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    Psychologisches Institut der Universitt Heidelberg

    Geschichte der Psychologie

    Prof. Dr. Joachim Funke:Tel: 06221-54-7388 (Sekretariat Frau He)Raum A028 (Alte Anatomie)Sprechstunden im Semester: Di 14:00-15:00 & Do 14:00-15:00Email: [email protected] dieses Skripts:http://atp.uni-hd.de/lehre/Geschichte.pdf

    Hinweis:Die nachfolgenden Folien decken den in der Vorlesung behandelten Stoffbereichab. Sie sind keine erschpfende Darstellung des Themenbereichs.Der Besitz des Skripts entbindet nicht von der Picht, die Veranstaltung zubesuchen :-)

    Version: 31.01.2007

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 3 -

    1 Psychologie-Geschichte: GrundlegendeVorberlegungen

    Psychologie-Geschichte ist kein Prfungsfach ... es gibt keinen Schein...

    Also als Erstes:

    Warum berhaupt Psychologie-Geschichte? Welche Methoden stehen bereit?

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 5 -

    Drei Beispiele fr falsche Geschichtsdarstellung

    nach Lck (1991, S. 13f.): Fehleinschtzung a):

    Psychologie hat im Dritten Reich einen Niedergang erlebt Fehleinschtzung b):

    Psychologie ist immer schonexperimentelle Psychologie gewesen Fehleinschtzung c): Psychoanalyse hat in Osteuropa/UdSSRkeinen Anklang gefunden

    alle drei Fehleinschtzungen werden auf den nchsten Seiten kurz erlutert!

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 7 -

    b) Ist Psychologie immer schonexperimentell gewesen?

    die Vter der experimentellen Psychologie ... ... haben sehr gern spekuliert und ihre nicht-experimentellen Anteile gezeigt: Gustav Theodor Fechner (1801-1887):

    hat unter dem Pseudonym Dr. Mises Satiren und Bcher mit mystisch-spekulativem Charakter publiziert

    Wilhelm Wundt (1832-1920): hat mehr als 20 Jahre an nicht-experimenteller Vlkerpsychologie gearbeitet

    John B. Watson (1878-1958): hat populrwissenschaftliche Abhandlungen und Utopien verfat, sein Programm

    des Behaviorismus aber kaum umgesetzt (wie Rilling, 2000, Amer. Psy. 55:301-312, schreibt, war Watsons Emotionstheorie sehr stark von Freud beeinut)

    nach dem 2. Weltkrieg ... ... wurde experimentelle Psychologie sogar als berholt angesehen undkonnte erst Ende der 50er Jahre in der BRD Fu fassen (Dominanzamerikanischer Forschung im Westen, russischer Forschung im Osten)

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 8 -

    c) kein Anklang der Psychoanalyse in Osteuropa/UdSSR?

    weitverbreitete Annahme: weitverbreitete Annahme, da es sich um eine deutsch-sterreichische

    Angelegenheit handelt, die spter nur in den USA begeistert aufgenommenwurde

    aber: auch in Ruland gab es eine Bltezeit der PA, in den ersten Jahren nach derOktober-Revolution

    47 Arbeiten von Freud wurden ins Russische bersetzt Lenin und Trotzki waren wohl mit Freuds Ideen vertraut Ende der positiven Bewertung erst durch Stalin und den Stalinismus

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 10 -

    Forschungsmethoden der Psychologie-Geschichte

    Quellenstudium! Primr-Quellen: Briefe, Dokumente! Sekundr-Quellen: Lebenserinnerungen! hermeneutischer Zirkel: Historische Quellen erhellen sich gegenseitig!

    Nutzung von Archiven! Passau: Institut fr die Geschichte der neueren Psychologie! Akron, Ohio: Archives of the History of American Psychology! Museen: z.B. Sigmund-Freud-Museen in Wien und London

    Spurensuche und nicht-reaktive Meverfahren! Materialverbrauch; Beschaffung von Apparaten; Nutzung von Rumen

    oral history (erlebte Geschichte)!

    Befragung von Zeitzeugen, Transkription der Bild-/Tonaufzeichnung mathematisch-statistische Verfahren! z.B. Zeitreihenanalysen der Mitgliederzahlen von DGPs, BDP, etc.; bibliometrische

    Analysen

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 11 -

    Zusammenfassung von Teil 1

    Psychologie-Geschichte: kein Schein-Fach, aber unabdingbar zum vertieftenVerstndnis

    wo wir heute stehen, ist das Ergebnis einer langen Wanderung verschiedene Methoden der Geschichtsschreibung

    Karl Popper:Geschichtehat keinen Sinn.Wir sind es, dieGeschichte einen Sinn geben knnen.

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 12 -

    2 Psychologie heute: der Ausgangspunkt

    Psychologie als Wissenssystem und als Wissenschaft Institutionen der Psychologie Stellung der Psychologie als Wissenschaft und Beruf

    Schnpug, W. (2004).Geschichte und Systematik der Psychologie. Ein Lehrbuch fr das Grundstudium(2. Auage). Weinheim: PsychologieVerlagsUnion, Kapitel 1: Psychologie an der Schwelle zum Jahre2000.

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 13 -

    2.1 Psychologie als Wissenssystem und als Wissenschaft

    Herrmann (1976): Wissenschaftler strukturieren ihr Feld nach Domnen (Angst, Wahrnehmung, Gedchtnis, Problemlsen, etc.) Paradigmen (Behaviorismus, Kognitivismus, Gestaltpsychologie, etc.)

    Psychologisches Wissen: Eine Kombination aus Domnen und Paradigmen

    ParadigmenDomnen Psychoanal. Behaviorism. Gestaltpsych. usw.

    Angst X X - ...Problemlsen - X X ...

    Krieg X - - ...etc ... ... ... ...

    Herrmann, T. (1976). Die Psychologie und ihre Forschungsprogramme . Gttingen: Hogrefe.

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 14 -

    Paradigmentheorie von Kuhn (1976/1962)

    Konzept der wissenschaftlichen Gemeinschaft (scientic community), diesich hinsichtlich zentraler Annahmen (Paradigmen) einig ist

    Bsp: gegenwrtiges Konzept der Informationsverarbeitungsmodelle Mensch als informationsaufnehmendes, -verarbeitendes und -abrufendes Wesen Computeranalogie: Eingabe, Verarbeitung, Ausgabe

    !

    Gigerenzer, G. (1991). From tools to theories: A heuristic of discovery in CognitivePsychology. Psychological Review, 98, 254-267. im Unterschied zu: Behaviorismus, Gestaltpsychologie,

    Bewusstseinspsychologie Unterscheidung von zwei Phasen:

    normalwissenschaftliche Forschungsperiode! Anomalien werden durch Einschrnkungen des Geltungsbereichs zunchst abgefangen

    revolutionre Forschungsperiode! wenn Anomalien unbersehbar gro und hartnckig werden, wird altes Paradigma

    durch neues abgelst! meist erkennbar daran, dass Lehrbcher neu geschrieben werden

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 16 -

    Psychologie als Geistes-, Sozial- und Naturwissenschaft

    durch Fragestellung wie auch Methodik zugeordnet... als Geisteswissenschaft:

    bei Auslegungs- und Sinnfragen wie! z.B. Bedeutung von Arbeit und Freizeit fr die Entwicklung und Zufriedenheit von

    Menschen

    als Sozialwissenschaft z.B. Untersuchung des Gesundheitsverhaltens via Fragebogen

    als Naturwissenschaft z.B. bei der Analyse von Wahrnehmungsprozessen mittels experimenteller

    Methoden z.B. Einsatz biophysikalischer Meinstrumente

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 17 -

    2.2 Institutionen der Psychologie

    Einrichtungen: Forschungsinstitute (z.B. MPI fr Kognitios- und Neurowiss, Leipzig) Praxiseinrichtungen (z.B. Verkehrspsychologischer Dienst des TV) Universittsinstitute (mit Hauptfach Psychologie: 45 in BRD, 5 in A, 6 in CH)

    Fachverbnde DGPs: ca. 2.200 akademisch ttige Personen (Promotion Voraussetzung) BDP: ca. 12.000 Berufsttige (von geschtzt 40.000 in BRD; weltweit 250.000) APA: ca. 85.000 Mitglieder

    Schwerpunkte der Berufsttigkeit und der Einrichtungen (Schorr, 1995):Fach Anteil

    Klinische Psychologie 79%ABO-Psychologie 10%Pdagogische Psychologie 6%Forensische Psychologie 1%Verkehrs-Psychologie 1%Sport-Psychologie 1%Markt- und Kommunik.-Psychologie 1%Sonstige 1%

    Praxiseinrichtung AnteilFreie Praxis 27%Beratungsstellen, Klinik 19%Kliniken und Reha-Kliniken 14%Psychiatrie 10%Unternehmen 5%Suchtberatung/-behandlung/Heime 5%Schulpsychologischer Dienst 2%Sonstige (z.B. Strafvollzug) 13%

    http://www.dgps.de/ http://www.bdp-verband.org/ http://www.apa.org

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 18 -

    Institutionen ff.

    Diplomstudiengang Seit 1941

    siehe http://www.psychologie.uni-heidelberg.de/cfg/instber-4b.html#IV-29 bundeseinheitliche Rahmenprfungsordnung (RPO) fr Grund- und

    Hauptstudium, Abschlu: Diplom Fachzeitschriften

    Ca. 200 genuin psychologische Fachzeitschriften weltweit ber 1200, plus 2500 aus Nachbardisziplinen

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 19 -

    2.3 Stellung der Psychologie als Wissenschaft und Beruf

    In BRD-Hochschullandschaft: 500 (von insg. 37.000) Universittsprofessuren Jhrlich 2000 (von insg. 110.000) Abschlussprfungen

    Diplom berechtigt zur Berufspraxis Psychotherapie-Praxis verlangt allerdings nach PsychTG weitere Zusatz-

    Qualikationen Berufsethische Verpichtungen

    regeln Beziehung zwischen Klient und Therapeut Verwendung geprfter Testverfahren Informationen ber Begrenzungen verfgbarer Arbeitsmethoden

    Objektive Datenauswertung ohne Auslassung/Verschleierung keine Werbung fr psychologische Dienste (z.B. keine Lobesschreiben vonPatienten, keine Erfolgsquoten-Werbung)

    http://www.dgps.de/dgps/kommissionen/ethik/

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 20 -

    Zusammenfassung von Teil 2

    Psychologie als Wissenssystem: Domnen und Paradigmen eigenstndige Einzeldisziplin mit allem, was dazugehrt weltweit ca. 250.000 Psychologen, davon 40.000 in D Diplom als Grundlage der Berufsausbung berufsethische Verpichtungen

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 21 -

    3 Antike: Griechenland und Rom(nach Schnpug, 2004, Kap. 2 und 3)

    Anfnge von Wissenschaft im allgemeinen Um 1000 vC Kultur der Ionier Stdtische Siedlungen mit Gewerbe, Handel, Verwaltung Handwerker: Holz-, Leder-, Metallverarbeitung

    Freie Knstler: rzte, Snger, Boten Drei Einstiege in die Wissenschaft:

    berwinden der Erfahrung vom Hier und Jetzt Eindringen in die Geheimnisse der Natur Grundstze und Regeln fr ein gutes Leben

    Weltkarte des Herodot

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 22 -

    Ausbreitung der ionischen Kultur (1000-700 vC)

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 24 -

    Stammbaum griechischer Gtter

    http://www.ancientgreece.com/mythology/mythology.htm

    ... und warumZeus der Gttervater genannt wird...

