gehorthese
DESCRIPTION
Patente und Diplomarbeiten Medentic.deTRANSCRIPT
Jörg Hahn / Jens Schlesener
Konzeption einer Gehorthese für Querschnittgelähmte
Diese Diplomarbeit wurde am Fachbereich Maschinenbau der Fachhochschule Trier im
Auftrag der Firma Medical Research and Development Patent GmbH & Co. KG im
Zeitraum von Mai 1997 bis Oktober 1997 erstellt.
Wir begrüßen Sie zum ersten Kontakt mit der Diplomarbeit „Konzeption einer Gehorthese für Querschnittgelähmte.
Diese Datei enthält einige Hinweise zur Nutzung der CD-Rom. Die einzelnen Dateien sind nach den Kapiteln der Diplomarbeit unterteilt:
• kapO enthält die Einführung in die Diplomarbeit
• kap 12 enthält die Kapitel „1. Einleitung" und Kapitel „2. Medizinische Grundlagen",
• kap3 enthält das Kapitel „3. Stand der Technik von Hilfsmitteln für Querschnittgelähmte",
• kap4 enthält das Kapitel „4. Werkstoffe im Orthesenbau",
• kap5 enthält das Kapitel „5. Ideenfindung",
• kap67 enthält die Kapitel „6. Detaillösungen" und Kapitel „7. Ausblick",
• danach folgt der „Anhang" im Ordner anhang
Desweiteren sind auf dieser CD-Rom die während der Diplomarbeit erarbeiteten catia Model- Files der Detailkonstruktionen und der Lösungskonzepte gespeichert
Die einzelnen Kapitel lassen sich mit MS-Word 7.0 öffnen. Die catia Model-Files wurden mit der Version catia 4.1.7 erstellt.
Konzeption einer Gehorthese für Ouerschnittgelähmte
1. Uns ist bekannt, daß die Diplomarbeit als Prüfungsleistung in das Eigentum des Landes Rheinland - Pfalz übergeht. Hiermit erklären wir unser Einverständnis, daß die Fachhochschule Trier diese Prüfungs- leistung von Studenten der Fachhochschule Trier einsehen lassen darf, und daß sie die Abschlußarbeit unter Nennung unserer Namen als Urheber veröffentlichen darf.
Erklärungen
2. Wir erklären hiermit, daß wir diese Diplomarbeit selbständig verfaßt, noch nicht anderweitig für andere Prüfungszwecke vorgelegt, keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt sowie wörtliche und sinngemäße Zitate als solche gekennzeichnet haben.
Trier, den 24.10.97
Jörg Hahn Jens Schlesener
Vorwort
Jörg Hahn & Jens Schlesener
Im April 1997 hat der technische Geschäftsführer Friedrich Schmitt der Trierer Firma
Medical Research and Development Patent GmbH & Co. KG (MRD) uns das Thema
"Konzeption einer Gehorthese für Querschnittgelähmte" für eine Diplomarbeit vorge-
schlagen. Da wir schon im Wintersemester 1995 / 1996 eine Konstruktionsarbeit aus dem
Bereich der Medizintechnik ausgeführt haben, hatten wir an diesem Thema sofort
Interesse.
Konzeption einer Gehorthese für Querschnittgelähmte
An dieser Stelle möchten wir uns bei allen, die uns bei dieser Arbeit unterstützt haben,
bedanken; zuerst bei Herrn Prof. Dr. Ing. Michael Schuth für die Betreuung. Zudem stand
er uns jederzeit mit seinem Rat zur Seite und half uns bei der Bewältigung von Problemen.
Danken möchten wir der Firma MRD für die Aufgabenstellung und die interessanten Ideen
beim Brainstorming. Des weiteren möchten wir uns bei Dr. med. Bremer, Oberarzt in der
Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg, und den Orthopädietechnikern der Klinik
bedanken. In Gesprächen beurteilten sie die einzelnen Lösungsvorschläge und zeigten uns
Möglichkeiten zu Verbesserungen auf, die den Bedürfnissen der Behinderten vollends
gerecht werden. Besonders dankbar sind wir Frank Schäfer, der durch seine offenen
Gespräche und die von ihm geknüpften Kontakte uns vieles über die Bedürfnisse von
Paraplegikern nahe bringen konnte. Auch war sein persönlicher Ehrgeiz und sein
Engagement in dieser Sache immer wieder Ansporn für uns, unsere Arbeit weiter
hartnäckig zu verfolgen. Durch ihn lernten wir auch Claudia Kübert und Gerd Kluth
kennen. Sie vermittelten uns in zahlreichen Gesprächen ein Gespür für die
Bewegungsabläufe beim Gehen von behinderten und gesunden Menschen und
unterstützten uns jederzeit bei orthopädischen Problemen. Abschließend bedanken wir uns
bei den zahlreichen Firmen, die uns Anschauungsmaterial zur Verfügung stellten. Sie sind
namentlich im Anhang aufgeführt.
Inhalt Seite
Jörg Hahn & Jens Schlesener IV
Zusammenfassung _____________________________________________________
Konzeption einer Gehorthese für Querschnittgelähmte
1. Einleitung __________________________________________________________ 1
Vll
1.1 Vorstellung der Firma MRD Patent GmbH & Co. KG __________________ 3
1.2 Zeitplanung __________________________________________________ 4
1.3 Zielsetzung ___________________________________________________ 6
1.4 Anforderungsliste: Orthese für Querschnittgelähmte ___________________ 10
2. Medizinische Grundlagen _____________________________________________ 13
2.1 Die Wirbelsäule _______________________________________________ 13
2.2 Das Rückenmark ______________________________________________ 14
2.3 Querschnittlähmung ____________________________________________ 16
2.4 Einstufung nach der Höhe der Rückenmarkschädigung _________________
17
3. Stand der Technik von Hilfsmitteln für Querschnittgelähmte ________________ 19
3.1 Rollstühle ____________________________________________________ 19
3.2 Funktionelle Elektrostimulation und Neuroprothesen (Nerven aus Draht) ___ 20
3.3 Orthesen _____________________________________________________ 21
3.4 Reziproke Gehorthesen _________________________________________ 21
3.4.1 Die "LSU Reciprocation-Gait Orthosis" _____________________ 23
3.4.2 Die "Isozentrische ARGIO" ______________________________ 25
3.4.3 Der "Parawalker" ______________________________________ 27
4. Werkstoffe im Orthesenbau ___________________________________________ 28
4.1 Polyethylen und Polypropylen ____________________________________ 29
4.2 Carbonfaserverstärkte Kunststoffe _________________________________ 30
4.3 Aluminium ___________________________________________________ 31
4.4 Edelstahl _____________________________________________________ 32
4.5 Titan ________________________________________________________ 32
4.6 Sonstige verwendete Materialien __________________________________ 33
5. Ideenfindung _______________________________________________________ 35
5.1 Problemdarstellung ____________________________________________ 36
Jörg Hahn & Jens Schlesener V
5.2 Lösungsfindung _______________________________________________ 37
Konzeption einer Gehorthese für Querschnittgelähmte
5.3 Vorstellung der Gesamtlösungen __________________________________ 42
5.3.1 Details, die alle Lösungen aufweisen ________________________ 42
5.4 Beschreibung der vier Lösungsvorschläge ___________________________ 43
5.4.1 Lösung 1: Gestänge-Hebelarmkombination mit Hydraulikantrieb __ 44
5.4.2 Lösung 2: Anatomische CFK-Schienen mit elektromotorischen
Antrieben _____________________________________________ 47
5.4.3 Lösung 3: Seilzuggesteuerte Orthese mit elektromotorischen
Antrieben _____________________________________________ 52
5.4.4 Lösung 4: Seilzuggesteuerte Orthese mit hydraulischen Antrieben _54
5.5 Vergleich der Lösungen _________________________________________ 60
5.6 Vergleichssystematik ___________________________________________ 65
5.7 Auswertung der Vergleichsystematik _______________________________ 67
6. Detaillösungen ______________________________________________________ 72
6.1 Das Hydrauliksystem ___________________________________________ 72
6.1.1 Experimentelle Ermittlung der notwendigen Längenänderungen __ 76
6.2 Aufnahme der Hydraulikzylinder __________________________________ 77
6.3 Anbindung der Bowdenzüge _____________________________________ 78
6.3.1 Plazierungen der Anbindungen __________________________________ 80
6.4 Führung der Bowdenzüge________________________________________ 81
6.5 Bandagen ____________________________________________________ 81
6.5.1 Individuelle Bandagenanpassung durch Klettverschlüsse _________ 81
7. Ausblick ___________________________________________________________ 84
Anhang ______________________________________________________________ 86
Anhang A: Primärenergieversorgung über einen Druckspeicher _____________ 86
Anhang B: Vorschläge zur Gestaltung der Steuerung bzw. Regelung _________ 87
Jörg Hahn & Jens Schlesener VI
______________________
Anhang C: Kontakte zu Betroffenen, Medizinern und Krankengymnasten _____
Konzeption einer Gehorthese für Querschnittgelähmte
88
Anhang D: Firmen, zu denen im Verlaufe der Arbeit hilfreiche Kontakte
geknüpft wurden _________________________________________ 89
Anhang E: Firmen, deren Produkte in der Diplomarbeit vorgeschlagen wurden _89
Anhang F: Quellenverzeichnis _______________________________________ 90
Anhang G: Diplomanden ___________________________________________ 93
Jörg Hahn & Jens Schlesener VII
Der erste Kontakt eines Studenten mit seiner Diplomarbeit ist die Überschrift des Themas,
danach folgt meist eine kurze Erläuterung. Aufgrund dieser wenigen Informationen wird
entschieden, ob das Thema der Fachrichtung entspricht, in der man später beruflich tätig
sein möchte, und inwiefern das Thema für den jeweiligen Diplomanden genug
Motivations-grundlage bietet, um die Diplomarbeit mit Erfolg abschließen zu können.
Diese Zusammenfassung soll hierfür eine Entscheidungshilfe und Motivationsgrundlage
sein.
Die Trierer Firma MRD Patent GmbH & Co. KG hat das Thema "Konzeption einer
Gehorthese für Querschnittgelähmte" im April 1997 angeboten und notwendige finanzielle
Mittel zugesagt. Zu Beginn war eine umfangreiche Einarbeitung in die Thematik, speziell
in den medizinischen Themenbereich Querschnittlähmung, erforderlich. Neben der
üblichen Literaturrecherche wurden Kontakte zu Betroffenen, Firmen, Krankengymnasten
Konzeption einer Gehorthese für Querschnittgelähmte
Zusammenfassung
und Ärzten geknüpft. In dieser Phase wurden die medizinischen
Grundlagen erarbeitet, der Stand der Technik von reziproken
Gehorthesen festgestellt und eine Vorauswahl an Werkstoffen
getroffen.
In zahlreichen Gesprächen mit Querschnittgelähmten wurden
ihre Bedürfnisse an die Orthese bestimmt, damit nicht am
Kunden vorbei konstruiert wird. Aus den Bedürfnissen
entstanden zum einen Ideen, die konstruktiv umgesetzt wurden
und zum anderen die Bewertungskriterien und deren
Gewichtung innerhalb einer Konstruktionssystematik. In der
Orthopädischen Universitätsklinik in Heidelberg wurden die
Lösungsansätze mit Medizinern und Orthopädietechnikern
besprochen, kritisiert und verbessert. Die krankengymnastische
Abteilung der Rehabilitationsklinik Burg Landshut in
Bernkastei - Kues (RPL) hat uns beraten, in welchen Rahmen
ein Gehen mit der Gehorthese möglich ist und unsere
Jörg Hahn & Jens Schlesener VIII
Bild 1: Virtueller Computer - Dummy als erste Testperson
Lösungskonzepte in bezug auf die menschliche Anatomie überprüft.
Konzeption einer Gehorthese für Querschnittgelähmte
Die Lösungskonzepte wurden als Symboldarstellungen 3-dimensional mit CATIA
gezeichnet. Dazu war es notwendig einen virtuellen Computer - Dummy zu entwickeln, an
den die Orthese angepaßt werden komite. Der in Bild 1 dargestellte Computer - Dummy
weist die wesentlichen physiologischen Merkmale - kräftiger Oberkörper gegenüber
atrophierten Beinen - eines Querschnittgelähmten auf. Eines dieser Lösungskonzepte, das
in Bild 2 dargestellte "Seilzuggesteuerte Orthese mit
hydraulischen Antrieben" wurde durch eine
Konstruktionssystematik
zur
Detailkonstruktion
ausgewählt. Diese besteht aus einem System von
Bandagen, das zur Einleitung bzw. Abstützung der
Momente und zur Befestigung des Antriebes dient. Der
Antrieb, der der menschlichen Anatomie nachempfunden
ist, besteht aus hydraulischen Linearmotoren, deren
Hubbewegungen über Seilzüge auf die Beine übertragen
werden. Als Steuerung bzw. Regelung wird eine SPS
(Speicherprogrammierbare Steuerung) verwendet. Ihre
Signale wirken auf Ventilblöcke, die die Energie des
Druckmediums an die Antriebe verteilen.
Strenggenommen ist an diesem Punkt das Thema der
Diplomarbeit "Konzeption einer Gehorthese für
Querschnittgelähmte" ausgefüllt. Als Schnittstelle für
weiterführende Arbeiten wurde jedoch noch eine
Detailrecherche durchgeführt, deren Ergebnisse im Kapitel
"Detaillösungen" abschließend aufgeführt sind. Außer der
Detailkonstruktion bietet sich für weitere Diplomarbeiten
die Konstruktion der Energieversorgung und die
Entwicklung der Steuerung bzw. Regelung der
Bewegungsabläufe an. Ideen hierzu, die während dieser
Arbeit entstanden sind, sind im Anhang aufgeführt.
Bild 2: Seilzuggesteuerte
Orthese mit hydraulischen Antrieben
Jörg Hahn & Jens Schlesener IX
1. Einleitung
Einleitung
Vor etwa 35 Jahren führte eine Querschnittlähmung in der Regel innerhalb weniger
Wochen oder Monate zum Tode des Betroffenen. Für die wenigen Überlebenden bedingte
eine schwere Schädigung des Rückenmarks in jedem Fall einen lebenslangen Zustand der
Hilflosigkeit und Pflegebedürftigkeit.
Diese Situation hat sich mittlerweile grundlegend geändert. Es ist heute möglich, die
überwiegende Mehrzahl der an Folgen einer schweren Erkrankung oder Verletzung des
Rückenmarks Leidenden am Leben zu erhalten. Allerdings ergibt sich diese Verbesserung
der Überlebenschancen nur unter der Voraussetzung, daß jeder Querschnittgelähmte
sogleich und letztlich für sein ganzes Leben die erforderliche und in erheblichen Umfang
spezialisierte Behandlung erfährt, und daß er selber konsequent die Regeln und
Bedingungen beachtet, die die Behinderung und ihre Folgen von ihm fordern.
In Deutschland sind jährlich etwa 1000 - 1200 Neuerkrankungen oder Verletzungen mit der
Folge einer schweren Schädigung des Rückenmarks und hieraus resultierend einer
Querschnittlähmung zu verzeichnen. Eingeschlossen in diese Zahl sind etwa 300 Kinder,
die mit schweren Fehlbildungen des Rückenmarks und der Wirbelsäule (Spina bifida)
geboren werden. In erster Linie sind Verkehrsunfälle für etwa 60 Prozent aller
traumatischen Rückenmarkschädigungen verantwortlich. Bemerkenswert ist, daß die
Mehrzahl von querschnittgelähmten Verkehrsopfern ihre Schädigung dadurch erleiden, daß
sie aus dem Kraftfahrzeug heraus- oder im Fahrzeugraum umhergeschleudert werden.
Unter mehr als 1000 durch Kraftfahrzeugunfälle querschnittgelähmten Personen hatten
weniger als 10 in einem mit Nackenstützen ausgestatteten Auto einen korrekten
Sicherheitsgurt getragen. In den letzten Jahren hat die Zahl der Querschnittlähmungen
durch Moped- und Motorradunfälle deutlich zugenommen. Zu erwähnen ist schließlich die
Tatsache, daß bei mehr als der Hälfte der durch Verkehrsunfälle verursachten
Querschnittlähmungen dem Alkoholmißbrauch eine mitverursachende Rolle zugeschrieben
werden muß. Des weiteren kommt es nicht selten in Folge von Sport- und Spielunfällen zur
Querschnittlähmung. Als Ursache zu nennen sind hier insbesondere Badeunfälle
(Kopfsprünge in unbekannte Gewässer und Sprünge vom Seitenrand öffentlicher
Jörg Hahn & Jens Schlesener 1
________________________________________________________________
Schwimmbäder), Unfälle beim Trampolinturnen, beim Reiten und Skifahren. Von
Querschnittlähmungen als Folge von Unfällen am Arbeitsplatz sind insbesondere Personen
betroffen, die in der Landwirtschaft (Stürze von der Leiter oder vom Baum, Verletzungen
durch Landmaschinen), im Baugewerbe (Stürze von Baugerüsten oder in Baugruben
hinein) und im Untertagebau tätig sind. Neben den keineswegs seltenen häuslichen
Unfällen, von denen vor allem Hausfrauen und ältere Personen betroffen sind, spielen
bedauerlicherweise Selbsttötungs- und Fremdtötungsversuche als Ursachen von
Querschnittlähmungen eine erhebliche Rolle. Eine Querschnittlähmung kann auch durch
Entzündungen des Rückenmarks und der Wirbelsäule, Tumoren oder neurologischen
Systemerkrankungen (Multiple Sklerose) hervorgerufen werden [1].
Einleitunfi
Querschnittgelähmte sind je nach Krankheitsbild auf Hilfsmittel zur Rehabilitation und zur
Bewältigung des Alltages angewiesen. Die Orthopädietechnik bietet hier eine Vielzahl von
Orthesen an, die den Querschnittgelähmten bezogen auf sein Krankheitsbild in seinem
Umfeld beweglicher machen sollen und seine physische Konstitution erhalten oder sogar
verbessern sollen. Diese Orthesen sind oft schwierig zu handhaben. Das Gehen eines
Querschnittgelähmten mit einem sogenannten reziproken Apparat ist nur sehr begrenzt
möglich. Ein großes Problem hierbei sind die sehr begrenzten Kräfte des Betroffenen,
zumal es sehr schwierig ist, diese Kräfte, in der Regel die Kräfte des Oberkörpers, für eine
Gehorthese zu nutzen. Hier soll, ausgehend von bestehenden Systemen, mit weiterem
technischen Einsatz eine Verbesserung erzielt werden.
Im Rahmen dieser Konstruktion wird das Konzept für den Prototypen einer Gehorthese für
Querschnittgelähmte erstellt. Bei der Konzeption der Orthese wird vom Krankheitsbild
eines einzelnen Querschnittgelähmten, der sich als Versuchsperson angeboten hat,
ausgegangen. Die Orthese muß, wie es in der Orthopädie üblich ist, individuell an den
Betroffenen angepaßt werden. Sie soll durch einen externen Antrieb und eine externe
Energieversorgung den Gang des Querschnittgelähmten unterstützen. Diese Möglichkeiten
werden optional in der Konstruktion berücksichtigt, so daß ein Antrieb einfach adaptiert
werden kann.
Jörg Hahn & Jens Schlesener 2
1.1 Vorstellung der Firma MRD Patent GmbH & Co. KG
Forschung und Entwicklung im medizinisch-technischen Bereich sind die
wesentlichen Arbeitsinhalte des 1995 von Friedrich Schmitt gegründeten
Unternehmens Medical Research and Development Patent GmbH & Co.
KG.
Zur Zeit beschäftigt die Firma MRD 11 fest angestellte Mitarbeiter. Neben den fest
angestellten Mitarbeitern unterstützen ständig etwa 20 Fachleute von Hochschulen und
Instituten die Firma MRD. Die MRD Beschäftigten kommen aus den unterschiedlichsten
Berufsfeldern, z.B. Ingenieure für bio-medizinische Technik, Ingenieure für Maschinenbau
oder ein Schreiner. Bei MRD steht die Fähigkeit, Dinge zu durchschauen, im Vordergrund.
Durch die Mischung unterschiedlicher beruflicher Fähigkeiten wird die innovative Arbeit
gefördert.
MRD erzielt mit diesem Konzept beachtliche Erfolge. Derzeit hält die Firma 23 Patente
und belegt damit auf dem rheinland-pfälzischen Patentindex des vergangenen Jahres Platz
zwei hinter der BASF.
MRD hat bisher folgende Produkte von der Patentanmeldung bis zur Marktreife
entwickelt:
• MRD Möbelsystem EVOLUTION (Bild 1 und 2)
• MRD Zytostatika-Sicherheitswerkbank Zyto Safe®
MRD hält unter anderem Patente für folgende Produkte:
• Luftreinigungsanlage
• Anti-Schnarch-Klammer
• Herzklappe
Ein Produktbeispiel ist das Möbelsystem EVOLUTION, ein Einrichtungssystem für
Praxen, Krankenhäuser etc. Es ist ein Modulsystem, bei dem die Knotenstücke, die jeweils
nur so viele Gewindebohrungen aufweisen wie für die Verbindung nötig sind, mit
Jörg Hahn & Jens Schlesener 3
MRD'
Rundrohren verbunden werden (Bild 1.1). Die Flächenwerkstoffe können nach Gefallen
und Verwendungszweck z.B. für Schränke, Schreibtische oder Empfangstresen ausgewählt
werden (Bild 1.2). Die patentierte Konstruktion erlaubt den problemlosen Austausch aller
Teile auch ohne Demontage.
Einleitung
Bild 1.1 :Die Knotenstücke werden mit Rundrohren verbunden
1.2 Zeitplanung
Bild 1.2: Ein Anwendungsbeispiel von
FVOT T TTTfYN
Das Hochschulgesetz sieht für eine Diplomarbeit, die reibungslos abläuft, einen Zeitraum
von 26 Wochen vor. Das ist in diesem Fall die Zeit vom 24.04. - 24.10.1997. Die
Verteilung der Arbeitszeit in Wochen veranschaulicht folgender Zeitplan:
Berechnung der Gesamtarbeitsstundenzahl:
• Im oben genannten Zeitraum liegen 124 Arbeitstage.
• Es wird eine durchschnittliche Arbeitszeit von 8 Stunden pro Tag berechnet.
• Die Zeit wird zu 2/3 von beiden Studenten gemeinsam, und zu 1/3 jeweils
einzeln genutzt.
Jörg Hahn & Jens Schlesener 4
Daraus ergibt sich die Gesamtstundenzahl:
Einleitung
124 Arbeitstage x 8 Stundei
Tag }4,„ x 1.5 * 1300 Stunden
Stand: Do. 25.09.97 Arbeitsabschnitt Kalenderwoche 1997
Mai Juni Juli August September
i 8
i 2 0 2
1 2 2
2 3 2
4 2 5
2 6 7 8 2
9 3 0
3 1
3 2
3 3
3 4
3 5
3 6
3 7
3 S 3
9 4 0
4 1
4 2
4 3
Layout der einzelnen Kapitel
Recherche
Erarbeiten d. medi- zinischen Thematik
Auswertung der Recherche
Gliederung
Konstruktion
Ideenflndung
Detailrecherche
Werkstoffauswahl
Zwischen- präsentation
CAD
Endgültiges Layout
1 8
i 9 l
0 ? 1
1 2
2 3
1 4 1
5 7 6
7 7
7 8
7 9 3
0 3 1
3 2
3 4 3 5
3 6
3 7
3 8
3 9
4 0
4 1 4
2 4 3
Mai Juni J u l i August September
Der Zeitplan beginnt mit einer umfangreichen Recherche, weil die Thematik „Konzeption
einer Gehorthese für Querschnittgelähmte" für die Firma MRD und uns eine ganz neue
Herausforderung ist. Daran schließt sich eine Einarbeitungs- und Auswertungsphase an.
Nach 11 Wochen beginnt die Konstruktionsphase mit der Ideenflndung zu konkreten
Lösungsansätzen. In der 19. Woche findet eine Zwischenpräsentation statt. Hier wird mit
Herrn Prof. Dr. M. Schuth und der Firma MRD abgeklärt, welche Lösungsansätze
detailliert werden. Die Konstruktionsphase beinhaltet neben der Werkstoffauswahl und der
Jörg Hahn & Jens Schlesener 5
Ausarbeitung mit dem CAD Programm CATIA einige Detailkonstruktionen als
Schnittstelle zu weiterführenden Arbeiten. Bis zum Ende der Konstruktionsphase wird
parallel zu den Ausarbeitungen das Layout der fertigen Kapitel vorgearbeitet. Der Zeitplan
endet mit einem zweiwöchigen Zeitraum, in dem die Diplomarbeit endgültig zu Papier
gebracht wird.
Einleitung
1.3 Zielsetzung
Im Brainstorming werden zu Beginn der Arbeit die Assoziationen aller Beteiligten zum
Thema „Konzeption einer Gehorthese für Querschnittgelähmte" festgehalten. Hieraus
ergibt sich der größtmögliche Rahmen des Projektes mit vielen Möglichkeiten, die zwar
denkbar, jedoch in ihrer Vielfalt nicht realisierbar sind. Abgesehen davon, daß in dieser
Diplomarbeit die Konzeption des mechanischen Gestells gefordert ist, wird nachfolgend
stichpunktartig der gesamte Umfang der ersten Ideenfindung dargestellt, um einen
Gesamteindruck über das Ausmaß des Projektes zu gewinnen.
Ideen zur Recherche:
• Literatur
• Internet
• Patentrecherche
• Befragung der Betroffenen; hauptsächlich Paraplegiker (Paraplegie =
Querschnittlähmung bei voller Funktion der Arme)
• Unterstützung durch Paraplegiker Verbände und Vereine
• Unterstützung durch Kliniken und Rehabilitationszentren
• Unterstützung durch Orthopädie-Techniker
• Unterstützung durch Werkstätten der Orthopädietechnik
• Unterstützung durch Hersteller orthopädisch technischer Werkstoffe, Gelenke und
Schienen
Jörg Hahn & Jens Schlesener 6
Ideen zu Funktionen:
Einleitung
• Die Orthese soll es dem Querschnittgelähmten ermöglichen, für einen bestimmten
Zeitraum selbständig zu gehen.
• Die Orthese soll die Stützfunktionen aus dem Zusammenspiel von Skelett und
Muskeln eines gesunden Menschen ersetzen.
• Die Othese soll die gleiche Steifigkeit aufweisen wie der menschliche Körper.
• Die Orthese muß mit einem Antrieb und einer Energiequelle versehen werden, um
die fehlende Beinkraft zu ersetzen.
• Die Orthese kann mit einem künstlichen Gleichgewichtssinn versehen werden.
• Die Handhabung der Orthese könnte über ein Bussystem mit einer SPS
(speicherprogrammierbare Steuerung) gesteuert werden.
Ideen zum Aufbau:
• Die Orthese kann aus Schalen, die den Kontakt zum Körper herstellen, und aus
orthopädischen Schienen und Gelenken zusammengesetzt werden.
• Das funktionsfähige menschliche Skelett soll mit seiner Stützfunktion und seinen
Gelenken komplett integriert werden.
• Aufbau als „mechanische Hose": Ein Gestell, in das der Querschnittgelähmte von der
Brust an bis einschließlich der Füße integriert wird.
• Aufbau als „mechanische Shorts": Ein Gestell wie die mechanische Hose, das nur bis
zu den Knien alle Funktionen (z.B. Funktionen zum Antrieb oder zur Unterstützung
des Gleichgewichtes) erfüllt. Weiter abwärts hat die Orthese nur noch Stützfunktion,
und es ist keine Adaption weiterer Funktionen unterhalb der Kniegelenke möglich.
• Aufbau als „mechanische Shorts": Die Orthese endet unterhalb der Kniegelenke. Das
Sprunggelenk wird durch einen orthopädischen Schuh abgestützt. Die Bewegung des
Unterschenkels wird wie bei einer Oberschenkelprothese erzeugt.
• Alle Varianten sollen direkt an die Anatomie des Querschnittgelähmten angepaßt
werden.
• Der Betroffene soll in der Lage sein, die Orthese selbst anzulegen.
• Die Orthese soll über ein System von Schnellverschlüssen einfach in der
Handhabung sein.
Ideen zu Werkstoffen:
Jörg Hahn & Jens Schlesener 7
• Alle Werkstoffe müssen nach Möglichkeit äußerst leicht sein, hohe Festigkeit und
hohe Korrosionsbeständigkeit aufweisen. Hier können Werkstoffe, wie sie im
Segelsport verwendet werden, mit ihren äußerst beständigen Eigenschaften und
zusätzlicher Leichtbauweise verwendet werden
Einleitung
• Einzeln angepaßte Schalen können aus modernen Verbundwerkstoffen, wie Carbon-
oder Glasfaser verstärkte Werkstoffe, hergestellt werden.
• Für die Gelenke kann Edelstahl oder Titan verwendet werden.
• Für Stützschienen kann Aluminium oder Titan verwendet werden.
Ideen zum Einsatzort:
• Einsatz innerhalb der eigenen Wohnung: Hier kann evtl. auch während des
Gebrauches eine Aufladung der Energieversorgung stattfinden.
• Einsatz im Freien: Hier muß das Überwinden von schon kleinsten Hindernissen, wie
unebener oder weicher Untergrund berücksichtigt werden.
• Einsatz für Rehabilitationszwecke, also ausschließlich im Rahmen ärztlicher
Behandlung
• Vom Einsatzort ist die Dauer des Einsatzes mitbeeinflußt.
Ideen zur Energieversorgung und Energieübertragung:
• Die Energieversorgung soll am Körper getragen werden. Dazu muß sie leicht sein
und darf keine Gefahr darstellen.
• Es soll keine Energie „verschenkt" werden. So soll Gewicht gespart werden. Nach
Möglichkeit soll versucht werden, Energie zurück zu gewinnen.
• Nutzung der Wärmeenergie des Körpers über einen Wärmetauscher
• Rückgewinnung von Energie beim Auftreten durch einen „Schuhsohlengenerator"
• Einbeziehen des körpereigenen Biogases in den Energiehaushalt
• Die Leistungsfähigkeit der Arme soll in vollem Umfang genutzt werden.
• Energie aus einem Drucklufttank ist mechanisch einfach zu verteilen.
• Energie durch einen Verbrennungsmotor, der auf dem Rücken getragen werden kann:
Vorteilhaft ist hierbei die hohe Energiedichte der Treibstoffe. Bei der Verwendung
von Wasserstoff fallen sogar störende Abgase weg. Aus dem Modellbau können
hierfür Erfahrungen übernommen werden.
