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Gemeinsame Lernkultur in Kindergarten und
Grundschule
Vortrag von Prof. Dr. Tassilo Knauf
auf der Fachveranstaltung
Schulfähigkeit - Elterngespräche auf Augenhöhe -Kindergarten und Schule ziehen an einem Strang
am 2. März 2010 im Rathaus Osnabrück
Themenschwerpunkte:
• Bedeutung und Problematik des Übergangs Kindergarten - Grundschule
•Lösungsansätze und ihre Probleme
•Bedeutung und Grenzen „schulischer Vorläuferqualifikationen“
•Elemente einer anschlussfähigen Lernkultur:- Projekte- Literacy- Portfolio- Umgang mit Fehlern
•Erziehungspartnerschaft mit den Eltern.
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Bedeutung und Probleme des Übergangs Kita – GS
1. Schnittstellen und Übergänge sind entscheidende Situationen im Lebenslauf
2. Kinder verfügen nur über ein begrenztes Handlungsrepertoire zur Krisenbewältigung
3. Selbstkonzepte können gestärkt oder destabilisiert werden
4. Erwachsene sind wichtige, aber oft fehlende oder auch überforderte/überfordernde Begleiter.
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Bedeutung und Probleme des Übergangs Kita – GS
Drei Problemebenen
1. Die personal-individuelle Ebene
2. Die interaktionale Ebene
3. Die Systemebene
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Bedeutung und Probleme des Übergangs Kita – GS
Die personale Ebene:
Das Kind erlebt Verlust und wird konfrontiertmit neuen Erwartungen bezüglich:
• Bezugspersonen• Interaktionsstrukturen• Handlungsziele• Handlungsmethoden• Orte und Räume• Zeitstrukturen.
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Bedeutung und Probleme des Übergangs Kita – GS
Die personale Ebene:
Das Kind erlebt einen „strukturellen Sozialisationskonflikt“ (nach Klaus Plake)durch die Brüche
• auf der Ebene der Akzeptanz von Emotionalität
• auf der Ebene der Handlungsstrukturen• auf der Ebene der Handlungsbewertungen.
.
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Bedeutung und Probleme des Übergangs Kita – GS
(nach Erik Erikson)
• „Werksinn“ als Ausdruck von Stabilisierung von Können und Identität
versus• Minderwertigkeitals Ausdruck des
Nicht-Zurechtkommens, des Nicht-anerkannt-Werdens und Verlustes an Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.
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Bedeutung und Probleme des Übergangs Kita – GS
Die personale Ebene:
Das Kind erlebt Stress in Hinblick auf die Anpassung an schulspezifische Rollen (Verpflichtungen, Werteakzeptanz, Erfolgserwartungen, allgemeine Verhaltensregeln und -erwartungen),
Aber auch auf der Beziehungsebene (Beziehung zu „meiner Lehrerin“, zu den Kindern meiner Klasse, zu den größeren Kindern).
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Bedeutung und Probleme des Übergangs Kita – GS
(nach Wilfried Griebel und Renate Niesel)
• Identitätswandel, Veränderungen der Selbstkonzepte
• Stresserfahrungen der Kinder mit den eigenen Erwartungen und Wünschen sowie mit Erwartungen und Wünschen im gesamten Umfeld von Familie, Kiga und Grundschule
• Polarisierende Zuordnungen zwischen Kita(Schlüsselbegriffe: Spiel und „dürfen“) und Schule (Schlüsselbegriffe: Lernenund „müssen“).
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Bedeutung und Probleme des Übergangs Kita – GS
Die Brüche in der individuellen Bildungsbiografie beim Übergangführen zu Verlusten von Bildungszeit !
Denn Kinder müssen1. sich auf veränderte Raum-, Zeit-,
Handlungs- und personelle Strukturen einstellen
2. erfahren, dass ihre bisher erworbenen Kompetenzen nur teilweise gewürdigt werden .
