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Geologie in Ludwigsburg

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Geologie in Ludwigsburg

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Geologie in Ludwigsburg

Das Titelblatt zeigt unter dem Ludwigsburger Barockschloss von links nach rechts den Schilfsandstein am Lemberg, Lösssedimente und eiszeitliche Neckarschotter über Oberem Muschelkalk in der Grünanlage Hungerberg.

Herausgeberin

Stadt Ludwigsburg

Fachbereich Tiefbau und Grünflächen

Wilhelmstraße 11

71638 Ludwigsburg

Bearbeitung und Beiträge

Dr. Wolfgang Goos

Ingenieur-Geologe

mit einem Beitrag von Kim Bleher B.Sc.: Fossilien im Ob. Muschelkalk, Keuper und Quartär

Stand: Dezember 2019

Auskünfte zu Geologie, Grundwasser, Baugrund, Altlasten

und Erdwärmenutzung in Ludwigsburg erteilt:

Fachbereich Tiefbau und Grünflächen

Abteilung Bodenschutz

Telefon: 07141/910-2707

Telefax: 07141/910-2230

Mail: [email protected]

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Inhalt

1. Einleitung 4

2. Geologischer Bau und Erdgeschichte von Baden-Württemberg 7

2.1 Krustenbewegung und Landschaftsbild 8

2.2 Der Aufbau des Untergrundes 12

2.2.1 Grundgebirge 12

2.2.2 Deckgebirge 12

3. Geologie und Fossilien in Ludwigsburg 23

Tabelle 1: Geologische Gliederung, Schichtaufbau und Grundwasser in Ludwigsburg 25

Tabelle 2: Stratigraphische, lithologische, hydrogeologische und baugrundgeologische

Charakterisierung der Schichtfolge in Ludwigsburg 26

3.1 Buntsandstein 27

3.2 Muschelkalk 27

3.2.1 Fossilien im Oberen Muschelkalk 28

3.3 Keuper 33

3.3.1 Fossilien im Keuper 37

3.4 Quartär 41

3.4.1 Fossilien in den quartären Deckschichten 45

3.5 Geologische Karte und Profilschnitt von Ludwigsburg 48

3.6 Tektonik - Die Lagerung der Schichten 52

3.7 Lemberg und Hohenasperg als Zeugen der Erdgeschichte 53

4. Das Grundwasser im Untergrund von Ludwigsburg 54

5. Anhang 61

5.1 Gesteinskunde 62

5.2 Schichtung, Schieferung und Klüfte 69

5.3 Gesteinsverwitterung 69

5.4 Gesteinsfarben 71

5.5 Karst 73

5.6 Erdbeben 74

5.7 Vulkanausbrüche 78

6. Exkurs Die Entstehung der Alpen 80

6.1 Pangäa zerfällt 81

6.2 Ozeanbildung und die Sedimentationsräume der alpinen Gesteine 82

6.3 Die erste Kompressionsphase der Alpen in der Kreide-Zeit 86

6.4 Die zweite Kompressionsphase der Alpen in der Paläogen- und Neogen-Zeit 87

6.5 Die Heraushebung und Abtragung der Alpen 88

6.6 Die Alpen vom Eiszeitalter bis heute 97

6.7 Die Folgen der „Kleinen Eiszeit“ in den Alpen 99

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1. Einleitung

Dieses Manuskript ist eine Zusammenfassung der geologischen und landschaftsgeschichtlichen Entstehung von Baden-Württemberg und der geologisch-hydrogeologischen Verhältnisse im Raum Ludwigsburg. Die Gemarkung von Ludwigsburg liegt in der Mitte des Landschaftsraums des 1327 km2 großen Neckarbeckens und umfasst eine Fläche von 43,33 km2 (Abb. 1). Das wenig bewaldete, sehr fruchtbare und intensiv landwirt-schaftlich genutzte Neckarbecken wird von den engräumig zertalten und weit weniger fruchtbaren Keuper-waldbergen umrahmt. Das sind im Süden und Osten der Glemswald, die Stuttgarter Bucht, der Schurwald und der Welzheimer Wald. Im Nordosten folgen der Mainharter Wald und die Löwensteiner Berge und im Nord-westen der Strom- und Heuchelberg. Nach Westen geht das Neckarbecken in die von verkarstetem Muschel-kalk (Heckengäu) und Buntsandstein geprägte Ostabdachung des Nordschwarzwaldes über. Der Markungsbe-reich westlich des Neckars gehört zur Muschelkalk- und Lettenkeuperfläche des "Strohgäus", dessen östlicher Teil bis zum Neckartal "Langes Feld" genannt wird. Der Bereich östlich des Neckars gehört zur Gäufläche der "Backnanger Bucht". Im Strohgäu wird auf den fruchtbaren Lösslehmböden (Parabraunerden) überwiegend Ackerbau betrieben. Das Neckartal mit seinen Nebentälern und die Gäuflächen östlich des Neckars werden auch durch Obstbau und Weinbau geprägt. Die Keuperberge haben Höhen von bis zu 475 mNN im Stromberg, 450 bis 530 mNN im Stuttgart-Sindelfinger Raum und 500 bis fast 600 mNN im Mainharter Wald und im Welz-heimer Wald. Nach Westen zum Nordschwarzwald hin steigen die Muschelkalk- und Buntsandsteinflächen auf über 500 bis 600 mNN an. Das Neckarbecken liegt im Süden bei über 300 mNN und fällt nach Norden auf etwa 160 mNN bei Heilbronn ab. Das Neckartal ist zwischen 250 mNN bei Plochingen und 150 mNN bei Heilbronn eingeschnitten. Die höchste topographische Erhebung in Ludwigsburg ist der Lemberg, ein sogenannter Zeu-genberg am Ostrand der Gemarkung mit 365,1 mNN. Der tiefste Punkt liegt im Gewann Hofwiesen und Kraut-wiesen im Neckartal am Nordrand der Gemarkung bei ca. 195,8 mNN. Der Neckarwasserspiegel liegt an der Anlegestelle Hoheneck bei 196,2 mNN und über der Staustufe Poppenweiler bei 203,2 mNN. Die Höhe des Marktplatzes von Ludwigsburg liegt bei ca. 292,0 mNN und der Salonwald ist mit 327,8 mNN die höchste Erhe-bung am Südrand des Stadtgebiets. Im Raum Ludwigsburg fallen in Jahresdurchschnitt 770 mm Niederschläge mit einer Schwankungsbreite von 500 mm bis 1100 mm. Die Jahresdurchschnittstemperaturen liegen zwischen 9,2 und 12,0 °C an einer Messstelle außerhalb der Stadt, 200 m südlich des Salonwaldes.

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Zeugenberge mit Sockel aus Gipskeuper und Kappe aus Schilfsandstein

Wichtige tektonische Strukturen (Schichtlagerung, Schichtversatz): Sindelfinger Brüche (SB), Leonberger Brüche (LB), Hölzertal-Sattel (HS), Fildergraben

(FG), Sulzbach-Mulde (SM), Körsch-Mulde (KM), Remstal-Brüche (RB), Schwäbisch-Fränkischer-Sattel (SFS), Neckar-Jagst-Furche (NJF), Pleidelsheimer

Mulde (PM), Hessigheimer Sattel (HhS), Stromberg-Mulde (StM), Löwensteiner Mulde (LM). Heilbronner Mulde (HM).

N e c k a r- BeAbb. 1: Die naturräumliche Gliederung zwischen Stuttgart und Heilbronn

cken wigsburg

Abb. 1a: Geologische Karte, Grundschichten im mittleren Neckarraum. Die Karte zeigt die geologischen Grundschichten von Buntsandstein bis Jura ohne die jüngeren Deckschichten aus Löss-, Schutt- und Auen-sedimenten. Die Grenzen der Grundschichten sind oft unter den Deckschichten verborgen. Daher können Abweichungen vorkommen.

Keuperbergland Filderebene und Albvorland

Reste von Frühem Jura Sandstein-/ Mergelkeuper, Schilfsandstein Gipskeuper-Hangfuß und vorgelagertes Gipskeuper-Hügelland

Gäulandschaften, Neckarbecken

Reste von Gipskeuper Lettenkeuper

Oberer Muschelkalk

Mtl. und Unt. Muschelkalk

Ostrand Schwarzwald

Buntsandstein

Mittlerer und Früher Jura

Miozäner Vulkanschlot im Körschtal (Basalttuff)

N e c k a r- BeAbb.

1: Die naturräumliche

Gliederung zwischen

Stuttgart und Heilbronn

cken wigsburg

Abb. 1b: Geologischer Profilschnitt, Bau des Schichtstufenlandes vom Nordschwarzwald bis zur Schwäbischen Alb. Der schematische und ca. 15-fach überhöhte Profilschnitt zeigt die Lage der sedimentären Grundschichten aus den Zeitperioden von Perm, Trias (Buntsandstein, Muschelkalk, Keuper) und Jura über dem älteren Grundgebirge. Gut zu sehen ist die Neigung der Schichten vom Nordschwarzwald nach Osten und Süden zur Schwäbischen Alb und die Erosion zu einem Schichtstufenland. Die Abb. 1a und 1b veranschauli-chen drei-dimensional den Bau des Schichtstufenlandes. Punktiert = überwiegend Sandstein

W E/NW SE/NNW SSE

Schwarzwald Heckengäu und Strohgäu Keuperbergland Filderebene

Albvorland Schwäbische Alb

Weißer

Jura

Stuben- sandstein

Vulkanschlote

Stuttgart

Glems

Neckar

Würm

Körsch

Nagold

Erms

Gipskeuper

Lettenkeuper Schilfsandstein

mNN

800

600

400

200

0

mNN

800

600

400

200

0

Sch

nittla

ge

Rhätsandstein Knollenmergel

Strudelbach

Schwarzer Jura

Mittlerer- und Unterer Muschelkalk

Oberer Muschelkalk

Brauner

Jura

Bunte Mergel mit Kieselsandstein

Buntsandstein Perm

Besigheim

Waiblingen

Marbach

Enz

Zaber

Heilbronn

Murr

Fils

Nord

Sindelfingen Böblingen

Ne

cka

r

Körsch

Rankbach

Schwippe

Bietigheim/B.

N e c k

a r-

BeAbb. 1:

Die natur-

räumliche

Gliederung

zwischen

Stuttgart

und Heil-

bronn

cken

Ludwigsburg

Rems

Schorndorf

Mühlacker

Esslingen

Weil der Stadt

Vaihingen/E.

Grenzbach

Leonberg

Gle

ms

Str

ude

lba

ch

NJF

SFS

Würm

FG

Bottwar

Buchenbach

Sulm

Backnang

FG

Schozach

Brettach

SB

StM

LM

Feuerbach

Stuttgart

Kirbach

Metter

Lauter

Winnenden

Na

gold

Calw

Bretten

Kraichbach

Pforzheim

B. Liebenzell

HhS

PM

LB

RB

HM

KM

SM

HS

Buntsandstein

Perm

Grundgebirge: Gneise und Granite

ca. 10 km

C

ca. 10 km

Lein

0 10 km

Nesenbach

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Seit der Frühzeit ihrer Entwicklung haben die Hominiden, die direkten Vorfahren des Menschen und der Mensch, Werkzeuge aus Stein hergestellt. Gemahlene farbige Gesteine wurden für Felsmalerei und für Kör-perbemalung benutzt. Gefäße und Hütten wurden aus Ton und Lehm gebaut. Stonehenge, die Pyramiden und andere Kult- und Kulturstätten wurden aus Stein errichtet. Während der Jungsteinzeit wurden Kupfer und Zinn (Bronze) und später Eisen und weitere Metalle aus Gesteinen erschmolzen und zu Werkzeugen, Schmuck, Gefäßen, Waffen und in Bauwerken verarbeitet. Die ersten größeren Ansiedlungen des Menschen wurden oft dort gegründet, wo Wasser und Metalle in ausreichender Menge zur Verfügung standen. Mit Kohle, Erdöl, Erdgas und mit Uran kam die Industrialisierung in Schwung. Die komplexer werdenden Bauwerke, Brücken und Tunnels erfordern detaillierte Kenntnisse von Geologie, Boden- und Felsmechanik. Die Schätze der Erde wurden für den Menschen von großer Bedeutung, und die Kenntnisse über Vorkommen, Gewinnung, Eigen-schaften und Anwendung wurden zwischen den Generationen weitergegeben und fortentwickelt. Mit der stark zunehmenden Bedeutung von Kohle und Erzen für die Metallverhüttung und für Dampfmaschinen und Eisenbahnen im 19. Jahrhundert sind die Geowissenschaften mit den Fachgebieten Geologie und Paläontologie, Geographie, Mineralogie, Geophysik, Geodäsie, Meteorologie, Bodenkunde, Hydrologie, Geotechnik und Bo-denmechanik entstanden. Die Geologie (gr. gé = Erde, logos = Lehre) ist die Wissenschaft vom Bau und der Entstehungsgeschichte der Er-de. Zur Rekonstruktion der Erdgeschichte sind genaue Kenntnisse der unterschiedlichen Gesteine, ihrer Entste-hung und Zusammensetzung, ihrer Entwicklung im Laufe der Jahrmillionen und ihrer physikalischen und chemi-schen Eigenschaften erforderlich. Durch Studium, Analyse und Kartierung der Art der Gesteine (Petrographie) und ihrer Lagerungsverhältnisse und Entstehungsbedingungen (Stratigraphie, Tektonik, Paläoklimatologie), durch die Erforschung und Klassifizierung der fossilen Lebewelt in den Gesteinsschichten (Paläontologie) und mit chemischen und physikalischen Methoden (Geochemie, Geophysik, Radiometrie) kann eine Systematik und Altersdatierung der Gesteine der oberen Erdkruste vorgenommen werden. Mineralogische, geophysikalische, geographische und kartographische Untersuchungen ergänzen die Geologie und führen zu unserem heutigen Bild von der Entstehung und Entwicklung der Erde, des Klimas und der Lebewelt. Die geologischen und hydrogeologischen Verhältnisse auf der Gemarkung Ludwigsburg sind gut untersucht und auf 4 Kartenblättern mit Erläuterungen der Geologischen Karte von Baden-Württemberg 1 : 25 000 (GK 25) des Landesamtes für Geologie Rohstoffe und Bergbau (LGRB-BW, Freiburg) dargestellt:

- Blatt 7020 Bietigheim-Bissingen - Blatt 7021 Marbach am Neckar - Blatt 7120 Stuttgart Nord-West - Blatt 7121 Stuttgart Nord-Ost

Eine umfassende Übersicht zur Geologie von Ludwigsburg und Stuttgart zeigt die Geologische Karte 1: 50 000 (GK 50) Blatt Stuttgart und Umgebung mit Erläuterungen. H. BRUNNER. 6. Auflage. LGRB-BW, Freiburg, 1998. Weiterreichende und überregionale Details zu Schichtfolge und Schichtaufbau, Tektonik, Fossilien, Hydrogeolo-gie, Rohstoffe, Böden und Baugrund können bei O.F. GEYER & M.P. GWINNER 2011: Geologie von Baden-Württemberg, 5. Auflage und bei M.P. GWINNER & K. HINKELBEIN 1976: Stuttgart und Umgebung, Sammlung Geologische Führer, Bd. 61 nachgelesen werden. Die Baugrundkarte der Stadt Ludwigsburg mit Erläuterungen, 2019, 3. Auflage kann auf der Web-Seite der Stadt eingesehen werden. Einen guten Überblick zu Landschaften und Natur im Landkreis Ludwigsburg gibt das Buch Naturkundliche Wanderungen im Kreis Ludwigsburg von H. GREB, 1993, 4. Auflage. Auf der Gemarkung Ludwigsburg liegen an der Erdoberfläche die jungen und relativ weichen Deckschichten aus dem jüngsten Erdzeitalter des Quartärs diskordant über den wesentlich älteren und oft festeren bis felsartigen Grundschichten aus der Zeit der Trias. Die quartären Sedimente wurden bzw. werden z.T. während der Riß-Kaltzeit und ältere Kaltzeiten und großteils während der letzten Würm-Kaltzeit vor 115.000 - 12.000 Jahren und in den Tallagen bis heute abgelagert. Sie bestehen aus 0,5 m bis über 10 m mächtigen Lösssedimenten, Schotterres-ten, Verwitterungsbildungen, Frostmischböden und Schutt- und Talsedimenten. Darunter liegen die hier insge-samt etwa 660 Meter mächtigen Gesteine des Gipskeupers, des Lettenkeupers, des Muschelkalks, des Buntsand-steins und des Perms. Die Sedimente dieser Gesteine wurden vor etwa 290 - 220 Mio. Jahren in den Zeitperioden von Perm und Trias im großen „Germanischen Sedimentbecken“ abgelagert, das teils vom Meer überflutet, oder als oft abflusslose Tieflandebenen ausgebildet war. Die Sedimente haben sich im Laufe langer Zeiträume zu fels-

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artigen Gesteinen verfestigt. Die harten Karbonatgesteine des Oberen Muschelkalks sind im Neckartal als breit aufgeschlossene und stark geklüftete Felsbänder an den Prallhängen des Flusses zu sehen. Sie bilden zusammen mit den überlagernden und teils stark erodierten Gesteinen des Lettenkeupers und zum Teil des Gipskeupers die Unterlage der Gäuebene. Am Ostrand der Gemarkung trägt die Kuppe des Lembergs eine dünne Bedeckung aus Schilfsandstein, der hier der Rest einer ehemals weitflächig verbreiteten und heute erodierten Sandsteinschicht ist. Dieser "Zeugenberg" ist aufgrund einer engräumigen tektonischen Tieferlegung der Gesteinsschichten und durch anschließende Reliefumkehr bei der Erosion entstanden (Kap. 3.7). Die jüngeren Trias-Schichten und die Schichten aus der Jura-Zeit wurden im Raum Ludwigsburg in den vergangenen 145 Mio. Jahren abgetragen. Die Grundschichten der Trias- und der Jura-Zeit haben in Baden-Württemberg großräumig eine flachwellige Neigung nach Südosten. Zum Schwarzwald hin steigt diese Schichtneigung an. Es gibt auch engräumige und weiträumige Schichtverbiegungen als Mulden- und Sattelstrukturen und Schichtverwerfungen als Graben- und Horststruktu-ren mit Sprunghöhen von wenigen Metern bis über 100 m. 2. Geologischer Bau und Erdgeschichte von Baden-Württemberg Während der mehr als 4 Milliarden Jahre alten Erdgeschichte kam es in und auf der Erdkruste zu großen Struk-turveränderungen. Die Urerde ist kurz nach ihrer Entstehung mit dem etwa gleichgroßen Protoplaneten "Theia" kollidiert und mit diesem verschmolzen. Aus den ins All geschleuderten Trümmern hat sich der Mond gebildet, der die Erdachse stabilisiert und auch mit seiner Gezeitenwirkung maßgeblich zur Entstehung des Lebens beige-tragen hat. Die Erdachse hat seitdem eine Neigung von etwa 23° was die klimatischen Jahreszeiten verursacht. Nach dem Abkühlen der anfangs flüssigen Erdkruste bildeten sich feste Landmassen. Er wird vermutet, dass durch Vulkanausbrüche und Meteoriteneinschläge große Wassermengen in die Ur-Atmosphäre kamen, aus denen Meere entstanden sind. Die ersten Kontinente sind auf dem zähplastischen Erdmantel auseinander und wieder zusammengedriftet. Durch Kontinentalkollisionen wurden Gebirge aufgefaltet und durch Erosion wieder abgetragen. Vulkanausbrüche gestalteten Landschaften und hatten ebenso wie Meteoriteneinschläge und Eiszeiten weitreichende Auswirkungen auf die Landschaftsbildung, auf das Klima und auf die Lebewelt. Aber auch das Leben selbst nimmt Einfluss auf die geologischen, morphologischen und klimatischen Abläufe. Neue Forschungen zeigen, dass Mikroorganismen in der Erdkruste bis in einige Tausend Meter Tiefe nachgewiesen werden können, ebenso in der Atmosphäre in einigen Tausend Metern Höhe. Die Entstehung einiger Minerale wird mit dem Einfluss von Mikroorganismen in Verbindung gebracht. Die britischen Wissenschaftler James Lo-velock und Lynn Margqulis haben in ihren Arbeiten zur Auswirkung des Lebens auf das Klima der Erde auf diese Zusammenhänge hingewiesen und vertreten die Ansicht, dass die Lebewelt in ihrer ganzen Komplexität und Vielfalt entscheidenden Einfluss auf das Klima und wahrscheinlich auch auf einige geologische Vorgänge nimmt (Gaia-Theorie). Lovelock und Margqulis gehen soweit, die Erde als eine Art Superorganismus zu betrachten. Die Lebewelt reagiert nicht nur mit Anpassung, sondern viel flexibler und tiefgreifender auf äußere Gegebenheiten und kann das Klima und damit auch die Landschaftsgestaltung durch Reaktionen der biologischen Regelme-chanismen mit beeinflussen. Sollte diese These zutreffen, hätten wir es auf der Erde mit weit komplexeren Me-chanismen und Interaktionen zwischen Lebewelt, Klima und Landschaftsentwicklung zu tun, als es bisher für möglich gehalten wurde. Die dynamischen Vorgänge und Veränderungen innerhalb und auf der Erdkruste hal-ten an und werden auch in Zukunft die Erde gestalten und verändern. Sie sind für die Entstehung der Gesteine, für die Formung der Landschaften und auch für die Entwicklung der Lebewelt auf der Erde von großer Bedeu-tung. Während die Strukturen und Ablagerungen der ersten Jahrmilliarden der Erdgeschichte heute nur noch an wenigen Stellen fragmentarisch zu sehen sind und nur ein gröberes Bild der damaligen Zeiten rekonstruieren lassen, sind die Zeugnisse der letzten 600 Millionen Jahre zu Geologie, Klima und Lebewelt oft besser erhalten, gut zu erforschen und gut rekonstruierbar. In diesem erdgeschichtlich eher kurzen und Phanerozoikum genann-ten Zeitabschnitt hat sich auch die Lebewelt von primitiven Anfängen ausgehend stark entwickelt (Abb. 5a). Dabei kam es aber immer wieder zu größeren Artensterben auf der Erde, deren Ursachen in großen Meteori-teneinschlägen, starken und länger andauernden Vulkanausbrüchen und exoterrestrischen Ereignissen, wie z.B. Gammastrahlenblitzen (Explosion eines sehr großen Sterns, eventuell mit Bildung eines Schwarzen Loches, Ver-schmelzung von Neutronensternen) vermutet werden. Nach dem letzten großen Artensterben vor 66 Ma, das vermutlich von einem Meteoriten im Golf von Mexiko und von starken und großflächigen Lavaausbrüchen in Indien ausgelöst wurde, sind sehr viele Lebewesen, u.a. die Dinosaurier ausgestorben. Nun konnten sich die

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2.1 Krustenbewegung und Landschaftsbild

Der Aufbau der Erde gliedert sich in Erdkern, Erdman-tel und Erdkruste (Abb. 3). Die zwischen 5 und 80 km mächtige Erdkruste aus leichten, silikatischen Gestei-nen ist in 7 Großplatten und mehrere kleine Platten unterteilt (Abb. 2 und 3). Diese "schwimmen" auf den schwereren Magmagesteinen des Erdmantels und sind, angetrieben durch konvektive Fließbewegungen des etwa 1000 - 3000 °C heißen und sehr zähplasti-schen Magmas mit einer Duktilität vergleichbar der von Siegellack ständig in langsamer vertikaler und horizontaler Bewegung. Die Vertikalbewegungen der Platten liegen bei wenigen mm pro Jahr, die Horizon-talbewegungen liegen bei bis zu 16 cm pro Jahr. Bei der Kollision der Platten werden die dünnen aber schwereren ozeanischen Krustenplatten unter die dickeren aber leichteren Kontinentalplatten in den Erdmantel versenkt (Subduktion). Hier kommt es oft zur Bildung von Tiefseegräben, Inselketten und Gebir-gen mit Vulkanen, wie z.B. in Japan und die Anden. Bei der Kollision von Kontinenten kommt es ebenfalls zur Gebirgsbildung wie z.B. Alpen und Himalaya. Entlang der Plattengrenzen in den Ozeanen kommt es zu Ris-sen im Meeresboden und es tritt Lava aus. Mit dieser Neubildung von Meeresboden driften die Platten langsam auseinander. Es bildeten sich weltumspan-nende Bruchsysteme, die ozeanischen Riftsysteme mit mächtigen mittelozeanischen Gebirgsrücken. Im Be-reich dieser ozeanischen Riftsysteme hat sich tief am Meeresgrund im Umfeld der oft sehr heißen vulkani-schen Aktivitäten eine reiche Lebewelt entwickelt, die ihre Energie unabhängig von der Sonne aus chemi-schen Prozessen wie z.B. durch die Oxidation von Schwefelverbindungen gewinnt. Es wird diskutiert, ob hierin nicht der Ursprung des Lebens liegen könnte. Beim Auseinanderdriften kontinentaler Platten ent-stehen kontinentale Riftsysteme wie das ostafrikani-sche Grabensystem und das Rote Meer. Auch inner-halb der Platten bilden sich oft Bruchstrukturen, wie z.B. das "Europäische Känozoische Riftsystem" mit

Rhonegraben, Bressegraben, Oberrheingraben und Niederrheingraben. Oft kommt es auch zu weiträumi-gen Hebungen oder Absenkungen der Erdkruste wie z.B. beim äthiopischen Hochland, beim Kongo-Becken und beim Mississippi-Becken. In die so entstandenen Gräben und Becken dringen Flüsse oder das Meer ein und es bilden sich über lange Zeiträume mächtige Sedimentablagerungen, die von den umgebenden Festlandsgebieten abgetragen und abgeschwemmt werden. Diese Sedimente werden mit der Zeit ent-wässert, kompaktiert und zu geschichteten Gesteins-paketen verfestigt. Nach einer tektonischen Hebung und Trockenfallen dieser Gebiete, verursacht durch Plattenbewegungen und Gebirgsbildungen, werden die abgelagerten Gesteine durch die Erosion von Was-ser, Eis und Wind wieder abgetragen (Kreislauf der Gesteine, Abb. 27). Im kleinräumigen Maßstab kommt es innerhalb der Erdkrustenplatten zur Bildung von Schichtverbiegungen, die als Mulden- und Sattelstruk-turen bezeichnet werden und zu horizontalen und vertikalen Schichtversetzungen, die als Verwerfungen bezeichnet werden. Diese sind oft als Graben- und Horststrukturen mit wenigen Metern bis über 100 m Sprunghöhe angelegt (Abb. 4). Diese dynamischen Bewegungsvorgänge innerhalb der Erdkruste werden unter dem Begriff "Tektonik" (= die Baukunst betref-fend) zusammengefasst. Sie haben im Zusammenwir-ken mit der Verwitterung und der Abtragung der Ge-steine maßgeblichen Einfluss auf die Gestaltung von Flusssystemen und Landschaften. Das Zusammenspiel dieser Kräfte führte gegen Ende der erdgeschichtli-chen Zeitära des Paläozoikums ("älteres Leben" -> Erdaltertum) vor etwa 255 Millionen Jahren im Raum des heutigen Mitteleuropa zur Bildung des so genann-ten "Germanischen Beckens" als flache Einsenkung und Randmeer des großen und südöstlich gelegenen "Tethys-Ozeans". Die Landmasse der Erde waren zu dieser Zeit zum Großkontinent "Pangäa" vereinigt, und sind dann im Laufe der vergangenen 200 Millio-

damals noch unbedeutenden und kleinen Säugetiere ohne Konkurrenz entwickeln und spielen seitdem auf der Erde eine große Rolle. Durch den zunehmenden Einfluss des Menschen seit etwa 8000 Jahren sind aus den eher eintöni-gen Wald- und Sumpflandschaften Deutschlands und Mitteleuropas facettenreiche und oft reizvolle Kulturland-schaften mit neuen Habitaten und Biotoptypen entstanden. Die Vielfalt von Tier- und Pflanzengemeinschaften hat, wie auch in den landwirtschaftlich genutzten Alpenregionen, zunächst zugenommen. Seit der Mitte des 20. Jahr-hunderts verschlechtern sich diese Bedingungen aber wieder wegen der wachsenden Bevölkerung, einhergehend mit Flächenverbrauch und der intensiven Landwirtschaft. Bei Renaturierungsprojekten muss die Frage einer damit eventuell zurückgehenden Biodiversität beachtet werden. Die Waldflächen in Deutschland waren im frühen Mit-telalter v.a. wegen dem intensiven Schiffbau, z.B. für die holländische Flotte und wegen der Holzkohleherstellung für die Eisen- und Glasverhüttung bis auf Reste verschwunden und sind seither und auch aktuell im Wachsen be-griffen.

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nen Jahre zu den heutigen Kontinenten auseinander- gedriftet (Abb. 3). Das Germanische Becken erstreckte sich von England und von Skandinavien bis nach Po-len, nach Süddeutschland und nach Burgund (Abb. 6). Im Laufe der Zeit wurden hier die oft über 2000 m mächtigen Sedimentschichten des Mesozoikums (mittleres Leben -> Erdmittelalter) in den Zeitabschnit-ten von Trias, Jura und Kreide abgelagert. Gegen Ende der Jura-Zeit vor 145 – 140 Millionen Jahren wurden Teile dieses Beckens in Süddeutschland über den Meeresspiegel herausgehoben und unser Land ist seitdem Abtragungsgebiet. Durch die starke Heraus-

Abb.2: Schalenbau der Erde. Die, relativ starren und leichten Platten der Erdkruste "schwimmen" auf den zähplastischen und schwereren Gesteinen des Erdman-tels und werden durch sehr langsame Konvektionsströmungen im heißen und plastischen Erdmantel bewegt. Bei der Mantelkonvek-tion geht man heute davon aus, dass sie nicht in zwei Ebenen (geschichtete Konvektion), wie oben dargestellt, sondern eher in einer Ebene mit großen Zirkulationswalzen abläuft. Man nimmt an, dass sich der Erdmantel im Laufe der 4,6 Milliarden Jahre andauern-den Erdgeschichte durch die Konvektion etwa ein Mal komplett umgewälzt hat. Der Erdkern besteht aus ca. 80 % Eisen mit ca. 20 % Nickel und mit Spuren anderer Metalle. Der äußere Kern ist flüssig, der innere Kern ist aufgrund des hohen Drucks fest. Die Strömungen im flüssigen äußeren Kern erzeugen zusammen mit dem festen inneren Kern das Erdmagnetfeld, das die Erdoberfläche mit ihrer Lebewelt von den schädlichen ionisierenden Strahlungen der Sonne und aus dem Weltall abschirmt. Die hohen Temperaturen im Erdinneren stammen noch aus dem Bildungsprozess des Planeten und werden durch Reibung und durch den Zerfall von radioaktiven Isotopen der Elemente Uran, Thorium und Kalium stabil gehalten. Die Erde besteht zu 90 % aus den Elementen Eisen, Sauerstoff, Silizium und Magnesium. In den Mineralstrukturen von Erdkruste und Erdmantel sind auch große Mengen an Wasser gebunden, die bei plattentektonischen und bei vulkanischen Vorgängen eine große Rolle spielen. Diese Wasser stammt zu einem Teil aus den bei der Plattensubduktion in den Erdmantel versenkten Meeressedimen-ten. Die Erdplatten, oft Ozeanböden, werden weniger geschoben, sondern ziehen durch ihr Gewicht die daran hängende Platte an der Subduktionszone aktiv in die Tiefe. Die Erdkrustenplatten, die durch die Plattenbewegungen und Plattenkollisionen in den Erd-mantel versenkt (subduziert) werden, schmelzen nicht sofort auf, sondern versinken in zerbrochenen und angeschmolzenen Teilen langsam in die Tiefen des Mantels und auch bis zur Mantel-Kern-Grenze. Damit werden die wasserhaltigen Sedimente in große Tiefen transportiert. Einige Vulkane auf der Erde sind stationär und wandern über die Jahrmillionen nicht mit der Kontinentaldrift der Kruste mit. Ursächlich ist ein sogenannter Mantelplume. Hier steigt sehr heißen Mantelmaterial von der heißen Grenze zum Erdkern schlotartig bis zur Erdkruste auf und bricht als Hot-Spot-Vulkan aus. Das führt über die Jahrmillionen zur Bildung von charak-teristischen Vulkaninselketten wie z.B. die Malediven, die Hawaii-Inseln und andere Inseln im Pazifik. Auch die Yellowstone-Caldera, die Vulkane in der Auvergne und die Bildung des Zentralafrikanischen Grabens mit dem Kilimanjaro-Vulkan (Afrikanischer Megaplu-me) sind durch Plumes entstanden. Ebenso wird die Kontinentaldrift, z.B. das Aufreißen des Atlantiks mit einem Mega-Plume in Verbindung gebracht (siehe Kap. 5.7). Grafik farbig ergänzt und aktualisiert nach D. Richter (1992): Allgemeine Geologie, 4. Aufl. De Gruyter, Berlin.

800– 1500 °C

2,6 – 3,3 g/cm3

bis 70 GPa

1500 - 3500 °C 3,3 – 6 g/cm3

bis 100 GPa

3500 - > 6000 °C

10 – 13 g/cm3

Druck 200 - 365 GPa

Alte, subduzierte ozeanische Platte

Aufsteigender Mantelplume, Hot-Spot

hebung von Vogesen, Schwarzwald und Odenwald kam es in der Paläogen-Zeit vor etwa 45 Millionen Jahren zum Einbrechen des Oberrheingrabens als Ge-wölbescheitelbruch verbunden mit einer pultschol-lenartigen Verkippung der ursprünglich horizontal abgelagerten Sedimentschichten in Baden-Württem-berg nach Südosten. Innerhalb der europäischen Erdkrustenplatte ist durch tektonische Vorgänge auch im Zusammenhang mit der Bildung der Alpen schließlich die "Süddeutschen Scholle" entstanden, die weite Bereiche von Baden-Württemberg und Bayern umfasst (Abb. 4, 4b).

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Abb. 3: Plattentektonik und Kontinentaldrift - Die Wanderung der Kontinente. Nach der Bildung der festen Erdkruste vor etwa 4,4 Milliarden Jahren sind einzelne Erdkrustenplatten, sogenannte Kratone entstanden. Diese begannen sich vor ca. 3,5 Mia Jahren, angetrieben durch Konvektionsströmungen im heißen und plastischen Erdmantel gegenei-nander zu bewegen und tun das bis heute. Vor 2,6 Mia. Jahren, vor 1,8 Mia. Jahren und vor 1,1 Mia. Jahren haben sich diese Kratone und die sich darauf entwickelnden Kontinente zu den Großkontinenten "Ur", "Columbia" und "Rodinia" zusammengeschoben. Rodinia ist vor 750 Mio. Jahren wieder zerfallen und die Kontinente haben sich wieder über die Erde verteilt.

Bild 1: In der Zeit von Devon bis zur Frühen Trias vor ca. 400 - 250 Mio. Jahren wurden die einzelnen Kontinente wieder zu einem Groß-kontinent zusammengeschoben, der "Pangäa" genannt wird und der von einem großen Meer -Panthalassa- umschlossen wurde. Bei die-sen Kontinentalkollisionen kam es zur variszischen Gebirgsbildung während der Devon- und Karbon-Zeit, die hier gelb gestrichelt darge-stellt ist. Die Klimabedingungen im Zentrum dieses Großkontinents waren sehr heiß und trocken, so dass sich das Leben bevorzugt an den tropisch-warmen Kontinentalrändern und im Meer entwickelt hat. Die variszischen Hochgebirge werden seit der Perm-Zeit abgetragen und sind heute nur noch als flachere Mittelgebirge (Appalachen, Ural, Schwarzwald) erhalten, oder schon unter Sedimenten begraben. Das Tethys-Meer ist ein Nebenmeer von Panthalassa, von dem später das heutige Mittelmeer als Restmeer übriggeblieben ist. Im Zuge der Westausdehnung der Tethys hat sich das Germanische Becken durch Dehnungen in der Erdkruste gebildet (roter Kreis). # = Flutbasaltausbruch in Sibirien vor 250 Ma (Sibirischer-Trapp).

Bild 2: Ab der Zeit der Späten Trias wurde das Auseinanderbrechen von Pangäa in die Teilkontinente Laurasia und Gondwana durch das Öffnen von Spalten und durch die Förderung von Lava eingeleitet. Der Atlantik ist entstanden.

Bild 3: In der Zeit der Späten Kreide vor 70 Ma hat sich nach dem Nordatlantik auch der Südatlantik geöffnet und verbreitert. Indien hat sich von Afrika gelöst, ist schnell nach Norden gedriftet und ist unter der Bildung des Himalaja-Gebirges und des Tibetischen Hochlandes mit Asien kollidiert. Die afrikanische Platte ist mit der europäischen Platte kollidiert, und die überwiegend im Tethys-Meer abgelagerten, mächtigen Gesteinsserien haben sich zu den Alpen aufgefaltet und überschoben (Kap. 6). = Meteoriteneinschlag in Yucatán vor 66 Ma. # = Flutbasaltausbruch im westlichen Indien vor 66 Ma (Dekkan-Trapps).

Bild 4 zeigt die heutige Situation mit den Plattengrenzen - punktiert - und mit den jungen alpidischen und etwa gleichaltrigen Gebirgen - gelb punktiert. Die Pfeile zeigen die Plattenbewegungen. In den kommenden Millionen Jahren werden die Kontinente weiterdriften. Durch die weitere Nordwanderung der afrikanischen Platte mit bis zu 6 mm/Jahr gegen die europäische Platte wird das Mittelmeer ver-schwinden und es wird ein weiteres großes Gebirge am Südrand der Alpen entstehen. Australien wird mit Südostasien kollidieren und Südamerika vereinigt sich mit Nordamerika, wobei das Karibische Meer verschwindet. In etwa 250 Mio. Jahren entsteht so möglicher-weise wieder ein Großkontinent.

Auf U-Tube sind anschauliche paläogeographische Animationen der Kontinentaldrift des Geologen C. Scotese zu sehen. https://www.youtube.com/watch?v=mzbobwsFMpw Und hier die Entstehung der Alpen https://www.youtube.com/watch?v=Bh7-IjKsgUs

Panth

ala

ssa

Tethys

Permo-Karbon-Vereisung

vor 300 Ma

1) Perm bis Trias

vor 299 - 201 Ma

Pangäa ist entstanden

Cimmeria Pazifik

Atlantik

Indik

Neo-Tethys

Pazifik

3) Späte Kreide

vor ca. 75 Ma

(Meerestransgression)

Gondwana ist zerfallen

Alpidische

Gebirgsbildung

Nordmeer

polare Eiskappe

im Südwinter

4) Die Erde

Heute

polare Eiskappe

im Nordwinter

Neo-Tethys Pazifik

Atlantik

Gondwana

Laurentia

Indik

Eurasia

2) Später Jura

vor ca. 150 Ma Pangäa zerfällt

Varizisches Hochgebirge

Germanisches Becken

Pan

gäa

Meteoriten- Einschlag

#

#

11

Die intervallartige, tektonische Hebung von Süd-deutschland ab der Kreide-Zeit führte zur verstärkten Abtragung der Gesteine und zum Einschneiden der Flusssysteme von Ur-Rhein und Ur-Donau durch rück-schreitende Erosion. Im Bereich der entstehenden Hochgebiete von Schwarzwald und Odenwald wurden die Sedimentschichten so weit abgetragen, dass die Gneis- und Granitbasis des variszischen Gebirges wie-der zutage tritt. Die starke Hebung von Schwarzwald und Odenwald führte ab der Kreide-Zeit auch zur fla-chen Einkippung der ehemals weitgehend horizontal abgelagerten Sedimentschichten nach Südosten. We-gen der noch stärkeren Hebung des Südschwarzwaldes fallen die Schichten dieses Tafeldeckgebirges dort

steiler ein, als in den mittleren und nördlichen Landes-teilen. Das führte in Verbindung mit der unterschiedli-chen Abtragungsgeschwindigkeit der unterschiedlich widerstandsfähigen und wasserdurchlässigen Sedi-mentgesteine zur Bildung eines Schichtstufenlandes mit einer asymmetrischen Auffächerung der Schicht-stufen nach Nordosten. Dieses Zusammenspiel von Hebung und Schrägstellung durch Krustenbewegungen mit der Abtragung der Gesteinsschichten durch Bäche und Flüsse hat im Laufe der Jahrmillionen das "Schwä-bisch-Fränkische Schichtstufenland" mit seinen Ver-ebnungsflächen und Steilstufen geschaffen, das sich vom Klettgau bis zur Rhön erstreckt (Abb. 7 und 8).

Abb. 4: Die tektonischen Strukturen in Süddeutschland. Fast ganz Baden-Württemberg und weite Teile von Bayern liegen im Bereich eines Erdkrustenteils, der "Süddeutschen Scholle" genannt wird (im Bild grün). Diese bildet ein Dreieck zwischen Oberrheingraben, Alpen, Böhmischer Scholle, Sächsischer Scholle, Soling Scholle und Rheinischem Schie-fergebirge. Der nordwärts gerichtete Druck der afrikanischen Kontinentalplatte, der auch für die Auffaltung der Alpen verantwortlich ist, und der südostwärts gerichtete Druck der Mittelatlantischen Schwelle zerscherte die Europäische Kontinentalplatte in zahlreiche Brüche und Gräben. "Das setzte die gesamte süddeutsche Lithosphäre unter Spannung und führte zu einer Aufwölbung der Erdkruste um 1000 m und im Südschwarzwald um bis zu 2000 m. Die Süddeutsche Scholle riss am Oberrheingraben von Westeuropa ab und wurde seither wie ein Keil nordwärts in die mitteleuropäi-sche Kruste vorgetrieben" (Zitat aus Geyer/Gwinner, Geolo-gie von Baden-Württemberg, 2011, 5. Auflage, Seite 294.) Das Schollenmosaik der Süddeutschen Scholle ist in fraktaler Hierarchie vom Satellitenbild bis zur mikroskopischen Probe erkennbar. Der tektonische Bau, also Brüche und Gräben, Mulden und Sättel, Gewölbe, Falten, Abschiebungen und Aufschiebungen und auch die Gesteinsklüfte haben maßgeb-lichen Einfluss auf die Verwitterung und Abtragung und damit auch auf die Richtungen der Flüsse und letztlich auf das Gesicht der Landschaft. Das kleine Bild rechts oben zeigt die Spannungsverhältnisse in Mitteleuropa und den linkssei-tigen Versatz um ca. 30 km am Oberrheingraben. Die weißen Pfeile zeigen die Einspannung der Krustenteile (Blöcke) zwi-schen der afrikanischen Platte mit den Alpen und dem nord-europäischen Plattenteil. Der schwarze Pfeil deutet die Be-wegung als Reaktion darauf an. Die Erdbebengebiete sind schraffiert. Die Bewegungen der Erdkruste sind auch heute noch aktiv. Der Südschwarzwald hebt sich mit 0,1 mm pro Jahr und der Oberrheingraben verbreitert und senkt sich mit 0,1 mm/a. Die Alpen heben sich mit ca. 0,3 - 1,8 mm pro Jahr → über 1000 m/Mio. Jahre, die Erosion liegt dort bei 0,2 - 0,4 mm/a. Die Apulisch-Afrikanische Platte schiebt sich mit bis zu 6 mm/Jahr nach Norden gegen die Alpen und die Europäische Platte (Abb. 4a, Kapitel 6).

Grafik ergänzt aus: C. Stier, H. Behmel & U. Schollenberger (1989): Wüsten, Meere und Vulkane, Baden-Württemberg in Bildern aus der Erdgeschichte. Peter Groh-mann, Stuttgart. Nach O.F. Geyer & M.P. Gwinner (1991) und W. Carlè (1950).

Ludwigsburg

e-

Becken

Abb.4a: Geologischer Tiefenschnitt Südwestdeutschland - Alpen - Norditalien. Der nicht überhöhte Nord-Süd-Schnitt zeigt das Abtauchen der Europäischen Erdkrustenplatte unter die Afrikanische Platte im Bereich der Südalpen. Grafik ergänzt aus O.F. Geyer & M.P. Gwinner (2011): Geologie von Baden-Württemberg, 5. Aufl., Schweizerbart, Stuttgart.

Europäische Platte

Apulisch-Afrikanische

Platte 50

12

2.2 Der Aufbau des Untergrundes Der Geologe nennt den inneren Bau des Untergrundes "Gebirge", auch wenn kein Bergland im geographischen Sinne aufragt. Im oberen Bereich der Erdkruste sind in Baden-Württemberg zwei übereinander liegende geolo-gische Baueinheiten zu unterscheiden: Das ältere "kristalline Grundgebirge" (Grundgebirgssockel) und das jün-gere "sedimentäre Deckgebirge" (Sedimenthülle). Das Grundgebirge wurde im Schwarzwald und im Odenwald tektonisch um 1000 - 2000 m emporgehoben. Wegen der dadurch stark beschleunigten Abtragung der Sedi-menthülle wurde das harte Gneis- und Granit-Grundgebirge dort freigelegt und es haben sich kuppige Wald- und Bergwiesenlandschaften mit tief eingeschnittenen Tälern entwickelt. Im Bereich des östlich anschließenden Tafeldeckgebirges mit seinen unterschiedlich harten und unterschiedlich erosionsbeständigen Sedimentgestei-nen hat sich, oft abhängig von den Gesteinsarten und deren Bodenbildungen, eine teils landwirtschaftlich ge-nutzte und teils bewaldete Schichtstufenlandschaft entwickelt. Das mit glazial-fluviatilen Sedimenten aus den Kaltzeiten überprägte und über 5000 m tiefe Molassebecken in Oberschwaben ist eine Akkumulationsland-schaft, das mit dem Abtragungsschutt der Alpen aufgefüllt wurde (Abb. 9 und Kap. 6). 2.2.1 Grundgebirge Die Gneis- und Granitgesteine unter der Sedimenthül-le werden als Grundgebirge bezeichnet. Es handelt sich um sogenannte Kristallingesteine, bei denen sich die Minerale bei der Gesteinsentstehung in großer Tiefe durch langsame Kristallisation aus einer Ge-steinsschmelze oder durch Umkristallisation bei der Gesteinsmetamorphose (Umwandlung) gebildet ha-ben. Diese Minerale sind im Gestein oft gut sichtbar, im Gegensatz zu den oft sehr kleinen Mineralen der Sedimentgesteine, die durch Verwitterung und Abtra-gung zersetzt und zerrieben wurden oder sekundär neu entstanden sind. In Baden-Württemberg sind die Grundgebirgsgesteine die Reste eines durch die Ab-tragung eingeebneten ehemaligen Faltengebirges. Dieses "Variszische Gebirge" bildete in der Zeit des Paläozoikums vor 400 bis 300 Millionen Jahren über weite Bereiche des heutigen Nordamerika, Europa und Asien einen Hochgebirgsgürtel, ähnlich wie heute die Alpen (Abb. 3-1). Seit der Abtragung dieses Gebir-ges vor etwa 250 - 300 Millionen Jahren wurden die in der Tiefe liegenden Kristallingesteine an vielen Stellen freigelegt. In Baden-Württemberg besteht dieses Grundgebirge zu 2/3 aus Gneisen und zu 1/3 aus Gra-niten. Die Gneise sind metamorphe Gesteine, die durch die Umwandlung älterer Sedimentgesteine und Magmatite entstanden sind. Diese Ausgangsgesteine wurden in Süddeutschland durch tektonische Vorgän-ge in 10 bis über 30 Kilometer Tiefe versenkt, auf 500 °C und stellenweise bis auf über 800 °C erhitzt und

hohen, gerichteten Drücken mit bis zu 1,4 GPa ausge-setzt. Durch diese Beanspruchungen haben sich ande-re Mineralgefüge gebildet (Rekristallisation), oder es sind vollkommen neue temperatur- und druckstabile Minerale entstanden. Alle vorhergehenden Gesteins-strukturen und Fossilien wurden dabei zerstört. Es kam aber nicht zur vollkommenen Gesteinsauf-schmelzung. Metamorphe Gesteine sind oft an ihrer Schieferstruktur zu erkennen, die durch eine nahezu parallele Ausrichtung der neu gebildeten Kristalle durch einseitig gerichteten Druck und durch die ho-hen Temperaturen entstanden ist. Die Granite wer-den als plutonisch-magmatische Gesteine (Tiefenge-steine, Erstarrungsgesteine, Intrusionsgesteine) be-zeichnet. Sie sind in Süddeutschland während der variszischen Gebirgsbildung in Bereichen von tektoni-schen Schwächezonen in glutflüssigem Zustand aus großer Tiefe aufgestiegen. Dabei haben sie die älteren Gneise durchschmolzen und sind dann noch tief in-nerhalb der Erdkruste unter hohem und allseitigem Druck langsam zu grobkristallinen Festgesteinen mit einem richtungslos körnigen Mineralgefüge erstarrt (Abb. 7). Durch Landhebung, Gebirgsbildung, Verwit-terung und Abtragung kommen die Gneise und die Granit-Plutone mit der Zeit an die Erdoberfläche und bilden charakteristische Gebirgslandschaften, wie z.B. im Rheinischen Schiefergebirge, Bayerischen Wald, Odenwald, Schwarzwald und in Teilen der weltweiten Mittel- und Hochgebirge.

2.2.2 Deckgebirge

Vor ca. 280 Mio. Jahren war das an der Oberfläche anstehende "kristallinen Grundgebirge" in Baden-Württem-berg durch Erosion flachwellig eingeebnet. Durch Dehnungsvorgänge in der Erdkruste im Zuge der Westwanderung des Tethysmeeres hat sich dann das Germanische Becken eingesenkt. Dort wurden nun bis zum Beginn der Kreide-Zeit vor 145 Mio. Jahren bis über 2000 m mächtige Sedimente abgelagert. Diese Sedimenthülle wird als "Deckge-birge" bezeichnet. Das Grundgebirge und die oft verfestigten und felsartigen Sedimente des Tafeldeckgebirges bis zum Ende der Neogen-Zeit werden als "Grundschichten" bezeichnet. Darüber liegen die meistens locker gelagerten Sedimente aus der Quartär-Zeit vor 2,6 Mio. Jahren bis heute, die als "Deckschichten" bezeichnet werden.