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 25 -

    Die Sage der Psyche

    eine so schne Frau, da selbst dieGttin Aphrodite (Venus) eiferschtigwurde und ihren (mit Ares gezeugten)Sohn Eros (Cupido) schickte, damitsich Psyche in einen hlichen Mannverlieben mge - aber Eros selbstverliebte sich und kam zu ihr imDunkeln. Als sie ihn entlarvte,entschwand er und sie ging auf dieSuche nach ihm. Nach langer Suche:Happy end!

    http://www.pantheon.org/mythica/articles/p/psyche.html

    Cupid and Psyche (er entschwindet wie blich im Morgengrauen...)

    Jacques Louis David (French, 1748-1825). 1817, oil on canvas; 184.2 x 241.6 cmCleveland Museum of Arts

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 26 -

    Orphiker: Bewutseinserweiterung

    Im 6. Jh vC:Orphiker (Snger Orpheus) mit Dionysos-Kult, entwarfen ersteLehre von der Seele:

    jedes Lebewesen besteht aus Krper und Seele einem Krper gehrt genau eine Seele eine Seele kann nacheinander in verschiedene Krper wandern

    Seele besteht nach dem Tod des Krpers weiter (Unsterblichkeit) Seelen leben krperlos an bestimmten Orten weiter (Insel der Seligen)

    Entwurf einer anderen Welt, die wertvoller ist als die reale Lebenswelt intellektuelles Drngen nach wachsender Erkenntnis

    Theorie (gr. theorie, Betrachtung) bringt als Gewinn Bewutseinserweiterung

    durch Theorie gelangt die Seele zu mehr Vollkommenheit und mehr Glck Ekstase im Rausch des Dionysos-Kults bewutseinserweiternd bis heute Verlangen nach Bewutseinserweiterung ein andauerndes Motiv

    wissenschaftlichen Denkens

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 27 -

    Eindringen in die Geheimnisse der Natur

    Naturforschung im antiken Griechenland Empedokles (*495 - 435? vC):

    Urheber der Elementenlehre :Erde, Feuer, Luft, Wasserals Grundstoffe, aus denen Belebtes wie Unbelebtesgemischt wird (Licht strmt Aura aus)

    Atome und Elemente als kleinste, Erde und Himmelals grte Einheiten (Atomismus des Demokrit) Wanderlehrer mit mystischer Ausstrahlung, Magier

    Theophrast: bertrgt Lehre des Empedokles auf Menschen

    ! bei den Klgsten sind die Elemente zu gleichen Teilenund in hnlicher Form gemischt

    ! Haufungen dieser Elemente in der Zunge oder in denHnden machen den guten Redner bzw. Knstler aus Wahrnehmen und Denken werden als Naturvorgnge

    erklrt

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 28 -

    Grundstze und Regeln fr ein gutes Leben

    Solon (ca. 640-561 vC): in Athen als Rechtsreformer und Politiker, Bildung des

    Stadtstaates Athen neues Schuldrecht, Gliederung der Brger nach Einkommen

    Haushalt als Ort des Privatlebens hierfr wird konomie (gr. oikos, Haus) alsHauswirtschaftslehre entwickelt

    Brgerversammlungen als Ort des ffentlichen Lebens hierfr wird Politik (gr. polis, Stadt) als Lehre von der Stadtgemeinde entwickelt,

    sowie Rhetorik (gr. rhetor, Redner) als Redekunst

    Ziele der praktischen Lehren: Leistung - zur Befriedigung krperlicher und sozialer Bedrfnisse Anstand - zur Wahrung des sozialen Friedens

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 29 -

    Spruchweisheiten der 7 Weisen(nach Schnpug, 2004, S. 52)

    Kleobulos aus Lindos: Mahalten ist das Beste Den Vater mu man ehren Nichts mit Gewalt tun Kinder erziehen Beim Weine nicht Sklaven zchtigen; sonst

    glaubt man, Du wrest betrunken Solon aus Athen:

    Nichts zu sehr Wenn Du gehorchen gelernt hast, wirst Du auch

    zu befehlen verstehen Freunde erwirb nicht rasch; aber die Du

    erworben hast, verwirf nicht rasch Pittakos aus Lesbos:

    Den rechten Augenblick erkennen Von dem, was Du vorhast, sprich nicht. Denn

    wenn es Dir nicht glckt, wirst Du verlacht Das Land ist sicher; auf das Meer ist kein

    Verla

    Chilon aus Sparta: Erkenne Dich selbst (gnothi seauton) Whle lieber Verlust als schimpichen Gewinn;

    denn jener bringt nur einmal Gram, dieserimmer

    Thales aus Milet: bernimm eine Brgschaft, und schon ist das

    Unheil da Sei nicht unttig, auch dann nicht, wenn Du

    reich bist La Dich eher beneiden als bemitleiden

    Bias aus Priene: Die meisten Menschen sind schlecht Geh langsam ans Werk; was Du aber

    angefangen hast, bei dem harre aus Periander aus Korinth

    Gefhrlich ist vorschnelles Wesen Sei gegen Deine Freunde, ob sie Glck oder

    Unglck haben, immer derselbe

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 30 -

    Athen (Hafen Pirus) zur Zeit des Sokrates

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 31 -

    Akropolis (Athen)

    Parthenon-Tempelauf der Akropolis

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 32 -

    Pythagoreer: Seelische Gesundheit

    Mnnerbund fr gute Lebensfhrung, als Weg zurSeelischen Gesundheit

    von Pythagoras um 530 vC gegrndet in Kroton(Sditalien)

    Ziel: ein der hheren Ordnung verpichtetes Leben fhren hchste Prinzipien: Ordnung und Harmonie zur

    Vervollkommnung der Seele gelingt durch Bildung in

    ! Theorie: Studium der Astronomie, der Geometrie und derMathematik

    ! Kunst: vor allem Harmonie der Musik, Zahlenverhltnisse im

    Musikraum! Askese: Krper als Ballast der Seele, daher Dit! Freundschaft: Leben als Solidargemeinschaft, kein Privateigentum

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 33 -

    Philosophie: Grundzge von Wissenschaft und Wurzelnder Psychologie

    Theoretische und praktische Philosophie Kenntnis (gr. episteme): Anschauung von Sachverhalten, Erkenntnis des Wahren Knnen (gr. techne): verwertbares Wissen, Pragmatik (z.B. Beim Weine keine

    Sklaven zchtigen) Erkenntnis des Wahren und Guten

    theoretische Philosophie leistet Erkenntnis desWahren , praktische Philosophieleistet Erkenntnis desGuten

    Frage nach dem Wie der Erkenntnis fhrt zur Ausbildung einer Erkenntnistheorie : Beobachtung vermittelt Erfahrung! Aber auch: Begrenztheitsinnlicher Erfahrung! Idealismus als ontologisches Konzept

    subjektivischer Wahrheitsbegriff

    gegen Platon gerichtet: Sophisten relativieren alles! Philosophie als Wissenschaft, aber noch kaum als Beruf

    Wissenschaft (bis heute) auf Mzene angewiesen

    Satz des Phythagoras

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 34 -

    Platons Akademie

    Platon (427-347 vC) grndet 385 in Athen eine hhere Lehranstalt frPhilosophie, die Akademie (nach Akademos, dem der Hain geweiht war)

    Dualistische Auffassung: Trennung von Krper und Seele Trennung von Diesseits und Jenseits

    Idealistische Auffassung: Das Wesen der Dinge ist eine Idee Annahme eines auerirdischen Reichs der Ideen

    (Ideenwelt vs. Krperwelt) Sinnliche Erfahrung liefert keinen Aufschlu ber

    das Wesentliche Nur Denken erlaubt Anschauung der Ideen, wahres Erkennen

    Hhlengleichnis (aus Der Staat): Menschen benden sich in dunkler Hhle (Krperwelt), Licht ist auerhalb vorbeigetragene Gegenstnde werfen Schatten, nur die werden gesehen

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 35 -

    Platons Seelenlehre

    Theorie der drei Teilseelen (aus Timaios): begehrende und versorgende Seele (gr. epithymetikon), ~ Emotion; Sitz:

    Unterleib, bildlich: der Handwerker zielstrebige und entschlossene Seele (gr. thymoeides), ~ Motivation; Sitz:

    Brust, bildlich: der Krieger denkende Seele (gr. logistikon), ~ Kognition; Sitz: Kopf, bildlich: der

    Herrscher Bild vom Wagenlenker (aus Phaidros):

    Mensch gleicht einem Wagen, der von zwei Pferden gezogen wird, einemmutig entschlossenen und einem triebhaften

    ein Wagenlenker (=Denkseele) bndigt die beiden Pferde und bestimmtRichtung des Gefhrts

    nur die Denkseele ist unsterblich und kann sich vom Krper befreien

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 37 -

    Aristoteles Seelenlehre

    drei Teilseelen: vegetative Seele (Panzenseele, gr. threptikon) animalische Seele (Tierseele, mit Begierde, gr. oretikon; Empndung, gr.

    aisthetikon; Ortsbewegung, gr. kinetikon kata topon) denkende Seele (Geistseele, gr. dianoetikon; nur der Mensch besitzt sie)

    naturkundlicher Aspekt dieser Seelenlehre: Zusammenschau von Panze, Tier und Mensch Zuordnung seelischer Fhigkeiten (z.B. Sehen, Schmecken) zu krperlichen

    Funktionen

    metaphysischer Aspekt dieser Seelenlehre: Denken als geistige Ttigkeit ohne krperliche Grundlage Unsterblichkeit der Geistseele

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 38 -

    Schlu: Seelenlehre von Platon und Aristoteles

    Aufteilung der psychischen Funktionen: Grundlegung separater Forschungsprogramme (Energie und Vermgen,

    Trieb, Wahrnehmung, Vorstellung und Denken), Unterscheidung theoretischer, praktischer & kreativer Kompetenzen

    Gliederung in Teilseelen: Vorbild fr Schichtmodelle der Persnlichkeit Logik des Argumentierens

    Tigner, R.B. & Tigner, S.S. (2000). Triarchictheories of intelligence: Aristotle and Sternberg.