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Strukturelle Lösungsansätze für das Übergangsproblem
1. Schaffung eines institutionell gleitenden Übergangs zwischen Elementar- und Primarbereichs (so in West- und Nordeuropa)
2. Akzeptanz von Diskontinuität als Entwicklungsanreiz (vgl. Griebel/Niesel2002)
3. Stärkung der Kinder durch Schulvorbereitung, sie „schulfähig“ und „schulbereit“ machen
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Institutionelle Organisation der Einschulung im Vergleich
1. Früheinschulung:a) Beispiel Großbtitannien:obligatorische Einschulung mit 5 in die 2- bzw. 3-jährige Infant Schoolb) Niederlande:fakultative Einschulung mit 4 (3) in den 2- bis 3-jährigen Elementarbereich der 8-jährigen Basisschule
2. SpäteinschulungBeispiel Schweden:Einschulung mit 7 in die 8-jährige Grundschule
3. MischformBeispiel Frankreich:fakultativer Eintritt mit 2 oder 3 in die schulähnlich organisierte école maternelle
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Förderung der Widerstandsfähigkeit (Resilienz) im Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan
Personale
Ressourcen
•Problemlösefähigkeit•Selbstwirksamkeitsüberzeugung•Positives Selbstkonzept, •Selbstvertrauen, Selbstwertgefühl
•Fähigkeit zur Selbstregulation•Realistische Ursachen-Zuschreibung
•Empathie und Aufgeschlossenheit
•Kooperations- und Kontaktfähigkeit
•Fähigkeit zum Perspektivenwechsel
Soziale
Ressourcen
•Stabile Bezugsperson (en)•Offenes, wertschätzendes, unter-stützendes Erziehungsklima
•Positive Rollenmodelle: Vorbilder für aktives Problemlösen
•Freundschaftsbeziehungen zu Gleichaltrigen
•Positive Erfahrungen im Kindergarten.
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Systemische Problemlöseansätze
Veränderung auf mehreren Ebenen: auf der:• politischen und administrativen
Verantwortlichkeiten• Ausbildungsstrukturen• Mentalitäten, Philosophien ,
Handlungsprinzipien und Handlungskulturen sowie der Alltagsstrukturen der professionellen Akteure
Stärkung der:• Gemeinsamen Lernkultur• institutionellen, lokalen und regionalen
Netzwerke im Systemumfeld von Kitas und Grundschulen.
Eine gemeinsame Bildungsphilosophie:
Grundlagen einer gemeinsamen Bildungsphilosophie:
1. Das Bild vom Kind als Grundlage: „Kinder verstehen als Forscher, die Hypothesen entwerfen, prüfen und weiter entwickeln“ (Speck-Hamdan 2007)
2. „neue Lernkultur“ als Grundlage:- verstärkte Selbststeuerung der Lernenden- Akzeptanz der Verschiedenheit des Lernens- positive Sicht auf Fehler- Förderung der Reflexion über Lernen (lernmethodische
Kompetenz)- Integration von Wissen, Verstehen von
Zusammenhängen und Aufbau von Handlungskompetenz. 18
Neuere Theorie-Wurzeln von Bildung nach PISA
Hirnforschung, Neurobiologie
Konstruk-tivismus
Sozialökologische Lernforschung
Empirische Bildungsforschung
Empirische Bildungsfor-
schung
Theorie-Wurzeln von Bildung Hirnforschung,Neurobiologie:
mehr Wissen über
•die Bedeutung von Wahrnehmung für Erkenntnis-, Denk- und Lernprozessen
•die Bedeutung von Bewegung für die Stimulierung von neuen Erfahrungen und Erkenntnissen
•die Bedeutung früher Stimulierung von experimentellen und interaktiven Handlungen
•die Bedeutung von Emotionen für intentionale Lernprozesse
•die Bedeutung von Heterogenität und Individualität des Lernens.
Theorie-Wurzeln von Bildung Konstruktivismus:
mehr Wissen über
•die Struktur des Lernens als Aufbau individueller Bedeutungen : Das ist mir wichtig! Damit kann ich etwas anfangen! Dafür engagiere ich mich! Davon will ich mehr wissen!
•die Bedeutung des Umlernens und Verlernens, des Loslassens bedeutungslos gewordenen Wissens (Dekonstruktionen ).
•„Baustoffe“ unseres Wissens : eigene Erfahrungen, Erfolge und Misserfolge beim Problemlösen, Lernen am Modell, Gewohnheiten, Geschichten, Aha-Erlebnisse im Gespräch, gezielte Informationsaufnahme.
Theorie-Wurzeln von Bildung Sozialökologische Lernforschung:
mehr Wissen über
•die Bedeutung der Differenz privilegierten und nicht-privilegierten Lernens
•die Bedeutung des Fehlers als Stimulanz
•die Bedeutung der „minimalen Hilfe“
•die Bedeutung von Räumen und Zeitstrukturen.
Zum Schluss zwei Zitate:
„Bildungsprozesse können angeregt, nicht erzwungen werden“ (Ludwig Duncker 2005)
„ Bildung ist kein Arsenal, sondern ein Horizont“ (Hans Blumenberg 1998)
Kinder brauchen Wurzeln und Flügel
Flügel:•Höhepunkte und Ausnahmen•Erleben von Glück und Stolz•Herausforderungen und Anforderungen•Störungen, Irritationen und Krisen.
Wurzeln:•Verlässliche Beziehungen : Wärme und Geborgenheit•Vertraute Räume und Gegenstände•Orientierung gebende Regeln und Rituale•Wiederkehrende Zeit- und Aktionsstrukturen•Werte.