13

Sedimentäre Grundschichten Während der langsamen und schubweisen Einsenkung des Germanischen Beckens in der Zeit des Mesozoi-kums, verursacht durch Krustendehnungen ab der Perm-Zeit, kam es über einen Zeitraum von etwa 140 Mio. Jahren zur Ablagerung von stellenweise über 2.000 m mächtigen Sedimentschichten. Diese wurden teils unter flacher Meeresbedeckung (marine und brackische bzw. überwiegend chemische und che-misch-biogene Sedimente) und teils unter dem Ein-fluss von oft abflusslosen Tiefland-Flusssystemen (ter-restrische, fluviatile, limnische, deltaische bzw. über-wiegend klastische Sedimente - Abb. 7) abgelagert. Die Klimaverhältnisse waren warm und trocken und oft wüstenhaft mit episodischen Starkregenfällen und Sturzfluten (arides bis semiarides Klima). Die Ursache für dieses Klima war die langsame Wanderung der europäischen Erdkrustenplatte seit dem Ende der Karbon-Zeit aus der tropisch-feuchten Äquatorregion nach Norden in die subtropische Wüstenzone (Abb. 3a). Die Einsenkung des Germanischen Beckens wurde durch die Aufschüttung der Sedimente mal mehr und mal weniger stark kompensiert, so dass die Sedimen-tationsoberfläche oft knapp über dem Meeresspiegel oder flach darunter lag (Tiefland, Schelfmeer). Die weichen, feinkörnigen und locker gelagerten Sedi-mente wurden mit zunehmender Überdeckung mit der Zeit durch den Prozess der "Diagenese" (Verdich-tung) verfestigt. Die Sedimente wurden durch den Druck der überlagernden Schichten entwässert und kompaktiert. In den winzigen Zwischenräumen der Sedimentkörner wurden durch Lösungsvorgänge und durch Umkristallisation und Sammelkristallisation neue Kristalle gebildet (Kalk, Quarz, Tonminerale), die das Sediment zu festem Gestein verkittet haben. Die Sedimente des Mesozoikums werden in die Zeitperio-den Trias (Buntsandstein, Muschelkalk, Keuper), Jura

und Kreide untergliedert (Abb. 5a). Im außeralpinen Deutschland werden die unter festländisch-fluviatil-limnischen und unter flachmarinen Bedingungen ab-gelagerten Gesteine der Trias als "Germanische Trias" bezeichnet. Im weiter südlich gelegenen und oft tiefe-ren Meeresbecken der Tethys wurde die "Alpinen Trias" unter marinen Bedingungen abgelagert. Am Übergang von der Jura-Zeit zur Kreide-Zeit vor etwa 145 bis 140 Mio. Jahren kam es in Süddeutschland zu einer stärkeren Heraushebung der Erdkruste über den Meeresspiegel und damit zum Ende der flächenhaften Sedimentation. Mögliche Ablagerungen aus der Krei-de-Zeit sind hier der Abtragung zum Opfer gefallen. In der Zeitära des Känozoikums ("jüngstes Leben" -> Erdneuzeit) hat sich vor 40 bis 5 Millionen Jahren während der Paläogen- und Neogen-Zeit (früher Terti-är-Zeit genannt) das Alpenvorland der Schweiz, Ober-schwabens und Bayerns wieder abgesenkt. Ursache waren u.a. Massenausgleichsvorgänge im Zuge der alpinen Gebirgsbildung. In diesem "Nordalpines Mo-lassebecken" genannten Bereich wurde der Abtra-gungsschutt der rasch aufsteigenden Alpen als bis über 5.000 m mächtige, sandig-tonige, teils karbonati-sche und alpennah auch konglomeratische Schichten abgelagert. Das geschah teils unter flacher Meeresbe-deckung, in ausgedehnten Seen- und Flusslandschaf-ten und durch mächtige kiesig-sandige Schichtfluten aus den Alpen heraus, z.B. der Hochgrat-Schwemm-fächer zwischen Kempten und Isny und der Hörnli-Schwemmfächer in der Schweiz. Auch der einbre-chende Oberrheingraben wurde in dieser Zeit vom Meer überflutet und mit dem bis über 4.000 m mäch-tigem Abtragungsschutt aus den umgebenden und aufsteigenden Hochländern und Mittelgebirgen aufge-füllt.

DECKSCHICHTEN

Lockergesteine und verfestigte Schotter des Quartärs, umgelagerte Grundschichten, bis 2,6 Mio. Jahre alt.

GRUNDSCHICHTEN

Überwiegend Festgesteine und Halbfestgesteine, älter als 2,6 Mio. Jahre.

DECKGEBIRGE

(Sedimenthülle) Sedimentgesteine, schwach metamorphe Sediment-gesteine und vulkanische Gesteine.

GRUNDGEBIRGE

(Sockel, Basement) Metamorphe und plutonische Kristallingesteine.

Die Einteilung von Grundgebirge und Deckgebirge in Süddeutschland

• Quartär -> Holozän und Pleistozän

• Paläogen und Neogen, in Ludwigsburg nicht abgelagert

• Kreide, in Bad.-Württ. nur vereinzelt abgelagert

• Jura, in Ludwigsburg abgetragen

• Trias -> Keuper, Muschelkalk, Buntsandstein

• Perm, Karbon, Devon, in Bad.-Württemberg stellenweise abgelagert und erhalten

• Gneise und Granite des Grundgebirges

14

Deckschichten Gegen Ende der Neogen-Zeit vor ca. 3 Mio. Jahren ist das langandauernde, warme Erdklima aus unter-schiedlichen Gründen langsam kälter geworden. Wäh-rend der Zeitperiode des Quartärs vor 2,6 Mio. Jahre bis heute wurden im "Pleistozän" (Eiszeitalter - "Das am meisten Neue") in ganz Deutschland die vielfälti-gen Deckschichten-Sedimente der Kaltzeiten und der dazwischen liegenden Warmzeiten auf den wesentlich älteren und schon stark erodierten Grundschichten diskordant abgelagert. In über 10 Kaltzeiten (Glaziale) von jeweils 100.000 bis 200.000 Jahren Dauer schoben sich mächtige Gletscher vom skandinavischen Schild nach Norddeutschland vor. In Oberschwaben und in Bayern traten die Gletscher aus den Alpen ins Flach-land und stellenweise bis über die Donau heraus. Der Feldberg im Südschwarzwald trug dann ebenfalls eine Eiskappe und die Hochlagen im Nordschwarzwald waren mit zahlreichen kleinen Kar-Gletschern be-deckt. Die Gletscher hinterließen nach jedem Vorstoß ihre Ablagerungen aus kuppigen und weitgeschwun-genen Moränenzügen, tiefreichenden Beckentonen mit Torfablagerungen und Seen und aus langgezogen abgelagerten und ebenen Schmelzwassersedimenten aus sandigen Flussschottern. In den nicht vom Eis be-deckten sogenannten "Periglazialgebieten", so auch in Ludwigsburg, herrschte ein kaltes und trockenes Tun-dra- und Steppenklima mit bis zu 100 m tiefem Perma-

frost und mit einem spärlichen Bewuchs mit Gräsern und Sträuchern. Auf dieser Landoberfläche haben sich durch sommerliche Frost-Tau-Wechsel und durch Verwitterungs-, Umlagerungs- und Fließvorgänge Frostmischböden, Frostschuttdecken, Fließerden und Schuttmassen gebildet. Darüber wurden in weiten Bereichen feinkörnige Lösssedimente durch Staub-stürme herantransportiert und abgelagert, die schließ-lich eine mehrere Meter dicke Schicht gebildet haben. An den Talflanken lagerte sich lehmig-steiniger Hang-schutt ab. Die Kaltzeiten wurden von den 10.000 bis 30.000 Jahre andauernden Warmzeiten (Interglaziale) unterbrochen. Im dann warmen und feuchteren Klima waren die kaltzeitlichen Ablagerungen besonders in-tensiv der Verwitterung und Bodenbildung ausgesetzt und in den Flusstälern wurden sandige Schotter mit Torflinsen und Auenlehme abgelagert. Diese kaltzeitli-chen Ablagerungen und Verwitterungsbildungen ha-ben maßgeblich zur Bildung der fruchtbaren Böden in Süddeutschland beigetragen. Die Jetzt-Zeit wird als "Holozän" ("Das ganz Neue") bezeichnet und zählt seit dem Ende der "Würm-Kaltzeit" vor etwa 11.700 Jah-ren. Das Holozän ist eine Warmzeit, auf die in einigen tausend Jahren vermutlich die nächste Kaltzeit folgen wird.

Abb.4b: Geologischer Schnitt Vogesen Rhein, Schwarzwald, Gäuflächen, Schwäbische Alb, Oberschwaben, Alpen (ca. 10-fach überhöht). Das ältere kristalline Grundgebirge aus Gneisen und Graniten, das in Schwarzwald und Vogesen durch Plattenbewegungen herausgehoben ist, ist rot dargestellt. Dazwischen liegt der tiefe und mit mächtigen Sedimenten aufgefüllte Grabenbruch des Oberrheins. Das über dem Grundgebirge liegende und damit jüngere, sedimentäre Deckgebirge ist farbig dargestellt. Die pultschollenartige Verkippung des Tafeldeck-gebirges nach Südosten und die Bildung der Schichtstufenlandschaft durch Erosion ist im Schnitt gut zu erkennen. Näheres dazu bei Abb. 9. Die oft mehrere Meter mächtigen Lehm-, Löss- und Schuttsedimente, die weite Landesteile an der Oberfläche bedecken, sind hier nur ansatzweise darstellbar (siehe Abb. 17 + 19). VM = Vorlandsmolasse, AM = Aufgerichtete Vorlandsmolasse, FM = Faltenmolasse. Abb. 17 zeigt die jungen Deckschichten aus Lösssedimenten, Hangschutt und Talsedimenten über den älteren Grundschichten des Deckgebirges. Profilschnitt verändert und ergänzt nach O.F. Geyer & M.P. Gwinner (1991): Geologie von Baden-Württemberg. 4. Aufl. Schweizerbart, Stuttgart.

15

Gesteinsfolge von Jünger nach Älter Jura-Schichtstufe Schwäbisch-Fränkische Alb - Albtrauf

- Filderebene

- Albvorland

Abb. 5: Schematische Profildarstellung der Schichtfolge in Baden-Württemberg vom Grundgebirge bis zum Jura. Diese Abbildung und die Fortsetzung auf der folgenden Seite zeigen schematisch die Lage und die Abfolge der geologischen Sedimentschichten der Zeitperioden von Perm, Trias und Jura über dem kristallinen Grundgebirge aus Gneisen und Graniten. Geschlungene Linien = Schwammkalke; Mauersignatur = Karbonatsteine (Kalke und Dolomite); Punktsignatur = Sandsteine; enge Horizontallinien = Ton- und Mergelsteine; Kreuze = Grundgebirge unter dem Deckgebirge. Bei den Zeitsystemen, hier Trias und Jura wurden die Untergliederungen der Serien in „Unter, Mittel und Ober“ in der neueren Literatur durch „Früh, Mittel und Spät“ ersetzt. (Abb. 5a). Die Farbgebung entspricht den Abb. 4, 8 und 9. Abbildungen verändert und ergänzt aus: H. Behmel, M.P. Gwinner, K. Hinkelbein, W. Siewert (1979): Geologie, eine Einführung für Studierende. - Arbeiten aus dem Institut für Geologie und Paläontologie an der Universität Stuttgart (Hrsg.), Neue Folge 73.

Hangende Bankkalke- Formation Zementmergel-Fm. Massenkalk-Fm. Mergelstetten- Fm. Liegende Bankkalke-Fm. Obere Felsenkalke-Fm. Untere Felsenkalke- Fm. Lacunosamergel-Fm. Wohlgeschichtete Kalke-Fm. Lochen-Fm. Impressamergel-Fm. Glaukonitsd.-Sub.-Fm. Ornatenton-Fm. (Wutach-Fm.) Dentalienton-Fm. Hamitenton-Fm. (Hauptrogenstein-Fm.) Ostreenstein-Fm. Wedelsandstein-Fm. Achdorf-Fm. (Eisensandstein-Fm.)

Opalinuston-Fm.

Jurensismergel-Fm.

Posidonienschf.-Fm.

Amaltheenton-Fm.

Numismalismgl.-Fm.

Obtususton-Fm-

Arietenkalk-Fm.

Angulatensandstein-

Fm.

Psilonotenton-Fm.

System, Serie, Stufe, Quenstedt´sche Gliederung Formationsgliederung

Fortsetzung

16

Keuper- Schichtstufe - Keuperbergländer

Buntsandstein-schichtstufe - Nordschwarzwald - Schwarzwaldrand - Odenwald

Perm + Karbon Abtragungsreste

- Keuper- stufenrand

- Gäuebenen

Muschelkalk-schichtstufe - Gäuebenen, Strohgäu und Heckengäu etc.

Grundgebirge in Schwarzwald und Odenwald. Basement in Süddeutschland.

Sc

hic

hte

n a

n d

er O

ber

fläc

he im

Rau

m L

udw

igsb

urg

Sulfat- und Chloridgesteine (Anhydrit, Gips, Salz) und Auslaugungstone

Lettenkeuper (ku)

(mm)

(mu)

(mo)

Ob. Hauptmuschelkalk

Unt. Hauptmuschelkalk

3) Örtlich Gesteine von Perm und

stellenweise Spätem Karbon

Perm

Trigonodus-Dolomit

30 - 100 m

20 - 90 m

30 - 100 m

10 - 30m

Exter-Formation

Trossingen-Fm. Löwenstein-Fm. Mainhardt-Fm. Hassberge-Fm. Steigerwald-Fm. (Rote Wand) Stuttgart-Fm. Grabfeld-Fm. Erfurt-Fm. Rottweil-Fm. Meißner-Fm. Trochitenkalk-Fm. Diemel-Fm. Heilbronn-Fm. Karlstadt-Fm. Jena-Fm./ Freudenstadt-Fm.

Rötton-Fm. Plattensandstein-Fm. Vogesen sandstein- Fm. Eck-Fm. Tigersandstein-Fm. Langenthal-Fm. Zechsteindolomit-Fm. Rotliegend- Formationen

Serie, Stufe Formationsgliederung

Die exakte Stratigraphie und die Formationsgliederung von Deutschland findet man hier: STD 2016 (Deutsche Stratigraphische Kommission, Hrsg.; Redaktion, Koordination und Gestaltung: Menning , M. & Hendrich, A.) (2016): Stratigraphische Tabelle von Deutschland 2016. – Potsdam (GeoForschungsZentrum).

Kristallsandstein-Fm.

Geröllsandstein-Fm.

Bad. Bausandstein-

Fm.

17

= Artensterben-Großereignisse ("Big Five")

= Meteoriteneinschläge von Nördlinger Riss und Steinheimer

Becken vor 14,8 Ma. Beide Krater stammen von einem

Meteoriten, der sich beim Anflug geteilt hat.

= Vermutete Änderungen in der Neigung der Erdachse.

Im Raum Ludwigsburg an der Oberfläche anstehende Gesteinsschichten.

... abgetragene Gesteinsschichten.

... in der Tiefe anstehende Gesteine.

- sedimentäres Deckgebirge von Permokarbon und Trias

und kristallines Grundgebirge (Gneise und Granite des

abgetragenen variszischen Gebirges und älterer Zeit-Perioden).

Größere Vereisungsphasen in der Erdgeschichte.

Artensterben-Großereignisse

Meteoriteneinschläge von Nördlinger Ries und Steinheimer

Becken vor 14,8 Ma. Beide Krater stammen von einem

Meteoriten, der sich beim Anflug geteilt hat.

Vermutete Änderungen in der Neigung der Erdachse.

Abb. 5a: Geologische Zeittafel und geologische Ereignisse in Südwestdeutschland. Die Zeitscala ist nicht linear. Die Säule links veranschaulicht die wirklichen zeitlichen Verhältnisse. Altersangaben gerundet nach International Chronostratigraphic Chart v2019/05.

Käno-

Meso-

Paläo-

zoikum

500

Mio. J.

1000

1500

2000

2500

3000

3500

4000

4500

Prä

kam

briu

m

18

Alter

in Jahren

vor heute

Vegetations-Zeitstufen

in Europa Die Zeitscala ist nicht linear!

Ostsee-

stadien

Klima in

Mittel-

Europa

Kulturstufen Bedeutende

Vulkanausbrüche

Möglicher Stammbaum der Hominiden

Heute -

2465 B.P.

Subatlantikum Kleine Eiszeit ca. 1 - 1,5 °C kälter als heute. Größte

Ausdehnung der Alpengletscher im Holozän. Im Mittelalter bis. 1 °C wärmer als heute. Die

Römerzeit war bis 1 - 1,5 °C wärmer als heute,

die Alpengletscher waren weit zurückgezogen.

Mya-Meer

Limnea-Meer

- warm

- kühler

- warm

- kühler - warm

- kühler

- sehr warm... Klimaoptimum

des Holozäns.

- kühler

- wärmer

- kalt

- wärmer

- kalt

- wärmer - glazial

- wärmer

- glazial

- kalt, glazial

- kalt, kühl

- warm

- kühl, kalt

- 2- bis 3-mal

glazial

- warm

- kalt, kühl

- warm

- kalt und

glazial

Abwechselnd

kühl, kalt und glazial-trocken

mit kurzen und

feuchteren

Warmphasen.

Ab Bavel und

jünger zuneh-

mend glazial.

Mit zunehmen-

dem Alter

werden die

Kenntnisse der

Klimaverhält-

nisse und die

Gliederung der Kaltzeiten

unschärfer.

Warmzeiten

mit kurzen

Kaltphasen.

- Neuzeit

Kleine Eiszeit

- Mittelalter

Völkerwanderung

- Altertum (Römer)

- Eisenzeit (Hallstatt)

- Bronzezeit (Pyrami-

den, Hügelgräber)

Neolithikum

~ 4300 - 11700 a

(Kupfersteinzeit, Ötzi,

mögliche Sintflut)

Agrarrevolution (Rad,

Ackerbau, Viehzucht)

(Mesolithikum)

(7500 – 11700 a)

Steinaxt

Jung-

Paläolithikum

11700 – 40000 a

- Ausbruch der Phle-

gräischen Felder bei

Neapel vor 39 Ta.

Höhlenmaler 40 Ta,

eventuell auch älter.

Mittel-

Paläolithikum

40000 - 300000 a

- Vor 74 Ta

Ausbruch des Toba-

Caldera-Vulkans in

Indonesien.

Nur wenige Tausend

Hominiden haben

weltweit überlebt.

Alt-

Paläolithikum

(Altsteinzeit) 300 Ta – 2,588 Ma

Yellowstone

Caldera

Ausbruch 630 Ta

Yellowstone

Caldera

Ausbruch 1,3 Ma

Zunehmende Nutzung

von Werkzeugen aus

Stein, Holz und

Knochen.

Nutzung des Feuers.

Faustkeil,

Feuersteinklingen.

Erste Steinwerkzeuge

(Chopper).

2465 – 5725 4200

Subboreal

Litorina-Meer (Löbben-Kaltphase)

5725 – 9285 8200

Atlantikum Ca. 1 - 3 °C wärmer als heute,

die Alpen waren bis in hohe Lagen fast eisfrei.

9285- 10705 Boreal Ancylus-See

10705- 11 700 Präboreal Yoldia-Meer

Alter

in 1000 a

vor heute nicht linear!

Pleistozän-Gliederung

in Baden-Württemberg u.a. nach LGRB-DEUQUA Exk. 2015 und

Strat. Tabelle von Deutschland, STD 2016

Gliederung in

N-Deutschland u.a. nach STD 2016 und

Quartanary v2016a

11,7 - 115 11,7 - 23 11,7 - 14,50

11,67- 12,68

12,68 - 13,35

13,35 - 13,54

13,54 - 13,67

13,67 - 13,80

13,80 - 14,50

14,5 - 23

14,5

23 - 60

60 - 115

115 - 126

Würm-Glazial - Spät-Würm (Spätglazial) - Jüngere Dryas - Alleröd Interstadial

- Ältere Dryas

- Bölling Interstadial

- Älteste Dryas

- Meiendorf Interstadial

Hochglazial (Jungmoränen)

-> Tettnang-(Eis-)Vorstoß (Innenwall)

-> Kißlegg-Hauptvorstoß (Außenwall)

- Mittel-Würm (Frühglazial)

- Früh-Würm - Stadiale,Interstadiale

Eem- Warmzeit

Weichsel-Komplex - Spät-Weichsel - Jüngere Dryas

- Alleröd Interstadial

- Ältere Dryas

- Bölling Interstadial

- Älteste Dryas

- Meiendorf Interst. - Ober-Weichsel

Hochglazial

- Hauptvereisungen

- Mtl.- Weichsel

- Unter-Weichsel - Stadiale,Interstadiale

Eem-Warmzeit

126 - 300

300

300 - 320

Riß-Glazial (Komplex) - Spät-Riß

Spät-/Hochglazial (Altmoränen)

-> Dürmentingen-Vorstoß (Innenwall)

-> Scholterhaus-Hauptvorstoß (Außenwall)

- Früh-Riß (Frühglazial)

Holstein-Warmzeit

Saale-Komplex - Warthe

- Drenthe I + II

- Delitsch

- Döhmnitz/Wacken-

Warmzeit

- Fuhne/Mehlbeck

Holstein-Warmzeit

320 – 475 (400)

475 (400?)

Hoßkirch-Glazial -> Vilsingen-Vorstoß (Innenwall)

-> Steinhausen-Hauptvorstoß (Außenwall)

"Jüngere Deckenschotter"

Elster-Kaltzeit - Jüngeres Stadial

- Älteres Stadial

- Früh-Elster

781

1,15

1,806 Ma

2,588 Ma

Cromer-Komplex

-> Kaltzeiten C, B, A

Bavel-Komplex

-> Unterpfauzenwald-Till

Menap-Warm-Kaltzeit

Waal-Warmzeit

Eburon-Kaltzeit

Tegelen-Komplex

Prätegelen-

Warm-Kaltzeiten

Cromer-Komplex

- 4 (5) Interglaziale,

- 3 Glaziale

Bavel-Komplex

- Dorste-Kaltzeit

- Leerdam- Warmzeit

- Linge-Kaltzeit

- Uetersen-Warmzeit

Menap-Kaltzeit

- Pinnau

Waal-Warmzeit

- Tornesch

Eburon-Kaltzeit

- Leith

Tegelen-Komplex

(2 Warm-, 1 Kaltzeit)

Prätegelen Komplex

(2 Kalt-, 1 Warmzeit)

Abb. 5b: Zeittafel von Holozän und Pleistozän (Quartär) in Deutschland. Die stratigraphische Einteilung und die absolute Altersgliederung der Zeitabschnitte im "Pleistozän" (Eiszeitalter) sind Gegenstand der aktuel-len Forschung, die noch nicht abgeschlossen ist. Die lithostratigraphische Formationsgliederung entspricht fazieskundlichen Hauptdiskonti-nuitäten und nicht den Glazial-Interglazial-Klimaübergängen. Kenntnisse über die Temperaturen stammen aus Auswertungen von Eisbohr-kernen, Sedimenten, Muschelschalen, Tropfsteinen, Pollen und Baumringen. Im Mittleren und Späten Pleistozän gab es stärkere Klima-schwankungen, als im Frühen Pleistozän. Die Kenntnisse zur Entwicklung der Hominiden sind noch lückenhaft. Man muss annehmen, dass der menschliche Stammbaum wesentlich komplexer ist, als heute bekannt. Als Ursprungsort der Menschheit ist Afrika belegt. Die Auswande-rung auf die anderen Kontinente erfolge über die arabische Halbinsel in mehreren Wellen. Von zahlreichen Hominidenarten ist der heutige Mensch als einzige Art übriggeblieben. = Große Schichtlücken in Bad. Württ. [Mindel etc.] = Gliederung in Bayern = genetischer Austausch nachgewiesen

H. er

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H

olo

zän

Pliozän 2,588 – 5,3 Reuver Reuver warm → kühl Frühe Werkzeuge.

Pliozäne Höhenschotter (Höhensedimente)

Gel

asiu

m

Cala

bri

um

I

on

ium

Tar

anti

um

Hasenweiler-

Formation

Ilmensee-

Formation

Dietmanns-

Formation

Steinental-

Formation

Vegeta

tionsze

itstu

fen

Brunhes

Matuyama

Günz-

Decken-

schotter

Homo sapiens sapiens

~300 T Jahre - heute,

mit 0 - 4 % Genanteil

von H. neandertalensis

und H. denisova

Auswanderung aus

Afrika vor etwa 200 T

Jahren. Besiedelung von

N-Amerika und Australien

vor etwa 60 T Jahren.

Cro Magnon-

Mensch

H. floresiensis

150 T - 0,02

H. denisova

H. naledi

H. neander-

talensis

200 T – 39 T

H. steinheimensis

~ 300 T

H. heidelbergensis

620 T – 200T

H. antecessor

1 Ma – 600 T

H. ergaster

1,8 – 500 T

H. robustus

2,0 - 1,0 Ma H. erectus

H. habilis

2,1 – 1,5 Ma

H. rudolfensis

2,5 – 1,8 Ma

Australopithecäen (Lucy)

4,4 – 1,0 Ma

frü

her

H. sa

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Mindel-

Decken-

schotter

[Günz]

Donau-

Decken-

schotter

[Mindel]

[Donau]

[Bib

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40

T?

36

Abb. 6: Das Germanische Becken - Die Verteilung von Land und Meer in Europa. Paläogeographische Karten der Sedimentationsräume in Deutschland und in Europa (Germanisches Becken) für die Zeiträume von Perm bis Quartär ohne die Kreide-Zeit. Gut zu erkennen sind das Fenoskandische- und das Vindelizische Hochland, die Liefergebiete für die mächtigen klastischen Sedimente im Germanischen Becken waren. Seit dem Ende der Jura-Zeit sind weite Teile von Süd-deutschland Festland. Die blauen Pfeile verdeutlichen das episodisch einströmende Meerwasser in das Muschelkalk-Becken. Die schmalen Pfeile verdeutlichen den Transport der klastisch-fluviatilen Schutt, Sand-, Schluff, und Tonsedimente in die Kontinentalbecken der Buntsandstein- und Keuper-Zeit. Grafik ergänzt nach R. Schoch, Staatliches Museum für Naturkunde, Stuttgart, www.naturkundemuseum-bw.de.

19

Perm, Rotliegendes, Zechstein

299-252 Millionen Jahre (Ma)

Trias, Buntsandstein

252-243 Ma

Trias, Muschelkalk

243-235 Ma

Trias, Unterkeuper

(Lettenkeuper) 235-232 Ma

Trias, Mittlerer- und

Oberer Keuper 232-201 Ma

Später Jura (Weißer Jura)

164-145 Ma gestichelt = Land in Früher Kreide

Paläogen und Neogen 66-2,58 Ma

Quartär 2,58 Ma bis heute

Gletscher der

Würm-Kaltzeit

Molasse Becken

Jura-

Randmeer

Dargestellt ist die

Situation im Eiszeit-

alter (Pleistozän)

Paratethys

Fennoskandisches

Hochland

Fennoskandisches

Hochland

Eisrand der

Riß-Kaltzeit

20

Die Abbildung zeigt

die hier rot gefärbten

Gneise, die von den

helleren Granit-Plutonen

in der Devon-Karbon-Zeit durchschmolzen wurden.

Vindelizisches Land

Abb. 7: Das Germanisches Becken und seine Sedimente in Baden-Württemberg. Paläogeographische Blockbilder der Landschaften für die Zeitabschnitte von Bundsandstein, Muschelkalk, Keuper, Paläogen und Neogen.

Blockbilder ergänzt nach C. Stier, H. Behmel & U. Schollenberger (1989): Wüsten, Meere und Vulkane, Baden-Württemberg in Bildern aus der Erdgeschichte. Peter Grohmann, Stuttgart.

Während der Perm-Zeit und der Buntsandstein-Zeit war das Germanische Becken eine fluviatile Auf-schüttungsfläche mit einem wüstenartigen Klima. Aus den randlichen Hochgebieten haben Flüsse und Sturzfluten sandige Sedimente mit Tonen und Geröllen in die oft abflusslosen Tiefebenen transportiert.

Während der Muschelkalk-Zeit drang das Meer in das Becken vor und lagerte Kalk- und Tonschlämme ab. Zur Zeit des Mittleren Muschelkalks war dieses Randmeer zeitweise vom großen Ozean abgeschnit-ten, so dass das Meerwasser im trocken-heißen Klima (arides Klima) verdunstete und sich Evaporit-sedimente als Gips, Anhydrit und als Steinsalz abgesetzt haben. Zur Keuper-Zeit herrschten wieder

festländische Ablagerungsverhältnisse mit gelegentlichen marinen Einflüssen bei einem oft trockenen und kontinentalen Klima vor. Zur Zeit des Gipskeupers kam es zur Ausscheidung von Gips und Anhydrit im verdunstenden Meerwasser. Die höheren Keuperschichten werden von mächtigen Tonmergel-Sedimenten und von Sandsteinlagen aufgebaut, die von Flusssystemen aus Norden und Südosten in das Becken transportiert wurden.

Zur Jura-Zeit drang wieder das Meer von Süden in das Germanische Becken vor und lagerte in einem fla-chen bis tiefen Schelfmeer mächtige Riffkalke und Ton- und Kalkschlämme ab (kein Bild). Gegen Ende der Jura-Zeit und mit Beginn der Kreide-Zeit vor etwa 145 bis 140 Mio. Jahren wurde unser Land tektonisch

angehoben und wurde Abtragungsgebiet (Abb. 16). Auf dem Festland entwickelte sich durch die Erosion der schräg gestellten und unterschiedlich widerstandsfähigen Sedimentschichten das Schwäbisch-Fränkische-Schichtstufenland. Der Stress der afrikanisch-europäischen Plattenkollision (Alpenbildung) während der Zeit des Paläogens (früher Tertiär) vor etwa 45 Millionen Jahren führte zum Einbrechen der europäischen Gra-

bensysteme und zur Heraushebung der Grabenschultern von Schwarzwald und Vogesen. Im Oberrheingra-ben wurden unter Meeresbedeckung bis über 4.000 m mächtige Sedimente abgelagert. Im Alpenvorland wurden der bis über 5.000 m mächtige Abtragungsschutt der Alpen im teils marinen und teils limnisch-fluviatil geprägten Molassebecken abgelagert.

Ludwigsburg

Molasse-

becken

Schwäb. Alb

Rhein-

graben

Ludwigsburg Ludwigsburg

Ludwigsburg

21

Über dem Keuper liegen die Tonsteine, Mergelsteine und Sandsteine des Frühen Juras (blaugrau). Darüber bilden die mächtigen Tonsteinserien des Mittleren Juras (braun) im Alb-Vorland den kuppigen Anstieg zur steilen Schichtstufe der Schwäbischen Alb. Der Felstrauf der Schwäbischen Alb wird von den verkarsteten Karbonatgesteinen des Späten Juras (hellblau) gebildet, die den derzeitigen Haupterosi-onsrand der Jurastufe in Baden-Württemberg markieren. Die roten Punkte (Auswahl) im Vorland und

auf der Alb sind Reste von Vulkan-Tuff-Schloten des Kirchheim-Uracher Vulkangebiets aus der Miozän-Zeit. Die zunächst kuppige und ab der miozänen Meeres-Klifflinie ebenere Albhochfläche geht entlang der Donau in die teils hügelige und teils flächige Akkumulationslandschaft von Oberschwaben über. Diese wird von den mächtigen Ton-, Sand- und Kiesschichten des Molassebeckens aus der Zeit von

Paläogen und Neogen (gelb) aufgebaut. Die Molasseschichten werden großteils von den Ablagerungen der Gletscher-Moränenzüge und deren Schmelzwasser-Schotterflächen aus dem Pleistozän – Eiszeital-ter und von kiesig-sandig-lehmigen Talablagerungen aus dem Holozän - Jetztzeit (ocker) bedeckt.

Am Ostrand der fluviatilen Terrassenlandschaften des Oberrheingrabens beginnt der Steilanstieg des kristallinen Grundgebirges (rot) und bildet zusammen mit Sedimentresten von Karbon und Perm (grün) die stark bewaldete, kuppige und tief zertalte Mittelgebirgslandschaft von Schwarzwald und Odenwald. Im Nordschwarzwald und im Odenwald liegt der Buntsandstein (beige) als älteste sedi-mentäre Schichtstufe auf dem Grundgebirge und auf den Resten des Perms und leitet den Übergang

von der Grundgebirgslandschaft zur nach Osten folgenden Schichtstufenlandschaft ein. Über dem Buntsandstein folgt die Stufe und Verebnungsfläche des z.T. verkarsteten Muschelkalks (rosa), der zusammen mit dem geringmächtigen Lettenkeuper - Unterer Keuper (gestichelte Linie in der Abb. rechts) die weiten und oft waldfreien Gäuflächen und das Neckarbecken bildet. Darüber folgt mit dem

Gipskeuper der Anstieg zur Schichtstufe des Sandsteinkeupers - Mittlerer und Oberer Keuper (grün), dessen Hochflächen die bewaldeten Keuperbergländer rund um Stuttgart und Heilbronn und die Schwäbisch-Fränkischen Waldberge bilden. Das Ausgreifen der Keuperschichtstufe nach Westen im Glemswald bei Leonberg wird durch die Reliefumkehr im Fildergraben verursacht.

Geologische Reliefbilder ergänzt nach G. Wagner & A. Koch (1961), bearbeitet durch R. Hüttner. Quelle: LGRB-BW.

Oberschwaben

Alpenvorland

Schwäbische

Alb

Sch

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Gäu

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Neckar-

becken

Ob

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Gra

ben

Molasse-

becken

Meteoriten-Krater

Nördlinger Ries und Steinheimer

Becken

Grundgebirge

Deckgebirge

Kraich-

gau

Hegau

Odenwald

Schwäbisch-

Fränkische

Waldberge

Alb

Stuttgart

Glemswald

Filder

Stromberg

Löwensteiner

Berge

Mainhardter

Wald

Nord-

Schwarzwald

Ob

ere

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Schwäb. Alb

Muschelkalk,

teils mit

Lettenkeuper

Buntsandstein

Perm,+

Karbon

Rheingraben

Keuper

Keuper

Früher Jura

Später

Jura

Kraichgau

Hecken

gäu

Neckar

Quartär +

Paläogen/

Neogen

Schurwald

Alb-

Vorland Schönbuch

Nagold

Keuper

Keuper

Murg

Rems

Murr

Fils

Enz

Welzheimer

Wald

Gneise +

Granite Mittlerer

Jura

Abb. 8: Baden-Württemberg heute - Die geologische Anatomie unseres Landes. Die räumliche Darstellung als Relief-Blockbild zeigt vereinfacht die Verbreitung der Gesteinsschichten ohne Lösssedimente in Baden-Württemberg.

Backnanger

Bucht

Schnittlage

in Abb. 9

Bauland

Hohenloher Ebene

Baar

Heuchelberg

Zabergäu

Keuper

Klettgau

Muschelkalk,

teils mit

Lettenkeuper

Ludwigsburg

S t r o h g ä u

Gäu

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Kaiserstuhl Vulkanruine

Hohenlohe

Kirchheim-Uracher

Vulkanschlote

Hegau-Vulkanschlote

Katzenbuckel

Vulkanschlot

Süd-

schwarzwald,

Vulkanschlote

22

Abb. 9: Geologischer Profilschnitt Vogesen - Rheingraben - Schichtstufenland - Oberschwaben - Alpen. Der Profilschnitt zu Abb. 8 zeigt vereinfacht und etwa 10-fach überhöht die Lage der Sedimentschichten (verschiedene Farben) über dem Grundgebirge (rot) in Baden-Württemberg. Die Pfeile verdeutlichen die vertikalen und horizontalen Bewegungen der Erdkruste.

Profilschnitt verändert und ergänzt nach O.F. Geyer & M.P. Gwinner (1991): Geologie von Baden-Württemberg. 4. Aufl. Schweizerbart, Stuttgart.

Bei der Abtragung des variszischen Gebirges in Südwestdeutschland während der Perm-Zeit vor ca. 250 bis 300 Mio. Jahren wurden die über dem Grundgebirge liegenden Gesteine aus den Zeitperioden von Devon und Karbon bis auf örtliche Reste entfernt. Dabei kam es zur Ablagerung von grobkörnigen terrestrischen Sedimenten in langgestreckten Becken (Rotliegendes) und zu flächenhaften, marinen

und terrestrischen Ablagerungen in Baden-Württemberg (Zechstein). Während der nun beginnenden Einsenkung des großen Germanischen Beckens wurde in den Zeitabschnitten von Trias (Buntsand-stein, Muschelkalk, Keuper) und Jura eine über 1.500 m mächtige Sedimenthülle flächig auf dem Grundgebirgssockel abgelagert. Ab dem Ende der Jura-Zeit hat sich das Gebiet des Rheinischen Schil-

des im Zentrum von Europa weiter aus dem Meer herausgehoben und auch Südwestdeutschland in die Hebung miteinbezogen. Im Bereich von Schwarzwald und Odenwald kam es zu einer lokalen Aufwöl-bung und zu einer Horizontalverschiebung der Schichten. Als Folge davon ist in der Paläogen-Zeit vor 45 Mio. Jahren der 300 km lange und bis zu 40 km breite Oberrheingraben eingebrochen, der sich

heute noch mit 0,1 - 0,2 mm/Jahr absenkt und verbreitert. Die Sedimentgesteine auf den herausgeho-benen Grabenschultern von Vogesen, Schwarzwald und Odenwald wurden nun rasch abgetragen. Im stärker herausgehobenen mittleren und südlichen Schwarzwald werden heute weite Teile der Mittel-gebirgslandschaft von den Gneisen und Graniten des Grundgebirges aufgebaut. Im nördlichen und

östlichen Schwarzwald bedecken die Sedimentgesteine der Schichtstufe des Buntsandsteins viele Bergrücken und reichen oft bis in die Täler. Der Rheingraben war während der Paläogen-Zeit vom Meer überflutet und wurde mit bis über 4.000 m mächtigen Sedimenten gefüllt. Durch die ungleich-mäßige Hebung von Schwarzwald und Odenwald in Verbindung mit der Einsenkung des Nordalpinen Molassebeckens wurden die Sedimentschichten des Tafeldeckgebirges in Baden-Württemberg nach

ihrer Ablagerung nach Südosten verkippt.

Das hat zusammen mit der Abtragung der unterschiedlich erosionsbeständigen Gesteine zur Bildung eines sich nach Nordosten asymmetrisch aufgefächerten Schichtstufenlandes geführt. Unter der Schwäbischen Alb und unter Oberschwaben nimmt das Schichtfallen zum Molassebecken hin wieder zu (Molasseflexur). Das Molassebecken hat sich in der Zeit von Paläogen und Neogen (früher Tertiär) als Massenausgleichsbe-

wegung zu den rasch aufsteigenden Alpen eingesenkt und war zeitweise vom Meer überflutet. Es nimmt bis heute den Abtragungsschutt der Alpen auf und es wurden sandig-tonige, kiesige und konglomeratische Sedimente mit einer Mächtigkeit bis über 6.000 Meter abgelagert. Vor dem Alpenrand biegt die Schichtlage-rung der „Vorlandsmolasse -VM“ um und bildet die "Aufgerichtete Vorlands-molasse -AM". Ursache dafür

sind die sich nach Norden vorschiebenden Alpen, die die Molasseschichten verbiegen, stauchen, falten, abscheren und überschieben. Die gefalteten und abgescherten Bereiche bilden als alpenparallele Hügelket-ten eine Schichtrippenlandschaft und werden "Subalpine Molasse" oder "Faltenmolasse -FM" genannt. Während der Auffaltung der Alpen wurden ältere Flysch-Sedimente über die jüngere Faltenmolasse über-

schoben. Der Flysch entstand während der Kreide- und Paläogen-Zeit durch marine Trübeströme und Sedi-mentrutschungen (Turbidite) im tiefen Meeresbecken der Tethys. Die Kalkgesteine der Helvetischen De-cken, die am Säntis über dem weichen Flysch liegen, wurden in einem weiter südlich liegenden Schelfmeer der Kreide-Zeit am Südrand von Ur-Europa abgelagert und dann weit nach Norden überschoben und verfal-

tet (siehe Kap. 6, Alpen). In Oberschwaben und im Thurgau werden die Molasseschichten großteils von kuppig-weitgeschwungenen und steinig-lehmigen Gletschermoränenzügen, von langgezogenen und ebe-nen, kiesig-sandigen Schotterflächen ehemaliger Gletscher-Schmelzwasserrinnen und von den tonig-torfigen Beckenfüllungen des Pleistozän (Eiszeitalter), sowie von den jüngsten klastisch-fluviatile Talablage-rungen aus der aktuellen Zeit des Holozän bedeckt (Akkumulationslandschaft) (siehe Abb. 17 + 19).

West Ost Nord Süd

Nord-Vogesen Rheingraben Nord-Schwarzwald Gäue Filder Schwäbische Alb Oberschwaben Thurgau Alpen

Merkur Achalm Tautschbuch Höchsten Säntis

Rhein Murg Nagold Neckar Donau Bodensee

Haguenau Baden-Baden B. Liebenzell Ludwigsburg Stuttgart Mengen St. Gallen

Ehemalige Gletscherbedeckung

Grundgebirge Grabenfüllung der Paläogen- und Neogen-Zeit Permokarbon Buntsandstein Muschelkalk Pliozäne Vulkanschlote Keuper Früher- Mittlerer- Später Jura

Pleistozäne und holozäne Sedimente Subalpine Molasse

Beckenfüllung der Paläogen- und Neogen-Zeit

Süddeutsche Scholle

Helvetikum

(Paläogen,

Kreide)

Ehemalige Sedimentbedeckung

Permokarbon bis Jura.

AM FM

VM

mNN

3000

2000

1000

0

36

3. Geologie und Fossilien in Ludwigsburg In den Zeitperioden von Oberkarbon bis Perm vor etwa 320 bis 250 Millionen Jahren wurden die variszischen Hochgebirgszüge weltweit stark abgetragen. Die Abtragungsprodukte wurden in Baden-Württemberg als grobkörniger, terrestrischer Schutt in langgestreckten und von Südwesten nach Nordosten verlaufenden Becken abgelagert (Rotliegendes). Darüber wurden im nördlichen Baden-Württemberg marine Sedimente und terrest-risch-fluviatile Sedimente in einer großen Meeresbucht abgelagert (Zechstein). Eine Kette von Vulkanen hat große Mengen an Lava und Tuffen ausgestoßen, die an vielen Stellen abgelagert wurden. Im sich dann weiter ausdehnenden und einsinkenden Germanischen Becken wurden in den Zeiten von Trias und Jura und stellen-weise während der Kreide-Zeit kontinentale und marine Sedimente weitgehend horizontal abgelagert. Die Schichten aus der Jura-Zeit und die höheren Schichten aus der Keuper-Zeit wurden in Ludwigsburg in den ver-gangenen 145 - 140 Mio. Jahren abgetragen. Die Mächtigkeiten der abgelagerten Gesteinsschichten schwan-ken zwischen den Randbereichen und dem Beckeninneren. Nachfolgend werden die Schichtmächtigkeiten im Raum Ludwigsburg angegeben.

23

Abb. 9a: Bei einer hypothetischen Tiefbohrung am Salonwald in Ludwigsburg würde man diese Schichtfolge antreffen. (schematische Darstellung mit den ungefähren Mächtigkeiten) Die hier beschriebene Schichtfolge ist z.T. in Tabelle 2 und im geologischen Profilschnitt in Abb. 19b dargestellt. Je nach Lage auf der Gemar-kung ist der Obere Muschelkalk durch Erosion in seiner Mächtigkeit reduziert. Der Gipskeuper und der Lettenkeuper sind örtlich ebenfalls reduziert oder ganz abgetragen. Östlich des Neckars liegt auf der Kuppe des Lembergs ein 25 m mächtiger Erosionsrest des Schilfsandsteins als jüngste erhaltene Keuperschicht auf der Gemarkung. Darunter liegt dort die nahezu vollständige Schichtfolge des ca. 100 m mächtigen Gipskeupers. Die Kenntnisse über die geologische Gesteinsschichtfolge in Baden-Württemberg wurden in den vergangenen 200 Jahren durch geologische Kartierungen an der Erdoberfläche, beim Tunnelbau, beim Bergbau, durch zahlreiche tiefe Bohrungen und bei hydrogeologischen und seismischen Untersuchungen erlangt. In Ludwigsburg wurden zwei tiefe Bohrungen bis in den oberen Bereich des Buntsandsteins nieder-gebracht (Abb. 24).

➢ Jetztzeit: An der Oberfläche 20 - 50 cm humoser Oberboden und stellenweise 0,5 - über 2 m anthropogene Auffüllungen. ➢ Quartärzeit: Am Salonwald ca. 1 - 2 m und stellenweise 5 bis über 10 m relativ weiche und körnig-bindige

Deckschichten der Kaltzeiten und der Jetztzeit. Je nach Standort Lösslehm, Löss, Frostmischböden, Fließerden, Schuttsedimente, Auen- und Seesedimente, sandige Flusskiese. ➢ Gipskeuper: Vor allem im Süden von Ludwigsburg am Salonwald bis maximal 35 m mächtige Tonsteine

und Gipsauslaugungsreste (Zellendolomite). Am Lemberg unter Schilfsandstein bis zu 100 mächtig. ➢ Lettenkeuper: Unter dem Gipskeuper 23 m Wechsellagerung von Tonsteinen, Dolomitsteinen

und Sandsteinen (Gipskeuper und Lettenkeuper sind in Ludwigsburg stellenweise stark abgetragen). ➢ Oberer Muschelkalk: Unter dem Lettenkeuper 85 - 88 m Dolomitsteine und massige Kalksteine mit

dünnen Tonsteinlagen (hin zum Neckartal ist der Obere Muschelkalk schon etwas abgetragen).

➢ Mittlerer Muschelkalk: Ca. 65 m Kalk- und Dolomitsteine, Auslaugungstone der Salzgesteine und

teilausgelaugte Sulfatschichten. Ab dem Mittleren Muschelkalk sind die Schichten auf der Gemarkung Ludwigsburg nicht mehr an der Oberfläche aufgeschlossen. ➢ Unterer Muschelkalk: Ca. 56 m Kalk- und Dolomitsteine (Wellenkalk).

➢ Buntsandstein: Ca. 260 m mächtige Sandsteine mit Gerölllagen und vereinzelten Tonsteinlagen. An der Grenze zum Unteren Muschelkalk Röttone, welche die gespannte Grundwasserführung in den Klüften des Buntsandsteins nach oben abdichten (Abb. 9a).

➢ Perm (Rotliegendes und terrigener Zechstein), örtlich Spätes Karbon: Ca.110 m Vulkanite, Magmatite, Sandsteine, Konglomerate, Ton- Schluffsteine, Karbonatsteine.

➢ Paläozoisches Grundgebirge (Kristallingesteine): Gneise, Granite und Migmatite als Basis unter dem sedimentären Deckgebirge. Ca. 530 m (Neckartal) bis ca. 630 m (Salonwald) unter Gelände.

mNN

327

289

266

181

117

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Salonwald

24

Fossilien Neben der Art und Ausbildung der Gesteine geben vor allem die in den Gesteinen eingeschlossenen Fossilien einen guten Einblick in die Lebensräume und zu den Klimaverhältnissen zur Zeit der Sedimentation. Die Ge-samtheit aller Fossilien zeigt die Entwicklung des Lebens und des Klimas auf der Erde und macht oft eine zeitli-che Gliederung und eine weiträumige Vergleichbarkeit der Gesteinsablagerungen möglich (stratigraphische Gliederung mit Hilfe von sogenannten Leitfossilien).Teile von verendeten und abgestorbenen Lebewesen kön-nen unter bestimmten Gegebenheiten in feinkörnige Sedimente eingebettet werden. Mit der Verfestigung und Entwässerung der Sedimente kam es bei geeigneten Ablagerungsbedingungen - weitgehender Sauerstoffab-schluss, keine schnelle Zersetzung, Mumifizierung durch Austrocknung etc. und in geeigneten Sedimenten - Kalk- und Tonschlamm, Sand, Asphalt, Baumharz, Mikrofossilien in Salz - zur Fossilisation (Fossildiagenese) dieser Tier- und Pflanzenreste. Das trifft aber nur auf ca. 3 % aller Lebewesen zu, wobei im marinen Bereich die Bedingungen zur Fossilisation günstiger sind, als im terrestrischen Bereich. Das sich im Sediment nur langsam oder gar nicht zersetzende und auflösende organische Material wurde entwässert, flachgedrückt und mit der Zeit durch ausgefällte Minerale aus der Sedimentumgebung als chemische Substanzumwandlung ersetzt. Dabei wurden Schalen, Zähne, Skelettteile und Pflanzenreste z.B. durch Kalk, Siliziumverbindungen, Pyrit, Markasit und Limonit versteinert. Die Morphologie der ehemaligen Lebewesen und v.a. die der Hartteile blieb dann an den Grenzflächen als Abdruck, Steinkern und Lebensspuren sichtbar erhalten. Abdrücke von Horn, Haut, Federn und Organen sind ebenso möglich, wie Reste von Wohnbauten, Grab-, Fress-, Kriech- und Laufspuren und Aus-scheidungen (Ichnofossilien). Wenig zersetzte Reste von Landpflanzen wurden unter Luftabschluss in Torf und bei höheren Temperaturen und Drücken in der Tiefe in Braunkohle und in Steinkohle umgewandelt (Inkohlung). Die bei der Verwesung von marinen Mikroorganismen (Plankton, Algen, Faulschlamm) entstanden Flüssigkei-ten und Gase wurden in der Tiefe unter bestimmten Druck- und Temperaturbedingungen in Erdöl und Erdgas umgewandelt. Zur Ablagerungszeit der verschiedenen Gesteinsschichten gab es unterschiedliche Lebens- oder lebensfeindliche Bedingungen, weshalb nicht in jeder Schicht Fossilien zu finden sind. In früheren Zeiten lag der Süddeutsche Raum nahe am Äquator und war oft von flachen und warmen Meeren bedeckt. Hier finden sich fossilisierte marine Fauna und Flora. Im Laufe der Zeit zog sich das Meer auch zurück und es gab Sümpfe und Trockengebiete mit amphibischem und terrestrischem Leben und den zugehörigen Fossilien.

Ab. 9b: Fossilisationsschema. Das postmortale Geschehen und die Möglichkeiten zur Fossilerhaltung am Beispiel einer Muschel. Ergänzt nach E. Thenius aus B. Ziegler (1972): Einführung in die Paläobiologie. Schweizerbart, Stuttgart., Stuttgart.

➢ Fossilisation

- Ver- und Entkieselung SiO2

- Ver- und Entkalkung CaCO3

- Ver- und Entkiesung FeS2

- Limonitisierung Fe(OH)3

- Umkristallisation

- Hohlraumverfüllung

- Schalenauflösung durch H2O

- Tränkung mit mineralischen

Lösungen, Mineralisation

- Inkrustation

➢ Chemisch-biologische Zerstörung

- Luft, Verwesung, H2O, CO2

- Luftabschluss, Fäulnis

- Entkohlung

- Bitumina

➢ Mechanische Zerstörung

- Detritus

- Schill

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Tabelle 2: Stratigraphische, lithologische, hydrogeologische und baugrundgeologische Charakterisierung der Schichtfolge in Ludwigsburg. Alle Angaben sind Durchschnittswerte und ersetzen keine spezifischen Untersuchungen bei einzelnen Bauvorhaben.

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Das varizische Gebirge wurde während der Perm-Zeit durch Erosion zu einer flachwelligen Rumpfflächen-landschaft mit langgestreckten Ablagerungströgen eingeebnet. Darüber wurden die Schichten des Bunt-sandsteins bei einem wüstenartigen Klima in einer Landschaft vergleichbar mit Inner-Australien dis-kordant und flächig abgelagert. Die oft stark rötlich gefärbten und grob- bis feinkörnigen Sandsteine mit Geröll- und Tonsteinlagen wurden von Flüssen aus den randlichen Hochgebieten aus dem Südwesten und aus Osten in breiten Schwemmfächern als Schichtfluten in die oft abflusslosen Ebenen des ab-

sinkenden Germanischen Beckens geschüttet (fluvia-til-limnische Sedimentation). Die Grenze zum jünge-ren Muschelkalk bilden die unter Meereseinfluss ab-gelagerten und 5 - 10 m mächtigen Röt-Tone. In Lud-wigsburg beginnt die ca. 260 m mächtige Gesteinsse-rie des Buntsandsteins im Neckartal ca. 140m und auf der Gäufläche ca. 200 - 240 m unter der Geländeober-fläche. Die obersten Schichten des Buntsandsteins, die Röt-Tone und der Plattensandstein wurden bei den Solewasserbohrungen in Ludwigsburg-Hoheneck und im ehemaligen Mathildenhof in der Rosenstraße bei 59 bzw. 67 mNN angebohrt (Abb. 19b).