    History of Psychology , 3, 168176.

    Ethik, Philosophie, sthetik:

    Das Gute = das Wahre = das Schne

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 39 -

    Hippokrates aus Kos

    460-370 vC, Begrnder der Medizin als Wissenschaft und berhmtester griechischer Arzt

    130 Schriften berliefert (davon viele sptere Flschungen): allgemeine Vorschriften (wie den berhmten Eid des Arztes) Krankheitsberichte (oft in Form von Notizen)

    Diagnosen und Prognosen Beschreibungen einzelner Leiden (darunter die bedeutsame Abhandlung ber die

    >>Heilige Krankheit

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 40 -

    Grndung der Philosophieschulen

    bedeutender Schritt in der Institutionalisierung und Professionalisierung vonWissenschaft!

    damals gefundene Formen haben sich bis heute bewahrt: Hochschule als Bildungs-Ort Fcherkanon als Gliederung des verfgbaren Wissens

    Hochschullehrer als jemand, der sein Wissen weitergibt Hochschule als Ort der Forschung Verbindung von Lehre und Forschung wissenschaftliches Schrifttum, das die Lehre dokumentiert und standardisiert

    aber: bereits in Platons Phaidros Kritik an der Schrift-Kultur wg. Verdrngung der

    Rede-Kultur

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 41 -

    Ethische Werte: Glck, Gut und Tugend

    eine der Aufgaben der Philosophie: Begrndung von Mastben fr richtiges Handeln und Leben Beginn einer Sittenlehre, Ethik

    bei Platon und Aristoteles drei zentrale Konzepte:

    Glck (gr. eudaimonia): der gute Zustand der Seele Gut (gr. agathon): ein Besitz, der Glck verschafft Tugend (gr. arete): die Fhigkeit der Seele, Gutes und Glck zu erlangen

    aus heutiger Sicht: seelische Gesundheit als Zielvorstellung

    erste Vorstellungen einer Praktischen Psychologie

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 42 -

    Neue Lehren im Hellenismus

    Hellenismus: Streben nach Vereinheitlichung angesichts der Ausdehnung des Stadtstaates

    Athen auf ein groes Mittelmeerreich zwei neue Schulen:

    308 vC von Zenon gegrndeteStoa 306vC vonEpikur gegrndete Gartenschule sehr unterschiedliche Ethiken!

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 43 -

    Zenons Stoa

    breites Lehrprogramm: Physik (Naturlehre) Logik (Lehre vom Sprechen und Denken, mit den Gebieten

    Grammatik, Rhetorik und Dialektik, dh. Beweisfhrung) Ethik (Lehre vom rechten Leben)

    Lebensregeln: Leben in bereinstimmung mit der Natur nicht erstrebenswert: Lust (= eigenschtige Erregung) erstrebenswert: Unerschtterlichkeit (gr.ataraxia ) = berwindung jeder

    Erregung Abhrtung gefordert (Schmerz darf nicht mehr qulen) sexuelle Erregung nur zum Zeugen von Kindern gerechtfertigt

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 44 -

    Lehren des Epikur (Gartenschule)

    Gegenberstellung von ... Medizin als Krperheilkunde Philosophie als Seelenheilkunde

    Hedonismus als Teil der Ethik

    Glck erwchst aus einem Leben voll Freude und Lust allerdings: Glck entsteht nicht aus zgellosem Genu,

    sondern aus Verzicht! warum Verzicht:

    Genu wird oft groartiger vorgestellt, als er tatschlich ist zu reichliche Befriedigung fhrt zu wachsendem Bedrfnis, der ungehemmt

    Genieende wird unersttlich starker Genu wird durch unangenehme Folgen geschmlert (Magendrcken) Jagd nach dem Glck ist Ursache vieler Unannehmlichkeiten (Zubereitung

    erlesener Speisen koste viel Zeit und Mhe)

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 45 -

    Rom erobert Griechenland

    politische Vernderungen: im 1. Jahrhundert vC ist das griechische Reich gescheitert im Osten bernehmen die iranischen Parter die Macht im Westen bernimmt Rom die Macht und dehnt sich nach Westen und

    Norden aus Glanzzeit Roms:

    das Augusteische Zeitalter (lat. augustus: der Erhabene), Gaius Octavius (63vC - 14 nC

    der politischen Machtkonzentration entspricht die Philosophie-Entwicklungnicht, im wesentlichen nur ein Nachhall der griechischen Lehren

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 46 -

    Rmisches Reich (um 14 nC)

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 47 -

    rmische Lehren

    Marcus Tullius Cicero (106 - 43 vC) Rechtsanwalt; rmischer Konsul Schriften ber Freundschaft und Liebe, Leidenschaft und Tugend, Tyrannei und

    Freiheit, Krankheit und Tod, Rhetorik Lucius Annaeus Seneca (4 vC - 65 nC)

    Rechtsanwalt; Senator; Erzieher des spteren Kaisers Nero Lehre nach dem Vorbild der Stoa

    Claudius Galenus (129 - 199 nC) Philosoph und Mediziner, in der Tradition des Hippokrates (geb. 460 vC) berhmt wg. Lehre von den Krpersften (nchste Folie)

    ( k ) 8

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 48 -

    Galenus: vier Temperamente(129 -199 n.C.)

    Galens Lehre baut auf Hippokrates auf: Theorie ber den Zshg. zwischen Krperssigkeiten und

    Persnlichkeit (Grundlage der Humoralmedizin) jeder Mensch hat vier Sfte, doch die Mischung schwankt (Empedokles lt gren!) eine der Flssigkeiten dominiert

    Temperamente (lat. temperare, mischen): Sanguiniker (Blut, lat. sanguis)

    vom Blut bestimmt; schnell und stark erregbar, dabei freudvolle Menschen Phlegmatiker (Schleim, gr. phlegma)

    vom Schleim bestimmt; langsam und schwach in Reaktionen, nicht mivergngt Choleriker (gelbe Galle, gr. cholos)

    von gelber Galle bestimmt; schnell und stark erregbar, aber leicht verrgert Melancholiker (schwarze Galle, gr. melas cholos)

    von schwarzer Galle bestimmt; langsam und schwach, mivergngt

    WS 2006G hi h d P h l i (F k ) 49

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 49 -

    Galenus: Nachteile unangefochtener Autoritt

    folgte Aristoteles Leitsatz Natur macht nichtsumsonst

    drei Prinzipien: Vitalismus: Leber erzeugt natrlichen Geist

    durch Umwandlung von Nahrung in Blut;Vitalgeist ist im Herz, wird im Gehirn zu

    animalischem Geist Blut wird durch unsichtbare Poren aus der Herz

    gedrckt Eiter enthlt Heilfaktoren

    Prinzipien haben medizinische Forschung bisins 16. Jh. (Beginn von Sektionen) behindert!

    Robin, H. (1992). The scientic image: From cage to computer . New York: W. H. Freeman. p. 168

    WS 2006G hi h d P h l i (F k ) 50

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 50 -

    Plotin: Von der Ontologie zur Mystik

    Plotin (205 - 270 nC) Schwerpunkt seiner Lehre: Metaphysik (Neuplatonismus) das bernatrliche als unbeschreibliche Wunderwelt das Weltganze (gr. kosmos) als Gebude mit 5 Stufen:

    1: das Eine, unbertrefich vollkommen, eine Einheit 2: der Geist, vom Einen erzeugt, aber keine Einheit mehr 3: die Seele, vom Geist erzeugt, erfllt Weltall mit Leben 4: die lebenden Krper, wo sich Seele mit Materie verbindet 5: die Materie, hat kein Sein, ist chtig, schlecht, in viele Teile zersplittert

    Philosophie wird hier zur Offenbarung von Geheimnissen (lat. mysticus,

    geheimnisvoll) befrwortet unmittelbar einleuchtende Anschauung (heute: Intuition) klare Ablehnung des Rationalismus

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    WS 2006Geschichte der Ps chologie(Funke) 52

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 52 -

    4 Mittelalter: Christentum, Kirchenvter, Humanismus(nach Schnpug, 2004, Kap. 4)

    Christentum als neue geistig-religise Bewegung in ganz Europa 380 nC: Kaiser Theodosius I. erklrt Christentum zurStaatsreligion sozialphilosophische Heilslehre Erlsungsanspruch setzt philosophischen Theorien allerdings eine klare

    Grenze Wahrheit: nicht mehr Frucht menschlichen Denkens, sondern Ergebnis

    gttlicher Offenbarung ausgewhlte Gelehrte, die auf dem Boden eines unanfechtbaren Bestands

    von Glaubensstzen stehen, werden alsKirchenvter ausgezeichnet Kirchenvter versammeln sich auf Konzilen und legen Leitlinien fest

    Festlegung von Dogmen, Abweichung (Hresie) nicht geduldet!

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) 53

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 53 -

    Weltbild und Seelenlehre der Kirchenvter

    Ontologie: Christlicher Gott als das Eine, aus dem alles hervorgeht Sitz aller Weisheit und Inbegriff aller Ordnung aus gttlichem Ursprung geht Hierarchie von Geschpfen hervor: an der

    Spitze Engel, dann Menschen, dann Tiere, Panzen, unbelebte Krper

    Mensch besitzt individuelle, krperlose und vernnftige Seele Seele ist unsterblich

    Ethik: sittliches Leben ist Leben in bereinstimmung mit der Weltordnung (gttliche) Weltordnung spiegelt sich im Bewutsein jedes Individuums Gewissen (bedeutsamster Teil des Bewutseins):Wissen um gttliche

    Gebote Verste gegen Gebote sind Ungehorsam gegenber Gott und werden

    bestraft

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 56 -

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) 56

    Scholastik: Thomas von Aquin (1225-1274)

    Aufwertung der Philosophie gegenber der Theologie verhalf der Seelenlehre des Aristoteles zu neuer Anerkennung Seele als Substanz, besitzt (unwesentliche) Akzidentien (Beigaben)

    in Form seelischer Fhigkeiten (lat. facultas) einfache Fhigkeit: Empndung der 5 Sinne hchste Fhigkeit: Denken

    Ethik: verlangt Selbstbeherrschung und Gehorsam, Vernunft mu Grenzen setzen Prinzip der Gotthnlichkeit der Natur impliziert naturgemes Leben

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 58 -

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) 58

    14. Jahrhundert: Zeit der Alchemie

    Aberglaube & Alchemie eine reine Mnnersache, geheim aus gypten und dem Nahen Osten nach

    Europa importiert von der Kirche verfolgt drei Ziele:

    Verwandlung elementarer Metalle in Gold Entdeckung eines Allheilmittels gegen

    Krankheiten Erndung immerwhrenden Lebens

    Robin, H. (1992). The scientic image: From cage to computer . New York: W. H. Freeman. p. 183

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 59 -

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) 59

    Seelenkunde und Wissenschaft im Humanismus

    um 1500 Humanismus (lat. humanus, menschlich): Anknpfung an rmische und griechische Philosophie

    (deren Kenntnis lange Zeit nur Mnchen vorbehalten war!) Aufwertung des Individuums Bildung von Stdtebnden (Hanse),gegen Frsten

    Kirchenreform von Martin Luther (1483-1546): gegenAblahandel; vom bestrafenden zum liebenden Gott! Mitstreiter: Philipp Schwarzert (=Melanchton ,

    schwarze Erde), Philosoph und Sprachforscher inWittenberg, von der Nachwelt als Praeceptor Germaniae (Lehrmeister Deutschlands) gerhmt; Autor der Confessio Augustana (1530)

    hat behutsam weltliche Wissenschaft aus der Theologie gelst Gott als Wesen, das der Verbindung zum Menschen bedarf Ideal der kommunikativen Wissenschaft: Menschen vereint im Verstndnis der

    Wahrheit

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 60 -

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    y g ( )

    Humanismus ff.