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Veränderung der Schulreife-/Schulfähigkeitskonzepte
• 1950er Jahre: biologistisches Reifungskonzept (Kern)
• 1960er Jahre: lern- und informationstechnologisches Schulfähigkeitskonzept(Gagné; Skinner)
• 1980er Jahre: öko-systemisches Schulfähigkeitsmodell (Nickel)
• 1990er Jahre: Einschulung als Entwicklungsaufgabe (Oerter).
Schulische „Vorläufer-
qualifikationen“als Unterstützung bei der schrittweisen
Übernahme von Entwicklungsaufgaben
Schulische „Vorläuferqualifikationen“
• Wahrnehmung:- sensorische Integration
- Formunterscheidung- Formspeicherungund -transfer
- Formbeschreibung• Kognition
- Gedächtnis- Konzentration- Bildung von Oberbegriffen
- Verstehen von Kausalbeziehungen
• Sprache:- Wortschatz- Grammatik- zuhören können- zum Thema sprechen
- Silben erkennen- Schriftsystem verstehen (Phonem - Graphem)
• Sozialkompetenz- Perspektivenwechsel- Unterscheiden verschiedener Situationen
- Verstehen und respektieren von Regeln
- Akzeptanz von Konkurrenz.
Achtung!Die Kindertageseinrichtung für Kinder bis 6
Jahren haben ihren Sinn nicht in der Schulvorbereitung,
sondern in der Betreuung, Erziehung, Begleitung und Stärkung der Kinder bei
• der Entfaltung ihrer Persönlichkeit (Selbst-und Sozialkompetenz),
• der Herstellung von Welt-Sinn und Weltverstehen ,
• der Entwicklung individueller Kompetenzenund Interessen .
Sicherung von „Vorläuferqualifikationen“
Sensorische Integration (koordinierte Verarbeitung von Sinnesinformationen im Gehirn mit dem Ziel, Handlungen auszuführen):
Spiele, bei denen sich die Kinder bewegen, ohne anzustoßen,Spiele, die man nur spielen kann, wenn man auf die Reaktionen der Mitspieler achtet, mit geschlossenen Augen eine Aktivität verrichten(z.B. Balancieren, Aktionen in der Bewegungsbaustelle).
Sicherung von „Vorläuferqualifikationen“
Formunterscheidung: Der Erwachsene achtet darauf, die Formen zu
benennen, zum Fühlen aufzufordern und sie beschreiben zu lassen, Einlegespiele, Dreidimensionale Sortierspiele, Bausteine als dreidimensionale Körper(z.B. bei Spaziergängen Blätter, Steine und andere Gegenstände sammeln, sortieren, beschreiben lassen)…
Sicherung von „Vorläuferqualifikationen“
Lautdiskriminierung:• Mundmotorische Übungen und Spiele
(Einbeziehen des ganzen Körpers)• Reime, auch Quatsch-Reime• Übungen, um Geräusche zu unterscheiden• In fremden, auch ausgedacht fremden
Sprachen reden• Monoton oder lebendig sprechen• Flüsterspiele, leise sprechen und dann Laute
erraten …
Sicherung von Vorläuferqualifikationen
Gedächtnisförderung:• Kim-Spiele• Jeden Tag (z.B. im Morgenkreis) den Vortag in
Erinnerung rufen• Bei Projekten oder Angeboten an frühere
Erfahrungen und Erlebnisse anknüpfen• (selber) versteckte Gegenstände suchen• Bei der Portfolioarbeit ältere Bilder und Fotos
gedanklich einordnen.…
Sicherung von Vorläuferqualifikationen
Das System der Oberbegriffe stärken:
• Der Erwachsene ist sprachliches Vorbild• Geeignete Gelegenheiten sind:
Kaufmannsladen, Frühstücks-/Kochtage, Spaziergänge
• Geeignete Begriffe sind: Zeiteinteilung, Kleidung, Spielzeug, Fahrzeuge, Werkzeug, Lebensmittel, Geschirr, Tiere, Pflanzen
…
Die Sicherung von Vorläuferqualifikationen
sollte nicht in isolierten Trainingseinheiten erfolgen,
sondern integriert sein in die alltägliche Praxis der ganzheitlichen und individuellen Förderung von Kompetenzen und Persönlichkeitsentwicklung .
…
Elemente der „Schulvorbereitung“• „Schulvorbereitung“ beginnt mit dem ersten Kiga-Tag• „Schulvorbereitung“ ist immer auch Lebensvorbereitung• „Schulvorbereitung“ bezieht sich auf
Entwicklungsdimensionender kindlichen Persönlichkeit (nach Baacke 1999)- Bewegung- Wahrnehmung- Erkunden und Informationen aufnehmen
- Welt deuten- Kultivierung der Gefühle- Entfaltung der Spielfähigkeit- Differenzierung von Sprache und Kommunikation
- Entwicklung von Leistungsbewusstseinsowie auf die Schlüsselqualifikationen (nach Landwehr 1996) Offenheit und Flexibilität, Kreativität, Problemlösefähigkeit,Kooperationsfähigkeit und Eigeninitiative.