3.2 Muschelkalk (243 bis 235 Millionen Jahre) Der Muschelkalk bildet die zweite Schichtstufe in Baden-Württemberg und die Neckar- und Taubergäuplatten zwischen Klettgau und Bauland. Während der Muschelkalkzeit kam es durch den Anstieg des Meeresspiegels zur Überflutung des Germanischen Beckens durch ein bis zu 100 m tiefes Randmeer, das vom großen Tethys-Meeres zwischen Afrika und Eurasien oft isoliert war. Bei trocken-heißen Klimaverhältnissen, ähnlich denen im Persischen Golf wurden im stark salzhaltigen Meerwasser unter flachmarin-lagunären Bedingungen feinkörnige Ton- und Karbonatschlämme von Meerestieren und evaporitische Sedimente (Gips, Anhydrit, Salze) abgelagert. Kalkige Schalentrümmer wurden oft bei tropischen Sturmereignissen zusammengeschwemmt und bilden mäch-tige bioklastische Kalksteinbänke (bioklastische, chemisch-biogene und chemische Sedimentation, Abb. 6). Der Untergrund der Gäuebene wird von den etwa 56 m mächtigen Mergel-, Kalk- und Dolomitschichten des Unteren Muschelkalks aufgebaut. Der darüber lie-gende und etwa 65 m mächtige Mittlere Muschelkalk besteht großteils aus evaporitischen Gesteinen (An-hydrit, Gips und Steinsalz) und aus Dolomitsteinbän-ken und tritt in Ludwigsburg nicht zutage. Die Evapori-te wurden durch Ausfällung aus dem verdunstenden Meerwasser in einem sehr warmen Meeresgebiet mit einem stark verringerten Wasseraustausch abgelagert. In den Landesteilen, wo heute die Bedeckung durch höhere Gesteinsschichten ganz oder teilweise abge-tragen ist, so auch im Raum Ludwigsburg, wurden die Salzgesteine des Mittleren Muschelkalks durch das Sicker- und Grundwasser ausgelaugt. Hier sind nur noch die schluffig-tonigen Lösungsrückstände übrig-geblieben. Auch die Gips- und Anhydritgesteine befin-den sich hier im Stadium der Auslaugung was im Stroh- und Heckengäu örtlich zur Bildung von Lösungs-hohlräumen mit kaminartigen Durchbrüchen bis zur Erdoberfläche führt. Diese Erdfälle treten auch im

Kalklösung dann an geeigneten Kluftsystemen im Mu-schelkalk beginnt. Die Schichtgrenze Mittlerer/Oberer Muschelkalk liegt etwa 15 - 25 m unter der Talauen-Oberfläche des Neckartals bei 185 - 175 mNN. Der 85 - 88 m mächtige Obere Muschelkalk wird von unten nach oben in die drei Bereiche Trochitenkalk-, Meißner- und Rotweil-Formation untergliedert (Abb. 12a). Im Unteren Hauptmuschelkalk (Trochitenkalk-F.) findet man feinkristalline Blaukalke, Wellenkalke und viele bioklastische Trochitenkalkbänke, die fast voll-kommen aus versteinerten Stielgliedern von Seelilien (Crinoiden) aufgebaut sind. Die Haßmersheimer Schichten bilden dort mit drei Mergelschieferbänken einen Horizont mit eingeschränkter Grundwasser-durchlässigkeit. Darüber folgen dünnplattige bis gut gebankte, geklüftete und gelbgraue bis graublaue Kalksteine des Oberen Hauptmuschelkalks (Meißner-F.). Diese bestehen teils aus mikrokristallinen Blaukal-ken, die sich aus ausgefällten Kalkschlämmen in einem warmen, an Mineralien übersättigten und sauerstoff-

3.1 Buntsandstein (252 bis 243 Millionen Jahre)

Der Buntsandstein ist die älteste und unterste Sediment-Schichtstufe in Baden-Württemberg. Er bildet die be-waldeten Höhenzüge des Buntsandstein-Schwarzwaldes und -Odenwaldes und im Nordschwarzwald die Hoch-lagen von Schliffkopf, Hornisgrinde, Merkur und Hohloh.

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Lettenkeuper bevorzugt in der Nähe der Grenze zum Oberen Muschelkalk auf, weil das zunächst oberir-disch fließende Wasser hier versickert und die

armen Meer gebildet haben und teils aus zertrümmer-ten Gehäuseresten von Meerestieren (bioklastische Kalke, Schalentrümmerkalke) aus sauerstoffreichen

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und lichtdurchfluteten Flachwasserbereichen. Den Abschluss nach oben bildet der 5 - 11 m mächtige, gelbgraue, massige und kavernöse Trigonodusdolomit (Rotweil-Formation), der sandig-schluffig verwittert. Bei der Dolomitisierung wird nach der Sedimentabla-gerung Magnesium aus dem Meerwasser in die Kris-tallstruktur von Kalk eingebaut (CaCO3 → CaMg (CO3)2). Die plattigen bis massigen Kalksteinbänke des Muschelkalks werden durch zahlreiche feinschichtige, dünne, dunkler gefärbte und z.T. dolomitische Ton-mergelsteinfugen voneinander getrennt, was eine gute lithostratigraphische Gliederung des Oberen Muschelkalks über weite Entfernungen möglich macht. Im Nahbereich zum Vorfluter und v.a. an den Talrändern und unter den Talsohlen kommt es ver-mehrt zur Verkarstung der Karbonatgesteine des Obe-ren und Mittleren Muschelkalks. Durch die Lösung der Karbonate durch zirkulierendes Grund- und Sicker-wasser erweitern sich die schmalen Klüfte und Schichtfugen zu Spalten und Hohlräumen bis hin zu Erdfällen. Das erhöht die Grundwasserführung und die Durchströmung dieser Schichten erheblich und kann Baugrundprobleme verursachen. Der Mineralwasser-

brunnen und der Brunnen des Freibades Hoheneck sind in verkarsteten Muschelkalkschichten gefasst. Gerade die Klüftigkeit und damit die gute Wasser-durchlässigkeit führen bei Karbonat- und Sandsteinen oft zur Tiefenerosion der Flüsse, während die viel bes-ser abdichtenden Tonsteine mehr in die Breite ero-diert werden. Die Strohgäufläche wurde durch den quer durch die Markung Ludwigsburg verlaufenden Schwäbisch-Fränkischen-Sattel tektonisch emporge-hoben. Hier mussten sich der Neckar und seine Ne-benflüsse tief in das harte, klüftige und z.T. verkarste-te Gestein einschneiden und winden sich in engen Mäandern durch die Täler. An den steilen Prallhängen des Neckars zwischen Hoheneck und Poppenweiler treten die Gesteinsformationen des Oberen Muschel-kalks daher als stark zerklüftete Felsbänder breit zuta-ge und es kommt hier immer wieder zu gefährlichen Steinschlägen. Die Kalksteine und Mergelsteine zeigen oberflächennah eine plattig-steinige und tonige Ver-witterung. Die harten Kalksteinbänke werden bis heu-te in Steinbrüchen abgebaut und zu Bausteinen, Schotter und Zement verarbeitet (ehem. Stbr. Hubele, ehem. Stbr. im Blühenden Barock etc.).

3.2.1 Fossilien im Oberen Muschelkalk In den Gesteinen des Oberen Muschelkalks gibt es eine arten- und individuenreiche Fauna, die vollmarine Be-dingungen anzeigen. In den beiden Hauptschichten Trochitenkalk (mo1) und Ceratitenkalk (mo2) lassen sich Schalentrümmerbänke und Lagen mit Fossilanreicherungen, zudem Abdrücke von Schlangenseesternen und Bohrgänge finden. Häufig sind auf den Bankoberflächen Funde von Schuppen und Fischzähnen im gesamten Oberen Muschelkalk anzutreffen. Fossilien treten auch häufig in den mergeligen Schichten auf. Der über dem Ceratitenkalk liegende Trigonodusdolomit ist fossilarm. Neben einer von Muscheln (Trigonodus sandbergeri) und Gastropoden bestimmten Weichbodenfauna kommen dort gelegentlich Brachiopoden, Foraminiferen und Wirbeltierreste vor.

Abb. 10: Rekonstruktion der Lebewelt im Muschelkalk-meer. Grafik und Text verändert nach H. Hagedorn und Th. Simon (1985) aus C. Stier, H. Behmel, U. Schollenberger (1989): Wüsten, Meere und Vulkane, Baden-Württemberg in Bildern aus der Erdgeschichte. Grohmann, Stuttgart.

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Die tiefste und älteste in Ludwigsburg im Neckartal zutage tretende Gesteinsschicht ist der Trochitenkalk. Trochiten sind versteinerte Stielglieder von Seelinien, die im Gestein oft in Massen auftreten und in einigen Horizonten auch gesteinsbildend sind. Im Trochiten-kalk trat das erste Mal die sogenannte Encrinus liliiformis (Abb. 11, Nr. 4) auf, eine Seelilienart, die sich besonders gut hier und auch in ganz Baden-Württemberg finden lässt. Es gibt aber auch Schalen-trümmerbänke ohne Trochiten, dafür mit vielen Ter-ebratula vulgaris, einer Brachiopodenart. Ceratiten-funde sind in dieser Schicht eher selten, dennoch treten auch hier schon die frühsten Ceratiten, die Serpiantites sp. in der Schicht der Haßmersheimer Mergel. auf. Neben Seelilien sind auch Muscheln, Gastropoden (Schnecken) und Brachiopoden (Armfü-ßer) häufig anzutreffen. Im Grenzbonebed zum Cera-titenkalk, einer Ansammlung von Fossilienresten, lassen sich zusätzlich noch Schuppen und Zähne von verschiedenen Fischarten finden. Knochenfunde von Reptilien, Amphibien und Saurierarten sind dagegen selten.

Der Ceratitenkalk verdankt seinen Namen der Am-monoidea-Ordnung Ceratitida (Nr. 1, 11). Ceratiten sind die Leitfossilien des Oberen Muschelkalks und machen dort eine biostratigraphische Gliederung über weite Bereiche möglich. Funde sind im Raum Ludwigsburg aber selten. Dennoch sind Ceratiten im Ceratitenkalk häufiger vertreten als im Trochitenkalk. Vorherrschend sind aber Muscheln und Brachiopo-den, z.B. Coenothyris cycloides in der Cycloides- bank. Muschel und Brachiopoden lassen sich durch ihre Klappen unterscheiden. Muscheln besitzen zwei gleiche Klappen und sind lateralsymmetrisch. Brachi-opoden dagegen besitzen eine Schale und einen De-ckel, sie sind nicht symmetrisch. Die Terebratula vul-garis ist hier nur noch teilweise vertreten. Im Cerati-tenkalk lassen sich auch Schalentrümmerbänke vor-finden. Eine dieser Bänke stellt das Hauptlager der Muschelart Pecten subtilis dar. Dann gibt es immer noch Seelilienteile, zudem auch Steinkerne von Chemnitzia hehli (Nr. 22), gewundene Turmschne-cken und die Natutilidenart Nautilus bidorsatus.

Abb. 11: Lebewelt und Fossilien des Oberen Muschelkalks. Zeichnungen und Text aus H. Brunner (1998): Geologische Karte von Baden-Württemberg 1 : 50 000, Erläuterungen Stuttgart und Umgebung, Hrsg.: Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, Bad.-Württ., (LRGB-BW), Freiburg.

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Bild 1: Trigonodusdolomit des Oberen Muschelkalks an der Burgruine Hoheneck. Sicherung des Wanderweges vor Steinschlag.

Bild 2 links: Oberer Muschelkalk (Meißner-Formation - Ceratitenkalk) im Neckartal bei Poppenweiler. Steinschlag und Schutzzaun. Bild 3 rechts: Oberer Muschelkalk (Trochitenkalk-Formation) am Ostausgang des Grünparks Hungerberg. Sicherung vor Steinschlag.

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Trigonodusdolomit

Schalentrümmerbänke

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Stratigraphie

Oberer Muschelkalk

Obere

Dolomite

Diemel-

Formation

Obere

Sulfat-

schichten

Zwischendolomit

Heilbronn-

Formation

Steinsalz-

Schichten

Untere Sulfatschichten

Untere Dolomite

Karlstadt-

Formation Liegende Kalkmergel

Unterer Muschelkalk

Abb. 12a: Geologisches Standadrprofil des Oberen Muschelkalks (Rottweil-, Meißner- und Trochitenkalk-Formation) im Raum Stuttgart.

Abb. 12: Geologische Profile des Mittleren Muschelkalks aus Tiefbohrungen (Diemel-, Heilbronn- und Karlstadt-Formation). Links: Mittlerer Muschelkalk in der Grundwasserbohrung Mathildenhof in Ludwigsburg mit ausgelaugten Steinsalzschichten und Sulfatschichten in fortschreitender Auslaugung. Rechts zum Vergleich: Mittlerer Muschelkalk in Stuttgart mit vollständiger Sulfat- und Salinarformation.

Schichtprofile ergänzt aus: H. Brunner (1998): Geologische Karte von Baden-Württemberg 1 : 50 000, Erläuterungen Stuttgart und Umgebung. LGRB-BW, Freiburg.

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Abb. 13: Paläogeographie des Germanischen Beckens. Paläogeographische Karten der Sedimentations-räume im Germanischen Becken für den Zeit-raum der Trias und die Situation im Quartär. Gut zu erkennen sind das Fennoskandische- und das Vindelizische Hochland, die Liefergebiete für die mächtigen klastischen Sedimente im Ger-manischen Becken waren. Die schmalen Pfeile verdeutlichen den Transport der klastisch-fluviatilen Schutt, Sand-, Schluff, und Tonsedi-mente in die Kontinentalbecken der Buntsand-stein- und Keuper-Zeit. Die blauen Pfeile ver-deutlichen das episodisch einströmende Ozean-wasser in das sehr warme Muschelkalk-Becken, in dem es durch Eindampfung und Ausfällung zur Ablagerung von Karbonat- und Salinarsedi-menten gekommen ist. Grafik ergänzt nach R. Schoch, Staatliches Museum für Naturkunde, Stuttgart, www.naturkundemuseum-bw.de.

Abb. 13a: Paläolandschaften im Germanischen Becken. Paläogeographische Blockbilder der Landschaften für die Zeitabschnitte von Bundsandstein, Muschelkalk und Keuper. Blockbilder ergänzt nach C. Stier, H. Behmel & U. Schollenberger (1989): Wüsten, Meere und Vulkane, Baden-Württemberg in Bildern aus der Erdgeschichte. Peter Grohmann, Stuttgart.

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3.3 Keuper (235 bis 201 Millionen Jahre)

Ausgelöst durch tektonische Vorgänge im Zusammenhang mit der Wanderung der Kontinente hat sich das Mu-schelkalkmeer wieder langsam aus dem Germanischen Becken zurückgezogen. Während der nun folgenden Keuper-Zeit wurden wieder zunehmend festländisch geprägte, brackische, deltaische, limnische, fluvioklasti-sche und äolische Sedimente in breiten und reliefarmen Tiefland-Flussebenen, in Seen, in Sümpfen und in Buch-ten abgelagert (85 % Tonsteine). Das Klima war tropisch-feucht-warm und im Zentrum des Pangäa-Groß-kontinents ein trocken-heißes Kontinentalklima. Dieser flache Ablagerungsraum war nur durch schmale Pforten mit gelegentlichen und kurzen Meerwasserzuflüssen mit dem Weltmeer verbunden. In den abgeschnürten Meeresbecken und in Lagunen kam es im sehr warmen und an Mineralien übersättigten Wasser zur Eindamp-fung und Absetzung von Karbonatsedimenten, Sulfatsedimenten und Salzen. Zur Lettenkeuper-Zeit kam es auch zu feinkörnigen Sandeinschüttungen durch ein großes Flussdelta aus dem weit nördlich gelegenen "Fennoskan-dischen Hochland", das im Bereich des heutigen Baltikums und Skandinavien lag und das nach Süden zur Tethys entwässerte. Warme Passat-Winde haben v.a. zur Zeit des Mittleren Keupers große Staubmassen aus den zent-ralen und ariden Gebieten des großen Pangäa-Kontinentes in das Keuperbecken transportiert, aus denen mit der Zeit die mächtigen, intensiv rot und auch grünlich-grau gefärbten Tonsteine der Dunkelroten Mergel, der Bunten Mergel und des Knollenmergels entstanden sind. Mit dem Schilfsandstein, Kieselsandstein, Stubensand-stein und Rhätsandstein treten dann z.T. mächtigere Sandsteinlagen auf. Diese wurden teils von Hochgebieten aus dem "Fennoskandischen Hochland" (feinkörniger Schilfsandstein) und teils aus dem viel näher und südöst-lich gelegenen "Vindelizischen und Böhmischen Hochland" (grobkörniger Kieselsandstein, Stubensandstein und Rhätsandstein) in breit verzweigten Flusssystemen und in großen Schwemm- und Schuttfächern in die warmen und trockenen Tieflandebenen des Germanischen Beckens eingeschwemmt (Abb. 6). Je länger der Transport-weg der Sandsedimente ist, desto feinkörniger ist später der abgelagerte und verfestigte Sandstein. Die wei-cheren und weniger stabilen Gesteinskomponenten wie z.B. Tonsteine und Feldspatminerale werden beim Transport zerrieben, so dass mit zunehmender Entfernung vom Liefergebiet der Anteil der erosionsbeständigen und feinkörnigen Quarzkörner aus den abgetragenen Grundgebirgsgesteinen relativ zunimmt.

Auf den waldarmen Gäuflächen in Baden-Württem-berg, so auch im Bereich des Strohgäus und des Lan-gen Feldes wird die breite Ausstrichsfläche des Obe-ren Muschelkalks oft von den wechselnd mächtigen und eher weich geformten Erosionsresten des Let-tenkeupers bedeckt. Der Lettenkeuper (Erfurt-Formation, Unterer Keu-per) bildet keine eigene landschaftliche Schichtstufe und hat im Raum Ludwigsburg je nach Abtragungszu-stand eine Mächtigkeit von wenigen Metern bis ma-ximal 23 m. Der Lettenkeuper bezeugt den allmähli-chen Wechsel von der rein meeresgeprägten Mu-schelkalk-Zeit zu den stark festländisch und lagunär beeinflussten Ablagerungsverhältnissen der Keuper-Zeit. Meereseinbrüche und Schwemmland wechsel-ten sich rasch ab und es entstanden weite und flache Buchten, Becken mit Flussrinnen, Seen, Tümpel und Sümpfe. Es kam zu häufigen Wechseln zwischen Flu-tung und Austrocknung, Land und Meer, Süßwasser und Salzwasser, Pflanzengestrüpp und Meeresboden, die sich in einem ebensolchen raschen Wechsel der Gesteine und Fossilgemeinschaften wiederspiegeln. Der Lettenkeuper besteht daher aus einer engen Wechselfolge von geringmächtigen, gelblichen bis grauen Dolomitsteinbänken (spätdiagenetisch dolo-

mitisierte Kalksteine), graugrünen bis blaugrauen, z.T. dolomitischen Ton- und Schluffsteinen und graugrü-nen, feinkörnigen Sandsteinlagen und -bänken (Bild 4). Diese Sande wurden im Bereich eines um die 100 km breiten Rinnengürtels von großen und breit gefä-cherten Flusssystemen aus dem weit nördlich gele-genen Fennoskandischen Gebirge herantransportiert und in verzweigten Flussarmen abgelagert (Flut-fazies). Die marinen Karbonatsedimente wurden bei kurzen Meeresvorstößen aus dem südlich gelegene Tethysraum abgelagert und lassen sich über größere Entfernungen korrelieren. Die Tonsedimente wurden in wenig bewegtem, terrestrisch-brackischem Flach-wasser in Buchten und in Tümpel abgelagert. Stel-lenweise wurden Pflanzenreste zusammenge-schwemmt, die diagenetisch zu geringmächtigen Kohleflözen umgewandelt wurden. Die Karbonat- und Sandsteine werden von der Verwitterung steinig-mergelig zerlegt. Die in frischem Zustand harten Ton- (mergel)steine werden stückig zerlegt und weichen oberflächennah rasch zu einer lehmig-steinigen Mas-se auf. Vom Muschelkalk aus hochbrechend sind ört-lich Erdfälle möglich. Die Dolomitsteine und die Sand-steine sind zum Teil sehr fossilreich. Im "Hohenecker Kalk", der im Raum Ludwigsburg eine Flachwasser-fazies des Lingula-Dolomits ist, wurden zahlreiche

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Versteinerungen von Muscheln und Wirbeltieren gefunden. In der Innenstadt ist der Lettenkeuper im Bereich des Tälesbachs schon stark abgetragen, wäh-rend er im westlichen und östlichen Markungsgebiet bei Eglosheim und Neckarweihingen / Poppenweiler (Nußbäumle, Lemberg) und im südlichen Stadtgebiet bis zum Salonwald oft bis zur vollen Mächtigkeit er-halten ist. Die Ursache für die starke Abtragung der Keuperschichten im westlichen Bereich von Ludwigs-burg ist auch der "Schwäbisch-Fränkischen Sattel", der für die tektonische Hochlage der Schichten ge-genüber der Umgebung und der damit verbundenen verstärkten Abtragung verantwortlich ist. Die Gestei-ne des Lettenkeupers wurden in Ludwigsburg in den ehemaligen Steinbrüchen in Hoheneck und in Eglos-heim-Mäurach abgebaut und als Baumaterial ver-wendet. Westlich des Neckars liegen über dem Lettenkeuper stellenweise noch Erosionsreste des ursprünglich über 100 m mächtigen Gipskeupers (Grabfeld-Formation, Mittlerer Keuper). Bei überwiegend ter-restrisch-limnischen Verhältnissen kam es zur Ablage-rung von mächtigen Ton-Mergelsedimenten in bra-ckisch-lagunären Sedimentbecken. Einige kurzfristige Meeresvorstöße haben zu dünnbankigen Kalk/ Dolo-mitablagerungen und zu wechselnd-mächtigen Sul-fat- und Salzablagerungen in den Lagunen bei einem warm-ariden Klima geführt. Die Sulfatsteinlagen kommen oft in enger Wechsellagerung mit dünnen Tonsteinlagen vor und bestehen aus Anhydrit, der im Zuge der Erosion nahe der Erdoberfläche durch Was-seraufnahme und unter ca. 60 % Volumenzunahme in Gips umkristallisiert ist. Die enge Ton-Sulfat-Wechsel-lagerung begünstigt die Volumenzunahme. Diese Sulfatgesteine unterliegen oberflächennah, in Hang-bereichen, in Bachklingen und in Tallagen bevorzugt der Auflösung durch einsickerndes und zirkulierendes Wasser (Subrosion). Das kann zur Bildung von Hohl-räumen und zu Setzungen führen, hat Auswirkungen auf die Baugrundqualität und kann zu komplexen Grundwasserverhältnissen führen. Die höchste Rest-mächtigkeit im Markungsgebiet westlich des Neckars hat der Gipskeuper mit ca. 30 - 35 m im Bereich des Salonwaldes. Die Gips- und Anhydritgesteine in den ehemals ca. 15 - 18 m mächtigen, dolomitischen Grundgipsschichten an der Basis des Gipskeupers wurden westlich des Neckars durch einsickerndes Niederschlagswasser und durch Grundwasser aufge-löst und abgeführt. Hier sind nur noch schwach-schichtige und bröckelige Tonsteine mit unruhiger Lagerung und wabenartige, tonig-karbonatische Lö-sungsrückstände, sogenannte "Zellendolomite" üb-riggeblieben. Hohlraumbildungen im Gipskeuper sind

in Ludwigsburg bisher nicht bekannt geworden. Öst-lich des Neckars ist der Gipskeuper direkt unter der Kuppe des Lembergs in nahezu vollständiger Mäch-tigkeit erhalten. Er wird hier in einer tektonischen Tieflage (Mulden- und Grabenbildung) unter einer Kappe aus Schilfsandstein bis heute vor der Erosion geschützt. Der Gipskeuper am Lemberg besteht aus mächtigen, violettrot, grünlich oder olivgrau gefärb-ten und undeutlich geschichteten Ton-(Mergel)-steinserien mit vielen Lagen von feinschichtigen, plat-tig gebankten und knolligen Sulfatgesteinen. Nahe der Erdoberfläche sind auch hier die Sulfatgesteine oft weggelöst. Geringmächtige, aber über weite Be-reiche verfolgbare Dolomitsteinhorizonte durchzie-hen und untergliedern den Gipskeuper, z.B. Anatina-Bank, Acrodus-Corbula-Bank, Bleiglanzbank und Bochinger Bank. Diese können sich in Hangbereichen durch schwache Geländeknicke und Verebnungen bemerkbar machen. Entlang der zusammenhängen-den Keuperbergländer rund um das Neckarbecken bildet der Gipskeuper einen breiten und oft welligen Hangfuß und den ersten Steilanstieg der Keuper-schichtstufe mit Streuobstwiesen und Weinbergen. In den flachwelligen Landschaftsteilen des Strohgäus und am Fuß der Keuperberge haben sich im Gipskeu-per als Folge der Sulfatauslaugung örtlich Subrosions-landschaften mit einer flachhügeligen Oberfläche und mit flachen und breiten Talzügen und Geländesenken mit Sumpfflächen gebildet. In Ludwigsburg sind das der Altachgraben und die breiten Tallagen im Bereich Monrepos. Man nimmt an, dass die Bildung der Strohgäufläche stark mit der Auflösung der Sulfat-schichten im Gipskeuper auf breiter Front zusam-menhängt. Die Gesteine und v.a. die Tonsteine von Lettenkeuper und Gipskeuper sind an der Oberfläche und unter den jungen, kaltzeitlichen Deckschichten zu klebrig-weichen und lehmig-steinigen Frostschutt-decken verwittert und oft mit Lösssedimenten ver-mischt. Schon an flachen Hängen können sie zu rutschgefährdenten Hanglehmen und Fließerden umgelagert sein. Die unausgelaugten Grundgips-schichten wurden früher in Asperg und in Leonberg abgebaut und zur Gipsherstellung verwendet. Die bewaldete Kuppe des Lembergs wird vom dort etwa 25 m mächtigen Schilfsandstein (Stuttgart-Formation, Mittlerer Keuper) als Erosionsrest einer ehemals weitflächigen Bedeckung gebildet. Die Ent-stehung dieses „Zeugenberges“ wird in Kapitel 3.6 beschrieben. Den Namen erhielt der Schilfsandstein von den versteinerten Schachtelhalmresten, die man früher für Schilf hielt. Die Sedimente des Schilfsand-steins wurden in der riesigen Flusslandschaft eines flachen und breit verflochtenen Flussarmsystems und

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Deltas herantransportiert, das sich vom Fuß des weit nördlich gelegenen Fennoskandischen Hochlands und Gebirges bis zum Tethys-Meer im Süden erstreckt hat (Nordischer Keuper). Durch den langen Transportweg ist dieser Sandstein feinkörniger, als die jüngeren und nicht so weit transportierten Sandsedimente von Stubensandstein, Kieselsandstein und Rhätsandstein aus dem viel näher gelegenen Vindelizischen Hoch-land (Vindelizischer Keuper). Der unterschiedlich mächtige Schilfsandstein tritt in zwei Faziesausbil-dungen auf (Fazies = Gesicht): Die "Flutfazies“ wird von bis zu 35 m mächtigen, braunroten und grau-grünlichen Sandsteinformationen gebildet, die inner-halb der schmalen und lang gestreckten Delta-Arme in drei Phasen sedimentiert wurden. Die Rinnen ha-ben sich mit schnell fließendem Wasser auch oft in den unterlagernden Gipskeuper bis über 10 m tief erosiv eingeschnitten. Die Rinnenablagerungen tre-ten heute als von Nordosten nach Südwesten verlau-fende und eng miteinander verzweigte Sandstein-stränge an den Rändern und in den Tälern der Keu-perbergländer in Baden-Württemberg in Erscheinung und zeichnen den ehemaligen Verlauf dieses Fluss-deltas nach. Die harten Sandsteinbänke wurden durch die Erosion an den Steilstufen und in Bachklin-gen oft deutlich herauspräpariert und bilden ober-halb des Gipskeuperanstiegs eine kleine Schichtstufe, gelegentlich auch mit Felswänden und darüber oft mit Verebnungsflächen. Die "Normalfazies" wird von 5 - 20 m mächtigen, dunkel-rotbunten, weicheren,

feinsandig-siltigen und oft kohligen Tonsteinlagen gebildet. Diese wurden in den breiten und ruhig flie-ßenden Überflutungsebenen und unter der Mitwir-kung von Sumpfpflanzen zwischen den Sand-Deltaarmen abgesetzt und machen mehr als die Hälf-te der Schilfsandsteinformation aus. Sie werden schneller erodiert und treten an den Rändern der Keuperschichtstufen im Gegensatz zu den harten Sandsteinen der mächtigeren Flutfazies morpholo-gisch kaum in Erscheinung. Die Verhältnisse zur Schilfsandsteinzeit sind mit denen im heutigen Mis-sissippi Delta in Louisiana, USA vergleichbar. Die Struktur der Schilfsandsteinstapel erinnert stark an Ablagerungen von Überflutungsereignissen, wie sie bei Brüchen natürlicher Flußdämme des Mississippi entstehen. Der Schilfsandstein am Lemberg besteht aus gut gebankten, feinkörnigen und kalkig gebunde-nen Sandsteinen der Rinnenfazies mit einer hohen Glimmerführung, mit etwas Feldspat, mit Schieferag-gregaten und mit feinsandigen Tonsteinlagen und hat damit die Zusammensetzung einer Grauwacke (Bild 8, Abb. 25). Die Sandsteine zeigen oft eine Schräg-schichtung und Rippelbildung, die durch die Ablage-rung im fließenden Wasser entstanden ist. Am Lem-berg wurde der Schilfsandstein als Baumaterial für das Ludwigsburger Schloss abgebaut. Auch im Stutt-garter Raum wurde der leicht zu bearbeitende Schilfsandstein in zahlreichen Steinbrüchen abgebaut und hat hier als Baumaterial für Gebäude, Fußböden und Mauerwerke große Bedeutung erlangt.

Die flächig abgelagerten und höheren Keuperschichten aus Schilfsandstein, Bunten Mergel, Kieselsandstein, Stu-bensandstein, Knollenmergel und Rhätsandstein bilden die Steillagen, Verebnungsflächen und Hochflächen der oft bewaldeten Keuperbergländer rund um das Neckarbecken. Sie wurden in Ludwigsburg seit der Heraushebung unseres Landes aus dem Meer vor etwa 145 Mio. Jahren aber ebenso abgetragen, wie die noch höher liegenden und jüngeren Schichten des Jura. Durch diese Hebung und Abtragung ist in der Kreide-Zeit eine flachwellige Rumpfflächenlandschaft mit flachen und nach Süden und Südosten zum Molassebecken entwässernden Tälern entstanden. Die nördlichen Bereiche dieser Bäche und Flüsse mit geringer Erosionskraft sind seit der Neogenzeit durch rückschreitende Erosion des nordöstlich und tiefer gelegenen und damit stärker erodierenden Rhein-Neckar-systems angezapft und nach Norden und Osten umgelenkt worden. (Abb. 20 und 26). Im Eiszeitalter seit 2,6 Ma kam es während der Kaltzeiten zu einer verstärkten physikalischen Verwitterung und Abtragung der Böden und Gesteine durch Frostverwitterung -> Durchmischung und Abschwemmung durch oberflächliche Frost-Tauwechsel in wassergesättigten Permafrostböden und zur Bildung von Fließerden, Frostmischböden und Hangschutt. Durch starke und beständig wehende Südwestwinde kam es auch zu Ablagerungen von z.T. mächtigen, windgetragenen Lösssedimenten auf den Hochflächen und im Windschatten von Erhebungen. In den Flusstälern wurden kiesig-sandig-lehmigen Auensedimenten mit Torfeinschlüssen abgelagert. Die heutige Landschaftsoberfläche zeigt den Zustand nach der letzten Würm-Kaltzeit. Auf den alten, stark erodierten, verwitterten und oft felsartigen Grund-schichten der Muschelkalk- und der Keuper-Zeit liegen lehmig-steinige Verwitterungsbildungen und die weicheren und grob- bis fein- und gemischtkörnigen Deckschichten-Ablagerungen aus der viel jüngeren Würm-Kaltzeit mit Resten aus der Riss-Kaltzeit und älterer Kaltzeiten (Abb. 17). In den Tälern lagerten sich auch nach der Würm-Kaltzeit bis heute sandige Kiese und Lehmsedimente ab. Die zunehmende Bevölkerung hat im Mittelalter auf den Gäuflächen viel Wald gerodet und in Ackerland umgewandelt. Hier kam es bei starken Regenfällen dann zu gro-ßen Bodenabschwemmungen und zur Ablagerung von mächtigen Auenlehmen in den überschwemmten Tälern. Durch die Regulierung der Bäche und Flüsse und durch eine bessere Bewirtschaftung hat diese Talsedimentation deutlich nachgelassen. Durch Flussbegradigungen und dem damit schneller fließenden Wasser ist heute die Tiefe-nerosion der Flüsse ein Problem.

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Schichtprofile aus: H. Brunner (1998): Geologische Karte von Baden-Württemberg 1 : 50 000, Erläuterungen Stuttgart und Umgebung. LGRB-BW, Freiburg.

Abb. 14: Geologisches Standardprofil des Lettenkeupers (Erfurt-Formation) - Unterer Keuper- im Raum Stuttgart.

Abb. 15: Geologisches Standardprofil des Gipskeupers (Grabfeld-Formation) - Mittlerer Keuper- im Raum Stuttgart im Raum Stuttgart.

(Stuttgart-

Formation)

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3.3.1 Fossilien im Keuper Im Vergleich zum marin geprägten Oberen Muschelkalk veränderten sich die Klima- und Ablagerungsbedin-gungen im Keuper deutlich. Der Meerwasserzufluss in das Germanische Becken wurde immer mehr einge-schränkt. Es bildeten sich flache und verlandende Buchten und Rinnen mit Sumpfgebieten, die im kontinentaler werdenden Klima immer wieder austrockneten. Die marine Lebewelt wurde zunehmend von brackischen und limnischen Lebensformen abgelöst. In abgeschnürten Meeresbecken und nach vereinzelten, kurzen Meeresvor-stößen, kam es im sehr warmen und an Mineralien übersättigten Wasser zur Eindampfung und Absetzung von Karbonatsedimenten, Sulfatsedimenten und Salzen. Der Keuper ist wegen der für das Leben oft schwierigen Verhältnisse in den terrestrisch und fluviatil geprägten Lebensräumen insgesamt fossilarm. Mit den gefunde-nen Fossilien können die damals vorherrschenden Lebens- und Klimabedingungen aber gut rekonstruiert wer-den. Lettenkeuper Im engschichtig gegliederten Lettenkeuper findet man einen ebenso raschen Wechsel der hier aber oft spärlichen Fossilgemeinschaften aus dem festländi-schen Milieu, aus Brackwasser und Süßwasser und auch marine Fossilien. Eine biostratigraphische Al-tersgliederung ist wegen dem Fehlen von Leitfossilien nicht möglich. Daher wird der Lettenkeuper litho-stratigraphisch mit Hilfe der Karbonatsteinbänke gegliedert. Durch einen Anstieg der Salinität des Meeres in der betrachteten Region wurden die Le-bensbedingungen schlechter und die Fauna verarm-te. Im oft flachen Brackwasser fehlen daher Ceratiten und kalkschalige Brachiopoden. Muscheln wie Myo-phoria goldfussi sind darum entscheidend für die Zuordnung der Schichten. Eine Änderung der biomi-schen Bedingungen lässt auch Funde von Fisch- und Saurierresten zu. Auch Fossilien von landlebenden Sauriern treten auf. Somit gab es zumindest Zeitwei-se eine Verbesserung der Lebensbedingung für diese Arten. An der Basis des Lettenkeupers liegt das fossil-reiche und oft nur 1 cm mächtige Grenzbonebed mit Schuppen und Zähnchen von Fischen und Knochen-resten von Sauriern. Im höheren Unteren Keuper findet man in der sogenannten Anthrakonit-Bank reichlich Fossilien und Bonebed-Lagen. Im dolomiti-schen Mergelschiefer treten dann neben Bonebed-Lagen Palaeestherien, Linguliden - eine Brachiopoden Art (Abb. 16, Nr. 6) und Ostracoden - winzige Mu-schelkrebse von 0,5-2 mm auf (Nr. 5). In den Unteren Dolomiten lassen sich Bonebed Nester mit Lingula-Schalen finden, zudem Grabgänge und Pflanzenreste. Das häufigste Auftreten von Pflanzenresten, die stel-lenweise als mächtige, inkohlte Lagen (Lettenkohle) auftreten können, findet sich jedoch im jüngeren Anoplophora-Dolomit. Schachtelhalme (Nr. 11) sind hierfür ein gutes Beispiel. Im nördlichen Bereich von Ludwigsburg zwischen Hoheneck und Eglosheim wurde im stratigraphischen Bereich des Lingula-Dolomits und der Grünen Mergel eine spezielle Fazies (Ausbildung) des Gesteins gefunden. Fundstätten

dieses "Hohenecker Kalks" sind zwei ehemalige Steinbrüche in Hoheneck beim Tierheim und in Eglosheim-Mäurach. Der Hohenecker Kalk ist ein gelblicher, körniger und stark poröser, recalcitisierten Dolomit mit einer Mächtigkeit von 8 - 9 m. Die Poro-sität und somit seine gute Bearbeitbarkeit macht ihn zu einem guten Baumaterial. Die dort gefundene, reichliche Fossilienfauna und -flora lässt einen eng begrenzten Flachwasserbereich mit recht günstigen Lebensbedingungen vermuten, der sich von den we-niger fossilreichen und gleichalten Lingula-Schichten durch viele Fossilreste abhebt. Eine große Muschel-fauna, die von Myophoria intermedia, Costatoria goldfussi, Unionites, Bakevellia substriata, Pleuromya und Pseudocorubla dominiert wird, zeigt ein deutlich marines Gepräge. Zusätzlich sind noch Gastropoden (Schnecken) zu finden. Teilweise wurden größere Wirbeltierknochen und Zähne verzeichnet, die aber meist stark zerbrochen und abgerollt waren, was auf einen Transportweg schließen lässt. Auch Haifisch-Zähne (Nr. 7, 8) und Flossenstacheln gibt es im Ho-henecker Kalk. Doch erst durch zahlreiche Funde von Reptilien und Lungenfisch-Zahnplatten der Gattung Ceratodus und Ptychoceratodus wurde der Hohen-ecker Kalk berühmt. Dennoch war auch für diese großen Fische hier nicht immer der richtige Lebens-raum, da viele der Zahnplatten Abrollerscheinungen zeigen, also noch zerbrochen und transportiert wur-den. Erstmalig gelang es ein zusammenhängendes Skelett von einem Pachypleurosaurier, den Neustico-saurus, freizulegen. Es wurden sogar etwa 100 dieser kleinen Saurier auf einer Stelle gefunden, was natür-lich sehr ungewöhnlich ist. Daher werden hier beson-dere Umstände, wie ein kleines, lokales Massenaus-sterben vermutet. Die toten Tiere wurden dann von der Strömung verdriftet und an einer geeigneten Stelle zusammengeschwemmt, abgelagert und fossili-siert. Knochenreste von mehreren Meter großen Nothosaurus giganteus wurden auch gefunden.

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Gipskeuper Die mächtigen Tonmergelsteine des Gipskeupers werden den kompakten Grundgipsschichten und weiter oben auch von engschichtigen und knolligen Sulfathorizonten durchzogenen. Dünne Karbonat-steinhorizonte machen eine lithostratigraphische Gliederung möglich. In den Tonsteinen finden sich vereinzelt Muscheln, wie Myophoria goldfussi, die Krebstiere Euestheria minuta, Fische und nicht näher bestimmbare Schnecken. In der Bleiglanzschicht des

Gipskeupers finden sich zudem Muschelschalennes-ter mit kleinen Knochenbruchstücken die sich bis hin zu Lagen ausbreiten können. In den Estherienschich-ten tritt dann eine reichhaltigere Fauna mit verschie-denen Muschelarten der Lamellibranchiaten (Abb. 16, Nr. 1 - 4) auf. Auch das Leitfossil des Gipskeupers Palaeestheria fimbricata wurde in dieser Schicht ab-gelagert.

Schilfsandstein Über dem Gipskeuper folgen die teilweise in diesen erosiv eingeschnittenen Gesteine des Schilfsand-steins. Namensgebend waren hier die häufig gefun-denen Reste von Schachtelhalmgewächsen (Equiseti-tes arenaeus, Abb. 16, Nr. 11), die man früher für Schilf hielt. Die ebenfalls gefundenen fossilisierten oder inkohlten Reste von anderen Pflanzenarten (Abb. 16, Nr. 9 - 14), lassen auf üppig bewachsenen Sumpflandschaften schließen, die sich zwischen den sandigen Flussarmen eines interferierenden (weitver-zweigten) Flusssystems in den tonig-feinsandigen

Stillwasserbereichen der Normalfazies ausgebreitet haben. Örtlich lassen sich auch dünne Kohleschichten im Gestein erkennen. Diese bildeten sich nach An-schwemmung und Anhäufung der abgestorbenen Vegetation und Inkohlung durch den hohen Druck der später überlagernden Schichten. Neben Fossilien der Flora sind im Schilfsandstein gelegentlich auch Mu-scheln und Reste von Dachschädellurchen, von Theropoden - eine Unterordnung der Saurier und eine kleine Panzerechse, Dyoplax arenaceus zu fin-den.

Abb. 16: Lebewelt und Fossilien des Unteren und des Mittleren Keupers. Zeichnungen und Text aus H. Brunner (1998): Geologische Karte von Baden-Württemberg 1 : 50 000, Erläuterungen Stuttgart und Umge-bung, Hrsg.: LGRB-BW, Freiburg.

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Bild 6: Oberer Gipskeuper, Untere Bunte Esterienschichten bei Untergruppenbach Da es in Ludwigsburg auch keinen guten Aufschluss des ca. 100 m mächti-gen Gipskeupers gibt, hier ein Foto der Unteren Esterienschichten bei Untergruppenbach. Tonsteine, dünne Kalksteinbänke, Sulfatgesteinslagen. Quelle: Th. Gudera, et al. (2002): Hydrogeologische Karte und regionales Grundwassermodell "Heilbronner Mulde". – Hrsg. Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW), Karlsruhe.

Bild 4: Lettenkeuper bei Vellberg-Eschenau. Da es in Ludwigsburg keinen kompletten Auf-schluss des Lettenkeupers gibt, hier ein Foto des 26 m mächtigen und engschichtig geglie-derten Lettenkeupers über dem Oberem Mu-schelkalk in einem Steinbruch im Schotterwerk Vellberg-Eschenau. Der Lettenkeuper wird von gelben Dolomitbänken, grünlichen Sandsteinen und grauen und grünlichen, z.T. dolomitisierten Ton- und Schluffsteinen aufgebaut. Quelle: Der Lettenkeuper - ein Fenster in die Zeit vor den Dinosauriern. Herausgegeben von Hans Hagdorn, Rainer Schoch, Günter Schwei-gert. Teil 14. Wirbeltierlagerstätten im Lettenkeu-per. Hans Hagdorn, Rainer Schoch, Dieter See-gis und Ralf Werneburg. Palaeodiversity 2015, Vol. 8, Naturkundemuseum Stuttgart. Foto: Hagdorn 2009.

Bild 5: Lettenkeuper, Hohenecker Kalk (Lingula Dolomit) im ehem. Steinbruch Mäurach in Eglosheim.

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Bild 7: Erdfall im Favoritepark. Lösungsvorgänge in den Kalksteinen des Oberen Muschelkalks und in den Evaporitgesteinen des Mittleren Muschelkalks haben zum Durchbrechen der schlotartigen Aushöhlung durch die Schichten des Lettenkeupers bis an die Erdoberfläche geführt. Der Erdfall ist mit Versturzmassen plombiert. Das Regenwasser versickert bis in den Muschelkalk.

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Bild 8: Schilfsandstein am Lemberg. Feinkörnige und von weit aus dem Norden heran-transportierte, massige Sandsteine der Flutfazies.

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3.4 Quartär (2,6 Millionen Jahre bis heutige Zeit) Schon vor dem Übergang von der Neogen-Zeit in die Quartär-Zeit vor etwa 2,6 Mio. Jahren begann sich das Klima auf der Erde zu verändern. Die auch in höheren Breiten sehr warmen Klimaverhältnisse von der Perm-Zeit bis zur Mitte der Neogen-Zeit wurden unbeständiger und kühler. Ursache waren vermutlich starke Veränder-ungen auf der Erdoberfläche, wie z.B. die Bildung des Himalayas, die Bildung der Landbrücke von Mittelamerika und der Zirkumpolarstrom um die Antarktis. Das hat zu Veränderungen der Meeresströmungen mit einer ein-hergehenden Klimaverschlechterung geführt. Somit konnten die zyklischen Änderungen der Erdbahnparameter auf das Klima stärker wirken, als in den vorangegangenen und viel wärmeren Zeiten. In der Pleistozän-Zeit kam es schließlich zu mehr als 20 Zyklen von längeren Kaltzeiten und kurzen Warmzeiten. Während der jüngeren Kaltzeiten von Bavel, Cromer, Hoßkirch, Riß und Würm kam es durch eine starke Abkühlung in der Erdat-mosphäre zur Bildung von großen Eismassen, die von den Polen bis in die Kontinente und in die gemäßigten Breiten vorgestoßen sind. Auch viele Mittel- und Hochgebirge und deren Vorländer wurden von diesem Klima-wandel erfasst und es haben sich dort große Gebirgs- und Vorlandgletscher gebildet. Durch die Umwandlung von viel Meerwasser über Schneeniederschläge in Eis kam es auch zu einer Absenkung des weltweiten Meeres-spiegels um bis zu 140 m (Abb. 5b). Der Raum Ludwigsburg war immer eisfrei, aber es herrschte hier ein kaltes und trockenes Tundra- und Steppenklima mit Permafrostböden und einem spärlichem Bewuchs mit Gräsern und Sträuchern. Die heutige Landschaftsoberfläche im Strohgäu wird zu einem großen Teil von mehreren Me-tern Lösssedimenten, von Verwitterungsbildungen und örtlich von Schuttsedimenten und Talsedimenten aus dem Periglazial der Riß-Kaltzeit und v.a. aus der letzten Würm-Kaltzeit gebildet. Diese bedecken fast überall die über 200 Mio. Jahre älteren und erodierten Schichten des Muschelkalks und des Keupers. Ohne den Löss und dem Verwitterungsprodukt Lösslehm wäre der Anbau von Nutzpflanzen im Strohgäu nicht so ertragreich. Die heutige Landoberfläche wird fast überall von den 0,5 bis über 10 m mächtigen und oft wenig verfestig-ten Deckschichten aus der Zeit des Quartärs gebildet. Das Quartär gliedert sich in das Pleistozän = Eiszeital-ter vor ca. 2,6 Millionen Jahren bis 11.700 Jahren und in das Holozän = Jetztzeit und Warmzeit seit 11.700 Jahren. Während der Kaltzeiten im Pleistozän gab es im heutigen Strohgäu nie eine Gletscherbedeckung. Der Boden in diesem trocken-kalten Periglazialgebiet mit Klimaverhältnissen wie heute in Nordsibirien war aber bis zu 100 m tief gefroren. In den kurzen Som-mern tauten die Permafrostböden an der Oberfläche zu einer breiigen und schon bei leichter Hangneigung fließfähigen Masse auf und es wuchsen dort Gräser und niedrigen Sträucher. Die Festgesteine und insbe-sondere die tonhaltigen Gesteine des Gipskeupers, des Lettenkeupers und des Muschelkalks wurden im wassergesättigten Boden durch Frost-Tauwechsel entfestigt, aufgearbeitet und zu tonig-schluffig-steinigen Verwitterungslehmen, Frostmischböden, Fließerden und Abschwemmmassen verwittert und umgelagert. An den Hängen des Schichtstufenlandes, auf den Hochflächen und an Talflanken entstanden durch Frostverwitterung und Fließvorgänge (Solifluk-tion) tonig-sandige Fließerden und Hanglehme, z.T. vermischt mit Löss und steinig-kantigem Hang- und Talschutt. In den flachen Tälchen haben sich lehmig-tonige Bachablagerungen, oft vermischt mit dunkel gefärbten organischen Bestandteilen und mit ge-

mischtkörnigen Abschwemmmassen und Lösslehm abgelagert. V.a. im Bereich des Gipskeupers gibt es, bedingt durch die Auslaugung der Grundgipsschich-ten und der damit verbundenen Gefällsreduzierung der Bäche ausgedehnte und sehr feuchte anmoorige Flächen mit einem hohen Anteil an organischen Be-standteilen (Monrepos, Altach-Graben). Während der Riß-Kaltzeiten vor 380.000 - 125.000 Jahren und während der Würm-Kaltzeit vor 115.000 - 11.700 Jahren wurde feiner Gesteinsstaub durch starke Südwestwinde aus den vegetationsarmen und oft abgetrockneten Schotterebenen des Oberrheingra-bens ausgeblasen und auf den östlich gelegenen Grassteppen und baumlosen Tundraflächen des heu-tigen Strohgäus als gelblich-grauer Löss abgelagert. Dieser ist heute an der Oberfläche oft 0,5 - 2 m tief zu rostbraun gefärbtem Lösslehm verwittert. Wegen der rhythmischen tektonischen Hebung unseres Lan-des schnitten sich die Flüsse vor allem während der schmelzwasserreichen Phasen zu Beginn und am Ende der Kaltzeiten in die Landschaft ein und hinter-ließen auf den Hochflächen und an den Talflanken Reste ihrer Schotterablagerungen als Höhen- und Terrassenschotter. Die sandigen Schotter in der Aue des Neckartals mit örtlichen Faulschlammlinsen stammen aus der Würm-Kaltzeit und aus dem Ho-lozän. Die Sande und Schotter aus Jurakalken wurden im Neckartal in zahlreichen Kiesgruben abgebaut und in der Bauindustrie verwendet. Die 10 bis 20 m über

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der Talaue liegenden und oft schon konglomeratisch verfestigten Reste von Schotterterrassen stammen aus den Riß-Kaltzeiten, die höher liegenden Schotter-reste stammen aus älteren Kaltzeiten. Die über den Neckarschottern liegenden, braunen und schluffig-fein-sandig-tonigen Auenlehme wurden großteils durch Hochwasserereignisse im Altertum und im Mittelalter abgelagert, z.B. beim verheerenden Magdalenenhochwasser im Juli 1342. Ursache war auch die damals großflächig betriebene Waldrodung, die zu starken Bodenabschwemmungen geführt hat. Es gab damals weit weniger Wald als heute. Im Neckartal gibt es am Zipfelbach bei Poppenweiler und bei der Kläranlage Hoheneck flache Schwemm-fächer mit kiesig-lehmigen Ablagerungen aus den in das Neckartal eintretenden Seitentälern. Durch die Verringerung des Gefälles vom steileren Seitental in das flachere Neckartal werden die gröberen und schwereren Sedimente nicht weitertransportiert und hier fächerförmig abgelagert. An einigen Quellen und Bächen in Ludwigsburg findet man Süßwasserkalke. Diese entstehen durch das Ausfällen von Kalk beim Erwärmen und Verdunsten des Wassers. Der Kalk umschließt auch Pflanzen, wie z.B. Moose und erhält dann eine poröse Struktur. An der Straße von Pop-penweiler nach Hochdorf wurde früher in einer

kleinen Kiesgrube Travertin abgebaut. Travertin (Lapis tiburtinus nach einem Vorkommen am Tiber bei Rom) ist eine Quellkalkablagerung, die überwiegend während der Warmzeiten gebildet wurde. Das Grundwasser wurde hier mit aufstei-gendem Kohlendioxid (CO2) aus dem Erdmantel an-gereichert und ist als kohlensaures Wasser (H2CO3) an tektonischen Störungszonen ausgetreten. Durch das Entweichen des Kohlendioxids am Quellaustritt infolge der Temperaturzunahme und des Druckab-falls haben sich die eisenhaltigen und gelbbraun ge-bänderten Sauerwasserkalke, oft mit Einschlüssen von Pflanzen- und Tierresten gebildet. Das heute zugeschüttete Kiesvorkommen ist der Rest einer Schotterterrasse aus dem Frühen Pleistozän. Sehr bekannt sind die großen Travertinvorkommen von Stuttgart in der Innenstadt, in Bad Cannstatt, Müns-ter und in Untertürkheim, die als Werksteine abge-baut wurden. Der Travertin wurde dort an den Aus-trittstellen der kohlensäurehaltigen Mineralquellen v.a. in den warmen Zwischeneiszeiten und im Ho-lozän großflächig abgelagert. Diese Quellen sind seit etwa 500.000 Jahren im Bereich von Störungszonen des Fildergrabens aktiv und bilden das bedeutendste Mineralwasservorkommen in Deutschland.