Jörg Hahn & Jens Schlesener 8
• Elektrische Energie ist über eine SPS und ein Bussystem einfach zu steuern und am
Körper zu verteilen.
Einleitung
• Elektrische Energie kann auf vielerlei Weise bereitgestellt werden:
a) Durch leistungsfähige Akkus, wie sie bei Heimwerkerwerkzeugen zu finden sind
b) In der eigenen Wohnung ist eine Energieversorgung über ein Oberleitungssystem
wie bei Straßenbahnen denkbar. Hierüber kann während der Nutzung gleichzeitig
ein Akku wieder aufgeladen werden.
c) Im Auto ist das Aufladen eines Akkus über einen Anschluß am
Zigarettenanzünder denkbar.
d) Bei Gebrauch im Freien und bei Sonnenschein kann Energie über eine mit
Solarzellen bestückte Jacke erfolgen.
Beim Brainstorming ist Kritik gegen einen Lösungsansatz nicht zugelassen. Da diese
Auflistung das Ergebnis eines Brainstorming ist, beinhaltet sie nur Vorteile zur Nutzung
der Vorschläge, obwohl bei vielen Vorschlägen sich Kritik insbesondere hinsichtlich der
Realisierbarkeit aufdrängt. Um bei der Arbeit zu einem guten Ergebnis gelangen zu
können, muß also, so gut wie dies im Vorfeld möglich ist, abgewägt werden, welche
Inhalte wirklich realisierbar sind und den Rahmen einer Diplomarbeit sinnvoll ausfüllen.
Nach dieser Abwägung ist das Lastenheft im folgenden Abschnitt entstanden.
1.4 Anforderungsliste: Orthese für Querschnittgelähmte
Jörg Hahn & Jens Schlesener 9
F=Forderung, W=Wunsch 03.07.1997
Einleitung
Ander. F/ W
Anforderungen Verantw.
Zweck: - Hauptproblem: Querschnittlähmung (Paraplegie) - Gehhilfe für Querschnittgelähmte
F - Stützen des Körpers - Durch externen Antrieb wird aufrechter Gang ermöglicht
F a) - mit fremder Hilfe W a) - ohne fremde Hilfe F a) - in der Ebene W a) - Treppe W a) - auf verschiedenem Untergrund
- Erhöhen der Selbständigkeit —> Erhöhen des Selbstwertgefühls Stand der Technik:
- Patentrecherche läuft MRD 01.07.97 - Patente über angetriebene Orthesen existieren nicht
Markt: - siehe Recherche Zielgruppe:
MRD
03.07.97 - Querschnittgelähmte, Reha-Zentren - Paraplegiker Anzahl:
w - ein Prototyp für Christian Elbeshausen (C.E.) Zus.- Arbeit
Produktausführung: mit C.E. F
- individuelle Anfertigung
F - Gesamtgeometrie wird durch Patienten bestimmt W
- Gewicht soll der atrophierten Muskelmasse entsprechen
W - Menschlicher Gang, v ca. 0,8 m/s Kräfte: - Masse des Körpers - Trägheitskräfte - (Druckkräfte nimmt Skelett teilweise auf)
Ander. F/ W
Anforderungen Verantw.
Jörg Hahn & Jens Schlesener 10
Stand:
03.07.97
03.07.97
03.07.97 03.07.97
w
w
W
W
W F W F W
- Laufzeit: 2h/Tag über 30 Jahre ~>21900h ->79*10A
- Steifigkeit soll der des Knochen entsprechen Energie:
6 Schritte
- (gesunder Mensch kann kurzfristig 500W leisten) - nötige Bewegungsenergie + Verluste der Übertragung
- Energiezufuhr und -Umformung wird nicht im Detail behandelt
- Konstruktive Lösung der Energieumformung
Stoff: - Patient, (Skelett, Muskeln, Sehnen) - Gerüst (GFK, CFK, AI, Ti, usw.)
Signal: - Bewegungsbefehle des Patienten zur Regelung - von der Regelung zur Energiequelle - von der Energiequelle zu den Antrieben - von den Antrieben zur Regelung
Sicherheit: - Einhaltung des Medizinproduktegesetz bzw. Richtlinie
93/42 EWG
Ergonomie: - Bedienung: a) einmaliger Reiz ruft gespeicherten Bewegungsablauf
auf b) andauernder Reiz für den Bewegungsablauf
- Form: Anlehnung an natürlichen Körperbau - mit fremder Hilfe anzuziehen - ohne fremde Hilfe anzuziehen - Gleichgewichtserhalt mit Unterarmstützen - Gleichgewichtserhalt ohne Unterarmstützen
Fertigung: - einzeln angefertigte Schalen - gleichbleibende Teile wie Gelenke usw. sind
Standardteile
Kontrolle: - Probelauf und Softwareverifikation
Montage: - nach Anfertigung der Formteile Fertigmontage in der
Werkstatt
Jörg Hahn & Jens Schlesener 11
Einleitung
Ander. F/ W
Anforderungen Verantw.
Gebrauch: F - bis Ende des Lebensdauerzyklus W - Tod des Patienten, danach recyclen
-Ort:
F a) innerhalb geschlossener Räume W a) außerhalb geschlossener Räume
Emissionen: - Lärm (mechanische Geräusche), andere je nach Antrieb Instandhaltung: - nach gewisser Stundenzahl Sichtkontrolle der einzelnen Komponenten Kosten:
- Entwicklungkosten MRD - Herstellungskosten
- Materialkosten Termine:
u.FH
F - siehe Zeitplan
Jörg Hahn & Jens Schlesener 12
2. Medizinische Grundlagen
Medizinische Grundlagen
In den folgenden vier Abschnitten werden die Wirbelsäule des Menschen und das
Rückenmark beschrieben. Des weiteren wird eine Basis geschaffen, um das Thema
Querschnittlähmung auch medizinisch zu begreifen.
2.1 Die Wirbelsäule
Bild 2.1: Die Wirbelsäule des Menschen (Columna vertebralis) mit Bezeichnung der einzelnen Abschnitte und Wirbel
In Bild 2.1 ist die Wirbelsäule des Menschen dargestellt. Oben befinden sich die sieben
Halswirbel Cl - C7 (Vertebrae cervicales I -VII). Weiter oben sind keine Wirbelelemente
mehr. Hier mündet das verlängerte Rückenmark (Medulla oblangata) in den
Jörg Hahn & Jens Schlesener 13
Schädelknochen und stellt so die Verbindung zum Gehirn her. Unter den Halswirbeln
schließen sich die zwölf Brustwirbel an (Vertebrae thoracicae I - XII). Bei einer
Schädigung (Läsion) des Rückenmarks in diesem Bereich spricht man von einer thoracalen
Lähmung. Unter den Brustwirbeln befinden sich die fünf Lendenwirbel (Vertebrae
lumbales I -V). Bei Läsionen in diesem Bereich spricht man von lumbaler Lähmung. Der
unterste Abschnitt der Wirbelsäule ist das Steißbein (Os sacrum). Die Wirbelelemente sind
hier zu einem Knochen zusammengewachsen. Im Querschnitt der Wirbelsäule ist der
Wirbelkanal (Canalis vertebralis) zu erkennen. In diesem Kanal verläuft das Rückenmark.
Es wird durch die Wirbelsäule vor Verletzungen geschützt und zugleich im flexiblen
Wirbelkanal geführt.
Medizinische Grundlagen
2.2 Das Rückenmark
Das Rückenmark (Medulla spinalis) ist im Bild 2.2 farblich hervorgehoben. Es ist ein
langer dicker Strang von Nervenfasern und Nervenzellen sowie Bindegewebe im
Rückenmarkskanal (Canalis vertebralis) der Wirbelsäule. Es wird in die gleichen
Abschnitte (cervical-, thoracal-, vertebral- und sacral Abschnitt) wie die Wirbelsäule
unterteilt. Die Abschnitte sind im Bild 2.2 gelb, rot, blau und weiß hervorgehoben. Eine
weitere Unterteilung des Rückenmarks - den Wirbeln entsprechend - erfolgt in sogenannte
Rückenmarksegmente. Eine Besonderheit der acht Halsmarksegmente (Segmenta
cervicalia I -VIII) liegt in der Anzahl acht gegenüber den sieben Halswirbeln. Zusammen
mit dem Gehirn bildet das Rückenmark das Zentralnervensystem. Die Verbindung
zwischen Gehirn und Rückenmark ist das verlängerte Mark (Medulla oblangata). Das
Rückenmark erfährt in der Wachstumsphase eine Positionsänderung in Bezug auf die
knöchernen Strukturen. Dies geht anschaulich aus Bild 2.2 hervor. Die einzelnen
Rückenmarksegmente enden auf der Höhe des 2. Lendenwirbels. Ab dem 2. Lendenwirbel
besteht es nur noch aus nervösen Leitungsverbindungen (Cauda equina = Pferdeschwanz).
Die Aufgabe des Rückenmarks besteht einerseits in der Herstellung der nervösen
Leitungsverbindungen zwischen Gehirn und Körperperipherie, andererseits in der Bildung
von Reflexzentren sowie Schaltneuronen zur Koordination einfacher motorischer
Bewegungsabläufe. Jedem Wirbel wird ein Segment des Rückenmarks zugeordnet. Es
Jörg Hahn & Jens Schlesener 14
besteht aus weißer und grauer Substanz. Die
weiße Substanz sind die Leitungsbahnen,
die graue Substanz sind Nervenzellen-
ansammlungen. Die beiden Substanzen sind
gegeneinander streng abgetrennt. Im
Rückenmarkquerschnitt, der etwa die Größe
einer kleineren Münze hat, lassen sich die
Leitungsbahnen außerhalb der
Medizinische Grundlagen
schmetterlings-ähnlichen grauen Substanz
leicht erkennen und den verschiedenen
Strängen zuordnen.
Das Rückenmark ist ein wichtiges Zentrum
für Reflexe. Das Durchtrennen des
Rückenmarks hat zur Folge, daß die
unterhalb der Schädigung liegenden
Bereiche ohne nervöse Verbindung mit dem
Gehirn sind. Der Betroffene spürt diese
Körperteile nicht mehr, auch nicht bei
Verletzungen, und kann sie nicht mehr
bewegen. Dieser Zustand nennt sich
Querschnittlähmung (Paraplegie = zwei
symmetrische Gliedmaßen sind betroffen,
Letraplegie = alle vier Gliedmaßen sind von
der Lähmung betroffen)[2, 3,4].
Bild 2.2: Lage des Rückenmarks im Rückenmarkskanal beim Erwachsenen. Ab dem 2.
Lendenwirbel besteht es nur noch aus nervösen Leitungsverbindungen (Cauda
equina) [2].
Jörg Halm & Jens Schlesener 15
2.3 Querschnittlähmung
Medizinische Grundlagen
Querschnittlähmungen sind überwiegend Folgen von Schädigungen des Rückenmarks,
mitunter auch Schädigungen von Nervenwurzeln oder von im Wirbelkanal verlaufenden
peripheren Nerven (Cauda equina-Schädigung). Die komplette Querschnittlähmung ist
die vollständige Unterbrechung der Rückenmarkbahnen in Höhe eines oder mehrerer
Segmente. Sie führt zu einer charakteristischen Trias von motorischer, sensibler und
vegetativer Lähmung, d.h.:
• Willkürbewegungen können im gelähmten Körperbereich nicht mehr ausgeführt
werden.
• Die Funktionen der Oberflächensensibilität (Berührungs-, Schmerz-,
Temperaturempfindung) sind vollständig ausgefallen. Gleichzeitig sind die
Empfindungen der Tiefenwahrnehmung (propriozeptive Sensibilität) teilweise
oder vollständig gestört, was heißt, daß die Wahrnehmung für geführte
Bewegungen sowie für Lage und Vibrationsempfindungen verloren sind.
• Daraus resultieren schwere Ausfälle hinsichtlich der Blasen- und
Mastdarmfunktion, der Sexualfunktion, der Regulation des peripheren
Kreislaufs, der Atemfunktion und der Schweißdrüsensekretion.
Als inkomplette Querschnittlähmung bezeichnet man eine partielle Unterbrechung des
Rückenmarks, und daraus resultierende partielle Lähmungen motorischer, sensibler und
vegetativer Funktionen. Weiter wird unterschieden zwischen schlaffer- und spastischer
Querschnittlähmung. Läsionen mit völliger Denervierung in den Bereichen des Hals-,
Brust-, Lenden- oder Sakralmarks können komplette oder inkomplette schlaffe
Querschnittlähmungen verursachen. Schädigungen im Bereich des Brustmarks mit
thorakalen Lähmungsfolgen können ungesteuerte, unwillkürliche Muskelaktivitäten
hervorrufen, die zu kompletten oder inkompletten spastischen Querschnittlähmungen
führen [5, 6].
Jörg Hahn & Jens Schlesener 16
2.4 Einstufung nach der Höhe der Rückenmarkschädigung (Läsions-
niveau)
Medizinische Grundlagen
Der Terminus Paraplegie wird einerseits als Sammelbegriff für alle Lähmungen nach
spinaler Läsion benutzt, andererseits werden im engeren Sinne als Paraplegie oder
Paraparese Lähmungen nach Schädigung des Brust- und Lendenmarks, des Conus
medullaris (unterste Segmente des Rückenmaks) und der Cauda equina definiert. Hier sind
die Muskulatur des Rumpfes und der unteren Gliedmaßen sowie deren Sensibilität gestört.
In Abgrenzung hierzu werden unter den Begriffen Tetraplegie oder Tetraparese
Lähmungsbilder verstanden, die aus Halsmarkläsionen resultieren. Zur Definition des
Niveaus einer Querschnittlähmung wird jeweils das letzte intakte Segment angegeben, also
beispielsweise „Paraplegie unterhalb Th9" oder „Tetraplegie unterhalb C6". Die
Lagebeziehung zwischen Wirbel und betroffenen Rückenmarkssegment, sowie die sich
daraus ergebenden körperlichen Abhängigkeiten mit den wichtigsten zugehörigen
orthopädischen Versorgungsmaßnahmen werden in Bild 2.3 dargestellt.
Die hier zu konzipierende Gehorthese ist für eine Versorgung von Betroffenen mit
Lähmungen im unteren thoracalen Bereich gedacht.
Jörg Hahn & Jens Schlesener 17
Medizinische Grundlagen
Jörg Hahn & Jens Schlesener 18
Läsion körperliche Abhängigkeiten wichtigste Hilfsmittelversorgung unter- halb
Tetraplegie ____________________________________________________________
Grundsätzlich: Beeinträchtigung der Atmungsmechanik, Blasen- und Mastdarm lähmung,
________ rollstuhlabhängigC3/4 In allen Handhabungen des 1 elektr. Rollstuhl mit speziellen
___________________________________________
täglichen Lebens von Hilfe Steuerungshilfen, z.B. abhängig Kinnsteuerung und 1 mech.
Rollstuhl, Pflegehilfen z.B. Lifter, ____________________________________ elektr. steuerbares StehgerätC4/5 Vollständig pflegeabhängig, 1 mech. und 1 elektr. Rollstuhl,
______
Greifen mit passiver Funktionshilfen für die Hand, elektr. Funktionshand möglich z.B. Schreibmaschine, elektr. steuerbares Essen und Schreiben mit Stehgerät
________ Hilfsmitteln möglichC6 Teilweise pflegeabhängig, 1 mech. und 1 elektr. Rollstuhl,
________________________________________
Greifen mit aktiver Funktionshilfen für die Hand, elektr. Funktionshand, selbständige Schreibmaschine, elektr. steuerbares Oberkörperpflege Stehgerät, Fahren eines angepaßten
PKW möglich C7/8 Selbständig bis auf geringe 2 mech. Rollstühle, elektr.
Hilfeleistungen, Gehen mit Schreibmaschine, Zimmerbarren und Gehapparaten im Barren möglich Gehapparate, Stehgerät, Fahren eines
____________________________________ angepaßten PKW möglichParaplegie
________
Grundsätzlich: Blasen- und Mastdannlähmung,
________ pflegeunabhängigThl-9 Beeinträchtigung der 2 mech. Rollstühle, Zimmerbarren
__________________________________________
Atmungsmechanik bis Th6, und Gehapparate, PKW rollstuhlunabhängig, Gehen mit
________ Gehapparaten im BarrenTH11- Teilweise rollstuhlunabhängig, 2 mech. Rollstühle, Zimmerbarren L2 Gehen und Treppensteigen mit und Gehapparate, PKW
_____________________________________
Gehapparaten an ________ UnterarmstützenL3/4 Weitgehend 1 mech. Rollstuhl, Gehapparate ohne
___________________________________________
rollstuhlunabhängig, Gehen mit Kniesperre und Unterarmstützen, Gehapparaten ohne Kniesperren PKW
________ an Unterarmstützen' L5-S1 Rollstuhlunabhängig, Gehen mit Gehstöcke, Peroneusfeder, PKW
_________________________________________
________ Peroneusfeder an GehstöckenS2/3 Weitgehend normale Abrollhilfe
________
_________________________________
Gehfähigkeit
Bild 2.3: Schematische Darstellung der Lage des Rückenmarks zu den Wirbelkörpern der Wirbelsäule mit tabellarischer Auflistung der daraus resultierenden körperlichen Abhängigkeiten und wichtigste Hilfsmittelversorgung
______________________________________________
________________________
3. Stand der Technik von Hilfsmitteln für Querschnittgelähmte
Stand der Technik von Hilfsmitteln für Querschnittgelähmte
In den folgenden Kapiteln „Rollstühle", „Funktionelle Elektrostimulation" und „Orthesen"
wird ein kurzer Überblick gegeben, welche Hilfsmittel Querschnittgelähmten zur
Verfügung stehen, und in welche Richtung die Forschung geht, um die Mobilität der
Betroffenen zu erhöhen. In dem Kapitel „Reziproke Gehorthesen" wird der aktuelle
technische Stand von reziproken Gehorthesen wiedergegeben, auf dem diese Diplomarbeit
aufbaut.
3.1 Rollstühle
Die sorgfältige, individuelle Auswahl des Rollstuhls stellt einen wesentlichen Schritt zur
umfassenden Rehabilitation des Querschnittgelähmten dar. Der Rollstuhl ist für den
Paraplegiker wie für den Tetraplegiker nicht, wie mitunter irrtümlich definiert, ein
„Krankenfahrzeug", sondern das wichtigste Hilfsmittel zur Bewältigung eines
entscheidenden Teils der Behinderung, nämlich des Mobilitätsverlustes. Er ist in der Regel
die unverzichtbare Voraussetzung für die aktive Teilnahme am täglichen Leben, am
Berufsleben und am Sport.
Zur Auswahl für den Querschnittgelähmten stehen zur Verfügung:
• mechanisch zu bedienende Rollstühle mit einfacher oder verstärkter Ausführung
der Hinterachse
• mechanisch zu bedienende Rollstühle aus Leichtmetall
• mechanisch zu bedienende Rollstühle mit speziellen Konstruktionsmerkmalen,
die sie für die Sportausübung geeignet machen
• Elektrorollstühle
• Spezialrollstühle mit Aufrichte- oder Lagerungsmechanik
• Transit- und Transportrollstühle zur Bedienung durch Hilfspersonen
Der Rollstuhl muß hinsichtlich der technischen Voraussetzungen den verbliebenen
Restfunktionen des Querschnittgelähmten gerecht werden. Er wird nach Körpergröße,
Hüftbreite und Längenmaßen an Ober- und Unterkörper ausgemessen und gegebenenfalls
Jörg Hahn & Jens Schlesener 19
angepaßt. Die Auswahl muß also stets individuell erfolgen. Zur gezielten Versorgung des
Querschnittgelähmten eignen sich besonders Rollstühle, deren Grundbestandteile einem
Baukastensystem entsprechen. Sie sollten in ihrem Aufbau und in ihrer Zusammensetzung
auch zu einem späteren Zeitpunkt der Behinderung und der speziellen Situation des
Patienten entsprechend variiert werden können [6].
Stand der Technik von Hilfsmitteln für Querschnittgelähmte
3.2 Funktionelle Elektrostimulation (FES) und Neuroprothesen (Nerven aus Draht)
Hier wird durch elektrische Reizung bestimmter Muskelgruppen eines Beines, die der
Paraplegiker jeweils selbst auslöst, eine Schrittbewegung hervorgerufen. Das
Gleichgewicht und die Vorwärtskomponente der Bewegung wird von den Armen mit dem
Oberkörper durch den Einsatz von Armstützen bewirkt [5]. Dennoch ist die FES wie auch
die Neuroprothese ä la CALIES (Computer Aided Locomotion by Implanted Electro-
Stimulation) nicht als Ersatz für den Rollstuhl gedacht. Denn der Gelähmte könnte dann
viele Bewegungen, für die er beide Hände braucht, nicht mehr ausführen. Aus diesem
Grund arbeitet der Physiker Prof. Wolfgang Daunicht vom Neurologischen
Therapiezentrum in Düsseldorf seit ein paar Jahren schon an einer neuen Generation von
Stand-Gang-Prothesen: Eine Schritt-Maschine mit Gleichgewichtsorgan - und ohne
Krücken. Daunicht: „Der Querschnittgelähmte muß sich um nichts mehr kümmern. Ein
neuronales Netz mit künstlichen Reflexen schützt ihn davor, umzufallen, wenn ihn
beispielsweise jemand anrempelt." Weil es zu riskant ist, die automatische
Gleichgewichtssteuerung an einem Menschen auszuprobieren, hat der Physiker einen
virtuellen Paraplegiker mit 180 Körpermuskeln entworfen. „Wenn ich beispielsweise einen
Muskel von dem virtuellen Paraplegiker mit einer Elektrode reize, kann ich genau
beobachten, was dies für eine Bewegung im ganzen Körper auslöst", sagt Daunicht. Aus
solchen virtuellen Leibesübungen im Computer läßt sich berechnen, was passiert, wenn der
Querschnittgelähmte stürzt, und wie das künstliche Gleichgewichtsorgan das verhindern
kann. Damit dies nicht nur Theorie bleibt, hat Daunicht einen Roboter entwickelt. Mit den
aus dem Modell berechneten Algorithmen ist der Roboter „Freddy" inzwischen sehr
standfest geworden: Selbst auf einem Bein stehend, kippt er nicht um, wenn man ihn ins
Wanken bringt. Auch an Patienten soll das künstliche Gleichgewichtsorgan mit
Jörg Hahn & Jens Schlesener 20
Beschleunigungssensoren, die wie in der Natur die Richtung der Schwerkraft ermitteln
können, in ein paar Jahren ausprobiert werden [7]. Stehen und Gehen mit Hilfe von
Elektrostimulatoren - selbst wenn sie nur kurzfristig und für kleine Strecken angewendet
werden - bringt eine ganze Reihe von medizinischen Vorteilen. Neuroprothesen
verhindern, daß Knochen entkalken, Muskeln schwinden oder Druckgeschwüre entstehen.
Sie regen den Kreislaufan und können Spastiken lindern [8].
Stand der Technik von Hilfsmitteln für Querschnittgelähmte
3.3 Orthesen
Hier sind die Orthesen der Sachgrupppe der Lähmungsorthesen von größter Bedeutung. Sie
werden nach Maß oder Körperformmodell hergestellt und sind funktionsergänzende und
auch funktionsunterstützende, bewegungsbeeinflussende Orthesen für mehrgelenkige
Gliedmaßenbereiche. Die erforderliche Teilfixierung wird mit statisch-starren
Grundelementen der Orthese erreicht [5]. Der Bau einer Lähmungsorthese erfordert in allen
Fällen die Beherrschung der mechanischen, statischen und der dynamischen Grundlagen,
eine reiche Erfahrung und die liebevolle Erfassung des Einzelfalles, zumal jeder Fall
anders liegt. Gerade hier ist die Zusammenarbeit des Arztes und des Mechanikers von
besonderer Notwendigkeit. Einer muß den anderen beraten. Soll ein Stütz- oder Gehapparat
für einen Gelähmten gebaut werden, kommt es zunächst einmal darauf an, ob es sich um
eine sog. schlaffe oder eine spastische (Krampf-) Lähmung handelt. Die
Muskelverhältnisse sind bei beiden Lähmungsformen ganz verschieden. Durch den Ausfall
der Muskeln, welche die Streckung des Hüft- und Kniegelenks bewirken und diese
Gelenke in Streckstellung halten, ist der Mensch nicht mehr imstande, sich mit Sicherheit
beim Gehen und Stehen aufrecht zu halten. Der Lähmungsapparat soll sicheren Stand und
sicheren, bestmöglichen Gang vermitteln [5].
3.4 Reziproke Gehorthesen
Zur Mobilisierung von Querschnittgelähmten mit fehlender muskulärer Hüftgelenk- und
Beinkontrolle kann durch die Anwendung reziproker Gehorthesen eine relativ natürliche
und effiziente Fortbewegung erzielt werden.
Jörg Hahn & Jens Schlesener 21
_______________________
Die Koppelung der linken mit der rechten Beinorthese über eine Becken-Rumpforthese
ermöglicht durch die Beugung des einen Hüftgelenkes jeweils die Streckung des
gegenseitigen Hüftgelenkes. Die sich daraus ergebende statisch-mechanische Bewegung
beider Beinseiten ergibt den reziproken (wechselseitigen) Gang [5].
Stand der Technik von Hilfsmitteln für Querschnittgelähmte
Indikationen für eine reziproke Gehorthese:
• Die Füße sollen im Stand in Neutral-Null-Stellung (90° Winkel von Fuß zum
Unterschenkel) auf den Boden aufgesetzt werden können. Geringe Fehlhaltungen
können durch Schuhzurichtungen korrigiert werden.
• Die Kniegelenke dürfen keine nennenswerten Kontrakturen (unter 5°-10°) aufweisen.
• Die Hüftgelenke sollten beweglich und frei von Kontrakturen, Einsteifungen und
Spastizität sein.
• Gute Muskelkraft der oberen Gliedmaßen
• Richtige Motivation
• Unterstützung und Mithilfe durch die Familie
• Realistische Ziele und Erwartungen, da ganz sicher keine Orthese für einen derart
schwerbehinderten Patienten völlige „Normalität" wiederherstellen kann. Die
Benutzung von Gehhilfen ist auch weiterhin erforderlich. Das reziproke Gehen mit
der Orthese ist mit geringer bis mittelmäßiger Geschwindigkeit und mit wenig
Kraftaufwand möglich.
• Wenn diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, können evtl. operative
Korrektureingriffe und eine krankengymnastische Behandlung vor der
Orthesenversorgung in Erwägung gezogen werden.
Kontraindikationen:
• Schwere, nicht korrigierbare Kontrakturen, die einen regelrechten Aufbau der
Orthese unmöglich machen.
• Spastizität oder andere unwillkürliche Muskelaktivitäten, die einen freien und
koordinierten Bewegungsablauf verhindern.
• Übergewicht
• Muskelschwäche der oberen Extremitäten [9, 5]
Jörg Hahn & Jens Schlesener 22
Behandlungsziel:
Stand der Technik von Hilfsmitteln für Querschnittgelähmte
Wenn die oben angegebenen Voraussetzungen gegeben sind, kann der Patient
voraussichtlich mit der Orthese aufrecht stehen und bei regelmäßiger täglicher Benutzung
das Entstehen von Kontrakturen verhindern. Erwachsene werden außerhalb ihres
Wohnbereichs trotz der Orthesenversorgung auch weiterhin auf die Benutzung des
Rollstuhls angewiesen sein. Der Patient muß diese Zusammenhänge verstehen, um die
Möglichkeiten und Grenzen der Orthese, gemessen an seinen speziellen Bedürfnissen,
einschätzen zu können [5]. Im folgenden werden verschiedene Systeme reziproker
Gehorthesen vorgestellt.
3.4.1 Die „LSU Reciprocation-Gait Orthosis"
Die erste reziproke Gehorthese war die LSU Reciprocation-Gait Orthosis. Sie wurde 1983
von der Louisianna State University in New Orleans vorgestellt und auch dort entwickelt.
Gebaut wird sie von Durr-Fillauer Medical INC. in Chattanooga Tennessee (USA).
Die LSU Gehorthese (Bild 3.1) ergibt sich aus:
• Einer Leichtgewichts-Kunststoffkonstruktion: Die Oberschenkel- und Unterschenkel-
formteile sind aus Polypropylen geformt. Verstärkungen aus Carbonfasereinlagen in
der Sprunggelenkregion wirken versteifend.
• Einem individuell geformten Beckenführungsteil aus Kunststoff unter Einschluß des
Kreuzbeins und des Gesäßes. Das Beckenführungsteil hat eine gewisse Elastizität,
die der Beweglichkeit dient.
• Der Verwendung von Aluminiumschienen mit rückverlagerten Kniegelenken, die mit
einer Fallschloßsperre und Kugel-Feder-Rückhaltung versehen sind. Bei geringer
Beanspruchung z.B. bei Kindern kann oft auf die innenliegenden Knieschienen
verzichtet werden.
Jörg Hahn & Jens Schlesener 23
• Der mechanischen Koppelung beider Hüftgelenke durch Kabelzüge, die eine
Stand der Technik von Hilfsmitteln für Querschnittgelähmte
beiderseits
gleichzeitige Beugung oder Streckung der
Hüftgelenke beim Gehen verhindern. Mit der
Beugung des einen Hüftgelenkes wird
gleichzeitig das andere Hüftgelenk gestreckt.
Die Bowdenzüge übertragen dabei die Kräfte
von der einen Orthesenseite auf die andere. Erst
eine Gelenkentsperrung beider mechanischer
Hüftgelenke führt zur gleichzeitigen
Hüftbeugung und damit zur Sitzposition.
Erfahrungen haben gezeigt, daß eine einzelne
Kabelführung für Patienten mit mäßig bis gering
aktivierbaren Hüftbeugemuskeln ausreicht,
jedoch Patienten mit total gelähmten
Hüftbeugern besser
Doppelkabelsystem versorgt werden, um
sowohl die Beugung als auch die Streckung zu
steuern. Neben den oben aufgeführten
Indikationen wurde bei den versorgten Patienten
die Kraft der oberen Extremitäten und die
Motivation eingehend untersucht.
ausgewählten Patienten mußten in der Lage
sein, sich aus dem Sitz für 60 Sekunden mit den
Armen hochzustemmen, ohne zu zittern. Gezielt
mußten sich diese Patienten einem intensiven
allgemeinen Konditionstraining hauptsächlich
für die Arme und einer Gehschulung mit
Übungsorthesen an mehreren Tagen pro Woche
über einen Zeitraum von drei bis vier Wochen unterziehen, bevor die LSU Gehorthese
verschrieben wurde. Mit diesem Vorgehen können sich Patienten tatsächlich selbst testen.