    Seelenlehre des Melanchton: Bild vom freien, selbstbewuten Menschen; Anthropologie (gr. anthropos,

    Mensch) als zentrales Thema des Humanismus neues Lehrgebiet der Seelenkunde: Pneumatik, Pneumatologie, Geisterlehre,

    Animastik, Psychologie (gr. psyche, Seele; gr. logos, Wort, Kunde)

    um 1520: Marco Maurulic: Psychologia de ratione animae humanae (Schrift

    verlorengegangen, nur Titel in Bibliograe berliefert) erhalten ist Casmann (1594):Psychologia anthropologica sive animae

    humanae doctrinae

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 61 -

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    y g ( )

    Kopernikanische Wende: vom Geo- zum Heliozentrismus

    Nicolas Kopernikus (1473-1543)publizierte 1543 De revolutionibusorbium coelesticum

    Papst Paul III. gewidmet, wurdesofort verboten (Bann wurde 1835

    aufgehoben)

    Robin, H. (1992). The scientic image: From cage to computer . New York: W. H. Freeman. p. xx

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 62 -

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    y g ( )

    Galileo Galilei (1564-1642)

    1582 Entdeckung des Pendelgesetzes (Schwingungszeitbleibt unabhngig von Amplitude), des Kompasses, desThermometers

    1610 Entdeckung der 4 Jupiter- Monde 1613 entdeckt, dass Venus Phasen aufwies wie der

    Mond, und sich daher um die Sonne (und nicht - wie bisdahin vermutet, um die Erde) drehen musste viele seiner sonstigen Beobachtungen untersttzten das

    Kopernikanische System 1616 Verwarnung durch den Papst 1632 - nach erneuten Publikationen - arrestiert und 1633

    Hresie-Proze in Rom (im Okt. 1992 rehabilitiert) Konsequenz: lebenslanger Hausarrest in seiner Villa in

    Arcetri (nahe Florenz) und Publikationsverbot

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 63 -

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    y g ( )

    Universitten als neues Hochschulsystem(nach Schnpug, 2004, S.107)

    Fakultten (lat. facultas, Vermgen): Theologie: am meisten angesehen Medizin (Einknfte!) Rechtswissenschaft (Einknfte!) Philosophie oder freie Knste (lat. artes liberales); dort auch Psychologie

    Aufbau der Artistenfakultt (als Eingangsstufe zu den anderenFakultten):

    Trivium: Grammatik, Rhetorik, Logik Quadrivium: Arithmetik, Geometrie, Musik, Astronomie

    Privileg der Unis: Titelvergabe (Magister, lat. Meister; Doctor, lat. Lehrer) erlaubte Zulassung zu staatlichen und kirchlichen mtern

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 64 -

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    Universittsgrndungen bis 1500

    1088 Bologna 1167 Oxford 1170 Paris 1209 Cambridge 1222 Padua 1242 Salamanca 1289 Montpellier 1348 Prag 1364 Krakau 1365 Wien 1386 Heidelberg 1450 Glasgow 1477 Uppsala

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 65 -

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    Universitten ff.

    Latein als Sprache der Wissenschaft weite Verbreitung der Schriften hohe Mobilitt der Forscher

    Lehrformen an Universitten:

    Vorlesung (lat. lectio): Lehrer trug in einem Lehrstuhl (lat. cathedra) einManuskript vor, Schler fertigten Notizen an Streitgesprch, Disput (lat. disputatio): als Lehr- und Prfungsform

    Grenordnung: ein bis zwei Dutzend Professoren, hundert bis mehrere hundert Studenten

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 66 -

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    Zusammenfassung von Teil 4

    griechische Philosophieschulen als Instanzen der hheren Bildung Theorie der dreigeteilten Seele von Platon Ethik: vernunftgeleitetes Streben nach Glck und Gtern Naturlehre der Stoa und des Epikur: Glck durch Affekt- und

    bedrfnislosigkeit

    rmische Fortsetzungen: Lehre der vier Temperamente, Ethik im Geiste derStoa Neuplatonismus: entwickelt irrationalistische Welt- und Seelenlehre Christentum nimmt Einu Augustin: metaphysische und empirische Seele, Methode der

    Selbsterfahrung

    Thomas von Aquin: Trennung von Kognition und Motivation Humanismus: prgt Begriff der Psychologie Grndung von Universitten, Psychologie in der Artistenfakultt

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 67 -

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    5 Rationalismus und Empirismus in der Aufklrung(nach Schnpug, 2004, Kap. 5)

    nach dem nsteren Mittelalter soll Philosophie der Aufklrung die Finsternisvertreiben

    zwei neue methodische Anstze zur Vermehrung der Erkenntnis: rationales Denken, dh. sachliche und logische Begrndung von Urteilen empirische Untersuchungen, dh. Sttzung von Aussagen durch Beobachtung

    daraus resultierend zwei theoretische Anstze zur Erklrung der zwei WeltenKrper und Geist:

    Rationalismus: in beiden Welten vorgegebene Ordnung der Vernunft Empirismus: nichts ist vorgegeben; was ist, lehrt allein die Erfahrung

    im 17. und 18. Jh. hat sich europische Wissenschaft methodisch undtheoretisch erneuert

    Wissenschaft bewhrt sich als deutende und zur Gestaltung anregende Kraft

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 68 -

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    Europa im 17./18. Jahrhundert

    nach der Reformation:Glaubenskriege

    Dreissigjhriger Krieg1618-1648 in Mittel-und Nordeuropa

    Sehnsucht nachdauerhafterFriedensordnung

    technische Erndungen,sozialer Wandel

    1789 Triumph derBrgerbewegung:Franzsische Revolution

    Wissenschaft gefragt

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 69 -

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    Neubewertung wissenschaftlicher Methoden

    Methoden bedeutsam zur Befreiung von Irrlehrenund Vorurteilen

    zwei Arten wissenschaftlicher Methoden: rationales Denken, Spekulation (lat. speculatio,

    Betrachtung); die von Vernunft geleiteteberlegung

    empirische Untersuchung (gr. empeiria, Erfahrung)als planvolle und sorgfltige Beobachtung

    enger Zusammenhang zwischen vernnftigemDenken und Sprechen

    daher: Regeln zur Begrndung wahrer Urteile...

    in der Kunst der Rede (Rhetorik, Dialektik,Argumentation) in der Kunst des Denkens (Logik)

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 70 -

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    Kritisches Urteil und Beobachtung

    Petrus Ramus (1515-1572): einureiche Denkschule 1555, Dialektik; unterscheidet zwischen:

    wissenschaftlich begrndetes Urteil, Kritik (gr. kritike techne, Urteilskunst) unwissenschaftliche Meinung wissenschaftliche Gesprchsfhrung sollte sich durch ihre Methode auszeichnen,

    nicht durch das Ergebnis Vernunftkritik wird zu einem Qualittsmerkmal von Wissenschaft

    Francis Bacon (1561-1626): Wissenschaft als Mittel des Fortschritts, baut auf empirischer Methode auf

    Gelegenheitsbeobachtung

    planmige Beobachtung! systematische Beobachtung (z.B. astronomische Datenaufzeichnungen)! Experiment

    Vorlufer desBritischen Empirismus

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 71 -

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    Descartes Lehre von den zwei Welten(nach Schnpug, 2004, S.118-120)

    erstes Modell eines Reexbogens! afferente Erregung der Sinnesnerven! Umschaltung der Erregung im Gehirn! efferente Erregung der Bewegungsnerven! Muskelaktion

    Krper versus Geist! hervorstechendes Merkmal der Krperwelt:

    Ausdehnung (lat. res extensa)! Krper als Maschine (lat. mechane, Werkzeug)! mechanistisches Modell versagt allerdings beim

    Geist (lat. res cogitans)! Geist: wirkt nicht mechanisch und ist nicht ausgedehnt

    Dualismus von Krper und Geist! Gefhlserlebnisse erregen den Krper! Zustand des Krpers kann Gefhlserlebnisse beeinussen! Verbindung zwischen Geist und Krper: Zirbeldrse am Hirnstamm

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 72 -

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    Descartes (1664): Wahrnehmung & Reexbogen

    Robin, H. (1992). The scientic image: From cage to computer . New York: W. H. Freeman. p. 71

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 73 -

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    1654 Geburt der Wahrscheinlichkeitstheorie

    Blaise Pascal (1623-1662) schreibt in einem Brief an Pierre Fermat erstmals von

    Wahrscheinlichkeiten Ausgangspunkt bildete ein Problem, wie der Einsatz

    eines Glckspiels zwischen zwei gleichwertigenPartnern bei vorzeitigem Abbruch des Spielesaufzuteilen ist. Aus diesen berlegungen entstand dasPascalsche Dreieck, ein nach fallenden Potenzengeordnetes Zahlendreieck der Koeffizienten der Entwicklung der n -ten Potenz von ( a + b ).

    Vernnftiger Gottesbeweis: Wgen wir also Gewinn und Verlust ab, und setzen wir

    auf Kreuz, dass Gott existiert. Schtzen wir beide Flleein: wenn Sie gewinnen, gewinnen Sie alles [die ewigeSeligkeit]; wenn Sie verlieren, verlieren Sie nichts [denndie Vernunft bleibt im Recht]. Setzen Sie also ohneZgern darauf, dass er existiert.