Kinder für die Schule und das Leben stark machen durch die Förderung von:
• Wahrnehmung• Bewegung• Staunen und Fragen• Informationsstrategien• Lernstrategien• Leistungsmotivation
und Ausdauer• Kooperation• Selbstständigkeit• Umgehen mit Krisen• Emotionen
• Symbolsysteme (Buchstaben und Zahlen)
• Spiel• Kommunikation• Sammeln und
Präsentieren• Raum-Zeit-Erfahrungen,
sich erinnern• Kreativität• Planen• Werte.
Elementarp ädagogische Dimensionen der Schulvorbereitung:
Wahrnehmung:• Hörsinn:• Richtungshören (von wo kommt das
Ticken der Uhr?)• Hörmemory (welche Filmdosen
gehören zusammen? Z.B. Reis zu Reis)
• Einen Weg klatschen (ein Kind geht mit verbundenen Augen den geklatschten Weg nach)
• Hörspiele (wer versteckt sich wo? Wo befindet sich ein Gegenstand, z.B. Wecker?)
• Spaziergänge durch die Natur• Gleichgewichtssinn:• Auf einem Faden balancieren• Sitzen auf Massageball• Roller fahren
• Geschmackssinn:• Lebensmittel erraten• Schälchen mit aromatisierten
Wasser erkennen (z.B. Zitronenwasser)
• Kimspiele• Geruchssinn:• Kräuterschnecke (Kräuterbeet
zum Riechen u. Anfassen)• Mit verbundenen Augen versch.
Gegenstände riechen u. erraten (z.B. Chips)
• Naturerleben (z.B. Blumen)• Fühlen, Tasten:• Fühlstraße (versch. Oberflächen
ertasten)• Fühlkästen (raten, was ist drin)• Gegenseitiges Massieren (z.B.
„Pizza backen“)
Elementarp ädagogische Dimensionen der Schulvorbereitung:
Wahrnehmung II:• Mit verbundenen Augen Kind
ertasten• Sich gegenseitig, sich selbst
bemalen• Tastmemory• Sehen:• Farbkästen• Wechselnde Lichtverhältnisse
(hell – dunkel- grell)• Kaleidoskop (basteln)• Ein Auge abkleben• Durch verschieden lange
Rohre schauen• Sonnenbrille(n) ausprobieren• Ich sehe was, was du nicht
siehst
• Fernglas• Becherlupen• Zwei Kinder tauschen die
Plätze; raten, wer gelauscht hat.
Bei der Sicherung von schulischen Vorläuferqualifikationen
kann vor allem auch die Anschlussfähigkeit bzw. Gemeinsamkeit von Lernkulturen zwischen Kindergarten und Schule erprobt werden.
Bei der Sicherung von schulischen Vorläuferqualifikationen
spielen für die Anschlussfähigkeit bzw. Gemeinsamkeit von Lernkulturen eine besondere Rolle:- Projekte (auch Kleinprojekte)- Literacy (Begegnung mit Schrift)- Bildungsdokumentation (Portfolio)- konstruktiver Umgang mit Fehlern .
Verknüpfungen von Lernkultur
•Gemeinsame Projekte
Gemeinsame oder anschlussfähige Projekte von Kindertagesstätte und Grundschule verdeutlichen die Kontinuität der Bildungsgeschichte der Kinder.
Projekte
Im Anschluss an- John Dewey („Denkende Erfahrung“)- Jerome Bruner („Entdeckendes Lernen“)- Karl Frey („Projekte als Pr0zess des
bildenden Tuns“)
stärken Projekte Kompetenzen des 1.Wahrnehmens, 2. Kommunizierens, 3. Reflektierens, 4. Praxiserprobens…
Das Beispiel: Projekte in der Reggio-Pädagogik
Pädagogische Zielsetzungen:•Entdecken und Entwickeln von Interessen•Sich verständigen über (gemeinsame) Interessen (Kompromisse finden)•Eine Sache mit Hartnäckigkeit verfolgen•Problemlösungen suchen•Erklärungen suchen•Etwas anderen mitteilen und verständlich machen•Entdeckungen, Ideen, Erklärungen mit sinnlichen Mitteln darstellen•Freude gleichermaßen am Gestalten wie am Entdecken, an Erkenntnis, Kommunikation und Kooperation entwickeln.
