geburtshilfliche outcomes bei terminüberschreitung ein...
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Geburtshilfliche Outcomes bei
Terminüberschreitung – Ein
Literaturreview zur Erhebung ausser-
und innerklinischer Daten
Bachelor-Thesis
Lea Hagi
Anna-Luzia Jean-Petit-Matile
Berner Fachhochschule Fachbereich Gesundheit
Bachelor of Science Hebamme
Bern, 2016
2
Inhaltsverzeichnis
Abstract ...................................................................................................................... 3
1 Einleitung ........................................................................................................... 4
1.1 Ausgangslage und Relevanz ................................................................. 4
1.2 Zielsetzung ............................................................................................ 4
1.3 Fragestellung ........................................................................................ 5
1.4 Ein- und Ausgrenzung ........................................................................... 5
2 Theoretischer Hintergrund ............................................................................... 5
2.1 Geburtsbeginn....................................................................................... 5
2.2 Terminüberschreitung ........................................................................... 6
2.3 Risikoarme Schwangerschaft ................................................................ 9
2.4 Kompetenzprofil der Hebamme ............................................................10
2.5 Risikoselektion durch die Hebamme ....................................................10
2.6 Geburtssetting in der Schweiz ..............................................................11
2.7 Gesundheitsgesetz und Mutterschaft in der Schweiz ...........................11
2.8 Selbstbestimmungsrecht der Frau ........................................................12
2.9 „Shared Decision Making Model“ .........................................................12
3 Methoden ..........................................................................................................13
3.1 Suchstrategie .......................................................................................13
3.2 Literaturauswahl ...................................................................................16
3.3 Literaturanalyse ....................................................................................17
4 Ergebnisse ........................................................................................................18
4.1 Suchergebnisse ...................................................................................18
4.2 Relevante Studien ................................................................................20
4.3 Maternale Outcomes Klinik...................................................................23
4.4 Fetale und neonatale Outcomes Klinik .................................................28
4.5 Verlegung von extra- nach intramural ...................................................34
5 Diskussion ........................................................................................................37
6 Schlussfolgerung .............................................................................................42
7 Literaturverzeichnis .........................................................................................44
8 Abbildungsverzeichnis ....................................................................................50
9 Abkürzungsverzeichnis ...................................................................................53
3
Abstract
Hintergrund Das Management von Geburten bei Terminüberschreitung und deren
Risikobehaftung ist aktuell Gegenstand von Diskussionen unter Fachpersonen, in der
Gesellschaft, sowie bei schwangeren Frauen und deren Familien. Zentrale Aspekte
dieser Thematik sind die beruflichen Kompetenzen der Hebamme und das Recht der
schwangeren Frau auf die freie Wahl ihres Geburtsortes.
Fragestellung Es stellt sich die Frage, ob Unterschiede zwischen den perinatalen
Outcomes intra- und extramuraler Geburten bei Terminüberschreitung nach ansonsten
risikoarmer Schwangerschaft bestehen.
Methodik Durch die systematische Literaturrecherche wurden zehn relevante quantita-
tive Studien identifiziert und im Anschluss auf ihre Qualität geprüft. Die Ergebnisse
wurden in tabellarischer Form dargestellt und deskriptiv zusammengefasst.
Ergebnisse Klinische Studien zeigen einen Anstieg der mütterlichen Morbidität von der
ersten zur zweiten Woche im Zeitraum der Terminüberschreitung auf. Die neonatalen
Outcomes einer Klinikgeburt bei Terminüberschreitung werden teilweise kontrovers
beschrieben. Extramurale Studien zu Verlegungen ausserklinischer Geburten in die
Klinik zeigen durchs Band ein circa dreifach erhöhtes Risiko für eine Verlegung von
Nulliparas im Vergleich zu Multiparas bei Terminüberschreitung auf. Allgemein zeigt
sich in diesem Zeitraum in jedem ausserklinischen Setting eine Abnahme der Verle-
gungsrate. Eine Gegenüberstellung der perinatalen Outcomes bei Überschreitung des
Geburtstermins war aufgrund der aktuellen Evidenzlage nicht möglich. Klinische Stu-
dien beinhalten detailliertere Analysen perinataler Outcomes in Bezug auf die Termin-
überschreitung, während die Studien extramuraler Geburten den Zusammenhang der
prozentualen Anteile der Verlegungen in die Klinik mit dem Gestationsalter analysieren.
Diskussion & Schlussfolgerungen In Anbetracht dieser Ergebnisse und unter Be-
rücksichtigung einer aktuellen Evidenz, welche die Fehleranfälligkeit der Geburtster-
minbestimmung untersucht scheint es plausibel, dass Diskussionen über die settingbe-
zogene Sicherheit der Terminüberschreitung nicht literaturgestützt sind. Zudem hat
sich im Laufe der Literaturrecherche gezeigt, dass in der englischen Sprache keine
sinngemässe Begrifflichkeit für die deutsche Bezeichnung „Terminüberschreitung“ exis-
tiert. Es stellt sich die Frage, ob rein durch das Vorhandensein dieses Begriffes ein
pathologisierendes Verständnis für die, dem physiologischen Geburtszeitraum zugehö-
rige, Terminüberschreitung geschaffen wird. Diese Ergebnisse sollen in der individuel-
len Beratung und Betreuung der schwangeren Frau, insbesondere in der Unterstützung
ihrer freien Wahl des Geburtsorts, Beachtung finden.
Outcomes bei Terminüberschreitung
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1 Einleitung
1.1 Ausgangslage und Relevanz
Gemäss der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) (2014)
gebären mehr als 40% aller schwangeren Frauen in Deutschland nach dem errechne-
ten Geburtstermin (ET). Die Gesellschaft für Qualität in der ausserklinischen Geburts-
hilfe (QUAG) (2014) berichtet in über 50% der ausserklinischen Geburten in Deutsch-
land von einer Terminüberschreitung (TÜ). Auch den Daten vom Bundesamt für Statis-
tik in der Schweiz (BFS) (2015) ist zu entnehmen, dass mehr als 50% aller Geburten
im Jahr 2014 nach dem Stichtag 40 0/7 Schwangerschaftswochen (SSW) verzeichnet
wurden.
Ein Entscheid der Schiedsstelle in Deutschland, welcher eine von Gynäkologen und
Gynäkologinnen durchgeführte Schwangerschaftskontrolle am ET zur Beurteilung der
Zulässigkeit einer Geburtshausgeburt vorsieht, bezieht sich laut dem Bund freiberufli-
cher Hebammen Deutschlands e.V. (BfHD) (2015) auf wissenschaftlich unzulänglich
begründete Kriterien. Daraus resultierend wird das im internationalen Ethik-Kodex der
Hebammen beschriebene Recht der Frau, informiert zu sein und wählen zu können, in
Bereitschaft Verantwortung für ihre Entscheidung zu übernehmen, nicht mehr gewähr-
leistet (International Confederation of Midwives (ICM), 1994). Zudem wird der Hebam-
me ihre berufliche Kompetenz, regelabweichende oder regelwidrige Prozesse zu er-
kennen und hebammenspezifische, pflegerische und therapeutische Massnahmen
interdisziplinär in die Wege zu leiten, abgesprochen (Schweizerischer Hebammenver-
band (SHV), 2007). Die Hebammenarbeit hat zum Ziel, die schwangere Frau und ihre
Familie bedürfnisorientiert zu begleiten, eine risikoadaptierte und individualisierte Be-
treuung zu gewährleisten und so, wo immer möglich, ihre Vorstellungen und Wünsche
mit dem medizinischen Anspruch zu vereinbaren (DGGG, 2014).
Die soeben beschriebene Thematik ist auch in der Schweiz von Relevanz, da sich bei-
spielsweise die Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG)
im Inhalt ihrer Richtlinien vorwiegend auf Veröffentlichungen und Entscheidungen ihres
deutschen Pendants bezieht (SGGG, 2011).
1.2 Zielsetzung
Im Rahmen dieser Arbeit soll die Evidenzlage zu perinatalen Outcomes zwischen der
40 0/7 und der 41 6/7 SSW im ausserklinischen und klinischen Setting erhoben wer-
den.
Outcomes bei Terminüberschreitung
5
In eben diesem Rahmen soll ein Beitrag zur Förderung einer auf die Physiologie fokus-
sierten Betreuung bei TÜ und der Hebammenkompetenz, eine SS auf ihren physiologi-
schen oder regelabweichenden Verlauf zu beurteilen, geleistet werden. Das Recht der
Frau, ihren Geburtsort nach adäquater Information zu ihren Möglichkeiten frei wählen
zu können, soll durch die vorliegende Arbeit Unterstützung erfahren.
1.3 Fragestellung
Bestehen Unterschiede zwischen den Outcomes einer Geburt in der Klinik und
denjenigen im ausserklinischen Setting bei TÜ?
Stellt die TÜ bei ansonsten risikoarmer Schwangerschaft (SS) ein erhöhtes Risiko
für eine ausserklinische Geburt dar?
1.4 Ein- und Ausgrenzung
Die vorliegende Arbeit bezieht sich auf den Zeitraum von der 40 0/7 bis zur 41 6/7
SSW. Im Review werden quantitative Datenanalysen inner- und ausserklinischer ge-
burtshilflicher Outcomes berücksichtigt. Zum ausserklinischen Setting gehören Gebur-
ten, welche nicht in der Klinik stattgefunden haben. Nationen, welche die freie Wahl
des Geburtsorts nicht gewährleisten oder deren geburtshilfliche Settings nicht mit den
Schweizerischen vergleichbar sind, werden ausgeschlossen. Unter den Versorgungs-
stufen der Kliniken wird keine Unterscheidung vorgenommen. Es werden nur – von der
Annahme einer Risikobehaftung der TÜ abgesehen – risikoarme Schwangerschaften
eingeschlossen.
2 Theoretischer Hintergrund
Im folgenden Kapitel werden zentrale Begriffe definiert und relevante Konzepte der
Arbeit erläutert.
2.1 Geburtsbeginn
Bedingung für einen spontanen Geburtsbeginn ist gemäss Schneider und Weiss (2011,
S. 692-694) die genetisch vorprogrammierte fetale Reife, welche über die individuelle
Schwangerschaftsdauer und somit den Zeitpunkt des Geburtsbeginns durch eine Kas-
kade körperlicher Reaktionen bestimmt.
Outcomes bei Terminüberschreitung
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2.2 Terminüberschreitung
Termingeburt, Terminüberschreitung, Übertragung
Abbildung 1 Einordnung der Begriffe Termingeburt, errechneter Geburtstermin, Terminüberschreitung
und Übertragung nach der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaft
(AWMF) (2014)
Abb. 1 zeigt die, im folgenden Abschnitt beschriebenen, Begrifflichkeiten Termingeburt,
errechneter Geburtstermin, Terminüberschreitung und Übertragung im Verlauf der
SSW auf. Nach dem National Institute of Health and Care Excellence (NICE) (2014)
und der DGGG (2014) beträgt die Dauer einer normalen Schwangerschaft, berechnet
nach dem 1. Tag der letzten Regelblutung, im Mittel 280 Tage oder 40 SSW. Der phy-
siologische Geburtszeitraum wird in der Zeitspanne von 37 0/7 – 41 6/7 SSW definiert
(Harder & Hauser, 2013, S 386-387). Wird das Kind nicht bis zum errechneten Termin
(40 0/7 SSW) geboren, so wird vorerst von einer Terminüberschreitung gesprochen.