Gäuflächen LB-Innenstadt Neckartal LB-Neckarweihingen

Abb. 17: Profilschnitt der quartären Deckschichten auf den Gäuflächen, in Hangbereichen und im Neckartal (schematisch und überhöht).

Abschwemmmassen, Bachablagerungen, Talauen

Frost- und Verwitterungs- schutt (Frostmischböden), Fließerden

Reste kaltzeitlicher Fluss-Schotterablagerungen: - Höhenschotter (Pliozän und Frühes Pleistozän) - Höhere Terrassenschotter (Mittleres Pleistozän) - Tiefere Terrassenschotter, Hoch- und Niederterrassenschotter der Riß- und Frühwürm-Kaltzeit (Mittleres- und Spätes Pleistozän)

Lössführende

Fließerde

Löss

Lösslehm Hanglehme, Fließerden

Auenlehme

Sandige Talkiese mit Schlicklinsen Schotter von Würm-Kaltzeit und Holozän

Oberer

Muschelkalk

z.T. verkarstet

Auffüllungen

Höhen-

schotter

Erdfall

Hangschutt,

Talschutt

Auffüllung: Oft lehmig-sandiger Schutt, Schotter, Steine, Schlacken, Schadstoffe.

Lösslehm: Gelblich-rostbrauner, entkalkter, verlehmter und verdichteter

Schluff und Ton. Am Hang vermischt mit Abschwemmmassen und Frostschutt.

Löss: Während der Kaltzeiten durch Wind transportierter, fahl-gelbgrauer,

kalkhaltiger und poröser Schluff (= Korngröße zwischen Ton und Sand).

Frost- und Verwitterungsschutt: Kaltzeitliche Böden und Solifluktionsböden an der

Basis der Lösssedimente oder mit diesen vermischt. Oft mit umgelagerten Keuper- und

Muschelkalksteinchen in bindiger Matrix aus feinsandigem Ton und Schluff.

Abschwemmmassen, Bachablagerungen, Talauen: Graubraune, schluffig-tonige Zusammen-

schwemmungen mit Sand und kantigen Gesteinsbruchstücken und oft vermischt mit Lösssedimenten.

Oft weich bis breiig und mit organischen Resten. Alte, mit Lehm und Ton plombiere Tälchen.

Kaltzeitliche Terrassenschotter: Gelbliche bis bräunliche und sandige, oft kantengerundete Fluss-

schotter in unterschiedlichen Höhenlagen über der Talaue. Oft löchrig und konglomeratisch verfestigt.

Hanglehm, Fließerde: Brauner Verwitterungslehm aus Keupertonsteinen mit wechselnd steinigen Anteilen.

Oft vermischt und verzahnt mit abgeschwemmtem Lösslehm, je nach Wassergehalt gelegentlich rutschend.

Hangschutt: Brauner Verwitterungslehm mit hohen kiesig-steinigen Anteilen bis hin zu einem tragfähigen Steingerüst aus

schwerer verwitterbaren Gesteinen von Gipskeuper, Lettenkeuper und Muschelkalk. An Steilhängen gelegentlich rutschend.

Talschutt: Steinige Schuttmassen und Blöcke am Talfuß (Gesteinsschutt) in tonig-, sandig-, schluffiger Grundmasse.

Auenlehm: Braune, feinsandig-tonige Schluffe mit schwarzen, organischen Bestandteilen (abgesetzte Hochflutsedimente).

Großteils im Altertum und Mittelalter infolge von Waldrodung und Ackerbau abgelagerte Abschwemmungen.

Talkies (Neckarschotter): Sandige und gerundete bis gut gerundete Kiese, v.a. Jurakalke mit Schlicklinsen.

Ablagerung aus der Würm-Kaltzeit und aus dem Holozän.

Erdfälle: Vertikale Lösungshohlräume im Muschelkalk. Hochbrechen bis an die Oberfläche möglich.

Oft Plombierung mit Lehm und Steinen.

Mittlerer Muschelkalk Salze ausgelaugt, Anhydrit und Gips

in Auslaugung.

Unterer Muschelkalk

Buntsandstein

Reste von Gipskeuper und Lettenkeuper

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Löss und Lösslehm

Löss (schwäb.-elsässische Mundart lösch = locker) ist ein vom Wind getragenes (äolisches) Sediment aus überwiegend schluffigem, gut sortiertem und porö-sem Gesteinsstaub, das etwa 10% der Landoberfläche der Erde bedeckt. Löss wurde vor allem während der kalten und trockenen Hochglazialzeiten innerhalb der Riß- und Würm-Kaltzeiten aus den vegetationsarmen und oft abgetrockneten Schotterflächen vor den Gletschern und aus weitläufigen Flussebenen durch starke und beständig wehende Winde ausgeblasen (Abb. 42). Heutzutage findet Lösssedimentation z.B. in Zentralasien statt, wo Staub aus Wüstengebieten in die randlichen Grassteppen ausgeblasen wird. Im Strohgäu ist Löss oft flächig und teils inselartig ver-breitet und das Verwitterungsprodukt Lösslehm be-gründet die hohe Fruchtbarkeit dieser Landschaft. Der Löss im Raum Ludwigsburg wurde aus den oft abgetrockneten Überschwemmungsgebieten der Schotterebenen des Oberrheingrabens und in gerin-gem Umfang von den Hochflächen des damals wald-freien Schwarzwaldes durch starke und beständig wehende Westwinde ausgeblasen und nach Osten transportiert. Bei diesem luftgetragenen Transport wurden die großen und schweren Sandpartikel schon nach kurzer Transportstrecke wieder abgelagert, wie z.B. die Dünen bei Hockenheim und Schwetzingen, während die feinen und leichten Schluff- und Tonpar-tikel weiter transportiert wurden. Mit nachlassender Windgeschwindigkeit wurde der Staub im Windschat-ten von Tal- und Beckengebieten, auf den weiten Verebnungen der Gäuflächen, am Fuße der Keuper-berge und auf der Filderebene abgelagert. Unter-stützt wurde die Sedimentation durch das Einfangen des Staubes von den Gräsern und Sträuchern in der baumlosen Steppe und Tundra. Mit zunehmender Sedimentbildung wurde die Vegetation zugeschüttet und hat nach ihrem Absterben und Auflösung in vie-len Lössablagerungen eine vertikal-haarröhren-förmige Textur hinterlassen, die stabilisierend und gut drainierend wirkt. Das führt zusammen mit der kantigen Kornform der Lösskörner und mit der se-kundären Kalkzementation zu einer hohen Standfes-tigkeit und macht die Bildung von tiefen Hohlwegen mit steilen Wänden möglich, z.B. in der Lechtsteige in Neckarweihingen (Bild 13). Wird der Löss jedoch flu-viatil umgelagert und verwittert (Sekundärlöss, Löss-lehm, Schwemmlöss), verliert er diese Struktureigen-schaften. Er wird dann weich und ist rutschgefährdet. Der gut zerreibbare und gelbgraue bis fahlbraune Primärlöss ist ungeschichtet, homogen und schwach durch Kalk verfestigt. Löss besteht zu 50 – 80 % aus

Quarzkörnern mit bis zu 30 % Karbonaten (Kalk und Dolomit), mit Beimengungen von 10 – 20 % Feldspä-ten, ca. 5 – 20 % Tonmineralen und aus anderen Mi-neralen, z.B. Eisenoxid. Charakteristisch ist die poröse Struktur mit einem Porenvolumen von bis zu 40 %. Die Korngröße liegt je nach dem Ausgangsgestein und der Entfernung zum Liefergebiet im Mittel- bis Grob-schluffbereich (0,006 bis 0,063 mm) und oft mit weit streuenden Beimengungen von Feinsand und Ton. Im Löss werden oft Reste von Schneckengehäusen und gelegentlich Zähne und Knochen von Säugetieren gefunden. Im feuchten und warmen Klima der Warmzeiten (Eem-Warmzeit und Jetztzeit) verwitterten die obe-ren 0,5 - 2 m des Lösses zu gelbbraun bis rostbraun gefärbtem, dichtem, schluffig-tonigem Lösslehm mit hoher Kapillarität. Hier kann sich die Bodenfeuchte lange halten und oberflächennahes Grund- und Schichtwasser kann in der röhrenartigen Textur kapil-lar aufsteigen (hoher Anteil an pflanzenverfügbarem Bodenwasser). Das ist zusammen mit dem hohen Mineralgehalt und mit der guten Bearbeitbarkeit dieses Bodens mit ausschlaggebend für die hohen landwirtschaftlichen Erträge im Strohgäu. Bei der Verwitterung werden die Karbonate durch das koh-lensäurehaltige Niederschlagswasser und durch die Humussäuren der Waldböden gelöst und in tiefere Bodenhorizonte verlagert. Dort werden sie oft in Kalkkongretionen als sogenannte "Lösskindl" ausge-schieden (Bild 15). Durch die Oxidation der Eisenver-bindungen im karbonatischen Bindemittel kommt es zu einer rötlich-braunen Verfärbung des Bodens (Ei-senhydroxide, Goethit, Limonit). Dabei überzeihen die entstandenen Eisenhydrooxide als dünne Häut-chen die Mineralkörner. Die Feldspäte und andere Silikate werden zersetzt, in Tonminerale umgewan-delt und der Boden verschlämmt und verdichtet sich. Durch weitere bodenbildende Prozesse (Tonverlage-rung etc.) entstehen schließlich die für Lössgebiete in den gemäßigten Breiten charakteristischen und fruchtbaren Braunerden, Parabraunerden und Schwarzerdeböden. An den Hängen, in Tälchen und auf den Flächen östlich des Neckars ist der Lösslehm oft zu einer lössführenden Fließerde, gelegentlich mit Hangschutt umgelagert. Lösslehm ist oft feucht, kann breiige Zonen enthalten und ist dann rutschgefähr-det. Er ist durch den Tongehalt plastisch und hat eine geringere Standfestigkeit und schlechtere Baugrund-eigenschaften als unverwitterter Löss. Bei Austrock-nung, v.a. im Sommer und im Herbst, können Löss-

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lehm und tonhaltige Böden bis in Tiefen von um die 2 m schrumpfen. Der Boden wird dann rissig und zer-fällt in kleine Stücke. Setzungen an flach gegründeten Bauwerken können die Folge sein. Lösssedimente sind empfindlich gegenüber Winderosion (Deflation). Im Strohgäu wurde der Lösslehm auf vielen Gelände-kuppen nach der Rodung der Wälder durch Windero-sion in seiner Mächtigkeit reduziert und stellenweise ganz abgetragen. Mächtigere Lösssedimente können örtlich aus zwei Lösslehm- und zwei Lösshorizonte bestehen. Der untere Löss stammt dann oft aus der Riss-Kaltzeit, dessen oberer Teil der Eem-Warmzeit zu

Lösslehm entkalkt wurde. Darüber folgt der Löss aus der Würm-Kaltzeit, dessen oberer Teil in der warmen Jetztzeit entkalkt wurde (Abb. 17 links und Bild 14). Löss und Lösslehm wurden früher in Gruben abge-baut und zur Ziegelherstellung verwendet (Stein-bruch Hubele, ehem. Ziegelwerke am Römerhügel). Die v.a. in den gemäßigten Klimazonen weit verbrei-teten und sehr fruchtbaren Lösssedimente auf der Erde sind zusammen mit dem milden Klima mitver-antwortlich dafür, dass heute fast 8 Milliarden Men-schen ernährt werden können.

Bild 9: Kaltzeitliche Sedimente bei der Grünanlage Hungerberg. Am Ostrand der Grünanlage Hungerberg in Ludwigsburg-Hoheneck sind Löss, Lösslehm mit Lösskindel und Schotter der Würm- und Riss-Kaltzeiten über den Grundschichten des Oberes Muschelkalks in einem geologischen Fenster zu sehen und auf einer Schautafel beschrieben (siehe Bild 10). Bildquelle: NABU Naturschutzbund, www.nabu-ludwigsburg.de

36

3.4.1 Fossilien in den quartären Deckschichten Am Häufigsten lassen sich im Löss die kleinen, weißen Gehäuse der Landschnecken Trichia hispida, Fructici-cola hispida, Succinea oblonga und Pupilla muscorum (Abb. 18, Nr. 3-5) finden. Auch ein vollständiger Schädel mit den Stoß- und Backenzähnen (Nr. 7) ei-nes Mammuts (Abb. 9) oder ein vollständiges Ge-weih, Gebiss und Skelettteile von einem Riesenhirsch (Nr.16) wurden aus den Lössschichten schon ausge-graben. Ebenso andere Wirbeltierreste, z.B. von Wildpferden (Nr. 11) und Wollnashörnern (Nr. 8). In einer Kiesgrube in Steinheim am Neckar wurde ein Frauenschädel des etwa 300.000 bis 400.000 Jahre alten Urmenschen Homo steinheimensis (Nr. 15)

gefunden. Eine umfangreiche warmzeitliche und z.T. auch kaltzeitliche Flora und Fauna aus dem Quartär wurde in den bis zu 30 m mächtigen Travertinablage-rungen (Sauerwasserkalke) im Austrittsbereich der Cannstatter Mineralquellen in Stuttgart im Neckartal und im Nesenbachtal gefunden. Gegen Ende der der Würm-Kaltzeit bis vor etwa 8.000 Jahren sind plötz-lich viele große Säugetiere, wie z.B. das Mammut, das Wollnashorn und der Säbelzahntiger ausgestorben. Die Gründe dafür sind noch nicht geklärt. Möglicher-weise waren schnelle Klimaveränderungen in Verbin-dung mit dem sich vermehrenden und jagenden Menschen die Ursache.

Abb. 18: Lebewelt und Fossilien des Pleistozäns. Zeichnungen und Text aus H. Brunner (1998): Geologische Karte von Baden-Württemberg 1 : 50 000, Erläuterungen Stuttgart und Umgebung, Hrsg.: LGRB-BW, Freiburg.

Während der Kaltzeiten war das Klima in Mitteleuropa auch außerhalb der Gebirge und der Gletscherbedeckun-gen im Vorland überwiegend kühl bis sehr kalt und trocken. Die Böden waren in den kälteren Phasen tiefgefro-ren und sind nur in den kurzen Sommern oberflächennah aufgetaut. In den kurzen Warmzeiten war es gemä-ßigt-warm und feuchter und zum Teil auch wärmer als heute. Die nährstoffreichen, kaltzeitlichen Tundren und Steppen waren meistens baumlos und waren oft mit Gräsern und niedrigen Sträuchern aus Wermut und Heide-kraut bedeckt. Diese lieferten viel Nahrung für Säugetierherden (Rentier, Mammut, Moschus etc.) und wurden auch von Hominiden, z.B. dem Homo steinheimensis bevölkert, die sich an das raue und wechselhafte Klima angepasst haben. Ab der Riss-Kaltzeit durchstreife der Neandertaler diese kargen Landschaften und in der Würm-Kaltzeit hat sich der moderne Mensch hinzugesellt. Wenn in den Wärmephasen oder in Zwischenkaltzei-ten die Gletscher schmolzen und die Permafrostböden in den eisfreien Gebieten aufgetaut sind, konnten sich vermehrt große Wälder mit Bächen, Seen und Sümpfen mit einer daran angepassten Flora und Fauna bilden.

45

46

Bild 10 links: Löss und Lösslehm mit "Lösskindel" an der geologischen Schautafel bei der Grünanlage Hungerberg. Bild 11 rechts: Neckarschotter aus der Riss-Kaltzeit über Kalksteinen des Oberen Muschelkalks bei der Grünanlage Hungerberg.

Bild 12 links: Lösslehm und Löss über freigelegter Baugrubensohle aus Gipskeuper (ausgelaugte Grundgipsschichten). Bild 13 rechts: Alten Hohlweg im über 10 m mächtigen Löss an der Lechtsteige in Ludwigsburg-Neckarweihingen.

47

Humus: stark durchwurzelt, dunkelbraun.

Entkalkter Löss: Schluff, z.T. schwach feinsandig,

mehlig, trocken, entkalkt, ungeschichtet, sehr hellgrau,

sehr locker.

Lösslehm: Schluff, tonig, feinsandig, entkalkt, braun,

fest.

Löss: Schluff, kalkhaltig, gelblich, halbfest.

Bodenrest: Schluff, humos, bröckelig, braun,

Mn/Ca-Konkretionen.

Lösslehm: Schluff, tonig, entkalkt, braungelb, fest.

Flussschotter: Kies, 0,5 - 5 cm, sandig, löchrig, kalk-

haltig, oft verfestigt, teils geschichtet und eingeregelt,

ockergelb. Oft flache und kantengerundete Weißjura-

gerölle. Basis ca. 225 - 226 mNN.

Aufarbeitungshorizont: Kalkgerölle, schwach gerunde-

te Blöcke bis 30 cm, brecciös, sandig, gelbbraun, fest.

Oberer Muschelkalk: Kalkstein, feinkristallin, dünn-

bankig, geklüftet, blaugrau bis grau, hart. Zwischen

den Kalkbänken dünne und dunkle Tonsteinfugen.

Verfestigte Flussschotter (Konglomerat), aus dem Aufschluss im ehem. Steinbruch Hubele bei ca. 226 mNN.

Bild 14: Profil der quartären Deckschichten an der NW-Wand des ehem. Steinbruchs Hubele, heute Grünpark Hungerberg. (Aufnahme: Goos/Wenninger 1989. Der Aufschluss wurde 1989 verfüllt).

5 cm

ca. 235 mNN

10 m

9

8

7

6

5

4

3

2

1

0

36

3.5 Geologische Karten und geologischer Profilschnitt von Ludwigsburg Die geologische Karte in Abb. 19 zeigt den Bereich der Markung Ludwigsburg, ausgewählt aus dem Kartenvie-wer auf der Web-Seite des Landesamtes für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (LGRB). Hier ist der Ausstrich der geologischen Schichten an der Erdoberfläche dargestellt. Ein großer Teil der Fläche auf der Gemarkung Lud-wigsburg wird hier von den Deckschichten aus Lösslehm, Löss, Abschwemmmassen, Frostmischböden, Verwit-terungslehmen, Fließerden, Hangschutt und Auesedimenten bedeckt, die in der Quartär-Zeit und dort v.a. wäh-rend der Würm- und Riß-Kaltzeiten diskordant über den viel älteren und stark erodierten Grundschichten der Trias-Zeit abgelagert wurden. Die geologische Karte in Abb.19a zeigt den Ausstrich (das Auftreten) der geologischen Grundschichten aus der Trias-Zeit unterhalb der Deckschichten (abgedeckte Karte) und die Talauen-Sedimente aus der Quartär-Zeit. Die 0,5 bis über 10 m mächtigen Deckschichten, welche die Grundschichten flächig und diskordant bedecken, wur-den hier aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht dargestellt. Der geologische Profilschnitt in Abb. 19b zeigt schematisch und überhöht die heute noch ca. 600 - 700 m mäch-tigen Sedimentschichten des erodierten Deckgebirges über dem kristallinen Grundgebirgssockel. Die Sediment-schichten liegen flachwellig und diskordant auf dem Grundgebirge und werden von Verwerfungen gegeneinan-der versetzt. Im Bereich von Hohenasperg und Lemberg sieht man die Muldenlage und die tektonische Graben-struktur, die für die Reliefumkehr dieser Zeugenberge verantwortlich sind. Im Bereich des Neckartals sieht man die Hochlage der Muschelkalkschichten, die durch den von Südwesten nach Osten verlaufenden "Schwäbisch-Fränkischen Sattel" verursacht wird (siehe auch Abb. 2 und 21). Die Lage des Profilschnittes ist in der geologi-schen Karte markiert. Der Vergleich beider Darstellungen soll die räumliche Lage der geologischen Schichten in Ludwigsburg veranschaulichen.

48

36

49

burg Lf

Lf

Stbr.

qhy

Lgr.

qhz

Stbr.

Ergänzt: Bekannte, mit

Tonen plombierte Tälchen

Lgr.

Stbr.

50

xvbnm,.<yxvbm,-

Abb. 19b: Geologischer Profilschnitt. (4-fach überhöht)

Mittlerer Muschelkalk ca. 65 m; Kalkstein- und Dolomit-

steinbänke. In Ludwigsburg Auslaugungstone von Salzgesteinen, Sulfatgesteine in Auslaugung.

Untere Muschelkalk ca. 56 m; Kalkstein- und Dolomitstein-

bänke, Tonmergelsteine.

Buntsandstein ca. 260 m; 5 - 10 m Röttone an der Grenze

zum Muschelkalk. Sandsteine mit Gerölllagen und vereinzelte

Tonsteinlagen.

Perm ~ 100 m; In Ludwigsburg Rotliegendes und terrigener

Zechstein (Tonsteine, Dolomitsteine, Konglomerate, Sandsteine).

Grundgebirge; Im Raum Ludwigsburg vermutlich Gneise und Migmatite.

Die gestrichelten Linien sind Grundwasseroberflächen in den drei Hauptgrundwasserstockwerken bzw. die Druckfläche im

Oberen Bundstandstein (Abb. 20). Im Neckartal ist der Heilwasser-Sole-Brunnen mit dem artesischen Aufstieg des gespannten Grundwassers aus dem

Oberen Buntsandstein eingezeichnet.

Abb. 19a: Geologische Übersichtskarte der Grundschichten in Ludwigsburg.

Eglosheim

Neckartal

Monrepos

1 km

Lemberg

Leudelsbach

Pflugfelden

Hohenasperg

Asperg

Tamm

Marbach

Freiberg

A 8

1

Möglingen

Kornwestheim

Schloss

Hoheneck

B 27

0 1 km

Nord

Schnittlage

Aff

alt

erb

ac

h

Darstellung ohne Deckschichten aus Lösssedimenten, Schuttdecken und Hangschuttmassen (siehe Abb. 19).

Talauen; Tallehme und Abschwemmmassen, im Neckartal über

Schottern der Würm-Kaltzeit, Heilwasserbrunnen Hoheneck.

Bekannte Erdfälle; Schlotartige Hohlräume im Untergrund mit

verstürzten Gesteinsmassen und lehmigen Füllungen.

Bekannte Reste kaltzeitlicher Terrassenschotter; den lehmigen Deckschichten (sandige Kiese der Riß-

Riß-Kaltzeiten und ältere Kaltzeiten, oft konglomeratisch verfestigt.

Kaltzeitlicher Blockschutt; Gerundete Blöcke aus Stuben-

sandstein als Reste kaltzeitlicher Blockströme aus dem Hochgebiet des Ur-Aspergs.

Schilfsandstein (Mittlerer Keuper) ~ 25 m; Sandsteine und feinsandige Tonsteine (Erosionsreste).

Gipskeuper (Mittlerer Keuper) bis 100 m; Tonsteine mit ein-

zelnen Karbonatsteinbänken, Sulfatgesteine, Gipsauslaugungsreste.

Lettenkeuper (Unterer Keuper) bis 23 m; Enge Wechsel-

lagerung von Karbonatsteinen, Tonsteinen und Sandsteinen.

Oberer Muschelkalk bis 88 m; Im oberen Bereich Dolomit-

steinbänke, darunter Kalksteinbänke, getrennt durch dünne

Tonsteinlagen.

Verwerfungen (Schichtversatz), z.T. vermutet

Lage des Profilschnitts

Die Grundschichten werden von 0,5 m bis über 10 m mächtigen quartären Deckschichten aus Lösslehm, Löss, Frostmischböden, Fließerden und Hangschutt bedeckt. Diese wurden aus Gründen der

Übersichtlichkeit hier nicht dargestellt (abgedeckte Karte).

Neckarweihingen

West Ost

Oberer Muschelkalk

Schilfsandstein Schilfsandstein

Gipskeuper

Lettenkeuper

Deckschichten der Kaltzeiten

Talaue

Verwerfung Terrassenschotter

Mittlerer Muschelkalk

Unterer Muschelkalk

Buntsandstein

0 1 km

ASPERG LUDWIGSBURG AFFALTERBACH

Hohenasperg Eglosheim Hoheneck Neckar Neckarweihingen Lemberg mNN

350

300

250

200

150

100

50

0

-50

-100

-150

-200

-250

-300

-350

Gipskeuper

L 1140

L 1100

?

Lettenkeuper

K 1692

Grünbühl

Pattonville

L 1129

L 1130

Perm Grundgebirge

?

Heilwasserbrunnen

Hoheneck (Sole)

Pflugfelden

WN-Bittenfeld

Oßweil

Remseck

B 27

L 1140

Hochdorf

Hochberg

Poppenweiler

L u d w i g s b u r g

Bhf.

Salonwald

Favorite

Das Grundwasser im

Buntsandstein ist

gespannt.

Fried- hof

L 1100

Altach

36

Blockschutt Decken/Höhenschotter Talsedimente Terrassenschotter

Erdfall

Bild 1: Ende der Jura-Zeit vor ca. 145 Mio. Jahren. Süddeutschland war während der Jura-Zeit von einem flachen Randmeer am Nordrand des großen Tethys-Ozeans bedeckt und hatte ein subtropisches Klima (Abb. 6). Es wurden Kalkschlämme, z.T. mit Resten von Kalkschalen und Tonschlämme, ähnlich wie bei den heutigen Bahamas abgelagert. Im flacheren Wasser kam es zur Bildung von großen Schwamm- und Korallenriffzügen, wie heute am Great-Barrier-Rif vor Australien. Gegen Ende der Jura-Zeit kam die Absenkung im Germanischen Becken allmählich zum Stillstand und es folgte eine tektonische Hebung von Teilen von Europa (Belgisch-, Rheinisches-, Böhmisches Land). Es kam zum Ende der marinen Sedimentation und große Teile von Süddeutsch-land wurde Festland. Auf der neuen kreidezeitlichen Landoberflä-che begann die Verwitterung und Abtragung der ehemals im Meer und in Tiefländern abgelagerten Gesteinsschichten. Während der Kreidezeit entstand bei einem tropischen Klima eine flachwellige Rumpfflächenlandschaft mit einer Entwässerung durch Flüsse zum südlich gelegenen Tethysmeer. In der Späten Kreidezeit gab es eine Meerstransgression nach Norden. Bild 2: Oligozän-Zeit bis Miozän-Zeit vor 33,9 - 5,3 Mio. Jahren. Im Oligozän setzte in Süddeutschland wieder eine verstärkte Landhebung ein und die Gesteinsschichten wurden durch platten-tektonische Vorgänge auch im Zusammenhang mit der Bildung der Alpen und der Heraushebung des Schwarzwaldes weiter verbogen und an Verwerfungen gegeneinander versetzt. Durch den Einbruch des Oberrheingrabens vor 35 ma sind einige Flüsse in Baden-Württemberg auch zunehmend in Richtung Westen zum Rhein geflossen (Ur-Neckar bei Heidelberg). Im Miozän hat die Hebung nachgelassen und es kam zur flächenhaften Abtragung und zu einem weitgehenden Reliefausgleich. Das Zusammenwir-ken der unterschiedlich starken Abtragung der Gesteinsarten mit der tektonischen Verkippung des Tafeldeckgebirges nach Südos-ten führte ab dem Späten Miozän zur Grobformung von Süd-deutschland mit der Bildung des "Schwäbisch-Fränkischen Schichtstufenlandes". Es hat sich ein zunächst flacher Erosions-rand (Trauf) des Juras gebildet, der durch die Erosion allmählich in Richtung Osten und Südosten verlegt und versteilt wurde. Bei einem anfangs noch tropischen aber zunehmend kühlen und trockner werdendes Klima schnitten sich die Flüsse tiefer in die Rumpffläche ein und entwässerten großteils nach Süden in das im Zuge der Alpenbildung entstandene nordalpine Molassebecken (Lone-Neckar). Bild 3: Pliozän-Zeit vor 5,3 - 2,6 Mio. Jahren. Zur Wende Miozän-Pliozän hat sich das Land und v.a. der Süd-schwarzwald wieder stärker und schubweise gehoben. Die Flüsse schnitten sich weiter ein und erodierten in weichen Gesteinen breite Täler. Das Klima wurde kühler und trockener (semiariden bis warm-gemäßigt). Es bildete sich der Ur-Neckar mit Nebenflüs-sen, die von Westen und Norden vom Rheinsystem her angezapft und dorthin umgelenkt wurden. Die Schichten des Juras wurden im Raum Ludwigsburg bis auf Reste abgetragen. Bild 4: Quartär-Zeit seit, 2,6 Mio. Jahren bis heutige Zeit. Ab dem Mittleren Pliozän und im Quartär wurde Süddeutschland wieder stärker gehoben, wodurch sich die Erosion der Flüsse verstärkt und vertieft hat. Es wurde kühler und es kam schließlich zu einem Wechsel von Warm- und Kaltzeiten mit einem trocke-nen, polaren Klima. Die Schichten des Keupers sind schon stark abgetragen. Der Schilfsandstein des Mittleren Keupers ist in tektonischen Muldenlagen durch Reliefumkehr am Hohenasperg und am Lemberg in isolierten Resten erhalten geblieben (Zeugen-berge). Auf den Gäuflächen gibt es vereinzelte Reste von Block-schutt aus Stubensandstein, von fluviatilen Höhenschottern und eine flächige Bedeckung mit kaltzeitlichen Sedimenten, wie Fließ-erden, Frostschutt und Lösssedimenten. Die Täler haben sich v.a. während der stärkeren Erosionsphasen zu Beginn und am Ende der Kaltzeiten weiter eingeschnitten. Man nimmt an, dass wäh-rend der Kaltzeiten im Strohgäu mindestens 50 m Gesteinsschich-ten abgetragen wurden und sich der Neckar um ca. 80 m einge-tieft hat. An den Talrändern gibt es Reste von Terrassenschottern, die von den Flüssen während der kaltzeitlichen Akkumulations-phasen abgelagert wurden. Auslaugungsvorgänge im Untergrund haben zur Bildung von Erdfällen geführt. Bis in die jüngste Zeit wurden Talsedimente und v. a. Hochflutlehme im Neckartal abgelagert.

Keuper - Tonsteine, Sandsteine, Kalk- und Dolomitsteine, Sulfatgesteine (Anhydrit, Gips)

51

West Ost

Warmes und oft flaches Jura-Randmeer mit Riffbildungen

Jura - Kalk- und Dolomitsteine, Riffkalke, Tonsteine, z.T. Sandsteine

Muschelkalk - Kalk- und Dolomitsteine, Tonsteine, Evaporitgesteine (Salz, Anhydrit, Gips) Buntsandstein, Perm, Grundgebirge - Sandsteine, Tonsteine, Dolomite, Konglomerate, Vulkanite, Gneise und Granite

"Albtrauf" in der Späten Miozän-Zeit

Entwässerung nach Südosten ins alpine Molassebecken

Die Absenkung geht zu Ende

Hebung zum Beginn der

Kreide-Zeit

Jurameer Ablagerung von Karbonat Sedimenten

Starke Hebung und

Verkippung im Oligozän

und am Ende des Miozäns

Keuper - Kalk- und Dolomitsteine, Tonsteine, Sandsteine, Evaporitgesteine (Anhydrit, Gips)

Abtragung

Ablagerung

Buntsandstein, Perm,

Grundgebirge

Muschelkalk

Keuper

Ehemalige Landoberfläche vor 145 Mio. Jahren. Abtragung von 900 - 1100 m Gesteinsschichten

Hohenasperg Ludwigsburg Neckar Lemberg

Abb. 20: Landschaftsentwicklung im Raum Ludwigsburg ab der Jura-Zeit. Schematische und überhöhte Profilschnitte. Vgl. mit Abb. 7.

Hebung, ab der Würm-

Kaltzeit nachlassend

Entwässerung seit etwa 4 - 5 Ma nach Norden zum Rhein, erste Decken- und Höhenschotter.

Schubweise Hebung,

Verkippung

heutige Oberfläche

52

3.6 Tektonik – Die Lagerung der Schichten Ludwigsburg liegt im Bereich der nach Südosten ver-kippten Süddeutschen Scholle. Das tektonische Hauptelement in Ludwigsburg ist der "Schwäbisch-Fränkische Sattel" (SFS). Es handelt sich hier um eine etwa 15 km breite und linienhafte Aufwölbung der Sedimentschichten (Leistenscholle), deren 150 km lange Achse von der Hornisgrinde im Nordschwarz-wald bis zum Kocher im Welzheimer Wald verfolgt werden kann. Die Sattelachse verläuft von Südwesten nach Nordosten quer durch die Ludwigsburger Mar-kung. Der SFS wird im Norden von der Stromberg Mulde und von der Neckar-Jagst-Furche und im Sü-den vom Fildergraben eingerahmt (Abb. 2). Wegen der Hochlage der Schichten im Bereich des Sattels

wurde der Keuper hier oft stärker abgetragen, wäh-rend die Flanken vom Keuperstufenrand umsäumt werden. Am Nordwestrand des Schwäbisch-Fränkischen Sattels verlaufen kleinere Mulden- und Sattelstrukturen, wie z.B. die Pleidelsheimer Mulde, der Heutingsheimer Sattel und die markante Neckar-Jagst-Furche. Im Osten von Ludwigsburg wird der Schwäbisch-Fränkische Sattel von der Lemberg-Struktur unterbrochen, eine Verwerfungszone und Mulde, die für die Tieflage der Schichten um bis zu 50 m und für die Reliefumkehr am Lemberg verantwort-lich ist. Dort ist eine Kappe aus hartem und wasser-durchlässigem Schilfsandstein über den weicheren Gipskeuper-Tonmergeln erhalten geblieben.

Abb. 21: Schichtlagerung und tektonische Strukturen im Raum Ludwigsburg. Die wellige Lagerung der geologischen Schichten (Mulden- und Sattelstrukturen) wird durch Linien gleicher Höhe an der Schichtgrenze Oberer Muschelkalk/Lettenkeuper dargestellt. Dieser Bezugshorizont wurde durch zahlreiche Baugrundbohrungen punktuell erfasst und ist auch im Gelände oft zu finden. Durch rechnerische Interpolation der einzelnen Punkte erhält man eine flächige Darstellung der Höhen-lage dieser Schichtgrenze. Die tektonischen Störungszonen (Verwerfungen, Auf- und Abschiebungen) sind am Versatz der Höhenlinien erkennbar. Grafik ergänzt nach H. Brunner (1998): Geologische Karte von Baden-Württemberg 1 : 50 000, Erläuterungen Stuttgart und Umgebung. LGRB-BW, Freiburg.

Freiberg

Ppw.

SB

Marbach

Bittenfeld

Lemberg

Ludwigsburg

E-heim

Nwh.

Pfld.

Hoh.

PM

HS

HM

SFS

NJF

Neckarrems

Nord

HHS

250 Höhenlage (mNN) des Bezugshorizontes - Grenze Ob. Muschelkalk/Lettenkeuper mit Fallrichtung

Verwerfung (gestrichelt = vermutet)

Sattelachse LS Lemberg-Struktur

Muldenachse HHS Hirschberg-Hoheneck Störungszone

PM Pleidelsheimer Mulde SB Säubrunnen Störung

HS Heutingsheimer Sattel HM Hochdorfer Mulde

SFS Schwäbisch-Fränkischer Sattel NJF Neckar-Jagst-Furche

Neckar

1 km

Oßweil

SFS

Grünbühl

LS

260 ?

Kornwestheim

A 81

Asperg

53

3.7 Lemberg und Hohenasperg als Zeugen der Erdgeschichte

Der Lemberg und der Hohenasperg ragen als inselar-tig isolierte "Zeugenberge" aus der Gäufläche auf und bilden charakteristische Landmarken. Im Bereich dieser heutigen Erhebungen verliefen im Zeitab-schnitt des Schilfsandsteins vor etwa 226 Mio. Jahren die Strömungsarme eines breit verzweigten und in den Untergrund eingeschnittenen Flussdeltas (Kap. 3). In diesen Deltaarmen wurden mächtige Sand-schichten abgelagert, die später zu hartem Sandstein, der sogenannten "Rinnenfazies" verfestigt wurden. Im Bereich des heutigen Lembergs wurden diese Ge-steinsschichten nach ihrer Ablagerung und Verfesti-gung durch ein mulden- und grabenartiges Verwer-fungssystem, und im Bereich des Hohenaspergs durch Muldenbildung in einem eng umgrenzten Be-reich gegenüber der Umgebung um ca. 20 bis 60 m tiefer gelegt. Die Ursache waren tektonische Bean-spruchungen in der Erdkruste durch die ständige Be-wegung der Kontinente und hier vor allem durch die Bewegung der afrikanischen Platte in Richtung Nor-den gegen die europäische Platte. Nach der tektoni-schen Eintiefung lagen die Sandsteinschichten am Rande des Verwerfungssystems auf gleicher Höhe

mit den älteren Tonsteinschichten des Gipskeupers. Wegen ihrer Härte und vor allem wegen ihrer guten Wasserdurchlässigkeit sind die Sandsteine aber wi-derstandsfähiger gegenüber der Abtragung, als die weichen und wasserstauenden Tonsteine. In den folgenden Jahrmillionen wurde der Schilfsandstein daher weniger stark und schnell abgetragen als die weichere Gipskeuper-Umgebung und schützt so bis heute den unterlagernden Gipskeuper vor der Erosi-on. Auf diese Weise wurden im Bereich der tektoni-schen Eintiefungen der Lemberg und der Hohenas-perg als Hochgebiete langsam erosiv herauspräpa-riert und belegen als "Zeugenberge" die ehemals flächig ausgedehnte Verbreitung des jüngeren Schilfsandsteins bzw. seines ehemaligen Flußdeltas. Diese Vorgänge werden als "Reliefumkehr" bezeich-net und haben in größerer Ausdehnung auch maß-geblich zum Erhalt der Schichten des höheren Keu-pers (Stubensandstein etc.) am Stromberg und Heu-chelberg, der Löwensteiner Berge und der Keuper-berge und Filderhochfläche im Raum Stuttgart und Leonberg beigetragen (Fildergraben, Engelberg).

Nach Ablagerung und Diagenese Grabenbildung Reliefumkehr, heutiger Zustand

Abb. 22: Schema der Entstehung eines Zeugenbergs durch Reliefumkehr in einer tektonischen Graben- und Muldenstruktur. Geomorphologische Umwandlung von einer Tieflage zu einer Erhebung durch Abtragung des umgebenden weichen Gesteins.

1 und 2: Zustand am Ende des "Späten Juras" nach der Heraushebung aus dem Meer. Einmuldung und Abtragung, vermutlich seit der Paläogen-Zeit. 3: 1. Reliefumkehr. Weitere Abtragung. Entstehung des ersten Zeugen-

bergs aus Jura-Gesteinen. 4: Fortschreitende Abtragung. Nach Entfernung der harten Weißjura-Gesteine und der weichen Braunjura-Gesteine entstand eine Verebnung

auf den harten Schwarzjura-Gesteinen, ähnlich der heutigen Filderfläche südlich von Stuttgart. 5: 2. Reliefumkehr. Nach weiterer Abtragung der exponierten Umge-

bung entstand in der Mulde erneut ein Zeugenberg, zunächst noch mit einer Kappe aus Schwarzjura, die weiter abgetragen wurde. 6: Heutiger Zustand. Schilfsandstein und Stubensandstein bilden die

schützende Kappe. In der Umgebung Abtragung bis auf die Keuper-Muschelkalk Gäufläche. 7: Möglicher Zustand in der geologischen Zukunft. Nach der Abtragung der harten Keupersandsteine bildet sich auf dem Oberen Muschelkalk

wieder eine Verebnung in einer Mulde.

Abb. 23: Die Entstehung von Stromberg und Heuchelberg durch Reliefumkehr in einer tektonischen Mulde Hypothetisch und schematisch

Grafik und Text verändert nach O.F. Geyer & M.P. Gwinner (1991):

Geologie von Baden-Württemberg. 4. Aufl. Schweizerbart, Stuttgart.

N

Abtragung Sandstein

Tonstein

54

4. Das Grundwasser im Untergrund von Ludwigsburg

In Ludwigsburg fallen im langjährigen Durchschnitt 770 mm Niederschläge pro Jahr mit Schwankungen von 500 bis 1100 mm/a. Davon verdunsten 60 - 75 % teils direkt und teils über die pflanzliche Transpiration (Evapotrans-piration). Ein Teil wird über Bäche und Flüsse abgeführt. 10 - 25 % versickert im Boden und sammeln sich in den Poren und Klüften der Gesteine als zusammenhängendes Grundwasser (in Ludwigsburg ca. 100 - 150 mm/a). Die verschiedenen Gesteine haben unterschiedliche Eigenschaften hinsichtlich der Speicher- und Leitfähigkeit des Grundwassers. Die locker gelagerten und grob- bis feinkörnigen Deckschichten des Quartärs speichern das Grundwasser in den Zwischenräumen der Sedimentkörner und werden als Poren-Grundwasserleiter oder Locker-gesteins-Grundwasserleiter bezeichnet. Die Kiese und Sande im Neckartal sind gute Grundwasserspeicher und -leiter und haben oft eine hohe Ergiebigkeit. Je größer aber der Feinkornanteil (Schluff und Ton) eines Sedimen-tes ist, desto geringer ist die Wasserdurchlässigkeit. Der in Ludwigsburg weit verbreitete Lösslehm wird wegen seines hohen Schluff- und Tonanteils als Grundwasser-Geringleiter bezeichnet. Hier halten starke Kapillarkräfte zwischen den winzigen Bodenpartikeln das Wasser fest. Das ist auch der Grund, warum die Versickerung von Oberflächenwasser in Ludwigsburg an vielen Stellen nur eingeschränkt sinnvoll ist. Die Festgesteine von Keuper, Muschelkalk und Buntsandstein speichern das Grundwasser in den zahlreichen engen Klüften und Schichtfugen, die durch tektonische Beanspruchung und durch die Auflockerung (Druckentlastung) in Oberflächennähe ent-standen sind. Diese Gesteine werden als Kluft-Grundwasserleiter oder Festgesteins-Grundwasserleiter bezeich-net. Die Karbonatgesteine und Sandsteine sind Grundwasserleiter mit oft mittlerer Ergiebigkeit, während die Tonsteine Grundwassergeringleiter sind. In den Karbonatgesteinen des Muschelkalks kommt es stellenweise zu stärkeren Lösungsvorgängen und zur Bildung von weiten Klüften und Hohlräumen (Verkarstung). Dann spricht man von einem Karst-Grundwasserleiter. Das trifft in Ludwigsburg v.a. auf die Muschelkalkschichten im Bereich des Neckartals zu. Durchgehende Lagen von Gips und Anhydrit sind Grundwasser-Geringleiter. Salzgesteine, die noch nicht von der Auflösung betroffen sind und weiche Tonen sind so dicht, dass hier nur sehr langsame Fließ-bewegungen stattfinden. Sie werden daher auch als Grundwasser-Nichtleiter bezeichnet (Abb. 9a und 24). Im Raum Ludwigsburg gibt es drei Hauptgrundwasserstockwerke: Das obere Grundwasserstockwerk wird von den fein- und gemischtkörnigen quartären Deckschichten im Verbund mit den porig-klüftigen Gesteinen des gering durchlässigen Gipskeupers und des schichtigen Kluft-grundwasserleiters des Lettenkeupers gebildet. Das Grundwasser zirkuliert in den Klüften und Schichtfu-gen der Festgesteine und in den Poren der Deck-schichten. Das Niederschlagswasser sickert durch die oberste Humusschicht und durch die Deckschichten, wo es durch Filtrations- und Sorptionsprozesse gerei-nigt wird. Dann speist es die engen Klüfte und Poren des ausgelaugten Gipskeupers und die Klüfte der Karbonatstein- und Sandsteinbänke des Lettenkeu-pers. Die quartären Kiese im Neckartal sind stärker wasserführend und stehen mit dem Grundwasser im Oberen Muschelkalk in Verbindung. Im Lettenkeuper können der Hauptsandstein und der verkarstete Grenzdolomit zum Gipskeuper stärker wasserführend sein. An der Basis des Lettenkeupers bilden die Ton-steine der Esterienschichten die Abdichtung zum Oberen Muschelkalk. Dort, wo diese Schichtgrenze zum Oberen Muschelkalk in Oberflächennähe aus-streicht, kommt es bevorzugt zu Versickerungen in das nächst tiefere Stockwerk und stellenweise zu Quellaustritten. Das Grundwasser und die Quellen im Lettenkeuper hatten für die Besiedelung des

Strohgäus eine große Bedeutung und wurden in früheren Zeiten auch in Ludwigsburg stark genutzt. Der Gipskeuper ist im Allgemeinen gering wasser-durchlässig. Die örtlich verkarsteten Grundgipsschich-ten können aber stärker wasserführend sein. Auch die Karbonatsteinbänke können örtlich und v.a. in Muldenlagen eine stärkere Wasserführung haben. Gespannte Grundwasserverhältnisse sind v.a. in Tal-lagen möglich. Das obere Grundwasserstockwerk ist von geringer bis mittlerer und im Neckartal auch von hoher Ergiebigkeit. Es ist im Bereich der Innenstadt und der Weststadt oft mit "leichtflüchtigen haloge-nierten Kohlenwasserstoffen" (LHKW) und mit Nitrat oberhalb der Schwellenwerte nach der Trinkwasser-verordnung verunreinigt. Auch der Chloridgehalt kann wegen Salzstreuung örtlich erhöht sein. Das mittlere Grundwasserstockwerk wird von den klüftigen und v.a. in Talnähe oft verkarsteten Gestei-nen des Oberen Muschelkalks zusammen mit den Oberen Dolomiten des Mittleren Muschelkalks gebil-det. Hier sind der Mineralbrunnen von Hoheneck mit knapp über 1.000 mg/l gelöste Feststoffe, der Brun-nen des Freibades und Teile der Notwasserversor-gung von Ludwigsburg im Neckartal bei Oßweil ge-fasst. Die Ergiebigkeit dieses wenig homogenen

55

Grundwasserleiters ist, abhängig von der Anbindung an ein Kluft- oder Karstsystem, gering bis mittel und gelegentlich hoch. Der wasserführende Kieskörper (Porengrundwasserleiter) im Neckartal bildet ein Drainagesystem für das Kluft- und Karstgrundwasser des Mittleren und Oberen Muschelkalks. Das untere Grundwasserstockwerk liegt bei ca. 50 mNN im klüftigen Plattensandstein des Oberen Bunt-sandsteins unter den abdichtenden Röttonen. Im Neckartal in Hoheneck wird aus einer 177 m tiefen Bohrung eine stark salz- und sulfathaltige Heilwasser-Sole mit 29.000 mg/l gelöste Feststoffe mit geringer Ergiebigkeit gefördert. Dieses Wasser steht dort un-ter artesischem Druck und steigt im Bohrloch auf 198 bis 203 mNN auf. Der artesische Druck wird durch den höheren Grundwasserspiegel im Bereich des Einsickerungsgebietes am Rande des Nordschwarz-walds verursacht. Das Grundwasser im Plattensand-stein kann dabei nicht durch die überlagernden und dichten Röttone durchsickern, so dass die Grundwas-serdruckfläche im Neckartal ca. 150 m über dem Grundwasserleiter liegt. Das Alter dieses Grundwas-sers wird auf 30.000 Jahre und älter geschätzt. Die oberflächennahen Grundwasserstände liegen in Ludwigsburg in den Tälern und in flachen Senken von Pflugfelden, Monrepos, Innenstadt, Poppenweiler und Neckartal bei ca. 1 - 5 m unter Gelände. Auf den Flächen und auf Kuppen in Eglosheim, in der West-stadt, Oststadt, Favoritepark, Hoheneck und östlich von Neckarweihingen liegen sie bei 5 bis über 10 m unter Gelände. Die Grundwasserstände schwanken in Abhängigkeit der Niederschläge und der Jahreszeiten um ca. 0,5 - 1,5 Meter in Tallagen und um bis über 3 Meter im Bereich von Hochflächen und Kuppen. Im Frühjahr und im Frühsommer liegen die Grundwas-serstände oft am höchsten, im Herbst und im Früh-winter am niedrigsten. Örtlich sind gespannte Grundwasserverhältnisse möglich. Die Hauptgrund-wasseroberfläche liegt im Oberen Muschelkalk zwi-schen 192 mNN im Neckartal und ca. 210 - 225 mNN im Südwesten der Gemarkung. Im Neckartal und in Poppenweiler gibt es zwei kleine Trinkwasserschutz-gebiete. Nahezu die gesamte Gemarkung ist „Vorläu-figes Heilquellenschutzgebiet Zone B/1“ zum Schutz des Solebrunnens in Hoheneck. Bohrungen, z.B. für Erdwärme werden hier in ihrer Tiefe begrenzt. Die Grundwasserqualität in Ludwigsburg ist unter-schiedlich. Im oberen Grundwasserstockwerk im Quartär, im Gipskeuper und im Lettenkeuper gibt es im Bereich der Weststadt und der Innenstadt oft flä-chenhafte Verunreinigungen mit „leichflüchtigen

halogenierten Kohlenwasserstoffen“ (LHKW) deutlich oberhalb des Schwellenwertes der Trinkwasserver-ordnung von 10 ug/l. Diese Verunreinigungen stam-men von ehemaligen chemischen Reinigungen und von Gewerbe- und Industriebetrieben. In Einzelfällen kann diese Verunreinigung so hoch sein, dass das Wasser bei einer Grundwasserhaltung bei Bauvorha-ben über Aktivkohle gereinigt werden muss. Dann ist oft auch eine aufwändige Abdichtung des Unterge-schosses gegen das Eindringen dieser flüchtigen und gesundheitsschädlichen Substanzen erforderlich. In den vergangenen Jahrzehnten wurden viele dieser Schadensfälle mit großen finanziellen Aufwendungen saniert. Dennoch nimmt die Verunreinigung des Grundwassers durch LHKW nur langsam ab. Erhöhte Werte von Mineralölkohlenwasserstoffen und von aromatischen Kohlenwasserstoffen kommen in Lud-wigsburg im Grundwasser nur an wenigen, sehr eng begrenzen Bereichen vor, wo früher Tankstellen oder Lagerplätze betrieben wurden. Pestizide (Pflanzen-schutz) und Nitrate (Düngung) können in wenigen Brunnen knapp oberhalb der Schwellenwerte nach-gewiesen werden, was dort jeweils mit der Nutzung als Gärtnereibetrieb zusammenhängt. Schwermetalle können in den Ludwigsburger Brunnen nicht ober-halb der Schwellenwerte nachgewiesen werden. In einigen Ludwigsburger Brunnen im Stadtbereich liegt der Chloridgehalt knapp unterhalb und oberhalb des Schwellenwertes 250 mg/l. Ursache ist die Salzstreu-ung im Winter. Durch die verstärkte Salzstreuung auf Fuß- und Radwegen hat die Chloridbelastung im Grundwasser in den letzten Jahren wieder zuge-nommen. Das kann Schäden an Bäumen verursachen. Im mittleren Grundwasserstockwerk im Oberen Mu-schelkalk gibt es nur wenige geogen bedingte Schwel-lenwertüberschreitungen, z.B. bei Mangan und Sul-fat. Stellenweise auftretende Spuren von LHKW un-terhalb des Schwellenwertes zeigen, dass die Verun-reinigung des oberen Grundwasserstockwerks diesen für die Notwasserversorgung wichtigen Grundwasser-leiter bereits erreicht hat. Die LHKW-Werte haben hier aber in den vergangenen Jahren abgenommen. Aus dem Unteren Grundwasserstockwerk im Bunt-sandstein wird eine hochmineralisierte Sole geför-dert. Hier liegen die Werte für Chlorid, Sulfat, Uran und anderen Elementen und Verbindungen geolo-gisch bedingt auf hohem Niveau. Diese Brunnen ha-ben Heilwasserstatus und werden im Heilbad Hohe-neck therapeutisch genutzt. Trinkbar ist dieses Was-ser aber nicht.