Jörg Hahn & Jens Schlesener 24
Bild3.1:Aufbauder„LSU Reciprocation-Gait Othosis"
________________________
Diejenigen, die dieses Training als nicht vereinbar mit ihren üblichen Aktivitäten und als
ungerechtfertigt oder unannehmbar empfinden, geben auf oder versäumen Übungsteile.
Nur mit vollständig absolviertem Kurs wird die Motivation als ausreichend eingeschätzt
um die reziproke Gehorthese nutzen zu können [5].
Stand der Technik von Hilfsmitteln für Querschnittgelähmte
Seit 1
Weiterentwicklung der LSU Gehorthese.
Der Grundaufbau gleicht dem oben
vorgestellten System, außer daß statt der
geschwungen geführten Bowdenzüge
horizontal geführte Bowdenzüge
verwendet werden (Bild 3.2). Diese
Entwicklung soll drei entscheidende
Vorteile haben:
• L
e
i
c
h
tgängigkeit durch verminderte
Reibung
• verbesserte Haltbarkeit durch
verringerten Verschleiß des
Bowdenzugsystems
• einfachere Einstellung der
Hüftflexion und Hüftextension
durch Stellschrauben [10].
Bild 3.2:Die LSU Orthese mit waagerechter Bowdenzugführung
3.4.2 Die „Isozentrische ARGIO®"
Die Isozentrische ARGIO® (Bild 3.3) ist eine Gehorthese der Firma Pro Walk in
Egelsbach. Im Aufbau ähnelt sie dem oben vorgestellten System der Firma Fillauer bis auf
folgende Details. Die Isozentrische ARGIO® ist ausschließlich für den Gebrauch von
Jörg Hahn & Jens Schlesener 25
Kindern bestimmt. Die Bewegung des einen Hüftgelenkes wird durch eine nadelgelagerte
Wippmechanik auf das andere Hüftgelenk übertragen. So kann die Bewegungsenergie des
Kindes fast vollständig umgesetzt werden, weil kaum Reibungsenergie verloren geht.
Stand der Technik von Hilfsmitteln für Querschnittgelähmte
Das starre Rumpfteil, verbunden mit speziellen Hüftgelenken, erlaubt eine laterale
Beinschienenführung (Die innenliegenden Schienen können weggelassen werden.). Die
Hüftgelenke können zum Hinsetzen vom Kind selbst einfach entriegelt werden. Die
Unterschenkelorthesen werden bis zum
Medialen Kondylus (innerer Gelenkhöcker
des Oberschenkelknochens am Kniegelenk)
hochgezogen. Dadurch wird der
Oberschenkel meist gut geführt, so daß
auf die Oberschenkelhülsen verzichtet
werden kann. Durch diese Bauart kann
die Isozentrische ARGIO® auch im
Sitzen angezogen und unter den
Kleidern getragen werden. Die Firma
Pro Walk legt neben den oben
aufgezählten Indikationen besonderen
Wert auf eine Teambetreuung des
Patienten beim Umgang mit ihren
Orthesen. Das Team besteht aus
Therapeuten, Orthopädietechnikern, der Bild 3.3:Die Isozentrische ARGIO®: Eine
Familie des Patienten und dem reziproke Gehoerthese für Kinder von der Firma Pro Walk. Patienten selbst [11].
Gehorthesen mit einer Wippmechanik
werden noch von weiteren Firmen angeboten:
• Wilh. Jul. Teufel GmbH in Stuttgart; „System Isocentric"
• Fillauer (deutscher Vertrieb durch Basko Healthcare in Hamburg); „Rocker Bar
System"
Jörg Hahn & Jens Schlesener 26
• John + Bamberg in Hannover „Joheka"
Stand der Technik von Hilfsmitteln für Querschnittgelähmte
3.4.3 Der „Parawalker"
Bild 3.4:Der Parawalker: Eine reziproke Gehorthese für Erwachsene
Der Parawalker wird von der Firma Pro
Walk hergestellt und vertrieben. Er
unterscheidet sich im Aufbau deutlich
von den bisher vorgestellten reziproken
Gehorthesen (Bild 3.4). Der
Parawalker ist eine Gehorthese für
Erwachsene oder schwergewichtige
Jugendliche. Derzeit ist der Parawalker
die Orthese mit der höchsten seitlichen
Stabilität. Die Bewegung der beiden
Hüftgelenkseiten ist nicht gekoppelt.
Das Hüftgelenk des Parawalkers läßt
nur Bewegungen in der Sagitalebene
(Vorbeugen) zu [11]. Zum Hinsetzen
läßt sich das Hüftgelenk und die
„Schweizer Sperre" der Kniegelenke
entriegeln. Eine Feder im Hüftgelenk
erleichtert das Hinstellen aus dem Sitz.
Der Patient verlagert zum Gehen mit der Orthese den Körperschwerpunkt vor seine
Aufstandsfläche. Um nicht umzufallen stützt er sich mit Unterarmstützen nach vorne ab.
Ein Schritt wird durch das Abheben des Spielbeins eingeleitet. Der Patient drückt sich mit
einer Unterarmgehstütze seitlich ab. Durch den Parawalker neigt sich hierbei die gesamte
Längsachse des Patienten, ohne daß die Hüfte zu einer Seite hin abfällt. Das Spielbein
schwingt unter dem Körperschwerpunkt hindurch nach vorne. Nun muß der Patient mit
Hilfe der Unterarmstützen unter Einsatz des Musculus Latissimus dorsi (großer seitlicher
Jörg Hahn & Jens Schlesener 27
_______________________
Rückenmuskel) seinen Körperschwerpunkt wieder vor seine Aufstandsfläche bringen und
der nächste Schritt kann durch ein Hochdrücken zur anderen Seite eingeleitet werden.
Stand der Technik von Hilfsmitteln für Querschnittgelähmte
Jörg Hahn & Jens Schlesener 28
4. Werkstoffe im Orthesenbau
Werkstoffe
Für klassische Orthesen werden auch heute noch Metallschienen, gegebenfalls mit frei
beweglichen oder sperrbaren Gelenken, und metallene Bänder als tragende
Rahmenkonstruktion verwendet, ergänzt durch gewalkte Lederhülsen zum sogenannten
Schienen-Hülsen- oder Schienen-Schellen-Apparat: Die Hülse umhüllt formschlüssig einen
längeren Gliedmaßenabschnitt, während die halbzirkuläre Metallschelle, durch ein
Lederband auf der Gegenseite vervollständigt, einen relativ schmalen Teil der jeweiligen
Gliedmaßen - meist in Nachbarschaft zu einem Gelenk - fixiert. Spezielle Druckpelotten
erlauben die gezielte Übertragung dosierter Kräfte auf bestimmte Körperpartien. Zug um
Zug wird jedoch die herkömmliche Leder - Metall - Technik zur Orthesenherstellung
abgelöst von thermoplastischen Kunststoffmaterialien und glas- oder
carbonfaserverstärkten Gießharzen [14].
Ein Hauptziel bei der Herstellung von Orthesen ist, neben den funktionellen Aspekten, eine
Verringerung des Gewichtes und eine Verbesserung der Zuverlässigkeit und der Sicherheit
der einzelnen Bauteile. Edelstahle werden schon seit langem verwendet. Sie entsprechen
den Anforderungen hinsichtlich Festigkeit und Zuverlässigkeit, weisen aber ein
entsprechend hohes Gewicht auf. Oft werden Orthesenkonstruktionen in Stahl-Leder-
Technik deshalb vom Patienten als zu schwer empfunden. Spezifisch leichtere Aluminium
Legierungen, die bei der Herstellung von Beinorthesen zum Einsatz kommen, weisen oft
nicht die erforderliche Bruchsicherheit auf. Neue Generationen von Legierungen eröffnen
zwar neue Möglichkeiten, was das Verhältnis von Gewicht zu Festigkeit betrifft, aber ihre
Verformbarkeit ist eingeschränkt und dadurch die Bruchsicherheit entsprechend gemindert.
Zum Vergleich der Metallwerkstoffe im Orthesenbau dient Tab. 4.1.
Thermoplastische Kunststoffe, wie Polypropylen und ihre Modifikationen haben zur
Lösung einiger Probleme bezüglich Gewicht und Formgebung beigetragen. Auch hat die
Laminattechnik unter Verwendung von Carbonfasern eine starke Weiterentwicklung des
Orthesenbaus bewirkt. Das Problem der Gelenkverbindung mit dem Laminat konnte aber
nur teilweise gelöst werden.
Jörg Hahn & Jens Schlesener 28
_____ ________
Werkstoffe
Werkstoffe
Eigenschaften Titan Edelstahl Eisen Aluminium
Dichte in kg/m 4500 7930 7860 2700
Schmelzpunkt in °C 1670 1420 1535 658
Wärmekapazität in kJ/kG*K 0,535 0,490 0,464 0,908
Elastizitätsmodul in N/mm2 110000 194000 204000 71000
Ausdehnungskoeffizient bei25°CinlO"6/°C
8,5 11,0 11,17 22,9
Tab 4.1: Tabelle zum Vergleich der Metall Werkstoffe im Orthesenbau [11, 12, 13]
Titan hat bisher in der Orthopädietechnik vor allem bei Prothesen-Paßteilen Anwendung
gefunden. Der hohe Preis und die schwierige handwerkliche Verarbeitung verhindern aber
bisher die Verbreitung im Orthesenbau. Die guten mechanischen Eigenschaften und das
geringe Gewicht machen es jedoch auch für den Aufgabenbereich des
Orthopädietechnikers interessant.
4.1 Polyethylen und Polypropylen
Dichte Zugfestigkeit G-Modul zulässiger Temp.- bereich
g/cm3 N/mm2 N/mm2 °C
HDPE 0,97 30 1000 -120 bis 130
PP ca. 0,9 37 ca.800 bis 130
Tab. 4.2: Eigenschaften von HDPE (High Density PE) und PP
Hauptsächlich finden Polyethylen (PE) und Polypropylen (PP) im Schalenbau
Verwendung. Sie gehören zur Gruppe der Thermoplaste (TP) und sind daher leicht zu
verarbeiten. Bei hinreichender Erwärmung erweichen TP bis zur Fließfähigkeit, sind somit
beliebig sphärisch verformbar und härten bei Abkühlung aus. Dieser Vorgang ist beliebig
wiederholbar, wenn man eine Zersetzung (zu hohe Temperatur) vermeidet. TP sind im
allgemeinen schmelzbar, schweißbar, quellbar und löslich.
Jörg Hahn & Jens Schlesener 29
PP und HDPE sind kochfest, sterilisierbar und besitzen ähnliche chemische Beständigkeit
und elektrische Eigenschaften.
Werkstoffe
4.2 Carbonfaserverstärkte Kunststoffe
Mit carbonfaserverstärkten Kunststoffen (CFK) lassen sich besonders konturgetreue
Stützelemente herstellen, die hinsichtlich der Festigkeit mit Stahl und Aluminium zu
vergleichen sind, aber nur ein Fünftel davon wiegen. Die Dehnung von CFK ist
vollelastisch, Ermüdungsbeständigkeit und Vibrationsdämpfung sind hervorragend.
Da in diesem Material die Fasern überwiegen (60 Vol % bis 80 Vol %), sind die
Eigenschaften der Fasern maßgebend. Carbonfasern, sie bestehen zu über 95 % aus reinem
Kohlenstoff, besitzen eine hohe Zugfestigkeit, hohen Elastizitätsmodul, niedriges
spezifisches Gewicht, geringe Bruchdehnung und eine hohe Temperaturbelastbarkeit. Sie
sind chemisch weitgehend inert. Die Festigkeiten übertreffen die der meisten Metalle und
anderer Faserverbundwerkstoffe.
C-Fasertype
Eigenschaften Einheit HAT IM HM
Dichte g/cm3 1,78 1,80 1,79
Zugfestigkeit MPA 3400 5400 2350
Zug-E-Modul GPA 235 290 358
Bruchdehnung % 1,4 1,7 0,6
Wärmeaus-
dehnungskoeffizient
10-6 K-l -0,1 -0,5
Tab. 4.3: Übersicht der Eigenschaften verschiedener C-Fasern
CFK ist ein Laminat, das schichtweise aus Kohlenstoffgewebe und einem Kunststoff - der
Matrix - besteht [15]. Eine Eigenheit von CFK, wie auch aller anderen faserverstärkten
Verbundwerkstoffe, besteht darin, daß man ihre Belastbarkeit den vorgesehenen
Bedingungen anpassen kann. Das geschieht durch zweckmäßige Wahl oder Kombination
der Faserorientierungen innerhalb der Matrix. So ergeben bidirektionale Anordungen
Jörg Hahn & Jens Schlesener 30
(0°/90°) gute Festigkeitswerte in zwei (senkrechten) Richtungen. Und noch komplexere,
multidirektionale Anordungen (0° / ± 45° / 90°) wirken in mehreren Richtungen
verstärkend [16].
Werkstoffe
Im Orthesenbau ist die Matrix meist duroplastisch, d.h. sie besteht aus einem Gießharz, das
nach dem Aushärten nicht erneut plastisch geformt werden kann. Hierin besteht der große
Nachteil des herkömmlichen CFK, da somit ein Nachformen der Teile nur gering sowie die
Anpassung an veränderte anatomische Gegebenheiten nicht möglich ist. Eine Alternative
dazu bietet das carbonfaserverstärkte Halbzeug METCORE. Dieser Werkstoff läßt es zu,
die Form der Stützelemente auch nachträglich den gegebenen anatomischen Verhältnissen
anzupassen. Dies ist möglich, indem die Matrix in einen thermoelastischen Zustand
versetzt wird, damit die Kohlenstoffaserschichten sich gegeneinander verschieben können,
ohne daß es zu einer Ablösung der Matrix von der Faser kommt. Hierbei soll es zu keiner
Beeinträchtigung der Festigkeit und Steifigkeit der Schale kommen.
Verarbeitet werden die METCORE-Zuschnitte, indem sie nach einer Erwärmung an das
Model angeformt und anschließend verklebt werden [17].
4.3 Aluminium
Aluminium findet in der Orthopädietechnik Verwendung beim Bau von orthopädischen
Schienen. Es eignet sich durch sein besonders geringes spezifisches Gewicht von 2700
kg/m bei beachtlichen Festigkeitswerten von 40-180 N/mm je nach Behandlungszustand.
Nachteilig wirkt sich seine geringe Bruchsicherheit aus. Aluminium hat im Vergleich zu
Stahl keine Dauerfestigkeit nach Wöhler. Eine weitere günstige Eigenschaft für die
Orthopädietechnik ist die hervorragende Korrosionsbeständigkeit.
Der geringe Elastizitätsmodul von Aluminium führt bei der Verwendung für
Stützkonstruktionen zu einem wesentlich elastischeren Verhalten, verglichen mit
gleichartigen Konstruktionen aus Stahl. Nachteilig ist auch der thermische
Ausdehnungskoeffizient, der rund das Zweifache von dem des Stahles beträgt.
Jörg Hahn & Jens Schlesener 31
Die breite Nutzung der Vorteile von Aluminium für den technischen Bereich, nämlich
seine geringe Dichte und die große Korrosionsbeständigkeit, wurden erst möglich durch die
Verbesserung der Festigkeitseigenschaften. Hier spielt für die technische Entwicklung der
Aluminiumlegierungen die Entdeckung der Festigkeitssteigerung durch Aushärten eine
überragende Rolle. Die wichtigsten Legierungselemente sind Kupfer, Magnesium und
Silizium.
Werkstoffe
Durch eine Wärmebehandlung der Aluminiumlegierungen werden die Festigkeitswerte
gesteigert.
4.4 Edelstahl
Edelstahle sind besonders reine (in Bezug auf mechanische Gütewerte und Kerbwirkung
der Einschlüsse) Qualitätsstähle. Qualitätsstähle werden nach ihrem Verwendungszweck
untergliedert, nach dem sie durch Legierungselemente ihre speziellen Eigenschaften
erhalten. Im Bereich Orthopädietechnik werden rostfreie Stähle verwendet. Sie haben einen
Chrom-Legierungsanteil von mindestens 12 Prozent. Die Korrosionsbeständigkeit wird
durch eine besonders glatte, zum Beispiel polierte Oberfläche begünstigt [18].
Stahl hat ein sehr hohes spezifisches Gewicht von 7900 kg/m3
4.5 Titan
und kann daher nur begrenzt
beim Bau von Orthesen verwendet werden. Durch seine extrem hohen Festigkeits- und
Steifigkeitswerte bietet sich Stahl zur Verwendung bei kritischen Bauteilen - wie zum
Beispiel bei Gelenken - an, ist aber aus dem gleichen Grund auch schwierig zu bearbeiten.
So stellt zum Beispiel die Firma Otto Bock einzelne Gelenke aus Edelstahl her, die zum
Einbetten in Verbundfaserwerkstoff oder zur Anbindung an Aluminiumschienen gedacht
sind.
Der Werkstoff Titan eröffnet neue Anwendungsmöglichkeiten bei Orthesen. Er stellt eine
dritte Möglichkeit dar, die zwischen den traditionellen Versorgungen mit Stahl-Aluminium
Orthesen und den neueren Orthesen aus Faserverbundwerkstoffen liegt.
Jörg Hahn & Jens Schlesener 32
Titan hat ein spezifisches Gewicht von 4500 kg/m
Werkstoffe
3
Der Vorteil von Titan gegenüber den Verbundwerkstoffen liegt jedoch in der Möglichkeit,
bei Anproben und über die gesamte Lebensdauer der Orthese hinweg, Nachpassungen
vorzunehmen, ohne daß sich dies nachteilig auf die Struktur und die Festigkeit der Orthese
auswirkt. Ebenso eignen sich Titanorthesen besonders für die Versorgung von Kindern, da
hier das geringe Gewicht, die leichte Veränderbarkeit der Bauteile sowie die
Reparaturfreundlichkeit von größter Wichtigkeit sind.
, das heißt, es ist 40 Prozent leichter als
Edelstahl, mit ähnlichen Leistungsmerkmalen. Bei industriell gefertigten Paßteilen aus
Titan können die traditionellen Montagetechniken beibehalten und dabei das Gewicht der
Orthesenkonstruktion entscheidend reduziert werden. Ein Vergleich von
Titankonstruktionen mit Faserverbundkonstruktionen ergibt, daß Titankonstruktionen ca.
10-15 Prozent schwerer sind, wenn die Orthesen in Faserverbundtechnik mit einem
leistungsfähigen Verfahren hergestellt sind. Die normale Acryl-Laminattechnik ergibt
ungefähr die gleiche Gewichtssituation wie bei Titanschienen.
Gelenkelemente aus Titan sind des weiteren bestens geeignet für die Einbettung in
Faserverbundwerkstoffe, da es sich im Gegensatz zu Aluminium mit allen
Verbundwerkstoffen verträgt [19].
4.6 Sonstige verwendete Materialien
Die Art der Innenverkleidung und Befestigungsriemen richtet sich nach den Wünschen
bzw. Bedürfnissen (bei Allergien) des Patienten und besteht aus Baumwolle, Leder oder
verschiedenen Kunststoffen.
Die Firma 3M Medica in Borken stellt verschiedene Arten von individuell anpaßbaren
Kunststoffschienen zur Abstützung und Entlastung aller Gliedmaßen her. Der Werkstoff ist
ein Glasfaser-Trägermaterial, daß mit einem wasseraktivierbaren Polyurethanharz getränkt
ist. Nach kurzem Einweichen in Wasser härtet das Harz innerhalb einer halben Stunde
vollkommen aus. Das ausgehärtete Material ist sehr leicht und atmungsaktiv, weil es mit
Jörg Hahn & Jens Schlesener 33
Poren durchsetzt ist. Für die Verwendung zur Stabilisation kritischer Punkte der
Gehorthese bieten sich insbesondere folgende zwei Produkte an:
Werkstoffe
• „3M Softcast": Läßt sich paßgenau an den Körper anmodelieren und ist nach
dem Aushärten unter Krafteinwirkung noch begrenzt biegsam, findet aber immer
zur Ausgangsform zurück. Durch das Einmodelieren einer Schiene lassen sich
gewünschte Bereiche vollkommen stabilisieren.
• „3M Scotchcast": Dieser Werkstoff wird hauptsächlich als Ersatz für
herkömmlichen Gips verwendet. Er bietet genügend Stabilität, um ihn als
Schiene zur vollkommenen Stabilisation in das Softcast Material
einzumodelieren.
Vor dem Anmodelieren wird nur ein dünner Unterziehstrumpf über die entsprechende
Extremität gezogen. Er verbleibt als Polsterung in der Schiene und kann Schweiß
aufnehmen. Durch die genaue Paßform lassen sich Druckstellen vermeiden. Zum Softcast
Material werden Schnallen, Bänder und Knöpfe, wie sie zum Verschließen von
Rucksäcken üblich sind, angeboten. Diese lassen sich als Schnellverschlüsse direkt an die
Schiene montieren.
Die Firma 3M Medica gibt gerne weitere Informationen unter der Kontaktadresse im
Anhang.
Jörg Hahn & Jens Schlesener 34
5. Ideenfindung
Ideenfindung
Im Vordergrund der Konstruktion und Herstellung von Orthesen steht die generelle Frage:
Welche Aufgabe soll die Orthese erfüllen und wie können die medizinischen
Anforderungen mechanisch umgesetzt werden?
Zur Lösung dieser Probleme empfiehlt es sich, den wissenschaftlichen Weg einzuschlagen,
den Dingen auf den Grund zu gehen, damit eine bestmögliche Abstimmung der
mechanischen Orthesenelemente in ihrer Wirkungsweise auf den menschlichen Körper
erfolgen kann. Dies geschieht zweckmäßigerweise durch eine Eingrenzung des
Aufgabengebietes mittles folgender Fragen:
• Welchem Zweck dient die Orthese?
• Welche Gelenke werden mit einbezogen?
• Wieviel Kraft brauchen wir?
• Welche Hebelwirkung machen wir uns zunutze?
• Wie lange soll die Orthese verwendet werden?
• Aufweiche Oberfläche wirken wir ein?
• Gegen welche Reaktionen arbeiten wir?
• Gibt es krankheitsspezifische Warnsignale?
Der oben aufgeführte Fragenkatalog kann als logischer Leitfaden bei der Rezeptierung und
Fertigung herangezogen werden [5].
Dieser Leitfaden aus dem Standardwerk der Orthopädietechnik dient zur ersten
Sensibilisierung für die Problematik der Konzeption der Gehorthese.
Jörg Hahn & Jens Schlesener 35
5.1 Problemdarstellung
Ideenfindung
An sich ist die Konstruktion ein rein technisches Problem. Die Orthese ist so zu gestalten,
daß die Funktion sichergestellt ist, das Design ansprechend und funktional ist und somit
der Markt die Orthese akzeptiert. Das beinhaltet unter anderem ein geringes Gewicht, die
einfache Handhabung und andere Punkte, die später als Bewertungskriterien unter Punkt
5.5 noch aufgeführt werden. Zusätzlich zu den technischen Problemen der Konstruktion
müssen jedoch auch in einem sehr hohen Maß die Eigenarten der menschlichen Anatomie
erkannt bzw. das Fehlen von Funktionen berücksichtigt werden. Plausibel wird dies beim
Betrachten der Muskulatur. Durch das Fehlen ihrer Funktion treten gleich mehrere
medizinische Probleme auf. Zunächst führt und hält die Muskulatur die Gelenke in ihrer
Position und ermöglicht somit einen exakten Bewegungsablauf innerhalb des Gelenkes.
Fehlt nun diese Führung, kommt es zu unkontrollierten Bewegungen des Gelenkes, was zu
einem enormen Verschleiß führt. Somit geben die Gelenke nur vor, wo man eine Kraft
bzw. Bewegung einleiten kann. Ferner sorgt die Muskulatur mit Hilfe der Venenklappen
für eine gute Blutzirkulation im ganzen Körper. Durch die Erschlaffung des
Muskelgewebes ist die Funktion der Venenklappen stark beeinträchtigt bzw. nicht mehr
vorhanden. Hieraus folgt eine unzureichende Blutzirkulation in den betroffenen
Extremitäten, da die Pumpfunktion des Herzens allein zum Transport des Blutes aus den
Beinen nicht ausreicht und somit die Gefahr besteht, daß sich Blut in den Beinen sammelt.
Die unzureichende Blutzirkulation wiederum bewirkt eine sehr hohe Empfindlichkeit
gegenüber der Bildung von Druckstellen. Im Vergleich mit einer intakten Muskulatur, wo
eine punktuelle Druckbelastung auf das Gewebe einen blauen Fleck erzeugt, der nach 3-4
Tagen wieder verheilt ist, bildet sich im schlaffen Gewebe eine Druckstelle, die entweder
einer Operation zur Entfernung bedarf, oder erst nach mehr als 6 Monaten verheilt und das
auch nur bei dauernder Pflege. Denn durch die mangelnde Durchblutung ist der Körper
nicht in der Lage sich selbst zu regenerieren.
Des weiteren bedingt die mangelnde Blutzirkulation eine Unterversorgung der Knochen
mit Mineralien, was zu einer Art Osteoporose im Knochen führt. Die Knochenfestigkeit
Jörg Hahn & Jens Schlesener 36
sinkt auf ca. 50 % der eines gesunden Knochens, so daß ein Stoß, der vor der Lähmung nur
zu einem blauen Fleck geführt hätte, einen Trümmerbruch bewirkt.
Ideenfindung
Man kann schon jetzt erkennen, daß ein Großteil der Führungsfunktion deshalb von der
Orthese übernommen werden muß. Die Muskulatur, die ohne Funktion schlaff am
Knochen hängt, ein Orthopäde vergleicht sie mit einem lose gebundenen Sack voll Sand,
bedeutet dadurch zusätzliches Gewicht, das auch noch geführt und eingebettet werden
muß.
Daneben tritt auch öfters eine trophische Störung auf, das heißt das vegetative
Nervensystem, das für die Spannung der Haut, der Gefäße und der Lymphgefäße
verantwortlich ist, ist geschädigt. Diese Schädigung führt zu Hautdurchblutungsstörungen,
übermäßiger Schweißsekretbildung und zu einer zusätzlichen Wasseraufnahme des
Körpers.
Als weiteres Problem taucht die Spastik auf, unter der man die unkontrollierte und
willkürliche Bewegung von Muskeln und dadurch der Gliedmaßen versteht. Diese
Bewegungen gilt es sanft mit der Orthese zu unterdrücken bzw. zu mindern, da die Spastik
ein hohes Verletzungspotential wie Prellungen und Knochenbrüche für die Person birgt.
Hier muß versucht werden, bei der Beschaffenheit der Orthese einen Mittelweg zu finden,
damit nicht andererseits die Orthese zu einer Verletzung führt. Das nächste Problem ist der
besondere Aufbau des Kniegelenkes. Das Gelenk besitzt nur im gestreckten Zustand eine
seitliche Stabilität. Das heißt ein Kniegelenk hat im gebeugten Zustand mehr Freiheitsgrade
als im gestreckten Zustand. Aus diesem Grund benötigt es starke seitliche Ersatzführungen,
die nur Bewegungen in der Sagitalebene zulassen. Ferner führt das Kniegelenk keine reine
Rotationsbewegung aus, sondern eine Überlagerung aus Rotation- und Scherbewegung.
Dieser komplizierte Bewegungsablauf muß zusätzlich bei der Krafteinleitung beachtet
werden.
5.2 Lösungsfindung
Jörg Hahn & Jens Schlesener 37
____________________________________________________________
Um eine konkrete Lösung zu erlangen, wird sich einer Bewertungs- und
Konstruktionssystematik bedient. Dazu wird die Orthesenfunktion in Teilfunktionen
aufgesplittet, die im morphologischen Kasten aufgelistet sind (siehe Tabelle 5.1, 1. Spalte).
Neben jeder dieser Teilfunktionen stehen eine Anzahl von möglichen Teillösungen für das
entsprechende Problem. Diese Teillösungen stammen aus Gesprächen mit Betroffenen,
Technikern und Krankengymnasten, dem Brainstorming in der Fa. MRD und aus einem
Konstruktionskatalog. In den folgenden morphologischen Kästen werden die Teillösungen
zu vier sinnvollen Gesamtlösungen kombiniert. Die Lösungen 3 und 4 sind wegen ihrer
vielen Gemeinsamkeiten in einem Kasten zusammengefaßt. Die Lösung 4 ist durchgängig
grün markiert, die Alternativlösung 3 gelb.
