbauniedriger liegen als im konventionellemLandbau. Das mag so sein, mir ist aberkeine Studie bekannt, die das belegt.Entscheidend für die Höhe der Kontroll-kosten sind natürlich nicht nur die desöffentlichen Sektors, sondern die ge-samten, also die des privaten und des öf-fentlichen Sektors. Doch selbst wenn diegesamten Kontrollkosten im ökologi-schen Landbau gegenwärtig niedrigersind, ist es irreführend zu folgern, daßbei einer starken Ausweitung des ökolo-gischen Landbaus die Kontrollkosten proEinheit unverändert blieben. Eine Aus-weitung des ökologischen Landbauswird mit Sicherheit zu höheren Kon-trollkosten führen, allein dadurch, daßdie soziale Kontrolle geringer wird undProduzenten diese Form der Wirt-schaftsweise vermehrt aus rein monetä-ren Gründen und nicht aus Überzeugungwählen werden. Eine einfache Logikspricht dafür, daß das KoppelproduktAgrar- plus Umweltgut ohne Festlegungauf den ökologischen Landbau billigerproduziert werden könnte. Die Be-schränkung auf den ökologischen Land-bau würde die Suche nach der billigstenProduktionsweise einengen und damitwahrscheinlich zu höheren, allenfallsgleich hohen Kosten führen. Gibt manden Produzenten die richtigen Signale,so werden sie selbst entscheiden, wie sieam billigsten produzieren.

Literaturverzeichnis[1] S. Mann: "Meritorik und Transaktionskosten -

Ökonomische Argumente für eine Förderungdes ökologischen Landbaus", GAIA 12/2(2003) 107–110.

[2] I. Ruhe, R. Loges, F. Taube: "Stickstoffflüssein verschiedenen Fruchtfolgen des ökologischen Landbaus – Ergebnisse aus dem CONBALE-Projekt Lindhof", in B. Freyer (Ed.): Beiträge zur 7. Wissenschaftstagung zum ökologischenLandbau vom 24.-26. Februar 2003, Wien (2003).

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Ulrich Koester: Geboren 1938 in Elbing/Westpreußen. Studium derAgrarwissenschaften und der Volkswirtschaftslehre, Promotion zum Dr. rer. pol., Habilitation in Agrarökonomie. Professur in Göttingen 1971 bis1978. Professur in Kiel seit 1978. Visiting Research Fellow am InternationalFood Policy Research Institute in Washington, D.C., USA von 1981 bis 1990für jeweils 3 bis 6 Monate. Visiting Research Fellow bei der Weltbank 1995und bei der FAO 2000. Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Ernährung von

1981 bis 2001. Hauptarbeitsgebiete: Agrarmarktanalyse und Agrarmarktpolitik, Internationaler Agrarhandel, Transformationsökonomie.

Das Leben gestalten lernen.

Denn Wasser als einesder bedeutendsten Ele-menten für das Lebenauf der Erde ist uner-setzbar für die Nah-rungsmittelerzeugungund als Energiequelle.Sauberes Wasser ist Vor-aussetzung für dasFunktionieren der Ökosystemeund für die Gesundheit derMenschen. Aber die Süßwas-servorräte sind begrenzt undungleich verteilt. Etwa einSechstel der Weltbevölkerunghat keinen Zugang zu saube-rem Wasser. Deshalb ist dasJahr 2003 von den VereintenNationen zum „InternationalenJahr des Süßwassers“ ausge-rufen worden. Dies ist auch derAnlass für die „21“, sich einmalausführlicher mit internationa-len Entwicklungen und lokalenProjekten zum Thema zu be-schäftigen.

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