56

Nach Angaben der Landesanstalt für Umwelt, Mes-sungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) wird in den oberflächennahen Grundwässern von Baden-Württemberg der Warnwert für Nitrat von 37.5 mg/l an jeder fünften Landesmessstelle über-schritten. Der Schwellenwert von 50 ug/l wird an jeder zehnten Messstelle überschritten. Insgesamt hat die mittlere Nitratkonzentration zwischen 1994 und 2018 aber um 23 % abgenommen. Auch die Be-lastung mit Pflanzenschutzmitteln und deren Abbau-produkten hat sich in den vergangenen Jahren ver-ringert. Andere Schadstoffe kommen nur in Spuren oder in sehr eng begrenzen Schadensherden in er-höhter Konzentration vor, wie z.B. LHKW oder Mine-ralölkohlenwasserstoffe in Ballungsräumen. Süßstoffe können in einem Drittel der Messstellen nachgewie-sen werden. Röntgenkontrastmittel können in zwei

Die chemische Zusammensetzung der Grundwässer in Ludwigsburg. Grenzwertüberschreitungen sind fett gedruckt.

Dritteln der risikobasiert ausgewählten Messstellen in Spuren nachgewiesen werden. Die Nitrateinträge und die Einträge von Pflanzenschutzmitteln in das Grund-wasser müssen weiter minimiert werden. Das betrifft auch das Donauried bei Ulm, aus dem der Raum Stutt-gart zum Teil mit Trinkwasser versorgt wird und wo der Nitratgehalt mit 35 ug/l noch unter dem Schwellenwert von 50 mg/l liegt. Das Bodenseewasser hat nur einen geringen natürlichen Nitratgehalt von 4 - 5 ug/l. Reste von Arzneimittel etc. könnten in Zukunft im Grundwas-ser zunehmen. Hier müssen Maßnahmen, v.a. in den Kläranlagen getroffen werden. Die tieferen Grundwas-serhorizonte, aus denen zum Teil Trinkwasser gewon-nen wird und die für die Notwasserversorgung von Be-deutung sind, sind weitgehend frei von Schwellenwert-überschreitungen bei anthropogenen Schadstoffen.

57

Abb. 24: Schematischer hydrogeologischer Profilschnitt der Tiefbohrungen in Ludwigsburg. Die vier dargestellten Bohrungen wurden zu Brunnen ausgebaut und dienen zur Gewinnung von Brauchwasser, Trinkwasser und Heil-wasser. In den Brunnen sind die oft ungespannten (freien) Grundwasserstände im Quartär/Lettenkeuper (oberes Grundwasserstock-werk) und im Oberen Muschelkalk zusammen mit den Oberen Dolomiten des Mittleren Muschelkalks (mittleres Grundwasserstockwerk) dargestellt. Die zugehörigen Grundwasserkörper in Poren und Klüften sind hellblau dargestellt. Das Grundwasser im klüftigen Oberen Buntsandstein (unteres Grundwasserstockwerk) ist blau dargestellt. Es ist gespannt, d.h. es steht unter Druck, im Neckartal unter artesi-schem Druck, weil die Schichten des Oberen Buntsandsteins und die Spiegelhöhe des Grundwassers im Versickerungsgebiet am Ostrand des Nordschwarzwaldes höher liegen. Die abdichtenden Röttone an der Grenze zum Unteren Muschelkalk verhindern den Druckaus-gleich. Das Grundwasser im Oberen Buntsandstein wurde im Bereich der punktierten Linie im Neckartal und im Mathildenhof angebohrt und steigt in den Bohrlöchern bis auf das mit gestrichelter Linie dargestellte Niveau an. Die dargestellten Verläufe der Schichtgrenzen und die Grundwasserführung in den Gesteinen wurden bei allen Darstellungen und Be-schreibungen dieser Publikation durch Interpolation von Stichpunkten erstellt. Abweichungen sind möglich. Es kann vorkommen, dass in Festgesteins-Grundwasserleitern auch tiefe Bohrungen trocken bleiben oder wenig Wasser liefern, weil keine grundwasserführenden Kluftkörper oder nur kleine Klüfte angebohrt wurden. Alle Angaben sind ohne Gewähr. Grafik ergänzt aus: Der Baugrund in Ludwigsburg. Hrsg. Stadt Ludwigsburg, 1990.

36

Abb. 24a: Hydrogeologischer Profilschnitt Eglosheim – Neckarweihingen (siehe auch Abb. 9a). Der Profilschnitt zeigt die drei Hauptgrundwasserstockwerke im Raum Ludwigsburg. Alle Angaben sind ohne Gewähr. - Oberes Stockwerk: Quartäre Deckschichten, Gipskeuper, Lettenkeuper (Porengrundwasserleiter und schichtiger Kluftgrundwasserleiter, stellenweise gespannt). - Mittleres Stockwerk: Oberer Muschelkalk mit den Oberen Dolomiten des Mittleren Muschelkalks (Kluftgrundwasserleiter, z.T. verkarstet), Neckarkiese (Porengrundwasserleiter). - Unteres Stockwerk: Plattensandstein im Oberen Buntsandstein (gespannter Kluftgrundwasserleiter mit artesischem Austritt aus Bohrloch im Neckartal).

25

58

Deckschichten der Quartär-Zeit aus Fließerden, Frost/Hangschutt, Lösslehm, Löss etc. Im Neckartal mittelalterliche Auenlehme über sandig-schluffigen Kiesen von

Würm-Kaltzeit und Holozän. Schotterreste aus der Riß-Kaltzeit. Das Porengrundwas-ser korrespondiert oft mit dem Kluftgrundwasserleiter in den Grundschichten. Ge-spannte Grundwasserverhältnisse, v.a. in Tallagen sind möglich.

Deckschichten; Reste kaltzeitlicher Terrassenschotter (Riß-Kaltzeit und Älter).

Grundschichten der Buntsandstein-, Muschelkalk- und Keuper-Zeit.

Bekannte Gesteinsbereiche mit einer mehr oder weniger zusammenhängenden

Grundwasserführung in Poren, Klüften und Schichtfugen (Grundwasserstockwerke). Im Lettenkeuper schichtiger Kluftgrundwasserleiter in den klüftigen Karbonat- und Sandsteinen, oft gekoppelt mit dem Porengrundwasserleiter in den Deckschichten.

Wasserstauend nach unten sind die Tonsteine der Basisschichten. Das Grundwasser kann örtlich gespannt sein. Der Obere und Mittlere Muschelkalk stellt keinen

homogen gebauten Kluftgrundwasserleiter dar. Bereichsweise sind die Karbonatge-steine verkarstet. Bei geringer oder fehlender Verkarstung gibt es über der auf den

Vorfluter eingestellten Grundwasseroberfläche eine höher liegende Sickerwasserzone (schwebender Grundwasserhorizont). Wasserstauend sind die Auslaugungstone der

Salinar- und Sulfatgesteine im Mittleren Muschelkalk. Das Grundwasser in den Klüf-ten des Oberen Buntsandsteins ist im Solebrunnen im Neckartal artesisch ge-

spannt. Wasserstauend nach oben sind hier die Röttone. Haßmersheimer Schichten im Oberen Muschelkalk. Mergelsteine und einzelne dünne

Trochitenkalkbänke mit eingeschränkter hydraulischer Stockwerksverbindung.

Verwerfung, z.T. vermutet

Quartärzeitliche Deckschichten (in Ludwigsburg bis ca. 300.000 Jahre alt, stellenweise älter)

h Bach- und Talsedimente: Sandige Tone und Schluffe und sandig-schluffige Kiese

mit Schlicklinsen. hm Anmoor: Weiche und oft stark wasserhaltige Tone mit Pflanzenresten. L Lösslehm, Löss, Wanderschutt/Fließerden, Frostmischböden, Hangschutt.

Hg Kaltzeitliche Schotterreste: Sandige und oft nur kantengerundete Konglomerate.

Mesozoische Grundschichten (in Ludwigsburg und im tieferen Untergrund ca. 224 – 260 Mio. Jahre alt)

km2 Schilfsandstein: Am Lemberg gebankte Sandsteine in der Rinnenfazies.

km1 Gipskeuper: Im Stadtbereich tonig-karbonatische Gipsauslaugungsreste (Zellendolomite) der Grundgipsschichten. Vereinzelt Gipsreste. Am Lemberg Wechselfolge von mächtigen Tonsteinen mit

einzelnen Karbonatsteinbänken und Gips-/Anhydritlagen, die oberflächennah ausgelaugt sein können. ku Lettenkeuper: Enge Wechsellagerung von Tonsteinen, Karbonatsteinen und Sandsteinen.

mo Oberer Muschelkalk: Unterschiedlich mächtige Kalksteinbänke und Dolomitsteinbänke mit Tonsteinfugen. mm Mittlerer Muschelkalk: Kalkstein- und Dolomitsteinbänke, Sulfatgesteine, Auslaugungsreste der Salinar- und Sulfatgesteine, Tonsteine.

mu Unterer Muschelkalk: Kalkstein- und Dolomitsteinbänke, Tonmergelsteine. so Oberer Buntsandstein: Röttone und Plattensandstein.

In der Tiefe weitere Sandsteinschichten des Buntsandsteins (sm, su) und Sedimente des Perms.

80 60 40 20 0

Osten mNN

320

300

280

260

240

220

200

180

160

140

120

100

0 1000 m 10-fach überhöht

km1 km1

ku

mo

mm

ku

mo

hm

h

L

Neckartal Mineralwasserbrunnen und artesischer Solebrunnen

Monrepos Eglosheim Favoritepark Hoheneck Neckarweihingen Nußbäumle

Steinbr. Hunger-berg

so

mu

Hg

mm

Westen mNN

320 300

280

260

240

220 200

180

160

140 120

100 mu

Hg ?

?

? km1

nach oben

abdichtende

Röttone

abdichtende Sulfatgesteine

und Auslaugungstone der

Salzgesteine

abdichtende

Basisschichten

Erdfall

?

Ehem.

Brunnen

MILU

59

Abb. 24a: Durchlässigkeit der Deckschichten. Dargestellt ist die Durchlässigkeit der Deckschichten für versickerndes Regen- und Oberflächenwasser. Wie im Text beschrieben, zeigt sich eine „sehr geringe bis fehlende Porendurchlässigkeit“ der sehr feinkörnigen und lehmigen Lösssedimente auf den Gäuflächen westlich des Neckars. Die „Lössführenden Fließerden“ im Ost- und Nordteil der Markung haben durch ihren wechselnden Steinanteil eine „stark wechselnde Porendurchlässigkeit“. Bereiche ohne Signatur sind an oder nahe der Oberfläche liegende Grundschichten. Ausschnitt aus: Geologische Karte von Baden-Württemberg. Kartenviewer des Landesamtes für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (LGRB), Baden-Württemberg, RP Freiburg.

burg

60

ku

km1

mo

ku

km1

mo

km2

ku

mo

ku

km1

ku

ku

km1

km1

ku

mo

ku

km1

km1

ku

ku

km1

km2

?

ku

Abb. 25: Geologische Geländeaufschlüsse, Erdfälle, Steinschläge und Felssturz.

km1

ASPERG LUDWIGSBURG AFFALTERBACH

Hohenasperg Eglosheim Favoritepark Hoheneck Neckar Neckarweihingen Lemberg

AS-

PER

G

LU

DW

IGS

BU

RG

AF-

FAL

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BA

CH

Ho-

hen

as-

per

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Egl

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k

Ho-

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eck

Nec

kar

Nec

kar

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mb

erg

*

*

mo

Aufschlüsse

1 Ehem. Steinbruch Mäurach; Lettenkeuper 2 Bahnunterführung Hundshalde; Lettenkeuper 3 Tierheim Hoheneck; Lettenkeuper

4 Burg Hoheneck; Trigonodus-Dolomit (mo) 5 Heimengasse Hoheneck; Oberer Muschelkalk

6 Grünpark Hungerberg, Oberer Muschelkalk, Löss-Sedimente, kaltzeitliche Schotter

7 Lechtsteige Neckarweihingen; Löss-Hohlweg 8 Otto-Konz-Weg; Oberer Muschelkalk

9 Blüba, Märchengarten; Oberer Muschelkalk 10 Hörnle, L 1100; Oberer Muschelkalk 11 Neckarschleife Poppenweiler; Oberer Muschelkalk

12 Sommerhalde Poppenweiler; Oberer Muschelkalk 13 Lemberg; Schilfsandstein

14 Erdfall im Favoritepark; Lettenkeuper, Ob. Muka

1

2

3 4

5

6

7

8

11

12 9

10

13

14

Sicherheitshinweis

An steilen bis senkrechten Erd- und

Felswänden kann man Gesteine und Fossilien gut studieren. Hier besteht aber

eine erhebliche Steinschlaggefahr, Absturzgefahr und damit Verletzungs-

gefahr und Lebensgefahr!

?

Legende

geologische Geländeaufschlüsse

bekannte Erdfälle

Steinschlag und Felssturz

Steinschlag * = Baumschlag

Ausstrich der Grundschichten unter

den Deckschichten, teils vermutet

km2 = Schilfsandstein (Stuttgart-Formation)

km1 = Gipskeuper (Grabfeld-Formation) ku = Lettenkeuper (Erfurt-Formation)

mo = Oberer Muschelkalk (Trochitenkalk- und Meißner-Formation )

Weinberge

Fußweg

Der Schilfsandstein am Lemberg

Lemberg

Schilfsandstein

in der Flutfazies

Gipskeuper

61

Abb. 26: Flussgeschichte von Süddeutschland und dem mittleren Alpenraum. Die Veränderung der Einzugsgebiete der Flüsse durch Tektonik und Erosion. Vor etwa 145 Ma. wurde das Rheinische Festland weiter angehoben. Dabei wurde auch der nördliche Teil von Süddeutschland aus dem Jurameer herausgehoben und der Abtragung durch das sich bildende Fluss-system ausgesetzt. An seinem Südrand sind die Flüsse zum sogenannten Tethys-Meer geflossen. Im Bereich des Schweizer Mittellandes, Oberschwabens und des Allgäus hat sich dann im Zuge der Alpenbildung als Massenausgleichsbewegung vor ca. 33 Ma das Molassebecken mit Meeren und Seen gebildet. Nachdem das Molassemeer vor ca. 15 -10 Ma. wegen der ständigen Hebung der Erdkruste langsam trockengefallen war, hat sich zunächst eine weiträumige Seen- und Flusslandschaft mit einer Hauptabflussrichtung nach Südwesten zur Ur-Rohne gebildet (Obere Süßwassermolasse). Durch die anschließende Verkippung der Erdkruste und durch die Heraushebung des Südschwarzwaldes vor ca. 10 Ma. hat sich die Fließrichtung nach Nordosten und Osten zum Pontischen Meer, dem Vorläufer des Schwarzen Meeres umgekehrt. Die Ur-Donau hat sich von dort in das Molassebecken zurückgeschnitten und wurde zur Hauptentwässerung von Süddeutschland und des nördlichen Alpenraumes. Es begann die Grobformung von Süddeutschland. Bild 1: Vor etwa 7 - 10 Ma sind die nördlichen Alpenflüsse der Schweiz, Ur-Rhone des Walliser Rhonetals, Ur-Aare, Ur-Reuss und Ur-Alpenrhein nach Norden und Nordosten zur Donau geflossen (Aare-Donau). Ebenso haben der Ur-Neckar über die Ur-Lohne (Fils), die Ur-Brenz (Jagst) nach Südosten zur Ur-Donau entwässert. Es begann die landschaftliche Grobformung von Süddeutschland. Bild 2: Das Gefälle der Donau auf ihrem langen Weg zum Pontischen/Schwarzen Meer war und ist bis heute aber recht flach, so dass das Donau-System in Süddeutschland nur eine geringe erosive Kraft hat. Das Rhone-System mit dem Ur-Doubs im Südwesten und das Rhein-System mit dem Ur-Neckar im Norden hatten und haben bis heute auch durch das Einbrechen des Rhone- und Rheingrabens, durch die Austrock-nungen des Mittelmeeres von 6 Mio. Jahren und wegen der bis heute andauernde Hebung von Schwarz-wald und Vogesen ein höheres Gefälle und eine größere Erosionskraft. Das macht sich dort auch durch

schroffere Talformen bemerkbar. Die rückschreitende Erosion der Flüsse kam daher im Rhone- und Rhein-System schneller voran als im Donau-System, so dass vor etwa 3 Ma der Doubs die Alpenflüsse Aare und Reuss bei Waldshut erreicht hat und durch den Sundgau zum Mittelmeer umlenken konnte. Die Walliser Rhone-Aare wurde im Bereich des heutigen Genfer Sees von Westen her angezapft und zum Mittelmeer umgelenkt. Die der Donau tributären Flusssysteme des heutigen Neckars und Teile des Mains wurden vom Oberrheingraben her angezapft, zum Teil in ihren Fließrichtungen umgekehrt und der Nordsee zugeführt. Bild 3: Vor etwa 2,5 Ma hat dann die Erosionsfront des Rheins das Aare-Doubs-System bei Basel und am heutigen Hochrhein erreicht und die Aare ebenfalls zur Nordsee umgelenkt. Durch weitere rückschreitende Erosion wurde vor etwa 600.000 Jahren der Ur-Alpenrhein im Bereich des Bodenseebeckens der Donau entrissen und ebenfalls der Nordsee zugeführt. Dabei haben auch die Gletschervorstöße aus den Alpen und deren Erosions- und Ablagerungsvorgänge in den Kaltzeiten eine Rolle gespielt. Der Rhein konnte sich wegen seiner starken Erosionskraft mit der Zeit weite Gebiete der hypsographisch flacheren Donau- und Rhone-Systeme einverleiben. Damit waren die Grundlagen für die heutigen Flusssys-teme in Südwestdeutschland mit den europäischen Hauptwasserscheiden und den Zuflüssen zur Nordsee und zum Schwarzen Meer geschaffen. Zeugnisse dieser grundlegenden Veränderungen der Flusssysteme sind Schotterablagerungen in exponierten Hochlagen, alte geköpfte Talböden am Nordrand der Schwäbische Alb und die scharfen Richtungsänderungen von Aare, Rhein, Neckar und deren Nebenflüsse im Bereich der Anzapfgebiete. Der Kampf der Flusssysteme von Rhein und Donau um das Einzugsgebiet dauert an und ist heute in der Wutachschlucht bei Blumberg gut zu sehen. Dort hat vor 20.000 Jahren das Rhein-System mit der Wutach die sogenannte Feldbergdonau angezapft und wird sich in Zukunft auch die beiden Quellflüsse der heutigen Donau - Brigach und Breg - einverleiben (*).

Karten mit Daten aus E. Villinger (1998): Zur Flussgeschichte von Rhein und Donau in Südwestdeutschland. Jber. Mitt. oberrhein. geol. Ver., NF., 80. Der genaue Verlauf der Flüsse vor Jahrmillionen ist unbekannt.

Österreich

Main

Saone

Doubs

Ille

r

Donau

Neckar

Rhone

Nordsee

Ruhr

Lech

Altmühl Rhein

Einzugsgebiet Rhein

Einzugsgebiet Donau

Italien

Deutschland

1) Vor 7 - 10 Mio. Jahren Spätes Miozän bis Frühes Pliozän Ehemalige Hauptfließrichtung im trockenfallenden Molassebecken vor ca. 16 Mio. Jahren

(Graupensandrinne).

Einzugsgebiete

Ems, Weser, Elbe

Frankreich

Ein

zugsgebie

te L

oir

e,

Sein

e,

Marn

e,

Scheld

e

Mosel

Alpenrand

3) Vor 0,2 Mio. Jahren bis heutige Zeit Pleistozän bis heute

Inn

Ur-Donau

2) Vor ca. 3 Mio. Jahren Mittleres bis Spätes Pliozän

Benelux

Ur-Rhein

Ur-

Rhone

Rhone-Aare-

Donau

Maas

Lahn

Ijssel

Einzugsgebiet Po

Einzugsgebiet Rhone

Heraushebung und Nord-

verlagerung der Alpen

Saar

Falten-

Jura

Hauptwasserscheiden

Stuttgart

Isar

Lippe

Alp

enrh

ein

Aare

*

Schweiz

Nördlinger Ries Meteoriten-Impakt vor 14,6 Ma.

Ur-Elz

N

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5. Anhang 5.1 Gesteinskunde, der Kreislauf der Gesteine

Magmatische Gesteine (Magmatite; gr. magma = geknetete Masse) sind Primärgesteine. Sie entstehen beim Aufstieg sehr tief liegender und 1000 - 1300 °C heißer, zähplastischer Gesteinsschmelzen aus dem Erdmantel in die überlagernden, festen Gesteine und durch vulkanische Aktivitäten an der Erdoberfläche. Die überlagernden Gesteine werden dabei oft mit aufgeschmolzen. In Abhängigkeit der Ausgangsgestei-ne werden beim Aufstieg und bei der Abkühlung neue Kristalle und Strukturen gebildet. Gesteinsschmelzen, die in höherliegenden Festgesteine eindringen, aber noch in großer Tiefe langsam zu ungeregelt grobkri-stallinen Gesteine erstarren, werden Plutonite (In-trusivgesteine) genannt, z.B. Granit, Syenit, Diorit und Gabbro. Durch Hebungen im Rahmen von plattentek-tonischen Vorgängen kommen viele Plutonite mit der Zeit an die Erdoberfläche, bilden charakteristische Gebirgslandschaften und werden abgetragen. Zu den Plutoniten gehören auch die Pegmatite -> groß- bis riesenkörnige Gesteine, auskristallisiert aus einer an flüchtigen Bestandteilen reichen plutonischen Rest-schmelze und die Ganggesteine -> Übergangsmagma-tite und Intrusionsgesteine in schmalen Gängen im Umgebungsgestein, z.B. Mineralgänge, Erzgänge, Lamporphyr, Lamproit und Kimberlit. Die bei Vulkan-ausbrüchen ausfließenden Laven und ausgeworfenen Gesteine werden Vulkanite (Eruptivgesteine) genannt, z.B. Rhyolith, Trachyt, Andesit, Basalt und pyroklasti-sche Aschen, Tuffe, Bimsstein (pyroklastische Sedi-mentgesteine). Durch die Druckentlastung an Schwä-chezonen in der Erdkruste und durch die dadurch verursachten Ausgasungen wird das Gestein (Magma) flüssig, spezifisch leichter und steigt bis zur Erdober-fläche auf. Dort kommt es oft zum explosiven Austritt von Gasen und Aschen. Der Gas- und Wasseranteil im Magma hat einen großen Einfluss auf die Charakteris-tik eines Vulkans. Vulkanite sind wegen ihrer schnellen Erstarrung an der Erdoberfläche meistens ungeregelt feinkristallin und bei sehr schneller Erstarrung auch als Gesteinsglas (Obsidian) ausgebildet. Sie können aber

auch mit grobkristallinen Einsprenglingen (Porphyre) versehenen sein. Vulkanite werden auch oft geschich-tet abgelagert, z.B. als Stratovulkane oder als weit-räumige Flutbasalte, z.B. in Indien, in Sibirien und in Oregon-USA. Vulkanische Gesteine treten bevorzugt an tektonischen Plattenrändern und an Subduktions-zone auf, z.B. pazifischer Feuerring, ozeanische Rü-cken etc. Die häufigsten Minerale sind Quarz, Feldspä-te, Glimmer, Pyroxene, Amphibole und Olivine.

Sedimentgesteine (lat. sedimentum = Bodensatz) sind Sekundärgesteine und entstehen an der Erdoberflä-che, in Seen und im Meer. Man unterscheidet klasti-sche Sedimente, chemische Sedimente, chemisch-biogene Sedimente und Rückstandsgesteine. Die oft in großen Meeresbecken, aber auch in Seen und in Kon-tinentalbecken abgelagerten Sedimente werden mit der Zeit etwas tiefer in die Erde versenkt, überdeckt und dabei verdichtet und entwässert. Sie verfestigen sich unter dem Druck der überlagernden Schichten zu oft geschichteten Festgesteinen wie z.B. Kong-lomeraten, Sandsteinen, Schluff- und Tonsteinen, Kalk- und Dolomitsteinen. Dieser Prozess wird "Diage-nese" und "Lithifizierung" genannte und führt auch zur chemischen Ausfällung von Mineralen, oft Ton, Kalzit und Quarz, als zementartige Verbindung (Mat-rix) zwischen den einzelnen Sedimentkörnern (Kom-paktion, Rekristallisation, Zementation). Eingeschlos-sene Skelett- und Schalenreste von Lebewesen kön-nen dabei auch in versteinerte Fossilien umgewandelt werden. Durch die mehr oder weniger starke und länger anhaltende Subsidenz (Absenkung) der Erd-kruste in den Sedimentationsräumen und wegen der mehr oder weniger gleichhohen Sedimentationsrate können über Jahrmillionen Sedimentbildungen von hunderten bis tausenden Metern Mächtigkeit entste-hen. Je nach dem Ablagerungsmilieu gibt es auch un-terschiedliche Ausbildungen der Sedimente. (Fazies, Lithofazies, Biofazies, metamorphe-, marine-, limni-sche-, fluviatile-, terrestrische Fazies etc.)

Gesteine sind natürlich vorkommende und feste Gemenge aus Mineralen, Mineralbruchstücken und Organismenresten. Vul-kanische Gläser und Bimsstein bestehen aus nichtmineralischer(nichtkristalliner), amorpher Substanz. Kohle und Torf sind aus Pflanzenresten entstanden. Gesteine unterscheiden sich stark hinsichtlich der Farbe und der Größe ihrer Kristalle, ihrer Härte und ihre Beständigkeit gegenüber der Verwitterung und Abtragung. Man unterscheidet drei Hauptgesteinsarten: Magmati-sche Gesteine, die glutflüssig aus dem heißen Erdmantel aufsteigen und noch tief innerhalb der Erdkruste oder an der Erd-oberfläche abkühlen und kristallisieren, Sedimentgesteine, die durch Abtragung, Verwitterung und anschließender Verfesti-gung nahe der Erdoberfläche entstehen und metamorphe Gesteine, die tiefer in der Erdkruste unter hohen Druck- und Tempe-raturbedingungen, aber ohne aufzuschmelzen aus Sediment- und Magmagesteinen umgewandelt wurden. Diese drei Haupt-gesteinsarten befinden sich innerhalb der Erdkruste in einem ständigen und langsamen Kreislauf zwischen Bildung, Versen-kung, Umwandlung, Heraushebung und Abtragung (Abb. 23).

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- Klastische Sedimente (gr. klasis = zerbrechen) ent-stehen durch chemische und v.a. durch physikalische Verwitterung und Abtragung von Gesteinskomplexen und durch mechanische Zerkleinerung beim Transport durch Schwerkraft, Wasser, Wind und Eis. Die Erosi-onsprodukte der massiven Gesteine, Blöcke, Kies, Sand, Schluff und Ton werden in Flusstälern, in Vor-landgebiete von Gletschern, in terrestrische Becken oder landnah in das Meer, z.B. als Flussdelta transpor-tiert und dabei weiter zerkleinerten, sortiert, klassiert und schließlich abgelagert. Sie werden mit der Zeit durch kalkiges, kieseliges (Siliziklastika) oder durch toniges Bindemittel zu Konglomeraten, Sandsteinen, Schluff- und Tonsteinen diagenetisch verfestigt. Vul-kanische Aschen, Tuffe und Bimssteine werden als pyroklastische Sedimentgesteine bezeichnet.

- Chemische und chemisch-biogene Sedimente wer-den hauptsächlich im marinen und im limnischen Mili-eu ausgeschieden. Chemische Sedimente i.e.S. ent-stehen durch Verwitterung, Lösung und anschließen-der Ausfällung in sehr warmem, an Salzen übersättig-tem Wasser, auch unter der Beteiligung von Mikroor-ganismen. Wichtige Vertreter sind Karbonatgesteine, wie mikrokristalline Kalksteine, Kalksinter und Dolo-mitsteine (durch Magnesiumeinlagerung umgewan-delte Kalksteine) und die als Evaporite (lat. "aus Ver-dunstung") bezeichneten Sulfatgesteine Gips und An-hydrit, sowie Natron und die Halogenide Steinsalz und Kalisalz. Weitere chemische Sedimente sind z.B. Bän-dereisenerze. Bei sehr intensiver chemischer Verwit-terung entstehen Rückstandssedimente wie z.B. Kao-lin und Bauxit als stabile Reste des Ausgangsgesteins. (Chemisch-) biogene Sedimente i.e.S. entstehen aus Resten von Organismen, so z.B. bioklastische Kalkstei-ne aus Kalkschalen des Planktons, aus zerkleinerten Schalen von Muscheln, Brachiopoden, Ammoniten, Seelilien, Schwämmen und Korallen. Kreide entsteht durch die Ablagerung von winzigen Foraminiferen-schalen und Kieselgesteine entstehen aus Skeletten der Kieselalgen. Auch phosphorhaltige Gesteine (Phosphorite) und einige Erze entstehen unter der Mitwirkung von Organismen. Hornsteine, auch Feuer-stein oder Flint genannt, können sowohl rein che-misch, als auch biochemisch aus Kieselsäure (SiO2) gebildet werden.

- Rein biogene Sedimente sind durch pflanzliche Abla-gerungen entstandene Torfe und Faulschlämme und bei Temperaturen ab 120 °C Kohlegesteine und Erd-öl/Erdgas als Produkte der Verwesung von tierischem Gewebe und Flüssigkeiten. Ein wichtiges Erkennungs-merkmal der Sedimentgesteine ist ihre Schichtung, die durch geringfügige oder markantere Wechsel der

Korngrößen und Ablagerungsbedingungen oder durch Windablagerung aus unterschiedlichen Richtungen entsteht, z.B. bei Sanddünen (Kap. 5.4). Kompakte Riff- und Schwammkalke, viele glaziale Moränen und manche Schuttbildungen sind ungeschichtet. Die häu-figsten Minerale sind Quarz, Feldspäte, Glimmer, Tonminerale, Karbonate (Kalk- und Dolomitstein), Sulfate (Gips, Anhydrit) und Halogenide (Stein- und Kalisalz). Metamorphe Gesteine (Metamorphite; gr. metamor-phoos = umgestaltet) entstehen durch tektonische Versenkung von großen Gesteinspaketen in die Erd-kruste in ca. 2 km bis z.T. 60 km Tiefe bei Kontinental-kollisionen und bei der Gebirgsbildung. Die Druck- und Temperaturzunahme im Erdinneren von 0,2 bis über 2 GPa und 150 - 800 °C führt zu einer Umwandlung, Wachstum und Neubildung (Rekristallisation) der se-dimentären und magmatischen Minerale und der Ge-steinsstrukturen. Alle vorhergehenden Strukturen, wie z.B. Schichtung und Fossilien gehen dabei verloren. Typische Vertreter der metamorphen Gesteine sind gefaltete und oft stark deformierte Schiefergesteine (Tonschiefer), Phyllite und Gneise. Ein wichtiges Er-kennungsmerkmal ist oft eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Schieferung (Foliation). Diese ent-steht durch Mineraleinregelung, Mineralneubildung und Mineralentmischung, (v.a. Minerale der Glimmer- und Chloritgruppe) unter dem hohen und oft gerichte-ten Druck (Spannung) und durch hohe Temperaturen (gebänderte Gneise). Es gibt aber auch ungeschieferte (isotrope) Metamorphite, wie z.B. Marmor aus Dolo-mit- und Kalkstein, Quarzite aus quarzreichem Sand-stein und Hornfelse, die bei der Kontaktmetamorpho-se entstehen. Metamorphite aus Sedimenten be-zeichnet man als Paragesteine, aus Magmatiten als Orthogesteine. Sehr tief in der Erdkruste versenkte Metamorphite schmelzen je nach der chemischen Zusammensetzung ab ca. 700 - 900 °C teilweise auf und werden dann Anatexite und Migmatite genannt. Durch Hebungen im Rahmen von plattentektonischen Vorgängen wie z.B. Gebirgsbildungen kommen viele metamorphe Gesteine mit der Zeit an die Erdoberflä-che, bilden auch zusammen mit darin eingeschmolze-nen Plutoniten Gebirgslandschaften und werden mit der Zeit wieder abgetragen. Beispiele sind Schwarz-wald, Bayerischer Wald, Rheinisches Schiefergebirge und Teile der weltweiten Mittel- und Hochgebirge (Alpen, Anden, Himalaya, Appalachen etc.). Die häu-figsten Minerale sind Quarz, Feldspäte, Glimmer, Py-roxene, Amphibole, Karbonate (Marmor), Granate, Staurolith und Disthen.

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Schilfsandstein (Flutfazies). Quelle: Wikipedia

Kalkstein des Oberen Muschelkalk mit Seelilie, Encrinus liliiformis. Quelle: www.geologie-des-dinkelbergs.de, Finder: M. Lämmlin

Gipskeuper, hier von Gips durchzogene Tonsteine. Quelle: Wikipedia

Lettenkeuper: Sandstein der Esterienschichten mit versteinerten Muscheln - Palaeestheria minuta. Quelle: Wikipedia

Bildtafeln Gesteinsarten (Beispiele)

Bild 15: Sedimente (Absetzgesteine)

Löss und Lösslehm (äolisches Sediment) .

Lösskindl: Bei der Entkalkung von Löss werden diese Kalkkongretionen in tieferen Schichten wieder ausgeschieden. Quelle: Wikipedia .

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Granit (hellrosa = Feldspat, dunkel = Glimmer, durchsichtig = Quarz). Quelle: Wikipedia.

Bild 16: Metamorphite (Umwandlungsgesteine)

Bändergneis Quelle: Wikipedia.

Marmor Quelle: Wikipedia.

Bild 17: Magmatite (Erstarrungsgesteine)

Vulkanite (Ergussgesteine)

Rhyolith (Quarzporphyr aus dem Rotliegenden - Perm). Quelle: Wikipedia.

Plutonite (Tiefengesteine)

Basalt: Säulenbasalt mit Flechtenbesatz. Die 6-eckigen Säulen entstehen bei sehr langsamer Abkühlung und Schrumpfen des Gesteins nach der Eruption. Quelle: Wikipedia

Gabbro Quelle: Wikipedia.

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Die Entstehungs- und Ablagerungsbedingungen der drei Hauptgesteinsarten Magmatite (Intrusiv- und Eruptivgesteine, Erstarrungsgesteine)

magmatisch = Erstarrungsgesteine (Vulkanite und Plutonite). vulkanisch = Vulkanite -> Gashaltige Ergussgesteine, Eruptivgesteine, Effusivgesteine: Durch vulkanische Vorgänge an der Erdoberfläche

ausgestoßene Aschen (Tephra), Steine, Tuffe (pyroklastische Sedimente) und ausgeflossene und erstarrte Gesteine (Lava). Oft feinkristallin oder glasig durch die rasche Abkühlung, oder mit kristallinen Einsprenglingen, z.B. Tuff, Quarzporphyr, Rhyolith, Andesit, Trachyt, Basalt, Obsidian. Ignimbrite -> Gesteine aus pyroklastischen Strömen, Bimsablagerungen und Aschen.

plutonisch = Plutonite -> Tiefengesteine, Intrusivgesteine: In großer Tiefe aus aufsteigendem und zähflüssigem Magma entstandene Gesteine. Oft grobkristallin durch die langsame Abkühlung innerhalb der Erdkruste, z.B. Granit, Syenit, Diorit, Gabro. Pegmatite = Groß- bis riesenkörnige Intrusionsgesteine, auskristallisiert aus einer an flüchtigen Bestandteilen reichen plutonischen Restschmelze, die unter hohem Druck in das Umgebungsgestein gepresst wurde. Oft Quelle von industriell bedeutsamen Mineralen, wie z.B. Seltene Erden, Bor, Fluor, Beryllium, Thorium, Lithium, Uran, Phosphor. Ganggesteine = Nahe an die Erdoberfläche reichende Übergangsmagmatite und Intrusionsgesteine in schmalen aber oft weiträumigen Gängen (Dykes) in das Umgebungsgestein eingedrungen. Oft größeren Mineralen und Mineraleinsprenglinge (Mineralgänge, Erzgänge, Lamporphyr, Lamproit und Kimberlit).

Sedimente (Schicht- und Absatzgesteine), Sedimentationsräume

kontinental = Auf dem Festland abgelagerte Sedimente. terrestrisch = Unter festländischem Einfluss entstandene und abgelagerte Sedimente. Terrigen = festländische Herkunft klastisch = Durch mechanische Zerstörung und Zerkleinerung bei der physikalisch-chemischen Verwitterung (Erosion) und Sedimenta- tion entstandene Trümmergesteine (Gerölle, Sande, Schluffe, Tone -> Konglomerate, Sandsteine, Schluff- und Tonsteine). konglomeratisch = Karbonatisch verfestigte, klastische Sedimente aus gerundeten Geröllen mit längeren fluviatilen Transportwegen, z.B. Nagelfluh im Oberallgäu. brecciös = Karbonatisch verfestigte klastische Sedimente aus kantigen Geröllen mit kurzen und z.T. fluviatilen Transportwegen, z.B. Gesteinsbildungen durch Vulkanausbrüche und Bergstürze (Muren). Fanglomerat = Schlammbreccie, oft im ariden Klimabereich. Schlammfächer mit unsortiertem Material aller Korngrößen, oft eckig. limnisch = In den Gewässern des Festlandes gebildete Sedimente. fluviatil = Durch Bäche und Flüsse transportierte und abgelagerte Sedimente (Kiese, Sande, Tone, Schlick, Konglomerate und Schutt- bildungen, Auenablagerungen, Deltasedimente). lakustrin = In Binnenseen abgelagerte Sedimente (Tone, Schlick, Sande, Kiese, Deltasedimente, Evaporite). alluvial = Schwemmlandablagerungen in Niederungen, Tälern und an Küsten. äolisch = Durch Wind transportierte, sortierte und abgelagerte terrestrische (Staub-)Sedimente (Löss, Dünensand, Vulkanasche). periglazial = In Kaltzeitphasen und rezent in den Polargebieten außerhalb des Einflussbereichs der Gletscher abgelagerte Sedimente. Durch Frost-Tauwechsel und fluviatile Vorgänge entstandene oder umgelagerte Sedimente, äolische Sedimente (Löss- Sedimente, Solifluktionsböden, Frostmischböden, Fließerden, Schuttsedimente, Schotter, Beckentone und Torflager).

glazial = In Kaltzeitphasen und rezent im unmittelbaren Einflussbereich von Gletschern transportierte, abgelagerte oder umgelagerte Sedimente. (Moränen, Geschiebelehme, Beckentone und von Gletschern ausgehende Schmelzwassersedimente -> glazi- fluvial). glazi-fluvial = Durch Schmelzwässer von Gletschern in Schmelzwasserrinnen transportierte und abgelagerte Sedimente (Blöcke und

sandige Schotter, Sande, Bändertone). glazi-lakustrin = Durch Schmelzwässer von Gletschern in ehemalige Gletscherstauseen transportierte und abgelagerte Beckensedimente

(Schotter, Sande und Bändertone, Deltasedimente, Driftblöcke). arid, semiarid = Ablagerungen in Gebieten mit Wassermangel (mehr Verdunstung als Niederschlag). Sand, Staub und Steine, abgelagert in

episodisch fließenden Gewässern und durch Wind in Wüsten und Halbwüsten. humid, semihumid = Ablagerungen in Gebieten mit Wasserüberschuss. Unterschiedliche Sedimente in den Tropen und gemäßigten Breiten.

chemisch (biogen) = Kalksinter, Kalktuffe, Tropfsteine, Travertin und Kieselsinter -> kontinental-fluviatile, chemisch-biogene Sedimente. pyroklastisch = Durch vulkanische Vorgänge an der Erdoberfläche ausgestoßene Aschen, Steine, Tuffe, Bimssteine. Durch hohe Temperatu- ren in pyroklastischen Strömen ist eine Verbackung und Verfestigung zu Ignimbriten (Schmelztuff) möglich.

brackisch = Ablagerungen im Grenzbereich zwischen Süß- und Salzwasser. Mündungsgebiete großer Flüsse. Kennzeichnend ist eine artenarme jedoch individuenreiche Fauna.

marin = Im Meer abgelagerte Sedimente. glazio-marin = Von Eismassen aus Gletschern im Meer transportierte, ausgeschmolzene und abgelagerte Sedimente (Driftblöcke, Schotter). epikontinental = In einem Flachmeer abgelagerte Sedimente, das flache Bereiche des Festlandes zeitweise überflutet hat. flachmarin = In einem Flachmeer (Schelfmeer) festlandsnah abgelagerte Sedimente (Tonmergelsteine, Kalksteine, Dolomitsteine, Deltasedimente).

litoral = In der Uferregion (Küstenbereich) von Seen und Meeren und in Lagunen abgelagerte Sedimente. lagunär = In lagunenartigen und flachen Buchten abgelagerte Sedimente (litoral), z.B. Riffkalke, Kalk- und Dolomitsteine und Evaporite. tidal = In Gezeitenbereichen abgelagerte Sedimente (Wattsedimente mit charakteristischen Fossilien).

neritisch = In seichtem und lichtdurchflutetem Flachmeer abgelagerte Sedimente. bathyal = In tiefem und lichtlosem aber noch relativ flachen Meer abgelagerte Sedimente. hemipelagisch = Im Bereich der Kontinentalabhänge abgelagerte Sedimente in 200 bis 4000 m Tiefe (Trübeströme, Flysch). pelagisch = Im Bereich der Tiefsee festlandsfern abgelagerte Sedimente (Tiefseetone). eupelagisch = In Tiefen unter 2700 m abgelagerte Sedimente. euxinisch = In sehr sauerstoffarmen Bereichen eines Meeres abgelagerte Sedimente. Schwefelwasserstoffreiches Wasser, sehr lebensfeindlich, Faulschlämme, Erdölmuttergesteine, z.B. tiefe Bereiche im Schwarzes Meer. paralisch = Ablagerung im Bereich von Küstengewässern und Küstenebenen.

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turbiditisch = Zyklische Abfolge von dünnbankigen, fossilarmen Ton-, Kalk- und Sandsteinschichten. Oft als marine Trübeströme (Turbidite, Flyschgesteine). Flysch = An Tiefseeabhängen als Erosionsprodukte, z.B. bei der Gebirgsbildung abgelagerte und dann rasch (in Tagen, Wochen) abge- rutschte, fossilarme und oft geschichtete Sedimente, z.B. Flyschgesteine im Bregenzer Wald -> Grauwacken. chemisch-biogen = Durch Tier- und Pflanzenreste geprägte, marine und kontinentale Sedimente, z.B. bioklastische Sedimente (Schalentrümmer- kalke), biogene Riffe, Kalktuffe. Hornstein -> kieselige Bildungen -> Feuerstein/Opal/Kieselerde/Radiolarit. Schlick, Phosphat- lagerstätten, Torf, Kohle, Bitumina -> Öl/Gas/Harze, Bändereisenerze, Bone-Beds. Geringe Anteile an klastischem Material. bioklastisch = Durch Schalentrümmer z.B. von Muscheln, Seelilien, Brachiopoden oder Riffbildnern (Korallen, Schwämme) geprägte Sedimente, z.B. bioklastische Kalksteine, Schalentrümmerkalke, z.B. Trochitenkalke im Oberen Muschelkalk. Bioklastische Sande aus Schalen- und Korallenresten. Versteinerte Knochenreste (Bonebeds), Blatt- und Holzreste. Geringe Anteile an klastischem Material. chemisch = Unter sehr warmen Klimaverhältnissen durch Verdunstung und Ausfällung aus einer übersättigten Meerwasser-Lösung entstandene und abgelagerte Sedimente (mikrokristalline Kalksteine, Dolomitsteine, Evaporite).

evaporitisch = Unter ariden Klimaverhältnissen (heiß und trocken) durch Verdunstung (Eindampfung) einer übersättigten Meerwasser- Lösung ausgeschiedene Sulfat- und Salinargesteine (Evaporite = Gips und Anhydrit, Steinsalz und Kalisalz).

salinar = Ablagerung von Salzgesteinen (Halogenide, Chlorid- und Kaligesteine) bei starker Verdunstung von übersättigten Meer- wasser.

Tempestit = Marine Sedimentablagerung von durch Unwetter und Sturmfluten aufgewirbeltem und sortiert abgelagertem Bodenmateri al. Sand mit Trümmergesteinen, wellig-ballige Lagerung und in den Untergrund eingetieft. Tsunamit = Oft scharf abgegrenzte und unsortierte Flutablagerungen von starken Meer- und Seeüberflutungen (Tsunami), ausgelöst durch Seebeben, Vulkane, Erdrutsche, Meteorite. Wenn jung, mäßig-festes Trümmergestein am Strand, in Strandnähe oder hunderte Meter bis Kilometer landeinwärts. Chaotisch weit gestuft mit Ton, viel grober Sand, Gesteinsbruchstücken und Steinblöcken aller Größen und Formen (kantengerundet und v.a. eckig). Reste von Meerestieren (Schalen, Korallen) und oft mit menschlichen Artefakten (Holz, Ziegel, Putzreste, Tonscherben, Glas). Wenn älter, oft verfestigt, ohne menschliche Arte- fakte und gelegentlich großflächig mit charakteristischen Strömungsmerkmalen, z.B. Chevron-Marken auf Madagaskar und in Nord-Australien (?). Metamorphite (Umwandlungsgesteine)

metamorph = Entstehung aus Sedimenten (Paragesteine) und aus Magmatiten (Orthogesteine), die tektonisch in Tiefen von 2 bis z.T. 60 km versenkt wurden. Dort wurden sie unter hohen Druck- und Temperaturbedingungen in ihrer Mineralzusammensetzung und in ihrem Gesteinsgefüge verändert, aber nicht aufgeschmolzen (Rekristallisation).

Metamorphite sind oft grobkristallin und haben durch den gerichteten Druck oft eine geschieferte Textur (Foliation), z.B. Tonschiefer, Phyllite, Glimmerschiefer, Gneise. Es gibt aber auch ungeschieferte Metamorphite, wie z.B. Quarzit und Marmor. Unter bestimmten Bedingungen bilden sich großkristalline Porphyroblasten in einer feinkristallinen Matrix.

Migmatite = Teilgeschmolzenes Mischgestein aus Metamorphit und Magamatit. Anatexite Teilaufschmelzung sehr tief versenkter Metamorphite in größerem Ausmaß durch hohe Temperaturen (> 650 – 750°C).

Bezeichnungen für Lockersedimente und Gesteinen aus Lockersedimenten

Ton (-stein) = Feinklastisches Lockersediment und Verwitterungsprodukte mit einer Korngröße von < 0,002 mm. Umwandlung der Silikatminerale in Tonminerale. Teilentwässert –> plastisch oder entwässert und zu Tonstein verfestigt. Schieferton = Ton mit schieferähnlichem Parallelgefüge entlang von Schichtflächen. Nicht zu verwechseln mit "Tonschiefer"... ...das ist ein niedrig-metamorpher Tonstein, dem durch die Metamorphose eine echte Schieferung aufgeprägt wurde.

Schluff (-stein) = Feinklastisches Lockersediment mit einer Korngröße von 0,002 - 0,06 mm. Entsteht durch feinste Zerkleinerung von Gesteinen. Sand (-stein) = Klastisches Lockersediment mit einer Korngröße von 0,06 - 2 mm. Entsteht durch die Zerkleinerung von Steinen und Geröllen in Flüssen, in Wüsten- und in Küstengebieten. Sandstein besteht oft aus Quarzkörnern (Quarzarenith) mit unter- schiedlichen Anteilen an Feldspatmineralen (Arkose) und mit Ton und Gesteinstrümmern (Litharenit). Graugrüne Sandsteine mit viele Feldspat und anderen Matrixbestandteilen werden Grauwacke genannt. Es gibt auch Sande und Sandsteine aus Kalkschalenresten von Muscheln und Korallen, aus vulkanischen Gesteinen, aus verwitterungsbeständigen Mineralen (Granat) und in ariden Gebieten aus Gips, z.B. Gipssande im „White Sands National Monument", NM-USA.

Kies (Konglomerat) = Grobklastisches Lockersediment mit einer Korngröße von 2 – 63 mm (Schotter, Gerölle). Verfestigt = Konglomerat. Zerkleinerung und Rundung an Küsten und durch Transport in Flüssen, in Schmelzwasserrinnen und in bzw. vor Gletschern. Löss = Äolisches, staubartiges und poröses Lockersediment. Quarz- und kalkhaltiger Schluff, z.T. mit Feinsand- und Tonanteilen. Durch starke Winde v.a. während der Glazialzeiten aus oft abgetrockneten und vegetationsarmen Schotterebenen ausge- blasen und mit nachlassender Windgeschwindigkeit in grasbewachsenen Muldenlagen, auf Verebnungsflächen und in Lee- gebieten abgelagert. Lösslehm = Bei der Verwitterung von Löss entsteht entkalkter, verlehmter, verdichteter und feuchterer Lösslehm mit Bodenbildungen zu Braunerden und Schwarzerden. Lösslehm hält die Feuchtigkeit gut, was mitausschlaggebend für seine Fruchtbarkeit ist. Lehm = Verwitterungsprodukt und Gemisch aus Ton, Schluff und Sand, kalkarm bis entkalkt. Auenlehm ist oft kalkreich. Letten = Lokale Bezeichnung für sandig-schluffige und halbfeste bis felsartige Tone (-steine), mit geringem Kalkgehalt. Mergel (-stein) = Gemenge aus Ton und Kalk. Je nach Kalk/Tongehalt wird mergeliger Kalk, Mergelkalk, Kalkmergel, Mergel, Tonmergel, Mergelton und mergelig.

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Abb. 27: Kreislauf der Gesteine (schematisch und nicht-maßstäblich überhöht!). Mit der Verwitterung der Gesteine an der Erdoberfläche wird der Gesteinsschutt aus Blöcken, Kiesen, Sanden, Schluffen und Tonen in Täler, Seen, Senken und in die Meeresbecken transportiert und abgelagert. Dort kommt es mit der Zeit zur Versenkung und Verfestigung der Sedimente bis hin zur Gesteinsbildung. Durch die ständigen Bewegungen der Erdkrustenplatten (Tektonik) können weiträumig abgelagerte Gesteins-pakete örtlich tiefer versenkt, später wieder angehoben oder in der Tiefe metamorph umgewandelt werden. Vor allem bei Gebirgsbildungen werden Sedimentgesteine, Magmatite und Metamorphite wieder weit herausgehoben und dann schnell abgetragen. Meeresboden kann bei einer Gebirgs-bildung und bei Kontinentalkollisionen tief in den Erdmantel versenkt (subduziert) werden (Kap. 6). So entsteht ein vertikaler Kreislauf der Gesteine innerhalb der Erdkruste. Bei sehr tiefer Versenkung werden die Sedimentgesteine unter hohem Druck und hohen Temperaturen umgewandelt (Rekristallisation) und auch aufgeschmolzen. Die Zumischung und Auskristallisation von aufsteigenden Magmen aus dem Erdmantel vervollständigt die Gesteinsvielfalt, aus der sich die unterschiedlichen Landschaften an der Erdoberfläche bilden.