Ideenfindung
Jörg Hahn & Jens Schlesener 38
Teilfunktion Lösung 1 Lösung 2 Lösung 3 Lösung 4 Lösung 5 Lösung 6 Lösung 7 Lösung 8 Verschlüsse Schnallen Klettverschlüsse Steckverschlüsse
(Vgl. Rucksack) Spannverschluß (Vgl. Skischuh)
Strumpf (ohne) Reißverschluß
Körperanbindung: Strumpfgewebe Bandagen Schalen in der Hüfte am Bein Strumpfgewebe Bandagen Schalen der Füße Strumpfgewebe Bandagen Schalen Stützschuh Energieauftanken Akku elektrisch
außer Betrieb Akku elektrisch an Oberleitung
Drucklufttank aufladen
Hydraulikspeicher aufladen
Solarzellen Schuhsohlen- generator
Biogas Körperwärme
Energieversorgung Akku zentral Akkus verteilt Druckluft chemisch Solarenergie Drucktank Positionserkennung der Gelenke
mechanisch über Anschläge
induktive Endschalter
Microtaster Lichtschranken Inkremental- maßstab
Gray-code
Steuerung elektrisch ASI- Bus => SPS
mechanisch über Armbewegung
Bus an Pneumatikventile
Bus an Hydraulikventile
Fuzzy Logic
Kraft- und Moment Übertragung im:
E-Motor rotatorisch /linear
Hydraulikmotor Pneumatikmotor Gestänge Hydraulikzylinder Pneumatik- zylinder
Seilzüge
Hüftgelenk
Kniegelenk E-Motor rotatorisch /linear
Hydraulikmotor Pneumatikmotor Gestänge Hydraulikzylinder Pneumatik- zylinder
Seilzüge
Sprunggelenk E-Motor rotatorisch /linear
Hydraulikmotor Pneumatikmotor Stützschuh Hydraulikzylinder Pneumatik- zylinder
Seilzüge Gestänge
Stabilisierung des: Bowdenzüge Stützstrumpf Hüftgelenkes Gestell Kniegelenkes Bowdenzüge Gestell Stützstrumpf Sprunggelenkes Bowdenzüge Gestell Stützstrumpf Stützschuh Verhindern von Druckstellen
angepaßte Schalen
Schutzgewebe Polsterungen Abstand zur Haut Bandagen
Verhindern von Scheuern
angepaßte Schalen
Schutzgewebe Polsterungen Abstand zur Haut
Gleichgewicht erhalten
Unterarmgeh- stiitzen
Gleichgewichts- sensor
mit über Arme unterstützender Mechanik
Tabelle 5.1: Morphologischer Kasten Lösung 1: Gestänge-Hebelarmkombination mit Hydraulikantreib
Teilfunktion Lösung 1 Lösung 2 Lösung 3 Lösung 4 Lösung 5 Lösung 6 Lösung 7 Lösung 8 Verschlüsse Schnallen Klettverschlüsse Steckverschlüsse
(Vgl. Rucksack) Spannverschluß (Vgl. Skischuh)
Strumpf (ohne) Reißverschluß
Körperanbindung: Strumpfgewebe Bandagen Schalen in der Hüfte am Bein Strumpfgewebe Bandagen Schalen der Füße Strumpfgewebe Bandagen Schalen Stützschuh Energieauftanken Akku elektrisch
außer Betrieb Akku elektrisch an Oberleitung
Drucklufttank aufladen
Hydraulikspeicher aufladen
Solarzellen Schuhsohlen- generator
Biogas Körperwärme
Energieversorgung Akku zentral Akkus verteilt Druckluft chemisch Solarenergie Drucktank Positionserkennung der Gelenke
mechanisch über Anschläge
induktive Endschalter
Microtaster Lichtschranken Inkremental- maßstab
Gray-code
Steuerung elektrisch ASI- Bus => SPS
mechanisch über Armbewegung
Bus an Pneumatikventile
Bus an Hydraulikventile
Fuzzy Logic
Kraft- und Moment Übertragung im:
E-Motor rotatorisch /linear
Hydraulikmotor Pneumatikmotor Gestänge Hydraulikzylinder Pneumatik- zylinder
Seilzüge
Hüftgelenk
Kniegelenk E-Motor rotatorisch /linear
Hydraulikmotor Pneumatikmotor Gestänge Hydraulikzylinder Pneumatik- zylinder
Seilzüge
Sprunggelenk E-Motor rotatorisch /linear
Hydraulikmotor Pneumatikmotor Stützschuh Hydraulikzylinder Pneumatik- zylinder
Seilzüge Gestänge
Stabilisierung des: Bowdenzüge Stützstrumpf Hüftgelenkes Gestell Kniegelenkes Bowdenzüge Gestell Stützstrumpf Sprunggelenkes Bowdenzüge Gestell Stützstrumpf StUtzschuh Verhindern von Druckstellen
angepaßte Schalen
Schutzgewebe Polsterungen Abstand zur Haut Bandagen
Verhindern von Scheuern
angepaßte Schalen
Schutzgewebe Polsterungen Abstand zur Haut
Gleichgewicht erhalten
Unterarmgeh- stUtzen
Gleichgewichts- sensor
mit über Arme unterstützender Mechanik
Tabelle 5.2: Morphologischer Kasten Lösung 2: Anatomische CFK-Schienen mit elektromotorischen Antrieben
Teilfunktion Lösung 1 Lösung 2 Lösung 3 Lösung 4 Lösung 5 Lösung 6 Lösung 7 Lösung 8 Verschlüsse Schnallen Klettverschlüsse Steckverschlüsse
(Vgl. Rucksack) Spannverschluß (Vgl. Skischuh)
Strumpf (ohne) Reißverschluß
Körperanbindung: Strumpfgewebe Bandagen Schalen in der Hüfte am Bein Strumpfgewebe Bandagen Schalen der Füße Strumpfgewebe Bandagen Schalen Stützschuh Energieauftanken Akku elektrisch
außer Betrieb Akku elektrisch an Oberleitung
Drucklufttank aufladen
Hydraul ikspeicher aufladen
Solarzellen Schuhsohlen- generator
Biogas Körperwärme
Energieversorgung Akku zentral Akkus verteilt Druckluft chemisch Solarenergie Drucktank Positionserkennung der Gelenke
mechanisch über Anschläge
induktive Endschalter
Microtaster Lichtschranken Inkremental- tnaßstab
Gray-code
Steuerung elektrisch ASI- Bus => SPS
mechanisch über Armbewegung
Bus an Pneumatikventile
Bus an Hydraulikventile
Fuzzy Logic
Kraft- und Moment Übertragung im:
E-Motor rotatorisch /linear
Hydraulikmotor Pneumatikmotor Gestänge Hydraulikzylinder Pneumatik- zylinder
Seilzüge
Hüftgelenk
Kniegelenk E-Motor rotatorisch /linear
Hydrauiäkmotor Pneumatikmotor Gestänge Hydraulikzylinder Pneumatik- zylinder
Seilzüge
Sprunggelenk E-Motor rotatorisch /linear
Hydraulikmotor Pneumatikmotor Stützschtih Hydraulikzylinder Pneumatik- zylinder
Seilzüge Gestänge
Stabilisierung des: Gestell Stützstrumpf Hüftgelenkes Bowdenzüge Kniegelenkes Bowdenzüge Gestell Stützstrumpf Sprunggelenkes Bowdenzüge Gestell Stützstrumpf Stützschuh Verhindern von Druckstellen
angepaßte Schalen
Schutzgewebe Polsterungen Abstand zur Haut Bandagen
Verhindern von Scheuern
angepaßte Schalen
Schutzgewebe Polsterungen Abstand zur Haut
Gleichgewicht erhalten
Uoterarrogeh- stützen
Gleichgewichts- sensor
mit über Arme unterstützender Mechanik
Tabelle 5.3: Lösung 3 und 4: Seilzuggesteuerte Orthesen oder hydraulisch angetrieben
5.3 Vorstellung der Gesamtlösungen
Ideenfindung
Lösung 1: Gestänge-Hebelarmkombination mit Hydraulikantrieb
Lösung 2: Anatomische CFK-Schienen mit elektromotorischen Antrieben auf den
Gelenkachsen
Lösung 3: Seilzuggesteuerte Orthese mit elektromotorischen Antrieben
Lösung 4: Seilzuggesteuerte Orthese mit hydraulischen Antrieben
5.3.1 Details, die alle Lösungen aufweisen
Alle Lösungen bestehen aus einem System von Bandagen, das zur Einleitung bzw.
Abstützung der Momente und zur Befestigung der Antriebe dient. Um einen sicheren Sitz
und eine Lastverteilung auf die Weichzonen zu realisieren, was zur Vermeidung von
Druckstellen besonders wichtig ist, sind die Bandagen großflächig gestaltet. Jedoch dürfen
sie nicht zu groß ausfallen, da sie sonst dem Betroffenen beim Tragen durch das enge
Anliegen ein einengendes und somit unangenehmes Gefühl vermitteln. Zudem müssen die
Bandagen anisotrope Eigenschaften vorweisen, d.h. sie sind in horizontaler Richtung
zwecks Anformung bedingt elastisch und in vertikaler Richtung möglichst steif. Die
vertikale Steifigkeit ist nötig, um ein Verrutschen der Antriebskomponenten in Richtung
der Körperlängsachse zu verhindern. Weiterhin sollte das Material hautfreundlich und
atmungsaktiv sein um den Tragekomfort zu erhöhen. Zum Schutz der Haut kann zusätzlich
ein spezieller Orthesen-Unterziehstrumpf verwendet werden. Die Firma ORMED GmbH in
Freiburg stellt zum Beispiel einen orthopädischen Strumpf mit folgenden Merkmalen her:
• Enger Sitz, wie zweite Haut
• Kompression des Gewebes gegen Flüssigkeitsstauungen
• Kontrollierte Wärmeentwicklung
• geringe Schweißbildung
• atmungsaktiv
Jörg Hahn & Jens Schlesener 42
Als Verschluß der Bandagen dienen großflächige Klettverschlüsse oder Schnallen.
Inwiefern faserverstärkte Schalen Bandagen ersetzen müssen, kann erst nach
Modellversuchen von einem Orthopädietechniker oder Orthopäden entschieden werden.
Ideenfindung
Das Sprunggelenk wird nicht motorisch angetrieben. Die Bewegungsfreiheit des Gelenkes
wird soweit eingegrenzt, wie es für ein minimales Abrollen nötig ist. In diesem Gelenk
wirken die größten Kräfte. Deshalb würde die Erhaltung der vollen Flexibilität dieses
Gelenkes für das Gehen mit Ihrem Nutzen dem dafür notwendigen Aufwand nicht gerecht
werden. Die Bewegungsfreiheit wird durch einen Stützschuh, soweit wie nötig,
eingegrenzt. Da im Sprunggelenk sehr hohe Kräfte herrschen, kann voraussichtlich kein
normaler Stützschuh verwendet werden, sondern es müßte ein zum Beispiel durch CFK-
Einlagen geschienter Schuh getragen werden. Zur ersten Dimensionierung dient die
Faustregel: Die Höhe des Schuhs sollte wenigstens seiner Länge entsprechen.
Als Steuerung bzw. Regelung wird eine SPS (Speicherprogrammierbare Steuerung)
verwendet, die ihre Signale z.B. über den Siemens ASI Bus an die entsprechenden Antriebe
weiterleitet, bzw. von den Strecken - und Winkelmessern über den Bus erhält. Bei
Orthesen mit elektromotorischen Antrieben können die Signale direkt im Antrieb
umgesetzt werden, dagegen wirken bei den hydraulischen Antrieben die Signale auf
Ventilblöcke, die ihrerseits die Energie des Druckmediums an die Antriebe verteilen.
5.4 Beschreibung der vier Lösungsvorschläge
Die Lösungsvorschläge werden anhand einer Symboldarstellung und eines erklärenden
Textes vorgestellt. Anschließend werden Vor- und Nachteile tabellarisch dargestellt.
Jörg Hahn & Jens Schlesener 43
5.4.1 Lösung 1: Gestänge-Hebelarmkombination mit Hydraulikantrieb
Ideenfindung
Oberschenkelmotor: Hydraulikeinheit muß drehbar an Hüftbandage befestigt werden
Hüftbandage: Verhindert ein Absacken des Beckens beim Schritt im Zusammenspiel mit dem Hüftgestänge
Oberschenkelbandage: Leitet Moment (aus Versatz von Gelenkdrehpunkt und Bandagen- drehpunkt) in Oberschenkel ein
Oberschenkelbandage: Zur Abstützung des Unterschenkel- motors
Unterschenkelbandage: Leitet Moment (aus Versatz von Gelenkdrehpunkt und Bandagen- drehpunkt) in Unterschenkel ein
Stützschuh: Verhindert seitliche Bewegungen; läßt nur geringe Bewegungen um die Körper- querachse zu
Bild 5.1: Orthesenbestandteile der Lösung 1
Jörg Hahn & Jens Schlesener 44
Hüftgestänge: Leitet Kraft aus Hüftmotor über Hebelarm zur Hüftgelenkdrehachse in Ober- schenkelbandage ein
Unterschenkelmotor: Hydraulikeinheit muß drehbar an Oberschenkelbandage be- festigt werden
Unterschenkelgestänge: Leitet Kraft aus Unterschenkelmotor über Hebelarm zur Knie- gelenkdrehachse in Unter- schenkelbandage ein
Beschreibung der Lösung 1: Gestänge-Hebelarmkombination mit Hydraulikantrieb
Ideenfindung
Diese Orthese wird mittels vier hydraulischer Linearmotoren angetrieben. Zwei sitzen als
Oberschenkelmotoren drehbar gelagert außen an der Hüftbandage, die anderen beiden als
Lnterschenkelmotoren gleichartig gelagert an den unteren Oberschenkelbandagen. Die
drehbare Lagerung ist nötig, um der Beugebewegung des Ober- bzw. Unterschenkels zu
folgen und somit eine zu starke Querkraft in den Hydraulikeinheiten zu vermeiden. Die
Druck- bzw. Zugkraft des Oberschenkelmotors, die mittels des Hüftgestänges in die
Hüftbandage geleitet wird, bewirkt mit dem aus dem Versatz des körpereigenen
Gelenkdrehpunktes und dem Bandagendrehpunkt entstehehenden Hebelarm ein Moment,
das den Oberschenkel beugt bzw. streckt. Die Befestigung des Hüftgestänges an der
Oberschenkelbandage liegt vor dem Hüftgelenkdrehpunkt, so daß beim Einfahren des
Kolbens die Hüfte gebeugt und der Oberschenkel angehoben wird. Beim
Unterschenkelmotor geschieht die Kraft- und Momentübertragung mittels Gestänge und
Hebelarm auf die gleiche Art. Hier ergibt sich der Hebelarm aus dem Abstand des
Befestigungspunktes des Unterschenkelgestänges an der Unterschenkelbandage zu dem
natürlichen Kniegelenkdrehpunkt. Kraft und Moment bewirken somit beim Einfahren des
Kolbens eine Beugung des Kniegelenkes. Das Sprunggelenk wird nicht motorisch
angetrieben, sondern durch den anfangs beschriebenen Stützschuh geführt.
Als ein Vorteil ist die Einfachheit der Wartung zu sehen, die sich im wesentlichen auf eine
Sichtprüfung der Hydraulikteile und der Befestigungspunkte beschränkt. Durch das geringe
Leistungsgewicht der Hydraulik ist ein geringes Gesamtgewicht der Orthese zu erwarten,
auch trägt die Orthese durch die kleinen Baumaße nicht so auf, was dem Design zugute
kommt. Zudem ist die Möglichkeit der schnellen Primärenergieaufladung über einen
Drucktank positiv zu werten. Negativ fällt die Notwendigkeit der exakten Anpassung der
Orthesendrehpunkte an die natürlichen Körperdrehpunkte auf. Dies ist absolut nötig zur
Vermeidung von Körperschäden durch unsachgemäße Einleitung der Bewegung. Die
Befestigungspunkte der Antriebe und des Gestänges dienen gleichzeitig als Gelenke und
können somit nicht großflächig gestaltet werden. Da sie aber die gesamten Stützkräfte
weiterleiten müssen, unterliegen sie einem hohen Verschleiß, was eine regelmäßige
Reparatur erfordert. Gleichzeitig führen die Befestigungspunkte der Orthese zu Instabilität
Jörg Hahn & Jens Schlesener 45
und damit zu erheblichen Unsicherheiten im Gang. Dies läßt sich nur durch hohen
Trainingsaufwand kompensieren. Jedoch wird eine Orthese mit einem zu hohen
notwendigem Trainingsaufwand von den Betroffenen nicht akzeptiert. Um eine
Verstärkung dieser Instabilität zu vermeiden, muß das Gestänge sehr steif ausgeführt
werden, da es einem hohen Biegemoment ausgesetzt wird. Beim Sitzen können die
Unterschenkelmotoren und das Gestänge störend wirken. Zuletzt ist anzumerken, daß zur
Einhaltung des Medizinproduktgesetzes in Bezug auf den Betroffenen und seine Umwelt
die mechanischen Kräfte und die Verträglichkeit des Druckmediums zu beachten sind.
Ideenfindung
Vorteile:
• Kleine Hydraulikbaumaße
• Nutzer wartet Orthese ausschließlich
über Sichtprüfung
• Schnelle Energieaufladung über
Drucktank
• Geringes Gewicht durch hohe
Hydraulikleistungen bei kleinen
Bauteilen
Nachteile:
• Körperdrehpunkte müssen exakt
angepaßt werden
• Schienen können beim Sitzen stören
• Stützkräfte wirken auf Gelenke der
Orthese
• Durch die hohen mechanischen
Belastungen der Gelenke ist eine
intensive Wartung der Gelenke durch
einen Fachmann notwendig
• Hohe Biegebelastung des Becken-
gestänges
• Hoher Trainingsaufwand durch
geringe Stabilität
Bei Einhaltung des Medizinproduktgesetzes müssen mechanische Kräfte und die
Verträglichkeit des Druckmediums beachtet werden.
Jörg Hahn & Jens Schlesener 46
5.4.2 Lösung 2: Anatomische CFK-Schienen mit elektromotorischen
Antrieben auf den Gelenkdrehachsen
Ideenfindung
CFK-Hüftschiene: Stabilisiert das Becken; dient zur Moment- abstützung des Hüftelektromo- tors
Hüftelektromotor: Auf Gelenk- achse zentriert; Abmaße entwe- der großer Radius und flach oder länglich und Rotation über Ke- gelradgetriebe an Gelenkachse geführt
CFK-Oberschenkelschiene: Leitet Moment aus Hüftelek- tromotor in Oberschenkelban- dagen ein; dient zur Momentab- stützung des Knieelektromotors
Knieelektromotor: Auf Ge- lenkachse zentriert; Abmaße entweder großer Radius und flach oder länglich und Rotation über Kegelradgetriebe an Ge- lenkachse geführt CFK-Unterschenkelschiene: Leitet Moment aus Knieelek- tromotor in Unterschenkelban- dage ein
Stützschuh: Verhindert seitliche Bewegungen; läßt nur geringe Bewegungen um die Körper- querachse zu
Bild 5.2: Orthesenbestandteile der Lösung 2
Jörg Hahn & Jens Schlesener 47
Hüftbandage: Verhindert ein Absacken des Beckens beim Schritt im Zusammenspiel mit der CFK-Hüftschiene
Oberschenkelbandage: Leitet Moment aus CFK-Ober- schenkelschiene in den Ober- schenkel ein
Oberschenkelbandage: Dient der Momentabstützung des Knieelektromotors
Unterschenkelbandage: Leitet Moment aus Knieelektromotor in Unterschenkel ein
Beschreibung der Lösung 2: Anatomische CFK-Schienen mit elektromotorischen
Ideenfindung
Antrieben auf den Gelenkdrehachsen
Hauptmerkmale dieses Orthesenkonzeptes sind die CFK-Schienen und die
elektromotorischen Antriebe auf den Gelenkachsen. Die CFK-Schienen bestehen aus drei
Teilen, der Hüftschiene, der Oberschenkelschiene, und der Unterschenkelschiene.
Zwischen den CFK-Schienen sitzen die elektromotorischen Antriebe. Ein Antrieb sitzt in
Höhe der Hüftgelenkdrehachse, der andere ist auf der Kniegelenkdrehachse plaziert. Die
Anbindung der Orthese an den Körper erfolgt über Bandagen, die Hüftbandage am
Oberkörper, zwei Oberschenkelbandagen und eine Unterschenkelbandage. Das
Sprunggelenk wird mit dem Stützschuh stabilisiert.
Die Elektromotoren werden mit Strom aus Akkus versorgt. Die Akkus können nahe an den
einzelnen Motoren plaziert werden. So wird eine günstigere Gewichtsverteilung im
Vergleich zu einem einzelnen zentralen Akku erreicht. Dies ist besonders wichtig, wenn
man die geringe Leistungsdichte bei elektrischer Energieversorgung bedenkt. Bei den
Motoren selbst bieten sich zwei Varianten zur Dimensionierung an. Sie können sehr flach
aber dafür mit großem Durchmesser ausgelegt werden, wie im Bild dargestellt, oder sie
werden länglich mit geringem Durchmesser dimensioniert. Bei beiden Varianten muß die
Antriebsachse genau mit der Gelenkdrehachse übereinstimmen. Das heißt, die
Motordrehachse des flachen Motors fluchtet genau mit der Gelenkachse. Die
Motordrehachsen der länglichen Variante müßten parallel zur Längsachse des Beines
verlaufen, damit die Orthese in ihren Abmaßen nicht zu breit wird. Um die Antriebsachse
in eine Flucht mit der jeweiligen Gelenkdrehachse zu bringen, muß ein Getriebe zum
Beispiel mit Kegelrädern vorgesehen werden. Die Übereinstimmung der Achsen ist sehr
wichtig, um Schäden am Gelenk und den Knochen zu vermeiden. Da die Knochenstruktur
eines Querschnittgelähmten durch mangelhafte Versorgung mit Mineralstoffen geschwächt
ist, nimmt sie um ein vielfaches schneller Schaden als gesunde Knochen. Diese
Problematik tritt verstärkt im Kniegelenk auf, weil das Kniegelenk keine reine Rotation in
Bewegung ausführt. Hier überlagert sich die Rotation mit einer Scherbewegung. Im
Modellversuch kann geklärt werden, ob über eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit
auf einen geringen Winkel, der zum Gehen nur notwendig ist, dieses Problem in einem
Jörg Hahn & Jens Schlesener 48
_____________________________________________________________
medizinisch vertretbaren Rahmen gehalten wird. Im Hüftgelenk ist eine reine Rotation um
eine Körperquerachse möglich.
Ideenfindung
Zur Einhaltung bestimmter Positionen, beispielsweise im Stand, muß eine extra Mechanik
vorgesehen werden, die die Gelenke in den Positionen blockiert. Diese Mechanik kann
konstruktiv einfach in das Getriebe zur Umsetzung der Antriebsachse beim länglichen
Motor integriert werden.
Die Momente der Motoren werden über die Hebelarme der CFK-Schienen in Kräfte
umgewandelt. Die CFK-Schienen werden der Körperform genau angepaßt, so daß sie nicht
zu Druckstellen führen und auch nicht voluminös auftragen. Durch die Verwendung von
kohlefaserverstärkten Kunststoffen wird Gewicht gespart, was insbesondere bei der
Verwendung eines relativ schweren elektromotorischen Antriebes notwendig ist. Die
Schienen selbst müssen ein Profil erhalten, das besonders steif gegenüber
Torsionsbelastungen und Biegebelastungen ist, um der Orthese genügend Stabilität zu
geben.
Erfahrungen mit CFK-Schienen in der Orthopädietechnik haben gezeigt, daß die
Verbindungsstellen von CFK-Schienen zu Gelenken aus Metall sehr problematisch sind.
Die Materialien vertragen sich im Zusammenspiel nicht gut, und es kommt zu Ablösungen
und einem Ausbrechen der Schienen. Aus diesem Grund muß den Verbindungsstellen der
Schienen an die Motoren und an die Bandagen bzw. Schalen schon im Vorfeld bei der
Konstruktion große Aufmerksamkeit geschenkt werden.
Die Kräfte aus den Schienen werden hier über besondere Bandagen in den Körper
eingeleitet. Um die Kräfte optimal zu übertragen, müssen die Bandagen in den
Belastungsrichtungen sehr steif sein, dürfen aber zugleich keine Druckstellen verursachen.
Hier können neben den Bandagen auch Schalen aus faserverstärkten Kunststoffen
verwendet werden. Die Versorgung mit CFK-Schalen für bestimmte Bereiche muß hier in
Absprache mit dem jeweiligen Patienten und einem Orthopädietechniker erfolgen, weil bei
jedem Betroffenen andere problematische Körperbereiche besonders unterstützt werden
müssen. Die Hüftbandage und die Hüftschiene stellen die Verbindung zum Oberkörper dar.
Jörg Hahn & Jens Schlesener 49
Mit Hilfe von Unterarmstützen kann über diese Verbindung das Gleichgewicht gehalten
werden. Die Bandagen an den Beinen dienen nur zur Übertragung der Kräfte.
Ideenfmdung
Das Sprunggelenk wird nicht motorisch angetrieben, sondern durch den anfangs
beschriebenen Stützschuh geführt.
Wird der Stützschuh auch über Schienen mit der Orthese verbunden, kann das Gewicht der
Orthese direkt über die Schuhe am Boden abgestützt werden. Dieser selbsttragende Effekt
ist zur Gewichtsentlastung des Patienten sicherlich positiv anzusehen, unterstützt aber auch
die gesamte Steifigkeit des Systems hinsichtlich der Harmonie des Bewegungsablaufes.
Durch den elektromotorischen Antrieb sind die Freiheitsgrade der Orthese bereits sehr
eingeschränkt. Somit wird es voraussichtlich zu einem eckigen Gangbild kommen, das
durch eine durchgehende, steife Orthese vom Oberkörper bis zum Fuß noch verstärkt wird.
Die Orthese ist aus vergleichsweise wenig Einzelteilen aufgebaut. Die seitliche Führung
der Schienen ist vorteilhaft bei der Handhabung der Orthese zum Beispiel beim An- und
Ablegen. Dadurch, daß die Sitzflächen (Oberschenkel und Gesäß) frei geblieben sind, ist
ein Hinsetzen mit der Orthese ohne weiteres möglich.
Jörg Hahn & Jens Schlesener 50
Lösung 2: Anatomische CFK-Schienen mit elektromotorischen Antrieben auf den
Gelenkdrehachsen
Ideenfindung
Vorteile:
• Sitzen ist gut möglich, weil an
Oberschenkelbeuger und Gesäß keine
Applikationen vorhanden sind
• Einfacher Aufbau aus vergleichsweise
wenigen Einzelteilen
Nachteile:
• Sehr genaues Anpassen bzw. Anlegen
notwendig, da die Antriebsachsen
genau mit den anatomischen
Gelenkachsen übereinstimmen
müssen
• Vergleichsweise große Baumaße der
Elektromotoren
• Zusätzliche Sperre zum Halten in
bestimmten Positionen notwendig
• Schäden der Gelenke durch falsches
Positionieren der Drehachsen möglich
• Akku-Handling erfordert lange
Ladezeiten
• Starke Biegebelastung der Schienen
und Gelenkwellen durch notwendige
Stabilisation des Beckens
• Wenig Flexibilität, daher entsteht
voraussichtlich ein „eckiges
Gangbild"
• Hohes Gewicht der Elektromotoren
erfordert höheren Trainingsaufwand
Bei Einhaltung des Medizinproduktgesetzes muß auf mechanische Kräfte und elektrische
Spannungen geachtet werden.
Jörg Hahn & Jens Schlesener 51
5.4.3 Lösung 3: Seilzuggesteuerte Orthese mit elektromotorischen
Antrieben
Ideenfindung
Hüftbandage: Stützt elektro- motorische Antriebe für Bewe- gungen des Oberschenkels ab; elektromotorische Antriebe sind in die Bandage integriert
Oberschenkelstrecker innen und rückseitig Oberschenkel- beuger innen: Für Oberschenkel Streck- und Beugebewegungen und für Bewegungen seitwärts
Seilzugfiihrung: Der mensch- lichen Anatomie nachempfundene gekreutzte Führung
Oberschenkelbandage: Nimmt Kräfte aus Unterschenkel Antrie- ben auf
Seilzuganbindung: Der mensch- lichen Anatomie nachempfundene aufgefächerte Anbindung
Unterschenkelbandage: Nimmt Kräfte aus Unterschenkelstrecker und Unterschenkelbeuger auf
Verbindungsband: Verbindet die Orthese mit dem Stützschuh, somit ist im Zusammenspiel mit der Hüftbandage und dem Ober- schenkelgurt kein Verrutschen entlang der Körperlängsachse möglich
Schulterträger: Nimmt Kräfte aus Beckenheber auf
Beckenheber: Verhindert ein Absacken des Beckens beim Schritt im Zusammenspiel mit dem Schulterträger; ermöglicht ein Anheben des Beckens
Oberschenkelstrecker außen und rückseitig Oberschenkel- beuger außen: Für Oberschen- kel Streck- und Beugebewegun- gen und für Bewegungen seit- wärts
Oberschenkelgurt: Unterstützt die Funktionen der Hüftbandage; führt die Oberschenkelzüge
Unterschenkelstrecker und rückseitig Unterschenkelbeu- ger: Können zur Gelenkent- lastung auch paarweise gekreuzt wie am Oberschenkel angeord- net werden
Stützschuh: Nimmt Kräfte in der Körperlängsachse auf; ver- hindert seitliche Bewegungen des Fußes; läßt nur geringe Be- wegungen des Fußes um die Körperquerachse zu
Jörg Hahn & Jens Schlesener 52
Bild 5.3: Orthesenbestandteile der Lösung 3
Ideenfindung
Lösung 3: Seilzuggesteuerte Orthese mit elektromotorischen Antrieben
Vorteile:
Verwendung der körpereigenen
Drehpunkte
Sitzmöglichkeit durch geführte Züge
gegeben
Einfache, platzsparende Energie-
zufuhr zu den Einzelantrieben
Sehr große Anlehnung an mensch-
liche Anatomie
Große Flexibilität im Gangbild bei
optimaler Steuerung
Nachteile:
• Elektromotoren benötigen größeren
Einbauraum als Hydraulikmotoren
mit gleicher Leistung
• Elektromotoren besitzen ein we-
sentlich höheres Leistungsgewicht
als Hydraulikmotoren
• Die Elektromotoren erfordern eine
zusätzliche Sperrfunktion der Ge-
lenke. Dadurch wird die Steuerung
umfangreicher und aufwendiger
• Bedingt durch das höhere Gewicht
kann ein größerer Trainingsaufwand
nötig sein
• Der komplexe Aufbau erfordert
Sorgfalt beim Anlegen der Orthese
• Bei der Wartung sind viele kleine
Motoren zu prüfen
Bei der Erfüllung des Medizinproduktgesetzes sind in Bezug auf den Patienten die
auftretenden Kräfte und Spannungen zu beachten.