Dies gilt für den Zeitraum von 40 0/7 – 41 6/7 SSW. Schneider und Weiss (2011) spre-
chen erst nach der Überschreitung des Geburtszeitraums, also ab 42 0/7 SSW, von
einer Terminüberschreitung. Definitionen unterschiedlicher Quellen weichen voneinan-
der ab. Die Begriffsdefinition einer TÜ ist nur im deutschen Sprachraum üblich (DGGG,
2014). Es ist zu bedenken, dass die besagte Zeitspanne in den physiologischen Ge-
burtszeitraum von 37 0/7 – 41 6/7 SSW fällt (Harder & Hauser, 2013). Ab einer Abwei-
chung von 14 Tagen, das heisst ab 294 Tagen oder nach 42 0/7 SSW, spricht man von
einer zeitlichen Übertragung der Schwangerschaft (Harder & Hauser, 2013, S. 286-
387). Auch NICE (2014) grenzt die Übertragung ab 42 0/7 SSW klar vom physiologi-
schen Geburtszeitraum ab.
Outcomes bei Terminüberschreitung
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Folgen und Risiken der Terminüberschreitung
Ab dem ET ist gemäss NICE (2014) und DGGG (2014) auch bei ansonsten risikoarmer
Schwangerschaft eine Intensivierung der Überwachung angezeigt. Im folgenden Ab-
schnitt werden die Entstehung der Risiken für Mutter und Kind bei einer TÜ erläutert
und anhand dessen die einzelnen Variablen des geburtshilflichen Outcomes bei TÜ
aufgezeigt.
Schneider und Weiss (2011, 692-694) beschreiben als Folge einer TÜ die veränderte
Versorgungsfunktion der Plazenta. Mögliche Auswirkungen auf Fetus, Ultraschall (US),
Kardiotokogramm (CTG), und Geburtsverlauf werden in Tab. 1 dargestellt.
Tabelle 1 Folgen der Terminüberschreitung für die Versorgungsfunktion der Plazenta und ihre Auswirkun-
gen auf Fetus, Ultraschall, CTG und Geburtsverlauf nach Schneider und Weiss (2011, S. 693)
Überschreitet eine Schwangerschaft den errechneten Geburtstermin, kann dies abge-
sehen von der physiologischen fetalen Entwicklung bis zur vollendeten Reifung zu ei-
ner eingeschränkten Plazentafunktion und somit zur kindlichen Kreislaufzentralisie-
rung, verminderter Urinproduktion, Abnahme der Fruchtwassermenge und einer damit
verbundenen Nabelschnurkompression führen. Mögliche Folgen einer beginnenden
Plazentainsuffizienz können sich sonographisch oder im CTG in einer Abnahme des
maximalen Fruchtwasserdepots, einem reaktiven Herztonmuster und vereinzelten vari-
ablen Dezelerationen zeigen. Das intrapartale Asphyxierisiko ist erhöht. Eine schwere
Plazentainsuffizienz resultiert in einem Oligohydramnion, dickem Mekonium, Dystro-
Plazentafunktion Auswirkungen auf
Fetus Ultraschall und CTG Geburtsverlauf
Unverändert Andauer des Wachstums Makrosomie
Biometrie , CTG unverändert
Protrahierter Verlauf, mütterliches Trauma , fetales Trauma mit neurologischen Verlet-zungen
Beginnende In-suffizienz
Kreislaufzentralisierung, Urinproduktion , Fruchtwasser , Nabel-schnurkompression
Maximales Frucht-wasserdepot , CTG reaktiv, mit variablen Dezelerati-onen
Erhöhtes intrapartales Asphyxierisiko
Schwere Insuffi-zienz
Oligohydramnion, dickes Mekonium, Dystrophie, Asphyxie
Maximales Frucht-wasserdepot , CTG nicht reak-tiv, mit oder ohne Dezelerationen
Intrapartale Asphyxie intrauteriner Fruchttod, Mekoniumaspiration (MAS)
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phie und Asphyxie. In US und CTG sind eine massive Verringerung des maximalen
Fruchtwasserdepots und eine nicht reaktive fetale Herztonkurve mit oder ohne Dezele-
rationen zu beobachten. Im Geburtsverlauf zeigt sich möglicherweise eine intrapartale
Asphyxie gefolgt von intrauterinem Fruchttod (IUFT) und / oder einem Mekoniumaspi-
rationssyndrom. Bleibt die Versorgung des Feten unverändert, so dauert das fetale
Wachstum an und kann zur Makrosomie führen. Die fetale Herzfrequenz bleibt dabei
unverändert, anhand der biometrischen Ultraschalldaten ist aber ein vermehrtes fetales
Wachstum festzustellen. Das zunehmende Kindsgewicht erhöht das Risiko für einen
protrahierten Geburtsverlauf, mütterliches Trauma und fetale Traumata mit neurologi-
schen Verletzungen (Schneider & Weiss, 2011, 692-693).
Management einer Terminüberschreitung und aktuelle Leitlinien
Im folgenden Abschnitt werden die, in der Schweiz geltenden, aktuellen Empfehlungen
zum Management einer Terminüberschreitung erläutert. Die Empfehlungen basieren
auf qualitativ hochstehenden Evidenzen. Sie sind unverbindlich und dienen dem Fach-
personal als Grundlage zur Erstellung interner Handlungsschemen. Wo keine ausrei-
chende Evidenzlage vorhanden ist, wird auf Expertenmeinungen verwiesen. Die be-
rücksichtigten Empfehlungen richten sich nach dem Gestationsalter und setzen einen
physiologischen Schwangerschaftsverlauf und den gesicherten Geburtstermin voraus.
Da die SGGG (2011) die Leitlinie ihres deutschen Pendants Eins zu Eins übernommen
hat, wird nachfolgend stellvertretend die DGGG (2014) zitiert.
40 0/7 - 40 6/7 Schwangerschaftswochen
Während das NICE (2008) in seiner Leitlinie zur vorgeburtlichen Begleitung und Be-
treuung physiologischer Schwangerschaften lediglich die Aufklärung über Einleitungs-
möglichkeiten empfiehlt, hält die DGGG (2014) eine Intensivierung der Überwachung
des SS-Verlaufs in diesem Zeitraum für angemessen. So sollen zum Ausschluss einer
Gefährdung von Mutter und Kind alle drei Tage eine Ultraschalluntersuchung zur
Schätzung des Kindsgewichts durchgeführt, eine einmalige sonographische Bestim-
mung der Fruchtwassermenge vorgenommen und der schwangeren Frau ein Ruhe-
CTG angeboten werden. Der Deutsche Hebammenverband (DHV) (2012) legt nahe,
dass die Hebamme zu diesem Zeitpunkt gemeinsam mit der Frau einen individuellen
Betreuungsplan ausarbeiten soll, momentan jedoch noch kein erhöhter Überwa-
chungsbedarf besteht.
Outcomes bei Terminüberschreitung
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41 0/7 - 41 6/7 Schwangerschaftswochen
Das NICE (2008) legt nahe, der schwangeren Frau ohne vorbestehende geburtshilfli-
che Risiken ab der 41 0/7 SSW eine Einleitung (EL) mittels Eipollösung anzubieten,
sieht aber ansonsten keine zusätzlichen Interventionen vor. Die DGGG (2014) emp-
fiehlt das Angebot zur Einleitung ab 41 0/7 SSW und bei Ablehnung eine Überwa-
chungsintensivierung durch Ultraschalluntersuchung und CTG-Kontrolle alle 2-3 Tage
vorzunehmen. Ab der 41 3/7 SSW sieht die DGGG eine Empfehlung zur Geburtseinlei-
tung als gerechtfertigt. Die Empfehlungen des Deutschen Hebammenverbands (2012)
widerspiegeln zum Grossteil den Inhalt der Leitlinien der DGGG und des NICE. Das
Angebot der Einleitung in der 41 0/7 SSW wird um die Möglichkeiten
„Brust(warzen)stimulation“, „Massage der Zervix“ und „Eipollösung“ ergänzt (DHV,
2012). Weiter betont der DHV (2012), dass seinen Empfehlungen zur intensivierten
Überwachung nicht ausreichend Evidenzen zu Grunde liegen. Auch deshalb sollen
gemäss DHV (2012) alle Faktoren, die zur Kontrolle von mütterlichem und fetalem
Wohlergehen beitragen, unter ausreichend zeitlichen Ressourcen berücksichtigt wer-
den. Zusätzlich zu den geringeren Intervallen der Schwangerschaftskontrollen soll die
Hebamme eine zweimalige Kontrolle der Fruchtwassermenge durch den Gynäkologen
oder die Gynäkologin veranlassen.
2.3 Risikoarme Schwangerschaft
Das NICE (2014) definiert für die Einschätzung einer Schwangerschaft als “low-risk” –
also mit einem geringen Risiko für das Auftreten von Komplikationen - folgende Krite-
rien: unkomplizierter Schwangerschaftsverlauf, guter Gesundheitszustand der schwan-
geren Frau und das Nichtvorhandensein von ernsthaften Erkrankungen. Der Begriff
„risikoarm“ wird fortan synonym dafür verwendet.
Faktoren, welche das Risiko für Komplikationen unter der Geburt erhöhen können, sind
laut NICE (2014) das mütterliche Alter >35 Jahren, Adipositas, Partydrogenkonsum,
Blutungen nach 24 SSW, Hypertension, grosse gynäkologische Eingriffe, fetale Auffäl-
ligkeiten und BEL. Weiter können Komplikationen in einer vorhergegangenen SS wie
Totgeburt, neonataler Tod, PE, GG > 4500g, schwerwiegende Geburtsverletzungen
und transfusionsbedürftige Hyperbilirubinämie das Risiko für Geburtskomplikationen
erhöhen.
Medizinische Konditionen, welche eine Schwangerschaft als von höherem Risiko für
das Auftreten von Komplikationen – also als „higher risk“ – einstufen lassen, sind: kar-
diopulmonale Erkrankungen, Anämie, behandlungsbedürftiges Asthma bronchialis,
Sichelzellanämie, infektiöse Erkrankungen wie Hepatitis B / C oder HIV, hypertensive
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Erkrankungen, Risikofaktoren für Streptokokken B, spinale Auffälligkeiten, Diabetes,
Epilepsie, gastrointestinale Erkrankungen wie Morbus Crohn, Colitis ulcerosa und Le-
bererkrankungen.
2.4 Kompetenzprofil der Hebamme
Die Hebamme leitet die risikoarme Geburt eigenverantwortlich und ist für die Betreu-
ung der Mutter und ihres Un-/Neugeborenen zuständig. Dabei umfasst die Hebam-
menarbeit präventive Massnahmen zur Förderung der physiologischen Schwanger-
schaft und Geburt und dem Erkennen von Regelabweichungen bei Mutter und Kind.