Staub und Meteorite,

ca. 1 - 2 Mio. t/Jahr

Jüngere

Vulkanite

Mariner Schelf

Lava

Sedimente Lockergesteine und

Festgesteine Bis ca. 150°C.

Magma-Kammer

GLIEDERUNG

Lithosphäre Erdkruste

Oberkruste, granitisch Dichte 2,6 - 3 g/cm3

Druck bis 0,9 GPa -> mechanisch steif -> Bruchtektonik

Leichte, weichere kontinentale- und schwere, starre ozeanische Erdkruste aus leichten Silikaten (Si, Al, Mg, K).

Mächtigkeit im Bereich der Gebirge bis über 60 km, im Bereich der

Ozeane 5 - 8 km. Conrad-Diskontinuität

Dichtesprung in ca. 15 km Tiefe.

Unterkruste, basaltisch Dichte 3,3 g/cm3

Druck bis 1,5 GPa –>bei 200 -500 °C duktil.

Mohorovicic-Diskontinuität Grenze Kruste/Mantel in BW in 24 - 30 km Tiefe.

500 - 950 °C.

Lithosphärischer

Erdmantel aus Gesteinen höherer Dichte

(Mg, Fe, Peridotit), Dichte 3,4 - 4 g/cm3, Druck bis 20 GPa, ~1000 °C

-> fest aber duktil. Bis ca. 60 - 160 km Tiefe.

Gutenberg-Diskontinuität

Oberer Erdmantel "Asthenosphäre" Dichte bis 4,2 g/cm3

Druck ~50 GPa. -> plastisch und partiell geschmol- zen, 1100 - 1200 °C, zur Tiefe

weiter zunehmend. Bis ca. 250 - 410 km Tiefe. Gleit-

schicht für die Lithosphärenplatten. Darunter duktile Silikatgesteine

des Erdmantels mit dichterer Packung der Atome.

Erstarrung der Magmatite

Vulkanite schnell an der Erdoberfläche,

Plutonite langsam in der Tiefe.

Aufstieg von

geschmolzenem Magma mit Druckentlastung im Bereich von tektonischen Schwächezonen.

Alte Plutonite

herauserodiert

Magmatite, Metamorphite und Sedimentgesteine nahe oder direkt an der Erdoberfläche.

Bildung von Metamorphiten 2 - 60 km tief, 150 - 650 °C, 0,2- 1,2 GPa Druck.

Beginn der Aufschmelzung je nach Tiefe ab 650 - 900 °C. Migmatite, Anatexite, Sekundäres Magma.

Asche, Gerölle, Steine, Gase, Wasserdampf

Lithosphärischer

Erdmantel

Asthenosphäre

Terrestrisch-limnisches

Sedimentbecken

Hebung oder Versenkung

der Gesteinspakete durch Plattentektonik und Gebirgsbildung.

Erdkruste

Magma-Intrusion mit ca. 1100 - 2000 °C, z.B. bei der Platten-

subduktion mit wasserhaltigen Sedimenten oder durch Hot-Spot (Mantelplume).

Primäres Magma.

Tem

pera

tur- u

nd D

ruckzunahm

e

Gletscher

Vulkan Gebirge Gebirgsvorland Flachland und Tiefland Meer

Tiefseebecken

VORGÄNGE

Erosion, Verwitterung, Zerkleine-rung und Lösung der Gesteine durch mechanisch-physikalische und

chemisch-biogene Verwitterung unter dem Einfluss von Niederschlägen,

Wasser, Temperaturunterschieden, Atmosphärilien, Wind, Eis, Wellen-schlag, Pflanzen und Mikroben,

Schwerkraft und in Gebirgen auch durch Blitzschlag.

Abtragung und Transport durch Schwerkraft, Gletscher, Wind,

Bäche und Flüsse -> Strömungen, Schlammfluten. Einbau von gelösten Karbonaten in die Schalen von

Tieren.

Ausfällung, Eindampfung, Sedimentation und beginnende Kompaktion

in Tälern, Seen, Meeren und in absinkenden Sedimentbecken. Bildung von Schalentrümmerkalken

im Meer.

Versenkung, Entwässerung, Kompaktion und Verfestigung (Diagenese, Lithifizierung)

unter lithostatischem Druck in Becken und bei der Gebirgsbildung.

Bildung von Festgesteinen und Fossilien, Kohle, Erdöl und Erdgas.

Hebung oder weitere Versenkung und Metamorphose z.B. durch Gebirgsbildung. Gesteins-

umwandlung durch hohe Drücke und hohe Temperaturen. Rekristallisation

in festem, duktilem Zustand.

Partielle Aufschmelzung einzelner Minerale je nach Tiefe und Zusammensetzung ab ca. 650 °C. Je

nach den Bedingungen vollkommene Aufschmelzung möglich > 1000 °C.

Asthenosphäre 1100 - 1200 °C Gleitschicht für die Lithosphären-

platten bei der Kontinental-verschiebung.

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Versenkung in größere Tiefe

68

Verwitterung und Erosion Transport und Sedimentation

69

5.2 Schichtung, Schieferung und Klüfte Schichtgrenzen sind weitgehend parallel verlaufende Grenzflächen in Sedimentgesteinen. In Baden-Württemberg verlaufen sie je nach den tektonischen Verhältnissen überwiegend leicht geneigt bis flach-wellig-horizontal. In Gebirgen sind sie oft komplex verfaltet. Schichtgrenzen entstehen, wenn die Sedi-mentablagerung unterbrochen wird, oder wenn sich die Ablagerungsbedingungen ändern und es zu einem Materialwechsel oder zu einem Wechsel der Korn-größe kommt. Das kommt unter Wasser vor, wenn die Ablagerung von feinem Kalk auf gröberen Kalk oder auf Kalkschalentrümmer wechselt, wenn nach einer längeren und homogenen Kalkablagerung San-de oder Tone abgelagert werden (Materialwechsel) oder wenn auf Kiese grobe Sande und Feinsande abgelagert werden (Wechsel der Korngröße → gra-dierte Schichtung, Flysch). Auch bei der Sedimentati-on von Sanddünen kommt es durch wechselnde Windrichtungen und Windgeschwindigkeiten zur Bildung einer Schichtung (Kreuzschichtung, Schräg-schichtung und gradierte Schichtung), die in der spä-ter verfestigten Düne gut sichtbar ist. Sedimente, die nach der Ablagerung einige Zeit an der Erdoberfläche liegen, bilden oft eine kalkhaltige oder mangan- und eisenhaltige Kruste. Nach weiterer Sedimentation kann das dann eine sichtbare Grenze sein (Änderung der Mineralart, -Größe und -Farbe). Biologisch verur-sachte dünne Überzüge oder Reste von Schalen und Knochen (Bonebeds) auf Ablagerungen an der Erd-oberfläche oder unter Wasser können nach der Ver-festigung zu Gestein sichtbare Grenzen im Gestein bilden. Auf Schichtflächen ist die Reibungs- und Ver-bandsfestigkeit der Gesteine oft abgemindert und sie können nach sekundären Veränderungen, z.B. durch Verwitterung leicht zu Gleitflächen werden und bei Belastung oder Durchfeuchtung abrutschen (v.a. ton-haltige Gesteine).

Schieferungsflächen sind charakteristische Grenzflä-chen in metamorphen Gesteinen, z.B. in Schiefern und in Gneisen. Sie werden durch den hohen, gerich-teten Druck (Spannung) und durch hohe Temperatu-ren tief in der Erdkruste verursacht (Schieferung = lagig eingeregelte Minerale, Foliation). Durch die Entmischung, Einregelung und Neubildung der zuvor regellos verteilten Minerale, z.B. Quarz, Feldspat und Glimmer im Granit entstehen Gneise mit einer hell-dunkel-Bänderung. Marmor, entstanden aus Kalk-stein ist ungeschiefert und regellos körnig. Klüfte sind Bruchstellen und Trennflächen in ehemals kompakten Gesteinen. Innerhalb der harten Sedi-ment- und Kristallingesteine verlaufen mehr oder weniger eng stehende und oft parallele Gesteinsklüf-te. Sie entstehen durch tektonische Kräfte bei der langsamen Bewegung der Erdkrustenplatten, bei Gebirgsbildungen, durch Abkühlung und Kontraktion des Gesteins und bei der Erosion, einhergehend mit Druckentlastung v.a. bei der Talbildung. Auch starke Erdbeben, Vulkanausbrüche und große Meteoriten-einschläge können kompakte Gesteinspartien durch Klüfte zerlegen. Die Klüfte stehen zunächst sehr eng und verzahnt. An der Erdoberfläche und an Talböden und -rändern sind sie durch Erosion und der damit einhergehenden Druckentlastung oft Millimeter bis Zentimeter zu Spalten geöffnet. Die chemische, bio-gene und physikalische Gesteinsverwitterung greift bevorzugt in Klüften und an Schichtfugen an und erweitert diese. In lösungsfähigen Gesteinen, wie z.B. in Karbonat- und Sulfatgesteinen kommt es dann zur Bildung von Spalten, Gängen, Höhlen und Erdfällen durch Auslaugung (Karst). In Klüften lagern sich oft Minerale aus heißen, fluiden Lösungen aus dem Erd-inneren ab, wie z.B. Kalzit, Quarz, Gold und Erze. Ge-steine brechen und gleiten bevorzugt entlang von Schichtflächen, Schieferungsflächen und Kluftflächen.

5.3 Gesteinsverwitterung Die bei der Diagenese verfestigten Gesteine werden in Oberflächennähe und v.a. an Talflanken und in Talböden von feinen und breiteren Entlastungsklüf-ten, von Rissen und von erweiterten Schichtflächen durchzogen. An diesen offenen Tennflächen und an den Mineral-Korngrenzen beginnen die physikalische und die chemisch-biogene Verwitterung. Die Intensi-tät der Verwitterung ist temperatur- und damit kli-maabhängig, wobei auch dem Wasser eine entschei-dende Bedeutung zukommt.

Die physikalische Verwitterung ist in den kalten Ge-birgs- und Polarregionen domminierend. Sie setzt ebenfalls an Klüften, Spalten, Schichtfugen, an Korngrenzen und dort v.a. an den weichen Bestand-teilen an und ist eine mechanische Gesteinszertrüm-merung. Die Ursachen sind Spannungen und Druck-entlastungen im Gestein, die zu Exfoliation, z.B. zur rundlichen Abschalungen bei kluftarmen Graniten führen. Das ist z.B. im Yosemite National Park in den USA (El Capitan) gut zu beobachten. Darüber hinaus

70

gibt es Volumensänderungen durch Quelldruck, z.B. durch Tonminerale und Anhydrit, Temperaturverwit-terung, Frostsprengung, Salzsprengung und Wur-zelsprengung (mechanisch-biogen). Auch Blitzschlag sprengt in Gebirgen Felsen. Bei der physikalischen Verwitterung kommt es zu einer Entfestigung und zu einer raschen Abnahme der Korngröße. Die che-misch-mechanisch zerlegten Festgesteine werden durch Wasser, Wind und Eis erfasst, abtransportiert und mechanisch weiter zerkleinert (Steine -> Kies -> Sand -> Schluff). So bilden sich in Tälern, Tiefebenen und in Küstengebieten neue, mächtige Sedimentpa-kete, wie z.B. Löss, Lehme, Sande, Kiese und Konglo-merate, die sich später wieder zu Gesteinen verfesti-gen können. Sehr verwitterungsbeständig sind Sande aus Quarz, die oft mehrere Zyklen durchlaufen und dabei ihre Korngröße nur wenig verändern (Granit -> Sand -> Sandstein -> Sand -> Sandstein…).

Die chemische und chemisch biogene Verwitterung ist eine Gesteinszersetzung mit einer chemisch-mineralogischen Auflösung und stofflichen Verände-rung der Gesteine, wobei Wasser hier eine große Rolle spielt. Die chemisch/biogene Verwitterung greift ebenfalls an den Korngrenzen der Minerale, in kleinen Schichtfugen und Klüften und v.a. an zuvor physikalisch zerkleinerten Gesteinen an. Es kommt zur Minerallösung, Mineralumwandlung und Mine-ralneubildung, oft einhergehend mit einer Volumens-vergrößerung und mit Farbveränderungen. Mit dem Fortschreiten der Verwitterungsprozesse zerfällt das Festgestein in ein zunehmend feinkörniges und wenig dichtes Lockergestein.

- Verwitterung durch Hydration Die Hydration (Anlagerung von Wasser an das Kris-tallgitter) gehört zum Übergangsbereich zwischen chemischer und physikalischer Verwitterung. An-hydrit verwittert im Grundwasser durch Hydration unter Volumenzunahme und Gesteinssprengung zu Gips. Hämatit (Eisenoxid) verwittert zu Limonit und Goethit (Rostverwitterung, Eisenhydroxid).

- Verwitterung durch Hydrolyse Silikatminerale wie Feldspäte, Glimmer und Olivin verwittern durch Hydrolyse (Aufspaltung und Lösung durch die geladenen Ionen des Wassers, H+ und OH-, Herauslösung der metallischen Komponenten) und durch die Einwirkung von kohlendioxidhaltigem Was-ser (Kohlesäure) in Tonminerale, Aluminiumhydroxid und Kieselsäure (Silikatverwitterung). Hydrolyse ist für die Bodenbildung verantwortlich und kann im Gestein Tiefen von 100 m erreichen. In feuchtem und warmem Klima ist die Hydrolyse am intensivsten.

- Oxidationsverwitterung Eisensilikate, wie z.B. Pyroxene, Olivin, Biotit, (dunkle Silikate) und Fe- und Mn- Karbonate und Sulfide set-zen bei der Hydrolyse 2-wertiges Eisen frei, das durch Oxidation mit in Wasser gelöstem Sauerstoff unter einer das Gesteinsgefüge sprengenden Volumenzu-nahme in schwer lösliches 3-wertiges Eisen umge-wandelt wird (Rostverwitterung, Rostsprengung). Das Gestein erhält eine braune bis rötliche Farbe (Braun-erden).

- Säureverwitterung Karbonatgesteine (Kalziumkarbonat, CaC03) gehen unter der Einwirkung von Kohlensäure in Lösung, während Quarz gering wasserlöslich ist. H2O (Regen-wasser) + CO2 (Kohlendioxid) reagieren zu H2CO3 (Kohlensäure). Diese wandelt Kalziumkarbonat in Kalziumhydrogenkarbonat um, das gut wasserlöslich ist und abgeführt wird. Schwefel- und Salpetersäure aus Vulkanen und aus Sümpfen, organische Säuren und Kohlendioxid aus Pflanzenwurzeln und Boden-bakterien sind in Verbindung mit Wasser ebenfalls stark an der chemisch-biogenen Verwitterung der Gesteine beteiligt.

- Lösungsverwitterung Kalisalz, Steinsalz und Gips lösen sich gut in Wasser. Die gelösten und abtransportierten Minerale können in Seen und Meeresbecken durch chemische Ausfäl-lung neue Sedimente und Gesteine bilden, z.B. Kar-bonate, Sulfat- und Salzsedimente, Tonsedimente.

Die chemische und die chemisch-biogene Verwitte-rung sind in den feuchten Tropen durch die hohen Temperaturen und durch die dichte Besiedelung mit Pflanzen und Mikroorganismen am stärksten. Die Verwitterungsarten wirken je nach Klima zusam-men, gehen oft in einander über und sind nicht im-mer scharf zu trennen. Man unterscheidet verwitte-rungsbeständige Gesteine wie z.B. Grauwacken und z.T. Tonschiefer und verwitterungsempfindliche Ge-steine wie z.B. Ton- und Mergelsteine, oft in dünn-bankigen Wechsellagen. Dunkle, graue und grünliche Sedimentgesteine sind anfälliger gegenüber Verwit-terungsprozessen als helle, rote oder violett-rote Sedimentgesteine. Besonders anfällig sind schwarz-graue Gesteine, die feinverteilten Pyrit (FeS2) enthal-ten. Gesteine, die von der Verwitterung schnell und stark beeinflusst werden, nennt man veränderlichfes-te Gesteine oder Halbfestgesteine. Auch Lockerge-steine unterliegen der Verwitterung. Löss verwittert unter dem Einfluss von kohlendioxidhaltigem Nieder-schlagswasser. Dabei wird der Löss (kalkhaltiger Schluff) durch Kalklösung und durch die Umwandlung der Primärsilikate in Tonminerale in Lösslehm

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(entkalkter, toniger Schluff) umgewandelt. Dieser Boden ist sehr fruchtbar, hat aber schlechtere Bau-grundeigenschaften.

5.4 Gesteinsfarben Die Farben der Gesteine entstehen durch unter-schiedlich gefärbte, gesteinsbildende Minerale. Durch Verwitterung kommt es mit der Zeit zu Farbverände-rungen und zu Verwitterungskrusten. Sedimentge-steine erhalten abhängig vom Ausgangsgestein (Lie-fergebiet), von den Sedimentationsbedingungen und von den Klimaverhältnissen zur Zeit der Sedimentati-on und später durch die Verwitterung unterschiedli-che Färbungen. Diagenetische Vorgänge nach der Sedimentation und Wasserdurchströmung können ebenfalls einen Einfluss auf die Gesteinsfarben ha-ben. Gesteinsfarben sind v.a. an den Gesteinsoberflä-chen oft sekundär durch Verwitterung, durch Krus-tenbildung und durch organischen Besatz verändert. Daher werden Steine und Felswände zur Farb-, Tex-tur- und Mineralbestimmung immer mit dem Ham-mer aufgeschlagen. Ein Gesteinsbestimmung alleine nach der Farbe ist nicht zuverlässig. Die sedimentären Tonsteine und Tonmergelsteine im Lettenkeuper und v.a. die im Mittleren Keuper zeigen im Geländeauf-schluss oft lebhafte und wechselnde Gesteinsfarben. Graue Gesteine wechseln sich ab mit rötlichen, rot-braunen, grünlichen und violetten Gesteinen.

- Graue bis grünliche Farben Die oft grau-grünen und grünlichen Farben der Ge-steine des Lettenkeupers und des Gipskeupers (Sand- steine, Tonsteine) sind bei der reduzierenden Zerset-zung von organischem Material und von Feldspäten und Biotit aus der terrestrischen Verwitterung von Graniten und Gneisen in einem relativ flachen Meeres- oder Tieflandbecken entstanden. Dort herrschte ein reduzierendes, d.h. sauerstoffarmes Milieu, in dem es zur Bildung des grünlich-blauen Minerals Glaukonit (Grünsande) gekommen ist. We-gen der reduzierenden Verhältnisse im Meerwasser bei ca. 200 m Tiefe war eine Bildung von rötlichem Eisen-III-Oxid (Fe2O3) nicht möglich, so dass Eisen-II-Oxid (FeO) entstanden ist. Zur Glaukonitbildung kommt es auch im Verdauungstrakt einiger Meeres-lebewesen. - Rötliche und violette Farben Rötliche und violette Farben bilden sich unter rein oxidierenden, d.h. sauerstoffreichen Verhältnisse bei der Verwitterung von eisenhaltigen Mineralen in den Gesteinen in einem warmen und semiariden (halb-

Verwitterungs- grade nach Wallrauch 1969

und Moormann2007. Nach Einsele 1985

V5 zersetzt

W5 Bodenbildung

V4 vollständig verwittert

W4

V3 stark verwittert

W3

V2 mäßig

W2

V1 schwach

W1 angewittert

V0 frisch

W0 unverwittert

Gesteinstyp Boden, Lockergestein

Halbfestgestein Festgestein

Zerlegung ohne Gefüge Restgefüge Auflockerung an den Trennflächen ...vollständig/stark ...teilweise schwach

...beginnend ...keine

Bohrkern grusig, bindig blättrig/bröckelig/stückig Kernstück, Kernscheiben

Vollkern

Festigkeit nach DIN 1054,

einaxiale Druckfestigkeit qu,k in MN/m2

Boden sehr mürb < 1,25

mürb-hart 1,25 - < 5,0

5 - < 12,5

mäßig hart 12,5 - < 50,0

hart sehr hart > 50,0

Vorherrschende

Verwitterung

chemisch-biologisch chemisch-mechanisch mechanisch keine

Verwitterungsgrade nach FGSV 1991

(Boden) VZ zersetzt

VE entfestigt

VA angewittert

VU unverwittert

Intensität, Mineralneubildung, Verfärbung

Vollständige Mineralneu-bildung und Verfärbung. Die Strukturen

sind aufgelöst.

Verlust der mineralischen Bindung, Eigen-schaft eines Lockergesteins. Umwandlung in Tonminerale.

Das Gestein ist zerbro-chen und entfestigt und zeigt vollständige Auflo-ckerung an Trennflächen. Der ursprüngliche Gesteinsverband ist noch erhalten.

Das Gestein zeigt teilweise Auflockerung an Trennflächen. Beginnende Mineralneubildung und Verfärbung auf Trennflächen.

Das Gestein zeigt keine Verwitte-rungserschein-ungen und keine Mineral-neubildung.

Verwitterungsgrade nach E. Wallrauch (1969), C. Moormann (2007), G. Einsele (1985) und nach FGSV 1991.

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trockenen) Steppenklima auf dem Festland, z.B. Py-roxen, Biotit und Olivin (-> Rotsedimente). Farbbil-dend ist hier unlösliches Eisen-III-Oxid (Fe2O3 = Häma-tit), das bei der vollständigen Oxidation des Eisens der Minerale entsteht. Diese Farben sind v.a. bei den bunten Tonmergeln des Mittleren Keupers oft zu sehen (Gipskeuper, Dunkelrote Mergel, Esterien-schichten, Knollenmergel). Auch die rötlichen Farben der Sandsteine des Keupers und des Buntsandsteins sind so zu erklären. Intensiv rot gefärbte eisen- und aluminiumhaltige Lateritböden bilden sich in wechselfeuchten tropischen und subtropischen Ge-bieten mit ausgeprägten Niederschlägen als Reste nach der Verwitterung der Tonminerale. Das Alumi-niummineral Bauxit ist ein fossiler Laterit. Violette Farben entstehen auch oft in Schichten, in denen eine Bodenbildung stattgefunden hat.

- Weiße und hellgelbe Farben Weiß gefärbte Sandsteine entstehen oft durch se-kundäre Entfärbung (Bleichung) der Mineralkörner durch zirkulierende Wässer nach der Ablagerung und Verfestigung. Hellgelbe Sandsteine haben oft einen erhöhten Anteil des Minerals Feldspat, das sich zu weißem Kaolin zersetzt. Die grau-weißen Lehrberg-schichten an der Basis des Kieselsandsteins setzen sich aus baryt-, bleiglanz- und malachitführenden Steinmergeln zusammen. Kalksteine können durch Eisenkarbonat gelblich gefärbt sein. Sehr feldspatrei-che Gesteine verwittern unter vollhumiden (ganzjäh-rig feuchten) Klimabedingungen oft zu dem weißen bis cremefarbenen und aluminiumhaltigen Tonmine-ral Kaolinit, das ein wichtiger Rohstoff für die Kera-mikproduktion ist. Marmor besteht aus weißen bis fast durchsichtigen Calcitkristallen (CaCO3), die durch die Metamorphose grobkristallin gewachsen sind. Schlierenartige, gebänderte und gefleckte Fremdein-färbungen sind hier häufig.

- Gelbliche bis rotbraune Farben Im Strohgäu sind braun-gelblich bis rostbraun gefärb-te Lösslehmböden über fahl- bis hellgelb gefärbtem, unverwittertem Löss charakteristisch. Bei der Verwit-terung zu Lösslehm in unserem feuchtgemäßigten Klima wird 2-wertiges Eisen (FeO) im karbonatischen Bindemittel zu 3-wertigem Hämatit (Fe2O3) oxidiert. Dieses wird dann durch Hydration in rostbraune Ei-senhydroxide (Goethit, Limonit -> FeOOH) umgewan-delt und überzieht die winzigen Quarzkörnchen als dünne Haut. Gelbe Gesteinsfarben kommen auch durch das Mineral Pyrit zustande, so z.B. im Stu-bensandstein. Schwarzgraue Dolomite im Keuper verwittern oft nach ockergelb. Bräunlich-rötliche Farben kommen auch oft von Glaukonit, wenn dieser zu dem Mineral Goethit oxidiert wird. Bei Kalksteinen

und Tonsteinen sind die färbenden Beimengungen die Minerale Limonit - braun bis gelb, Hämatit - röt-lich, Glaukonit - grünlich und organische Kohlenstoff-verbindungen - grau bis fast schwarz.

- Graue bis schwarze Farben Graue bis dunkle und nahezu schwarze Gesteinsfar-ben deuten auf ein sauerstoffarmes Ablagerungsmi-lieu und organisches Material hin, z.B. kohlige Pflan-zenreste, bituminöse Einschlüsse oder fein verteilter Pyrit (FeS), Vitriolschiefer im Lettenkeuper und Ton-steine im Frühen Jura. Unter Sauerstoffabschluss zersetzten Schwefelbakterien direkt nach der Sedi-mentation das organische Material der in die Sedi-mente abgesunkenen toten Lebewesen und wandeln es in dunkle Sulfide um, z.B. Faulschlämme im Schwarzen Meer. Hier kann es auch zur Bildung von goldfarbenen Pyritkristallen und pyritisierten Fossi-lien kommen. Kohlige Pflanzenreste und Kohle kön-nen in geringer bis mittlerer Tiefe entstehen. Bitumi-na entstehen in größerer Tiefe unter erhöhten Druck- und Temperaturbedingungen aus organischem Mate-rial. In trockenen und warmen Wüstengebieten kommt es zur Bildung einer dünnen und schwarz-braun gefärbten Kruste der Gesteine an der Oberflä-che, dem sogenannten Wüstenlack. Er besteht aus Tonmineralen mit Eisenoxidhydraten und Manga-noxiden, die durch kapillares Aufsaugen von Lösun-gen aus dem Gestein und Niederschlag des Lösungs-inhaltes auf der Gesteinsoberfläche infolge starker Verdunstung entstanden sind. Ein Einfluss durch Mik-roorganismen ist möglich.

- Bei magmatischen und metamorphen Gesteinen bestimmen die Anteile unterschiedlich gefärbter Mi-nerale die Gesteinsfarben. Granite und Gneise sind grau, weiß, rosa oder bläulich gesprenkelt bzw. ge-bändert und bestehen aus milchig-durchsichtigem Quarz, rötlich, bläulich oder weißem Feldspat und schwarzen und silbrigen Glimmerplättchen (-> saure Gesteine mit hohem Kieselsäure-, Natrium- und Kali-umgehalt). Granite sind an der angewitterten Ober-fläche oft hellgrau bis gelblich gefärbt. Je weniger Quarz diese Gesteine enthalten, desto dunkler sind sie. Gesteine mit vielen Amphibol-, Pyroxen- und Olivinmineralen sind sehr dunkel, z.B. Diorit, Andesit, Gabbro, Basalt (-> basische Gesteine mit hohem Ei-sen-, Magnesium- und Calciumgehalt). Vulkanaschen sind dunkelgrau bis hellgrau und können rötlich bis gelblich verwittern. Porphyre sind oft grau bis rötlich. Lavagesteine, -kiese und -sande sind oft sehr dunkel bis schwarz. Bimsstein ist eine durch Gase stark auf-geschäumte Lava und kann je nach Zusammenset-zung und Blasengröße auch grau bis fast weiß sein.

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5.5 Karst Gesteine, die durch chemische Lösungsprozesse stark angegriffen und gelöst werden, werden als Karstge-steine bezeichnet. Der Name Karst kommt vom indo-germanischen "Karre" = Stein oder karg und gibt ei-ner Landschaft in Kroatien an der Nordwestadria ihren Namen. Man unterscheidet die Subrosion von Sulfat- und Chloridgesteinen (Salinarkarst) und die Korrosion von Karbonatgesteinen (Karbonatkarst). Kalkgesteine (Kalziumkarbonat = CaC03) werden durch kohlendioxidhaltiges Niederschlagswasser ent-lang von tektonischen Klüften und Schichtfugen auf-gelöst (Kohlensäureverwitterung). Der natürliche C02 - Gehalt der Atmosphäre bildet mit Regenwasser Kohlensäure (H20 + C02 = H2C03) mit einem pH-Wert von 4 - 5. Die chemische Gleichung der Kalklösung lautet: CaC03 + H2C03 = Ca2

+ + 2HC03- (Kalziumkarbo-

nat (Kalk) + Kohlensäure = Kalzium-Ion + Hydrogen-karbonat-Ion). Das Kalzium-Ion und das Hydrogen-karbonat-Ion sind besser wasserlöslich als Kalk. Beide gehen v.a. im kalten Wasser gut in Lösung und wer-den abgeführt. Der umgekehrte Prozess dieser Glei-chung ist die Kalkausfällung, z.B. bei der Tropfstein-bildung, bei der Bildung von Kalksinter unter der Mitwirkung von Pflanzen oder großflächig bei der Kalksedimentation in warmen Meeresbecken, wie es aktuell im Bereich der Bahama-Inseln und im Persi-schen Golf zu beobachten ist. Im Lauf der Jahrtau-

Zeiträumen zu großen Höhlensystemen ausweiten können (Schwäbische Alb, Teile der Alpen, Gäuflä-chen, Kroatien, Florida, Yucatan). In diese sickert das Niederschlags- und Oberflächenwasser rasch ein und bildet einen oft ergiebigen aber verschmutzungsemp-findlichen Grundwasserleiter. Das Grundwasser tritt oft an Quelltöpfen in den Tälern in großer Menge zutage, so z.B. am Blautopf und am Aachtopf am Süd-rand der Schwäbischen Alb. Oberflächengewässer sind in Karstgebieten selten oder nur episodisch nach Starkregenfällen und versickern nach kurzer Fließ-strecke, so dass die Oberflächen von Karstgebieten trocken sind. Es bilden sich charakteristische Land-schaftsformen mit Erdfällen (Dolinen), Poljen (große, geschlossene Becken), Trockentälern und Bach-schwinden, wie z.B. die Donauversickerung bei Im-mendingen. Besonders von der Verkarstung betrof-fen sind unbedeckte oder mit geringmächtigen Ge-steinsschichten und Verwitterungsbildungen bedeck-te Kalksteinschichten, wie z.B. die Schwäbische Alb (Jurakalk), das Heckengäu und teilweise auch das Strohgäu (Muschelkalk). Auch Talhänge und Talböden sind wegen der Auflockerung der Karbonatgesteine durch Hangentlastung oft stärker verkarstet. ln Ge-birgen verkarsten Karbonatgesteinen an der Oberflä-che oft zu Karren und Schratten, wie z.B. auf dem Gottesacker-Plateau im Kleinen Walsertal. Selten kommt es auch in kalkig gebundenen Sandsteinen zu Karsterscheinungen, so z.B. in Süd- und Mittelameri-ka und in Australien.

Abb. 28: Karstformen. Bildquelle: Frederic Boulvain.

sende bilden sich in Kalkgesteinen durch Kalklösung, auch abhängig vom Klima größer werdende und zu-sammenhängende Spaltensysteme, die sich in langen

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5.6 Erdbeben Bei der Erdbebentätigkeit in Deutschland handelt es sich nicht um die weltweit häufig vorkommenden Plattenrandbeben, wo große Erdkrustenplatten un-tereinander abtauchen oder horizontal aneinander vorbei gleiten, wie z.B. in Kalifornien, Japan, Sumatra, Chile und Italien, sondern um die selteneren Intra-plattenbeben. Die Erdbeben in Deutschland können als Auswirkungen lokaler Spannungskonzentrationen oder Schwächezonen, hervorgerufen durch geologi-sche Heterogenitäten in der oberen Erdkruste ver-standen werden. Übersteigen die Spannungen die Festigkeit der Gesteine im Untergrund, so kommt es zum ruckartigen Bruch der Gesteine (G. Schneider, Erdbeben, 2004). Ein Teil der aufgestauten Energie wird in Form von seismischen Wellen (p-Wellen, s-Wellen, Oberflächen-Wellen) freigesetzt und bei ent-sprechender Stärke an der Oberfläche als Erdbeben wahrgenommen. Als Hauptmotor für diese Vorgänge kann die Bewegung der Afrikanischen Platte nach Norden gegen die Europäische Platte angenommen werden. Diese seit über 60 Mio. Jahren andauernde Bewegung hat auch zur Auffaltung der Alpen geführt (siehe Abb. 9 oben). Von Nordwesten drückt die un-termeerische Materialneubildung an der Mittelatlan-tischen Schwelle gegen Europa. Die beiden Hauptzen-tren der Baden-Württembergischen Erdbebentätig-keit liegen im Dreiländereck im Raum Lörrach/Basel und seit Anfang des 20. Jahrhunderts auch im Zoller-nalbkreis bei Albstadt und Balingen in ca. 8 – 18 km Tiefe. Der Bruchtyp dokumentiert eine horizontal und nordwestlich orientierte Kompression. Innerhalb der durch Bruchtektonik geprägten südwestdeutschen Großscholle werden zwei in Süd-Nord-Richtung ver-laufende Scherzonen vermutet: Die Kaiserstuhl-Scherzone von Basel bis Lorsch und die Albstadt-Scherzone vom Schweizer Kanton Glarus bis in den Stuttgarter Raum (Abb. 4). Die Erdbeben führen in Südwestdeutschland zu Blattverschiebungen, wobei sich der westliche Teil der Scherfläche nach Süden und der östliche Teil nach Norden bewegen. Die Erd-bebenaktivitäten im Oberrheingraben finden ihre Fortsetzung nach Nordwesten und Westen bis in die Niederrheinische Bucht (Raum Köln) und nach Belgien und Holland, wo weitere Erdbebenschwerpunkte in Deutschland und in Europa liegen. An der Landes-grenze von Sachsen und Thüringen im Vogtland liegt ebenfalls ein Gebiet mit erhöhter Erdbebentätigkeit (Abb. 30). Bei der Auslösung von Erdbeben spielt auch der Wassergehalt der Gesteine eine wichtige Rolle. Das Wasser wirkt hier als Schmiermittel. Die Energie eines Erdbebens im Erdbebenherd wurde früher nach der logarithmischen "Richter-Skala ML" berechnet.

Heute wird oft die logarithmische "Moment-Magnituden-Skala Mw“ verwendet, welche die Vor-gänge im Erdbebenherd mathematisch-physikalisch genauer beschreibt und über große Entfernungen besser anwendbar ist. Beide Skalen sind mathema-tisch-theoretisch nach oben offen, wobei aus physika-lischen Gründen eine Erdbebenstärke über Mw = 10,5 nicht möglich ist und die Richter-Scala ab ML = 6,5 ungenau wird. Die Erdbebenskalen sind logarith-misch. Ein Magnitudensprung z.B. von 4 nach 5 be-deutet eine 10-fach stärkere Bodenbewegung und die 33-fache Energie. Die Schäden an der Erdoberfläche (Schadensintensität = IO) sind von der Entfernung zum Erdbebenherd und vom geologischen Aufbau des Untergrundes abhängig. Sie werden nach der 12-teiligen "Europäischen Makroseismischen Skala -EMS-" bewertet, die aus der Mercalli-Scala entwickelt wurde. Bei Erdbeben in Meeresgebieten kommt es gelegentlich zu verheerenden Flutwellen (Tsunami), die viele Todesopfer fordern können (Sumatra, Japan, Chile, Hawaii, Alaska, Oregon, Mittelmeer). In den vergangenen 200 Jahren wurden in Baden- Württem-berg Erdbeben mit einer Magnitude bis zur Stärke M = 5,7 und mit einer Schadensintensität nach der Mak-roseismischen Skala von bis zu I = 7 registriert. Im Jahr 1356 hat sich in Basel ein verheerendes Erdbeben mit der Magnitude M = 6,5 - 7 und der Schadensintensität I = 9 ereignet. Entlang des Oberrheingrabens kommt es häufig zu mittelstarken Erdstößen. Beim bisher stärksten Beben auf der Schwäbischen Alb im Jahr 1911 mit einer Magnitude von M = 5,6 sind im Raum Ludwigsburg Schäden der Intensität I = 6 aufgetreten. Man geht davon aus, dass in Südwestdeutschland maximale Erdbebenstärken der Magnitude M = 6 auftreten können. Dann wäre mit Schäden der Inten-sität um I = 7 zu rechnen. In Baden-Württemberg ist etwa alle 10 Jahre mit einem mittelstarken Erdbeben mit Gebäudeschäden und Betriebsstörungen in grö-ßerem Umfang zu rechnen (EMS 6 - 7).

Erdbebengerechtes Bauen (DIN EN 1998-1 NA:

2011-1)

Die "erdbebengefährdeten Gebiete" in Deutschland (Bayern, Baden- Württemberg, Thüringen, Sachsen und entlang des Rheins) werden in 4 Erdbebenzonen (Zone 0 bis 3) mit unterschiedlichen Intensitätsinter-vallen und Bemessungswerten für die Bodenbe-schleunigung (ag) unterteilt (Abb. 20). Innerhalb die-ser Zonen werden 3 geologische Untergrundklassen unterschieden: R = Gebiete mit felsartigem Gesteins-untergrund, T = Übergangsbereich zwischen R und S

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und S = Gebiete mit tiefer Beckenstruktur und mäch-tiger Sedimentfüllung. Nach der Festigkeit des Unter-grundes werden 3 Baugrundklassen unterschieden: A = unverwitterte Festgesteine mit hoher Festigkeit, B = mäßig verwitterte Festgesteine bzw. Festgesteine mit geringer Festigkeit oder grob- und gemischtkörni-ge, dicht gelagerte Lockergesteine in fester Konsistenz und C = stark bis völlig verwitterte Festgesteine oder grob- und gemischtkörnige, mitteldicht gelagerte, sowie feinkörnige Lockergesteine in mindestens stei-fer Konsistenz. Die Untergrundklassen und die Bau-grundklassen werden kombiniert (z.B. A-R). Für Hoch-bauten werden 4 Bedeutungskategorien angegeben, denen Bedeutungsbeiwerte (γI) zugeordnet sind. Zum Beispiel Baugrundklasse C, Bedeutungskategorie III bei Wohneinheiten < 50 Personen, Bedeutungs-beiwert γI = 1,2. Die Ludwigsburger Gemarkung liegt innerhalb der Erdbebenzone 0 (Warnzone) und inner-halb der geologischen Untergrundklasse R. Für die Erdbebenzone 0 gilt das Intensitätsintervall (I) 6 <= I < 6,5. Für den rechnerischen Erdbebennachweis ist in Zone 0 kein Bemessungswert der Bodenbeschleuni-

gung (ag) anzusetzen. Die DIN muss nur in den Erdbe-benzonen 1 bis 3 angewendet werden. Demnächst ist eine Ergänzung dieser Erdbebennorm vorgesehen und die bestehende Erdbebenzonierung wird durch ein Kartenwerk ersetzt. Die neuen Karten zeigen, welche Bodenerschütterungen für verschie-dene Schwingungsperioden in Deutschland für vorge-gebene Wahrscheinlichkeiten zu erwarten sind. Die Abb. 29a zeigt eine Karte der Erdbebengefährdung der Antwortbodenbeschleunigung für eine mittlere Wiederholungsperiode von 475 Jahren, vorgesehen für den Nationalen Anhang der erdbebengerechten Baunorm DIN EN 1998-1/NA. Dargestellt sind die Mit-telwerte der Spektralamplituden der Schwingungs-perioden von 0,1s, 0,15s und 0,2s anhand der Mittel-werte aus den Resultaten der Anwendung eines Logi-schen Baumes mit 4040 Endzweigen. Der Gefähr-dungskarte sind die katalogisierten tektonischen Erd-beben der letzten ca. 1.000 Jahre überlagert (Kreis-signatur). Daten für Ludwigsburg: 0,6 - 0,7 m/s2 im Norden und 0,7 - 0,8 m/s2 im Süden.

Abb. 29: Erdbebenzonen in Deutschland, derzeit geltende DIN. In den 4 Zonen gelten unterschiedliche Intensitätsintervalle (I) und Bemessungswerte (ag) für die Bodenbeschleunigung. Grafik ergänzt aus DIN EN 1998-1/NA:2011-1, Beuth-Verlag, Berlin.

weiß = keine Zone

Zone 0 6 <= I < 6,5 kein ag Zone 1 6,5 <= I < 7 ag = 0,4 m/s2 Zone 2 7 <= I < 7,5 ag = 0,6 m/s2 Zone 3 7,5 <= I < 8 ag = 0,8 m/s2

Abb. 29a: Karte der Erdbebengefährdung, vorgesehen für den Nationalen Anhang der erdbebengerechten Baunorm DIN EN 1998-1/NA. Grafik aus: Grünthal et al., (2018): The probabilistic seismic hazard assess-ment of Germany-version 2016, considering the range of epistemic uncertainties and aleatory variability. – Bull. Earthquake eng. GfZ Potsdam.

(Spektralklasse, Spectral Response Acceleration, Pseodospektralbeschleunigung)

36

Schadensintensität IO nach der Europäischen Makroseismischen Skala - 1998. (EMS-98 Kurzfassung, abgeleitet von der Mercalli-Scala). Die Schadensintensität IO ist nur ungefähr mit der Magnitude Mw korrelierbar. Sie hängt nicht nur von der Magnitude, sondern auch von der Tiefe und Entfernung des Hypozentrums und stark vom geologisch-tektonischen Bodenaufbau ab. Bindige und körnige Sedimente reagieren empfindlicher auf Erdbebenwellen, als harte und felsartige Sedimente (Wackelpuddingeffekt).

Schadens-intensität IO

Charakter- isierung

Wahrnehmungen und Schäden

Momentmagnitude Mw Erdbebenzonen in Deutschland, Bemessungswert ( ag)

Bodenbeschleuni-gung (Näherungswerte) (1 g = 9,81m/s2)

g m/s2

1 nicht fühlbar

Nur instrumentell zu beobachten. 1 - 2 A

2 kaum bemerkbar

Nur sehr vereinzelt von ruhenden Personen wahrge-nommen.

1,4 - 2,6

3 schwach- Von wenigen Personen in Gebäuden wahrgenommen. Ruhende Personen fühlen ein leichtes Schwingen oder Erschüttern.

1,9 - 3,1

~ 0,01 0,1

4 deutlich- Im Freien vereinzelt, in Gebäuden von vielen Personen wahrgenommen. Einige Schlafende erwachen. Geschirr und Fenster klirren, Türen klappern.

2,5 - 3,7 Beben bei den tiefen Geothermiebohrungen in Basel 2006 und St. Gallen 2013

0,015 - 0,02 0,2

5 stark wahrnehm-bar

Im Freien von wenigen, in Gebäuden von den meisten Personen wahrgenommen. Viele Schlafende erwachen. Gebäude werden insgesamt erschüttert. Hängende Gegenstände pendeln stark, kleine Objekte werden verschoben. Türen und Fenster schlagen auf und zu. Schwächere Gebäude können leichte Schäden haben.

3,1 - 4,3 A

0,02 -0,03 0,3

6 leichte Gebäude-schäden

Viele Personen erschrecken und flüchten ins Freie. Einige Gegenstände fallen um. An vielen Häusern in schlechterem Zustand entstehen leichte Schäden, wie Mauerrisse und das Abfallen von kleinen Verputzteilen und Schornsteinteilen.

3,6 - 4,9 0 Beben in

Albstadt 1911 1

und 1978 0,4 m/s2

0,06 - 0,07 0,7

7 Gebäude-schäden

Die meisten Personen erschrecken und flüchten ins Freie. Möbel werden verschoben. Gegenstände fallen in großen Mengen aus den Regalen. An vielen Häusern guter Bauart treten mäßige Schäden auf (Mauerrisse, abfallen von Putz, herabfallen von Schornsteinen). Vornehmlich Gebäude in schlechtem Zustand zeigen größere Mauerrisse und Einsturz von Zwischenwänden und Türmen.

4,2 - 5,5 2 0,6 m/s2 3 0,8 m/s2 Beben in Mittel-Italien 2009

0,1 - 0,2 1,5

8 schwere Gebäude-schäden

Viele Personen verlieren das Gleichgewicht. An vielen Gebäuden einfacher Bausubstanz treten schwere Schä-den auf, d. h. Giebelteile und Dachsimse stürzen ein. Einige Gebäude sehr einfacher Bauart stürzen ein.

4,8 - 6,1 2 Beben in Mittel-Italien 2016 Beben in Friaul 1976

0,2 - 0,3 2,5

9 zerstörend Allgemeine Panik unter den Betroffenen. Auch gut gebaute, gewöhnliche Bauten zeigen sehr schwere Schäden und teilweisen Einsturz tragender Bauteile. Viele schwächere Bauten stürzen ein.

5,4 - 6,7 Beben in Basel 1356, in San Francisco 1906, in Nepal 2015

0,3 - 0,5 4

10 sehr zerstörend

Viele gut gebaute Gebäude und alle schlechten Bauwer-ke werden zerstört. Bergrutsche und Spalten treten auf.

6 - 7,3 Beben in Mexiko-City 1985

0,6 - 0,7 6,5

11 verwüstend Die meisten Bauwerke, selbst einige mit gutem erdbe-bengerechtem Konstruktionsentwurf und Ausführung werden zerstört. Bergrutsche und große Spalten treten auf.

6,6 - 8 Beben in Haiti 2010

0,8 - über 1 9

12 vollständig verwüstend

Nahezu alle Konstruktionen werden zerstört. Die Erdoberfläche/Landschaft wird stark verändert.

7,3 - 10 Seebeben im Ind. Ozean vor Sumatra 2004 und Seebeben im Pazifik vor Japan 2011 mit Tsunami

1 – 2 15

ge

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ein

e G

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g

Erd

be

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gefä

hrd

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g

76

77

Die Vorhersage von Erdbeben Stärkere Erdbeben fordern oft viele Todesopfer. Im 20. Jahrhundert sind über 2 Mio. Menschen durch Erdbeben und Tsunamis ums Leben gekommen. Im Jahr 1976 gab es in China bei einem Erdbeben mehr als 600.000 Tote, wobei hier noch die schlechten Infra- und Organisationsstrukturen der Kulturrevolu-tion und die für Erdstöße sehr anfälligen Gebäude eine Rolle gespielt haben. Bei dem von einem Erdbe-ben ausgelösten Tsunami vor Sumatra im Dezember 2004 sind 230.000 Menschen getötet worden. Der Tsunami vor Japan 2011 hat 19.000 Todesopfer ge-fordert und hat einen Kernkraftwerkskomplex zer-stört. In Mittelitalien sind 2009 bei einem Erdbeben 308 Menschen ums Leben gekommen, nachdem die Fachleute trotz zahlreicher Vorbeben Entwarnung gegeben haben – "Es besteht keine Gefahr, geht nach Hause und entspannt euch bei einem Glas Wein." Daraufhin haben viele Bewohner wieder in ihren Häusern übernachtet und sind von dem zerstörenden Beben überrascht worden. So eine Aussage in einem Gebiet, das seit Urzeiten immer wieder von starken Erdbeben heimgesucht wird (1915 30.000 Tote), ist unfachmännisch und hat zu einem Strafverfahren gegen die Verantwortlichen geführt, das 2014

eingestellt wurde. Dieses Vorgehen mag unangemes-sen sein und soll vielleicht auch von Bausünden in italienischen Erdbebengebieten ablenken. Im August und im Oktober 2016 kam es in derselben Region in Italien wieder zu Beben der Stärke 6,5 mit über 300 Toten. Wegen der wachsenden Weltbevölkerung und Industrialisierung wäre eine zuverlässige und kurzfris-tige Vorhersage von Erdbeben für Zeiträume von Tagen oder Wochen sehr zu wünschen. Das ist nach dem derzeitigen Stand der Forschung in absehbarer Zeit aber nicht möglich. Erdbeben treten v.a. an den Plattenrändern der Erdkruste regelmäßig auf. Je län-ger das letzte Erdbeben in einem Gebiet zurückliegt, desto wahrscheinlicher ist das nächste Beben. Die Zeitintervalle zwischen den Beben sind oft sehr un-terschiedlich und können nur als grobe Anhaltspunk-te dienen. Treten z.B. an der südkalifornischen San-Andreas-Störung starke und zerstörende Erdbeben durchschnittlich alle 200 Jahre auf, muss man davon ausgehen, dass das mögliche Zeitfenster von 150 – 300 Jahre reicht. Dort ist heute jederzeit mit einem starken Beben zu rechnen, aber eine kurzfristige Vor-hersage, mit der geeignete Maßnahmen ergriffen werden könnten, ist nicht möglich. Und das, obwohl

Abb. 30: Weltkarte der seismischen Gefährdung. Ballungsgebiet mit hoher Erdbebengefährdung. Maximale Bodenbeschleunigung im m/s2 Grafik ergänzt aus Shedlock et al. (2000), Seismological Research Letters, 71.

78

Kalifornien zu den am besten untersuchten und überwachten Erdbebengebieten der Erde gehört. Die Seismologen sind optimistisch, dass in Zukunft eine zuverlässige, mittelfristige Vorhersage im Be-reich von Monaten oder wenigen Jahren für gut un-tersuchte Gebiete möglich sein wird. Das löst aber nicht die Probleme in Ballungsräume bezüglich teurer Vorsorgemaßnahmen oder Evakuierungen. In jünge-rer Zeit wurden Systeme entwickelt, welche die bei einem Erdbeben als erste eintreffende und schwä-chere p-Wellen registrieren. So können dann z.B. Versorgungsleitungen, Anlagen und Züge auto- matisch abgeschaltet werden und die Warnung vor

den einige Sekunden später folgenden und starken s-Wellen kann Menschen noch Fluchtmöglichkeiten bieten. Neue Forschungen lassen vermuten, dass große Erdbeben ca. 32 Jahre gehäuft auftreten. Ursa-che soll die periodisch minimale Veränderung der Geschwindigkeit der Erdrotation sein (Millisekun-den/Jahr). Mit einer Verlangsamung kommt es zu mehr Erdbeben. Die beste Erdbebenvorsorge ist aber nach wie vor das erdbebensichere Bauen von Gebäu-den, Verkehrswegen, technischen Anlagen und Ver-sorgungsleitungen. "Nicht Erdbeben töten Menschen, sondern Bauwerke."

