“geistestaufe” und die lehre “vom reinen herzen”

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15.5.2010 …und die Lehre “vom reinen Herzen” | apologet ARTIKEL „Geistestaufe”

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Innerhalb des Christentums vertritt die Pfingstbewegung bis heute eine vom orthodoxen Verständnis abweichende Pneumatologie. Eine – von vielen – Fragen dabei wäre jene, ob ein entscheidender Unterschied zwischen der aktuellen und der klassischen Lehre bezüglich der Geistestaufe existiert? Bei der Beantwortung dieser Frage gilt zu klären, was unter der “klassischen Lehransicht” der Pfingstbewegung hinsichtlich der sogenannten “Geistestaufe” zu verstehen ist bzw. welchen Ursprung diese hat.

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Page 1: “Geistestaufe” und die Lehre “vom reinen Herzen”

15.5.2010

…und die Lehre “vom reinen Herzen” | apologet

ARTIKEL „Geistestaufe”

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„Geistestaufe”

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Innerhalb des Christentums vertritt die Pfingstbewegung eine bis heute vom orthodoxen Verständnis abweichende Pneumatologie. Eine – von vielen – Fragen dabei wäre jene, ob ein entscheidender Unterschied zwischen der aktuellen und der klassischen Lehre bezüglich der Geistestaufe existiert?

Bei der Beantwortung dieser Frage gilt zu klären, was unter der “klassischen Lehransicht” der Pfingstbewegung hinsichtlich der sogenannten “Geistestaufe” zu verstehen ist bzw. welchen Ursprung diese hat.

I. Aktuelles BFP-Lehrverständnis

“Azusa Street” (USA, 1906), das “Welch Revival” (Europa, 1904/05) bzw. die “Gnadauer Pfingstkonferenz” (Kassel, 1907) stehen für die klassische Pfingstbewegung. Die dort vertretenen Lehren sind das Fundament, die Basis des heute vertretenen Lehrverständnisses bezüglich der sogenannten “Geistestaufe”.

Es mag zwischenzeitlich durchaus Revidierungen, Änderungen bzw. Abschwächungen gegeben haben, aber es ist unmöglich das Fundament eines Hauses zu entfernen und zu meinen, das Dach bliebe davon unbeschadet. Zumeist sind es zudem vordergründige Umformulierungen.

Aber wir glauben nicht, dass der Christ durch die Geistestaufe eine höhere Stufe einnimmt und auf andere herabschauen kann. Er ist auf dem Weg der Gnade einen Schritt weitergegangen. Er hat eine neue wichtige Erfahrung gemacht, durch die ihm Christus größer und sein Christenleben vertieft und bevollmächtigt wird. Reinhold Ulonska über die Geistestaufe, (R.U. war über 25 Jahre Präses des Bundes Freikirchlicher Pfingstgemeinden (BFP))

Zwar distanziert man sich semantisch von einer Zwei- oder Dreistufen-Lehre, spricht dann jedoch von “Schritten”, “Vertiefung” und einer “Bevollmächtigung”. Nichts anderes meinten die Väter dieser Lehre.

II. Historische Fakten

Tatsache ist – und damit kommen wir zu dem nachweisbaren Ursprung – das eine “zwei Stufen Lehre”, eine notwendige, zweite geistliche Erfahrung neben bzw. nach der Wiedergeburt, die sogenannte ,,Geistestaufe“, von Anfang an Bestandteil der klassischen Pfingstlehre gewesen ist.

Zwar gibt es nach – nennen wir es mal – extremen ,,Entwicklungen“ immer wieder auch gegenläufige Tendenzen, diese ändern jedoch nichts an der grundsätzlichen Basis bzw. Ausrichtung und den sich daraus logisch und praktisch ergebenen Konsequenzen, dieser bis heute vertretenen Lehre.

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Denn, welcher Pfingstler (oder auch Charismatiker) könnte aus Überzeugung die Ansicht vertreten, die ,,Geistestaufe“ wäre nicht wirklich notwendig, lediglich ein Bonus; Christen, welche diese nicht erführen, ständen in gleicher geistlicher Beziehung vor Gott, hatten dieselbe geistliche Ausrüstung, waren gleichermaßen befähigt Gott zu dienen, anzubeten etc.? Eine solche Ansicht wurde die eigene Position vollständig untergraben bzw. delegitimieren.

Die Pfingstbewegung steht in unmittelbarer Kontinuität zur Heiligungsbewegung und hat von dieser auch die in dieser Thematik entscheidenden geistliche Impulse mitbekommen und weiterentwickelt.

Hier von Relevanz, der “Perfektionismus” d.h. der Lehre, das ein Christ den Zustand der ,,Sündlosigkeit“, einer “höheren Stufe“ des Christseins (Wesley ,1767; Finney, 1836) erreichen könne. Hier taucht auch zum ersten mal der Begriff der ,,Geistestaufe“ auf (Palmer, Lankford, 1835; Boardman, 1859), durch welche man diesen Zustand erreichen können solle..