Jörg Hahn & Jens Schlesener 53
5.4.4 Lösung 4: Seilzuggesteuerte Orthese mit hydraulischen Antrieben
Ideenfindung
Hüftbandage: Stützt hydrauli- sche Antriebe für Bewegungen des Oberschenkels ab; Hydrau- likzylinder sind in die Bandage integriert
Oberschenkelstrecker innen und rückseitig Oberschenkel- beuger innen: Für Oberschenkel Streck- und Beugebewegungen und für Bewegungen seitwärts
Seilzugführung: der mensch- lichen Anatomie nachempfundene gekreutzte Führung
Oberschenkelbandage: Nimmt Kräfte aus Unterschenkel Antrie- ben auf
Seilzuganbindung: Der mensch- lichen Anatomie nachempfundene aufgefächerte Anbindung
Unterschenkelbandage: Nimmt Kräfte aus Unterschenkelstrecker und Unterschenkelbeuger auf
Verbindungsband: Verbindet die Orthese mit dem Stützschuh, somit ist im Zusammenspiel mit der Hüftbandage und dem Ober- schenkelgurt kein Verrutschen entlang der Körperlängsachse möglich
Schulterträger: Nimmt Kräfte aus Beckenheber auf
Beckenheber: Verhindert ein Absacken des Beckens beim Schritt im Zusammenspiel mit dem Schulterträger; ermöglicht ein Anheben des Beckens
Oberschenkelstrecker außen und rückseitig Oberschenkel- beuger außen: Für Oberschen- kel Streck- und Beugebewegun- gen und für Bewegungen seit- wärts
Oberschenkelgurt: Unterstützt die Funktionen der Hüftbandage; führt die Oberschenkelzüge
Unterschenkelstrecker und rückseitig Unterschenkelbeu- ger: Können zur Gelenkent- lastung auch paarweise gekreuzt wie am Oberschenkel angeord- net werden
Stützschuh: Nimmt Kräfte in der Körperlängsachse auf; ver- hindert seitliche Bewegungen des Fußes; läßt nur geringe Be- wegungen des Fußes um die Körperquerachse zu
Bild 5.4: Orthesenbestandteile der Lösung 4
Jörg Hahn & Jens Schlesener 54
Lösung 4: Seilzuggesteuerte Orthese mit hydraulischen Antrieben
Ideenfmdung
Vorteile:
Verwendung der körpereigenen
Drehpunkte
Sitzmöglichkeit durch geführte Züge
gegeben
Die Antriebe können durch ihren
kleinen Einbauraum in die Bandagen
integriert werden
Durch das geringe Leistungsgewicht
der Antriebe ist das Gewicht der
Orthese nicht zu groß
Das geringe Gewicht der hy-
draulischen Antriebe begünstigt
einen schnellen Trainingserfolg
Sehr große Anlehnung an mensch-
liche Anatomie
Große Flexibilität im Gangbild bei
optimaler Steuerung
Bei der Wartung ist nur eine Sicht-
prüfung notwendig
Nachteile:
• Die Energiezufuhr erfordert einen
größeren Einbauraum
• Der komplexe Aufbau erfordert
Sorgfalt beim Anlegen der Orthese
Bei Einhaltung des Medizinproduktgesetzes müssen mechanische Kräfte und die
Verträglichkeit des Druckmediums beachtet werden.
Jörg Hahn & Jens Schlesener 55
_____________________________________________________________
Beschreibung der Lösungen 3 und 4
Ideenfindung
Die Lösungsvorschläge 3 (Seilzuggesteuerte Orthese mit elektromotorischen Antrieben)
und 4 (Seilzuggesteuerte Orthese mit hydraulischen Antrieben) sind sich im Aufbau sehr
ähnlich. Bei beiden Orthesen wird die Bewegung durch Längenänderungen von Seilzügen
hervorgerufen. Sie unterscheiden sich lediglich durch die Energieversorgung. Lösung 3
wird elektrisch angetrieben, Lösung 4 über ein Hydrauliksystem.
Die Orthesen bestehen auch wie die vorangegangenen aus einem Bandagensystem. Dieses
besteht aus:
• einem Schulterträger, der mit einem Hosenträger vergleichbar ist;
• einer breiten Hüftbandage und einem daran angebundenen Oberschenkelgurt;
beides zusammen bildet eine stabile Anbindung der Hüfte, wie zum Beispiel ein
alpines Klettergeschirr;
• einer Oberschenkelbandage;
• einer Unterschenkelbandage und
• dem Stützschuh, der über Verbindungsbänder mit der Unterschenkelbandage
verbunden ist.
Der Antrieb ist der menschlichen Anatomie nachempfunden. Die Gliedmaßen werden über
Muskelkontraktionen, die lineare Verkürzungen der Muskeln sind, bewegt. Diese linearen
Verkürzungen werden durch Hydraulikzylinder (Lösung 4) oder durch Elektroantriebe
(Lösung 3) erzeugt. Bei den Elektroantrieben können entweder Elektrolinearmotoren oder
gewöhnliche Elektromotoren mit einem Getriebe, das die rotatorische Bewegung in eine
Linearbewegung umwandelt, verwendet werden. Die Linearmotoren können:
• die Hüfte einseitig anheben,
• den Oberschenkel und Unterschenkel beugen und strecken,
• und den Oberschenkel seitwärts bzw. wieder zurück nach Innen bewegen.
Jörg Hahn & Jens Schlesener 56
Die durch die Linearmotoren hervorgerufenen Bewegungen werden über Seilzüge an die
Bandagen weitergeleitet und so auf das Skelett übertragen. Die Seilzüge sind ein Ersatz der
Sehnen, die die Längenänderungen der Muskeln, in diesem Fall der Antriebe, auf die
Knochen übertragen und so Bewegungen aller Freiheitsgrade, die die Gelenke ermöglichen,
ausüben.
Ideenfindung
Ein Schritt beginnt mit dem Anheben des Spielbeins. Dabei muß die Hüfte stabilisiert
werden, damit sie nicht mit dem Spielbein absackt. Diese Stabilität wird durch den
Schulterträger gegeben. Hierbei wird das Prinzip der Umkehr des punktum fixum und des
punktum mobile angewendet. Beim Gang eines gesunden Menschen ist die Hüfte der
punktum Fixum. Sie bleibt als Fixpunkt stehen, während der Oberkörper darüber beim
Schritt die Gewichtsverlagerung nach vorne vollzieht, damit der Körperschwerpunkt
zusammen mit dem Spielbein nach vorne wandert. Hierbei ist die Schulter der punktum
mobile. Durch die Verwendung von Unterarmgehstützen wird beim Gehen mit der Orthese
die Schulter zum punktum fixum. Der Querschnittgelähmte kann sich mit den Armen über
die Unterarmgehstützen am Boden abstützen. An der seitlichen Hüfte ist der Beckenheber
in der Hüftbandage plaziert. Beim Anheben des Spielbeins zum Schritt verhindert dieser
Linearmotor ein Absacken der Hüfte und ermöglicht darüber hinaus das Anheben des
Beckens. Diese Bewegung wird über die Bowdenzüge seitlich an den Schulterträger
geleitet. Der Schulterträger leitet die Kräfte weiter über die Schulter und den Arm in die
Unterarmgehstütze in den Boden. Über die Beinmotorik erfolgt gleichzeitig ein Schritt.
Durch das Abdrücken mit der Unterarmgehstütze vom Boden wird der Körperschwerpunkt
über das Spielbein gebracht, bis dieses zum Standbein wird.
Die Bewegungen des Oberschenkels werden über die Oberschenkelstrecker und -beuger
ausgeführt. Zwei Linearmotoren sind für das Anheben des Oberschenkels vorgesehen und
zwei für die gegenläufige Bewegung. Ein Motor zum Anheben des Oberschenkels ist etwas
unterhalb des Bauchnabels in die Hüftbandage integriert, der andere ist seitlich in der
Hüftbandage plaziert. Die Kräfte der Motoren werden über Bowdenzüge verteilt. Die Züge
haben große Vorteile. Sie passen sich durch ihre Flexibilität von selbst an die
Körperoberfläche an und können bei kleinen Abmaßen große Kräfte übertragen. Dadurch
wird Gewicht eingespart und die Züge tragen nicht voluminös auf, so daß nicht der
Jörg Hahn & Jens Schlesener 57
_____________________________________________________________
Eindruck erweckt wird, hier würde eine große und schwere Apparatur getragen. Die
Seilzüge der beiden Zylinder verlaufen vor dem Oberschenkel gekreuzt, d.h. vom
Bauchnabel aus entlang der Hüfte um den Oberschenkel herum auf die Außenseite des
Oberschenkels zur Oberschenkelbandage bzw. von der äußeren Hüfte um den
Oberschenkel herum auf die Innenseite des Oberschenkels zur Oberschenkelbandage. Auf
dem Oberschenkelgurt können Führungsschlaufen angebracht werden, damit ein
Aneinanderscheuern der Bowdenzüge verhindert wird. Durch die gekreuzte Führung der
Züge kann der Oberschenkel in einer für die Bewegung in den Gelenken optimalen
Position zentriert werden. So wird die Bahn einer natürlichen Bewegung verfolgt. Dies
schont die Gelenke, wie es die Natur vorgesehen hat, denn die Muskulatur zentriert die
Gelenkpunkte optimal zueinander. Ziehen die beiden Oberschenkelbeuger an, verkürzen
sich die Bowdenzüge und der Oberschenkel wird zur Hüfte hin angezogen. Die umgekehrte
Bewegung erfolgt durch die Oberschenkelstrecker, die genau wie die Beuger angeordnet
sind, aber auf der Körperrückseite liegen. Durch eine Verkürzung der Oberschenkelstrecker
werden die Beuger wieder in die Länge gezogen.
Ideenfindung
Die Bewegung des Unterschenkels erfolgt nach dem gleichen Prinzip wie die Bewegung
des Oberschenkels. Im Bild ist hier nur eine einfache Führung der Seilzüge zu erkennen.
Die gekreuzte Führung ist aber auch hier, aus den oben genannten Gründen, zu
bevorzugen. Im Bild erkennt man gut die aufgefächerte Anbindung der Bowdenzüge an die
Bandagen. Diese Anbindung entspricht auch der natürlichen Physiologie. Dort, wo die
Sehnen an die Knochen angewachsen sind, werden sie flach und breit, damit die Kraft des
Muskels nicht nur an einem Punkt in den Knochen eingeleitet sondern verteilt wird. Durch
die aufgefächerte Anbindung der Seilzüge wird dieser Effekt nachgebaut. Die
Anbindungspunkte zur Bandage werden entlastet und somit können die Bandagen mit ihrer
gesamten Oberfläche ein Verrutschen verhindern. Dadurch wird dem Entstehen von
Scheuer- und Druckstellen vorgebeugt. Es ist vorteilhaft, sämtliche Seilzüge der Orthese
auf diese Art und Weise mit den Bandagen zu verbinden.
Der Stützschuh wird durch mehrere Verbindungsbänder mit der Unterschenkelbandage
verbunden. So entsteht eine durchgehende Verbindung der Orthese vom Fuß bis zur
Schulter. Die durchgehende Verbindung der Orthese entlang des gesamten Körpers ist sehr
Jörg Hahn & Jens Schlesener 58
wichtig für die Steifigkeit. Der Gelähmte wird bei dieser Orthese nur durch Zugkräfte
aufrecht gehalten. Dies ergibt sich aus der Verwendung der flexiblen Bowdenzüge, die
keine Druckkräfte der vorgesehenen Größenordnungen übertragen können. Durch den
lückenlosen Verbund der Orthese entlang der Körperlängsachse kann nur über Zugkräfte
eine sehr hohe Stabilität der Orthese gewährleistet werden. Ein Zusammensacken des
Unterkörpers in eine nicht vorgesehene Richtung wird durch ein Anziehen der auf der
Gegenseite liegenden Bowdenzüge verhindert. Die hohe Stabilität ist im Vergleich zur
Abstützung durch Schienen gegeben, weil hier keine Biegebelastungen und keine
Belastungen mechanisch empfindlicher Gelenke auftreten können.
Ideenfindung
Im Bild sind zwei Möglichkeiten die Antriebe zu plazieren dargestellt. Die Motoren
können zwischen den Bandagen untergebracht werden, wie im Bild am Oberschenkel. Dies
entspricht der Anatomie. Durch die Verschiebungen infolge der Längenänderungen können
bei dieser Anordnung aber leicht Scheuerstellen entstehen. Besser können die Motoren in
die Bandagen integriert werden. So sind sie fest in die Orthese eingebaut und können auch
beim Handling der Orthese nicht stören.
Die unterschiedlichen Antriebsarten der beiden Lösungen 3 und 4 wirken sich auf die Art
der Steuerung aus. Im Vergleich zur menschlichen Anatomie stellt die Steuerung oder
Regelung die kontrollierte Innervation der Muskeln dar. Beim Antrieb über Elektromotoren
wird die rein elektrische Steuerung oder Regelung verwendet. Zum Einhalten bestimmter
Positionen müssen hierbei im entsprechenden Augenblick Gelenksperren angesteuert
werden. Dies entfällt bei der hydraulisch angetriebenen Orthese, da hier ein geschlossenes
Ventil die Hydraulikzylinder fest in der bestimmten Position hält. Im ersten Schritt ist eine
Steuerung oder Regelung für das hydraulisch angetriebene System ähnlich aufgebaut. Die
Signale der SPS werden über das Bussystem an einen oder mehrere Ventilblöcke
weitergeleitet. Diese verteilen die Energie des Druckmediums weiter an die
Hydraulikzylinder, an denen sie im jeweiligen Augenblick benötigt wird.
Jörg Hahn & Jens Schlesener 59
5.5 Vergleich der vier Lösungen
Ideenfmdung
Zum objektiven Vergleich dieser Gesamtlösungen benötigt man definierte und gewichtete
Bewertuiigskriterien. Die Definitionen der Bewertungskriterien stammen aus Gesprächen
mit Betroffenen. Sie beschreiben zugleich auch die technischen Probleme. Hier eine
Aufstellung der Kriterien und Ihre Erläuterung.
1. Einhaltung des Medizinproduktgesetzes
Jedes medizinische Produkt unterliegt dem Medizinproduktgesetz, in dem die
Sicherheit für die Person und die Umwelt beschrieben ist. Erst wenn es dessen
Kriterien erfüllt, darf es auf den Markt.
2. Gleichgewicht mit Stützen
Ein gesunder Mensch hält sein Gleichgewicht unter anderem durch Verlagern des
Oberkörpers, wobei als Drehpunkt das Becken dient. Da die Motorik des Beckens bei
den Betroffenen nicht funktioniert, können sie nur mit Hilfe von Unterarmstützen das
Gleichgewicht halten. Somit muß die Orthese die Hände und Arme des Betroffenen auf
jeden Fall frei halten bzw. darf das Tragen der Orthese den Gebrauch der
Unterarmstützen nicht beeinträchtigen.
3. Hohe Stützfunktion
Im vorherigen Abschnitt wird die Notwendigkeit der von der Orthese aufzubringenden
Stützfunktion bereits beschrieben. Sie muß so groß sein, daß die Person nicht in sich
zusammen sackt. Technisch zu realisieren ist diese Stützfunktion entweder mit einem
sehr steifen Gerüst oder einer Nachahmung der muskulären Stützfunktion. Das steife
Gerüst hat den Nachteil, daß es sehr klobig wirkt und nur einen sehr unnatürlichen
Gang ermöglicht.
4. Keine negativen Auswirkungen auf den Körper
Durch die Orthese und ihre Benutzung darf der Organismus der Person nicht zusätzlich
geschädigt werden wie z.B. durch Knochenbrüche, übermäßiger Gelenkverschleiß,
usw. Das ist am besten zu realisieren, indem die Orthese neben der Stützfunktion auch
Jörg Hahn & Jens Schlesener 60
____________________________________________________________
die fehlenden Funktionen der Muskulatur übernimmt, soweit dies technisch möglich
ist.
Ideenfindung
5. Kleine Stufen < 10 cm
Mit Hilfe der Orthese muß es möglich sein, kleine Stufen mit einer Höhe von maximal
10 cm zu überwinden. Dies wäre dann neben dem Stehtraining ein weiterer Vorteil der
Orthese gegenüber einem Rollstuhl. Anderenfalls benutzt jeder Querschnittgelähmte
weiterhin seinen Rollstuhl, da dieser bequemer und einfacher zu handhaben ist. Das
technische Problem besteht hierbei im Bereitstellen der ausreichenden Kraft. Die Kraft
muß groß genug sein, um das Körpergewicht und das der Orthese durch Strecken des
Knies hoch zu drücken.
6. Geringes Gewicht
Dies ist nötig, um eine zusätzliche Belastung des Körpers zu verhindern. Einerseits
verkürzt ein geringes Gewicht den zum Gehen nötigen Trainingsaufwand und
andererseits verringert sich der Kraftaufwand der Person. Dafür müssen leichte
Werkstoffe wie Aluminiumlegierungen, Titan, carbonfaserverstärkte Kunststoffe
(CFK) und glasfaserverstärkte Kunststoffe (GFK) verwendet werden, die dennoch die
gewünschte Festigkeit besitzen.
7. Ansprechendes Design
In der Orthese sollten Form und Funktion ein vernünftiges Gesamtkonzept bilden, um
einerseits die Akzeptanz der betroffenen Person zur Orthese, andererseits die
Akzeptanz der Person in der Öffentlichkeit zu steigern. Dies ist z.B. möglich, indem
man die Orthese stark an die menschliche Anatomie anlehnt.
8. Treppen steigen
Später sollte es möglich sein, mit Hilfe der Orthese Treppen steigen zu können. Hier
besteht dieselbe Schwierigkeit im Bereitstellen der nötigen Kraft wie bei den kleinen
Stufen, jedoch wird der Beugewinkel und somit der Aufwand meist größer, da die
Treppen in der Regel eine größere Tritthöhe erfordern.
Jörg Hahn & Jens Schlesener 61
9. Geringer Trainingsaufwand
Ideenfindung
Studien haben gezeigt, daß Orthesen, deren Handhabung ein großes Maß an
Trainingsaufwand erfordern, vom Markt nicht akzeptiert werden. Von den Personen
wird dann weiterhin der Rollstuhl bevorzugt, da dieser ihrer Meinung nach nur Vorteile
besitzt. Das einzige Manko des Rollstuhls sei die Sitzhöhe und die Benötigung von
Hilfe beim Bewältigen von Stufen.
10. Einfaches Anlegen möglich
Die Akzeptanz der Orthese ist nur dann gegeben, wenn sie leicht und unkompliziert
anzulegen ist, da sonst der Betroffene, wie im Punkt „Geringer Trainingsaufwand"
bereits erwähnt, den Rollstuhl aus Bequemlichkeit vorzieht.
11. Geringer zeitlicher Wartungsaufwand
Um eine kontinuierliche Benutzung der Orthese zu erreichen, muß der zeitliche
Wartungsaufwand so gering wie möglich gehalten werden. Nur so kann die Akzeptanz
der Orthese auf Dauer gewährleistet sein. Meinung eines Betroffenen: "Was bringt mir
eine Orthese, die mehr Zeit in der Werkstatt als im Gebrauch ist?"
12. Preis
Der Preis darf nicht ins Unermäßliche steigen, da sonst die Krankenkassen sich weigern
würden, die Kosten voll zu übernehmen. Auch wäre so eine ausreichende Versorgung
der Rehabilitationskliniken und Krankengymnasten nicht möglich.
13. Sitzmöglichkeit
Dies ist mit eine Grundvoraussetzung, da die Orthese im Sitzen angelegt wird. Auch ist
das Sitzen zum Ausruhen nötig, da gerade in der Anfangsphase das Gehen, da es
ungewohnt ist, größere Anstrengungen erfordert.
Diese Bewertungskriterien werden gegeneinander verglichen und somit eine Gewichtung
erreicht (Tabelle 5.4). Der Vergleich erfolgt durch die Frage, ob das eine Kriterium
wichtiger ist als das andere. Ist das in der Zeile stehende Kriterium wichtiger, so erhält das
Jörg Hahn & Jens Schlesener 62
Kreuzfeld eine „1", wenn es umgekehrt ist, dann eine „0". Durch die Art der Anordung der
Kriterien erreicht man, daß jede Kriteriumspaarung zweimal hinterfragt wird, was zur
Kontrolle der Objektivität der Antworten auf die Fragen von Vorteil ist. Zur Auswertung
wird die Summe der „1" von jeder Zeile und die Summe der „0" von jeder Spalte gebildet.
Aus diesen beiden Summen wird das Mittel gebildet, was den Bewertungsfaktor des
Kriteriums darstellt. In Gesprächen mit Betroffenen erfolgt ein nochmaliger Vergleich der
nahe beieinander liegenden Faktoren. Es zeigt die Notwendigkeit einer Korrektur einiger
Faktoren mittels Korrektursummanden. Da die Kriterien „Kleine Stufen < 10 cm" und
„Sitzmöglichkeit" jeweils Grundanforderungen an die Orthese darstellen, werden sie um
einen Punkt angehoben. Dies ist nötig, um ihre Wichtigkeit gegenüber den anderen
Kriterien hervorzuheben. Die Korrektur des Kriteriums „Ansprechendes Design" erfolgt
aus der Notwendigkeit der Akzeptanz der Orthesen vom Umfeld des Betroffenen. Denn nur
wenn das Umfeld die Orthese genauso normal betrachtet wie den Rollstuhl, fühlt der
Betroffene sich wohl und wird im Tragen der Orthese bestärkt. Weiterhin werden die
Kriterien „Geringer Trainingsaufwand" und „Geringer zeitlicher Wartungsaufwand" zur
Angleichung aufgewertet. Das Kriterium Preis wird um einen Punkt angehoben, da es sonst
mit Null Punkten aus der Wertung fallen würde. Der endgültige Bewertungsfaktor spiegelt
nun den Wichtigkeitsgrad des einzelnen Kriteriums wieder. Dieser Aufwand zeigt, wie
wichtig diese Kriterien und ihre zugehörigen Faktoren für einen objektiven Vergleich der
Gesamtlösungen sind.
Ideenfindung
Jörg Hahn & Jens Schlesener
Ideenfindung
1. E
inha
ltung
des
M
ediz
inpr
oduk
tges
etz
2. G
leic
hgew
icht
mit
Stüt
zen
3. h
ohe S
tütz
funk
tion
4. k
eine
neg
ativ
en A
us-
wirk
unge
n au
f den
Kör
per
5. k
lein
e Stu
fen
<10
cm
6. g
erin
ges G
ewic
ht
7. an
spre
chen
des D
esig
n (F
orm
und
Fun
ktio
n)
8. T
repp
enst
eige
n
9. g
erin
ger
Trai
ning
sauf
wan
d 10
. ein
fach
es A
nleg
en
mög
lich
11. g
erin
ger z
eitli
cher
W
artu
ngsa
ufw
and
12. P
reis
13. S
itzm
öglic
hkei
t
1. Einhaltung des Medizinprodukt- aesetzes
1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1
2. Gleichgewicht mit Stützen
0 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1
3. hohe Stützfunktion
0 0 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1
4. keine negativen Auswirkungen auf den Körner
0 0 0 1 1 1 1 1 1 1 1 1
5. kleine Stufen <10 cm
0 0 0 0 1 1 0 1 1 1 1 1
6. geringes Gewicht 0 0 0 0 0 1 1 1 1 1 1 0
7. ansprechendes Design (Form und Funktion)
0 0 0 0 0 1 1 1 0 1 1 0
8. Treppensteigen 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 1 0
9. geringer Trainingsaufwand
0 0 0 0 0 0 0 1 0 1 1 0
10. einfaches Anlegen möglich
0 0 0 0 0 1 1 1 1 1 1 0
11. geringer zeitlicher Wartungsaufwand
0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 1 0
12. Preis 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0
13. Sitzmöglichkeit 0 0 0 0 0 1 1 1 1 1 1 1
Summe Zeilen "1" 12 11 10 9 7 6 5 2 3 6 2 0 7
Summe Spalten "0" 12 11 10 9 7 4 4 2 3 5 2 0 7
Mittelwert Zeilen & Spalten
12 11 10 9 7 5 4,5 2 3 5,5 2 0 7
Korrektursummand 0 0 0 0 1 0 1.5 0 1 0 1 1 1
Bewertungsfaktor 12 11 10 9 8 5 6 2 4 5,5 3 1 8
Tabelle 5.4.: Gewichtung der Bewertungskriterien
Jörg Hahn & Jens Schlesener 64
__________________________________________________________________
5.6 Vergleichssystematik
Ideenfindung
Jede Lösung wird nun an Hand der Bewertungskriterien beurteilt (Tabelle 5.6). Dabei
erhält jede Lösung für jedes Kriterium eine Punktzahl, die sich danach richtet, inwieweit
die Lösung das jeweilige Kriterium erfüllt. Das heißt, man fragt z.B. „Besitzt die Lösung 1
eine hohe Stützfunktion?" Durch die vorhandene Instabilität und der daraus resultierenden
geringen Stützfunktion wird hier die Lösung 1 nur mit drei Punkten bewertet. Die Punkte
sind in drei Gruppen gestaffelt. Eins bis drei Punkte bedeutet schlecht, vier bis sechs
bedeutet mittel und sieben bis neun Punkten gut bzw. sehr gut. Sind alle Lösungen nach
den Kriterien bepunktet, multipliziert man die vergebenen Punkte mit dem jeweiligen
Bewertungsfaktor des Kriteriums. Addiert man nun die so errechneten Zahlen, erhält man
die endgültige Punktzahl der Lösung. Und wie das meistens so ist, gewinnt die Lösung mit
der höchsten Punktzahl. Aus der Bewertung geht die Lösung 4 als die beste hervor, da sie
in einem hohen Maße die Grundforderungen an die Orthese gut bzw. sehr gut erfüllt.
Bwertungsnoten
Noten 1-3 4-6 7-9
Bedeutung schlecht mittel sehr gut
Tabelle 5.5: Maßstab für die Vergleichssystematik
Jörg Hahn & Jens Schlesener 65
Ideenfindung
Lösu
ng 1
: G
estä
nge-
H
ebel
arm
kom
bina
tion
mit
Hyd
raul
ikan
trieb
Lösu
ng 2
: A
nato
misc
he
CFK
-Sch
iene
n m
it el
ektro
- m
otor
ische
n A
ntrie
ben
auf d
en G
elen
kach
sen
Lösu
ng 3
: Se
ilzug
geste
uerte
O
rthes
e m
it el
ektro
mot
oris
chen
A
ntrie
ben
Lösu
ng 4
: Se
ilzug
geste
uerte
O
rthes
e m
it hy
drau
lisch
en
Ant
riebe
n
Bew
ertu
ngsf
akto
r
Bew
ertu
ng
Bew
ertu
ngs-
pr
oduk
t
Bew
ertu
ng
Bew
ertu
ngs-
pr
oduk
t
Bew
ertu
ng
Bew
ertu
ngs-
pr
oduk
t
Bew
ertu
ng
Bew
ertu
ngs-
pr
oduk
t
1. Einhaltung des Medizinprodukt- gesetzes
12 8 96 7 84 7 84 8 96
2. Gleichgewicht mit Stützen
11 5 55 6 66 7 77 8 88
3. hohe Stütz funktion
10 3 30 5 50 7 70 8 80
4. keine negativen Auswirkungen auf den Körper
9 4 36 4 36 6 54 6 54
5. kleine Stufen < 10 cm
8 6 48 6 48 6 48 8 64
6. geringes Gewicht 5 7 35 5 25 3 15 6 30
7. ansprechendes Design (Form und Funktion)
6 4 24 3 18 6 36 8 48
8. Treppensteigen 2 5 10 5 10 5 10 7 14
9. geringer Trainingsaufwand
4 5 20 4 16 6 24 7 28
10. einfaches Anlegen möglich
5,5 5 27.5 5 27.5 4 22 4 22
11. geringer zeitlicher Wartun gsaufwand
3 4 12 7 21 5 15 6 18
12. Preis 1 6 6 8 8 7 7 5 5
13. Sitzmöglichkeit 8 7 56 7 56 7 56 8 64
Summe 455,5 465,5 518 611
Tabelle 5.6: Vergleichssystematik
Jörg Hahn & Jens Schlesener 66
5.7 Auswertung der Vergleichssystematik
Ideenfindung
In den vorangegangenen Kapiteln wurde die Problematik bei der Konzeption der
Gehorthese und ein systematischer Weg, für diese Problematik Lösungen zu finden,
beschrieben. Als Ergebnis der Lösungsfindung hat sich die Lösung 4 (Seilzuggesteuerte
Orthese mit hydraulischen Antrieben) als deutlich beste Lösung herausgestellt. Die Lösung
4 kann die Bewertungskriterien mit der höchsten Priorität am besten erfüllen, was sich in
einer dementsprechend hohen Bewertung äußert.
Zur Konstruktion gibt es Bewertungskriterien, die unbedingt eingehalten werden müssen.
Sie haben die höchsten Bewertungsfaktoren in der Diskussion mit Betroffenen erhalten.
Diese Kriterien sind:
• Einhaltung des Medizinproduktgesetzes
• Gleichgewicht mit Stützen
• Hohe Stützfunktion
• Keine negativen Auswirkungen auf den Körper
• Kleine Stufen bis 10 cm überwinden
• Sitzmöglichkeit
Wird nur eins dieser Kriterien bei der Konstruktion nicht eingehalten, wird die Orthese
vom Markt nicht akzeptiert.
Nach diesen „Muß-Kriterien" folgen in der Bewertungsrangfolge die Kriterien, die den
Komfort und die Akzeptanz in der Öffentlichkeit der Orthese heben. Auch unter diesen
Kriterien entstand im Gespräch mit Betroffenen eine sinnvolle Abstufung der
Bewertungsfaktoren. Herauszustellen ist hierbei der Punkt: Ansprechendes Design (Form
und Funktion). Dieses Kriterium stellt den Übergang zu den „Muß-Kriterien" her. In
diesem Punkt ist auch die Anlehnung an die menschliche Anatomie enthalten, weil eine
Konstruktion ohne Berücksichtigung dieses Punktes nicht zum Ziel führen kann. Im
Kapitel „Stand der Lechnik" werden die zur Zeit erhältlichen reziproken Gehorthesen
vorgestellt. Bei allen diesen Orthesen ist das Kniegelenk beim Gehen verriegelt, dies führt
Jörg Hahn & Jens Schlesener 67
zu einem sehr unnatürlichen Gangbild. Hier wurde die Anatomie des Kniegelenkes
übergangen, um Stabilitätsprobleme zu lösen. Dies ist mit ein Grund dafür, warum diese
Orthesen von Querschnittgelähmten kaum akzeptiert werden. Alle die hier vorgestellten
Lösungen sind Neukonstruktionen und somit nicht vergleichbar mit den momentan auf
dem Markt erhältlichen Orthesen. Was alle Lösungen hauptsächlich von den bereits
existierenden Orthesen unterscheidet, ist der mechanische Antrieb. Als Antrieb werden
zwei Konzepte verwendet, die grundsätzlich bei jeder der hier vorgestellten Lösungen
denkbar wären. Dies sind hydraulische Linearmotoren oder Elektromotoren mit Getrieben.
Betrachtet man die Lösungen 2, 1, 3 in dieser Reihenfolge, wird ersichtlich, daß zusätzlich
versucht wird, sich schrittweise von dem Schema der absoluten Steifheit einer Orthese zu
entfernen. Vielmehr wird immer mehr die Stützfunktion des Skeletts in die Orthese mit
eingebunden. Somit besteht die Möglichkeit einer größeren Flexibilität im Gangbild und
einer äußeren Form, die der menschlichen Anatomie entspricht. Dies wird zu einer
größeren Akzeptanz bei den Querschnittgelähmten führen.
Ideenfmdung
In Tabelle 5.6 hat die Lösung 4: „Seilzuggesteuerte Orthese mit elektromotorischen
Antrieben" mit einem Summanden der Bewertungsprodukte von 611 die meisten Punkte in
der Vergleichssystematik bekommen. Die Lösung 3: „Seilzuggesteuerte Orthese mit
elektromotorischen Antrieben" hat mit 518 Punkten einen deutlich geringeren Summanden.