5.7 Vulkanausbrüche Vulkane entstehen in Bereichen von tektonischen Schwächezonen in der Erdkruste, z.B. beim Ausei-nanderdriften von Erdkrustenplatten (Rift), bei Ge-birgsbildungen mit Subduktion und als Hot-Spot. Da-bei kommt es in der Tiefe durch die Druckentlastung beim Magmaaufsteig zur Verflüssigung der über 1000 °C heißen, plastischen und wasserhaltigen Gesteinen und zum Austritt von gelösten Gasen, hauptsächlich Wasserdampf, Schwefelverbindungen und Kohlendi-oxid. Die spezifisch leichte und unter Druck stehende Magma-Gas-Mischung drängt in Spalten- und Gang-systemen zur Erdoberfläche und bricht als Vulkan explosionsartig aus. Gasreiche Vulkane mit zähflüssi-ger Lava sind sehr explosiv mit mächtigen und hoch in die Atmosphäre reichenden Ascheauswürfen. Sie bilden oft steile Schichtvulkane (Stratovulkane) mit pyroklastischen Strömen, z.B. Vesuv, Ätna, Mt. St. Helens, Fuji. Gasarme Vulkane haben oft eine flüssi-gere Lava und bilden flachere Schildvulkane, z.B. Ha-waii. Die Vulkangebiete der Erde verlaufen zu einem großen Teil entlang der Plattenränder der Erdkruste. Das sind Subduktionszonen, an denen die Erdkrus-tenplatten untereinander abtauchen und wasserhal-tige Sedimente mit in die Tiefe ziehen, z.B. Vulkane im Mittelmeer, in den Anden, in Südostasien, in Kali-fornien, in Oregon und viele Inselbögen im Pazifik. Aber auch in Riftzonen in den Ozeanen und auf dem Festland, wo die Erdplatten auseinander driften gibt es oft Vulkane, wie z.B. Island, viele Insel im Pazifik und die Vulkane in Ostafrika. In diesen Gebieten bil-den sich oft Ketten von Stratovulkanen, die in Zeit-räumen von Jahrzehnten bis Jahrhunderten mehr oder weniger stark ausbrechen. Es gibt auch wenige Vulkane, die ständig aktiv sind, wie z.B. der Stromboli vor der Westküste Italiens. An einige Stellen liegen Vulkane innerhalb von Erdkrustenplatten und bilden eng begrenze Vulkanzonen. Der Ursprung dieser Hot- Spot-Vulkane liegt tief im Erdmantel an der

Grenze zum Erdkern. Während sich die Erdkrus- tenplatten langsam bewegen, bleibt der Hot-Spot stationär. Auf diese Weise haben sich z.B. die Vulka-ninselketten von Hawaii und der Malediven, die Yel-lowstone-Calderen und die Vulkane in der Eifel und in der Auvergne gebildet. Eine Besonderheit sind die großen Caldera-Vulkane, wie der Yellowstone-Park in den USA, die Toba-Caldera in Indonesien und die Phlegräischen Felder nördlich von Neapel. Diese viele Kilometer breiten, aber recht flachen Vulkanstruktu-ren brechen zyklisch nach Ruhephasen von tausen-den bis hunderttausenden Jahren aus und führen dann zu weiträumigen und auch kontinentübergrei-fenden Zerstörungen. Starke Aschenregen und Gas-ausbrüche führen zu saurem Regen und zerstören großräumig die Vegetation. Auch die Auswirkungen auf das Klima, die bei einzelnen Vulkanausbrüchen durchaus bemerkbar sein können, sind bei Caldera-Ausbrüchen weltweit oft verheerend und länger an-haltend. Staub und Gase, wie Schwefeldioxid und Kohlendioxid können das Klima und die Lebewelt weltweit stark beeinträchtigen. Der Ausbruch des Toba auf der Insel Java vor 74.000 Jahren hätte fast den Homo sapiens ausgelöscht. Man schätzt, dass es damals nur wenige Tausend Überlebende gab, von denen wir alle abstammen. Die Phlegräischen Felder bei Neapel sind vor 39.000 Jahren ausgebrochen. Der massive Aschenregen über Kontinente hinweg und der Rückgang der Temperaturen über Monate oder Jahre haben möglicherweise zum Aussterben der Neandertaler beigetragen. Vor 3.600 Jahren ist der Vulkan Thera auf der heutigen Insel Santorin in Grie-chenland ausgebrochen und hat mit Tsunamiwellen die Minoische Kultur (Atlantis?) im östlichen Mittel-meer stark beeinträchtigt oder ausgelöscht. Im Jahr 536 n.Chr. ist der Ilopango in El Salvador ausgebro-chen und hat zu einer weltweiten und länger anhal-tenden Abkühlung geführt. Das hat vermutlich das

79

Ende der Spätantike eingeläutet und zum Beginn des "finsteren Mittelalters" mit wiederkehrenden Seu-chen und Hungersnöten beigetragen. Im Jahr 1257 ist auf der Insel Lombock in Indonesien der große Vulkan Rinjani ausgebrochen, was zu weltweiten Hungersnö-ten und zu einer jahrelangen Abkühlung geführt hat. Der Ausbruch des Tambora 1815 in Indonesien hat weltweit viele Todesopfer gekostet und in Europa zu einem Jahr ohne Sommer geführt. Die Verbreitung der Cholera von Südostasien bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts über die ganze Welt ging auch auf die-ses Ereignis zurück. Deutschland war von Ernteausfäl-len und von einer Hungersnot betroffen und es kam zu einer ersten Auswanderungswelle nach Amerika. Im Jahr 1883 ist der Krakatau in der Sundastraße ausgebrochen. Die pyroklastischen Ströme und der bis zu 40 m hohe Tsunami haben fast 40.000 Men-schen das Leben gekostet. Im Dezember 2018 ist der Anak-Krakatau wieder ausgebrochen und der an-schließende Tsunami hat ca. 500 Todesopfer gefor-dert (Abb. 5b). Solche großen Vulkanausbrüche sind neben starken Sonnenausbrüchen mit ionisierender Strahlung und der möglichen Zerstörung der elektri-schen Infrastruktur die gefährlichsten Naturereignisse für die heute fast 8 Milliarden zählende Menschheit. Wegen der weiträumigen Wirkung auf das Klima und auf die Pflanzenwelt würde die Nahrungsmittelpro-duktion rasch zusammenbrechen und es würde zu schweren sozialen Unruhen kommen. Die Ausbrüche einzelner Vulkane fordern oft Todesopfer, aber nicht in dem hohen Maße, wie bei stärkeren Erdbeben. Das hängt auch damit zusammen, dass sich Vulkanaus-brüche besser geophysikalisch überwachen und vor-hersagen lassen. Vor einem Ausbruch kommt es tief unter dem Vulkan zu einem Aufstieg von Magma. In weniger tiefen Bereichen kommt es dann zu einer Druckentlastung und zum Austritt der im Magma gelösten Gase. Das führt zu charakteristischen Bod-

enbewegungen, dem vulkanischen Tremor, wo die zunächst hochfrequenten Erdbeben in niederfre-quente und anhaltende Beben übergehen. Bei den an der Oberfläche austretenden Gasen kommt es zu charakteristischen chemischen Veränderungen. Da-mit können Vulkanausbrüche bei gut überwachten Vulkanen relativ zuverlässig vorhergesagt werden. Die zu erwartende Stärke und die Dauer eines Aus-bruchs sind aber nicht klar erkennbar. Tödlich sind bei Vulkanausbrüchen weniger die fließende Lava, sondern die bis zu 800 °C heißen und bis zu 300 km schnellen Gas- und Aschenströme (pyroklastische Ströme), welche die Vulkanhänge "herunterfließen" und Schlammströme (Lahare), die durch Regenfälle und Gletscherschmelzen ausgelöst werden und die auch entferntere Siedlungen in den Tälern rasch er-reichen und zerstören können. Sehr selten, aber ka-tastrophal sind große Bergrutsche an Vulkanabhän-gen, wie sie z.B. auf Hawaii, den Kanarischen Inseln, im Mittelmeer, in Indonesien und ohne vulkanische Beteiligung vor Norwegen schon vorgekommen sind. Dabei können Flutwellen (Tsunami) im Meer von über 100 m Höhe entstehen. Es gilt hier die Regel, dass eine Flutwelle etwa so hoch wird, wie das Ob-jekt, das ins Wasser rutscht. Bei ihrer Reise über das Meer teilen sich die Wellen dann in mehrere 10 - 20 m hohe Einzelwellen auf und überschwemmen die Küstengebiete von Inseln und Kontinenten. In jünge-rer Zeit hat man im Egerbecken im Grenzgebiet von Tschechien, Sachsen und Bayern zunehmende seismi-sche Aktivitäten, sogenannte Schwarmbeben festge-stellt. Daraus kann man schließen, dass sich in der Tiefe eventuell eine Magmakammer füllt. Das Gebiet ist wegen seiner vulkanischen Aktivitäten vor 720.000 Ma bekannt. Heute noch gibt es dort heiße Quellen und Ausgasungen von Kohlendioxid und von Helium-isotopen. Wissenschaftler schließen hier die Bildung eines neuen Vulkans in Zukunft nicht aus.

Abb. 31: Stratovulkan Die Darstellung zeigt vulkanische Ereignisse und Abla-gerungen rund um einen Schichtvulkan wie z.B. Vesuv, Ätna, Stromboli, Fujiama. Quelle: US Geological Survey, ergänzt. Neue Forschungen am Vulkan Merapi auf Java in Indo-nesien zeigen, dass es dort keine solide Magma-kammer gibt. In der Erdkruste unter dem Vulkan gibt es sehr weiträumige horizontale und vertikale Gänge, in die heiße, wasserhaltige Fluide und Magma ein-dringen und das Reservoir für viele Vulkane auf der Insel Java bilden. Bei anderen Vulkanen kann das ähnlich sein.

H20, H2S, SO2, SO3, CO, CO2, HF, Schwermetalle etc.

Magma- Camber?

80

6. Exkurs: Die Entstehung der Alpen (alpidische Orogenese) Im Text wird oft auf den Schub der afrikanischen Kontinentalplatte nach Norden gegen die eurasische Kontinentalplatte als treibende Kraft für viele geologische und tektonische Ereignisse in Deutschland und in Europa hingewiesen (Bildung von Grä-ben, Mulden und Sättel, Molassebecken der Alpen, Erdbeben etc.). Aus diesem Grunde erfolgt hier ein Exkurs zur Entstehung der Alpen. Der Begriff „Alpen“ kommt von „Alpe“ für Al = hoch, pe = nährend, und bedeutet in der Sprache der ligurisch-keltischen Gebirgsbevölkerung "Bergweide". Die Entstehung und der Aufbau der Alpen sind recht komplex und noch nicht in allen Details erforscht, so dass hier nur die wichtigsten Eckpunkte beschrieben werden. Zusammenfassung Die Alpen sind ein Kollisionsgebirge (Falten-, Decken- und Überschiebungsgebirge). Sie erstrecken sich in einem asymmetri-schen und großteils nordkonvergenten Bogen von ca. 1200 km Länge, 100 bis 250 km Breite und ca. 200.000 km2 Fläche vom Mittelmeer bei Nizza bis nach Wien. Sie finden ihre Fortsetzung östlich und südöstlich des Wiener Beckens in den Karpaten und in den Dinariden. Dieses Gebirge ist durch die Bewegungen der Afrikanischen und der Apulisch-Adriatischen Kontinental-platten, beginnend vor etwa 220 Ma zunächst nach Osten und Nordosten und dann vor etwa 55 Ma nach Norden als Kollision gegen den Eurasischen Kontinent in einem mehrstufigen Prozess entstanden. Durch die Ostwärtsbewegung im Zuge des Zer-falls des Großkontinents Pangäa kam es zunächst zu einer Dehnung der Erdkruste zwischen Eurasia und Afrika mit der Bildung des Meliata-Hallstatt-Ozeans. Vor ca. 165 Ma bildete sich zwischen Ur-Europa und der Apulischen Mikroplatte der stellenwei-se 500 km breite, 1000 km lange, in sich gegliederte und schubwiese absinkende Ablagerungsraum des Penninischen Ozeans. Dieser Ozean und die daran angrenzenden Flachmeere wurde mit mehreren tausend Meter mächtigen, terrestrischen, flachmarinen und tiefmarinen Sedimenten und mit magmatischen Ozeanböden gefüllt. Mit der endgültigen Abspaltung der Apulischen Mikroplatte von Afrika vor etwa 130 Ma und deren Bewegung nach Nordosten und Norden wurden diese Ablage-rungen bis vor ca. 8 Ma auf ca. 100 – 200 km Breite zusammengeschoben. Dabei wurden die Gesteine ineinander gestapelt, duktil gefaltet und weit überschoben. Diese mächtigen Gesteinskomplexe aus leichten Erdkrustengesteinen wurden dabei unterschiedlich tief in den Erdmantel aus schwereren Gesteinen gepresst, oft bei hohen Temperaturen und Drücken meta-morph verändert und z.T. auch in den Erdmantel subduziert und aufgeschmolzen. Durch eine isostatische Ausgleichsbewe-gung des leichten Krustenmaterials, möglicherweise in Verbindung mit dem Abriss einer subduzierten Erdkrustenplatte im tieferen Erdmantel werden die Gesteine seit etwa 35 Ma schubweise aus dem Meer herausgehoben, teilweise abgetragen und sind schließlich zum heutigen Hochgebirge aufgestiegen. Schließlich haben die Eiszeiten in den letzten 2 Mio. Jahren die Alpen morphologisch tiefgreifend umgestaltet. Stark vereinfacht kann man sich die Alpenbildung wie eine Lage von Teppi-chen vorstellen, die von 5 m Breite auf 50 cm zusammengeschoben wurden und dabei in viele Einzelstücke zerfallen sind.

Abb. 32: Die Alpen aus dem Weltraum. Satellitenbild der NASA vom 19.03.2016. Quelle: Wikipedia, ergänzt.

Zürich

Bern

Genf

Mailand

München Wien

Salzburg

Venedig

Zagreb

Basel

Turin

Grenoble

Innsbruck

Bologna Genua

Nizza

N

Graz

Digne

Verona

Ljubljana

Bratislava

Chur

Bozen

Sion

Klagenfurt

81

6.1 Pangäa zerfällt Abb. 32b: Während der Karbon-Zeit vor ca. 360 - 300 Ma haben sich alle Kontinente auf der Erde durch plattentektonische Bewegungen zum Großkontinent Pangäa vereinigt. Bei diesen Plattenkollisionen kam es zur Bildung der großen variszischen Hochgebirgszüge, von denen heute nur noch flachere Abtragungsreste als Mittelgebirge übriggeblieben sind. Pangäa war vom großen Panthalassa-Ozean umgeben, von dem heute der Pazifik übriggeblieben ist. In der großen östlichen Bucht von Pangäa lag der Tethys-Ozean, der sich dann im Zuge der Kollision von Indien mit Eurasien vor 50 Ma geschlossen hat. Reste dieses Ozeanbodens finden sich heute noch im Mittelmeer, im Schwarzen Meer und bei Australien. Am Beginn der Perm-Zeit war das heutige Alpengebiet ein flache Schwemmebene am Südrand des Varizischen Gebirges. Dort kam es zu einer ausge-prägten Nord-Süd-Dehnung und damit zur Ausdünnung und Absenkung der Erdkruste. Das führte in der späten Perm- und frühen Trias-Zeit zu einer langsamen Westausdehnung des Tehtys-Meeres mit einem Meeresarm bis Gibraltar (Meliata-Hallstatt-Ozean). Es kam zu ersten Riftbildungen (Grabenbrüche) an den Nahtstellen von Afrika, Eurasia und Amerika. In der West-Tethys entstand bei einem heiß-ariden Klima ein immer wieder austrocknendes Flachmeer, in dem die Flüsse den Abtragungsschutt aus den umliegenden Hochländern abgelagert haben. Es kam zur Ablagerung von Strand- und Flachwas-sersedimenten, Salz- und Gipsablagerungen. (Salze in Hallstatt und Berchtesgaden), von roten terrestrischen Sedimenten und auch von Vulkaniten (Bozener Quarzporphyr). Ab der Trias-Zeit vor etwa 240 Millionen Jahren wurden an den sich stetig absinkenden Schelfrändern der Randmeere bis über 2000 m mächtige, dunkle Karbonatsedimente abgelagert und während der Jura-Zeit kam es in den sich vertiefenden Meeresbecken durch vulkanische Prozesse zur Bildung von ozeanischer Kruste.

Abb. 32a: Panoramabilder Oben: Westalpen, Mont Fort (3230 mNN) in den Walliser Alpen. Blick von Südost nach Südwest. Val de Bagne, Grand Combin. Unten: Ostalpen, Seefelder-Joch (2060 mNN) in Tirol. Blick von Südwest nach Nordwest. Von links Sellrainer Berge, Oberinntal, Silvretta, Mieminger Kette mit Hoher Munde, Wettersteinmassiv mit Zugspitze. Quelle: Wikipedia. Unten: © Chianti.

Abb. 32b: Karte der Verteilung von Land und Meer an der Wende der Perm-Trias-Zeit. Bis zur Karbon-Zeit vor über 300 Ma wurden die einzelnen Kontinente durch plattentektonische Be-wegungen zum Großkontinent Pangäa zusammenge-schoben. Die sich in der Trias-Zeit vereinigende Apu-lisch-Adriatische Mikroplatte (Apulia), die bei der Alpenbildung eine wichtige Rolle spielt, ist noch mit Afrika verbunden und das Tethysmeer breitete sich langsam nach Westen aus. Das Cimmerische Super-terrane hat sich von Gondwana gelöst und wandert unter Bildung des Neo-Tethys-Meeres nach Norden. Die gelb-punktierten Linien sind die variszischen Hochgebirgszüge, die beim Zusammenprall der Kon-tinente vor 380 - 340 Ma entstanden sind und die während der Perm-Zeit wieder abgetragen wurden. Heute sind z.B. die Mittelgebirge von Schwarzwald, Vogesen, Bayerischem Wald, Rheinischem Schiefer-gebirge, Ural, Teile des Altlasgebirges und die Appa-lachen Reste dieser ehemaligen Hochgebirgszüge. Punktierte Linien = Nahtstellen, Riftgebiete.

Permo-Karbon-Vereisung

vor 300 Ma

Panth

ala

ssa Paläo-Tethys

Permo-Karbon-Vereisung vor 300 Ma

Perm-Trias-Zeit vor 252 Ma

Durch den plattentektonischen Zusammenschub der Kontinente ist

der Großkontinent Pangäa entstanden.

Neo-Tethys

Afrika

(L a u r a s i a)

Nord-

amerika

Süd-

amerika

India

Australia Antarktika

P a

n g

ä a

Baltica Nord-

Süd-China

Sibiria

Adriatische Mikroplatte

Meliata-Hallstatt-Ozean

Apulische-Mikroplatte

Anatolische Mikroplatte

(G o n d w a n a)

Indochina

Iran, Afghanistan

Tibet Indonesien

N. Guinea

Cimmeria Lhasa

82

6.2 Ozeanbildung und die Ablagerungsräume der alpinen Gesteine Abb. 33, 34, 35-1: Mit dem Auseinanderdriften der Erdkrustenplatten zwischen Amerika und Afrika seit etwa 220 Ma wurde die Afrikanische Kontinentalplatte mit der noch daran hängenden Apulischen (Adriatischen) Mikroplatte entlang von Transformstö-rungen nach Osten an Europa vorbeigeschoben. Durch diese Erdkrustendehnung entstand vom sich bildenden Atlantik ausge-hend zwischen Afrika und Europa ab dem Mittleren Jura vor etwa 170 Ma der Penninische Ozean (Piemont-Ligurischer-Ozean, Alp-Tethys). Dieser erreichte vor etwa 150 Ma seine größte Ausdehnung mit ca. 500 km Breite und über 1000 km Länge und da-mit waren Afrika und Europa getrennt. Im flachen und nördlichen bis nordwestlichen Schelfbereich des penninischen Ozeans entstand der Helvetische Ablagerungsraum. Das daran anschließende tiefe Ozeanbecken bildete den Penninischen Ablagerungs-raum mit Valais-Trog, Brianconnais-Schwelle und Piemontesisch-Ligurischem-Becken. Südlich davon bildeten sich in den flachen und lichtdurchfluteten Schelfbereichen des Tethys-Meeres im Bereich des apulischen Mikrokontinents die Ostalpinen und Süd-alpinen Ablagerungsräume. Innerhalb dieser Bereiche kam es über viele Jahrmillionen zu mächtigen Ablagerungen, hauptsäch-lich von Meeressedimente, örtlich von terrestrischen Sedimenten und von untermeerisch gebildeten, magmatisch-basaltischen Gesteinen an den Riftzonen. Diese, beim späteren Zusammenschub oft metamorph umgewandelten, gefalteten und überscho-benen Gesteine, stellen heute die tektono-lithologischen Großeinheiten der Alpen dar (Abb. 33 - 34). Das Helvetikum (in Frankreich "Dauphinois") ist der nördlichste (externe) alpine Sedimentationsraum und die tektono-lithologisch tiefste Großeinheit der Alpen. Am südlichen Kontinentalrand von Ur-Europa kam es seit der Perm-Zeit und verstärkt von Trias bis Paläogen in einem flachen Schelfmeer festlandsnah zu klastischen Ablagerungen und küstenfern zur Ablagerung von Mergeln und zur Ausfällung von Karbonaten aus dem Meerwasser. Mit der zunehmenden Absenkung dieses Beckens und dessen Schelfränder haben sich sehr mächtige Korallen-, Algen- und Schwammsedimente mit Schalenresten gebildet (Alpine Trias) und mit der Entfernung zum nördlichen Festland nimmt die Mächtigkeit dieser marinen Ablagerungen zu. Der tiefere Übergangs-

An der Wende der Trias-Jura-Zeit vor 230 - 200 Ma begann der endgültige Zerfall von Pangäa durch plattentektonische Bewe-gungen und Vulkanismus mit der Bildung von Grabenbrüchen und ersten Meeren zwischen Amerika, Afrika und Eurasia. Die heutigen Kontinente und Ozeane sind entstanden und sind in den folgenden Jahrmillionen unter der Bildung von neuem, magmatisch-basaltischem Meeresboden an untermeerischen Riftzonen langsam auseinandergedriftet (Abb. 3a). Auf dem nördlich gelegenen Kontinentalteil von Ur-Europa kam es während der Trias-Zeit im sich absenkenden Germanischen Tief-landbecken zur Ablagerung von stellenweise über 1000 m-mächtigen, terrigen-klastischen Sedimenten durch Abtragung aus den umliegenden Hochländern. Der marine und z.T. salinare Muschelkalk wurde in einem flachen Randmeer der Tethys abge-lagert (Germanische Trias in Süddeutschland). Während der Jura-Zeit wurden im Germanischen Becken neben Tonmergel auch mächtige Kalk- und Riffsedimente in einem warmen und flachen Randmeer abgelagert, die heute die Schwäbisch-Fränkische Alb aufbauen. Weiter südlich auf dem Schelf von Ur-Europa und in den südlich gelegenen Meeren wurden die mächtigen und vielfältigen Sedimente und die Magmatite abgelagert, aus den die heutigen Alpen aufgebaut sind (Abb. 33).

Abb. 33: Profilschnitte der 4 Ablagerungsräume der alpinen Gesteine und schematisches Prinzip der Entstehung der Alpen (siehe Details in Abb. 38 - 40). Durch das Auseinanderdriften der Kontinentalplatten (Divergenz) und durch den damit verbundenen Aufstieg und untermeerischen Austritt von Magma (Riftbildung) hat sich über Jahrmillionen ein über 1000 km langer, unterschiedlich tiefer und in sich geglieder-ter mariner Ablagerungsraum gebildet. Dieser ist dabei schubweise abgesunken (Subsi-denz) und wurde mit mehreren tausend Meter mächtigen Meeressedimenten, mit Abtragungsschutt (Flysch) und mit basaltischen Ablagerungen gefüllt (Bild oben grün). Durch den dann beginnenden Schub der Afrikanisch-Apulischen Kontinentalplatte nach Norden wurde die gegliederten Ablagerungsräume über Jahrmillionen wieder auf etwa 100 - 200 km zusammengeschoben (Konvergenz, Bild links). Die mächtigen Sedimente und Basalte wurden in der Tiefe bei 200 - 300 °C duktil gefaltet und überschoben. Einige Bereiche wurden auch tiefer in die Erdkruste versenkt, dort weiter erhitzt, dann kristal-lin umgewandelt und z.T. aufgeschmolzen (Metamorphite). Diese leichteren Gesteine der Erdkruste "schwimmen" auf den schwereren Gesteinen des Erdmantels. Die zu-nächst tief eingesunkenen Gesteinsstapel wurden dann mit dem zunehmenden Zu-sammenschub immer dicker und wurden schließlich durch eine isostatische Ausgleichs-bewegung stark herausgehoben. So wurde im Zusammenwirken mit Abtragungsvorgän-gen das tief zertalte Hochgebirge der heutigen Alpen gebildet (siehe auch Abb. 38 -38d).

N Ur-Europa

Seichtes Meer, Schelfbereiche und tiefe Ozeanbecken: Ablagerung von mächtigen Sedimenten und basaltischem Meeresboden.

Aufstieg von Magma, Bildung von basaltischem Meeresboden (Riftbildung).

Apulia Ur-Afrika S

Erdkruste

Lithosphärischer Mantel

Beginnende Subduktion, Verschlucken von Meeresboden.

Langsame Absenkung (Subsidenz)

Beginnende Konvergenz

Helvetischer Ablagerungsraum Penninischer Ablagerungsraum Ostalpiner- und Südalpiner A.

Penninischer Ozean Extern-

Massive

Helvetikum Ostalpin

Penninikum

Vor 140 Ma

Ehem. Germanisches Becken (Perm – Jura)

Wichtige Vorgänge bei der Gebirgsbildung (s. Abb. 37) 1) Krustendehnung mit Subsidenz, Rift- und Ozeanbildung und mit mächtiger Sedimentation. 2) Krustenverkürzung der Kontinentalplatten mit Subduktion. 3) Kontinentalkollision mit Kompression, Metamorphose, Faltung und Überschiebung. Beginnende Hebung. 4) Heraushebung aus dem Meer, Verwitterung und Abtragung.

Versenkung, Faltung, Überschiebung

und Hebung der Gesteine.

Lithosphärischer Mantel

Europäische Platte

Apulische Platte

Oberkruste Unterkruste

Hebung

Ostalpin

Penninikum

Helvet. Südalpin

Periadriatische Linie

Extern-

Massive

Heute

Südalpin

83

bereich zwischen dem Schelf und dem penninischem Tiefseetrog mit Flysch-Sedimenten wird Ultrahelvetikum genannt. Zum Helvetikum gehören heute die siliziklastischen und karbonatischen Gesteinsdecken aus den flachen Schelfbereichen und die Flysch-Decken, die in der Schweiz besonders verbreitet sind. Das variszisch-metamorphe und autochtone Grundgebirge (Base-ment) mit den darin intrudierten Graniten der Externmassive - Aar-Massiv, Mt. Blanc- und Aiguilles-Rouges-Massiv sowie die Belledonne-, Pelvoux- und Argentera-Massive - unterlagern die sedimentären Deckschichten und gehören auch zum Helvetikum. Sie wurden aber nicht in die alpine Deckentektonik mit einbezogen. Die unmetamorphen helvetischen Sedimentdecken wurden im Zuge der alpinen Massenverschiebung und wegen der starken Heraushebung der Massive ab der Neogen-Zeit von dieser kristallinen Basis abgeschert, stark verfaltet und überschoben. Dabei wurden sie zwischen 50 und 100 km weit nach Norden und Nordwesten auf den europäischen Kontinent und auch über die jüngeren Molassesedimente geschoben. Helvetische Gesteine treten heute breitflächig in den französischen Alpen, in der Schweiz und als schmaler Schuppensaum am Nordrand der deutsch-österreichischen Alpen zutage (Abb. 36a, 38e). Das Penninikum liegt heute tektonisch zwischen Helvetikum und Ostalpin. Es besteht aus alpin-metamorphem Grundgebirge und aus metamorph geprägten und unmetamorphen, mesozoischen Deckschichten, die in die alpine Tektonik stark mit einbezo-gen wurden. Es ist der am stärksten tektonisch und metamorph beanspruchte Teil in den Alpen. Die Ablagerungen entstanden in zwei tiefen, langgezogenen und zentralen Becken und Trögen (Valais-Trog, Piemont.- Ligurisches Becken) und auf den untermee-rischen Schwellen (Brianconnais) des Ozeans zwischen dem europäischen und dem apulischen Schelf. In dem sich bildenden und breiter werdenden Meeresarm kam es in den Zeiten von Jura und Früher Kreide zur Bildung von neuer ozeanischer Kruste durch die Neubildung von magmatisch-basaltischem Meeresboden entlang von Riftzonen und zur Bildung von Ophiolithen (umgewan-delte und aufgeschobenen Basalte und Gabbro). Es wurden mächtigen Tiefwasserkalke, z.B. die weit verbreiteten Bündner Schie-fer (metamorph zu Kalkphyliten umgewandelte Tone, Mergel und Kalke) und Radiolarite (Quarzsedimente aus den Kieselsäure-Skeletten von Einzellern) abgelagert. Später wurden in den sich bildenden Tiefseegräben auch Suspensions- und Schuttströmen von untermeerischen Steilhängen, sogenannter „Flysch“ abgelagert, z.B. der Rhenodanubischer Flysch im Valais-Ozeanbecken. Bei der Gebirgsbildung wurden die Gesteine dann weit nach Norden auf das Helvetikum überschoben und dabei verfaltet, in Decken gelegt und wegen der tiefen Absenkung oft metamorph umgewandelt. In den Westalpen treten penninische Gesteine in den französischen, westitalienischen und in den Schweizer Alpen flächig und als nördlich vorgelagerte Klippendecken (Chablais, Préalpes-Romandes, diverse kleinere Klippenfragmente) zutage. In den Ostalpen tritt das Penninikum nur als schmaler Saum am langen Nordrand und in drei später herausgehobenen und erodierten Bereichen im Engadiner-Fenster, im Tauern-Fenster und im Rechnitzer-Fenster zutage und ist dort ansonsten unter ostalpinen Gesteinen begraben (Abb. 36a, 38e). Das Ostalpin (Austroalpin) ist der tektonisch höchste Deckenstapel der Alpen. Es besteht heute aus lokal auftretenden, hochme-tamorphen Kristallingesteinen des Unterostalpins und aus paläozoischen Grauwacken sowie aus den mächtigen, mesozoischen Seichtwasser-Karbonaten (Nördliche Kalkalpen) des Oberostalpins. Die südlich gelegenen zentralostalpinen Decken bestehen aus variszisch geprägtem Grundgebirge und aus einigen permo-mesozoischen Sedimenten. Die Sedimente wurden in den Flachmeer- und Kontinentalbereichen im nördlichen Teil des Apulischen Mikrokontinents südöstlich des tiefen Penninischen Ozeanbeckens abgelagert. Wie im Helvetikum, kam es auch hier zur Ausfällung von Karbonaten aus dem Meerwasser und mit zunehmender Absenkung des Beckens und dessen Schelfränder zur Sedimentation von über 2000 m mächtigen Korallen-, Algen- und Schwammsedimenten, von Schalenresten und von Radiolariten. Das Ostalpin wurde bei der Gebirgsbildung von seinem kristalli-nen Untergrund abgeschert, dachziegelartig gestapelt und verfaltet und wurde weit über das Penninikum und das Helvetikum nach Norden transportiert. Dabei wurde die Gesteine des Unterostalpins und des untere Zentralostalpins mitsamt dem unterla-gernden Penninikum in größere Tiefe versenkt und bei hohen Drücken und Temperaturen zum Teil metamorph umgewandelt. Das Ostalpin tritt als oberster, nordvergenter Deckenkomplex vorwiegend und weiträumig in den Ostalpen und dort in den me-sozoischen Kalkalpen mit einer kreidezeitlichen Deckenüberschiebung auf. In den Westalpen ist es bis auf Reste (Ostschweiz und Sesia-Zone/Dent-Blanche-Decke?) abgetragen. Die Ostalpinen- und Penninischen Deckensysteme wurden im Zuge der Gebirgs-bildung oft viele 100 Kilometer weit nach Norden und Nordwesten geschoben (Abb. Abb. 36a, 38e). Das Südalpin schloss sich ohne tiefes Meer direkt an das Ostalpin an. Es stellt einen südlichen Teil von Apulia dar und wurde auf dem Afrika nahe gelegenen Schelf des Tethys-Meeres abgelagert. Es handelt sich um hochmetamorphes, kristallines Basement aus variszischer Zeit mit diskordant aufliegenden und unmetamorphen Sedimenten, v.a. Karbonaten aus mächtigen Korallen-, Algen- und Schwammsedimenten und von Schalenresten aus dem breiten Zeitraum von Karbon bis Neogen (Dolomiten, Karni-sche- und Julische Alpen, Südkarawanken). Örtlich gibt es mächtige und flächige vulkanische Ablagerungen. Eine alpine Meta-morphose hat örtlich nur geringgradig stattgefunden. Charakteristisch sind paläogene und neogene, südvergente Aufschieb-ungen mit größeren Überschiebungsdecken nur in der Tiefe. Das Südalpin ist tektonisch weit weniger komplex aufgebaut und wird vom heute nördlich liegenden Ostalpin und dem Penninikum durch das Periadriatische Bruchsystem getrennt. In einer neuen Veröffentlichung wird der große, südliche Teil der apulisch-adriatische Platte "Greater Adria" genannt. Die an der Oberfläche dieser Platte abgelagerten Sedimente wurden bei der Kollision von Afrika mit Europa abgeschabt und bilden heute die Südalpen und die Dinariden. Die südlich gelegenen Teile bilden einen Streifen von Turin über den Apennin und die Adria bis zum Stiefelabsatz. Auch in den Gebirgen der Balkan-Staaten, in Griechenland und in der Türkei sind Gesteine von Greater Adria erhalten. Die tieferen Krustenteile wurden bei der alpinen Plattenkollision fragmentiert und zu einem großen Teil unter das heu-tige Italien und die Dinariden in den Erdmantel gezogen (Abb. 34). Douwe J.J. van Hinsbergen et al. (2019): Orogenic architecture of the Mediterranean region and kinematic reconstruction of its tectonic evolution since the Triassic. – Univ. Utrecht/NL, Gondwana Research, Sept. 2019, Elsevier.

84

Abb. 34: Paläogeographische Übersichtskarte der Apulischen Platte mit den alpinen Ablagerungsräumen zwischen Ur-Afrika und Ur-Eurasia zur Zeit der Frühen Kreide vor ca. 110 – 80 Ma. Die Öffnung des Atlantiks durch plattentektonische Bewegungen führte zum Herausbrechen der Afrikanischen Platte aus dem Großkontinent Pangäa und zu deren Wanderung nach Osten. Durch den Schub und durch die Drehung von Afrika und Apulia von Osten nach Norden schließen sich das Vardar-Meer, der Penninische Ozean, die westliche Paläo-Tethys und später auch die Neo-Tethys. Die schwerere ozeanische Erdkruste wird z.T. in den Erdmantel gezogen (subduziert) und aufgeschmolzen. Die leichteren Kontinentalsedimente werden zusammengeschoben, z.T. tief versenkt und dort unter Druck und Wärme metamorph umgewandelt. Sie werden gefaltet, überschoben und später durch isostatischen Ausgleich wieder über den Meeresspiegel herausgehoben und der Abtragung ausgesetzt. Vor etwa 100 Ma sind die großen Erdölvorkommen vom Mittleren Osten bis nach Kasachstan im Tethys-Meer entstanden. Die abgestorbenen Reste von Meereskleinlebewesen (v.a. Algen) haben sich in tieferen Schelfbereichen unter Sauerstoffabschluss und bei 60 – 200°C mit der Zeit von Faulschlämmen in Öl und Gas umgewandelt. Ein Teil der Apulischen Platte wurde fragmentiert und unter Südeuropa im Erdmantel versenkt (Greater Adria). Rote Doppellinien = Grabenbrüche und Transformstörungen, Divergenz. Platten bewegen sich auseinander oder aneinander vorbei.

Rote gestrichelte Linien = Subduktionszonen, Konvergenz. Platten kollidieren. "Verschlucken" (Subduktion) von Meeresboden in den Erdmantel. Grafik mit Darstellungen unter anderem nach G.M. Stampfli et al. (2002): Western Alps geological constrains on western Tethydian reconstrutions. In Rosenbaum et al. (2002): Reconstructions of the evolution of the Alpin-Himalayan Orogen. Journal of the Virtual Explorer, 7. Die Darstellungen auf den paläogeographischen Karten in diesem Manuskript können den Verlauf der Festländer, Küstenlinien und Meere zu den Urzeiten nur ungefähr wiedergeben und weichen je nach Autor etwas voneinander ab. Sie spiegeln aber auf der Grundlage der aktuellen Forschung die prinzipiellen geotektonischen Situationen wieder und veranschaulichen großräumig die Vorgänge, die zur Bildung der Alpen geführt haben.

30° N

Süd-ost

Kreide-Flachmeer

Dinariden

Iberia

Neo-Tethys

Ur-Afrika

Helvetikum

Nord- Amerika

Ur-Eurasia

Ur-Atlantik

Apulische Platte Oft Flachmeer mit Inseln

67,7

73,6

79,1

83,0

Bewegungsvektor

von Afrika in Mio. Jahre

Ardennisch-Rheinisch-

Böhmisches Massiv

Valais-Trog

(Nordpenninikum)

Ost-

alpin

Kreta

Anatolische Platte

Balkan

Iran

Kreide-Flachmeer

Norden

Karte in Abb. 34

Penninischer Ozean (Südpenninikum, Piemontesisch-Ligurisches Becken)

Pindos

Rhenodanubischer

Flysch

Semail-Meer

Kaspisches Meer

Abb. 34a: Schematischer Profilschnitt der alpinen Ablagerungsräume zur Zeit der größten Ausdehnung des Penninischen Ozeans. Die Sedimentationsräume von links nach rechts: Helvetikum mit Ultrahelvetikum. Penninikum mit Valais-Trog, mit Brianconnais-Schwelle und mit Piemont-Ligurischem-Ozean mit dem Cervinia-Terrane (Dt.-Blanche-Decke mit Sesia-Zone - Ostalpin oder Penninikum?). Ostalpin und Südalpin. In der Folgezeit wurden diese Sedimentationsräume von Süden her zusammengeschoben und es bildeten sich die Alpen, wie wir sie heute ken-nen (Abb. 34 – 38e). Grafik ergänzt aus N. Froizheim, Geologie der Alpen Teil 1, Vorlesungsmanuskript. Steinmanninstitut, Universität Bonn.

Beginnender Schub von

Apulia und Afrika,

beginnende Subduktion

Piemont – Ligurisches Ozeanbecken

Nordpenninikum Mittelpenninikum Südpeninikum

Südalpin

Meeres-Sedimente

Ozeanische Kruste

Lithosphärischer Erdmantel

Kontinentale Erdkruste

Nord-west

Ozeanbecken

Apulia

Brianconnais (Mittelpenninikum)

Peloponnes

Vardar- Meer

Izanca-Meer

Rumänien

0 1000 km

Tisza

"Greater Adria"

Zypern

Sard.-Kors. Süd-

alpin

Karpaten

Dolo- miten

120 – 90 Ma.

Schwarzes Meer

85

Abb. 34b: Paläogeographische Karte der alpinen Ablagerungsräume und der tektonischen Decken zur Zeit der Frühen Kreide und die heutige Lage der Überschiebungsdecken im Schweizer Alpenraum. Abb. links: Schematische Darstellung der paläo-tektonischen Verhältnisse am südlichen Rand von Ur-Europa mit den alpinen Ablagerungsräumen (vgl. mit Abb. 34a). Zwischen der Europäischen Kontinen-talplattform mit dem flachen Kontinental-Randmeer (Helvetikum) und dem Apulisch-Adriatischen Kontinentalrand mit Ost- und Südalpin liegt der tiefe, aber sich schon schließende Penninisch-Piemontesisch-Ligurische Ozean mit dem Valais-Trog und der Brianconnais-Schwelle. Mit den Ziffern und Abkürzungen sind die ungefähren Ablagerungsbereiche einiger alpiner Gesteinsdecken und die Lage einige kristalliner Massive vor der Nord- und Nord-Westverschiebung durch die Gebirgsbildung bezeichnet (Abb. 38a, 38b). Abb. rechts: Die heutige Situation mit der Lage der alpinen Gesteinseinheiten (Decken) in der Schweiz nach deren Zusammenschub und Aufstieg zum Hochgebirge. Grafiken z.T. umgezeichnet, verändert und ergänzt nach: Tektonische Karte der Schweiz,1 : 500 000, Bundesamt für Landestopographie, swisstopo, 3084 Wabern mit Daten aus: O.A. Pfiffner (2015): Geologie der Alpen, 3. Auflage, Haupt, Bern und M.P. Gwinner (1971): Geologie der Alpen, Schweizerbart, Stuttgart.

Helvetikum

Eurasische Platte

Penninisch- Liguri-scher Ozean

Penninikum

Apulisch- Adriatischer Kontinentalrand

Helvetikum

AGTM

DZ = Drau-Zug (Wurzel Oberostalpin)* GD = Gurktaler-Decke GZ = Grauwacken-Zone NKA = Nördliche Kalkalpen (Inntal-, Lechtal-, Allgäu-Decke) ÖD = Ötztal-Decke 16 = S-charl-Decke 17 = Silvretta-, Campo-Decke Dol = Dolomiten*

IZ = Ivrea-Zone K-J-A = Karnische- und Julische Alpen* KW = Süd- Karawanken* 18 = Orobische Decken * = Südliche Kalkalpen Auswahl Kristallin-Massive:

AGTM = Aar-, Gotthard-, Tavetscher-Massive APBM = Argentera-, Pelvoux-, Belledonne-Massive ARM = Aiguilles-Rouges-Massiv MBM = Mont-Blanc-Massiv TM = Tauern-Massiv GDM = Gran-Paradiso-, Dora-Maira-Massive MRM = Mt. Rosa-Massiv

G

Z

I

TM

ARM MBM

RhF

Karpaten

Brianconnais Schwelle

Valais-Trog

MRM

15

IZ

GDM

Ostalpin

7

17

4

Oph

8

Oph

NKA AD

Dol

K-J-A

GD

ÖD

14

Dinariden

Vardar- Meer

Südalpin

Vocontischer Trog (heute Provence)

5

5, 5a

Vor ca. 110 Ma

Vogesen

Schwarzwald

Europäischer Kontinentalrand

GZ

Massif Sarde-Corso

Tisza

Ardennisch-, Rheinisch-, Böhmisches Massiv

KW

DZ

Piemontesisch- Ligurisches Becken

11a

6

1

9 9a

Südeuropäische Kontinentalplattform Nordalpines Vorland Kreide-Nebenmeer

10

2 2a

3

N

13

O

sta

lpin

Pie

mo

nt

Bri

an

con

na

is

Va

lais

Hel

veti

kum

Greater Adria

11

16

18

Chaines Subalpines

Massif Central

Apenninen

AP

BM

M. Esterel

0 ca. 300 km Ein genauer Maßstab ist hier nicht möglich.

Heutige Lage einiger Alpenländer und Orte.

Subduktionszone, Verschlucken von Meeresboden.

Spreizungszone, lokal Basalte.

Europäisches Festland in der Frühen Kreide.

Alpine Ablagerungsräume; oft Meer, teils Inseln.

Heutige Lage der Externmassive mit Schubrichtung.

12

Auswahl tektonischer Decken: (jeweils alphabetisch)

1 = Axen-, Drusberg-Decke 2 = Glarner-, Säntis-Decke 2a = Nordhelvet. Flysch, Sardona-Decke 3 = Morcles-, Wildhorn-Decke 4 = Antigorio-, Mt. Leone-, Simano-, Adula-Decke 5 = Bündner-Schiefer mit Misoxer Zone (Aul-, Vals-, Tomül-, Grava-Decke) 5a = Nordpenninischer Flysch (Prättigau-Flysch) 6 = Niesen-Decke 6a = Gurnigel-Decke (Flysch) RhF = Rhenodanubischer-Flysch 7 = Bernhard-Decke = Siviez-Mischabel-D., Mt.-Fort-D. 8 = Klippen-Decke der Zentralschweiz 9 = Maggia-, Tambo-, Suretta-Decke 9a = Schamser-, Falknis-, Sulzfluh-Decke 10 = Zone Houilleres 11 = Avers-, Plata-, Arosa-Decke Oph = Ophiolithe 11a= Simmen-Decke 12 = Tsaté-Decke, Cim.-Blanches D. (Combin-Zone) 13 = Zermatt-Saas-Decke 14 = Bernina-, Err-Decke 15 = Dt. Blanche-Decke, Sesia-Zone mit Diorit-Kinzigit- Zone und Margna-Sella-Decke in der Ostschweiz (Cervinia, Unterostalpin-Penninische Grenzzone)

Bri

an

c.

Hel

veti

kum

S

üd

alp

in

O

sta

lpin

Schweizer Alpen:

H = Helvetikum mit den Externmassiven P = Penninikum mit Valais und B = Brianconnais O = Ostalpin S = Südalpin

Zahlen = Tektonische Decken in der Schweiz

0 100 km

Schweiz heute

5

6

13

12

11b

Innsbruck

Zürich

Genf

AGTM

ARM MBM

7

N

4

9

2

1

3

1

1

4

9

8

10

15

14

17

18

5a

1 4

3

5

H O

P

S

B

Falten- jura

Molasse

Periadriatische Naht 3

6a

11

9a

2

Molasse

5

2a 16

MRM

15

15

Oph

Zusammenschub der Platten und der Gesteine zu den heutigen Alpen.

Pariser- Becken

Penninikum

86

Abb. 35: Paläogeographische Übersichtskarten zur Entstehung der Alpen, angetrieben durch die Plattentektonik. 1 = Atlas und Rif; 2 = Betische Kordilleren (Sierra Nevada); 3 = Pyrenäen; 4 = Apenninen; 5 = Dinariden; 6 = Karpaten; 6a Balkaniden; 7= Helleniden; 8 = Rhodopen; 9 = Taurus; 10 = Kaukasus; 11 = Pontiden; 12 = Elbrus; 13 = Zagros, 13a Hajar; 14 Faltenjura; 15 Europäisches Känozoisches Riftsystem. Grafik mit Darstellungen nach B. Lammerer (1991), Wege durch Jahrmillionen. Verlage Tappeiner und J. Berg.

Indik

ML

A

Jura-Meer

Ur-Afrika

Ur-

Amerika

Ur-Europa

Neo-

Tethys

Paläo-Tethys

PO

30°N

Meliata-

Hallstatt

Meer

Vardar-

Meer

1) Jura ~150 Ma

Afrika driftet nach

Osten. Der Penninische

Ozean ist entstanden.

Divergenz,

Riftbildung,

Sedimentation

Kreide-Flachmeer

Zentral-

Atlantik

Vardar-

Pindos M.

30°N

Cimmeria

Konvergenz,

Subduktion

Sedimentation

Atlantik

3) Paläogen 66 - 23 Ma

Afrika rotiert nach Norden. Das

Tethys-Meer schließt sich.

Heraushebung und Abtragung

frühalpiner Inselbögen.

Indik

30°N

Neo-Tethys

Paratethys

Semail-

Meer

Zagros

Molasse

Kollision,

Hebung

Atlantik und Tethys-Ozean

Penninisch-Piemontesischer-Ozean

Flachere Nebenmeere

Apulische Platte, oft Flachmeer mit Inseln

Grabenbrüche und Rift-Zonen (Auswahl)

Alpidische Inselbögen und Gebirgszüge

PO

A

Paratethys

4) Neogen 23 - 2,5 Ma

Apulia und Afrika schieben

nach Norden. Heraushebung

und Formung der heutigen

alpidischen Gebirgszüge.

Mittel-

Meer 1

2

3

4 5

6

8

10 11

12 13

5

Alpen

9

14

7

15

6a

13a

30°N

Atlantik

6 mm/a

25 mm/a

Heute 33 mm/a

10 mm/a

13 mm/a

8 mm/a Semail

2) Kreide ~90 Ma

Apulia driftet nach

Norden. Der Penninische

Ozean schließt sich.

Abtragung

Neo-

Tethys

a b

c d

Perm

Jura Kreide

Flysch

Abb. 36: Carakteristische Gebirgszüge in den Zentralalpen a: Der Mt. Blanc, ein alpines Extern-Massiv aus Gneisen und Graniten. b: Die stark gefalteten Helvetischen Decken, hier im Gipfelbereich des Dent de Morcles in der Westschweiz aus Kalksteinen der Jura- und Kreide-Zeit. c: Die Glarner Hauptüberschiebung in der Schweiz bei Flims und Elm mit der bekannten Erosionsform des Martinslochs (ML). Ältere Vulkanite der Perm-Zeit wurden vor 35 Mio. Jahren über jüngere Gesteine der Kreide- und Jura-Zeit und über Flyschgesteine der Paläogen-Zeit geschoben (Pfeil = Schubrichtung). d: Penninische Decken (Ozeansedimente – Bündner Schiefer und Ophiolithe) am Grand Combin in der Westschweiz. Fotos ergänzt aus R. Schuster & K. Stüwe (2010): Die Geologie der Alpen im Zeitraffer. Mitteilungen des naturwissenschaftlichen Vereins für Steiermark, Bd. 140, Graz.

87

Abb. 36a: Karte der tektono-lithologischen Großeinheiten der heutigen Alpen (vgl. mit Schnitten und Blockbild in Abb. 34a, 38a – d und Abb. 40). Die Gesteine der alpinen Sedimentationsräume Helvetikum, Penninikum, Ostalpin und Südalpin (Abb. 34, 34a, 34b) wurden im Zuge der Alpenbildung zusammenge-schoben und gefaltet und wurden vielfach weit nach Norden und Nordwesten, bzw. beim Südalpin nach Süden überschoben. Der Abtragungsschutt der Alpen liegt in den randlichen Tertärbecken (heute Paläogen-/ Neogen-Zeit genannt). EF- Engadiner-Fenster, TF -Tauern-Fenster und RF- Rechnitzer-Fenster sind soge-nannte geotecktonische Fenster, in denen nach örtlicher Heraushebung und Erosion tiefere tektonisch-lithologische Einheiten der Alpen an der Oberfläche zu sehen sind. Grafik ergänzt aus N. Froizheim, Geologie der Alpen Teil 1, Vorlesungsmanuskript. Steinmanninstitut, Universität Bonn.

Abkürzungen: A: Argentera-Massiv AA: Aar-Massiv AR: Aiguilles-Rouges-Massiv B: Belledonne-Massiv BL: Brenner-Linie CP: Chaines Provencales (Provenzalische Ketten) CSA: Chaines Subalpines DOL: Dolomiten EF: Engadiner Fenster EL: Engadiner Linie

GH: Gotthard-Massiv GL: Giudicarie-Linie HD: Helvetische Decken J: Juragebirge

M: Montblanc-Massiv, NKA: Nördliche Kalkalpen, P: Pelvoux-Massiv PA: Préalpes Romandes PL: Periadriatische Linie RDF: Rhenodanubische Flyschzone RF: Rechnitzer Fenster SL: Simplon-Linie SVL: Sestri-Voltaggio-Linie SW: Schwarzwald TF: Tauern-Fenster V: Vogesen WB: Wiener Becken ZOA: Zentralostalpin

Süddeutschland

Frankreich

Italien

Schweiz Österreich

Slowenien

Tschechien

Jura

Kroatien

Ungarn

Slowakei

(Neogen,

Paläogen)

N

6.3 Die erste Kompressionsphase der Alpen in der Kreide-Zeit Ab der Zeit des Frühen Jura vor etwa 180 Ma übte die Ost- und Nordostwanderung der Apulischen Platte Druck auf die Sedi-mentkomplexe am Nordostrand der Platte aus und es kam zu ersten Überschiebungen der ostalpinen Schelfsedimente. Es bildeten sich die Strukturen der Nördlichen Kalkalpen, der Dolomiten und die Ophiolithe in den Dinariden und Karpaten. In der Zeit der Frühen Kreide vor etwa 140 Ma wurde die Apulische Mikroplatte dann endgültig von Afrika getrennt und rotierte in ihrer Bewegung langsam von Osten nach Norden und Nordwesten (Abb. 34a). Diese Bewegung ist der Beginn der bis heute andauernden Erdkrustenverkürzung zwischen Afrika und Apulia gegenüber Europa. Die Apulische Platte mit Greater Adria umfasst heute große Teile von Italien, die Adria, Teile des Balkans und Fragmente von Griechenland und der Türkei. Während der Kreide-Zeit wurde das Südalpin vom Ostalpin durch eine rechtsseitige Seitenverschiebung entlang des heute ca. 700 km langen Periadriatischen Bruchsystems entkoppelt und um 50 – 100 km horizontal verschoben. Dabei wurden das Ostalpin und das Penninikum um mehrere Kilometer angehoben.