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 74 -

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    Widerstnde: Dogmatismus und Mystik(nach Schnpug, 2004, S.122)

    neues wissenschaftliches Denken ndet Gegner in Dogmatismusund Mystik

    Dogmatismus kirchliche Glaubensstze werden z.T. mit Gewalt durchgesetzt

    Mystik als Fortsetzung der Tradition des Irrationalismus und desSubjektivismus: Jacob Bhme (1575-1624) schwrmte von geheimnisvoller, berirdischer Welt der Vollkommenheit Bedrfnis nach ganzheitlicher Erkenntnis Denken in Gegenstzen, die nicht nur getrennt sind, sondern auch

    Gleichzeitigkeit aufweisen: Gut und Bse (wildes Tier), Engel und Tier (Mensch), Mann und Frau

    (Hermaphrodit)

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 75 -

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    Grundzge des Rationalismus(nach Schnpug, 2004, S.123)

    Grundannahmen: der Welt liegt eine (Vernunft-)Ordnung zugrunde sittliches Handeln ist auf Vernunft zu grnden

    zentrales Thema:

    Gegensatz von Subjekt und Objekt Ordnung der Welt besteht auch ohne erkennendes Subjekt Empirie:

    nur von begrenztem Wert Erfahrung bleibt blind, wenn sie nicht durch Prinzipien geleitet wird; Bsp.:

    sinnliche Erfahrung zeigt blo ein Nacheinander erst Prinzip der Kausalitt schafft Ursache und Wirkung

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 76 -

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    Systemtheorien von Spinoza und Leibniz(nach Schnpug, 2004, S.124-128)

    Deutung der Welt in einem groen Ganzen Benedictus de Spinoza (1632-1677):

    Pantheismus:! Gott stellt das gesamte Dasein dar!! Gleichsetzung von Gott, Natur und Mensch

    Determinismus:! gttliche Ordnung: alles Geschehen ist kausal vorbestimmt

    psychophysischer Parallelismus:! Krper und Geist bilden eine Einheit, unterliegen den gleichen Ursachen, nehmen aber

    nicht Einu aufeinander

    Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716):

    das Weltganze gliedert sich in unendlich viele Einheiten (Monaden) Monaden sind Zentren mit Eigendynamik, dennoch fgen sich alle Monaden zu

    einem harmonischen Ganzen, da sich in jeder das gesamte Universum spiegele,prstabilisierte Harmonie

    die ganze Welt ist beseelt

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 77 -

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    Leibniz ff.

    fr die Psychologie fruchtbare Aspekte derMonadenlehre:

    Begriffe der Perzeption (=innere Darstellungenuerer Gegenstnde) und Apperzeption(=berdenken der eigenen Erkenntnis)

    Annahme der Einheit von Erkennen undBegehren: jede Kenntnis enthlt einen Antrieb, jeder Antrieb fut auf einer Kenntnis

    Annahme von Bewutheitsstufen:unterschiedliche Klarheit von Erkenntnissen

    Annahme der Einheit der Person als unteilbarGanzes eines Menschen

    Lehre der Synchronizitt von Krper und Geist(wie von zwei gleichlaufenden Uhren getaktet)

    Annahme der Individualitt: jede Monade istanders

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 78 -

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    Seelenlehre nach Christian von Wolff (1679-1754)(nach Schnpug, 2004, S.128)

    enzyklopdisches Werk (1720): Philosophie aller mglichen Dinge

    Liste der wissenschaftlichen Disziplinen, darin Psychologie ausdrcklichverankert als

    Seelengeschichte = empirische Psychologie (Geschichte als Beschreibung),

    psychologia empirica, Erfahrungsseelenkunde Seelenwissenschaft = rationale Psychologie, psychologia rationalis aus heutiger Sicht: ein Spaltpilz fr die Fachentwicklung!

    wesentlicher Verdienst: Vorstellung ungewhnlicher psychologischer Erscheinungen

    ! Bsp. Rechenknstler (Wurzel aus 54stelligen Zahlen ziehen)

    neue Fragestellungen! Verhltnis von Vorstellung und Sprache! Phnomen des automatischen Sprechens

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 79 -

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    Grundzge des (Britischen) Empirismus(nach Schnpug, 2004, S.131)

    Besonderheiten des abgetrennten Englands: seit dem 13. Jahrhundert steht dem Knig ein mchtiges Parlament gegenber 1534 Trennung von rmischer Amtskirche puritanische Bewegung: Innerlichkeit anstelle von Pracht und mtern Einu von FrancisBacon (1561-1626) in London

    Britischer Empirismus: Tatsachen- und Erfahrungswelt Welt ist Krperwelt, besteht aus Ansammlung von Tatsachen menschlicher Geist erhlt durch seine Sinne Kenntnis dieser Tatsachen menschlicher Geist kann Erfahrungen ordnen, verallgemeinern, etc. sinnliche Erfahrung ist stckhaft, zerfllt in Elemente in der Krperwelt: weder eine innewohnende noch eine bergeordnete Ordnung

    konsequente Abkehr von Metaphysik, Hinwendung zum menschlichen Geist Mensch als Ma aller Dinge

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 81 -

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    John Locke (1632-1704)(nach Schnpug, 2004, S.132f.)

    1690 Essay concerning human understanding menschliche Erkenntnisfhigkeit: begrenzt, aber ntzlich Smtliche Inhalte des Geistes (Bewutsein) unter dem

    Begriff idea gefat Erkenntnis in vier Stufen:

    ! Sinneserfahrung erzeugt partikulare Ideen! partikulare Ideen werden durch Abstraktion verallgemeinert! abstrahierte Ideen werden mit Wrtern benannt! Wrter lassen sich zu Stzen verbinden -> Diskurs

    zwei Arten geistiger Ttigkeit:! sensation, passiv, uere Sinneserfahrung! reection, aktiv, innerer Sinn, Selbstbeobachtung, Denken

    Klassikation von Ideen! einfache: unmittelbar greifbar! komplexe (aus den einfachen abgeleitet): gliedern sich nach

    Modi, Substanzen und Relationen

    1690: Da der Verstanddasjenige ist, wodurch sichder Mensch ber alleanderen sinnlichen Wesenerhebt, ..., so ist essicherlich ein Gegenstand,

    der schon um seines hohenAdels willen die Mheeiner Untersuchung lohnt.

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 83 -

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    Assoziationslehre des David Hume (1711-1776)(nach Schnpug, 2004, S.136)

    1748 Enquiry concerning human understanding Assoziation von Ideen als alleiniges Prinzip geistiger Ordnung

    Ideen knnen einander anziehen (analog zur Gravitationstheorie desenglischen Physikers Isaac Newtons, 1643-1727) und Ideenverbnde bilden

    Prinzipien der Verbindung:!

    hnlichkeit (z.B. zwischen zwei Gesichtern)! raum-zeitliche Nhe, contiguity (z.B. benachbarte Zimmer)Spezialfall: Verursachung (z.B. zwischen Wunde und Schmerz)

    Prinzipien wirken automatisch auf alle Ideen, zu jeder Zeit,in gleicher Weise

    dadurch materialistische Fundierung des Empirismus seither charakteristisch fr Assoziationstheorie:

    Elementarismus, Zerlegung des Bewutseins in kleinste Einheiten Sensualismus, Herkunft aller Erkenntnis aus den Sinneserfahrungen Mentalismus (Berkeley), nur Ideen, keine darber hinausgehende Realitt Assoziationismus, mechanische Ideenverbindung

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 84 -

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    Philosophie der Aufklrung

    Aufklrung als berwindung der mittelalterlichen Scholastik Kampf gegen Dogmatismus und gegen Kirchenglauben nicht nur erkenntniskritische, sondern auch sozialkritische Ideen Vertreter: berwiegend aus Brgertum, nicht Adel oder Klerus Popularphilosophie:

    Versuch, die philosophischen Lehren dem Verstndnis und den Interessen desgebildeten Brgertums anzupassen vernunftgeleitet, empirisch, eklektisch 1751 Paris: Diderot & DAlambert publizieren ihre Encyclopdie 1768 London: Encyclopaedia Britannica

    im 18. Jahrhundert auch Psychologie sehr populr besonders in Frankreich radikale Atheisten und Materialisten

    Julien Offray de La Mettrie (1748): Der Mensch als Maschine Pierre Jean Cabanis (1802): geistige Ttigkeiten sind nur Gehirnablufe

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 85 -

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    Materialismus und Feinmechanik

    Scholastik: Ursprung aller Bewegung ist Gott, sowohl im Mikro- wie

    im Makro-Kosmos aber:

    im 14. Jahrhundert wurde Uhrfeder erfunden

    1675 stellt Christiaan Huygens Federuhr mit Unruhe her erste Gestirnsmodelle federgetriebene Menschen- und Tiermodelle 1748: Julien Offray de La Metrie - Lhomme machine

    Uhrenmetapher Gott als Beweger wird entbehrlich

    Mensch: eine besonders kunstvolle Maschine

    Ente mit Verdauung(von Jacques deVaucanson, 1738)

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 86 -

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    zur Geschichte der Medien

    1445 Mainz: Druck mit beweglichen Lettern durch Gutenberg 1605 Straburg: erste Wochen-Zeitung 1650 Leipzig: erste Tageszeitung 1811 Schnellpresse, 1865 Rotationsdruck, 1884 Setzmaschine Linotype 1839 Erndung der Fotograe durch Daguerre 1861 Erndung des Fernsprechers durch Philipp Reiss (erstes Telefon 1876

    durch Alexander Graham Bell) 1877 Erndung einer Sprechmaschine durch Edison 1895 Kinematographenlme in Paris (Brder Lumiere) und Berlin (Brder

    Skladanowsky) 1896 erste Comics 1922 Tonlm 1923 erstmals Rundfunk in Deutschland 1923 erstmals Fernsehen in Deutschland (ARD ab 1954, ZDF ab 1963) 1969 ArpaNET, 1993 WWW/Internet

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 87 -

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    Geburt der analytischen Mathematik

    vor Newton und Leibniz: diskrete Phnomene, einfache Gleichungen

    nach der Entdeckung von Integral- undDifferentialrechnung:

    kontinuierliche Phnomene (wie z.B. Planetenbahnen) wurden

    behandelbar Neue Fragen mglich wie z.B. wann erreicht ein Krpermaximale Geschwindigkeit?