Projekte in der Reggio-Pädagogik
Charakteristika:
• Zeit: von einer Stunde bis zu einem Jahr• Teilnehmer: von einem Kind bis zur ganzen Einrichtung,
oft Kleingruppen (2-5 Kinder); Kinder können „aus- und einsteigen“.
• Start: Entdeckungen oder Fragen der Kinder, Impulse der Erzieherin
• Ende: wenn das Interesse der Kinder nicht mehr aktivierbar ist.
• Erzieherinnenrolle ist „forschend begleitend“, Impulse gebend, Ressourcen bereitstellend, dokumentierend.
• Dokumentation mit Kinderarbeiten, Fotos und Kinderaussagen
Beispielhafte Aktionen und Projekte für Kita- und Grundschulkinder
(aus der „Bildungs-Werk-Stadt“ Osterholz-Scharmbeck)
Erste Kontaktaufnahme per Post (Kita an Schule)
Antwort der GS-KinderErste Kontaktaufnahme und
PatenschaftenSpielvormittag der Kita- und
GS-Kinder in der Kita
Erkundung des Pausenhofs Schulhaus-RallyErkundung der TurnhalleStationsarbeit in der TurnhalleWinterolympiadeZahlentag Pausenhofspiele
Gestalten/Dekorieren von Schuhkarton
Multikulturelles KindetheaterMultikulturelles BuffetRollentausch/Perspektiven-
wechselWir stellen ein Bilderbuch herKooperation mit der BüchereiVersuche und ExperimenteBuchstabentag/Spaziergang
Buchstaben (eventuell auch nichtlateinische Buchstaben integrieren)
Interkulturelle VorlesestundeLichterfest Projekt Wald.
Beispielhafte Projekte für Kita- und Grundschulkinder
Weitere Projektideen:
1.Fortsetzungsprojekte:• Langzeitprojekt Jahreszeiten und Monate,
Vorleseprojekte (Pro Monat 1 bis 4 Projekttage)• Langzeitprojekt Stadt-/Stadtteilerkundung 2. „Spiralcurriculum“: Wiederholung von
Projektthemen der Kita in der Schule, im Sachunterricht z.B.
• Wetterphänomene, • Ich und die anderen• Einkaufen (Versorgungskreisläufe)• Mahlzeiten ( „ )• Tiere und Pflanzen…
Kinder begegnen Schrift1. Entwicklung von Schriftkompetenz
ist ein vielstufiger Prozess:- Wahrnehmen, dass Menschen miteinander kommunizieren
- Wahrnehmen , dass es verschiedene Formen der Kommunikation gibt (von der Körpersprache bis zu Symbolen)
- selber Formen der Kommunikation nutzen: KörperspracheRollenspielVerkleidenBilderZuhörenSprechen: Selbstgespräche, Murmeln, Schreien,
Malen…
Kinder begegnen Schrift
2. Entwicklung von Schriftkompetenz ist ein konstruktiver Prozess:- Kinder erproben im Verstehen und Handeln selber Vorstufen der Schriftsprachkompetenz
- Körpersprache interpretieren- im Spiel Rollenbilder ausdrücken
(Verkleidung, Requisiten, Haltung, Gestik, Sprechweise)
- Zeichen, Piktogramme, Logos identifizieren,wiedererkennen und als Handlungsanleitungen
nutzen- Bücher richtig halten- Schreibutensilien experimentell kennen lernen …
- Kinder lernen dabei durch Experimentieren, Nachahmung , Spiel …
Kinder begegnen Schrift
3. Entwicklung von Schriftkompetenz ist ein ganzheitlicher Prozess:- Kinder verknüpfen unterschiedliche
Handlungsformen im Prozess der Entwicklung von Schriftsprachkompetenz. Beteiligt sind:
- gegenständliches Handeln (etwas herstellen)
- emotionale Momente (Freude, Ehrgeiz empfinden)
- kognitive Prozesse (etwas mit Bedeutung versehen)
- soziale Interaktion (anderen zuhören, sich streiten…):
Kinder begegnen Schrift
4. Entwicklung von Schriftkompetenz ist ein selbstgesteuerter Prozess:- Kinder entwickeln Schriftsprachkompetenz,
indem sie selber, ihren Interessen, ihren Impulsen, Handlungsmodellen folgend, Handlungsentscheidungen treffen:
- Ich bin neugierig, daher habe ichLust,…
- Ich möchte etwas allein, etwas mit anderen tun, daher…
- Ich langweile mich, daher…
Kinder begegnen Schrift
5. Entwicklung von Schriftkompetenz ist ein kultureller Prozess:
- Kinder wachsen mit der Entwicklung vonSchriftsprachkompetenz in unsere Kultur hinein:
- Kinder lernen, dass Bücher zentrale „Behälter“ sind für gesammeltes Wissen, festgehaltene oder ausgedachte Erlebnisse, persönliche Dokumente, Tipps…
- Kinder erfahren, dass Texte in der abendländischen Kultur von links nach rechts, von oben nach unten, von vorn nach hinten gelesen werden…