Dahinter liegen die Lösungen 2: „Anatomische CFK-Schienen mit elektromotorischen
Antrieben" und 1: „Gestänge Hebelarmkombination mit Hydraulikantrieb" mit 465,5 bzw.
455,5 Punkten.
Der große Abstand der Lösung 4 gegenüber den anderen entsteht hauptsächlich durch die
hohe Bewertung in den „Muß-Kriterien". Beispielhaft ist hier die hohe Stützfunktion, die
ausschließlich über Zugkräfte erreicht wird. So werden keine Gelenke, die durch kritische
Belastungen verschleißen können, verwendet. Des weiteren wird die Problematik eines
Verbiegens von Stützschienen gänzlich ausgeschaltet. Diese Problematik müßte bei der
Konstruktion der Lösungen 1 und 2 in besonderem Maße berücksichtigt werden. Durch die
Verwendung eines hydraulischen Antriebes im Zusammenspiel mit der hohen
Stützfunktion können sehr große Kräfte gezielt übertragen werden. Störende Nebeneffekte
durch Instabilität oder nicht genau reproduzierbare Krafteinleitungsrichtungen werden
Jörg Hahn & Jens Schlesener 68
durch dieses System weitestgehend ausgeschlossen. Im Gespräch mit Ärzten,
Orthopädietechnikern und Krankengymnasten der Orthopädischen Universitätsklinik in
Heidelberg wurde die Notwendigkeit einer absoluten Steifigkeit immer wieder betont.
Ferner können nur bei weitestgehendem Ausschluß von Instabilitäten die Kräfte mit
zugehörigen Geschwindigkeiten zu einem natürlichen Gangbild optimal aufeinander
abgestimmt werden. So sind kleine Stufen (< 10 cm) keine unüberwindbaren Hindernisse.
Darüber hinaus besteht sogar die Möglichkeit zum Treppensteigen. Auf die notwendigen
Längenänderungen und Winkeländerungen wird im folgenden Kapitel eingegangen.
Ideenfindung
In der intensiven Zusammenarbeit mit der krankengymnastischen Abteilung der
Rehabilitationsklinik Burg Landshut in Bernkastei (RPL) wurde immer wieder die hohe
Flexibilität in den Handhabungsmöglichkeiten der Lösung 4 gegenüber den Lösungen 1
und 2 gelobt. Hier ist eine Anpassung an die individuellen Bedürfnisse des einzelnen
Patienten unbedingt notwendig, um in der Rehabilitation Querschnittgelähmter
größtmögliche Erfolge erzielen zu können. Mit den Lösungskonzepten 1 und 2 ist es
schwieriger, die unterschiedlichen Gegebenheiten zum Beispiel bei inkompletten
Lähmungen zu berücksichtigen. Darüber hinaus ist es für den Betroffenen einfacher, das
Gleichgewicht mit Unterarmgehstützen zu halten, je mehr die Orthese dabei unterstützend
wirkt und nicht ein Gerät darstellt, dessen Bedienung mit viel Geschick verbunden ist und
erst lange Zeit erlernt werden muß. Aus diesen Gründen wird die Lösung 4 auch in den
Kriterien „Gleichgewicht mit Stützen" und „Geringer Trainigsaufwand" höher als die
anderen Lösungen bewertet.
Querschnittgelähmte waren von den geringen Baugrößen der hydraulischen
Lösungskonzepte begeistert. Hierbei ist das Erscheinungsbild mit der Orthese in der
Öffentlichkeit ausschlaggebend. Für Betroffene ist ein positives Auftreten gegenüber
Dritten wichtig, um nicht direkt durch ein ungewohntes Erscheinungsbild ausgegrenzt zu
werden. Zum einen ist dabei die Persönlichkeit des Betroffenen in besonderem Maße
gefragt aber natürlich auch das rein äußere Erscheinungsbild. Diese Anforderungen erfüllt
die Lösung 4 durch die ausgeprägte Anlehnung an die menschliche Anatomie. Es ergibt
sich ein Design das in Form und Funktion den anderen Lösungen überlegen ist. Ferner
werden durch den Nachbau der Physiologie des Menschen die negativen Auswirkungen auf
Jörg Hahn & Jens Schlesener 69
den Körper auf ein Minimum reduziert. Druck und Scheuerstellen werden weitestgehend
vermieden. Wie dies über die dargestellte großflächige Anbindung bei der Lösung 4
möglich ist, wird im folgenden Kapitel 6.3 genau beschrieben. Die positiven und negativen
Eigenschaften des Skeletts und speziell der Gelenke werden in dem Konzept verarbeitet.
Durch die Verwendung biegsamer Bowdenzüge und Hydraulikleitungen ist auch das
Hinsetzen mit der Orthese sehr einfach möglich im Vergleich zu einer aus Schienen
aufgebauten Orthese. Hieraus folgt die hohe Bewertung des Konzeptes 4 in den Punkten
„Ansprechendes Design (Form und Funktion)", „Keine negativen Auswirkungen auf den
Körper" und „Sitzmöglichkeit".
Ideenfindung
Die Orthesen der Lösungen 2 und 3 werden elektrisch angetrieben. Die Bereitstellung
elektrischer Energie ist immer mit hohem Gewicht verbunden. Darüber hinaus ist auch das
Leistungsgewicht bei der Umwandlung elektrischer in mechanische Energie sehr hoch. Für
die Weiterleitung der mechanischen Energie müssen Getriebe vorgesehen werden. Diese
Nachteile sind bei den hydraulisch angetriebenen Lösungen nicht vorhanden. Daher die
hohe Bewertung der Lösungen 1 und 4 im Bewertungskriterium „Geringes Gewicht"
Das Konzept 1 ist aber trotz der Verwendung eines hydraulischen Antriebes mit
mechanisch hoch beanspruchten Gelenken versehen. Diese Gelenke müssen regelmäßig
gewartet werden, um die Sicherheit der Orthese gewährleisten zu können. Wartungen an
einem rein hydraulischen System ohne Verwendung von weiteren Getrieben zur
Kraftübertragung wie bei Lösung 4 können in wesentlich größeren Zeitabständen
durchgeführt werden. Das Konzept der Lösung 2 besteht nur aus sehr wenigen
Komponenten, speziell wenn die großen flachen Motoren mit den Antriebsachsen direkt
auf den Gelenkachsen verwendet werden. Diese einfache Bauweise kommt voraussichtlich
mit dem geringsten Wartungsaufwand aus. Daher die Bewertung der Lösungen in Hinblick
auf die Wartung in der Reihenfolge 1-3-4-2.
Durch die Vergleichssystematik wird deutlich, daß eine hydraulisch angetriebene Orthese
die meisten Bewertungskriterien sehr gut erfüllen kann. Der Vergleich von Lösung 1 und
Lösung 4 zeigt aber auch, daß dies nicht zwingend der Fall ist. Lösung 1 erfüllt trotz der
Verwendung eines hydraulischen Antriebes viele Kriterien nur mittelmäßig. Zur guten
Jörg Hahn & Jens Schlesener 70
Lösung der Problematik sind die Eigenschaften der Hydraulik geschickt zu nutzen und
darüber hinaus müssen die übrigen Bewertungskriterien mit Lösungen erfüllt werden, die
sich durch ihre technische Einfachheit im Gebrauch der Orthese auszeichnen. So hat das
Konzept 1 die geringste Gesamtpunktzahl und das Konzept 4 die höchste Gesamtpunktzahl
am Ende der Bewertungssystematik erzielt.
Ideenfindung
Jörg Hahn & Jens Schlesener 71
___________________________________________________________
6. Detaillösungen
Detaillösungen
Dieses Kapitel soll als Schnittstelle für nachfolgende Arbeiten dienen. In ihm werden für
einige Details mögliche Lösungen genauer aufgezeigt und beschrieben. So wird z.B. ein als
Primärantrieb und zur Energieübertragung geeignetes Hydrauliksystem mit allen
Einzelkomponenten vorgestellt. Es folgt eine Konstruktion zur Aufnahme der
hydraulischen Linearmotoren und eine Beschreibung der Bandagen, aus denen die Orthese
aufgebaut ist.
6.1 Das Hydrauliksystem
Zur Verteilung und Wandlung der Energie an den vorgesehenen Elementen bietet sich ein
Hydrauliksystem in idealer Weise an. Das in der Orthese zu verwendende System fällt in
den Bereich der Mikrohydraulik, wodurch die hohen Systemanforderungen bestens erfüllt
werden. Die Systemanforderungen sind im folgenden dargestellt:
• Leiser Betrieb (< 55 dBA)
• Flexibilität in der Primärenergieversorgung
• Geringe Stromaufnahme bei Akkubetrieb (< 10 A, bei 24 V Gleichstromver-
sorgung)
• Sanfte Einleitung und sanftes Abbremsen von Bewegungen
• Exakte Positionierung durch hermetische Dichtheit des Hydrauliksystems, das
heißt keine interne oder externe Leckage
• Kleinste raumsparende Bauweise
• Übertragung von großen Kräften problemlos möglich
• Abruf programmierter Bewegungsabläufe möglich
• Hohe Betriebssicherheit durch vergleichsweise einfachen Aufbau
• Zur Synchronisation von mehreren Bewegungen zueinander bestens geeignet
• Kostenvorteile durch Baukastensystem
• Individuelle Anpassung an das Krankheitsbild des jeweiligen Patienten durch
das Baukastensystem einfach möglich
Jörg Hahn & Jens Schlesener 72
Detaillösungen
Bild 6.1: Prinzipschaltplan der Hydraulikeinheiten
Als Vorschlag eine Reversiersteuerung mit elektronisch geregelter Rampen- und
Geschwindigkeitssteuerung
In Bild 6.1 ist ein Prinzipschaltplan der Hydraulikeinheiten dargestellt. Um ein natürliches
Gangbild zu erreichen und dem Benutzer Bedienungskomfort zu bieten, wird die im Bild
vorgeschlagene einfache Reversiersteuerung gegen eine kompliziertere Regelung
ausgetauscht werden müssen. Die während der Arbeit entstandenen Ideen zur Steuerung
oder Regelung werden im Anhang aufgeführt, um für die Entwicklung der
Orthesensteuerung oder -regelung einen Ansatz zu bieten. Als Antriebseinheit ist im Bild
eine klassische Einheit aus Elektromotor und Pumpe dargestellt, die die Hydraulikmotoren
(1,2.. n) mit dem Druckmedium versorgen soll. Jedoch sollte die Energieversorgung aus
Gewichtsgründen nicht elektrisch, sondern durch Druckenergie aus einem Tank erfolgen.
Hierzu wird im Anhang ein speziell gewichtsoptimierter Drucktank vorgeschlagen.
Jörg Hahn & Jens Schlesener 73
Die Bewegungsart der Hydraulikkolben wird über Wegeventile und Verstellblenden
beeinflußt. Filtereinheiten und ein Überdruckventil sorgen für hohe Betriebssicherheit.
Detaillösungen
Mit dem Ventil „y„ wird die Bewegungsrichtung der Hydraulikkolben beeinflußt. Soll ein
Kolben seine Bewegungsrichtung ändern, während ein anderer seine Bewegungsrichtung
beibehält, muß ein getrennter Versorgungszweig parallel zum Ventil „y„ vorgesehen
werden. Der einfach wirkende Hydraulikzylinder 1 bietet sich zum Heben und Halten des
Beckens an (in Bild 5.4 als Beckenheber bezeichnet). Wird das Ventil „yl2„ geöffnet, wird
der Kolben 1 bewegt und das Becken kann über diese Bewegung angehoben werden. Die
entgegengesetzte Bewegung wird durch das Körpergewicht beim Abstützen mit der
Unterarmgehstütze ohne hydraulische Kraft ausgeführt. Hierzu wird Ventil „yl2„ wieder
verriegelt und Ventil „yl 1„ geöffnet.
Die Hydraulikmotoren 2 - n leiten die Bewegung der Beine ein. Hierzu bieten sich
zweifach wirkende Zylinder an, um die natürlichen Bewegungsabläufe zu imitieren. Beim
Beugen des Knies zum Beispiel sind nicht nur die Oberschenkelbeuger (Muskeln auf der
Ober schenkelrückseite) aktiv, sondern auch die Oberschenkel Strecker (Muskeln auf der
Oberschenkelvorderseite). Nur durch das Zusammenspiel der Muskelgruppen von Beugern
und Streckern kommt eine gut koordinierte Bewegung zustande. Wird das Ventil „y22„
geöffnet, fährt der Kolben 2 ein, und das entsprechende Gelenk kann gebeugt werden. Mit
der Blende erfolgt eine Geschwindigkeitsregulierung. Zum Strecken wird das Ventil „y22„
wieder geschlossen und das Ventil „y21„ geöffnet. Über die Blende ist der Kolben
hydraulisch eingespannt, so daß eine koordinierte Bewegung möglich ist. Inwiefern einfach
oder zweifach wirkende Zylinder für die einzelnen Bewegungen vorgesehen werden
müssen, hängt vom Krankheitsbild des Betroffenen ab. Zur Rehabilitation sollte niemals
eine noch erhaltene Körperfunktion durch die Hydraulik ersetzt werden, damit diese
Funktion durch Entlastung nicht geschwächt wird.
Jörg Hahn & Jens Schlesener 74
___________________________________________________________
Die Firma Knapp Micro Fluid® bietet Hydraulikkomponenten mit folgenden Eigenschaften
an:
Detaillösungen
Daraus ergeben sich rechnerisch folgende Grenzwerte:
• Berechnung der übertragbaren Kräfte:
Das heißt mit dem für die Orthese größten Hydraulikmotor der Firma Knapp Micro Fluid®
läßt sich eine Kraft von 25 kN aufbringen, was einer Gewichtskraft, die aus 2,5t Masse
resultiert, entspricht. Mit dem kleinsten sich anbietenden Zylinder der Firma Knapp Micro
Fluid® läßt sich eine maximale Kraft von
aufbringen. Bei Verwendung des im Anhang B beschriebenen Drucktankes zur Energie-
versorgung ergeben sich bei einem Betriebsdruck von 150 bar folgende maximale Kräfte:
• Berechnung der minimal und maximal erreichbaren Kolbengeschwindigkeiten:
Jörg Hahn & Jens Schlesener 75
Detaillösungen
6.1.1 Experimentelle Ermittlung der notwendigen Längenänderungen
Kniegelenk
Bandage mit Klettverschluß
Bandmaß mit Längenmarkierung für Kniegelenkbeugung von 90°
Längenmarkierung bei 45° Beuge- winkel
Ausgangsmarkierung bei gestreck- tem Bein Einheit zur Beugewinkelbegrenzung
Bild 6.2: Versuchsaufbau zur
Ermittlung der Längenänderungen am Knie bei
verschiedenen Beugewinkeln
Bild 6.2 zeigt den Versuchsaufbau für die Längenmessungen am Knie. Die hier verwendete
Orthese bietet sich in idealer Weise an, weil sie einstellbar nur bestimmte Beugewinkel
zuläßt. So konnten an der Orthese exakt 45° und 90° Beugewinkel eingestellt werden und
die dabei auftretenden Längenänderungen zwischen 0° und 45° bzw. 90° mit einem
Maßband abgegriffen werden. Die Längenänderungen wurden bei zwei Versuchspersonen
gemessen und anschließend gemittelt. Die Messung erfolgte bei verschiedenen
Bowdenzugführungen, wobei die maximalen Werte ausschlaggebend für die
Jörg Halm & Jens Schlesener 76
Dimensionierung der Hublängen der Hydraulikmotoren sind. Die Messungen der
Oberschenkelbeugung erfolgte über an Bandagen befestigten Bowdenzügen, die durch
provisorische Führungen den vorgesehenen Verläufen folgten. Ebenso wurde die
notwendige Bewegungsfreiheit des Beckens aufgenommen.
Detaillösungen
Die Firma Knapp Micro Fluid® bietet Kleinsthydraulikmotoren mit den in Tabelle 6.1
angegebenen Hüben an.
Längenäderung in mm bei
45° 90°
Unterschenkel Vorderseite 60 75
Rückseite 110 155
Oberschenkel Vorderseite 70 105
Rückseite 70 110
senkrechtem Anheben
Becken 60
Tabelle 6.1: Maximale Längenänderungen im Becken bzw. bei Beugewinkeln von 45° und
90° von Ober- und Unterschenkel
6.2 Aufnahme der Hydraulikzylinder
Die Aufnahme der Hydraulikzylinder ist in Bild 6.3 dargestellt. Sie besteht aus einer PP
oder PE Schale und einem Träger aus sehr dichtem Moosgummi oder Hartschaum. Der
Zylinder wird von oben in diese Schale bis zum Anschlag gesteckt und um 120° nach links
oder rechts, je nach Ausführung, verdreht, so daß die Hydraulikleitungen in der im Träger
dafür vorgesehenen Nut verlaufen. Anschließend wird die Aufnahme mit einem
Klettverschluß verschlossen, so daß ein nachträgliches Verdrehen des Zylinders verhindert
wird. Die Befestigung der Aufnahme an der Hüftbandage erfolgt mit dem an der Rückseite
des Trägers befindlichen Klettverschlusses (Haken). Diese Art der Befestigung ermöglicht
Jörg Hahn & Jens Schlesener 77
eine individuelle Plazierung und somit Anpassung des Antriebssystems an die jeweilige
Person.
Detaillösungen
Die gesamte Rückseite als Klettverschluß (Haken)
PP oder PE Schale, dient zur Aufnahme des Zylinders
Klettverschluß (Flausch), hier wird der Klettverschluß zum Verschließen der Aufnahme befestigt
Träger der Aufnahme aus sehr dichtem Moosgummi oder Hartschaum
Nut im Träger zur Aufnahme der Hydraulikleitungen
Anschlag für den Hydraulikzylinder
Schmale Reihe Haken zum Verschließen der Aufnahme
Bild 6.3: Aufnahme für einen Hydraulikzylinder
Die Aufnahme ist in zwei Ausführungen denkbar. Entweder verlaufen die
Hydraulikleitungen links oder rechts von der Schale. Dies ist nötig, um eine Befestigung
zweier Zylinder direkt nebeneinander zu ermöglichen.
6.3 Anbindung der Bowdenzüge
3Zur Übertragung der Kräfte bieten sich Bowdenzüge aus Stahl an. Die alternative
Verwendung von Bowdenzügen aus Kunststoffen wurde überprüft. Kunststoffzüge oder
auch Kunststoffseile mit Durchmessern bis 2 mm haben im Vergleich zu hochwertigen
nicht rostenden Stahlzügen bezüglich der Längendehnung und der Festigkeit wesentlich
Jörg Hahn & Jens Schlesener 78
schlechtere Kennwerte und Belastungsgrenzen. Bei den kraftübertragenden Teilen muß die
Längenausdehnung so gering wie möglich gehalten werden, denn sie spielt für die
Steifigkeit der Orthese eine entscheidende Rolle. Aus den nur sehr geringen Volumina, die
die Bowdenzüge einnehmen, ergeben sich durch die Verwendung von Kunststoffzügen nur
geringe Gewichtsvorteile, die die genannten Nachteile nicht aufwiegen. Bowdenzüge mit
den passenden Verbindungsnippeln stellt die Firma GEMO, D. G. Moritz GmbH & Co.
KG in Berlin her.
Detaillösungen
Bowdenzug: 0 2mm
Gewindestück: Zum Einschrauben in die Gewindebuchse
Gewindebuchse: Innengewinde als Verbindungsteil mit Gewindestück; drehbar gelagert zum Aufschrauben auf Gewindestück
Kugelaufnahme: Verbindet Auffächerung mit der Gewinde- buchse
Auffächerung: Breite Anbindung an den Klettverschluß zur Kraftverteilung, aus einzelnen Zügen oder Bandagengewebe
Klettverschluß: Überträgt die Kräfte der Hydraulikmotoren zur Bandage, ist Stufenlos variabel in der Positionierung, großflächig ausgelegt
Bild 6.4: Verbindung der Bowdenzüge mit den Bandagen über Kraftverteilung an die
variablen Klettverschlüsse
Jörg Hahn & Jens Schlesener 79
In Bild 6.4 ist die Verbindung der Bowdenzüge mit den Bandagen dargestellt. An die
Enden des Bowdenzuges ist jeweils ein Gewindestift aufgepreßt. Als Aufnahme für den
Gewindestift dient die Gewindebuchse. Sie ist drehbar an der Kugelaufnahme gelagert, so
daß sich der Gewindestift ohne Verdrehen des Bowdenzuges in die Gewindebuchse
einschrauben läßt. In die Kugelaufnahme ist das Ende der Auffächerung, die zur
Kraftverteilung dient, eingepreßt. Die Kraft aus den Hydraulikmotoren sollte möglichst
großflächig in die Bandage eingeleitet werden, um zum einen die Orthese vor punktuellen
Überbelastungen zu bewahren und zum anderen, um Scheuerstellen durch ein Verrutschen
der Bandagen an punktuellen Krafteinleitungspunkten zu verhindern. Die Auffächerung
kann aus mehreren Zügen oder auch aus dem Bandagenwerkstoff gefertigt werden. Der
Klettverschluß stellt die Verbindung zur Bandage her. Er wird mit der Auffächerung
vernäht. Zur Einleitung der Kräfte in die Bandagen bieten sich Klettverschlüsse an. Die
Klettverschlüsse haben die gleichen Eigenschaften wie die Bandagen, daß heißt sie sind in
horizontaler Richtung elastisch und in vertikaler Richtung steif. So wird das Prinzip der
absoluten Steifigkeit in der Längsachse aufrechterhalten. Ferner lassen sich die
Klettverschlüsse stufenlos an der Bandage positionieren, und es läßt sich eine optimale
Anpassung an die Individualitäten der Patienten erreichen. Auf die Grenzwerte der
übertragbaren Kräfte über die Klettverschlüsse wird im Punkt 6.5.1 „Individuelle
Bandagenanpassung durch Klettverschlüsse,, eingegangen.
Detaillösungen
6.3.1 Plazierungen der Anbindungen
Anbindungsbereich für vorderen außenliegenden Zylinder
Anbindungsbereich für hinteren außenliegenden Zylinder
Schrittrichtung
Anbindungsbereich für vorderen innenliegenden Zylinder
Anbindungsbereich für hinteren innenliegenden Zylinder
Bild 6.5: Draufsicht aufrechten Oberschenkel
Jörg Hahn & Jens Schlesener 80
Beim Ermitteln der nötigen Hubwege der Hydraulikmotoren wurden auch für die
Krafteinleitung günstige Plazierungen der Anbindungen gefunden. Dargestellt sind diese
Bereiche in Bild 6.5. Die optimalen Anbindungsbereiche können jedoch erst bei Versuchen
an einem Modell lokalisiert werden. Generell kann man aber davon ausgehen, daß sich
diese kreuzweise Anordnung auch auf die Unterschenkel übertragen läßt.
Detail lösungen
6.4 Führung der Bowdenzüge
Zum Erhalt der Hubwege und zur optimalen Übertragung der Zugkräfte der
Hydraulikzylinder müssen die Seilzüge unbedingt geführt werden. Dies kann durch auf die
Bandagen aufgenähte oder mit Klettverschlüssen befestigte TextilSchlaufen realisiert
werden. Beim Anlegen der Orthese werden die Züge einfach durch diese Schlaufen
gefädelt und am jeweiligen Kolben befestigt. Die Befestigung der Züge erfolgt wie bei der
Anbindung an die Bandagen durch einen Schraubverschluß.
6.5 Bandagen
Wie schon in Kapitel 5 erwähnt, müssen die Bandagen eine Reihe von Eigenschaften
erfüllen. So sollte das Material hautfreundlich und atmungsaktiv sein, um einen hohen
Tragekomfort zu gewährleisten. Weiterhin müssen die Bandagen entsprechend großflächig
gestaltet werden, um die Lastverteilung auf die Weichzonen zu realisieren, was zur
Vermeidung von Druckstellen besonders wichtig ist. Ferner müssen sie anisotrope
Eigenschaften vorweisen, um in horizontaler Richtung die zwecks Anformung notwendige
Elastizität und in vertikaler Richtung die notwendige Steifigkeit zu ermöglichen. Dies läßt
sich durch die Webart der Bandage realisieren. Natürlich müssen die zum Verschließen der
Bandagen verwendeten Klettverschlüsse, die auf die Bandagen genäht werden, die gleichen
Eigenschaften besitzen.
6.5.1 Individuelle Bandagenanpassung durch Klettverschlüsse
Jörg Hahn & Jens Schlesener 81
Zum bequemen Anlegen der Orthese im Sitzen oder Liegen müssen die einzelnen
Bandagen mit einem Verschluß versehen werden. Der Verschluß hat auch gleichzeitig die
Aufgabe, die
Detaillösungen
Bandagen paßgenau zu positionieren und bei Belastung an ihren Positionen zu halten.
Dafür sind Klettverschlüsse als Schnellbefestiger bestens geeignet. In Bild 6.6 ist eine
einfache Ausführung eines Schnellverschlusses als Muster der Firma G. Binder GmbH &
Co. in Holzgerlingen dargestellt. Ein Klettverschluß besteht immer aus einer weichen
Seite, dem „Flausch,,, der aus vielen kleinen Gewebeschlingen aufgebaut ist und dem
„Haft,,, der als Gegenstück zum Flausch aus vielen kleinen Haken besteht, die sich in die
Schlingen des Flausches beim Zusammenpressen einhaken.
Haft
Flausch
Bild 6.6: Klettschnellverschluß 20 mm breit in geschlossenem Zustand
Die Schnellverschlüsse sind an der einen Seite mit einer Öse versehen, und an der anderen
Seite ist an den Flausch als Abschluß ein Stück vom Haft angeschweißt. Mit dem Flausch
und der angeschweißten Hakenseite nach Außen gewendet, wird der Haft durch die Öse
gezogen und auf den Flausch gepreßt. Dieser Verschluß ist in der Länge stufenlos variabel
und kann individuell fest angezogen werden. Wird eine Bandage mit mehreren parallel
angeordneten Verschlüssen versehen, wird sogar eine Veränderung des Umfangs des
Beines oder der Hüfte innerhalb der Breite einer Bandage berücksichtigt. Diese
Beschaffenheit wirkt sich sehr günstig aus, wenn es darum geht, das Verrutschen der
Bandagen zu verhindern. Das Gewebe der Verschlüsse hat dieselben elastischen
Jörg Hahn & Jens Schlesener 82
Eigenschaften wie die Bandagen. Es ist in horizontaler Richtung elastisch und in vertikaler
Richtung steif. Die Verschlüsse sind in verschiedenen - bei den technischen Daten
aufgeführten - Breiten erhältlich.
Technische Daten (nach G. Binder GmbH & Co. KG):
Detaillösungen
Werkstoff: Polyamid
Breiten: 10, 16, 20, 25, 30, 38, 50, 100, 210 mm
Gewicht in g/m:
Breite in mm 10 16 20 25 30 38 50 100
Haft 2,9 4,9 6,5 7,9 9,8 12,4 16,6 33,3
Flausch 3,0 4,9 6,5 7,9 9,5 13,0 17,0 36,3
Verschluß-
festigkeiten:
Schälfestigkeit: Scherfestigkeit:
nach lx Durchschnitt 2,3 N/cm Bandbreite 10 N/cm2
Öffnen Mindestwerte 1,3 N/cm Bandbreite 6 N/cm2
nach 10000 x Durchschnitt 0,65 N/cm Bandbreite 3 N/cm2
Öffnen Mindestwerte 0,65 N/cm Bandbreite 3 N/cm2
Aus der Tabelle über die Verschlußfestigkeiten geht hervor, daß diese nach 10000
Schließungen und Öffnungen mindestens noch 50 % der Mindest-Anfangs-
Verschlußfestigkeiten betragen sollen. Über Rundungen nimmt die Scherfestigkeit um das
2-3 fache zu. Dieser Effekt müßte, zusammen mit einer großflächigen Auslegung, für die
Anbindung der Bowdenzüge genutzt werden.
Jörg Hahn & Jens Schlesener 83
Jörg Hahn & Jens Schlesener 84
Detaillösungen
__________
7. Ausblick
Ausblick
Hier endet unsere Arbeit, aber wir hoffen, daß unsere Diplomarbeit als Grundstein weiterer
Arbeiten dient. Denn jetzt gilt es, dieses Projekt auch zu verwirklichen, und dazu wären
noch Diplomarbeiten mit folgenden Themen möglich.
• Ausarbeitung des Antriebes und der Primärenergieversorgung
• Der Bau und Test eines Teilmodells
• Programmierung der Antriebssteuerung
• Der Bau und Test des Prototypen
Es ist sinnvoll, die drei ersten Arbeiten parallel laufen zu lassen. Denn so ist die
notwendige Abstimmung untereinander am besten gewährleistet. Die zur Programmierung
der Steuerung benötigte Ganganalyse kann im Ganglabor der Orthopädischen
Universitätsklinik in Heidelberg erstellt werden. Hierbei und bei den Tests des Modells
und des späteren Prototypen hat der dortige Oberarzt der Abteilung Orthopädie II, Dr.
Bremer, der auch uns viel geholfen hat, seine volle Unterstützung zugesichert. Insgesamt
haben alle Beteiligten wie Betroffene, Krankengymnasten, Orthopädietechniker, Ärzte und
Firmen ihre weitere Hilfe zugesagt. Eine Auflistung aller Beteiligten und die Möglichkeit
sie zu kontaktieren befindet sich im Anhang. Wir wünschen den Diplomanden, die diese
Arbeit weiter verfolgen, viel Spaß und Erfolg.
Wir hoffen, durch unsere Diplomarbeit bei manchen Studenten das Interesse an der
Medizintechnik mit ihrem enormen Handlungsbedarf geweckt zu haben. Denn wir sind der
Ansicht, daß gerade die Medizintechnik von den Maschinenbauern als Betätigungsfeld
noch stark unterschätzt wird, obwohl das Angebot auf diesem Gebiet sehr breit gefächert
ist.