Sie gewährleistet die notwendige medizinische Behandlung und weitere angemessene
Unterstützung, sowie die Durchführung von Notfallmassnahmen (Kompetenzprofil Dip-
lomierte Hebamme BSc, 2007).
Im Kompetenzprofil diplomierter Hebammen (2007) ist festgehalten, dass die Hebam-
me körperliche und psychosoziale Risiken durch geeignete Beobachtungen und Unter-
suchungen adäquat einschätzen kann. Die diplomierte Hebamme ist in der Lage, ge-
eignete Diagnoseverfahren anzuwenden, diese korrekt zu interpretieren und eine da-
rauf basierende Prognose zu stellen. Die Fertigkeit der Ultraschalldiagnostik ist nicht
Bestandteil des Kompetenzprofils diplomierter Hebammen in der Schweiz.
2.5 Risikoselektion durch die Hebamme
Anders als in den Nachbarsländern, existieren gemäss Zimmermann (2012, S. 30) in
der Schweiz keine einheitlichen Standards zur Betreuung und Überweisung von Frau-
en mit regelabweichendem oder -widrigem Schwangerschaftsverlauf. Geburtshilfliche
Fachpersonen und Institutionen handeln nach ihren individuellen Betreuungsschemata.
In den Niederlanden wird eine SS laut Amelink-Verburg und Buitendijk (2010, S. 30)
gemäss einem national angewandten Risikokatalog („List of Obstetric Indications“) als
normal oder pathologisch verlaufend eingestuft. Die Einstufung nach definierten Be-
schwerden und Besonderheiten entscheidet über den Betreuungsmodus der schwan-
geren Frau, eine ärztliche Rücksprache bezüglich der Risikoselektion ist nicht von Nö-
ten.
Neben dem Vorhandensein eines Risikokatalogs mit Ein- und Ausschlusskriterien für
die hebammengeleitete Betreuung in Deutschland regelt das deutsche Hebammenge-
setz die primäre Betreuung einer Geburt durch eine Hebamme. Beim Auftreten von
Komplikationen ist diese verpflichtet, die Führung einer ärztlichen Fachperson zu über-
geben (Bauer, 2011).
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2.6 Geburtssetting in der Schweiz
In der Schweiz kann eine Geburt in der Klinik oder ausserklinisch, also im Geburtshaus
oder Zuhause, stattfinden. Für die beiden letzteren Möglichkeiten ist eine risikoarme
Schwangerschaft Voraussetzung (SHV, 2016). Für die Begriffe klinisch und ausserkli-
nisch werden zukünftig die Bezeichnungen intra- und extramural synonym verwendet.
2.7 Gesundheitsgesetz und Mutterschaft in der Schweiz
Gemäss dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) (2007) haben Patientinnen und Patien-
ten Anspruch auf Wahrung der persönlichen Freiheit und der Persönlichkeitsrechte.
Weiter besteht in der Schweiz ein Recht auf Information, Aufklärung, Berücksichtigung
des Patientenwillens, Akteneinsicht und -herausgabe sowie auf Schutz der Daten. Pa-
ragraf 33 legt fest, dass die Verantwortung für die eigene Gesundheit beim einzelnen
Menschen liegt (Bundesamt für Gesundheit, 2007). Das Bundesgesetz über die Kran-
kenversicherungen (KVG) (Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenos-
senschaft, 2015) hält im Artikel 29 fest, dass die Leistungen für eine Entbindung zu
Hause, in der Klinik oder im Geburtshaus mit geburtshilflicher Betreuung durch einen
Arzt / eine Ärztin oder eine Hebamme von der Krankenkasse übernommen werden.
Artikel 39 regelt die Zulassungsbedingungen für Spitäler und andere Einrichtungen.
Hebammen sind als Leistungserbringer im KVG aufgeführt. Im Artikel 42 wird die Wahl
des Leistungserbringers und die damit verbundene Kostenübernahme beschrieben.
Demnach können Versicherte für die ambulante Behandlung ihrer Krankheit frei unter
den dafür zugelassenen Leistungserbringern wählen. Dabei übernimmt der Versicherer
die dafür anfallenden Kosten höchstens nach dem Tarif, welcher am Wohn- oder Ar-
beitsort der versicherten Person oder in der Umgebung gilt. Für eine stationäre Be-
handlung kann die versicherte Person unter den Kliniken der Spitalliste ihres Wohn-
oder Standortkantons frei wählen, dies gilt sinngemäss für Geburtshäuser. Für eine
stationäre Behandlung in einem Listenspital wird die Vergütung von der Versicherung
des Wohnkantons höchstens nach dem Tarif, der in einem Listenspital des Wohnkan-
tons für die jeweilige Behandlung gilt, übernommen. Wird von der versicherten Person
bei einer ambulanten Behandlung aus medizinischen Gründen ein anderer Leistungs-
erbringer beansprucht, richtet sich die Kostenübernahme nach dem Tarif, der für die-
sen Leistungserbringer gilt. Für die medizinisch bedingte Inanspruchnahme einer Klinik
zur stationären Behandlung, welche nicht auf der Spitalliste des Wohnkantons aufge-
führt ist, ist abgesehen von Notfällen eine Bewilligung des Wohnkantons notwendig,
um die anteilsmässige Vergütung durch Versicherung und Wohnkanton sicherzustellen
(KVG, 2015).
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Das Tarifsystem für stationäre Spitalleistungen wird in der ganzen Schweiz nach Fall-
pauschalen, auch Swiss Diagnosis Related Groups (SwissDRG) genannt, geregelt. Bei
diesem Fallpauschalensystem wird jeder Spitalaufenthalt anhand der Fallpauschalen
für Hauptdiagnose, Nebendiagnosen, Behandlungen und weiteren Faktoren vergütet
(SwissDRG, 2012).
2.8 Selbstbestimmungsrecht der Frau
Das Recht auf Selbstbestimmung wird von den im Grundrecht enthaltenen Rechten auf
Freiheit und Persönlichkeit abgeleitet (BAG, 2007). Es kommt nur dann zum Tragen,
wenn die, an der Entscheidung beteiligte und von ihr betroffene, Person umfassend
aufgeklärt und als urteilsfähig eingestuft wird (Pro Infirmis, 2016). Um diese Person zu
befähigen, die Tragweite der Entscheidung verstehen zu können, wird eine evidenzba-
sierte, risikoadaptierte und individuelle Beratung seitens der Fachperson vorausge-
setzt. Thomas und Schönberner (2013, S. 7-19) erläutern eine auf die Geburtsarbeit
übertragbare Differenzierung des Selbstbestimmungsrechts in Abwehrrecht, soziales
Anspruchsrecht und individuelles Verfügungsrecht. So soll die Frau im Bereich des
Abwehrrechts nach ausreichender Information über eine mögliche Intervention ihre
Zustimmung oder Abwehr kundtun dürfen. Der Begriff „soziales Anspruchsrecht“ steht
für das Recht der Frau, in ihrer Entscheidungsfindung nicht direkt oder indirekt durch
ihr Umfeld in eine Richtung gedrängt zu werden. Mit der Differenzierung „individuelles
Verfügungsrecht“ wird das Recht, über den eigenen Körper frei verfügen zu können,
verstanden. Der Entscheid der deutschen Schiedsstelle für eine Überprüfung der Zu-
lassung einer ausserklinischen Geburt am ET stellt eine Beschneidung dieser Rechte
werdender Mütter dar (BfHD, 2015).
2.9 „Shared Decision Making Model“
Wird das Selbstbestimmungsrecht der schwangeren Frau gewahrt, so kommt, wie in
Abb. 2 dargestellt, das Modell der gemeinsamen Entscheidungsfindung, im Englischen
unter dem Begriff „shared decision making model“ beschrieben, zum Tragen. Das be-
sagte Modell beschreibt die Entscheidungsfindung durch eine Fachperson im Dialog
mit der an der Entscheidung beteiligten Person. Dabei spielen von Seiten der Fachper-
son Faktoren wie Berufserfahrung, Werte und Überzeugungen, Setting, Kosten- und
Zeitressourcen, wissenschaftliche Evidenzen, institutionelle Richtlinien und Wünsche
der Frau oder Familie in die Entscheidungsfindung mit ein, während seitens der Frau
Faktoren wie das soziale Umfeld, persönliche Überzeugungen, Bildung, Erziehung, die
Art der Informationsbereitstellung, Kultur, aktueller Status von Schwangerschaft oder
Geburt und persönliche Erfahrungen in die Entscheidung mit einfliessen. Aufgabe der
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Fachperson ist es, über die Notwendigkeit einer Entscheidung zu informieren, worauf-
hin die Frau – beeinflusst durch oben genannte Faktoren – durch die Fachperson evi-
denzbasiert über Vor-und Nachteile sämtlicher Optionen aufgeklärt wird. Es werden
Erfahrungen und Präferenzen ausgetauscht und basierend darauf eine gemeinsame
Entscheidung getroffen (Stiefel, 2013, S.233).
Abbildung 2 Von der Evidenz zur gemeinsamen Entscheidungsfindung
3 Methoden
Die vorliegende Arbeit sollte eine Gegenüberstellung der perinatalen Outcomes bei
Terminüberschreitung im klinischen und ausserklinischen Setting ermöglichen. Dafür
wurde ein Literaturreview durchgeführt, welches sich am systematischen Vorgehen
nach Kunz, Khan, Kleijnen und Antes (2009) orientiert. Im folgenden Kapitel wird die
Methodik der Literaturrecherche, der Kriterien von Ein- und Ausschluss der Evidenzen,
sowie deren Analysemethoden beschrieben.
3.1 Suchstrategie
Kunz et al. (2009) beschreiben die Formulierung der Reviewfrage als Schlüsselschritt
vor dem Prozess der Literaturrecherche. Dazu wurde eine detaillierte Definition von
Population, Interventionen und Endpunkten vorgenommen.
Population: Frauen und Neugeborene (NG) mit Geburt im Zeitraum der Terminüber-
schreitung, nach ansonsten risikoarmer Schwangerschaft bei Geburtsbeginn
Interventionen: Geplante Vaginalgeburt in der Klinik, im Geburtshaus oder Zuhause
Endpunkte: Perinatale geburtshilfliche Outcomes (in Tab. 2 zusammengefasst)
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Tabelle 2 Ergebnismasse anhand der perinatalen Risiken einer Terminüberschreitung nach Schneider et
al. (2011)
Maternale Outcomes Neonatale Outcomes**
Mortalität
Sectio Caesarea (SC)
Vaginal-operative Geburt (VOG)
Geburtsverletzungen
Geburtsdauer
Postpartale Hämorrhagie (PPH)
Chorioamnionitis
Verlegung von extra- nach intramural
Mortalität
Apgar
Mekoniumaspirationssyndrom (MAS)
Nabelschnur pH (NS pH)
“Large for Gestational Age” (LGA)*
Mekoniumhaltiges Fruchtwasser
(MFW)
Verlegung auf „Neonatal Intensive
Care Unit“ (NICU)
*Aufgrund der Ergebnismasse der relevanten Literatur wird fortan nicht von Makroso-
mie, sondern von LGA gesprochen.