    Joseph-Louis Lagrange (1736-1813) Erste exakte Beschreibung des Drei-Krper-Problems

    (Interaktion der Gravitationskrfte von Erde, Sonne, Mond)

    Pierre-Simon Laplace (1749-1827) Mcanique Cleste: Der Kosmos wird vollstndigberechenbar

    Pierre-Simon Laplace

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 88 -

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    okkulte Erscheinungen im 18. Jahrhundert(nach Schnpug, 2004, S.144)

    Aufklrung bekmpft Glauben an berirdische Erscheinungen vielleicht doch durch Erfahrung begrndbar? heftiger Streit um die Existenz krperloser Geister elektrische und magnetische Erscheinungen noch rtselhaft Charles Bonnet (1720-1793), Genf:

    verschiedene Reiche neben dem Menschenreich menschliche Seele unsterblich, lebt als Geist fort, aus ganz feinem Stoff, fr

    Auge unsichtbar Christian Hennings (1780), Jena:

    strenge Kriterien fr Anerkennung von Geistererscheinungen Entstehen des Okkultismus (lat. okkultus, verborgen)

    Phnomene, deren Untersuchung die etablierten Wissenschaften aufgegebenhaben

    Psychologie besonders betroffen

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 89 -

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    Praktische Psychologie fr das private Leben(nach Schnpug, 2004, Kap. 7)

    im aufstrebenden Brgertum Lehren fr das Privatleben gesucht: Lebensweisheit: Gestaltung und Bewertung der Lebensfhrung Psychognostik: Erkennen seelischer Eigenschaften, Charakterkunde Psychagogik: Anleitung und richtige Behandlung von Menschen (1788

    August von Knigge: Umgang mit Menschen)

    im 16., 17. und 18. Jahrhundert: Philanthropismus (Menschenfreundlichkeit): Pdagoge Johann Basedow Seelenzeichenkunde

    1593 Joannis Baptista della Porta: menschliche Physiognomie als Quelle derCharakterbeurteilung

    1688 Jean de la Bruyre: bersetzung der Charakterkunde des Theophrast,angereichert mit zahlreichen Pariser Charakterbildern 1777 Johann Caspar Lavater: postuliert feste Zuordnung von Krpermerkmalen

    und Charaktereigenschaften

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 90 -

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    90/213

    Joannis Baptista della Porta 1593

    Rckgriff auf Vorstellungen vonAristoteles

    Deutung der Wesensart aus denGesichtszgen

    Bsp. spitze Gesichtsmitte (Schnabel,Nase): entspricht Stolz und

    Angriffslust Bsp. gerundetes Untergesicht:

    entspricht Gutmtigkeit undUnterwrgkeit

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 91 -

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    Gnothi Sauton - Magazin zur Erfahrungsseelenkunde(nach Schnpug, 2004, S. 208f.)

    1783 - 1793 neue Zeitschrift, hrsg. vom BerlinerGymnasialprofessor Carl Philipp Moritz (1756-1793)

    Seelennaturkunde: Berichte ber seelische Erscheinungen wie Sehen bei

    Taubstummen, Verwendung von Pronomen, Trume undVorahnungen

    Seelenzeichenkunde: Typeneinteilungen, Charaktermerkmale

    Seelenkrankheitskunde: Fallschilderungen normabweichenden Verhaltens, z.B.

    sadistischer Lehrer, Mrder, etc.

    Seelenheilkunde: mgliche Heilverfahren (z.B. Kaltwassergsse)

    bedeutsames Unternehmen der Popularpsychologie

    Erkenne Dich selbst!

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 92 -

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    Zusammenfassung von Teil 5

    im 17. und 18. Jahrhundert berwindung von dogmatischer Scholastik begrndbare Methodik neu entwickelt: Vernunftkritik und Empirie Rationalismus: vorgegebene Kategorien Empirismus: Primat der Sinneserfahrung Leib-Seele-Problem mit verschiedenen Lsungsvorschlgen Trennung der Psychologie in Erfahrungsseelenkunde und rationale

    Psychologie Popularphilosophie (und darin: Popularpsychologie) mit aufkommendem Atheismus verliert Theologie ihre beherrschende

    Stellung

    Psychologie nimmt diesen Platz ein ausfhrliche Charakter- und Sittenbeschreibungen Psychognostik und Psychagogik als interessante Themen

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    93/213

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 94 -

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    Einu der Romantik am Ende des 18. Jahrhundert

    Romantik wertet Natur gegenberdem Verstand wieder auf

    Mensch in seiner individuellen,regionalen, zeitlichen Besonderheitbetrachtet

    Auswirkungen auf die Psychologie:Entstehen einer VergleichendenPsychologie

    Tierpsychologie Vlker- und Sozialpsychologie Psychologie der Humanentwicklung

    Differentielle Psychologie Methodisch:

    stark empirisches Vorgehen

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 95 -

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    Botschaft der Romantik(nach Schnpug, 2004, S. 218f.)

    Jean-Jacques Rousseau (1712-1778), Genf rationale Ordnung erstickt natrliche Freiheit, zurck zur Natur! Kulturpessimismus, Naturoptimismus

    Johann Gottfried Herder (1744-1803), Weimar Natur schafft ihre eigene Ordnung diese Ordnung entfaltet sich im Proze eines organischen Wachstums je nach lokalen Bedingungen unterschiedliche Ordnungen Mensch soll sich seinemGefhl anvertrauen, im Gefhl teilt sich die Natur

    mit, mit der man in Einklang leben soll Auswirkungen auf die Psychologie:

    Variation des Psychischen wird wichtiger Gegenstand (a) Tierpsychologie, (b) Vlker- und Sozialpsychologie, (c) Psychologie der

    Humanentwicklung, (d) Differentielle Psychologie

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 96 -

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    Friedrich Hlderlin 1797-1801: Heidelberg

    Lange lieb' ich dich schon, mchte dich, mir zur LustMutter nennen, und dir schenken ein kunstlos Lied,Du, der VaterlandsstdteLndlichschnste, so viel ich sah.

    Wie der Vogel des Walds ber die Gipfel iegt,Schwingst sich ber den Strom, wo er vorbei Dir glnzt,Leicht und krftig die Brcke,Die von Wagen und Menschen tnt.

    Wie von Gttern gesandt, fesselt' ein Zauber einstAuf die Brcke mich an, da ich vorber ging,Und herein die BergeMir die reizende Ferne schien,

    Und der Jngling, der Strom, fort in die Ebne zog,Traurigfroh, wie das Herz, wenn es sich selbst zu schn,Liebend unterzugehen,In die Fluten der Zeit sich wirft.

    Quellen hattest du ihm, hattest dem FlchtigenKhle Schatten geschenkt, und die Gestade sahnAll' ihm nach, und es bebteAus den Wellen ihr lieblich Bild.

    Aber schwer in das Tal hing die gigantischeSchicksalskundige Burg nieder bis auf den GrundVon den Wettern zerrissen;Doch die ewige Sonne go

    Ihr verjngendes Licht ber das alterndeRiesenbild, und umher grnte lebendigerEfeu; freundliche WlderRauschten die Burg herab.

    Struche blhten herab, bis wo im heiteren Tal,An den Hgel gelehnt, oder dem Ufer hold,Deine frhliche GassenUnter duftenden Grten ruhn.

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 97 -

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    (a) Tierpsychologie(nach Schnpug, 2004, S. 221f.)

    Carl Gustav Carus (1789-1869): Ordnung von Gattungen und aufsteigende Entwicklungsstadien

    Urzelle: beim Menschen unbewuter Seelenkeim, bei Planzen derLebensmittelpunkt

    ideelle Lebensmitte (beim Embryo die unbewute Seele, bei tierischen Eizellen

    deren seelische Mitte) Gefhls- und Reaktionsmitte (dmmerndes Bewutsein des Neugeborenen,unbewute Seele von Mollusken)

    dunkle Gefhle (Hunger, Geschlechtstrieb; unbewute Seele hherer Tiere) innere, deutliche Gefhle: Weltbewutsein beim kleinen Kind, bei hheren

    Wirbeltieren

    Selbstbewutsein: nur beim Menschen, Anlage zum Gottesbewutsein besondere Beachtung: Intelligenz von Tieren

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 98 -

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    Evolution und Stammesgeschichte

    seit dem 18. Jahrhundert: Vorstellung, dass hhere Gattungen Abkmmlinge der niederen seien Jean-Baptiste de Lamarck 1809 Philosophische Zoologie:

    Theorie der Vererbbarkeit erworbener Eigenschaften Charles Darwin (1809-1887):Evolutionstheorie (1859)

    Erbgut ist Mutationen unterworfen unter verschiedenen Variationenwerden die ttesten ausgewhlt

    Anpassung frdert das berleben Evolutionstheorie:

    wurde zum Inbegriff naturwissenschaftlicher Betrachtung ber den

    Ursprung des Lebens Mensch als Produkt der Evolution: fundamentale Bedeutung frPsychologie!

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 99 -

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    99/213

    Ernst Haeckel, Jena 1902, Lebensbaum

    Robin, H. (1992). The scientic image: From cage to computer . New York: W. H. Freeman. p. 161

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 100 -

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    Tierpsychologie am Ende des 19. Jahrhunderts

    als Konsequenz der Evolutionstheorie: intensive naturwissenschaftliche Forschung zur Tierpsychologie Lloyd Morgan (1903):

    Bei jeder Gattung beruht das Verhalten auf anderen Grundlagen Je einfacher die Gattung, umso einfachere Grundlagen des Verhaltens

    zentrale Begriffe: Instinkt und Gewohnheit Vererbung und Lernen

    wurde zur Grundlage der Lernpsychologie und des Behaviorismus Komparatistik:

    In vielen Wissenschaften (Literaturwiss., Religionswiss., Rechtswiss.) etabliert In der heutigen Psychologie als Comparative Psychology leider auf Tierpsychologie begrenzt!

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 101 -

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    (b) Entwicklungspsychologie(nach Schnpug, 2004, S. 230f.)

    im 18. Jh.: erwachendes Interesse am Seelenleben des Kindes aus mehreren Grnden:

    Romantik sieht im Kind den unverbildeten Menschen in seiner Natrlichkeit philanthropische Pdagogik sucht nach Neigungen des Kindes fr freie

    Erziehung

    genetische Ausstattung und Entwicklungsverlauf als Teil der DifferentiellenPsychologie neue Methoden:

    Elterntagebcher (erstes Buch: Tiedemann, 1787) Kritik daran fhrt zu eigenen Prfmethoden (1914 erstmals von William Stern

    verwendet)

    erst im 20. Jh: Ausdehnung der Kinderpsychologie auf die Psychologie der Lebensspanne

    durch Charlotte Bhler (1933)

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 102 -

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    102/213

    Alfred Binet & Thodore Simon (1905)

    Der erste Intelligenztest der Welt (Stufenleiter der I.) Ziel:

    Verbesserung des Schulunterrichts: Differenzierung von Schulklassen nachkognitiver Leistungsfhigkeit der Schler

    Durch undifferenzierte Pichtbeschulung Probleme infolge groerHeterogenitt der Leistungen

    Methode: 30 Testaufgaben zu verschiedensten Anforderungen Gestufte Schwierigkeiten Genaueste Durchfhrungsbestimmungen Normierung IQ = Intelligenzalter / Lebensalter

    Funke, J. (2006). Alfred Binet (1857 bis 1911) und der erste Intelligenztest der Welt. In G. Lamberti (Ed.),Intelligenz auf dem Prfstand - 100 Jahre Psychometrie (pp. 23-40). Gttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 104 -