Und noch eine Meldung aus der Forschung. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schrieb
am 07.08.1996 unter der Überschrift „Querschnittslähmung operativ zu beheben?,,
folgendes:
Jörg Hahn & Jens Schlesener 85
„Bei Ratten läßt sich durchtrenntes Rückenmark teilweise durch die Transplantation feiner
Nervenfasern wieder miteinander verknüpfen. Allerdings seien die Ergebnisse dieser
Experimente, wie die Wissenschaftler des Karolinzka-Instituts in Stockholm in der
Zeitschrift Science (Bd.273, S.510) berichten, noch recht dürftig. Die Tiere, denen durch
einen chirurgischen Eingriff zunächst ein fünf Millimeter langes Stück aus dem
Rückenmark entfernt wurde, konnten sich nach der Operation nur mühsam auf den Beinen
halten und diese nicht koordiniert bewegen. Für die Transplantationen wurden 18 zwischen
den Rippen verlaufenden Nervenfasern verwendet. Sie dienten gewissermaßen als
Leitschiene für die Regeneration der Fasern des Rückenmarks. Zur Befestigung der
Rückennerven diente ein biologischer Kleber, der Fibrin und andere Eiweißstoffe
beinhaltet. Außerdem wurde ihm eine Substanz - ein saurer Fibroblasten-Wachstumsfaktor
- beigemischt, die normalerweise im Rückenmark vorkommt. Sie soll auch das Wachstum
des Rückenmarks fördern. Ein weiterer Kunstgriff lag darin, daß die Enden der auf- und
absteigenden Stränge jeweils von der das Nervenwachstum unterdrückenden grauen
Materie in die regenerationsfreudigere Materie implantiert wurden. Sechs Monate nach
dem Eingriff war der Prozeß der Erneuerung beendet. Weitere Verbesserungen ließen sich
nicht mehr beobachten. Diese Experimente berechtigen nach der Ansicht einer ganzen
Reihe von Forschern zu der Annahme, daß eine Regeneration des Rückenmarks und eine
damit verbundene Behandlung von Querschnittslähmungen möglich sein wird.,,
Ausblick
Jörg Hahn & Jens Schlesener 86
Anhang A: Primärenergieversorgung über einen Druckspeicher
Anhang
Die Firma „Bolenz und Schäfer" in Biedenkopf stellt einen Drucktank her, der sich in
idealer Weise für die Primärenergieversorgung der Gehorthese anbietet. Der Drucktank ist
ursprünglich für den Einsatz im Motorsport zur aktiven Fahrwerksabstimmung in
Kurvenfahrten konstruiert. Für diese Zwecke mußte der Tank extrem klein und leicht sein
und dazu große Energiemengen speichern können.
Aufgebaut ist der Drucktank als Kolbenspeicher. Er kann zusätzlich zu seinem
Flüssiggasspeicher noch mit Speicherpatronen, wie in Bild AI dargestellt, versehen
werden. Durch die gewichtsoptimierte Dimensionierung und die Fertigung aus Titan wiegt
der Tank je nach Baugröße nur zwischen ein und zwei Kilogramm.
Drucktank ohne Drucktank mit Speicherpatrone Speicherpatrone
Bild AI: Symboldarstellung des Druckspeichers zur Primärenergieversorgung
Nach Herstellerangaben ist mit diesem Tank eine Energieversorgung über minimal 30
Minuten mit konstant einem kW Leistung möglich. Über die austauschbaren Patronen läßt
sich die zur Verfügung stehende Energiemenge beliebig variieren. Eine
Energierückgewinnung ist mit diesem Energiespeicher leicht zu realisieren.
Die Firma „Bolenz und Schäfer" hat uns umfangreiches Informationsmaterial mit
Jörg Hahn & Jens Schlesener 86
________________________________________________________________
Zeichnungen, Berechnungsabläufen, Abnahmevorschriften und Hinweisen zum Betrieb
und zur Wartung überlassen, welches wir gerne an die Diplomanden mit dem
Diplomarbeitsthema „Energieversorgung der Gehortese für Querschnittgelähmte"
weitergeben.
Anhang
Anhang B: Vorschläge zur Gestaltung der Steuerung bzw. Regelung
Die Steuerung oder Regelung ist neben den mechanischen Komponenten der zweite
zentrale Teil der Orthese. Genauso wie bei der Mechanik hängt von der Güte der Regelung
die Funktionalität und damit letztendlich die Akzeptanz der Orthese von Betroffenen ab.
Hierzu sollten folgende Punkte beachtet werden:
• Sicherheitsbedürfnis: Die Orthese darf keine Bewegungen ausführen, die vom
Betroffenen nicht gewollt sind, damit die Orthese kein Instrument darstellt, in
dessen vollständige Abhängigkeit der Benutzer sich gibt. Hierzu muß der
Bewegungsablauf zu jedem Zeitpunkt einfach und gezielt beeinflußbar sein. Dies
könnte zum Beispiel über einen in den Griff einer oder beider
Unterarmgehstützen integrierten Joystick realisiert werden.
• Passivität: Ein Ergebnis der Gespräche mit Querschnittgelähmten ist, daß der
Betroffene aktiv an seiner Mobilität beteiligt sein will, vergleichbar mit der
Anstrengung beim Gehen eines nicht gelähmten Menschen oder der Armarbeit
beim Bewegen des Rollstuhles.
• Individualität: Die Regelung muß individuell an die noch vorhandenen
Körperfunktionen des Betroffenen anzupassen sein, damit diese Funktionen
durch Entlastung nicht geschwächt, sondern gestärkt werden können.
• Koordination: Mit der Orthese soll ein Gangbild erreicht werden, daß im
Idealfall dem natürlichen Gang entspricht. Dies ist wahrscheinlich die
schwierigste Aufgabe bei der Erarbeitung der Regelung. Ein gesunder Mensch
könnte den Bewegungsablauf einer SPS vorgeben, indem er mit der Orthese
Jörg Hahn & Jens Schlesener 87
geht. Die Orthese würde diesen Bewegungsablauf beim Gebrauch wiedergeben.
In Verbindung mit einer Fuzzy-Logic wäre eine individuelle Anpassung an den
Betroffenen möglich.
Anhang
Anhang C: Kontakte zu Betroffenen, Medizinern und
Krankengymnasten
Die Ergebnisse dieser Diplomarbeit wurden unter anderem in vielen Gesprächen mit
Betroffenen, Medizinern und Krankengymnasten gewonnen. Die in dieser Form an der
Diplomarbeit Beteiligten, die auch weiterhin für nachfolgende Arbeiten ihre Unterstützung
zugesagt haben, sind im folgenden aufgeführt:
• Firma MRD Patent GmbH & Co. KG,
54292 Trier,
Tel.: 0651 /141646
Themenstellung und Finanzierung
• Frank Schäfer,
54492 Zeltingen-Rachtig,
Tel.: 06532/4819 oder 1355
Paraplegiker
• Claudia Kübert und Gerd Kluth, Tel.: 06531 / 924-000 oder Durchwahl -784,
54470 Bernkastel-Kues,
Krankengymnastin bzw. Leiter der Krankengymnastik in der Reha Gesellschaft für
Rehabilitation mbH
• Dr. Bremer,
69033 Heidelberg
Tel.: 06221/95-5
Oberarzt in der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg
Jörg Hahn & Jens Schlesener 88
Anhang D: Firmen, zu denen im Verlauf der Arbeit hilfreiche Kontakte
geknüpft wurden
Anhang
Die folgenden Firmen haben für diese Arbeit umfangreiches Informationsmaterial über
Gehorthesen und deren Zubehör bzw. Literatur zur Verfügung gestellt:
• Verlag Orthopädie - Technik, Bundesinnungsverband für das Orthopädiemechaniker-
und Bandagistenhandwerk,
Postfach 100651, 44006 Dortmund, Tel.: 0231 / 5570500,
Ansprechpartnerin: Frau Sosna,
Herausgeber der Zeitschrift „Orthopädie - Technik"
• Pro Walk GmbH,
Schlesierstr. 5, 63329 Egelsbach, Tel.: 06103 / 21086,
Ansprechpartner: Herr Preisler,
Hersteller der Orthese „Parawalker", zu deren Gebrauch es ein Video gibt
• Otto Bock Orthopädische Industrie,
Postfach 1260, 37105 Duderstadt, Tel.: 05527 / 848-0.
Ansprechpartnerin: Frau Leineweber,
Hersteller von speziellen Schienenelementen, zu deren Herstellung es ein Video gibt.
Anhang E: Firmen, deren Produkte in der Diplomarbeit vorgeschlagen
werden
• Knapp Micro Fluid® GmbH & Co. KG,
Borsigstr. 11, 93092 Barbing - Regensburg, Tel.: 09401 / 785-0,
Hersteller von Kleinsthydraulik
• Bolenz & Schäfer,
Jörg Hahn & Jens Schlesener 89
Postfach 1261, 35202 Biedenkopf, Tel.: 06461 / 933-0.
Anhang
Ansprechpartner: Herr Fuchs,
Hersteller des Drucktanks zur vorgeschlagenen Primärenergieversorgung
• GEMO D. G. Moritz GmbH & Co. KG,
Postfach 650529, 13305 Berlin, Tel.: 030 / 490040,
Hersteller von Bowdenzügen und deren Verbindungselementen
• Gottlieb Binder GmbH & Co, Textil- und Kunststofftechnik,
Bahnhofstr. 19, 71088 Holzgerlingen, Tel.: 07031 / 6830
Hersteller von Klettverschlüssen
• 3M - Medica,
Postfach 1462, 46322 Borken (Westfalen), Tel.: 02861 / 803-0,
Hersteller von Kunststoffschienen zur individuellen Anpassung an Patienten
• ORMED GmbH, Medizintechnik
Merzhauser Str. 112, 79100 Freiburg, Tel.: 0761 / 4584-02,
Hersteller von Orthesenunterziehstrümpfen
Anhang F: Quellenverzeichnis
[ 1 ] Volkmar Paeslack und Gerd Tschochner
Behandlung und Rehabilitation Querschnittgelähmter
Schriftenreihe des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit Band 78
Verlag W. Kohlhammer Stuttgartt Berlin Köln Mainz (1980)
ISBN 3-17-005674-3
[2] R. Pütz und R. Pabst
Jörg Hahn & Jens Schlesener 90
_________________________________________________________________
Atlas der Anatomie; CD-Rom Sobotta
20. Auflage 1997
Urban & Schwarzenberg
ISBN 3-541-00245-x
Anhang
[3] Internetlexikon
http://www.sign-lang.uni Hamburg.de/Projekte/Plex/Plex/lemmata/
R-Lemma/Rueckenm.htm
[4] Klaus Kunze
Lehrbuch der Neurologie
Georg Thieme Verlag Stuttgart New York (1992)
ISBN 3-13-761301-9
[5] Dietrich Hohmann und Ralf Uhlig
Orthopädische Technik
8. Auflage 1990
Ferdinant Enke Verlag Stuttgart
ISBN 3-432-82508-0
[6] Paeslack und Schlüter
Physiotherapie in der Rehabilitation Querschnittgelähmter
Band 9: Rehabilitation und Prävention
Springer Verlag Berlin Heidelberg New York (1980)
[7] Barbara Reye
Neuroprothesen: Nerven aus Draht
Therapiewoche 36, 1995
G. Braun Fachverlage Karlsruhe
[8] Titus Arnu und Niko Schmidt - Burgk
Jörg Hahn & Jens Schlesener 91
Hoffnung für Querschnittgelähmte: Mit Hilfe eines Computers lernen sie wieder
Anhang
gehen
Süddeutsche Zeitung Magazin 27.10.1995
[9] R. Douglas, C. Fillauer und P.F. Larson
Dürr. Fillauer Medical Inc. Manual (1983)
[10] Dr. med. Georg Neff
technische Anleitung, reziproke Gehorthese
Übersetzung von dem „Reziproke Gehorthese Basiskabelsystem" aus dem
Englischen
Basko Healthcare
[11] T. Giglio
Titan in der Orthesentechnik
praxis ergotherapie, Jg. 9(1), Februar 1996
[ 12] Günther Cerbe und Hans-Joachim Hoffmann
Einführung in die Thermodynamik
10. Auflage 1994
Carl Hanser Verlag München Wien
ISBN 3-446-17767-1
[13] Wilhelm Matek
Rolloff/ Matek Maschinenelemente: Normung Berechnung Gestaltung
12. Auflage 1992
Verlag Friedrich Vieweg & Sohn
ISBN -3-528-64028-6
[14] Michael Jäger und Carl Joachim Wirth
Jörg Hahn & Jens Schlesener 92
Praxis in der Orthopädie
Anhang
Georg Thieme Verlag Stuttgart New York 1992
ISBN 3-13-669702-2
[15] Katalog der Firma R&G GmbH Faserverbundwerkstoffe in 71107 Waidenbuch
Flüssigkunststoffe
3. Auflage 1992
[16] D.R. Askeland
Materialwissenschaften
Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg Berlin Oxford 1996
ISBN 3-86025-357-3
[17] G. Heckel und Ch. Roth
METCORE - Alternative zur Gießharzteclinik in der Orthopädietechnik
Ortopädie - Technik 1/96
[18] Hans-Jürgen Bargel und Günter Schulze
Werkstoffkunde
5. Auflage 1988
VDI Verlag
ISBN 3-18-400823-1
Anhang G: Bearbeiter
Diese Diplomarbeit haben
Jörg Hahn
Am Mariahof 79 in 54296 Trier, Tel.: 0651 / 31147 und
Jens Schlesener
Jörg Hahn & Jens Schlesener
Sachsenstraße 25 in 54295 Trier, Tel.: 0651 / 76047
Anhang
ausgearbeitet. Für Fragen, die zu Beginn weiterführender Diplomarbeiten evtl. auftreten,
stehen wir als Ansprechpartner gerne zur Verfügung. Alle Unterlagen, die sich aus den
Recherchen angesammelt haben liegen unter den oben angegebenen Adressen bereit. Gerne
bieten wir uns als Vermittler an, um während dieser Diplomarbeit geknüpfte Kontakte zu
Medizinern, Krankengymnasten und Firmen weiterzuvermitteln.
Jörg Hahn & Jens Schlesener 94
Die Bewegungsart der Hydraulikkolben wird über Wegeventile und Verstellblenden
beeinflußt. Filtereinheiten und ein Überdruckventil sorgen für hohe Betriebssicherheit.
Detaillösungen
Mit dem Ventil „y„ wird die Bewegungsrichtung der Hydraulikkolben beeinflußt. Soll ein
Kolben seine Bewegungsrichtung ändern, während ein anderer seine Bewegungsrichtung
beibehält, muß ein getrennter Versorgungszweig parallel zum Ventil „y„ vorgesehen
werden. Der einfach wirkende Hydraulikzylinder 1 bietet sich zum Heben und Halten des
Beckens an (in Bild 5.4 als Beckenheber bezeichnet). Wird das Ventil „yl2„ geöffnet, wird
der Kolben 1 bewegt und das Becken kann über diese Bewegung angehoben werden. Die
entgegengesetzte Bewegung wird durch das Körpergewicht beim Abstützen mit der
Unterarmgehstütze ohne hydraulische Kraft ausgeführt. Hierzu wird Ventil „yl2„ wieder
verriegelt und Ventil „yl 1„ geöffnet.
Die Hydraulikmotoren 2 - n leiten die Bewegung der Beine ein. Hierzu bieten sich
zweifach wirkende Zylinder an, um die natürlichen Bewegungsabläufe zu imitieren. Beim
Beugen des Knies zum Beispiel sind nicht nur die Oberschenkelbeuger (Muskeln auf der
Oberschenkelrückseite) aktiv, sondern auch die Oberschenkelstrecker (Muskeln auf der
Oberschenkel Vorderseite). Nur durch das Zusammenspiel der Muskelgruppen von Beugern
und Streckern kommt eine gut koordinierte Bewegung zustande. Wird das Ventil „y22„
geöffnet, fährt der Kolben 2 ein, und das entsprechende Gelenk kann gebeugt werden. Mit
der Blende erfolgt eine Geschwindigkeitsregulierung. Zum Strecken wird das Ventil „y22„
wieder geschlossen und das Ventil „y21„ geöffnet. Über die Blende ist der Kolben
hydraulisch eingespannt, so daß eine koordinierte Bewegung möglich ist. Inwiefern einfach
oder zweifach wirkende Zylinder für die einzelnen Bewegungen vorgesehen werden
müssen, hängt vom Krankheitsbild des Betroffenen ab. Zur Rehabilitation sollte niemals
eine noch erhaltene Körperfunktion durch die Hydraulik ersetzt werden, damit diese
Funktion durch Entlastung nicht geschwächt wird.
Jörg Hahn & Jens Schlesener 74
Die Firma Knapp Micro Fluid® bietet Hydraulikkomponenten mit folgenden Eigenschaften
an:
Detaillösungen
• Hydraulikmotoren mit Kolben-!
• Hydraulikschläuche mit einer Betriebssicherheit bis 200bar und 6mm Außen-0
Daraus ergeben sich rechnerisch folgende Grenzwerte:
• Berechnung der übertragbaren Kräfte:
Das heißt mit dem für die Orthese größten Hydraulikmotor der Firma Knapp Micro Fluid®
läßt sich eine Kraft von 25 kN aufbringen, was einer Gewichtskraft, die aus 2,5t Masse
resultiert, entspricht. Mit dem kleinsten sich anbietenden Zylinder der Firma Knapp Micro
Fluid® läßt sich eine maximale Kraft von
aufbringen. Bei Verwendung des im Anhang B beschriebenen Drucktankes zur Energie-
versorgung ergeben sich bei einem Betriebsdruck von 150 bar folgende maximale Kräfte:
Berechnung der minimal und maximal erreichbaren Kolbengeschwindigkeiten:
Jörg Hahn & Jens Schlesener 75
• Hydraulikventile, regelbar in einem Bereich von
6. Detaillösungen
Detaillösungen
Dieses Kapitel soll als Schnittstelle für nachfolgende Arbeiten dienen. In ihm werden für
einige Details mögliche Lösungen genauer aufgezeigt und beschrieben. So wird z.B. ein als
Primärantrieb und zur Energieübertragung geeignetes Hydrauliksystem mit allen
Einzelkomponenten vorgestellt. Es folgt eine Konstruktion zur Aufnahme der
hydraulischen Linearmotoren und eine Beschreibung der Bandagen, aus denen die Orthese
aufgebaut ist.
6.1 Das Hydrauliksystem
Zur Verteilung und Wandlung der Energie an den vorgesehenen Elementen bietet sich ein
Hydrauliksystem in idealer Weise an. Das in der Orthese zu verwendende System fällt in
den Bereich der Mikrohydraulik, wodurch die hohen Systemanforderungen bestens erfüllt
werden. Die Systemanforderungen sind im folgenden dargestellt:
• Leiser Betrieb (< 55 dBA)
• Flexibilität in der Primärenergieversorgung
• Geringe Stromaufnahme bei Akkubetrieb (< 10 A, bei 24 V Gleichstromver-
sorgung)
• Sanfte Einleitung und sanftes Abbremsen von Bewegungen
• Exakte Positionierung durch hermetische Dichtheit des Hydrauliksystems, das
heißt keine interne oder externe Leckage
• Kleinste raumsparende Bauweise
• Übertragung von großen Kräften problemlos möglich
• Abruf programmierter Bewegungsabläufe möglich
• Hohe Betriebssicherheit durch vergleichsweise einfachen Aufbau
• Zur Synchronisation von mehreren Bewegungen zueinander bestens geeignet
• Kostenvorteile durch Baukastensystem
• Individuelle Anpassung an das Krankheitsbild des jeweiligen Patienten durch
das Baukastensystem einfach möglich
Jörg Hahn & Jens Schlesener 72
Detaillösungen
Bild 6.1: Prinzipschaltplan der Hydraulikeinheiten
Als Vorschlag eine Reversiersteuerung mit elektronisch geregelter Rampen- und
Geschwindigkeitssteuerung
In Bild 6.1 ist ein Prinzipschaltplan der Hydraulikeinheiten dargestellt. Um ein natürliches
Gangbild zu erreichen und dem Benutzer Bedienungskomfort zu bieten, wird die im Bild
vorgeschlagene einfache Reversiersteuerung gegen eine kompliziertere Regelung
ausgetauscht werden müssen. Die während der Arbeit entstandenen Ideen zur Steuerung
oder Regelung werden im Anhang aufgeführt, um für die Entwicklung der
Orthesensteuerung oder -regelung einen Ansatz zu bieten. Als Antriebseinheit ist im Bild
eine klassische Einheit aus Elektromotor und Pumpe dargestellt, die die Hydraulikmotoren
(1,2.. n) mit dem Druckmedium versorgen soll. Jedoch sollte die Energieversorgung aus
Gewichtsgründen nicht elektrisch, sondern durch Druckenergie aus einem Tank erfolgen.
Hierzu wird im Anhang ein speziell gewichtsoptimierter Drucktank vorgeschlagen.
Jörg Hahn & Jens Schlesener 73
____________________________________________________________
Die Bewegungsart der Hydraulikkolben wird über Wegeventile und Verstellblenden
beeinflußt. Filtereinheiten und ein Überdruckventil sorgen für hohe Betriebssicherheit.
Detaillösungen
Mit dem Ventil „y„ wird die Bewegungsrichtung der Hydraulikkolben beeinflußt. Soll ein
Kolben seine Bewegungsrichtung ändern, während ein anderer seine Bewegungsrichtung
beibehält, muß ein getrennter Versorgungszweig parallel zum Ventil „y„ vorgesehen
werden. Der einfach wirkende Hydraulikzylinder 1 bietet sich zum Heben und Halten des
Beckens an (in Bild 5.4 als Beckenheber bezeichnet). Wird das Ventil „yl2„ geöffnet, wird
der Kolben 1 bewegt und das Becken kann über diese Bewegung angehoben werden. Die
entgegengesetzte Bewegung wird durch das Körpergewicht beim Abstützen mit der
Unterarmgehstütze ohne hydraulische Kraft ausgeführt. Hierzu wird Ventil „yl2„ wieder
verriegelt und Ventil „yl 1„ geöffnet.
Die Hydraulikmotoren 2 - n leiten die Bewegung der Beine ein. Hierzu bieten sich
zweifach wirkende Zylinder an, um die natürlichen Bewegungsabläufe zu imitieren. Beim
Beugen des Knies zum Beispiel sind nicht nur die Oberschenkelbeuger (Muskeln auf der
Oberschenkelrückseite) aktiv, sondern auch die Oberschenkel Strecker (Muskeln auf der
Oberschenkel Vorderseite). Nur durch das Zusammenspiel der Muskelgruppen von Beugern
und Streckern kommt eine gut koordinierte Bewegung zustande. Wird das Ventil „y22„
geöffnet, fährt der Kolben 2 ein, und das entsprechende Gelenk kann gebeugt werden. Mit
der Blende erfolgt eine Geschwindigkeitsregulierung. Zum Strecken wird das Ventil „y22„
wieder geschlossen und das Ventil „y21„ geöffnet. Über die Blende ist der Kolben
hydraulisch eingespannt, so daß eine koordinierte Bewegung möglich ist. Inwiefern einfach
oder zweifach wirkende Zylinder für die einzelnen Bewegungen vorgesehen werden
müssen, hängt vom Krankheitsbild des Betroffenen ab. Zur Rehabilitation sollte niemals
eine noch erhaltene Körperfunktion durch die Hydraulik ersetzt werden, damit diese
Funktion durch Entlastung nicht geschwächt wird.
Jörg Hahn & Jens Schlesener 74
Die Firma Knapp Micro Fluid® bietet Hydraulikkomponenten mit folgenden Eigenschaften
an:
Detaillösungen
• Hydraulikschläuche mit einer Betriebssicherheit bis 200bar und 6mm Außen-0
Daraus ergeben sich rechnerisch folgende Grenzwerte:
• Berechnung der übertragbaren Kräfte:
Das heißt mit dem für die Orthese größten Hydraulikmotor der Firma Knapp Micro Fluid®
läßt sich eine Kraft von 25 kN aufbringen, was einer Gewichtskraft, die aus 2,5t Masse
resultiert, entspricht. Mit dem kleinsten sich anbietenden Zylinder der Firma Knapp Micro
Fluid® läßt sich eine maximale Kraft von
aufbringen. Bei Verwendung des im Anhang B beschriebenen Drucktankes zur Energie-
versorgung ergeben sich bei einem Betriebsdruck von 150 bar folgende maximale Kräfte:
• Berechnung der minimal und maximal erreichbaren Kolbengeschwindigkeiten:
Jörg Hahn & Jens Schlesener 75
Detaillösungen
6.1.1 Experimentelle Ermittlung der notwendigen Längenänderungen
Kniegelenk
Bandage mit Klettverschluß
Bandmaß mit Längenmarkierung für Kniegelenkbeugung von 90°
Längenmarkierung bei 45° Beuge- winkel
Ausgangsmarkierung bei gestreck- tem Bein Einheit zur Beugewinkelbegrenzung
Bild 6.2: Versuchsaufbau zur
Ermittlung der Längenänderungen am Knie bei
verschiedenen Beugewinkeln
Bild 6.2 zeigt den Versuchsaufbau für die Längenmessungen am Knie. Die hier verwendete
Orthese bietet sich in idealer Weise an, weil sie einstellbar nur bestimmte Beugewinkel
zuläßt. So konnten an der Orthese exakt 45° und 90° Beugewinkel eingestellt werden und
die dabei auftretenden Längenänderungen zwischen 0° und 45° bzw. 90° mit einem
Maßband abgegriffen werden. Die Längenänderungen wurden bei zwei Versuchspersonen
gemessen und anschließend gemittelt. Die Messung erfolgte bei verschiedenen
Bowdenzugführungen, wobei die maximalen Werte ausschlaggebend für die
Jörg Hahn & Jens Schlesener 76
Dimensionierung der Hublängen der Hydraulikmotoren sind. Die Messungen der
Oberschenkelbeugung erfolgte über an Bandagen befestigten Bowdenzügen, die durch
provisorische Führungen den vorgesehenen Verläufen folgten. Ebenso wurde die
notwendige Bewegungsfreiheit des Beckens aufgenommen.
Detaillösungen
Die Firma Knapp Micro Fluid® bietet Kleinsthydraulikmotoren mit den in Tabelle 6.1
angegebenen Hüben an.
Längenäderung in mm bei
45° 90°
Unterschenkel Vorderseite 60 75
Rückseite 110 155
Oberschenkel Vorderseite 70 105
Rückseite 70 110
senkrechtem Anheben
Becken 60
Tabelle 6.1: Maximale Längenänderungen im Becken bzw. bei Beugewinkeln von 45° und
90° von Ober- und Unterschenkel
6.2 Aufnahme der Hydraulikzylinder
Die Aufnahme der Hydraulikzylinder ist in Bild 6.3 dargestellt. Sie besteht aus einer PP
oder PE Schale und einem Träger aus sehr dichtem Moosgummi oder Hartschaum. Der
Zylinder wird von oben in diese Schale bis zum Anschlag gesteckt und um 120° nach links
oder rechts, je nach Ausführung, verdreht, so daß die Hydraulikleitungen in der im Träger
dafür vorgesehenen Nut verlaufen. Anschließend wird die Aufnahme mit einem
Klettverschluß verschlossen, so daß ein nachträgliches Verdrehen des Zylinders verhindert
wird. Die Befestigung der Aufnahme an der Hüftbandage erfolgt mit dem an der Rückseite
des Trägers befindlichen Klettverschlusses (Haken). Diese Art der Befestigung ermöglicht
Jörg Hahn & Jens Schlesener 77
eine individuelle Plazierung und somit Anpassung des Antriebssystems an die jeweilige
Person.
Detaillösungen
Die gesamte Rückseite als Klettverschluß (Haken)
PP oder PE Schale, dient zur Aufnahme des Zylinders
Klettverschluß (Flausch), hier wird der Klettverschluß zum Verschließen der Aufnahme befestigt
Träger der Aufnahme aus sehr dichtem Moosgummi oder Hartschaum
Nut im Träger zur Aufnahme der Hydraulikleitungen
Anschlag für den Hydraulikzylinder
Schmale Reihe Haken zum Verschließen der Aufnahme
Bild 6.3: Aufnahme für einen Hydraulikzylinder
Die Aufnahme ist in zwei Ausführungen denkbar. Entweder verlaufen die
Hydraulikleitungen links oder rechts von der Schale. Dies ist nötig, um eine Befestigung
zweier Zylinder direkt nebeneinander zu ermöglichen.
6.3 Anbindung der Bowdenzüge
3 Zur Übertragung der Kräfte bieten sich Bowdenzüge aus Stahl an. Die alternative
Verwendung von Bowdenzügen aus Kunststoffen wurde überprüft. Kunststoffzüge oder
auch Kunststoffseile mit Durchmessern bis 2 mm haben im Vergleich zu hochwertigen
nicht rostenden Stahlzügen bezüglich der Längendehnung und der Festigkeit wesentlich
Jörg Hahn & Jens Schlesener 78
schlechtere Kennwerte und Belastungsgrenzen. Bei den kraftübertragenden Teilen muß die
Längenausdehnung so gering wie möglich gehalten werden, denn sie spielt für die
Steifigkeit der Orthese eine entscheidende Rolle. Aus den nur sehr geringen Volumina, die
die Bowdenzüge einnehmen, ergeben sich durch die Verwendung von Kunststoffzügen nur
geringe Gewichtsvorteile, die die genannten Nachteile nicht aufwiegen. Bowdenzüge mit
den passenden Verbindungsnippeln stellt die Firma GEMO, D. G. Moritz GmbH & Co.
KG in Berlin her.
Detaillösungen
Bowdenzug: 0 2mm
Gewindestück: Zum Einschrauben in die Gewindebuchse
Gewindebuchse: Innengewinde als Verbindungsteil mit Gewindestück; drehbar gelagert zum Aufschrauben auf Gewindestück
Kugelaufnahme: Verbindet Auffächerung mit der Gewinde- buchse
Auffächerung: Breite Anbindung an den Klettverschluß zur Kraftverteilung, aus einzelnen Zügen oder Bandagengewebe
Klettverschluß: Überträgt die Kräfte der Hydraulikmotoren zur Bandage, ist Stufenlos variabel in der Positionierung, großflächig ausgelegt
Bild 6.4: Verbindung der Bowdenzüge mit den Bandagen über Kraftverteilung an die
variablen Klettverschlüsse
Jörg Hahn & Jens Schlesener 79
In Bild 6.4 ist die Verbindung der Bowdenzüge mit den Bandagen dargestellt. An die
Enden des Bowdenzuges ist jeweils ein Gewindestift aufgepreßt. Als Aufnahme für den
Gewindestift dient die Gewindebuchse. Sie ist drehbar an der Kugelaufnahme gelagert, so
daß sich der Gewindestift ohne Verdrehen des Bowdenzuges in die Gewindebuchse
einschrauben läßt. In die Kugelaufnahme ist das Ende der Auffächerung, die zur
Kraftverteilung dient, eingepreßt. Die Kraft aus den Hydraulikmotoren sollte möglichst
großflächig in die Bandage eingeleitet werden, um zum einen die Orthese vor punktuellen
Überbelastungen zu bewahren und zum anderen, um Scheuerstellen durch ein Verrutschen
der Bandagen an punktuellen Krafteinleitungspunkten zu verhindern. Die Auffächerung
kann aus mehreren Zügen oder auch aus dem Bandagenwerkstoff gefertigt werden. Der
Klettverschluß stellt die Verbindung zur Bandage her. Er wird mit der Auffächerung
vernäht. Zur Einleitung der Kräfte in die Bandagen bieten sich Klettverschlüsse an. Die
Klettverschlüsse haben die gleichen Eigenschaften wie die Bandagen, daß heißt sie sind in
horizontaler Richtung elastisch und in vertikaler Richtung steif. So wird das Prinzip der
absoluten Steifigkeit in der Längsachse aufrechterhalten. Ferner lassen sich die
Klettverschlüsse stufenlos an der Bandage positionieren, und es läßt sich eine optimale
Anpassung an die Individualitäten der Patienten erreichen. Auf die Grenzwerte der
übertragbaren Kräfte über die Klettverschlüsse wird im Punkt 6.5.1 „Individuelle
Bandagenanpassung durch Klettverschlüsse,, eingegangen.