**Von nun an wird unter dem Begriff „neonatale Outcomes“ auch die perinatale Mortali-
tät behandelt.
Die Kriterien, um die Fragestellung der Arbeit beantworten zu können, sind der Abb. 3
zu entnehmen. Die Einschlusskriterien für relevante Studien sind demnach die Unter-
suchung intra- und / oder extramuraler Geburten bezüglich ihrer perinatalen Outcomes
im Zusammenhang mit der TÜ.
Abbildung 3 Kriterien für die Beantwortung der Reviewfrage
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Potentiell geeignete Literatur wurde mittels einer breit angelegten Recherche der elekt-
ronischen Datenbanken PubMed, MIDIRS und Cochrane, ergänzt durch eine Handsu-
che, identifiziert, selektioniert und analysiert (Kunz et al., 2009).
Die Recherche wurde von März bis Juni 2016 durchgeführt.
Aus der Fragestellung haben sich dafür folgende Suchbegriffe ergeben:
Population woman, mother, newborn, child, birth, labo*, deliver*, low-risk, uncompli-
cat*, pregnan*, (beyond) term, over due, over due date, delay*, elaps*, outstand*, be-
lat*, behind time, post term, prolonged
Interventionen clinic*, hospital, home birth, birth / birthing center, midwife-led care /
unit, midwife main care provider
Endpunkte outcome*, maternal, neonat*, fetal, obstetric*, postpartum, postnatal, mor-
tality, death, morbidity, macrosom*, large for gestatonial age, apgar, pH, heamorrhag*,
injur*, trauma, transfer, referral, health*
Wie in Abb. 4 dargestellt, wurde die systematische Literatursuche auf den elektroni-
schen Datenbanken und die ergänzende Handsuche im Quellenverzeichnis von poten-
tiell geeigneter Literatur in einem ersten Schritt von beiden Autorinnen unabhängig
durchgeführt. Nach der unabhängigen Überprüfung der Titel und Abstacts auf ihre Eig-
nung zur Beantwortung der Fragestellung wurden die Suchergebnisse beider Autorin-
nen abgeglichen und bezüglich deren Eignung diskutiert. In einem weiteren Schritt
wurden die Volltexte von potentiell geeigneter Literatur beschaffen und erneut auf ihre
Eignung bezüglich der Fragestellung geprüft. Für die Beantwortung der Fragestellung
relevante Literatur wurde zu diesem Zeitpunkt vorerst ins vorliegende Review einge-
schlossen und in einem letzten Schritt auf ihre Qualität geprüft (Kunz et al., 2009).
Abbildung 4 Planung der Identifikation und Selektion relevanter Studien
Outcomes bei Terminüberschreitung
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Nach der systematischen Literaturrecherche wurden das niederländische Perinatalre-
gister, die Geschäftsstelle der QUAG, der SHV, sowie Autoren von potentiell geeigne-
ter Literatur nach vorhandenen Datenanalysen der erforderlichen Schnittmenge ange-
fragt (Kunz et al., 2009).
3.2 Literaturauswahl
Zur Identifikation der relevanten Literatur wurden die in Tab. 3 dargestellten Ein- und
Ausschlusskriterien festgelegt (Kunz et al., 2009).
Tabelle 3 Ein- und Ausschlusskriterien
Einschlusskriterien Ausschlusskriterien
Population Frauen und Neugeborene
mit Geburt im Zeitraum der
TÜ nach ansonsten risiko-
armer SS
Geburt < 40 0/7 bzw. > 42
0/7 SSW
GA nicht unterteilt
Risikoschwangerschaft /
nicht „low-risk“ nach NICE
Intervention Untersuchung von Gebur-
ten aus Klinik, Geburts-
haus oder Zuhause
Fehlende Dokumentation
des Geburtssettings
Ergebnismasse Perinatale Outcomes Keine perinatalen Outco-
mes analysiert
Studiendesign Pro- und retrospektive
Analysen quantitativer Da-
ten
Keine freie Wahl des Ge-
burtsorts
Die geeignete Literatur sollte in deutscher, französischer oder englischer Sprache pu-
bliziert worden sein. Bei ausreichender Evidenzlage wurde ein Publikationszeitraum
von 2006-2016 berücksichtigt. Wurden Studien eines älteren Datums als relevant be-
funden und eingeschlossen, so wurde dies dokumentiert und begründet.
Literatur, welche die in diesem Kapitel beschriebenen Kriterien nicht erfüllte, wurde
ausgeschlossen. Nach Prüfung der Volltexte ausselektionierte Studien sind in der
Übersichtstabelle im Anhang 10.2 zu finden.
Outcomes bei Terminüberschreitung
17
3.3 Literaturanalyse
Relevante Literatur wurde mit Hilfe eines Analyserasters nach Kunz, Ollenschläger,
Raspe, Jonitz, Donner-Banzhoff (2007) auf ihre Qualität geprüft. Folgende Qualitäts-
merkmale wurden darin bearbeitet:
Risiko für systematische Fehler
Störfaktoren
Glaubwürdigkeit der Ergebnisse
Ethik
Evidenzstärke
Nützlichkeit der Ergebnisse für die eigene Fragestellung
Die Evidenzstärke wurde gemäss des Bewertungssystems der British Hypertension
Society für Studien und Empfehlungen (2001, S.7) ermittelt.
Zudem wurde eine von den Autorinnen festgelegte Gewichtung der Qualitätsmerkmale
vorgenommen. Diese diente den Autorinnen zur Bestimmung der Aussagekraft der in
das vorliegende Review eingeschlossenen Literatur (Kunz et al., 2009). Dabei legten
die Autorinnen auf die Ähnlichkeit der Vergleichsgruppen, das Ausschliessen von Be-
gleitinterventionen und die Prüfung möglicher Störfaktoren, sowie die Nachvollziehbar-
keit von Verlusten ein hohes Gewicht. Die Festlegung der zu erhebenden Parameter
wurde mittelstark gewichtet. Auf die Anzahl der Studienteilnehmer und die Objektivität
der Endpunkte wurde ein niedrigeres Gewicht gelegt.
Ethik
Die Forschungsethik basiert auf folgenden drei Prinzipien:
Achtung vor der Würde des Menschen: Recht auf Selbstbestimmung, Recht auf
ausführliche Information und die daraus resultierende informierte Zustimmung
„Gutes tun und nicht schaden“: Schutz des Menschen in besonderen Lebenssi-
tuationen, Qualität der Forschung, Abwägen des Risiko-Nutzen-Verhältnisses
Gerechtigkeit: unter anderem die unparteiische Auswahl der Teilnehmenden
(Schweizerischer Berufsverband der Krankenschwestern und Krankenpfleger (SBK),
1998)
Zusätzlich sollte das Recht auf die freie Wahl des Geburtsortes als Teil des Selbstbe-
stimmungsrechts der Frau bei der eingeschlossenen Literatur gewahrt worden sein.
Eine Randomisierung der Population bezüglich des Settings war somit nicht zulässig.
Outcomes bei Terminüberschreitung
18
Synthese
Die Ergebnisse aller relevanten Publikationen wurden im Anschluss kategorisiert, in
tabellarischer Form dargestellt und deskriptiv beschrieben. Die einzelnen Ergebnis-
masse wurden in folgende Kategorien unterteilt:
Maternale Outcomes ausserklinisch
Neonatale Outcomes ausserklinisch
Maternale Outcomes Klinik
Neonatale Outcomes Klinik
So sollte ein Vergleich der geburtshilflichen Outcomes nach Kategorien ermöglicht
werden. Der Geburtsort bezieht sich dabei auf das Setting des Geburtsbeginns. Wurde
beispielsweise eine Frau zum Geburtsbeginn im Geburtshaus betreut und im Verlauf in
eine Klinik verlegt, so wurde der beschriebene Fall der Gruppe der ausserklinischen
Geburten zugeordnet.
4 Ergebnisse
Zum Einschluss in das Review konnten zehn relevante Studien identifiziert werden
(Abb. 5 und 6). Die eingeschlossene Literatur und deren Ergebnisse werden im folgen-
den Kapitel beschrieben.
4.1 Suchergebnisse
Abbildung 5 Ergebnisse der ersten Literaturrecherche
Nach dem Prozess der ersten Literaturrecherche wurden von den Autorinnen aufgrund
der unzureichenden Menge an Datenanalysen Anpassungen in der Suchstrategie vor-
Outcomes bei Terminüberschreitung
19
genommen. Die nicht vorhandene Übersetzung des Begriffs „Terminüberschreitung“ in
englischer Sprache (DGGG, 2014) hat dazu geführt, dass die Ergebnisse der ersten
Literaturrecherche vorwiegend auf den Zeitraum der Übertragung zutreffend waren,
nicht jedoch auf den zu untersuchenden Zeitraum. Also wurde eine Anpassung der
Suchbegriffe bezüglich der Population vorgenommen.
Population: woman, mother, newborn, child, birth, labo*, deliver*, low-risk, uncompli-
cated, pregnan*, (beyond) term, over due / over due date, delay*, elapse*, outstand*,
belat*, behind time, post term, gestational age, week of gestation
Abbildung 6 Ergebnisse der zweiten Literaturrecherche
Anhand dieser Anpassungen wurde eine zweite Literatursuche durchgeführt. Ebenso
wurden die Autoren von Literatur, welche sowohl das Setting, wie auch das GA unter-
suchten, jedoch keine Datenanalysen der erforderlichen Schnittmenge beschrieben
haben, per E-Mail nach Datenanalysen der Schnittmenge gefragt. De Jonge A. bestä-
tigte daraufhin, dass ihrerseits keine weiterführenden Analysen durchgeführt wurden.
Zusätzlich haben die Autorinnen Zugang zu den Rohdaten der QUAG und dem SHV
erhalten. Auch diese Daten wurden bisher nicht auf mögliche Assoziationen zwischen
TÜ und Setting untersucht.
Die Studie von Alexander, McIntire und Leveno (2000) wurde aufgrund ihrer Eignung
zur Beantwortung der Fragestellung trotz des früheren Publikationsdatums in das vor-
liegende Review einbezogen.
Outcomes bei Terminüberschreitung
20
4.2 Relevante Studien
Von den zehn analysierten Studien beziehen sich acht auf das klinische und zwei auf
das ausserklinische Setting. Nachfolgend werden die eingeschlossenen Studien kurz
beschrieben.
Alexander et al. (2000) untersuchten die geburtshilflichen Outcomes nach 40,
41 und 42 SSW, wenn die Geburt routinemässig nach 42 anstelle von 41 SSW
eingeleitet wird.
Caughey und Bishop (2006) untersuchten Veränderungen der perinatalen Mor-
biditätsraten im physiologischen Geburtszeitraum und deren Assoziationen mit
dem Geburtsmodus bei Nulli- und Multiparas.