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    104/213

    Kulturpsychologie 2

    Auguste Comte (1798-1857), Schpfer des Begriffs Soziologie: Vlker als Sozialkrper, soziale Gebilde als Erscheinungen der Natur und

    damit als Gegenstand der (positiven) Naturwissenschaften: soziale Physik zentrale Themen

    Gesellschaft und ihre Einrichtungen als eigenstndige Gebilde

    Verhltnis des Individuums zur Gesellschaft Vorwegnahme der Grundprobleme moderner Sozialwissenschaften

    Massenpsychologie als neues Thema Gustave Tarde (1882), franz. Philosoph und Kriminologe

    Imitation als wichtigster Sozialisationsmechanismus

    Gustave Le Bon (1895), franz. Arzt kulturpessimistische Haltung: Menschen im Zeitalter der Massen lassen sich zu

    Dingen hinreien, die sie allein nicht tun wrden

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 105 -

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    105/213

    Sozialstatistik

    Lambert Adolphe Jacques Quetelet (1796-1874): Mathematikprofessor in Brssel, interessiert an Comtes Sozialer Physik Ziel: Bestimmung des Durchschnittsmenschen (franz. homme moyen ) umfangreiche statistische Erhebungen

    Geburten, Todesflle, Eheschlieungen, Verbrechen, Selbstttungen

    wertvolle Daten fr Entwicklungspsychologie

    ! Alterskurven von Gre und Gewicht, aber auch Produktivitt von Dramatikern Sozialpsychologie

    ! Zusammenhang von abweichendem Verhalten mit Wohnort und Jahreszeit Differentielle Psychologie

    ! Nachweis erheblicher Streuungen krperlicher und geistiger Leistungen

    Quetelet, A.J. (1921).Soziale Physik oder Abhandlung ber die Entwicklung der Fhigkeiten des Menschen . Jena: Fischer (Original work published 1869).

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 106 -

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    106/213

    Gausche Normalverteilung

    IQ-Wert

    -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4

    20 36 68 84 100 116 132 164 180

    Standard-abweichung

    Prozent derVerteilung

    0,13% 2,14% 13,59% 34,13% 34,13% 13,59% 2,14% 0,13%

    Carl Friedrich Gau Deutscher Mathematiker

    und Astronom, geb. 1777Braunschweig, 1807Direktor der GttingerSternwarte und Professor,gest. 1855 Gttingen

    Gau berechnetePlanetenbahnen undentwickelte gemeinsammit Wilhelm Weber denersten

    elektromagnetischenTelegraphen.

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 107 -

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    Sozialpsychologie

    erstes sozialpsychologisches Experiment Norman Triplett (1898)

    Situation aus dem Radrennsport: Vergleich Einzelfahren versus Fahren zu zweitunter Wettbewerbsbedingungen in Simulation (competition machine, mitKurbel Faden ziehen)

    erste Lehrbcher in den USA: Edward Albert Ross (1908) zentrale Themen: interactions und mental contacts zwischen Individuen

    in GB: William McDougall (1908) aufbauend auf umfassender Instinktlehre, Instinkt zum Vorteil des Soziallebens wichtige Instinkte: Flucht, Abwehr, Kampf, Neugier, Brutpege, Selbsterhaltung,

    Selbsterniedrigung Instinkt besteht aus Motiv, Affekt und Aktionen (z.B. Pegeinstinkt: soziales

    Motiv, Zrtlichkeit als Affekt, Nestbau als Aktion)

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 108 -

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    108/213

    (d) Persnlichkeits- und Differentielle Psychologie(nach Schnpug, 2004, S. 251f.)

    Franz Joseph Gall (1758-1828): Phrenologie biologische Erklrung des individuellen Charakters die Strke jedes einzelnen Vermgens hngt von der

    Ausdehnung einzelner Hirnteile ab daher Schdelform diagnostisch fr jeweilige Vermgen

    Julius Bahnsen (1867): Fundierung einer wissenschaftlichen Charakterkunde

    Denition von Charaktereigenschaften Denition von Charaktertypen Bestimmung der Individualitt einer Person

    Bestimmung der Einheit der Person (Selbst, Ich) vier Motive zentral: Egoismus (eigenes Wohl), Mitleid (fremdes Wohl), Bosheit

    (fremdes Weh), Askese (eigenes Weh)

    Gall

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 109 -

    Ph l i h G ll

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    109/213

    Phrenologie nach Gall:Kartierung des Gehirns im 18. Jh.

    1983

    Uttal, W. R. (2001). The new phrenology . Cambridge, MA: MIT Press.

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 110 -

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    110/213

    Etablierung der Persnlichkeitspsychologie

    William Stern (1918), Die menschliche Persnlichkeit Persnlichkeit deniert als

    Vieleinheit, dh. integrierte Mannigfaltigkeit psychischer Funktionen Zweckwirken, dh. ganzheitliche Absichten und bergeordnete Zielsetzungen Besonderheit, dh. in Abgrenzung gegenber der Umwelt, z.B. durch Rasse und

    Geschlecht Reifen der Persnlichkeit als Prozess der Selbstbestimmung innere Harmonisierung durch Konvergenz zwischen

    Richtungsdispositionen (Motive, Interessen) Rstungsdispositionen (Fhigkeiten)

    Konvergenz: knnen, was man will und wollen, was man kann

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 111 -

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    111/213

    Differentielle Psychologie

    Francis Galton (1822-1911) Analyse der Familie von Johann Sebastian Bach Versuch, durchKorrelationsstudien das Ausma der Erblichkeit bestimmter

    Eigenschaften festzustellen Erste Einrichtung eines Labors zur Intelligenzmessung (im Londoner South-

    Kensington-Museum) allerdings: wenig aussagefhige Tests ausgewhlt! Z.B.:

    Empndsamkeit fr Rosenblten-Duft Gewichtsschtzung Tonhhenwahrnehmung

    hat bei seinem Tod der London Univ. Mittel zur Einrichtung ein esLehrstuhls fr Eugenik hinterlassen (erster Inhaber: Karl Pearson)

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 112 -

    Was ist eine Korrelation?

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    112/213

    Was ist eine Korrelation?Bsp. fr perfekte Korrelationen

    Testleistung Y

    h o c

    h

    Intelligenz-Testwert XNiedrig hoch

    r xy = 1.00A

    Testleistung Y

    Intelligenz-Testwert XNiedrig hoch

    r xy = -1.00B

    h o c

    h

    Linear-Funktion:Y = a * X + c

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 113 -

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    113/213

    Bsp. fr starke Korrelation, Null-Korrelation

    r xy = 0.80

    Intelligenz-Testwert XNiedrig hoch

    C

    h o c

    h

    Testleistung Y

    Intelligenz-Testwert XNiedrig hoch

    D

    h o c

    h

    r xy = 0.00

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 114 -

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    114/213

    Extreme Persnlichkeiten: Psychopathien

    Johann Christian Reil (1808), Hallenser Psychiater: Anerkennung der krperlichen Grundlagen psychischer Strungen, aber

    erstmals Betonung auch psychischer Ursachen prgte den Begriff Psychiatrie Konzeption einer Psychischen Curmethode

    moralisches Regime zur Humanisierung der Behandlung von Geistes- undNervenkranken (Irrenanstalten waren Toll- und Narrenhuser)

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 115 -

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    115/213

    Themen und Personen der Psychiatrie im 19. Jahrhundert

    Themen Psychosen:

    Strung oder Verlust einer psychischen Funktion Neurosen:

    Fehleinstellung einer intakten psychischen Funktion

    Personen Emil Kraepelin (1856-1926), Leipzig:

    unterschied 1883 bei den Psychosen Dementia Praecox (Jugendirresein) undmanisch-depressives Irresein

    Eugen Bleuler (1857-1939), Zrich:

    hat 1911 den Begriff Dementia Praecox durch Schizophrenie ersetzt Jean Martin Charcot (1825-1893), Paris: Behandlung der Hysterie mittels Hypnose

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 116 -

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    116/213

    Europa im Jahre 1815

    Bildung vonGromchten

    Schaffung vonNationalbewutsein

    Wiener Kongre 1815als Vertrag ber dieNeuverteilung Europas

    zentrale Mchte: England Frankreich Ruland

    sterreich Preuen

    groer Reformbedarf

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 117 -

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    117/213

    Brgerliche Revolution 1830-1848

    FranzsischeRevolution 1789

    Freiheit Gleichheit Brderlichkeit

    jedoch: anschlieender

    Terrorabschreckend!

    politischeRestauration,Unterdrckung

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 118 -

    E i kl i 19 J h h d

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    118/213

    Entwicklungen im 19. Jahrhundert(nach Schnpug, 2004, S. 270f.)

    Industrialisierung und Mechanisierung der Arbeit vierter Stand Proletariat, neben Adel, Klerus und Brgerschaft technischer und wirtschaftlicher Fortschritt schafft Wohlstand 1869 August Bebel: Sozialdemokratische Arbeiterpartei gegrndet

    Zeit des Biedermeier zw. Wiener Kongre 1815 undMrzrevolution 1848

    erlesene Wohnkultur, Aufblhen von Hausmusik und privaten Salons Aufkommen einer neuen intellektuellen Elite Liberalitt und Idealismus Wachstum der Wissenschaften

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 119 -

    D t h Id li

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    119/213

    Deutscher Idealismus(nach Schnpug, 2004, S. 274f.)

    idealistische Philosophie: an Antike orientiert, Suche nach immerwhrender Ordnung Erkennen: Perzeption (=reine Beobachtung) versus Apperzeption

    (=Abstraktion einer Beobachtung, Idee) wesentlicher Schritt:

    nicht mehr nur einfache Teilhabe an jenseitiger Weisheit durch Erleuchtung oderOffenbarung, sondern... menschlicher Geist schafft aktiv die Erkenntnis

    zentraler Vertreter: Immanuel Kant (siehe nchste Folie)

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 120 -

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    120/213

    Immanuel Kant (1724-1804), Knigsberg

    kritische Methode: vertraut gnzlich auf die Vernunft, aus deralle Erkenntnis sich grndet; Denken als einzige Quelle derErkenntnis

    Sinneserfahrungen bedrfen der Deutung und Ordnung Raum und Zeit als Kategoriena priori sinnliche Erfahrung als Erkenntnisa posteriori

    Zwei Dinge erfllen das Gemt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je fter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschftigt: Derbestirnte Himmel ber mir, und das moralische Gesetz in mir.(KpV)

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 121 -

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    121/213

    Kants Kritiken (=Prfung)

    Kritik der reinen Vernunft 1781! Grundfragen:

    Was kann ich wissen? ->Metaphysik, ErkenntnistheorieWas kann ich tun? -> EthikWas darf ich hoffen? -> Religionund als letzte Frage:Was ist der Mensch? -> Anthropologie, Psychologie

    ! zwlf magebliche Kategorien des Urteils, darunter Quantitt (alle, einige), Qualitt(bejahend, verneinend), Relation (unbedingt, bedingt), Modalitt (Mglichkeit,Wirklichkeit, logische Notwendigkeit)

    Kritik der praktischen Vernunft 1788! Kategorischer Imperativ: Handle so, da die Maxime deines Willens jederzeit zugleich

    als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten knne .