Kinder begegnen Schrift
6. Entwicklung von Schriftkompetenz ist ein ästhetischer Prozess:
- Kinder erleben die nachhaltige Entwicklung vonSchriftsprachkompetenz ästhetisch:
- Kommunikation ist für Kinder sinnlich, körpersprachlich (Muster, Klänge)
- Buchstaben sind wie Wappen, Fahnen, Ritterzeichen etwas Schönes, das dekorativ gestaltet sein kann
- Buchstaben können Bilder sein- Buchstaben können gelegt und getanzt
werden…
Kinder begegnen Schrift
6. Entwicklung von Schriftkompetenz ist Teil der Aneignung von Welt :- Kinder saugen mit ihrer Welterkundung die
Netzwerke von Schrift und Texten auf -- Kinder begegnen Schrift zu Hause- Kinder begegnen Schrift in der
Kindertageseinrichtung- Kinder begegnen Schrift draußen (beim Einkaufen, auf dem Spielplatz, in Fahrzeugen, in Esslokalitäten…
Umgehen mit Schrift (literacy)
Handlungsperspektiven:• Mit Lehrkräften Abstimmung über Schreibversuche
herstellen• Büchern und Texten im Kiga eine besondere Bedeutung
geben• Bilder und Projektdokumentationen mit Schrift versehen• Die Namen der Kinder häufig verschriftlichen• Gegenstände mit Schriftkärtchen versehen• Anlauttabelle erstellen und präsentieren• Den Kindern Schreibanlässe und Schreibmedien geben• In der Umwelt auf Schrift aufmerksam machen und
vorlesen• Schrift dekorativ einsetzen• Teilbeschriftete Memorys verwenden…
Dokumentieren bedeutet
• Das Unsichtbare sichtbar zu machen• Die Subjektivität des
Beobachters/Dokumentierenden und der Dokumentation, Ungewissheit, Vorläufigkeit und Neuinterpretierbarkeit der Dokumentation anerkennen
• Verschiedene Leser zulassen: Kollegen, Kinder, Eltern
• Das Kind als autonomen, Problem lösenden Konstrukteur seiner Entwicklung sowie seine Gefühle und seine Kreativität herausstellen
(nach Carla Rinaldi/Gunilla Dahlberg 2005).
Beobachtung und Dokumentation
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Was ist ein Portfolio
• Es ist eine Sammlung von Dokumenten, die nach bestimmten Kriterien ausgewählt werden.
• Die Dokumente spiegeln vor allem Persönlichkeit und Kompetenzen des Autoren wider.
• Mit dem Portfolio tritt der Autor in einen Dialog mit anderen Menschen.
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Warum Portfolios im Elementarbereich und Grundschule
• Nutzen verschiedener Möglichkeiten der Dokumentation individueller Entwicklung und Kompetenzen (zur individuellen Förderung, Elterninformation und -kommunikation sowie Austausch zwischen Bildungsbereichen)
• Verstärken der Eigentätigkeit und Eigenverantwortungvon Kindern (Identitätsentwicklung)
• Verknüpfen von standardisierten Kategorien mit individuellen Ausformungen (Flexibilität)
• Verknüpfen von Bild- und Wortquellen (Transparenz).
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Woher kommt die Portfolio-Idee1. Spätes 16. Jahrhundert: Kunstakademien in Rom
und Florenz: Künstlerpräsentationsmappen, später Bewerbungsmappen oder auch Wertpapiersammlungen
2. Spätes 20. Jahrhundert: persönliche Könnens-beschreibung von Schülern als Gegenbewegung zur Testeuphorie an amerikanischen Schulen
3. Ende des 20. Jahrhunderts: Übernahme dieses Konzepts u.a. in den Bildungssystemen Schwedens, der italienischen Region Trentino-Südtirol und ansatzweise Österreichs und der Schweiz.
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Portfolio-Typen(u.a. nach Lissmann 2000)
1. Arbeitsportfolio zur Dokumentation und Reflexion des Gelernten
2. Entwicklungsportfolio zum Aufzeigen des Prozesses der Lernfortschritte, der individuellen Interessen, Arbeits- und Handlungsweisen
3. Beurteilungsportfolio zur Einordnung des Gelernten in curriculare Erwartungen
4. Präsentationsportfolio zur Sicherung eines positiven Eindrucks durch Auswahl gelungener Arbeiten.
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Das Portfolio in Schweden 1(nach dem schulischen Rahmenkonzept „Skola 2000“)
• Sichtbarmachung des Lernprozesses zur Förderung der metakognitiven Fähigkeiten durch Selbstreflexion.