Caughey, Stotland, Washington und Escobar (2007) haben die Raten materna-
ler Schwangerschaftsoutcomes und –komplikationen pro SSW im physiologi-
schen Geburtszeitraum untersucht.
Greve, Lundbye-Christensen, Nickelsen und Secher (2009) evaluierten die ma-
ternalen Komplikationen und die neonatale Morbidität nach Tagen des Gestati-
onsalters ab dem ET in einer Kohorte von Frauen nach spontanem Geburtsbe-
ginn.
Heimstad, Romundstad, Eik-Nes, Salvesen (2006) untersuchten die geburtshilf-
lichen Outcomes nach 37 SSW.
Hollowell et al. (2015) führten eine Analyse möglicher Assoziationen maternaler
und organisatorischer Charakteristika und Interventionen, Verlegungen und an-
deren Outcomes für „low-risk“ und „higher-risk“ SS durch. Das Ziel der Autoren
war die Bereitstellung von Informationen zur Unterstützung und Weiterentwick-
lung der Gesundheitsversorgung und für die informierte Wahl des Geburtsorts
für „low-risk“ Frauen.
Linder et al. (2014) analysierten den Zusammenhang zwischen dem GA und
einem breiten Spektrum neonataler Morbiditäten in einer „low-risk“ Population
um den ET.
Nicholson, Kellar und Kellar (2006) untersuchten den optimalen Geburtszeit-
punkt für vier risikodefinierte Gruppen in der Klinik.
Rowe, Fitzpatrick, Hollowell und Kurinczuk (2012) untersuchten die prozentua-
len Anteile der Frauen, welche während der Geburt von einer hebammengelei-
teten Einrichtung (HgE) in die Klinik verlegt wurden, sowie mögliche Einfluss-
faktoren und Ursachen der Verlegung. Die Gründe der Transfers wurden nicht
auf einen Zusammenhang mit dem GA untersucht.
Outcomes bei Terminüberschreitung
21
Stock et al. (2012) analysierten neonatale und maternale Outcomes nach elek-
tiver Einleitung im Vergleich mit einem abwartenden Management im Geburts-
zeitraum.
Die Qualität der eingeschlossenen Literatur wurde von den Autorinnen auf das Evi-
denzniveau IIa eingestuft. Die Studie von Heimstad et al. (2006) auf das Evidenzniveau
IIb (AWMF, 2001). Die detaillierten Stärken und Schwächen der einzelnen Studien sind
den Analyserastern im Anhang 10.1 zu entnehmen.
Durch die systematische Literaturrecherche konnten keine Datenanalysen der perina-
talen Outcomes un- und neugeborener Kinder bei extramuraler TÜ-Geburt identifiziert
werden. Die beiden analysierten Studien zum ausserklinischen Setting enthalten aus-
schliesslich Aussagen zu Verlegungen aus dem ausserklinischen Setting in die Klinik,
ohne weiterführende Analysen möglicher Assoziationen zwischen der Verlegungsursa-
chen und dem GA (Rowe et al., 2012; Hollowell et al., 2015). Aufgrund dessen wird die
Verlegung, anstelle der maternalen und neonatalen Outcomes extramuraler Geburten,
als eigene Kategorie gebildet. Anhand der, von den eingeschlossenen Studien unter-
suchten, Ergebnismasse wurden die klinischen Outcomes einer TÜ-Geburt wie in Abb.
7 dargestellt. Für die Zusammenfassung der Ergebnismasse der extramuralen Studien
von Rowe et al. (2012) und Hollowell et al. (2015) wurde eine Kategorisierung in Haus-
geburt (HG), „freestanding midwifery unit“ = unabhängiges Geburtshaus (FMU) und
„alongside midwifery unit“ = angegliedertes Geburtshaus (AMU) vorgenommen (Abb.
8).
Abbildung 7 Gliederung der Ergebnismasse klinischer Geburten
Outcomes bei Terminüberschreitung
22
Abbildung 8 Gliederung der Ergebnismasse extramuraler Geburten
Es ist zu beachten, dass in den folgenden Grafiken die Skalen der Prozentzahlen, um
eine deutlichere Ansicht zu ermöglichen, den Ergebnissen angepasst wurden. Zudem
werden für die Autoren folgende Abkürzungen verwendet:
A (2000) für Alexander et al. (2000)
C (2006) für Caughey und Bishop (2006)
C (2007) für Caughey et al. (2007)
G (2009) für Greve et al. (2009)
H (2006) für Heimstad et al. (2006)
H (2015) für Hollowell et al. (2015)
L (2014) für Linder et al. (2014)
N (2006) für Nicholson et al. (2006)
R (2012) für Rowe et al. (2012)
S (2012) für Stock et al. (2012)
Die Angaben 40+ (40 0/7 – 40 6/7 SSW) und 41+ (41 0/7 – 41 6/7 SSW) beziehen sich
in den Abbildungen auf die SSW.
Outcomes bei Terminüberschreitung
23
4.3 Maternale Outcomes Klinik
Sectio Caesarea
Abbildung 9 Inzidenz der Sectio Caesarea im Zeitraum der Terminüberschreitung
Abbildung 10 Gegenüberstellung der Datenanalysen zur Inzidenz vaginal-operativer Geburten im Zeit-
raum der Terminüberschreitung
Den Abb. 9 und 10 ist zu entnehmen, dass die SC-Rate im Zeitraum 41 0/7 bis 41 6/7
SSW im Vergleich zu der SC-Rate bei schwangeren Frauen nach einer Geburt im GA
von 40 0/7 bis 40 6/7 SSW steigt (Alexander et al., 2000; Greve et al., 2009; Linder et
al., 2014; Heimstad et al., 2006; Stock et al., 2012, Caughey et al., 2007). Die Ergeb-
nisse von Nicholson et al. (2006) werden in der Abb. 10 nicht dargestellt, da die Eintei-
lung des GA nicht mit den Definitionen der übrigen Autoren übereinstimmt. Ebenso
Outcomes bei Terminüberschreitung
24
werden die Ergebnisse von Caughey et al. (2007) zu den Multi- und Nulliparas nicht mit
einbezogen, da es sich um Angaben zur primären SC handelt.
Vaginal-operative Geburt
Abbildung 11 Inzidenz vaginal-operativer Geburten im Zeitraum der Terminüberschreitung
Abbildung 12 Gegenüberstellung der Datenanalysen zur Inzidenz vaginal-operativer Geburten im Zeit-
raum der Terminüberschreitung
Den Abb. 11 und 12 ist zu entnehmen, dass die Rate an VOG mit steigendem GA zu-
nimmt (Caughey & Bishop, 2006; Greve et al., 2009; Linder et al., 2014; Heimstad et
al., 2006; Stock et al, 2012, Caughey et al., 2007). Alexander et al. (2000) untersuch-
ten nur die Inzidenz der Forcepsentbindungen, weshalb diese Daten in der Abb. 12
nicht dargestellt sind.
Outcomes bei Terminüberschreitung
25
Geburtsverletzungen
Abbildung 13 Inzidenz schwerwiegender Geburtsverletzungen im Zeitraum der Terminüberschreitung
Abbildung 14 Gegenüberstellung der Datenanalysen zur Inzidenz schwerwiegender Geburtsverletzungen
im Zeitraum der Terminüberschreitung
Den Abb. 13 und 14 ist zu entnehmen, dass Dammrisse (DR) 3. und 4. Grades nach
einer Geburt im GA von 41 0/7 bis 41 6/7 SSW öfters vorkommen, als nach einer Ge-
burt im GA von 40 0/7 bis 40 6/7 SSW (Caughey & Bishop, 2006; Nicholson et al.,
2006; Greve et al., 2009, Caughey et al., 2007). Laut Greve et al. (2009) steigt die Rate
an Episiotomien (EPI) mit dem GA nach 40 SSW an (Abb. 13). Die Resultate von
Nicholson et al. (2006) werden in der Abb. 14 nicht einbezogen, da die Einteilung des
GA nicht der Definition der anderen Autoren entspricht.
Outcomes bei Terminüberschreitung
26
Geburtsdauer
Abbildung 15 Prävalenz verlängerter Geburtsverläufe im Zeitraum der Terminüberschreitung
In der Abb. 15 wird eine Zunahme der prolongierten Geburtsdauer (Alexander et al.,
2000; Heimstad et al. 2006), sowie eine Zunahme der prolongierten Austreibungspha-
se (AP) (Alexander et al., 2000; Heimstad et al., 2006; Caughey & Bishop, 2006) von
Entbindungen nach 40 SSW, zu jenen nach 41 SSW beschrieben. Eine Zunahme der
Geburtsdauer über 24 Stunden wird von Caughey et al. (2007) bei steigendem GA
beschrieben.
Postpartale Hämorrhagie
Abbildung 16 Inzidenz der postpartalen Hämorrhagie im Zeitraum der Terminüberschreitung
Outcomes bei Terminüberschreitung
27
Abbildung 17 Gegenüberstellung der Datenanalysen zur Inzidenz der postpartalen Hämorrhagie im Zeit-
raum der Terminüberschreitung
Der Abb. 16 ist zu entnehmen, dass die Rate an PPH (BV >500ml) mit dem GA nach
40 SSW steigt (Caughey & Bishop, 2006; Stock et al., 2012; Heimstad et al., 2006).
Caughey und Bishop (2006) beschreiben einen Anstieg der PPH über 1000ml von Ge-
burten nach der 40. zu denjenigen nach der 41. SSW. Die Untersuchungen von Caug-
hey et al. (2007) zeigten ebenfalls einen Anstieg der PPH im besagten Zeitraum. Greve
et al. (2009) beschreiben eine steigende Rate an Transfusionen bei Geburten nach 41
SSW, im Vergleich mit denen nach 40 SSW. Die Abb. 17 zeigt eine Gegenüberstellung
der Datenanalysen zum BV >500ml.
Chorioamnionitis
Abbildung 18 Inzidenz der Chorioamnionitis im Zeitraum der Terminüberschreitung
Outcomes bei Terminüberschreitung
28
Abbildung 19 Gegenüberstellung der Datenanalysen zur Inzidenz der Chorioamnionitis im Zeitraum der
Terminüberschreitung
Die Abb. 18 und 19 zeigen die prozentual ansteigende Inzidenz der Chorioamnionitis
bei schwangeren Frauen mit GA 41 0/7 bis 41 6/7 SSW im Vergleich zu schwangeren
Frauen im GA von 40 0/7 bis 40 6/7 SSW (Alexander et al., 2000; Caughey & Bishop,
2006, Caughey et al., 2007).
4.4 Fetale und neonatale Outcomes Klinik
Perinataler und neonataler Kindstod
Abbildung 20 Inzidenz der peri- und neonatalen Mortalität im Zeitraum der Terminüberschreitung
Outcomes bei Terminüberschreitung
29
Die Ergebnisse zur peri- und neonatalen Mortalität sind, wie in Abb. 20 dargestellt,
nicht eindeutig. Alexander et al. (2000) beschreiben eine abnehmende Rate an Totge-
burten mit steigendem GA. Die neonatale Todesrate wird von Alexander et al. (2000)
und Linder et al. (2014) steigend, bzw. gleichbleibend beschrieben. Die Zahlen zum
perinatalen Kindstod von Stock et al. (2012) zeigen einen Anstieg mit dem GA.