88

Abb. 35-1 und 2: Vom Ende der Trias bis zum Späten Jura vor ca. 150 Ma schloss sich das Meliata-Meer am Nordostrand der Apulischen Platte. Die größten Relikte dieses Ozeans finden sich heute als Ophiolith-Decken in den Westkarpaten und in den internen Dinariden. In der Kreide-Zeit setzte die Frühphase der Alpinen Faltung ein. Vor etwa 120 Ma löste sich Iberia (Spa-nien) von Europa und bewegte sich unter Öffnung der Biscaya nach Südosten. Nordöstlich der iberischen Halbinsel bildete sich im Zuge der weiteren Öffnung des Atlantiks der schmale Valais-Ozean mit dem Brianconnais-Mikrokontinent als Halbin-sel (Abb. 34). Nach der Trennung der Apulischen Platte von Afrika begann sich der Penninische Ozean in der Mitte der Krei-de-Zeit vor etwa 95 Ma an einer Subduktionszone am Südostrand dieser Platte wieder zu schließen und Teile des Ozeanbo-dens wurden unter den ostalpinen Kontinentalrand subduziert (Abb. 34 und 37). Teile der Gesteine wurden bis in 80 km Tiefe versenkt, stark erhitzt und metamorph umgewandelt. Durch die zunehmend in Südost-Nordwest-Richtung einengen-den Plattenbewegungen bildete sich nun auch innerhalb der Apulischen Platte eine Subduktionszone. Dabei wurden die Ostalpinen Decken im nördlichen Teil überschoben und vor etwa. 80 Ma über die Sedimente des Penninischen Ozeans ge-schoben. Es bildeten sich die zum Teil metamorph überprägten Penninischen Decken aus ozeanischer Erdkruste. Durch Fal-tung und Überschiebung des penninischen Meeresbodens und der auf dem Ostalpinen Schelf abgelagerten Sedimente ent-standen die frühalpidischen penninischen und ostalpinen Gebirgsdecken, die heute große Teile der Zentral- und der Westal-pen bilden und die auch in den Hohen Tauern und im Burgenland in Österreich zu sehen sind. Nördlich der Kalkalpen bildete sich ein schmaler, langgezogener und tiefer Trog, der mit mächtigen Schuttsedimenten, dem sog. Flysch aufgefüllt wurde. Flysch-Sedimente (Turbidite) entstehen, wenn marin-klastische Sedimente wie Ton-Kalkschlämme und grob-körnigen Sedi-mente (Steine, Sande) z.B. bei gebirgsbildenden Prozessen als Erosionsschutt an steilen, untermeerischen Kontinentalab-hängen vom Schelfrand in ein tiefes Vorlandbecken abrutschen. Es bilden sich in sehr kurzer Zeit (Tage, Wochen) große Sedimentareale mit einer engen Wechselfolge von fossilarmen Tonmergelsteinen, Sandsteinen, Kalkareniten und Breccien mit oft gradierter Schichtung. Einige Flysch-Sedimente wurden während der weiteren Gebirgsbildung auch verformt, tiefer versenkt und teilweise metamorph umgewandelt. Ein Teil der Apulischen Platte, Greater Adria genannt, wurde bei der Al-penbildung fragmentiert und großteils in Einzelteilen unter dem heutigen Südeuropa in die Erdkruste versenkt. 6.4 Die zweite Kompressionsphase der Alpen in der Paläogen- und Neogen-Zeit Abb. 35-3: Ab der Zeit des Paläogen vor etwa 53 Ma rotierte Afrika in seiner Bewegung gegen den Uhrzeigersinn und schob sich nun massiv nach Norden gegen die Apulische Platte. Dieser brach erneut los und kollidierte mit über 13 mm/a mit ih-rem nördlich gelegenen Adriatischen Sporn mit Europa. Am Höhenpunkt dieser Kompressionsphase vor etwa 35 - 30 Ma schob sich die Apulische Platte mit ihren ost- und südalpinen Gesteinsdecken im Erdinneren und untermeerisch weit über die Ablagerungen des südeuropäischen Schelfrandes mit penninischen und helvetischen Sedimenten. Die dort abgelagerten nordpenninischen Gesteine wurden von ihrer Unterlage abgetrennt und zu einem nordvergenten Deckenstapel aufgescho-ben. Auch die helvetischen Gesteine und die Flysch-Sedimente wurden von ihrer kristallinen Unterlage abgetrennt und weit nach Norden geschoben. Sie wurden zum Teil von Magmatiten durchschmolzen, bei Temperaturen von 200 - 300 °C in 5 - 10 km Tiefe duktil gefaltet und übereinander geschoben. Der ehemalige Untergrund der helvetischen Decken wurde bis in 60 km Tiefe versenkt, auf 550 °C erhitzt, metamorph umgeformt und später mit über 6 mm/a nach oben gepresst. Mit dieser starken Nordbewegung schloss sich der Penninische Ozean vor etwa 50 - 40 Ma nun endgültig. Einige Zeit später begann sich auch das Tethys-Meer in Kleinasien zu schließen. In den verbliebenen Restmeeren bildeten sich die langgezogenen und gebirgige Inselketten und -bögen der weiter aufsteigenden und über dem Meeresspiegel der Abtragung ausgesetzten Ur-Alpen und der östlich entstehenden Gebirge auf dem Balkan und in Kleinasien. Der über viele Millionen Jahre andauernde Schub der Apulisch-Afrikanischen Platte hat die zu Festgesteinen umgewandelten Sedimente so weit zusammengeschoben, dass diese heute viele 100 Kilometer weit entfernt von ihren ursprünglichen Ablagerungsgebieten liegen. Sie sind oft inten-siv verfaltet, oft metamorph umgeformt und als Decken dachziegelartig übereinander geschoben. So gehören z.B. im Gebiet um Zermatt einige Gipfelregionen zur Dent-Blanche-Decke (Matterhorn, Abb. 38b), deren Gesteine ursprünglich weit südlich im Bereich des ostalpinen Apulisch-Afrikanischen Kontinentalschelfs abgelagert wurden. Diese Gesteine aus metamorphen Schelfsedimenten, Gneisen, Graniten, Gabbro und Marmor wurden weit nach Norden geschoben und liegen heute als klip-penartige Erosionsreste über Resten jurazeitlichen Tiefseeablagerungen aus Bündner Schiefern (metamorph umgewandelte, kalkig-tonige Sedimente der mittleren Tiefsee) und Ophiolithen (submarine Magmatite) des nordwestlich von Apulia gele-genen Penninischen-Piemont-Ozeanbeckens. Der Hauptteil dieses alten Ozeanbodens wurde bei der Kontinentalkollision aber in den Erdmantel subduziert. Die Gesteine der Nördlichen Kalkalpen in Bayern und in Österreich wurden ebenfalls im ostalpinen Apulisch-Afrikanischen Sedimentationsraum abgelagert und vor ca. 30 Ma viele 100 Kilometer weit nach Norden über die penninischen Gesteinsdecken überschoben (Abb. 38c, 38d). Abb. 34 zeigt die ursprünglichen und weit südlich gele-genen Ablagerungsräume vor ca. 110 Ma und die heutige Lage deren Gesteine in den Schweizer Alpen. Die großen Gesteins-faltungen und die viele Kilometer weit reichenden Überschiebungen führen in weiten Teilen der Alpen zu einer zeitlich in-versen Lagerung der Gesteinsschichten. Das bedeutet, dass man in den heute von der Erosion tief zertalten Alpen oft mäch-tige und ältere Gesteinspakete über viele Kilometer weite Bereiche über jüngeren Gesteinen liegend findet. Ein bekanntes Beispiel und Weltkulturerbe ist die gut sichtbare Glarner Hauptüberschiebung (Tektonik-Arena Sardona) an der Grenze der Schweizer Kantone Graubünden und Glarus zwischen den Gemeinden Flims und Elm. Hier wurde eine 250 - 300 Ma alte Gesteinsdecke aus Vulkaniten der Perm-Zeit (Verrucano) über 100 km weit über nur 150 Ma alte Kreidekalke (Quintner-Kalk mit Wildflysch) und 40 - 50 Ma alte nordhelvetische Flyschgesteine aus der Paläogen-Zeit (Sardona-Flysch) geschoben (Abb. 36 links unten). „An kaum einem anderen Ort der Welt lässt sich besser erkennen, wie Gebirge entstehen“ (David Imper, Impergeologie AG).

89

6.5 Die Heraushebung und Abtragung der Alpen Die Abb. 34 - 35 zeigen die paläogeographische Situation ab der Frühen Kreide-Zeit und die weit südliche Lage der Ablage-rungsräume und der Gesteinsdecken. Während des Nordschubs der Apulischen Platte wurden die Gesteine verfaltet und übereinander geschoben. Gegen Ende des Schubs kann es zur Heraushebung der Gesteine als Inselbögen über den Meeres-spiegel und zur Abtragung. Abb. 35-4, 37 und 38: Bei dem starken Zusammenschub der mächtigen Gesteinspakete der Alpen von einem breiten Sedi-mentationsraum zu einem engen Hochgebirgssaum sind diese nach oben und nach unten ausgewichen und haben mit ihrem Gewicht die europäische Platte erheblich nach unten gedrückt. Die leichten Krustengesteine haben sich dabei tief in die schwereren Gesteine des zähplastischen Erdmantels gedrückt und wurden z.T. unter hohen Druck- und Temperaturbe-dingungen in kristalline Metamorphite umgewandelt. Seit etwa 40 - 7 Ma und zunehmend vor etwa 25 Ma wurden die gefalteten und überschobenen Gesteine dann wieder in stärkerem Maße schubweise aus dem Meer herausgehoben, und die dabei entstandenen gebirgigen Inselbögen waren der Verwitterung und Abtragung ausgesetzt. Die Hebung des Gebir-ges kam durch das isostatische Aufsteigen der leichteren Krustengesteine zustande, die in den Gesteinen des schwereren Erdmantels aufschwimmen und in Verbindung mit der Herstellung eines Schwimmgleichgewichtes bei der schnellen Abtra-gung der aus dem Meer herausgehobenen Gesteine. Dabei konnte auch das mögliche Abreisen des tief in den Erdmantel subduzierten Plattensporns eine Rolle gespielt haben (Abb. 38e). Die Hauptheraushebung des Gebirges vor etwa 25 - 15 Ma lag damals bei ca. 8 mm/a und beträgt heute noch ca. 0,3 - 1,8 mm/a, vermutlich auch verursacht durch das vor 15.000 Jahren abgeschmolzene Gletschereis der Würm-Kaltzeit. Die Erosionsraten liegen heute zwischen 0,2 und 0,4 mm/a. Die letzten Deckenvorschübe erfolgten vor 15 – 5 Ma und erfassten v.a. den Alpennordrand. Weil die Hebung über längere Zeiträume deutlich stärker als die Abtragung war, haben sich tief zertalte und zerklüftete Hochgebirgsketten gebildet, die je nach den Abtragungs- und Hebungsraten mal flacher und mal höher waren. Die genaue Höhe der Ur-Alpen lässt sich nicht rekonstruieren. Eventuell haben die Gipfel Höhen von über 5000 mNN erreicht. Die gesamte Hebung der alpinen Gesteinsstapel hat (ohne Abtragung) aber ca. 25 km betragen (Abb. 38a). In der Zeit des Paläogens vor 30 Ma bewegte sich ein Teil der Südalpen entlang des Periadriatischen Bruchsystems 50 - 100 km nach Westen und entlang dieser Nahtlinie traten Granitschmelzen in die Krustengesteine ein (Biella, Bergell, Adamello etc.). Gleichzeitig wurden die Zentralalpen hochgepresst und die Südalpen wurden nach Süden verkippt. Seit 20 Ma steigen die alpinen Kristallindome als sogenannte Externmassive in den Westalpen (Argentera-, Pelvoux-, Belledone-, Aiguilles-Rouges-, Mt. Blanc-Massiv), in den Zentralal-pen (Aar-, Gotthardmassive) und als Internmassiv die Tauern in den Ostalpen auf und sind der Verwitterung ausgesetzt. Hier zeigten sich gute Einblicke in den tieferen Untergrund. Diese Massive wurden während der varizischen Gebirgsbildung tief in der Erdkruste gefaltet und in dieser Zeit sind dort auch Granitschmelzen intrudiert und auskristallisiert. In den Zent-ralalpen wurden die Externmassive von Aar- und Aiguilles-Rouges-Massiv so weit aufgewölbt, dass die überlagernden hel-vetischen Gesteinsdecken an deren Nord(west)abstürzen untermeerisch abgeglitten sind und stark verfaltet wurden - heu-te gut sichtbar im Säntis-Gebirge. Der abgetragene Sedimentschutt der Alpen wird bis heute in den stellenweise bis an die 7000 m tief eingesunkenen Molassebecken am Nordrand und am Südrand der Alpen abgelagert, die sich im Zuge des Auf-stiegs und der Kompression der Alpen seit ca. 33 Ma durch das Gewicht des Alpenkörpers und durch Massenausgleichsbe-wegungen abgesenkt haben. Der immer weiter nach Norden wandernde Alpenkörper hat sich dann vor etwa 20 – 10 Ma weit über Teile der nördlichen Molassesedimente geschoben und diese Sedimente abgeschert und verfaltet (Aufgerichtete Vorlandmolasse, Faltenmolasse). Dabei wurde der Molassetrog weiter nach Norden abgedrängt. Von den Zentralalpen wirkte der Schub der Alpen unter dem nördlichen Molassekörper hindurch nach Nordwesten (Fernschub) und verfaltete vor etwa 10 - 2 Ma den Schweizer- und den Französischen Jura. Die Abscherungsflächen und Gleitschichten für diese Fal-tung waren die relativ weichen und mobilen Sulfat- und Salzschichten aus der Trias-Zeit (Abb. 38b). Vor 15 Ma wurden die Kettengebirge im Nahen Osten aufgefaltet und das Rote Meer zwischen Afrika und Arabien riss auf. Afrika und die Anatoli-sche Mikroplatte kollidierten mit Vorderasien und das Tethysmeer wurde endgültig geschlossen. Das heutige Mittelmeer ist ein Restmeer des südwestlichen Tethysmeeres. Aus dem nördlichen Teil entstand die Paratethys, von der heute das Schwarze Meer und das Kaspische Meer übriggeblieben sind. Vor 10 - 7 Ma begann im gesamten Alpenraum einschließlich der vorgelagerten Becken eine langsame statische Hebung, eventuell mitverursacht durch die Ablösung eines Teils der in den Erdmantel hängenden Lithosphärenplatte. In den letzten 5 Ma hoben sich die Alpen stellenweise um etwa 1000 m. Vor 6 - 4 Ma ist durch die tektonisch und klimatisch verursachte Schließung der Straße von Gibraltar, es war damals mehr Eis an den Polen deponiert und der Meeresspiegel lag tiefer, das Mittelmeer einige Male ausgetrocknet und es haben sich mäch-tige Steinsalzschichten in den tiefen Meeresbecken gebildet (Messinische Salinitätskrise). Der große Süßwassersee im Pannonischen Becken trocknete vor 4 Ma aus. Der starke Nordschub der Alpen hat in Europa in Verbindung mit dem schwächeren Schub der nordatlantischen Riftzone bei Island auch zur Bildung der Grabenbrüche in der Nordsee, des Nie-derrheingrabens, des Rhone-Bresse-Grabens und des Oberrheingrabens mit der Heraushebung von Vogesen und Schwarz-wald beigetragen. Diese Gräben sind der Beginn des Auseinanderbrechens von Europa. Auch die Bildung vieler tektoni-scher Strukturen in Baden-Württemberg, z.B. Mulden- und Sattelstrukturen bis hin zu Verwerfungen, Schichtverbiegungen, Gesteinsklüfte und die Erdbebentätigkeit in Baden-Württemberg wurden vom Nordschub der Alpen verursacht oder beein-flusst.

90

vor ca. 300 Ma

N(NW)

Apulisch-Afrikanische Platte Ur-Europa

Helvet. Schelf Penninischer Ozean Ost- und Südalpiner Schelf

Erdmantel

Teil von Pangäa S(SE)

München

Wien

Mailand

Erdkruste

Sedimentationsräume: Helvetikum Penninikum Ostalpin und Südalpin

1000 km

200 km

Auftrieb

Valais-

Trog Piemont-Becken

Vardar-Meer Brianconnais

Ur-Europa Ur-Afrika

Tethys-Ozean

Divergenz, Riftbildung

Konvergenz

Subduktion

Schwarz- wald Aar-

Gotthard-

Massiv

Abb. 37: Profilschnitte und Blockbilder mit der Abfolge der Entstehung der Alpen. Die starke Verkürzung der ursprünglichen um die 1000 km breiten, alpinen Sedimentationsräume auf etwa 100 - 200 km durch den Schub der Afrikanisch-Apulischen Platten ist gut zu erkennen. In den Sedimentationsräumen Helvetikum, Penninikum, Ostalpin und Südalpin wur-den z.T. zeitgleich mächtige Sedimente und Magmatite abgelagert. Die dann zu Gesteinen verfestigten Ablagerungen wurden während der Alpenbildung zu unterschiedlichen Deckensystemen übergeschoben, gefaltet, z.T. in große Tiefe versenkt und dort metamorph verändert. Nach ihrer isostatischen Heraushebung aus dem Meer stellen diese Gesteinsserien heute die tektono-lithologischen Großeinheiten der Alpen dar (Abb. 38a - d, 39). Grafiken z.T. dreidimensional und farbig umgezeichnet und ergänzt nach B. Lammerer (1991), Wege durch Jahrmillionen. Verlage Tappeiner und J. Berg.

Wichtige Vorgänge bei der Bildung der Alpen und anderer, vergleichbarer Gebirge: 1) Plattentektonische Bewegungen mit Krustendehnung (Divergenz, Ausdünnung) und Absenkung (Subsidenz). Rift- und Ozeanbildung, mit Magmatismus und mit Bildung von neuem, basaltischem Meeresboden. Mächtige Sedimentation, v.a. in den randlichen Flachmeeren. 2) Weitere Plattenbewegungen, nun aber mit Krustenverkürzung (Konvergenz) und mit Kompression der Gesteine. Teilweise Versenkung von schwerem Ozeanboden (Subduktion) mit Umwandlung und Aufschmelzung der Gesteine in der Tiefe, Vulkanismus. 3) Kontinentalkollision mit weiterer und starker Kompression der Gesteine. Tiefes Einsinken der abgelagerten Gesteine in den Erdmantel mit Aufschmelzung, Metamorphose, Faltung und Überschiebung der Gesteine. 4) Isostatische Heraushebung der mächtigen Ablagerungen aus dem Meer. Schneller Aufstieg zum Hochgebirge, Verwitterung, Abtragung und Ablagerung der Schuttmassen in den sich bildenden, tiefen Molassebecken am Rande des Gebirges. 5) Während der Kaltzeiten tiefgreifende morphologische Umgestaltung des Alpengebirges und der Vorländer (Kap. 6.6).

Kontinentalkollision,

Heraushebung gebirgiger

Inselketten

Breite Heraushebung aus

dem Meer und Abtragung, Ablagerung in der Molasse

Geringe Hebung,

Vergletscherung,

Abtragung

Absenkung,

Sedimentation

Subduktion

Ausgangslage

91

Bis zu 6 mm/a im Gebiet bei Udine (Friaul, Italien).

NNW Schwarzwald Schweizer Mittelland West- (Zentral) Alpen Süd-Alpen Poebene SSE

Waldshut Baden Luzern Engelberg Novara

Feldberg Rhein Lägernkette Lindenberg Vierwst.-See Buochserhorn Tessin Lago Maggiore

Abb. 38: Geologisch-tektonischer Profilschnitt zur Zeit der beginnenden Einengung des Penninischen Ozean vor ca. 140 Ma. Der überhöhte und schematische Profilschnitt zeigt ergänzend zu Abb. 33 die alpinen Sedimentationsräume zwischen Ur-Europa und Ur-Afrika mit deren Ablagerungen kurz nach der größten Ausdehnung des Penninischen Ozeans zur Kreide-Zeit vor etwa 150 Ma. Die weißen Pfeile zeigen das Auseinanderdriften der Kontinentalplatten unter Bildung von basaltischem Meeresboden. Die graue Linie und Pfeil zeigen die zur Zeit der Mittleren Kreide gerade entstehende Subduktionszone durch den beginnenden Nordschub der Apulisch-Afrikanischen Platte (aktiver Kontinen-talrand). Der Penninische Ozean begann sich nun wieder zu schließen. Die unterschiedlichen Farben kennzeichnen die unterschiedlichen Abla-gerungsräume.

Abb. 38b: Geologisch-tektonische Profilschnitte der West-(Zentral)-Alpen in der Schweiz und in Italien in heutiger Zeit.

Die oben ca. 2-fach und unten ca. 4 -fach überhöhten und schematisierten Profilschnitte zeigen die tektonische Gliederung der Alpen mit den Gesteinen aus den unterschiedlichen Sedimentationsräumen und die kristallinen Massive in heutiger Zeit. Die blauen Pfeile veranschaulichen die Überschiebungen der gefalteten Sedimente durch den Schub der Apulisch-Afrikanischen Platte. Das Helvetikum hat die Molasseschichten zum Teil weit überfahren, abgeschert und verfaltet und im Nordwesten wurde der französisch-schweizer Jura durch Fernschub gefaltet. Die hier als Ostalpin dargestellten kontinentalen Gesteine der Dent-Blanche-Decke und der Sesia-Zone (Inselbereiche im Meer) werden von manchen Auto-ren ins Südpenninikum oder ins Südalpin gestellt. Die "Periadriatische Naht", hier mit der Insubrischen Linie, trennt die Zentral- und Ostalpen von den Südalpen. An dieser Naht haben sich die Südalpen etwa 50 - 100 km nach Westen verschoben und die Zentralalpen haben sich gegen-über den Südalpen um mehrere Kilometer gehoben. Südalpen und Nordalpen waren damit getrennt. Das führte dazu, dass heute nördlich kris-talline Gesteine an der Oberfläche liegen, während südlich auch Sedimente auftreten. Das Periadriatische Lineament existierte schon vor der Alpenbildung und wurde alpidisch reaktiviert. Die gestrichelten Bereiche über der Gipfelflur wurden im Zuge des Aufsteigens der Alpen aus dem Meer erodiert und hauptsächlich in den Molassebecken abgelagert.

Abb. 38a: Schema der tektonischen Großeinheiten der Alpen in heutiger Zeit. Der ca. 1,5-fach überhöhte und schematische Profilschnitt für den Bereich mittlere bis östliche Schweiz (Rheintal) zeigt die Überschiebungen der Gesteinsdecken nach dem Zusammen-schub von ca. 1000 km auf ca. 100 - 200 km Breite. Die Fal-tungen und Überschiebungen haben innerhalb der Erdkruste bei etwa 200 - 300 °C stattgefunden. In der Realität wurden die Gesteine nach dem Herausheben aus dem Meer schnell abgetragen, so dass die Darstellung nur eine theoretische Höhe ohne Abtragung zeigt. Die summierte Gesamthöhe der Heraushebung beträgt 20 – 30 km. In früherer Zeit haben die Gipfel der Alpen vermutlich wie heute 3000 - 5000 mNN Höhe erreicht. Heute ist der Mt. Blanc mit 4810 mNN der höchste Gipfel. Grafik mit Darstellungen nach: S.M. Schmid, M. Frey, N. Froitzheim, R. Heilbronner & H. Stünitz (eds.) (1996): Alpine Geology. Eclogae geol. Helv., 89/1

N Europäischer Kontinent und Schelf Nordpenninischer und Südpenninischer Ozean Apulischer und Afrikanischer Schelf S

Rheinisches Festland Helvetikum Penninikum Ostalpin Südalpin

Passiver Kontinentalrand Karbonatplattform Valais-Trog Brianconnais Schwelle Piemont-Ligurisches Becken Tief- und Flachschelf, teils Meer, teils Land

Lagunen, Korallenriffe, Kalke Tiefseesedimente Tiefseesedimente Kalke, Korallenriffe, Lagunen Dolomiten

(nördliche Kalkalpen)

ca. 1000 km

Flysch, Tiefseetone und -kalke,

Radiolarite, ophiolithische Basalte

Variszisches Aar- Gotthard-

Grundgebirge Massiv

UR-EUROPA

APULIA

Flysch,

Basalt

Klastische und marine Sedimente des ehem. Germanischen Beckens aus den Zeiten von Perm, Trias und Jura

Subduktion

UR

-AFR

IK

A

Sesia-Zone (kontinentale Kruste)

Ivrea-Körper (Oberer Erdmantel) Ivrea-Zone (Unterkruste) Serie dei Laghi (Oberkruste)

NW Walliser-Alpen SE

Insubrische Linie des

Periadriatischen Bruchsystems

Dt. Blanche Matterhorn Breithorn

ca. 50 km

Sion

Rhone

Ostalpin

S ü d a l p i n

Mt. Rosa Massiv

P e n n i n i k u m

Ostalpin

Mt. Blanc-Massiv

Biella

4000

2000

0 mNN

Helvet.

Dt. Blanche-Decke (kontinent. Kruste)

Südpenninikum (ozean. Kruste)

2 -fach überhöht

Lage der Faltungen und Überschiebungen: nordvergent südvergent

Tonale-Linie des Periadriatischen Bruchsystems

Ostalpine

Decken Engadiner Linie

10

0

-10

-20

-30

-40 kmNN

N S

Penninische

Decken

Südalpin

Europäische Platte

Apulische Platte

Aar- Gotthard- Massiv

Helvetische

Decken

Molasse

Europ. Oberkruste

Unterkruste

Erdmantel

MOHO

Bergell

ca. 200 km

Gruf

Bündner Schiefer Misoxer- Zone

Arosa-Decke

Zone- Houilleres/Pontis

Valaisian

Siviez-Mischabel-D. (Mt.-Fort-D.)

Tsaté- und Cimes- Blanches-D. (Combin Z.)

Zermatt-

Saas-D.

Pic d´Artsinol

Dt. de Veisivi

Corno Bianco

Apul. Oberkruste

Unterkruste

Erdmantel

Plata-Decke Avers-D. Suretta-D. Tambo-D. Adula-D. Simano-D. Lucomagno-D.

Orobische Decken

0,1 mm/a

Altkristallin Gneise, Granite

Europäische Platte Apulisch-Afrikanische Platte

Variszischer Gebirgsrumpf

Gneise, Granite Aar- Gotthard-Massiv Magmatite, Granite, Metamorphite

Karbonate, Quarzporphyr

Hebung 0,3 - 1,8 mm/a Erosion 0,2 – 0,4 mm/a

Junge Magmatite

ca. 150 km

Insubrische Linie

Flysch

Südalpin

Metamorphite, Plutonite, Vulkanite

Aargau

Molasse

Titlis Furka V. Bedretto V. Vigezzo

Penninikum Kristallin, Ophiolite, Sedimente

Ivrea- Zone

Molassebecken O

sta

lpin

Permo-

karbon Autochton

Trias Falten- jura

4000

2000

0

mNN

Helvetikum Sedimente, Kristallin

Strona-Ceneri-Z.

4 -fach überhöht

1,5 -fach überhöht

92

Abb. 38e: Geologisch-tektonischer Tiefenschnitt Südwestdeutschland - Alpen - Norditalien. Der nicht überhöhte Nord-Süd-Schnitt zeigt das Abtauchen der Europäischen Erdkrustenplatte unter die Afrikanische Platte im Bereich des zentralen Alpenraumes. Im westlichen und östlichen Alpenraum verhält es sich umgekehrt. Dort taucht die Afrikanische (Apulische) Platte unter der Europäischen Platte ab. Aktuelle Forschungen lassen vermuten, dass der "Sporn" der abtauchenden Europäischen Platte diese aufgrund seines Gewichts zunächst in die Tiefe gezogen hat. Das hat zur Bildung des tiefen Molassebeckens beigetragen. Ein möglicher Abriss des Sporns im Erdmantel hat dann den Aufstieg der Platte mitsamt den leichteren und deswegen isostatisch auf-steigenden Alpen unterstützt. Die Schubkräfte der Afrikanischen Platte spielen beim Aufstieg der leichteren Gesteine zu einem Gebirge eine geringere Rolle, als bisher angenommen wurde (Schlunegger & Kissling, Nature, Okt. 2015). Grafik ergänzt aus O.F. Geyer & M.P. Gwinner (2011): Geologie von Baden-Württemberg. 5. Aufl., Schweizerbart, Stuttgart.

Europäische Platte

Apulisch-

Afrikanische

Platte

5

"Sporn"

Abriss?

Abb. 38d: Geologisch-tektonischer Profilschnitt durch das westliche Allgäu und die Lechtaler Alpen. Der Schnitt oben zeigt die Situation zur Zeit der Späten Kreide vor ca. 90 Ma. Verursacht durch die Subduktion von Ozeanboden infolge der Bewe-gung der Apulisch-Afrikanischen (Adri-atischen) Platte nach Norden schließt sich der Penninische Ozean. Die mäch-tigen Ablagerungen am Meeresboden werden verfaltet, überschoben und z.T. auch in den Erdmantel subduziert. Der Schnitt unten zeigt die heutige Situation. Links von Norden die Vor-landmolasse mit der Aufgerichteten Molasse und die Faltenmolasse. Nach Süden folgen Rhenodanubischer Fly-sch (Nord- bzw. Unterpenninikum, Valais-Ozean), Helvetikum (Säntis-Decke), wieder Rhenodanubischer

Flysch, die geringmächtige penninisch-unterostalpine Arosa-Zone und die breiten Überschiebungsdecken der Nördlichen Kalkalpen, die zum Oberostalpin gehören. Der Vergleich der Horizontalmaßstäbe an den Profilen zeigt die starke Verkürzung durch den Zusammenschub der Gesteine im Zuge der Alpenbildung. Auf Abb. 39a ist die Schnittlage eingezeichnet. Grafik: Bayerisches Landesamt für Umwelt, www.lfu.bayern.de/geologie/geologie_bayerns/tektonik/alpen/index.htm

Abb. 38c: Geologisch-tektonischer Profilschnitt der Ost-Alpen in heutiger Zeit. Der ca. 1,5-fach überhöhte und schematische Profilschnitt etwa entlang der Linie München - Großvenediger - Venedig zeigt den Aufbau der Ostalpen und des tieferen Untergrun-des nach der Gebirgsbildung. Die Lagen der Profilschnitte sind in Abb. 39a eingezeichnet. In manchen Veröffentli-chungen wird das Tauern-Kristallin ins Penninikum gestellt (Abb. 36a, 39a). Grafik umgezeichnet, verändert und ergänzt nach O.A. Pfiffner (2015): Geologie der Alpen. 3. Aufl., utb.

PL = Pustertal-Linie des Periadriatischen-Bruchsystems

Europäische Oberkruste

Unterkruste

Erdmantel

EO

EU

Autochtones

Mesozoikum

MOHO

N Vorland Nördliche Kalkalpen Tauern-Fenster Dolomiten Po-Ebene S

Europäische Platte

Apulische Platte

Molasse (Ultra)-Helvetikum Oberostalpin Oberostalpines Kristallin, Intrusiva

Nord-Penninikum Süd-Pennin. Südalpin

(Flysch)

0

-10

-20

-30

-40

-50

kmNN

ca. 210 km

PL

Apulische Oberkruste

Unterkruste

Erdmantel

Apulische Platte

Quarzphyllit Sedimente

Sedimente Quarzphyllit

Allgäu-, Lechtal-, Inntal-Decke

Grauwacken- Zone

Schieferhülle,

Zentralgneise

(Helvetikum)

1,5-fach überhöht

1,4-fach überhöht

93

Abb. 39, 39a: Karten der geologischen und der tektonischen Gliederung der Alpen. Die Karte oben zeigt die geologische Gliederung der Alpen. Die Karte unten zeigt die tektono-lithologischen Bauelemente in den Alpen, die im Wesentlichen in den ehemaligen Sedimentationsräumen "Helvetikum, Penninikum, Ostalpin und Südalpin" entstanden sind. Die nach Norden gewanderte Apulische Platte dreht sich heute noch mit einem halben Grad/Mio. Jahre gegen den Uhrzeigersinn um einen Punkt bei Turin. Der größte Schub dieser Platte wird heute nördlich von Udine in Friaul, Italien mit etwa 6 mm/a gemessen. Das ist auch die erdbebenreichste Region der Alpen. Grafik ergänzt aus: Zeitschrift "bergundsteigen" 2/12, ergänzt nach O.A. Pfiffner, 2010. Geologie der Alpen. 2. Aufl., utb.

Periadriatisches Bruchsystem (von West nach Ost: Canavese-Linie, Insubrische-Linie, Tonale-Linie, Judicarien-Linie, Pustertal-Linie, Gailtal-Linie, Karawanken-(Drau)-Linie, Save-Linie).

Heutiger Drehpunkt der Apulischen Platte bei Turin, ½ Grad je Mio. Jahre, 6 mm/a in Friaul.

Grafik, ergänzt aus: Vortrag von R. Regner, Kleine Geologie der Alpen, Bayreuth, 2018. © wissenmedia, wissen.de

Schnitte Abb. 38b

Friaul

Schnitt Abb. 38d

Ostalpin

Nordalpines Molassebecken

Pannonisches Becken

A.G.

(Holozän,

Pleistozän)

91

N

N

Südalpin

Penninikum

Penninikum

Südalpin

Ostalpin

Ostalpin

Dinariden

Südalpines Molassebecken

(Paläogen)

Penninikum

Schnitt Abb. 38c

Schnitt Abb. 38a

Falten-

Jura

94

Abb. 40: Blockbild der tektonischen Einheiten der Alpen in heutiger Zeit Die Darstellung zeigt ein vereinfachtes Blockbild mit den tektonischen Einheiten der Alpen. Der Blick geht von Westen nach Osten. Grafik ergänzt aus: K. Stüwe & R. Homberger (2015): Die Geologie der Alpen aus der Luft. – Weishaupt-Verlag.

Heutige

Schubrichtung

6 mm/a

Frankreich

Bayern

Österreich

Schweiz

Italien

Slowenien

Kroatien

Ungarn

Grenoble

N

(TF = Gneiskerne und Granite des Tauernfensters)

)

TF

Unterkruste

Oberkruste

95

Abb. 41: Tektonische Übersichtstabelle der Schweizer Alpen. Quelle: Geologie des Kantons Uri, Naturforschende Gesellschaft Uri - Bericht Nr. 24, Altdorf 2011. Die Tafel, die man am besten von unten nach oben liest, zeigt die zeitlichen Abläufe der wichtigsten Vorgänge im Zusammenhang mit den Kontinentalverschiebungen, den Meeresbildungen, den Sedimentablagerungen und der Gebirgsbildung im alpinen Raum.

96

Abb. 42: Zeittafel der Alpenbildung. Die Tafel, die man am besten von unten nach oben liest, zeigt die zeitlichen Abläufe der wichtigsten Vorgänge im Zusammenhang mit den Kontinentalverschiebungen, den Meeresbildungen, den Sedimentablagerungen und der Gebirgsbildung im alpinen Raum.

Orange Balken = Hauptfaltungen der Alpen. Endgültige Heraushebung der Alpen mit ca. 8 mm/Jahr. Füllung der Molassebecken am Nord- und Südrand der Alpen. Überfahren und Faltung eines Teils des nördlichen Molassebeckens durch die helvetischen Decken.

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6.6 Die Alpen vom Eiszeitalter bis heute Die Alpen, wie wir sie heute sehen, wurden v.a. in den vergangen 35 Ma zeitweise mit bis zu 8 mm/Jahr gehoben und durch Abtragung und durch Gletscher morphologisch geformt. Die größeren Hebungsphasen sind aber schon seit 5 Ma vorbei. Heu-te heben sich die Alpen noch mit 0,3 -1,8 m/Jahr. Im Eiszeitalter (Pleistozän) seit 2,6 Ma und v.a. während der vergangenen 1 Mio. Jahren wurden während der Kaltzeiten immer wieder große Schneemengen in den Alpen abgelagert, die sich zu Eis verdichtet haben. Diese Eismassen haben sich mehrfach als breite und über 1000 m mächtige Gletscherströme aus den Tä-lern der Alpen heraus bis weit in die Vorländer geschoben (Abb. 48). Das Rohnetal im Unterwallis wurde dabei bis auf 500 unter den Meeresspiegel ausgeschürft und nacheiszeitlich mit Schotter verfüllt. Diese hochglaziale Phase hat in der Würm-Kaltzeit von ca. 30.000 bis ca. 18.000 Jahren angedauert. In den Alpen ragten dann nur noch die höchsten Gipfel aus dem Eis. Die niedrigen Temperaturen haben zu einer verstärkten Frostverwitterung und zu einer starken Auflockerung der Felsgestei-ne beigetragen. Durch den Schub der Gletscher von z.T. mehreren Metern/Tag durch die Alpentäler bis in die Vorländer wur-de viel Gesteinsmaterial abgetragen und als Gesteinsschutt, Steine, Kies, Sand und Schluff im Eis und auf dem Eis wegtrans-portiert. Das Gemisch aus Gletschereis und Schutt hat die Gesteine v.a. an den Talflanken abgehobelt und die V-förmigen Täler der Wassererosion zu den U-förmigen Tälern der Gletschererosion verbreitert und vertieft. Die heutigen schroffen Ge-birgslandschaften mit scharfen Graten, tiefen Karen, steilen Bergflanken und übertieften Tälern sind hauptsächlich durch die Erosion der Gletscher, durch die Frostverwitterung während der Eiszeiten und durch das Auftauen des Permafrostes nach dem Rückzug der Gletscher geformt worden. Die mächtigen Schuttabtragungen wurden von den Gletschern bis weit in die Vorländer am Rande der Südalpen und in Süddeutschland stellenweise bis zur Donau transportiert. Sie wurden dort als weit-geschwungene, kuppige Moränenzüge und als langgezogene, ebene Schotterflächen abgelagert. Diese Ablagerungen haben das Voralpenland in eine Akkumulationslandschaft umgestaltet und geprägt. Am Alpenrand entstanden von den Gletschern übertiefte Becken, die nach dem Rückzug der Gletscher mit Schottern, Moränen und Torf verfüllt wurden oder sich zu Seen und Mooren entwickelt haben, z.B. Bodensee, Federsee, Genfer See und Gardasee. Von den Gletschern herabwehende, kalte Fallwinde haben feinsten Staub aus den abgetrockneten und kahlen Schotterfluren und aus den breiten Schotterflächen des Oberrheingrabens bis weit in die eisfreien Steppen und Tundren Süddeutschlands getragen und dort als Lössdecken abgela-gert. Nach dem Rückzug und Abschmelzen der Gletscher in den Alpen gegen Ende der Würm-Kaltzeit vor etwa 18.000 - 13.000 Jahren kam es durch den Wegfall des abstützenden Eises in Verbindung mit Starkregenereignissen und Erdbeben zu zahlreichen kleinen und großen Bergstürzen und zur Ausbildung von mächtigen Schuttfächern und Schuttablagerungen in den übertieften Alpentälern. Durch den Wegfall der Eislast auf dem Gebirge, etwa 62 Billionen Tonnen im gesamten Alpenraum, kommt es bis heute zu einer zusätzlichen Hebung der Alpen, ähnlich wie auch in Nordamerika und in Skandinavien. Aktuelle Untersuchungen vom Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam zeigen, dass das abgeschmolzene Eis für 90 % der aktu-ellen Hebung verantwortlich sein soll. Das heutige Gewässernetz und die Wasserscheiden wurden in den letzten 2 - 0,1 Mio. Jahren angelegt (Abb. 26). In früherer Zeit lag die Hauptwasserscheide der Alpen weiter südlich des heutigen Alpenhaupt-kammes und die Entwässerung erfolgte großflächig nach Norden in das nordalpine Molassebecken. Verursacht durch den bis heute anhaltenden Schub der Apulisch-Afrikanischen Platte kam es auch weiter entfernt von den sich bildenden Alpen in Süddeutschland zu einer verstärkten Bruchtektonik mit Schichtverbiegungen, Verwerfungen, Mulden und Sätteln. Auch die Erdbebentätigkeit in Baden-Württemberg findet hier ihre Hauptursache.

Nord

Kalte Gletscheroberfläche

mit starken Fallwinden

Alpen

Untere Meeresmolasse

Untere Süßwassermolasse

Obere Meeresmolasse

Nord

Ur-Rhein

1) Vor etwa 20 Ma

2) Würm-Kaltzeit vor etwa 20.000 a

Meer

Nord 3) Seit 15.000 Jahren bis Heute

Abb. 43: Blockbilder des nördlichen Alpenvorlandes Bild 1: Der Abtragungsschutt der rasch aufsteigenden und sich nach Norden schiebenden Alpen wird im absinkenden Alpenvorland der Schweiz, in Oberschwaben und in Bayern als sogenannte Molasse teils im Meer und teils in Fluss- und Seenlandschaften abgelagert. Bild 2: Während der Kaltzeiten schieben sich mächtiger Gletscher aus den Alpen bis weit in die flachen Vorländer. Es werden große Mengen an klastischen Sedimenten als kuppige Moränenzüge, Grundmoränen und als langestreckte Schmelzwasserrinnen abgela-gert (Akkumulationslandschaft). Beim Gletscherrückzug entstanden Seen und Moore. Starke Winde führten zur Auswehung von feinem Löss-Staub aus den Gletschersedimenten in die Steppe und Tundra. Bild 3: Die kaltzeitlichen Sedimentablagerungen prägen die Land-schaftsoberfläche im Alpenvorland. Das Bodenseebecken am Nord-rand der Alpen wurde vermutlich tektonisch angelegt und durch den Rheingletscher tief ausgeschürft (Bodensee-Amphitheater). Seit ca. 15.000 – 13.000 Jahren ist das Voralpengebiet eisfrei.

Löss-Staub

Grafik ergänzt nach Zweckverband Neuravensburger Wasserversorgungsgruppe. Aus Benz 2013.

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Abb. 45: Heutige Gletscher und Täler in den Alpen Links das Mer de Glace am Monte Blanc in Frankreich, rechts das Lauterbrunnental in der Schweiz. Das übertiefte U-Tal ist durch die Erosion der Gletscher entstanden. Fotos aus K. Stüve und R. Homberger (2017) Die Geologie der Alpen aus der Luft. -- 5. Auflage. Weishaupt Verlag, Gnas, CH.

Abb. 44: Karte des Bodensee-Vorlandgletschers im Hochglazial der Würm-Kaltzeit. Die Grafik zeigt die Gletscher der Schweizer Alpen (blau) und links Teile des Illergletschers, die sich am Höhepunkt der Würm-Kaltzeit bis weit in das Alpenvorland von Baden-Württemberg und Bayern geschoben haben. In den Alpen haben nur noch die höchsten Gipfel aus dem Eis herausgeragt. Die Höhenlinien geben die Lage der Gletscheroberfläche in Meter über Normal-Null an. Grafik von O. Keller, ergänzt, aus: Kommission Kultur der Internationalen Bodenseekonferenz 1998.

Nord Deutschland

Schweiz

Österreich

Überlingen

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6.7 Die Folgen der „Kleinen Eiszeit“ in den Alpen Seit der Mensch die kohlenstoffhaltigen Bodenschätze - Öl, Gas, Braun- und Steinkohle - der Erdkruste intensiv nutzt, stieg der Kohlendioxidgehalt in der Erdatmosphäre in 150 Jahren von 280 ppm auf 410 ppm an. Das sind heute 0,041% CO2 in der Luft. Nahezu parallel dazu kam es in diesen Jahren zu einem Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatu-ren um etwa 1 – 1,5°C. Vor etwa 150 Jahren, also mit dem Beginn der industriellen Revolution, endete auch eine Klima-periode, die „Kleine Eiszeit“ genannt wird. Diese Periode begann nach dem "Mittelalterlichen Klimaoptimum" im 15. Jahrhundert, hat zu großen Problemen bei der Nahrungsmittelversorgung der damaligen Bevölkerung geführt und war auch für Seuchen und Auswanderungswellen verantwortlich. Die Alpengletscher haben sich nach ihrem Rückzug im Mit-telalter wieder vergrößert, sind viel Kilometer weit in die tiefen liegenden Täler gewandert und haben kleine Siedlungen gefährdet und Nutzland überfahren. Durch den heutigen Gletscherrückzug findet man die Relikte der damaligen Zeit. Wenn man den Temperaturanstieg der Erde in den vergangenen 150 Jahren diskutiert, darf man nicht übersehen, dass die heutigen, höheren Temperaturen aus dem Klimatief der Kleine Eiszeit kommen, und dass es in den Jahrtausenden zuvor auch einige wärmere Klimaphasen mit Gletscherrückzügen bis in große Höhen gab, z.B. die Römerzeit vor 2.000 Jahren und das Atlantikum vor 6.000 – 9.000 Jahren. Hier muss auch kurz darauf hingewiesen werden, dass der Mensch nach dem Ende der Würm-Kaltzeit vor 12.000 Jahren nach und nach große Teile der Wälder in den gemäßigten Breiten der Nordhalbkugel abgeholzt hat. Ganz Europa, Nord-asien und Nordamerika waren früher Wald-, Busch- und Sumpfland. Heute sind der Mittelmeerraum, Frankreich, Irland, England und Teile der osteuropäischen Länder großteils waldfrei. Den Mittleren Westen der USA und Kanadas haben schon die Ureinwohner durch Brandordnung in eine Grassteppe verwandelt. Der folgende Text ist ein Auszug aus Markus Kaiser (2009): Zur Geschichte des Landschaftswandels im Alpenrhein. Teil 3: Die Folgen der Kleine Eiszeit. In: Mario Broggi (2009), (Hrsg.) Natur und Landschaft im Alpenrheintal. Von der Erdgeschichte bis zur Gegenwart. Verlag der Liechtensteinischen Akademischen Gesellschaft, FL–9494 Schaan. Markus Kaiser war bis zur Pensionierung 2008 Archivar im Staatsarchiv von St. Gallen. Die Folgen der kleinen Eiszeit Seit dem 16. Jahrhundert wurde das Klima instabil, die sogenannte «Kleine Eiszeit» begann. Feuchtkühle Perioden waren häufiger. Kälteeinbrüche brachten im Frühjahr oft ungewöhnliche Schneemengen. Extremniederschläge verursachten Hochwasser, besonders nach nasskalten Sommern. Überschwemmungen häuften sich von 1560 bis 1580, in den 1760er Jahren und vor allem im 19. Jahrhundert. Untersuchungen in den Pyrenäen erklärten Ende des 18. Jahrhunderts – in Un-kenntnis der Klimageschichte – die Entwaldung der Berggebiete verursache Überschwemmungen und Erosion. Auf Deutsch erschien diese Theorie 1828. Zufällig begann kurz danach eine lange Serie alpiner Hochwasser. Das machte die Deutung zur anerkannten Lehre. Sie spielte beim Entstehen der Forstdienste und -gesetze eine wichtige Rolle. Die moder-ne Klimaforschung relativiert diese Lehrmeinung. Sie stellt fest: Hochwasser sind «primär durch natürliche Klimavariatio-nen bedingt und stehen nicht in erkennbarer Weise mit menschlicher Tätigkeit in Zusammenhang». Zwar konnte nach dem Abholzen örtlich Erosion auftreten. Weil man aber ausgewachsene Bäume schlug, blieb der Unterwuchs erhalten: Er bewahrt den Boden in erster Linie. Wo man den Wald aber in Wiesen und Weiden umwandelte, schützte die sorgfältige traditionelle Nutzung vor Erosion. Es waren vielmehr die Feuchtperioden, welche die Erosionskraft steigerten. Alle ge-schiebeführenden Wildbäche entwässern instabile Gebiete. Dort verhindern auch intakte Wälder nicht, dass Hänge rut-schen. Die Folgen veränderten die Talböden. Geschiebe füllte die Flussbetten. Die Flüsse brachen öfter aus und drohten ihren Lauf zu verlegen. Jedes Rheinhochwasser staute die Zuflüsse; 14 Prozent der Ebene lagen im Rückstaubereich. We-gen des höheren Normalwasserstands stieg das Grundwasser. Rheinnahes Land vernässte, was im 19. Jahrhundert zum Hauptproblem der Rheindörfer und ihrer Landwirtschaft wurde. Um 1860 beobachtete man in Haag, «dass die Obstbäu-me in großer Menge absterben und auf ausgedehnten Strecken nur Streue fortkommt, wonoch vor 10 oder 15 Jahren der üppigste Mais wuchs». Je mehr man die Flussbette einengte, umso mehr erhöhten sie sich, und je näher am Rhein die Neugüter lagen, desto gefährdeter waren sie. 1854 lesen wir: «Fortan wirkten die Ausbrüche weit verderblicher und ver-heerender, indem die ufereinbrechenden Gewässer jetzt fruchttragende Äcker und Heuwiesen fanden, wo sie früher mit Wuhrholzarten bestockte Auen oder nur Weideflächen vorgefunden hatten.» Die Rheingemeinden versuchten, ihre Güter mit Wuhren aus Holz, Steinen und Faschinen zu schützen. Landvogt Daniel Vögelin von Sax schrieb 1776, Wuhrwerk sei härteste, mühseligste Arbeit, mit «Angst und Schweiss erstritten» und ver-schleisse die Kräfte von Menschen und Zugtieren. In den nassen 1760er-Jahren wandten die Dörfer unterhalb von Kries-sern dafür die halbe Arbeitszeit auf. Im letzten Abschnitt der «Kleinen Eiszeit» lösten Nässephasen und Überschwemmun-gen die Korrektionen aus. In den kühlfeuchten 1760er-Jahren erkannte man die Probleme, was zu regionaler Zusammen-arbeit und zur Linthkorrektion führte.

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Den «Eiszeitsommern» von 1812 bis 1822 folgten erste Projekte und zwischenstaatliche Regelungen. Die nassen Jahre 1846–1856 und die Katastrophen von 1868 in der Schweiz und 1888 in Vorarlberg lösten Gesetze über Wasserbau und Forstwesen, deren Finanzierung und die internationale Einigung über die Rheindurchstiche aus. Die erste dieser Phasen begann mit einem Einzelereignis.Vom 8.bis 11. Juli 1762 fielen von der Zentralschweiz bis ins Tirol gewaltige Regenmen-gen und führten zur grössten Überflutung der letzten 300 Jahre. Ungeheure Schuttmassen hoben die Flusssohle der Linth bei Ziegelbrücke. Der Spiegel des Walensees erhöhte sich auf Dauer, Ursache chronischer Probleme vor allem in Weesen und Walenstadt. Über alle Orte am Talrand brachen Rüfen herein, in Ragaz, in Mels, Flums und anderswo. Die Bedeutung der Katastrophe wog schwer: Nun wurden Hochwasser- und Versumpfungsprobleme akut.

Abb. 46: Alpenrhein Oben: Das Foto zeigt den Tagliamento bei San Daniele (Friaul) – der letzte große naturnahe Wildfluss im Alpen-bogen. Man kann sich so die Situation des Alpenrheins vor den Eingriffen durch den Menschgen vorstellen. Unten: Das Foto zeigt den Alpenrhein bei Sennwald (SG) nach der Regulie-rung. Im bewaldeten Teil finden sich noch heute gewaltige Sturztrümmer Quelle: Markus Kaiser: Zur Geschichte des Landschaftswandels im Alpen-rhein. Teil 3: Die Folgen der Kleine Eiszeit. Quelle: Mario Broggi (2009), (Hrsg.) Natur und Landschaft im Alpenrhein-tal. Von der Erdgeschichte bis zur Gegenwart. Verlag der Liechtensteini-schen Akademischen Gesellschaft, FL–9494 Schaan und Internetportal Alpenrhein.