Mit der Keswick-Bewegung kam die Lehre der “Geistestaufe“ nach Europa (Pearsall, 1874) und kurze Zeit spater dann in die ganze Welt (Moddy, Hudson Taylor, Torrey). Nach Deutschland kam diese Lehre über Teilnehmer an den Keswick-Konferenzen (1874/75) in England. Vertreter der Gemeinschaftsbewegung und fast aller Freikirchen waren dort (Elias Schrenk, Gustav Warneck etc.) und man erwartete für Deutschland “ein neues Pfingsten“. Der Gnadauer Verband ist von Gründung an (1888) mit diesem Lehrgut vertraut.

Die Erweckung (ca. 100.000 Bekehrte) in Wales, dem “Welsh Revival”, stand vollständig unter dem Einfluß der neuen Botschaft der “Geistestaufe” (R.A. Torrey; Evan Roberts, 1904/05). Fast alle bisher genannten Vertreter der deutschen Heiligungsbewegung fuhren dorthin, um diesen zweiten Segen zu erfahren (man fühlt sich an Toronto erinnert). Außer Jonathan Paul, der dies nach eigenen Angaben bereits erlebt hatte. Aber auch dieser sah hier ein neues Pfingsten mit Heilungen, Geistestaufe und nun auch Zeichengaben.

Mit der Erweckung in der “Azusa Street” (1906) verbindet man dann landläufig die eigentliche Entstehung der Pfingstbewegung (siehe Hundertjahrfeier 2006). Jedoch reichen deren Wurzeln, in der Heiligungs- und auch Heilungsbewegung, wesentlich weiter (1875) zurück. Von dort aus verbreitete sich zusätzlich etwas völlig neues: “die Zungenrede” über Norwegen nach Deutschland.

Die Zungenbewegung brach auf der Gnadauer Pfingstkonferenz (Dallmeyer, 1907 in Kassel) in Deutschland durch. Auch der Evangelist Heinrich Dallmeyer verband die Geistestaufe mit der Lehre des “reinen Herzens” und nun zusätzlich mit körperlicher Heilung und der Zungenrede.

ln der weiteren Folge kam es in den Versammlungen zu den uns heute allseits bekannten Phänomenen der Pfingst- und charismatischen Bewegung: Zungenrede, Weissagungen, Zittern, Umfallen, Geschrei, Dämonenaustreibungen etc. pp.

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III. Schlussfolgerung: Soweit zu den historisch-geistlichen Wurzeln der Lehre der sogenannten ,,Geistestaufe“ und der damit im Zusammenhang stehenden ,,Zungenrede“. Wirft man einen Blick in die Berliner Erklärung, sieht man, das sich diese hauptsächlich – neben den genannten ,,Phänomenen“ – gegen die damit verbundene Lehre ,,vom reinen Herzen“ wandte, eben jenem ,,Perfektionismus“ der Heiligungsbewegung.

Insofern stellt die Berliner Erklärung auch eine späte Selbstkritik der eigenen Bewegung dar.

Zumindest der Evangelist Jonathan Paul, der Vater der deutschen Pfingstbewegung wird den heutigen Pfingstlern ein Begriff sein. Dieser lehrte – stellvertretend für viele in der neuen Bewegung (Eugen Edek Otto Stockmayer etc.) – daß Jesus nicht in jedem Gläubigen wohne, sondern nur in den ganz “Geheiligten”. Den Unterschied macht – wie man sich denken kann – die “Geistestaufe”.

Die klassische Pfingstbewegung verstand unter “Heiligung” somit die realisierbare Möglichkeit eines vollkommen sündlosen Lebens d.h. einer qualitativ notwendigen Steigerung der bloßen Rechtfertigung, zu der man Zugang durch die Erfahrung der “Geistestaufe”, dem “zweiten Segen” erhielt. Das “Zungenreden” galt als Beweis der Erfahrung der sogenannten “Geistestaufe” (Zungenbewegung und Perfektionismus waren ab 1907 zwei Seiten einer Medaille. Dr. Stefan Holthaus, Zur Entstehung der Berliner Erklärung von 1909).

Das mag in dieser Konsequenz heute nicht mehr in den Gemeinden der Pfingstbewegung gelehrt werden bzw. der Zusammenhang vergessen worden sein, bleibt aber erstens nachweislich die klassische Pfingstlehre, und zweitens – wenn auch unausgesprochen und wie man feststellen muß den meisten Pfingstlern unbekannt – tatsächlicher theologischer Ursprung auch der aktuellen pfingstlichen Lehre der Geistestaufe.

Das, was heute allgemein gelehrt wird, ist lediglich ein nachträglich-biblischer Rechtfertigungsversuch, persönlich-spiritueller Erfahrungen innerhalb eines geschichtlich gewachsenen, religiösen Kontextes dar. Man hat sich zwar mehr oder weniger von der theologischen Basis getrennt, will aber von der emotional-religiösen Erfahrung nicht lassen.

Das Dach schwebt in der Luft…

Die Lehre der “Geistestaufe” kann – wie ich kurz umrissen habe – weder losgelöst von deren historischen Entstehung verstanden, noch auf das aktuelle Verständnis des kleinen deutschen BFP oder deren Vertreter (und seien einzelne noch so bekannt und sympathisch) innerhalb dieser weltweiten, heterogenen Bewegung verkürzt werden.

sdg apologet