Apgar-Wert
Abbildung 21 Inzidenz der 5'Apgar-Werte unter 7 im Zeitraum der Terminüberschreitung
Abbildung 22 Gegenüberstellung der Datenanalysen zur Inzidenz der 5'Apgar-Werte unter 7 im Zeitraum
der Terminüberschreitung
Apgar- Werte nach 5 Minuten unter 4 sind gemäss Alexander et al. (2000) im Zeitraum
der TÜ prozentual gleichbleibend. Bezüglich der Apgar-Werte nach 5 Minuten unter 7
kommen die Autoren zu unterschiedlichen Resultaten. Greve et al. (2009) und Nichol-
son et al. (2006) beschreiben eine steigende Prozentzahl bei Geburten nach 41 SSW,
im Vergleich zu Geburten nach 40 SSW. Linder et al. (2014) konnten bei den gleichen
Outcomes bei Terminüberschreitung
30
Vergleichsgruppen keinen Unterschied im prozentualen Vorkommen feststellen und
Heimstad et al. (2006) haben in ihrer Untersuchung eine Abnahme deren Inzidenz bei
Geburten nach 41 SSW im Vergleich zu Geburten nach 40 SSW festgestellt (Abb. 21
und 22).
NS pH
Abbildung 23 Inzidenz niedriger NS pH-Werte im Zeitraum der Terminüberschreitung
Abbildung 24 Gegenüberstellung der Datenanalysen zur Inzidenz der NS pH-Werte < 7.1 mol/l
Outcomes bei Terminüberschreitung
31
Abbildung 25 Gegenüberstellung der Datenanalysen zu Inzidenz der NS pH-Werte < 7 mol/l
Die Raten an NS pH-Werten unter 7.1 mol/l werden von Heimstad et al. (2006) wäh-
rend der TÜ steigend beschrieben. Greve et al. (2009) konnten im besagten Zeitraum
keine Unterschiede der NS pH-Werte unter 7.1 mol/l feststellen. Die Resultate zu arte-
riellen NS pH-Werten unter 7.0 mol/l sind nicht eindeutig. Alexander et al. (2000) be-
schreiben einen Anstieg deren Inzidenz im Zeitraum der TÜ, während Greve et al.
(2009) weniger NS pH-Werte unter 7.0 mol/l nach 41 SSW verzeichneten (Abb. 23, 24
und 25).
Mekoniumhaltiges Fruchtwasser und Mekoniumaspirationssyndrom
Abbildung 26 Inzidenz mekoniumhaltigen Fruchtwassers und Mekoniumaspirationssyndrom im Zeitraum
der Terminüberschreitung
Outcomes bei Terminüberschreitung
32
Abbildung 27 Gegenüberstellung der Datenanalysen zur Inzidenz mekoniumhaltigen Fruchtwassers im
Zeitraum der Terminüberschreitung
Abbildung 28 Gegenüberstellung der Datenanalysen zur Inzidenz des Mekoniumaspirationssyndroms im
Zeitraum der Terminüberschreitung
Die Inzidenz von mekoniumhaltigem FW wird von Greve et al. (2009) und Linder et al.
(2014) im Zeitraum 41 0/7 bis 41 6/7 SSW höher beschrieben als im Zeitraum 40 0/7
bis 40 6/7 SSW. Die Rate an MAS wird von Linder et al. (2014) gleichbleibend ver-
zeichnet, während Heimstad et al. (2006) eine Erhöhung der Rate bei Geburten nach
41 SSW im Vergleich zu denjenigen nach 40 SSW beschreiben (Abb. 26, 27 und 28).
Outcomes bei Terminüberschreitung
33
Verlegung auf NICU
Abbildung 29 Inzidenz von Verlegungen auf die NICU im Zeitraum der Terminüberschreitung
Abbildung 30 Gegenüberstellung der Datenanalysen zur Inzidenz von Verlegungen auf die NICU im Zeit-
raum der Terminüberschreitung
Den Abb. 29 und 30 ist zu entnehmen, dass die Rate an Verlegungen auf die NICU
nach 40 SSW ansteigt (Alexander et al., 2000; Greve et al., 2009). Linder et al. (2014)
konnten diesbezüglich keine Unterschiede verzeichnen. Gemäss Nicholson et al.
(2006) ist die Anzahl Verlegungen von 40 2/7 SSW bis 40 5/7 SSW zunehmend, von
der 41 1/7 SSW zur 41 4/7 SSW wiederum abnehmend. Die Ergebnisse von Nicholson
et al. (2006) werden nicht in die Gegenüberstellung (Abb. 30) mit einbezogen, da die
Einteilung des GA nicht der Einteilung der übrigen Autoren entspricht.
Outcomes bei Terminüberschreitung
34
Geburtsgewicht und LGA
Abbildung 31 Vorkommen von Geburtsgewicht > 4kg und LGA im Zeitraum der Terminüberschreitung
Der Abb. 31 ist zu entnehmen, dass die Rate an LGA (Linder et al., 2014) und der pro-
zentuale Anteil der Kinder mit einem Geburtsgewicht über 4000g (Alexander et al.,
2000) im Zeitraum der TÜ ansteigt.
4.5 Verlegung von extra- nach intramural
Abbildung 32 Verlegung von extra- nach intramural im Zeitraum der Terminüberschreitung
Outcomes bei Terminüberschreitung
35
In Abb. 32 sind die, nachfolgend in Kategorien unterteilten, prozentualen Anteile der
Verlegungen aus dem ausserklinischen ins klinische Setting zusammengefasst. Die
Abkürzungen N für Nulliparas, bzw. M für Multiparas werden in den folgenden Abb.
dieses Kapitels verwendet.
Hausgeburt
Abbildung 33 Verlegung geplanter Hausgeburten in die Klinik
Die Rate der Verlegungen von Nulli- und Multiparas von Zuhause in die Klinik steigt im
Zeitraum der TÜ an. Wird die Gesamtpopulation betrachtet, so werden nach 41 SSW
weniger Frauen verlegt (Hollowell et al., 2015), (Abb. 33).
Unabhängiges Geburtshaus
Abbildung 34 Verlegung geplanter FMU-Geburten in die Klinik
Outcomes bei Terminüberschreitung
36
Abbildung 35 Gegenüberstellung der Datenanalysen zur Verlegung geplanter FMU-Geburten
Die Verlegungsrate der Nulli- und Multiparas steigt gemäss Hollowell et al. (2015) im
Zeitraum der Terminüberschreitung an. In der Gesamtpopulation werden nach 41 SSW
im Vergleich zur vorhergehenden SSW weniger Frauen verlegt (Hollowell et al., 2015).
In der Studie von Rowe et al. (2012) wurden 20.6% der gebärenden Frauen von 40 0/7
– 40 6/7 SSW aus einer FMU in die Klinik verlegt (Abb. 34 und 35).
Angegliedertes Geburtshaus
Abbildung 36 Verlegung geplanter AMU-Geburten in die Klinik
Outcomes bei Terminüberschreitung
37
Abbildung 37 Gegenüberstellung der Datenanalysen zur Verlegung geplanter AMU-Geburten
Die Verlegungsraten der Nulli- und Multiparas wird von 40 0/7 bis 40 6/7 SSW zu 41
0/7 bis 41 6/7 SSW steigend beschrieben. Bei Betrachtung der Gesamtpopulation wird
im Verlauf der TÜ eine Abnahme der Verlegungsrate verzeichnet (Hollowell et al.,
2015). In der Studie von Rowe et al. (2012) wurden 27% der gebärenden Frauen von
40 0/7 – 40 6/7 SSW aus einer AMU in die Klinik verlegt. (Abb. 36 und 37)
Die Verlegungsrate der Nulliparas wurde im Vergleich zu Multiparas in allen drei aus-
serklinischen Kategorien mit 40 SSW und 41 SSW erhöht beschrieben (Hollowell et al.,
2015).
5 Diskussion
Durch die vorliegende Arbeit sollte die Frage nach einem bestehenden Unterschied
zwischen den Outcomes einer Geburt in der Klinik und denjenigen im extramuralen
Setting bei TÜ beantwortet werden. Des Weiteren sollte daraus abgeleitet werden, ob
die TÜ bei ansonsten risikoarmer Schwangerschaft ein erhöhtes Risiko für eine
extramurale Geburt darstellt. Das Ziel war die Erhebung der aktuellen Evidenzlage zu
den perinatalen Outcomes zwischen der 40 0/7 und der 41 6/7 SSW im intra- und
extramuralen Setting durch die systematische Literaturrecherche. Basierend darauf
sollte eine Aussage zum Risikomanagement der TÜ in der extramuralen Geburtshilfe
mit Bezugnahme auf das Kompetenzprofil der Hebamme und die freie Wahl des Ge-
burtsorts gemacht werden.
Outcomes bei Terminüberschreitung
38
Zentrale Ergebnisse der Arbeit
Ein Vergleich der Ergebnismasse intra- und extramuraler Geburten bei TÜ und eine
davon abgeleitete Aussage über mögliche Unterschiede der Outcomes in den Settings
war nicht möglich. In Ermangelung vergleichbarer Datenanalysen scheint es plausibel,
dass keine Aussage zur settingbezogenen Sicherheit von Geburten bei TÜ gemacht
werden kann. Während der Literaturrecherche hat sich gezeigt, dass intra- und
extramurale Evidenzen unterschiedliche Ergebnismasse beinhalten. So konnte im Be-
zug auf intramurale Geburten Literatur zu den vorgängig definierten Variablen identifi-
ziert werden. Im extramuralen Setting konnten lediglich Datenanalysen zur Variable
„Verlegung“ in Bezug auf die TÜ ermittelt werden. Trotz der dargestellten Tatsachen,
wird um das Management einer Überschreitung des Stichtages „ET“ debattiert. Für
eine solche Debatte wäre die Angleichung der intra- und extramuralen Datenerhebung
als Grundlage für erweiterte Datenanalysen erforderlich.