• Das Portfolio dokumentiert die Lernentwicklung in der gesamten Bildungszeit („lebenslanges Lernen“).
• Es kann eine Brücke zwischen den Einrichtungen darstellen und zur Vereinheitlichung im Bildungssystem beitragen.
• Jede neue PädagogIn erfährt durch das Portfolio leichter, wo sich Entwicklung und Lernen des Kindes befindet; es kann an die Stärken des Kindes angeknüpft werden, Schwächen können gezielt gefördert werden .
• Jedes Kind besitzt sein eigenes Portfolio ; es gehört ihm.
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Das Portfolio in Schweden 2(nach dem schulischen Rahmenkonzept „Skola 2000“)
• Sichtbarmachung des Lernprozesses zur Förderung der metakognitiven Fähigkeiten durch
• Alles was ein Kind macht und lernt, bestimmt den Inhalt seines Portfolios.
• Aber es wird - vor allem vom Kind - ausgewählt .
• Zumeist werden ausschließlich die positiven Entwicklungen und Informationen gesammelt .
• Unabhängig von seinem Alter wird dem Kind eine aktive Verantwortung für sein Lernen und damit auch für das Portfolio übertragen.
• Das Portfolio soll einen Bestandteil seines Alltags sein, immer sichtbar und leicht zugänglich.
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Das Portfolio in Südtirol (nach „blikk infothek“, Pädagogisches Institut Bozen 2005)
• Das Portfolio ist eine strukturierte Auswahl von aussagekräftigen Arbeiten.
• Es gehört dem Kind .
• Es macht die innerhalb und außerhalb der Schule erworbenen Kompetenzen sichtbar und zeigt Lernentwicklungen auf.
• Es fördert die Selbstreflexion über die eigenen Lernprozesse und über Kriterien der Auswahl zum Transparentmachen von Arbeitsergebnissen .
• Es umfasst die Bereiche Orientierung und Bewertung.
• Es begleitet das Kind durch die gesamte Bildungslaufbahn .
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Das Portfolio im Land Brandenburg
Verankerung im
• Elementarbereich: „ Grundsätze elementarer Bildung“ (2005)
• Im Übergang Kita – Grundschule: „Gemeinsamer Orientierungsrahmen Bildung in Kinderbetreuung und Schule (GOrBiKS)“ (2008)
• Grundschule:Grundschulverordnung (Änderung 2008).
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Das Portfolio im Land Brandenburgnach: „Gemeinsamer Orientierungsrahmen Bildung in
Kinderbetreuung und Schule (GOrBiKS)“ (2008)
Aufgaben:• Darstellung individueller Lernentwicklung
• Förderung der Fremd- und Selbsteinschätzung• Stärkung der Lerninteressen
• Sichtbarmachung des Könnens der Lernenden.
Leitziele:• Selbstwirksamkeit• Könnensperspektive
• Transparenz• Kommunikation.
Portfolio
A1. Kinderakte als
Arbeitsmittel der Erzieherin für alles, das dem Datenschutz unterliegt
2. Es wird angelegt für jedes Kind.
B1. Sammel- und
Präsentations-mappe der Kinder als Kommunikations-medium zwischen Kindern, Familie und Kita und als„Erinnerungsalbum
2. Es wird angelegt mit jedem Kind.
(eigentliches) Portfolio• Mit jedem Kind Anlegen einer Mappe als
Dokument seiner Persönlichkeit, seiner Entwicklung, seiner Interessen und seiner Kompetenzen.
• Sie enthält: - Kinderzeichnungen, Kinderbilder- Fotos des Kindes in Aktion und Interaktion- notierte Kinderaussagen - Fotos ausgewählter vom Kind hergestellter
Gegenstände- Kurznotizen über Beobachtungen und
Überlegungen der Erzieherin usw.• Alle Entwicklungsdokumente sind mit einem
Datum versehen.
(eigentliches) PortfolioDas Portfolio gehört dem Kind und seiner
Familie. Es zeigt:- Produkte seiner Individualität und Identität, - seines Könnens und seiner Themen und damit- Prozesse seiner Persönlichkeits- und Kompetenzentwicklung.
Es kann nach folgenden Bereichen gegliedert sein:- „Das bin ich“- „Das kann ich“- „Dafür interessiere ich mich“- „Damit haben wir uns beschäftigt“- „Meine schönsten Bilder- „Meine Lieblingslieder und -reime“- Schöne Ereignisse- Beobachtungen der Erzieherinnen .
Diskussionsvorschlag: Das Schul- PortfolioDas Portfolio gehört dem Kind (und seiner
Familie?). Es zeigt:- Produkte seiner Individualität und Identität, - seines Könnens und seiner Themen und damit- Prozesse seiner Persönlichkeits- und Kompetenzentwicklung.