Detaillösungen
6.3.1 Plazierungen der Anbindungen
Anbindungsbereich für vorderen außenliegenden Zylinder
Anbindungsbereich für hinteren außenliegenden Zylinder
Schrittrichtung
Anbindungsbereich für vorderen innenliegenden Zylinder
Anbindungsbereich für hinteren innenliegenden Zylinder
Bild 6.5: Draufsicht aufrechten Oberschenkel
Jörg Hahn & Jens Schlesener 80
Beim Ermitteln der nötigen Hubwege der Hydraulikmotoren wurden auch für die
Krafteinleitung günstige Plazierungen der Anbindungen gefunden. Dargestellt sind diese
Bereiche in Bild 6.5. Die optimalen Anbindungsbereiche können jedoch erst bei Versuchen
an einem Modell lokalisiert werden. Generell kann man aber davon ausgehen, daß sich
diese kreuzweise Anordnung auch auf die Unterschenkel übertragen läßt.
Detaillösungen
6.4 Führung der Bowdenzüge
Zum Erhalt der Hubwege und zur optimalen Übertragung der Zugkräfte der
Hydraulikzylinder müssen die Seilzüge unbedingt geführt werden. Dies kann durch auf die
Bandagen aufgenähte oder mit Klettverschlüssen befestigte Textilschlaufen realisiert
werden. Beim Anlegen der Orthese werden die Züge einfach durch diese Schlaufen
gefädelt und am jeweiligen Kolben befestigt. Die Befestigung der Züge erfolgt wie bei der
Anbindung an die Bandagen durch einen Schraubverschluß.
6.5 Bandagen
Wie schon in Kapitel 5 erwähnt, müssen die Bandagen eine Reihe von Eigenschaften
erfüllen. So sollte das Material hautfreundlich und atmungsaktiv sein, um einen hohen
Tragekomfort zu gewährleisten. Weiterhin müssen die Bandagen entsprechend großflächig
gestaltet werden, um die Lastverteilung auf die Weichzonen zu realisieren, was zur
Vermeidung von Druckstellen besonders wichtig ist. Ferner müssen sie anisotrope
Eigenschaften vorweisen, um in horizontaler Richtung die zwecks Anformung notwendige
Elastizität und in vertikaler Richtung die notwendige Steifigkeit zu ermöglichen. Dies läßt
sich durch die Webart der Bandage realisieren. Natürlich müssen die zum Verschließen der
Bandagen verwendeten Klettverschlüsse, die auf die Bandagen genäht werden, die gleichen
Eigenschaften besitzen.
6.5.1 Individuelle Bandagenanpassung durch Klettverschlüsse
Jörg Hahn & Jens Schlesener 81
Zum bequemen Anlegen der Orthese im Sitzen oder Liegen müssen die einzelnen
Bandagen mit einem Verschluß versehen werden. Der Verschluß hat auch gleichzeitig die
Aufgabe, die
Detaillösungen
Bandagen paßgenau zu positionieren und bei Belastung an ihren Positionen zu halten.
Dafür sind Klettverschlüsse als Schnellbefestiger bestens geeignet. In Bild 6.6 ist eine
einfache Ausführung eines Schnellverschlusses als Muster der Firma G. Binder GmbH &
Co. in Holzgerlingen dargestellt. Ein Klettverschluß besteht immer aus einer weichen
Seite, dem „Flausch,,, der aus vielen kleinen Gewebeschlingen aufgebaut ist und dem
„Haft,,, der als Gegenstück zum Flausch aus vielen kleinen Haken besteht, die sich in die
Schlingen des Flausches beim Zusammenpressen einhaken.
Halt
Flausch
Bild 6.6: Klettschnellverschluß 20 mm breit in geschlossenem Zustand
Die Schnellverschlüsse sind an der einen Seite mit einer Öse versehen, und an der anderen
Seite ist an den Flausch als Abschluß ein Stück vom Haft angeschweißt. Mit dem Flausch
und der angeschweißten Hakenseite nach Außen gewendet, wird der Haft durch die Öse
gezogen und auf den Flausch gepreßt. Dieser Verschluß ist in der Länge stufenlos variabel
und kann individuell fest angezogen werden. Wird eine Bandage mit mehreren parallel
angeordneten Verschlüssen versehen, wird sogar eine Veränderung des Umfangs des
Beines oder der Hüfte innerhalb der Breite einer Bandage berücksichtigt. Diese
Beschaffenheit wirkt sich sehr günstig aus, wenn es darum geht, das Verrutschen der
Bandagen zu verhindern. Das Gewebe der Verschlüsse hat dieselben elastischen
Jörg Hahn & Jens Schlesener 82
Eigenschaften wie die Bandagen. Es ist in horizontaler Richtung elastisch und in vertikaler
Richtung steif. Die Verschlüsse sind in verschiedenen - bei den technischen Daten
aufgeführten - Breiten erhältlich.
Technische Daten (nach G. Binder GmbH & Co. KG):
Detaillösungen
Werkstoff: Polyamid
Breiten: 10, 16, 20, 25, 30, 38, 50, 100, 210 mm
Gewicht in g/m:
Breite in mm 10 16 20 25 30 38 50 100
Haft 2,9 4,9 6,5 7,9 9,8 12,4 16,6 33,3
Flausch 3,0 4,9 6,5 7,9 9,5 13,0 17,0 36,3
Verschluß-
festigkeiten:
Schälfestigkeit: Scherfestigkeit:
nach lx Durchschnitt 2,3 N/cm Bandbreite 10 N/cm2
Öffnen Mindestwerte 1,3 N/cm Bandbreite 6 N/cm2
nach lOOOOx Durchschnitt 0,65 N/cm Bandbreite 3 N/cm2
Öffnen Mindestwerte 0,65 N/cm Bandbreite 3 N/cm2
Aus der Tabelle über die Verschlußfestigkeiten geht hervor, daß diese nach 10000
Schließungen und Öffnungen mindestens noch 50 % der Mindest-Anfangs-
Verschlußfestigkeiten betragen sollen. Über Rundungen nimmt die Scherfestigkeit um das
2-3 fache zu. Dieser Effekt müßte, zusammen mit einer großflächigen Auslegung, für die
Anbindung der Bowdenzüge genutzt werden.
Jörg Hahn & Jens Schlesener 83
____________________________________________________________
Jörg Hahn & Jens Schlesener 84
Detaillösungen
____ ___________
7. Ausblick
Ausblick
Hier endet unsere Arbeit, aber wir hoffen, daß unsere Diplomarbeit als Grundstein weiterer
Arbeiten dient. Denn jetzt gilt es, dieses Projekt auch zu verwirklichen, und dazu wären
noch Diplomarbeiten mit folgenden Themen möglich.
• Ausarbeitung des Antriebes und der Primärenergieversorgung
• Der Bau und Test eines Teilmodells
• Programmierung der Antriebssteuerung
• Der Bau und Test des Prototypen
Es ist sinnvoll, die drei ersten Arbeiten parallel laufen zu lassen. Denn so ist die
notwendige Abstimmung untereinander am besten gewährleistet. Die zur Programmierung
der Steuerung benötigte Ganganalyse kann im Ganglabor der Orthopädischen
Universitätsklinik in Heidelberg erstellt werden. Hierbei und bei den Tests des Modells
und des späteren Prototypen hat der dortige Oberarzt der Abteilung Orthopädie II, Dr.
Bremer, der auch uns viel geholfen hat, seine volle Unterstützung zugesichert. Insgesamt
haben alle Beteiligten wie Betroffene, Krankengymnasten, Orthopädietechniker, Ärzte und
Firmen ihre weitere Hilfe zugesagt. Eine Auflistung aller Beteiligten und die Möglichkeit
sie zu kontaktieren befindet sich im Anhang. Wir wünschen den Diplomanden, die diese
Arbeit weiter verfolgen, viel Spaß und Erfolg.
Wir hoffen, durch unsere Diplomarbeit bei manchen Studenten das Interesse an der
Medizintechnik mit ihrem enormen Handlungsbedarf geweckt zu haben. Denn wir sind der
Ansicht, daß gerade die Medizintechnik von den Maschinenbauern als Betätigungsfeld
noch stark unterschätzt wird, obwohl das Angebot auf diesem Gebiet sehr breit gefächert
ist.
Und noch eine Meldung aus der Forschung. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schrieb
am 07.08.1996 unter der Überschrift „Querschnittslähmung operativ zu beheben?,,
folgendes:
Jörg Hahn & Jens Schlesener 85
„Bei Ratten läßt sich durchtrenntes Rückenmark teilweise durch die Transplantation feiner
Nervenfasern wieder miteinander verknüpfen. Allerdings seien die Ergebnisse dieser
Experimente, wie die Wissenschaftler des Karolinzka-Instituts in Stockholm in der
Zeitschrift Science (Bd.273, S.510) berichten, noch recht dürftig. Die Tiere, denen durch
einen chirurgischen Eingriff zunächst ein fünf Millimeter langes Stück aus dem
Rückenmark entfernt wurde, konnten sich nach der Operation nur mühsam auf den Beinen
halten und diese nicht koordiniert bewegen. Für die Transplantationen wurden 18 zwischen
den Rippen verlaufenden Nervenfasern verwendet. Sie dienten gewissermaßen als
Leitschiene für die Regeneration der Fasern des Rückenmarks. Zur Befestigung der
Rückennerven diente ein biologischer Kleber, der Fibrin und andere Eiweißstoffe
beinhaltet. Außerdem wurde ihm eine Substanz - ein saurer Fibroblasten-Wachstumsfaktor
- beigemischt, die normalerweise im Rückenmark vorkommt. Sie soll auch das Wachstum
des Rückenmarks fördern. Ein weiterer Kunstgriff lag darin, daß die Enden der auf- und
absteigenden Stränge jeweils von der das Nervenwachstum unterdrückenden grauen
Materie in die regenerationsfreudigere Materie implantiert wurden. Sechs Monate nach
dem Eingriff war der Prozeß der Erneuerung beendet. Weitere Verbesserungen ließen sich
nicht mehr beobachten. Diese Experimente berechtigen nach der Ansicht einer ganzen
Reihe von Forschern zu der Annahme, daß eine Regeneration des Rückenmarks und eine
damit verbundene Behandlung von Querschnittslähmungen möglich sein wird.,,
Ausblick
Jörg Hahn & Jens Schlesener 86
Detaillösungen
6.1.1 Experimentelle Ermittlung der notwendigen Längenänderungen
Kniegelenk
Bandage mit Klettverschluß
Bandmaß mit Längenmarkierung für Kniegelenkbeugung von 90°
Längenmarkierung bei 45° Beuge- winkel
Ausgangsmarkierung bei gestreck- tem Bein Einheit zur Beugewinkelbegrenzung
Bild 6.2: Versuchsaufbau zur
Ermittlung der Längenänderungen am Knie bei
verschiedenen Beugewinkeln
Bild 6.2 zeigt den Versuchsaufbau für die Längenmessungen am Knie. Die hier verwendete
Orthese bietet sich in idealer Weise an, weil sie einstellbar nur bestimmte Beugewinkel
zuläßt. So konnten an der Orthese exakt 45° und 90° Beugewinkel eingestellt werden und
die dabei auftretenden Längenänderungen zwischen 0° und 45° bzw. 90° mit einem
Maßband abgegriffen werden. Die Längenänderungen wurden bei zwei Versuchspersonen
gemessen und anschließend gemittelt. Die Messung erfolgte bei verschiedenen
Bowdenzugführungen, wobei die maximalen Werte ausschlaggebend für die
Jörg Hahn & Jens Schlesener 76
Dimensionierung der Hublängen der Hydraulikmotoren sind. Die Messungen der
Oberschenkelbeugung erfolgte über an Bandagen befestigten Bowdenzügen, die durch
provisorische Führungen den vorgesehenen Verläufen folgten. Ebenso wurde die
notwendige Bewegungsfreiheit des Beckens aufgenommen.
Detaillösungen
Die Firma Knapp Micro Fluid® bietet Kleinsthydraulikmotoren mit den in Tabelle 6.1
angegebenen Hüben an.
Längenäderung in mm bei
45° 90°
Unterschenkel Vorderseite 60 75
Rückseite 110 155
Oberschenkel Vorderseite 70 105
Rückseite 70 110
senkrechtem Anheben
Becken 60
Tabelle 6.1: Maximale Tängenänderungen im Becken bzw. bei Beugewinkeln von 45° und
90° von Ober- und Unterschenkel
6.2 Aufnahme der Hydraulikzylinder
Die Aufnahme der Hydraulikzylinder ist in Bild 6.3 dargestellt. Sie besteht aus einer PP
oder PE Schale und einem Träger aus sehr dichtem Moosgummi oder Hartschaum. Der
Zylinder wird von oben in diese Schale bis zum Anschlag gesteckt und um 120° nach links
oder rechts, je nach Ausführung, verdreht, so daß die Hydraulikleitungen in der im Träger
dafür vorgesehenen Nut verlaufen. Anschließend wird die Aufnahme mit einem
Klettverschluß verschlossen, so daß ein nachträgliches Verdrehen des Zylinders verhindert
wird. Die Befestigung der Aufnahme an der Hüftbandage erfolgt mit dem an der Rückseite
des Trägers befindlichen Klettverschlusses (Haken). Diese Art der Befestigung ermöglicht
Jörg Hahn & Jens Schlesener 77
eine individuelle Plazierung und somit Anpassung des Antriebssystems an die jeweilige
Person.
Detaillösungen
Die gesamte Rückseite als Klettverschluß (Haken)
PP oder PE Schale, dient zur Aufnahme des Zylinders
Klettverschluß (Flausch), hier wird der Klettverschluß zum Verschließen der Aufnahme befestigt
Träger der Aufnahme aus sehr dichtem Moosgummi oder Hartschaum
Nut im Träger zur Aufnahme der Hydraulikleitungen
Anschlag für den Hydraulikzylinder
Schmale Reihe Haken zum Verschließen der Aufnahme
Bild 6.3: Aufnahme für einen Hydraulikzylinder
Die Aufnahme ist in zwei Ausführungen denkbar.
Entweder verlaufen die
Hydraulikleitungen links oder rechts von der Schale. Dies ist nötig, um eine Befestigung
zweier Zylinder direkt nebeneinander zu ermöglichen.
6.3 Anbindung der Bowdenzüge
3Zur Übertragung der Kräfte bieten sich Bowdenzüge aus Stahl an. Die alternative
Verwendung von Bowdenzügen aus Kunststoffen wurde überprüft. Kunststoffzüge oder
auch Kunststoffseile mit Durchmessern bis 2 mm haben im Vergleich zu hochwertigen
nicht rostenden Stahlzügen bezüglich der Längendehnung und der Festigkeit wesentlich
Jörg Hahn & Jens Schlesener 78
schlechtere Kennwerte und Belastungsgrenzen. Bei den kraftübertragenden Teilen muß die
Längenausdehnung so gering wie möglich gehalten werden, denn sie spielt für die
Steifigkeit der Orthese eine entscheidende Rolle. Aus den nur sehr geringen Volumina, die
die Bowdenzüge einnehmen, ergeben sich durch die Verwendung von Kunststoffzügen nur
geringe Gewichtsvorteile, die die genannten Nachteile nicht aufwiegen. Bowdenzüge mit
den passenden Verbindungsnippeln stellt die Firma GEMO, D. G. Moritz GmbH & Co.
KG in Berlin her.
Detaillösungen
Bowdenzug: 0 2mm
Gewindestück: Zum Einschrauben in die Gewindebuchse
Gewindebuchse: Innengewinde als Verbindungsteil mit Gewindestück; drehbar gelagert zum Aufschrauben auf Gewindestück
Kugelaufnahme: Verbindet Auffächerung mit der Gewinde- buchse
Auffächerung: Breite Anbindung an den Klettverschluß zur Kraftverteilung, aus einzelnen Zügen oder Bandagengewebe
Klettverschluß: Überträgt die Kräfte der Hydraulikmotoren zur Bandage, ist Stufenlos variabel in der Positionierung, großflächig ausgelegt
Bild 6.4: Verbindung der Bowdenzüge mit den Bandagen über Kraftverteilung an die
variablen Klettverschlüsse
Jörg Hahn & Jens Schlesener 79
In Bild 6.4 ist die Verbindung der Bowdenzüge mit den Bandagen dargestellt. An die
Enden des Bowdenzuges ist jeweils ein Gewindestift aufgepreßt. Als Aufnahme für den
Gewindestift dient die Gewindebuchse. Sie ist drehbar an der Kugelaufnahme gelagert, so
daß sich der Gewindestift ohne Verdrehen des Bowdenzuges in die Gewindebuchse
einschrauben läßt. In die Kugelaufnahme ist das Ende der Auffächerung, die zur
Kraftverteilung dient, eingepreßt. Die Kraft aus den Hydraulikmotoren sollte möglichst
großflächig in die Bandage eingeleitet werden, um zum einen die Orthese vor punktuellen
Überbelastungen zu bewahren und zum anderen, um Scheuerstellen durch ein Verrutschen
der Bandagen an punktuellen Krafteinleitungspunkten zu verhindern. Die Auffächerung
kann aus mehreren Zügen oder auch aus dem Bandagenwerkstoff gefertigt werden. Der
Klettverschluß stellt die Verbindung zur Bandage her. Er wird mit der Auffächerung
vernäht. Zur Einleitung der Kräfte in die Bandagen bieten sich Klettverschlüsse an. Die
Klettverschlüsse haben die gleichen Eigenschaften wie die Bandagen, daß heißt sie sind in
horizontaler Richtung elastisch und in vertikaler Richtung steif. So wird das Prinzip der
absoluten Steifigkeit in der Längsachse aufrechterhalten. Ferner lassen sich die
Klettverschlüsse stufenlos an der Bandage positionieren, und es läßt sich eine optimale
Anpassung an die Individualitäten der Patienten erreichen. Auf die Grenzwerte der
übertragbaren Kräfte über die Klettverschlüsse wird im Punkt 6.5.1 „Individuelle
Bandagenanpassung durch Klettverschlüsse,, eingegangen.
Detaillösungen
6.3.1 Plazierungen der Anbindungen
Anbindungsbereich für vorderen außenliegenden Zylinder
Anbindungsbereich für hinteren außenliegenden Zylinder
Schrittrichtung
Anbindungsbereich für vorderen innenliegenden Zylinder
Anbindungsbereich für hinteren innenliegenden Zylinder
Bild 6.5: Draufsicht aufrechten Oberschenkel
Jörg Hahn & Jens Schlesener 80
____________________________________________________________
Beim Ermitteln der nötigen Hubwege der Hydraulikmotoren wurden auch für die
Krafteinleitung günstige Plazierungen der Anbindungen gefunden. Dargestellt sind diese
Bereiche in Bild 6.5. Die optimalen Anbindungsbereiche können jedoch erst bei Versuchen
an einem Modell lokalisiert werden. Generell kann man aber davon ausgehen, daß sich
diese kreuzweise Anordnung auch auf die Unterschenkel übertragen läßt.
Detaillösungen
6.4 Führung der Bowdenzüge
Zum Erhalt der Hubwege und zur optimalen Übertragung der Zugkräfte der
Hydraulikzylinder müssen die Seilzüge unbedingt geführt werden. Dies kann durch auf die
Bandagen aufgenähte oder mit Klettverschlüssen befestigte Textilschlaufen realisiert
werden. Beim Anlegen der Orthese werden die Züge einfach durch diese Schlaufen
gefädelt und am jeweiligen Kolben befestigt. Die Befestigung der Züge erfolgt wie bei der
Anbindung an die Bandagen durch einen Schraubverschluß.
6.5 Bandagen
Wie schon in Kapitel 5 erwähnt, müssen die Bandagen eine Reihe von Eigenschaften
erfüllen. So sollte das Material hautfreundlich und atmungsaktiv sein, um einen hohen
Tragekomfort zu gewährleisten. Weiterhin müssen die Bandagen entsprechend großflächig
gestaltet werden, um die Lastverteilung auf die Weichzonen zu realisieren, was zur
Vermeidung von Druckstellen besonders wichtig ist. Ferner müssen sie anisotrope
Eigenschaften vorweisen, um in horizontaler Richtung die zwecks Anformung notwendige
Elastizität und in vertikaler Richtung die notwendige Steifigkeit zu ermöglichen. Dies läßt
sich durch die Webart der Bandage realisieren. Natürlich müssen die zum Verschließen der
Bandagen verwendeten Klettverschlüsse, die auf die Bandagen genäht werden, die gleichen
Eigenschaften besitzen.
6.5.1 Individuelle Bandagenanpassung durch Klettverschlüsse
Jörg Hahn & Jens Schlesener 81
____________________________________________________________
Zum bequemen Anlegen der Orthese im Sitzen oder Liegen müssen die einzelnen
Bandagen mit einem Verschluß versehen werden. Der Verschluß hat auch gleichzeitig die
Aufgabe, die
Detaillösungen
Bandagen paßgenau zu positionieren und bei Belastung an ihren Positionen zu halten.
Dafür sind Klettverschlüsse als Schnellbefestiger bestens geeignet. In Bild 6.6 ist eine
einfache Ausführung eines Schnellverschlusses als Muster der Firma G. Binder GmbH &
Co. in Holzgerlingen dargestellt. Ein Klettverschluß besteht immer aus einer weichen
Seite, dem „Flausch,,, der aus vielen kleinen Gewebeschlingen aufgebaut ist und dem
„Haft,,, der als Gegenstück zum Flausch aus vielen kleinen Haken besteht, die sich in die
Schlingen des Flausches beim Zusammenpressen einhaken.
Die Schnellverschlüsse
sind an der einen Seite
mit einer Öse
versehen, und an der
anderen
Seite ist an den
Flausch als Abschluß
ein Stück vom Haft angeschweißt. Mit dem Flausch
und der angeschweißten Hakenseite nach Außen gewendet, wird der Haft durch die Öse
gezogen und auf den Flausch gepreßt. Dieser Verschluß ist in der Länge stufenlos variabel
und kann individuell fest angezogen werden. Wird eine Bandage mit mehreren parallel
angeordneten Verschlüssen versehen, wird sogar eine Veränderung des Umfangs des
Beines oder der Hüfte innerhalb der Breite einer Bandage berücksichtigt. Diese
Beschaffenheit wirkt sich sehr günstig aus, wenn es darum geht, das Verrutschen der
Bandagen zu verhindern. Das Gewebe der Verschlüsse hat dieselben elastischen
Jörg Hahn & Jens Schlesener 82
Eigenschaften wie die Bandagen. Es ist in horizontaler Richtung elastisch und in vertikaler
Richtung steif. Die Verschlüsse sind in verschiedenen - bei den technischen Daten
aufgeführten - Breiten erhältlich.
Technische Daten (nach G. Binder GmbH & Co. KG):
Detaillösungen
Werkstoff: Polyamid
Breiten: 10, 16, 20, 25, 30, 38, 50, 100, 210 mm
Gewicht in g/m:
Breite in mm 10 16 20 25 30 38 50 100
Haft 2,9 4,9 6,5 7,9 9,8 12,4 16,6
Flausch 3,0 4,9 6,5 7,9 9,5 13,0 17,0 36,3
Verschluß-
festigkeiten:
Schälfestigkeit: Scherfestigkeit:
nach lx Durchschnitt 2,3 N/cm Bandbreite 10 N/cm2
Öffnen Mindestwerte 1,3 N/cm Bandbreite 6 N/cm2
nach 10000 x Durchschnitt 0,65 N/cm Bandbreite 3 N/cm2
Öffnen Mindestwerte 0,65 N/cm Bandbreite 3 N/cm2
Aus der Tabelle über die Verschlußfestigkeiten geht hervor, daß diese nach 10000
Schließungen und Öffnungen mindestens noch 50 % der Mindest-Anfangs-
Verschlußfestigkeiten betragen sollen. Über Rundungen nimmt die Scherfestigkeit um das
2-3 fache zu. Dieser Effekt müßte, zusammen mit einer großflächigen Auslegung, für die
Anbindung der Bowdenzüge genutzt werden.
Jörg Hahn & Jens Schlesener 83
Jörg Hahn & Jens Schlesener
Detaillösungen
84
7. Ausblick
Ausblick
Hier endet unsere Arbeit, aber wir hoffen, daß unsere Diplomarbeit als Grundstein weiterer
Arbeiten dient. Denn jetzt gilt es, dieses Projekt auch zu verwirklichen, und dazu wären
noch Diplomarbeiten mit folgenden Themen möglich.
• Ausarbeitung des Antriebes und der Primärenergieversorgung
• Der Bau und Test eines Teilmodells
• Programmierung der Antriebssteuerung
• Der Bau und Test des Prototypen
Es ist sinnvoll, die drei ersten Arbeiten parallel laufen zu lassen. Denn so ist die
notwendige Abstimmung untereinander am besten gewährleistet. Die zur Programmierung
der Steuerung benötigte Ganganalyse kann im Ganglabor der Orthopädischen
Universitätsklinik in Heidelberg erstellt werden. Hierbei und bei den Tests des Modells
und des späteren Prototypen hat der dortige Oberarzt der Abteilung Orthopädie II, Dr.
Bremer, der auch uns viel geholfen hat, seine volle Unterstützung zugesichert. Insgesamt
haben alle Beteiligten wie Betroffene, Krankengymnasten, Orthopädietechniker, Ärzte und
Firmen ihre weitere Hilfe zugesagt. Eine Auflistung aller Beteiligten und die Möglichkeit
sie zu kontaktieren befindet sich im Anhang. Wir wünschen den Diplomanden, die diese
Arbeit weiter verfolgen, viel Spaß und Erfolg.
Wir hoffen, durch unsere Diplomarbeit bei manchen Studenten das Interesse an der
Medizintechnik mit ihrem enormen Handlungsbedarf geweckt zu haben. Denn wir sind der
Ansicht, daß gerade die Medizintechnik von den Maschinenbauern als Betätigungsfeld
noch stark unterschätzt wird, obwohl das Angebot auf diesem Gebiet sehr breit gefächert
ist.
Und noch eine Meldung aus der Forschung. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schrieb
am 07.08.1996 unter der Überschrift „Querschnittslähmung operativ zu beheben?,,
folgendes:
Jörg Hahn & Jens Schlesener 85
„Bei Ratten läßt sich durchtrenntes Rückenmark teilweise durch die Transplantation feiner
Nervenfasern wieder miteinander verknüpfen. Allerdings seien die Ergebnisse dieser
Experimente, wie die Wissenschaftler des Karolinzka-Instituts in Stockholm in der
Zeitschrift Science (Bd.273, S.510) berichten, noch recht dürftig. Die Tiere, denen durch
einen chirurgischen Eingriff zunächst ein fünf Millimeter langes Stück aus dem
Rückenmark entfernt wurde, konnten sich nach der Operation nur mühsam auf den Beinen
halten und diese nicht koordiniert bewegen. Für die Transplantationen wurden 18 zwischen
den Rippen verlaufenden Nervenfasern verwendet. Sie dienten gewissermaßen als
Leitschiene für die Regeneration der Fasern des Rückenmarks. Zur Befestigung der
Rückennerven diente ein biologischer Kleber, der Fibrin und andere Eiweißstoffe
beinhaltet. Außerdem wurde ihm eine Substanz - ein saurer Fibroblasten-Wachstumsfaktor
- beigemischt, die normalerweise im Rückenmark vorkommt. Sie soll auch das Wachstum
des Rückenmarks fördern. Ein weiterer Kunstgriff lag darin, daß die Enden der auf- und
absteigenden Stränge jeweils von der das Nervenwachstum unterdrückenden grauen
Materie in die regenerationsfreudigere Materie implantiert wurden. Sechs Monate nach
dem Eingriff war der Prozeß der Erneuerung beendet. Weitere Verbesserungen ließen sich
nicht mehr beobachten. Diese Experimente berechtigen nach der Ansicht einer ganzen
Reihe von Forschern zu der Annahme, daß eine Regeneration des Rückenmarks und eine
damit verbundene Behandlung von Querschnittslähmungen möglich sein wird.,,
Ausblick
Jörg Hahn & Jens Schlesener 86
Wir begrüßen Sie zum ersten Kontakt mit der Diplomarbeit „Konzeption einer Gehorthese für Querschnittgelähmte.
Diese Datei enthält einige Hinweise zur Nutzung der CD-Rom. Die einzelnen Dateien sind nach den Kapiteln der Diplomarbeit unterteilt:
• kapO enthält die Einführung in die Diplomarbeit
• kap 12 enthält die Kapitel „1. Einleitung" und Kapitel „2. Medizinische Grundlagen",
• kap3 enthält das Kapitel „3. Stand der Technik von Hilfsmitteln für Querschnittgelähmte",
• kap4 enthält das Kapitel „4. Werkstoffe im Orthesenbau",
• kap5 enthält das Kapitel „5. Ideenfindung",
• kap67 enthält die Kapitel „6. Detaillösungen" und Kapitel „7. Ausblick",
• danach folgt der „Anhang" im Ordner anhang
Desweiteren sind auf dieser CD-Rom die während der Diplomarbeit erarbeiteten catia Model- Files der Detailkonstruktionen und der Lösungskonzepte gespeichert
Die einzelnen Kapitel lassen sich mit MS-Word 7.0 öffnen. Die catia Model-Files wurden mit der Version catia 4.1.7 erstellt.