Die bisherigen Ausführungen zeigen auf, dass die Arbeit im Hinblick auf die Einschrän-
kung schwangerer Frauen und derer Familien in ihrer Wahl des Geburtsorts von Be-
deutung ist. Wird nämlich ihr Recht auf freie Entscheidung ohne eine auf ausreichend
Literatur gestützte Begründung beschnitten, so ist dies aus Sicht der Autorinnen ein
inakzeptabler Entschluss. Aus Sicht der Autorinnen soll die nicht vergleichbare Evi-
denzlage der geburtshilflichen Outcomes bei TÜ in der individuellen Betreuung
schwangerer Frauen Beachtung finden. Ein Beitrag zur auf die Physiologie fokussier-
ten Betreuung schwangerer Frauen im Zeitraum der TÜ kann dadurch ansatzweise
geleistet werden. Das Kompetenzprofil der Hebamme beinhaltet die Kompetenz, Kom-
plikationen bei Mutter und Kind erkennen, adäquat einschätzen und folgerichtig han-
deln zu können (Kompetenzprofil Diplomierte Hebamme BSc, 2007). Aktuelle Leitlinien
zum Management der TÜ beinhalten Diagnoseverfahren mittels US (DGGG, 2014;
DHV, 2012; NICE, 2008). Die Ultraschalldiagnostik ist jedoch nicht Bestandteil des
schweizerischen Hebammenkompetenzprofils (Kompetenzprofil Diplomierte Hebamme
BSc, 2007). Unter Berücksichtigung dieser Kompetenzbeschreibung ist die Notwendig-
keit einer Untersuchung durch einen Gynäkologen oder eine Gynäkologin am ET wei-
terhin nicht beantwortet.
Im Laufe der Literaturrecherche stellte sich heraus, dass die beiden Begriffe „Termin-
überschreitung“ und „Übertragung“ in der deutschen Sprache teilweise synonym für
den Zeitraum der TÜ verwendet werden. In der Folge empfehlen die Autorinnen die
Verwendung des Begriffes „Geburtszeitraums“ anstelle des Begriffes „ET“, um das
Bewusstsein der Fachpersonen und Gesellschaft über die Physiologie von Schwan-
gerschaft und Geburt zu fördern. Denn die Autorinnen stellen sich die Frage, ob mög-
Outcomes bei Terminüberschreitung
39
licherweise rein durch das Vorhandensein einer spezifischen Begrifflichkeit für den
besagten Zeitraum in der deutschen Sprache ein pathologisierendes Verständnis für
die, dem physiologischen Geburtszeitraum zugehörige, TÜ geschaffen wird.
Klinische Studien zeigen einen Anstieg der mütterlichen Morbidität von der ersten zur
zweiten Woche im Zeitraum der TÜ auf (Alexander et al., 2000; Greve et al., 2009;
Linder et al., 2014; Heimstad et al., 2006; Nicholson et al., 2006; Stock et al., 2012;
Caughey & Bishop, 2006; Caughey et al., 2007). Mögliche Störvariablen wie Wehenun-
terstützung, schmerzlindernde Massnahmen oder die Betreuungsform sind den Evi-
denzen nicht zu entnehmen.
Die neonatalen Outcomes einer Klinikgeburt bei TÜ wurden teilweise kontrovers be-
schrieben. Eine mögliche Ursache dafür könnte beispielsweise in der Subjektivität der
Apgar-Werte liegen.
Morken, Klungsøyr und Skjaerven (2014) haben festgestellt, dass über 40% der Tot-
geburten mit „Small for Gestational Age“ (SGA)-Diagnose durch die sonographische
Bestimmung des GA jünger eingeschätzt wurden als durch die ET-Bestimmung nach
Naegele. Die Autoren leiten davon ab, dass das Mortalitätsrisiko bei TÜ stark im Zu-
sammenhang mit der Terminbestimmung per US steht, da die NG möglicherweise im
GA tatsächlich schon weiter fortgeschritten sind.
Extramurale Studien zu Verlegungen ausserklinischer Geburten in die Klinik (Hollowell
et al., 2015; Rowe et al., 2012) zeigten durchs Band ein ca. 3-fach erhöhtes Risiko für
eine Verlegung von Primiparas im Vergleich zu Multiparas im Zeitraum der TÜ auf.
Allgemein hat sich im Zeitraum der TÜ in jedem ausserklinischen Setting eine Abnah-
me der Verlegungsrate gezeigt. Die Ursachen für die Verlegungen im Zeitraum der TÜ
sind aus den Studien nicht ersichtlich. Es ist beispielsweise zu bedenken, dass Gründe
wie der Wunsch nach medikamentöser Schmerzlinderung keine direkte Assoziation mit
der TÜ erlauben.
Ein weiteres zentrales Ergebnis der Arbeit findet sich in der Auslegung der vorhande-
nen Datenanalysen. Die Studien befassen sich vorwiegend mit der Untersuchung der
Zusammenhänge von Setting und perinatalen Outcomes oder derjenigen von spezifi-
schem GA und perinatalen Outcomes, jedoch ohne Berücksichtigung des Geburtsorts.
In der breit angelegten Literaturrecherche konnten nur wenige Evidenzen, welche den
Zusammenhang aller drei Variablen – TÜ, Outcomes und Setting – untersuchten, iden-
tifiziert werden.
Outcomes bei Terminüberschreitung
40
Neuere Studien
Eine neuere Studie zur Fehlerbetrachtung der Geburtsterminberechnung per Ultra-
schall befasst sich mit unterschiedlichen Methoden zur Terminbestimmung und deren
möglichen Fehlerquellen (Wieland, 2015). Gemäss Wieland (2015) bringt die Termin-
bestimmung mittels Naegele-Regel eine durch Zyklusschwankungen bedingte Streu-
ung von mehr als einer Woche des tatsächlichen Schwangerschaftsbeginns mit sich.
Diese Fehlerquelle könnte eigentlich durch die Anwendung der Erweiterten Naegele-
Regel behoben werden. Jedoch ist diese Erweiterung in gängigen Ultraschallgeräten
nicht implementiert. Eine weitere Unsicherheit birgt sich in der Unzuverlässigkeit der
Angaben zum Beginn der letzten Periode. In der Literatur werden Werte um die 20%
für fehlerhafte Angaben von schwangeren Frauen genannt (Merz, Goldhofer & Timor-
Tritsch, 1991).
Die biometrische Ermittlung des Geburtstermins bringt schon durch Messwerte aus
dem Ultraschallbild bedingte Abweichungen mit sich. Bedeutsamer ist aber die Subjek-
tivität dieser Methode durch die individuelle Arbeit der Fachpersonen (Schallkopftyp,
Schallfrequenz, korrekte Schnittebene, Bildberechnungsverfahren, korrekte Marker-
platzierung). Daraus resultieren Messfehler von bis zu mehreren Millimetern, was vor
allem in den ersten 12 SSW zu terminlichen Abweichungen von mehr als einer Woche
führen kann. Künzel und Bachmann (2000) weisen im Gegensatz zu Morken et al.
(2014) darauf hin, dass das Schwangerschaftsalter durch die Terminberechnung häufi-
ger über- als unterschätzt wird und somit häufiger zu Unrecht eine Übertragung diag-
nostiziert werden könnte.
All diesen Berechnungen zugrunde liegt die Annahme, dass eine SS 280 Tage dauert,
die individuelle, nichtpathologische Schwangerschaftsdauer kann jedoch auch bei ge-
nauem Wissen um das Konzeptionsdatum in einem Zeitraum von 5-6 Wochen
schwanken. Geburtstermin-Berechnungen sind folglich immer nur statistische Schät-
zungen (Wieland, 2015).
Wird also ein Mittelwert wie der ET als Grenzwert ohne Toleranzintervall betrachtet,
kann dies folgenschwere Entscheidungen wie eine Geburtseinleitung oder gar eine
Operation zur Folge haben. Eine solche Entscheidung aufgrund eines unsicher ge-
schätzten Mittelwerts ist gemäss Wieland (2015) nicht nur fahrlässig, sondern unter
Umständen lebensgefährlich oder gar den Straftatbestand einer Körperverletzung erfül-
lend. Eine von einem solchen Grenzwert abhängige Erlaubnis oder Bezahlung einer
ausserklinischen Geburt oder damit verbundene Bedingungen, wie z. B. eine Schwan-
Outcomes bei Terminüberschreitung
41
gerschaftskontrolle durch den Gynäkologen oder Gynäkologin, wären laut Wieland
(2015) bedenklich.
Die Geburtsterminberechnung und die ihr zugrundeliegenden statistischen Formeln
werden vom Fachpersonal zu wenig hinterfragt (Wieland, 2015). Am US-Gerät ange-
gebene Termine suggerieren zudem eine falsche Genauigkeit des ET.
Rockenschaub (2005) thematisiert als mögliche Ursachen für das spätere Einsetzen
der Geburtswehen mangelnde Erregbarkeit der Uterusmuskulatur, hormonale und neu-
rohormonale Störungen oder die Veranlagung der Frau.
Ein weiterer interessanter Gedanke ist derjenige einer Terminüberschreitung bis zu
einem normal entwickelten Kind. Diesem Gedanken zugrunde liegt die Annahme, dass
eine Wachstumspause ohne kindliche Fehlentwicklung eine mögliche Ursache der
Terminüberschreitung sein könnte. Ein möglicher Grund für dieses Innehalten ist der
mütterliche Distress. Der individuelle Zeitpunkt der kindlichen Reife kann sich nach
dieser Auffassung ohne Schaden nach hinten verschieben (Rockenschaub, 2005).
Hendrix et al. (2009) haben untersucht, weshalb schwangere Frauen nicht bereit sind,
an einer randomisiert-kontrollierten Studie zum Geburtsort teilzunehmen. Schwangere
Frauen legen demnach Wert auf ihre Autonomie in der Wahl des Geburtsortes.
Aufgrund dessen kann bezüglich des Managements einer TÜ keine Empfehlung für
oder gegen eine TÜ-Geburt in einem spezifischen Setting abgegeben werden. Be-
troffene Frauen und Familien sollen in ihrer Wahl des Geburtsorts weder einge-
schränkt, noch in eine Richtung gedrängt werden. Ihnen steht zu, offen und unvorein-
genommen über ihre Möglichkeiten und die damit verbundenen Evidenzen – und die
Inexistenz entsprechender Datenanalysen – informiert zu werden.
Aus Sicht der Autorinnen sollte das Recht auf Selbstbestimmung und somit auf die
freie Wahl des Geburtsortes, nach vollumfänglicher Aufklärung, allein den schwange-
ren Frauen und deren Familien vorbehalten sein. Eine adäquate und sorgfältige Risi-
koselektion durch die betreuende Hebamme und die Förderung und Inanspruchnahme
der interdisziplinären Zusammenarbeit mit den Gynäkologen und Gynäkologinnen
muss bei Regelabweichungen im Schwangerschaftsverlauf gewährleistet sein. Die
Ergebnisse dieses Literaturreviews zeigen auf, dass die Verknüpfung eines einzigen
Stichtages mit einer Betreuungsform und den damit zusammenhängenden Interventio-
nen, ohne Mitspracherecht der Betroffenen, nicht gerechtfertigt ist. Für die Betreuung
von Seiten der Fachpersonen bedeutet dies, die adäquate und transparente Aufklärung
zu gewährleisten und schwangere Frauen mit ihren Familien in deren Wahl des Ge-
burtsortes zu unterstützen.