Es kann nach folgenden Bereichen gegliedert sein:- „Das bin ich“- „Das kann ich“- „Dafür interessiere ich mich“- „Das mache ich in meinen Lieblingsfächern“- „Dafür habe ich mich besonders angestrengt“- „Das habe ich mit meinen Freunden gemacht“- „Das fand meine Lehrerin besonders gut“- „Das fanden meine Eltern besonders gut“- „ Das habe ich au ßerhalb der Schule gelernt “ ....
„ Lern - und Bildungsgeschichten “(nach Margret Carr)
Vorzüge:• Differenzierte, nicht auf
vorgegebene Kategorien bezogene Beobachtung und deren Dokumentation
• Hinwendung auf Individualität und Ressourcen der Kinder
• Verknüpfung von Beobachtung und individuelle Förderung.
Kritik• Problematisches Verhältnis
von (Zeit-)Aufwand und Wirkung
• Schematismus der Arbeitsschritte
• Zu wenig Dialog mit Kindern und Eltern (stattdessen distanzierte Beobachtungs-protokolle, dann z.T. überschwängliche Lerngeschichten in Briefform).
Sprache im Portfolio
� Kinder ansprechen, nicht über sie reden!
� Kinder selber zu Wort kommen lassen!
� Dialog- oder Interviewtexte bevorzugen; dadurch wird auch der Erwachsene als Person erkennbar!
Fehler neu interpretierenEs gibt drei wichtige theoretische Bezüge zum
Problemkomplex Fehler:
1.Entwicklungspsychologie (E. Erikson, D. Betz): Mit der Entstehung des „Werksinns“ wird Leistung oder Minderleistung als Basis von Anerkennung und Selbstwert gesehen
2.Konstruktivistische Lerntheorie (K. Reich, H. Siebert): Fehler prägen sich nicht ein, wenn wir Lernen als Werkstattprozess der Erweiterung und Bearbeitung von Kompetenzen verstehen
3.Beratungsansatz: „Ent-Stressung“ und Begleitung beim Umgang mit Fehlern..
Fehler neu interpretieren
• Fehler sind keine peinlichen Unfälle• Fehler sind Teil des individuellen und
kooperativen Konstruktionsprozesses von Kompetenzen
• Fehler sind willkommene Anlässe, Sachstrukturen, Gesetzmäßigkeiten und Ausnahmen schrittweise wahrzunehmen
• Fehler fördern die Fähigkeit, das eigene Verhalten sensibler auf sachliche und soziale Rahmenbedingungen abzustimmen.
Fehler neu interpretieren
Moderne Beratungskonzepte weisen uns darauf hin:
• Handlungsziele von den einzelnen oft fehlerbehafteten Teilschritten emotional und kognitiv zu trennen
• Fehler gelassen zu analysieren, um erwünschte Denk- und Handlungsmuster heraus zu präparieren
• Freude am Experimentieren und Finden von Alternativen zu entwickeln
• Verständnisvolle Beratung zu nutzen.
Eltern als Partner ernst nehmen• Elternmehrheit will schulischen Erfolg ihrer Kinder
• Eltern projizieren sowohl ihre eigenen Schulerfahrungen auf ihre Kinder als auch ihre Einschätzung der selektiven Leistungsgesellschaft
• Wichtig, aber schwierig ist, ihnen verständlich zu machen,- Pädagoginnen sind auf der Seite ihrer Kinder- ihr Kind hat Stärken- gefragt sind heute Kompetenzen, nicht „träges Wissen- Lernen gelingt besser in einer positiv stimulierenden Situation als in schematischen Trainingseinheiten
- Lernen gelingt individuell verschieden.
• Eltern erleben den Übergang meist mit größeren Sorgen als ihre Kinder.
Mit Eltern gemeinsam (ohne Scham und Beschönigung) ein differenziertes Bild ihres Kindes entwickeln, auf das sie stolz sein können und in dem die Kompetenzen und Ressourcen im Vordergrund stehen.
Erziehungspartnerschaft mit Eltern
Informationen!Wollen Sie mehr wissen über:• Beobachten und Dokumentieren• Übergänge und Schnittstellen im Elementarbereich• Qualitätsmanagement und Konzeptionsentwicklung• Reggio-Pädagogikkontaktieren Sie mich:
Prof. Dr. Tassilo Knauf schauen Sie auch nachUni Duisburg - Essen unter: FB Bildungswissenschaften www.kindergartenpaedagogik .de45117 Essen auf der Startseite unten,Fax: 0521/16 19 02 geben Sie dort in dem google-FeldTel.: 0201/183-2251 meinen Namen [email protected] www.dialog-reggio.dewww.tassilo-knauf.de