Outcomes bei Terminüberschreitung
42
Stärken und Schwächen der Arbeit
Die systematische und sorgfältige Identifikation und Analyse der Literatur unterstützen
die Aussagekraft der Arbeit. Durch die breit angelegte und unabhängige Literatur-
recherche der beiden Autorinnen auf mehreren Datenbanken wurde das Risiko eines
Datenverlustes minimiert. Die einbezogene Literatur ist, bedingt durch das Studiende-
sign, auf dem Evidenzniveau II nach AWMF einzustufen (AWMF, 2001). Die Qualität
der Evidenzen zeugt durch ihre grosse Population, das konsequente Ausschliessen
von maternalen Störfaktoren, sowie die vorwiegend nachvollziehbare Deklaration der
Ein- und Ausschlusskriterien von Stärke.
Limitierend auf die Qualität der vorliegenden Arbeit wirkt, dass in keiner eingeschlos-
senen Studie Interventionen wie Periduralanästhesie, Wehenhemmung, oder –
unterstützung während des Geburtsverlaufs überprüft wurden. Aufgrund der teilweise
langen Studienlaufzeit sind Veränderungen in der Gesundheitsversorgung und im Ma-
nagement nicht auszuschliessen. Die Ergebnismasse aus der extramuralen Geburtshil-
fe sind, aufgrund der nicht untersuchten Verlegungsursachen, in Bezug auf die Frage-
stellung nicht interpretierbar. Ein weiterer Aspekt ist die Subjektivität der Entscheide für
oder gegen eine Verlegung. So wird eine Frau unter der Geburt womöglich später ver-
legt, wenn der extramurale Geburtsort an eine grössere Klinik angegliedert ist, als eine
gebärende Frau während einer Hausgeburt.
Die Angebote in der Geburtshilfe sind international und national von sehr unterschiedli-
cher Natur. Es ist zu beachten, dass die einbezogene Literatur vorwiegend aus Gross-
britannien, Skandinavien und den Niederlanden stammt. Die Gesundheitssysteme der
betreffenden Nationen unterscheiden sich von demjenigen in der Schweiz bezüglich
der Finanzierung und den Möglichkeiten für schwangere Frauen. So ist beispielsweise
in den Niederlanden die Hebamme als erste Ansprechperson für schwangere Frauen
verankert. Sie hat somit die gewichtige Aufgabe der Risikoselektion inne und ist dafür
verantwortlich, Frauen mit erhöhtem Betreuungsbedarf an Gynäkologen oder Gynäko-
loginnen und Kliniken zu verweisen (Amelink-Verburg & Buitendijk, 2010, S. 30). Die-
ser Aspekt ist in der Übertragung der Ergebnisse dieses Reviews auf die Schweiz zu
berücksichtigen.
6 Schlussfolgerung
Die aktuelle Evidenzlage rechtfertigt keine Empfehlungen für oder gegen eine Geburt
bei TÜ in einem spezifischen Setting.
Outcomes bei Terminüberschreitung
43
Für schwangere Frauen und deren Familien bedeutet dies in Bezug auf die freie Wahl
des Geburtsortes, dass eine Einschränkung dieses Rechts weiterhin nicht wissen-
schaftlich unterstützt werden kann. Für die Betreuung der Familien bedeutet dies, dass
eine adäquate und transparente Aufklärung zu gewährleisten ist, sie in der Wahl ihres
Geburtsortes zu unterstützen. Die in der vorliegenden Arbeit gewonnene Erkenntnis,
dass die Verknüpfung eines Stichtages mit einer Betreuungsform und den damit zu-
sammenhängenden Interventionen, aufgrund unzureichender Evidenzen, nicht ge-
rechtfertigt ist, soll bei der Beratung beachtet werden.
Es besteht Forschungsbedarf im Bereich der extramuralen Geburtshilfe im Zusam-
menhang mit den Outcomes der TÜ. Sowohl der SHV, als auch das QUAG, verfügen
über Rohdaten der besagten Variablen, welche die beiden Geschäftsstellen den Auto-
rinnen dieser Arbeit bereitwillig zur Datenanalyse zugänglich gemacht haben. Eine
solche Auswertung war jedoch im Forschungsdesign der vorliegenden Arbeit nicht vor-
gesehen. Um Vergleichswerte zu schaffen und die Gegenüberstellung der perinatalen
Outcomes aus unterschiedlichen Settings zu ermöglichen, sollen die Datensätze ange-
glichen werden.
Outcomes bei Terminüberschreitung
44
7 Literaturverzeichnis
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8 Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 Einordnung der Begriffe Termingeburt, errechneter Geburtstermin,
Terminüberschreitung und Übertragung nach der Arbeitsgemeinschaft der
Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaft (AWMF) (2014) ................... 6
Abbildung 2 Von der Evidenz zur gemeinsamen Entscheidungsfindung ......................13
Abbildung 3 Kriterien für die Beantwortung der Reviewfrage .......................................14
Abbildung 4 Planung der Identifikation und Selektion relevanter Studien .......................
Abbildung 5 Ergebnisse der ersten Literaturrecherche ................................................18
Abbildung 6 Ergebnisse der zweiten Literaturrecherche ..............................................19
Abbildung 7 Gliederung der Ergebnismasse klinischer Geburten ................................21
Abbildung 8 Gliederung der Ergebnismasse extramuraler Geburten ...........................22
Abbildung 9 Inzidenz der Sectio Caesarea im Zeitraum der Terminüberschreitung .....23
Abbildung 10 Gegenüberstellung der Datenanalysen zur Inzidenz vaginal-operativer
Geburten im Zeitraum der Terminüberschreitung ................................................23
Abbildung 11 Inzidenz vaginal-operativer Geburten im Zeitraum der
Terminüberschreitung ..........................................................................................24
Abbildung 12 Gegenüberstellung der Datenanalysen zur Inzidenz vaginal-operativer
Geburten im Zeitraum der Terminüberschreitung ................................................24
Abbildung 13 Inzidenz schwerwiegender Geburtsverletzungen im Zeitraum der
Terminüberschreitung ..........................................................................................25
Abbildung 14 Gegenüberstellung der Datenanalysen zur Inzidenz schwerwiegender
Geburtsverletzungen im Zeitraum der Terminüberschreitung ..............................25
Abbildung 15 Prävalenz verlängerter Geburtsverläufe im Zeitraum der
Terminüberschreitung ..........................................................................................26
Abbildung 16 Inzidenz der postpartalen Hämorrhagie im Zeitraum der
Terminüberschreitung ..........................................................................................26
Abbildung 17 Gegenüberstellung der Datenanalysen zur Inzidenz der postpartalen
Hämorrhagie im Zeitraum der Terminüberschreitung ...........................................27
Abbildung 18 Inzidenz der Chorioamnionitis im Zeitraum der Terminüberschreitung ...27
Outcomes bei Terminüberschreitung
51
Abbildung 19 Gegenüberstellung der Datenanalysen zur Inzidenz der Chorioamnionitis
im Zeitraum der Terminüberschreitung ................................................................28
Abbildung 20 Inzidenz der peri- und neonatalen Mortalität im Zeitraum der
Terminüberschreitung ..........................................................................................28
Abbildung 21 Inzidenz der 5'Apgar-Werte unter 7 im Zeitraum der
Terminüberschreitung ..........................................................................................29
Abbildung 22 Gegenüberstellung der Datenanalysen zur Inzidenz der 5'Apgar-Werte
unter 7 im Zeitraum der Terminüberschreitung ....................................................29
Abbildung 23 Inzidenz niedriger NS pH-Werte im Zeitraum der Terminüberschreitung30
Abbildung 24 Gegenüberstellung der Datenanalysen zur Inzidenz der NS pH-Werte <
7.1 mol/l ...............................................................................................................30
Abbildung 25 Gegenüberstellung der Datenanalysen zu Inzidenz der NS pH-Werte < 7
mol/l .....................................................................................................................31
Abbildung 26 Inzidenz mekoniumhaltigen Fruchtwassers und
Mekoniumaspirationssyndrom im Zeitraum der Terminüberschreitung ................31
Abbildung 27 Gegenüberstellung der Datenanalysen zur Inzidenz mekoniumhaltigen
Fruchtwassers im Zeitraum der Terminüberschreitung ........................................32
Abbildung 28 Gegenüberstellung der Datenanalysen zur Inzidenz des
Mekoniumaspirationssyndroms im Zeitraum der Terminüberschreitung ..............32
Abbildung 29 Inzidenz von Verlegungen auf die NICU im Zeitraum der
Terminüberschreitung ..........................................................................................33
Abbildung 30 Gegenüberstellung der Datenanalysen zur Inzidenz von Verlegungen auf
die NICU im Zeitraum der Terminüberschreitung .................................................33
Abbildung 31 Vorkommen von Geburtsgewicht > 4kg und LGA im Zeitraum der
Terminüberschreitung ..........................................................................................34
Abbildung 32 Verlegung von extra- nach intramural im Zeitraum der
Terminüberschreitung ..........................................................................................34
Abbildung 33 Verlegung geplanter Hausgeburten in die Klinik ....................................35
Abbildung 34 Verlegung geplanter FMU-Geburten in die Klinik ...................................35
Abbildung 35 Gegenüberstellung der Datenanalysen zur Verlegung geplanter FMU-
Geburten .............................................................................................................36
Outcomes bei Terminüberschreitung
52
Abbildung 36 Verlegung geplanter AMU-Geburten in die Klinik ...................................36
Abbildung 37 Gegenüberstellung der Datenanalysen zur Verlegung geplanter AMU-
Geburten .............................................................................................................37
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9 Abkürzungsverzeichnis
AMU “alongside midwifery unit”
AP Austreibungsperiode
AWMF Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesell-
schaft e.V.
BAG Bundesamt für Gesundheit
BfHD Bund freiberuflicher Hebammen Deutschland
BFS Bundesamt für Statistik
BMI Body Mass Index
CTG Kardiotokogramm
DGGG Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe
DHV Deutscher Hebammenverband
DM Diabetes Mellitus
DR Dammriss
EL Einleitung
EPI Episiotomie
ET Errechneter Geburtstermin
FG Frühgeburt
FMU „freestanding midwifery unit“
GA Gestationsalter
HG Hausgeburt
HgE Hebammengeleitete Einrichtung
ICM International Confederation of Midwives
IUFT Intrauteriner Fruchttod
KVG Schweizerisches Bundesgesetz über die Krankenversicherungen
MAS Mekoniumaspirationssyndrom
MFW Mekoniumhaltiges Fruchtwasser
NG Neugeborene/-s
Outcomes bei Terminüberschreitung
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NICE National Institute of Health and Care Excellence
NICU „Neonatal Intensive Care Unit“
NS pH Nabelschnur pH
OTD optimal time of delivery
OU “obstetric unit”
p.p. postpartal
PPH Postpartale Hämorrhagie
QUAG Gesellschaft für Qualität in der ausserklinischen Geburtshilfe e.V.
SBK Schweizerischer Berufsverband der Krankenschwestern und Kranken-
pfleger
SC Sectio Caesarea
SG Spontangeburt
SGA “Small for Gestational Age”
SGGG Schweizer Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe
SHV Schweizerischer Hebammenverband
SS Schwangerschaft
SSW Schwangerschaftswoche
SwissDRG Swiss Diagnosis Related Groups
TÜ Terminüberschreitung
US Ultraschall
VOG Vaginal-operative Geburt