    Kritik der Urteilskraft 1790!

    sthetik des Erhabenen und des Schnen! Die sthetische Urteilskraft ist ein besonderes Vermgen, Dinge nach einer Regel,aber nicht nach Begriffen, zu beurteilen. Die teleologische ist kein besonderesVermgen, sondern nur die reektierende Urteilskraft berhaupt.

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 122 -

    Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831)

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    122/213

    Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831),Jena & Berlin

    Geist als Sammelbegriff fr das Ideale (dasWahre, Gute und Schne)

    drei Entwicklungsstufen des Geistes (von oben nach unten): absoluter Geist: erscheint in Kunst, Religion und Philosophie objektiver Geist: zeigt sich in sittlichen Formen der Familie, des Rechts und

    des Staates subjektiver Geist: offenbart sich im individuellen Bewutsein, in regionalenSitten, in individuellen und nationalen Charakteren

    im Verlauf der Geschichte sichtbar: Weltgeist erste Anstze einer rationalen Psychologie; aber:

    Psychologie verfehlt Kriterien der Wissenschaftlichkeit, die sich durchSuche nach Gesetzmigkeiten auszeichnet

    Psychologie zu der Zeit bloe Erfahrungsseelenkunde

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 123 -

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    Wilhelm von Humboldt (1767-1835)

    Gelehrter, Staatsmann, Begrnder der Berliner Universitt 1809 Bildungsreformer:

    Hochschtzung von Bildung, wird 1808 zum preuischen Bildungsminister Einfhrung von Lehrplnen, Lehrerausbildung und Prfungswesen an

    Elementar- und Volksschulen, Gymnasien und im universitren Bereich

    Individualistisches Bildungsideal der Aufklrung Sprachpsychologe: Begrnder der vergleichenden Sprachforschung und -wissenschaft Material wurde auf zahlreichen Reisen zusammen mit seinem Bruder

    Alexander gesammelt

    Der wahre Zweck des Menschen! nicht der, welchen die wechselnde Neigung,sondern welche die ewig unvernderliche Vernunft ihm vorschreibt! ist die

    hchste und proportionierlichste Bildung seiner Krfte zu einem Ganzen. Zu dieser Bildung ist Freiheit die erste und unerlliche Bedingung.

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 124 -

    Trennung in Natur und Geisteswissenschaften

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    Trennung in Natur- und Geisteswissenschaften(nach Schnpug, 2004, S. 279f.)

    im 19. Jahrhundert: Ende des Universalgelehrtentums, Hegel als letzter Enzyklopdiker aus dem groen Bereich der Philosophie gehen hervor

    Naturwissenschaften Geisteswissenschaften

    Philosophie bleibt dem Anspruch nach Universalwissenschaft, wird aber wieeine Einzelwissenschaft organisiert Erfolge der Physik, der Chemie und der Biologie

    Neuartigkeit der Befunde Nutzanwendung ihrer Theorien

    z.B. Spektralanalyse: Entdeckung 1859 durch Robert Bunsen und Georg Kirchhoff hier in HD! dadurch Entdeckung von zwei neuen Elementen, Csium und Rubidium

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 125 -

    h f

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    Geisteswissenschaften

    Wilhelm Dilthey (1833-1911) hat die Bezeichnung Geisteswissenschaften(1883) vorgeschlagen

    diese sollten Erfahrungen ber geistige Schpfungen (Werke, Gedankengebude, soziale

    Systeme) sammeln und die Reexion ihrer Bedeutung pegen

    wichtiger Unterschied: Naturwissenschaften erschlieen aufgrund von Einzelfllen weitgehend

    generalisierbare, zeitlose Theorien; Methode: Experiment Geisteswissenschaftliche Theorien bleiben auf den zeitlich-rumlichen Kontext

    ihres Gegenstands beschrnkt; Methode: Hermeneutik (=Deutekunst)

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 126 -

    h id ilh l i d lb d (1894)

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    Unterscheidung von Wilhelm Windelband (1894)

    Gesetzeswissenschaften nomothetisches (=gesetzgebendes) Denken mit dem Ziel, zeitlose,

    allgemeine Gesetze aufzustellen Denken mitsamt Abstraktion vorherrschend, Gesetze sttzen sich auf

    logische Beweise

    Ereigniswissenschaften idiographisches (=Eigenheiten beschreibendes) Denken mit dem Ziel,

    zeitgebundene, besondere Gestalten zu charakterisieren tatsachengesttzte Anschauung des individuellen Lebens

    wichtig:

    nomothetischer bzw. idiographischer Ansatz nicht eindeutig denverschiedenen Wissensgebieten zuzuordnen z.B. Psychologie: beide Perspektiven mglich

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 127 -

    Herbart: Erfahrung und Mathematik

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    Herbart: Erfahrung und Mathematik(nach Schnpug, 2004, S. 283f.)

    Johann Friedrich Herbart (1776-1841) 1809 Nachfolger Kants in Knigsberg, ab 1833 in Gttingen Bestimmung der Gesetzmigkeit des Psychischen mittels mathematischer

    Methoden Vorstellungen sind nicht nur Inhalte, sondern haben auch Krfte

    knnen Kraft verlieren und verfallen knnen sich vereinigen und verschmelzen knnen sich einseitig oder wechselseitig hemmen

    genaue mathematische Formalisierung dieser Prozesse Apperzeptionsmasse als Vorstellungskomplexe aktuell vorherrschende Apperzeptionsmasse bildet Bewutsein

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 128 -

    Dilthey: Verstehende Psychologie

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    Dilthey: Verstehende Psychologie(nach Schnpug, 2004, S. 286f.)

    1894: Programm einer beschreibenden und zergliedernden

    Psychologie, kurz: einer verstehenden Psychologie Vorgang des Verstehens (im Unterschied zum naturwissenschaft-

    lichen Erklren): Objekte des Verstehens sind ganzheitliche Gebilde verstehendes Subjekt ist selbst eine Ganzheit Grundlage des Verstehens ist das unmittelbare Erleben bei der Begegnung

    des Subjekts mit dem Objekt Zergliederung, Analyse des Erlebten gibt Aufschlu ber allgemeine

    Gleichfrmigkeiten hchste Stufe des Verstehens: Verbindung des Allgemeinen mit demIndividuellen

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 130 -

    Psychophysik

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    Psychophysik(nach Schnpug, 2004, S. 290f.)

    Ansatz der Psychometrie: Messung des Psychischen Gustav Theodor Fechner (1801-1887), Leipzig

    Begrndung der Psychophysik als Lehre der Abhngigkeit zwischen Krperund Seele, zwischen Reiz und Empndung

    innere Psychophysik: Beziehung der subjektiven Innenwelt (Empndung,

    Bewutsein) zur objektiven Innenwelt; Bsp.: Hirnaktivitt und Vorstellung;hierzu fehlte es an Befunden uere Psychophysik: Beziehung der subjektiven Innenwelt zur objektiven

    Auenwelt; Bsp.:uerer Reiz und Empndung -> Fechnersches Gesetz Curiosum:

    Fechner 1875: Warum wird die Wurst schief durchgeschnitten? (zur sthetikder Ellipse)

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 131 -

    Experimentelle Psychologie

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    Experimentelle Psychologie(nach Schnpug, 2004, S. 294f.)

    setzt Anstze der rationalistischen wie der physiologischen Psychologie fort wichtigste Methode: systematisch kontrolliertes Experiment, unter

    Verwendung von speziellen Darbietungs- und Megerten frhe Vertreter:

    Wilhelm Wundt (1832-1920) in Leipzig

    Hermann Ebbinghaus (1850-1909) in Berlin Georg Elias Mller (1850-1934) in Gttingen

    durch ihn 1904 Grndung der Gesellschaft fr Experimentelle Psychologie, derspteren Deutschen Gesellschaft fr Psychologie (DGPs)

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 133 -

    7 P h l gi h S h l i 19 d 20 J h h d t

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    7 Psychologische Schulen im 19. und 20. Jahrhundert

    Schulenbildung als Organisationsprinzip im deutschen Sprachraum:

    Leipziger Schule: Wilhelm Wundt Wrzburger Schule: Oswald Klpe Gestaltpsychologie: Max Wertheimer, Wolfgang Khler Feldtheorie: Kurt Lewin

    in den USA:(wird nicht vertieft! vgl. Sternberg, 1995, p. 44-50) Strukturalismus: Edward Titchener (1867-1927) Funktionalismus und Pragmatismus: William James (1842-1910), John

    Dewey (1859-1952) Assoziationismus: Edward Lee Thorndike (1874-1949)

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 134 -

    wichtige Strmungen im 19 Jahrhundert

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    wichtige Strmungen im 19. Jahrhundert

    Positivismus und naiver Empirismus Auguste Comte (1789-1857), positive Philosophie (positiv=echte Tatsachen),

    Wissenschaft entwickelt sich von Theologie (purer Glauben) ber Metaphysik(Vertrauen in das eigene Denken) zur Naturforschung als hchster Form

    Ludwig Feuerbach (1804-1872) Ernst Mach (1838-1916), Wiener Kreis

    Evolutionstheorie Charles Darwin (1809-1882)

    Vlkerkunde und Vlkerpsychologie Wilhelm von Humboldt (1767-1835), Forschungsreisen

    [nach Lck, 1991, 36f.]

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 135 -

    Schulenbildung

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    Schulenbildung

    In der Zeit zwischen 1880 bis 1950 typisches Verhaltensmuster Bildung von scientic communities

    Zentrale Figuren als Leitpersonen (die oft ohne Quellenangabe Ideen ihrerSchler vertreten haben)

    Erproben eines Paradigmas (z.B. Gestaltpsychologie)

    Einrichten eigener Publikationsorgane Gemeinsame Tagungen

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 136 -

    Leipziger Schule

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    Leipziger Schule

    Grndung des 1. Experimentalpsychologischen Instituts 1879 durchWilhelm Wundt in Leipzig

    Psychologie vom naturwissenschaftlichen Standpunkte aus: seelischeVorgnge auf der Grundlage physiologischer Vernderungen erklren

    Proponent experimenteller Methoden und statistischer Auswertungen,Ablehnung von Introspektion

    Herstellung von Megerten durch den Leipziger Mechaniker E.Zimmermann (z.B. Chronoskop)

    Elementenpsychologie: Zerlegung des Bewutseins in nicht weiteraufteilbare Bestandteile (Elemente) und Ermittlung der Gesetze, nachdenen sich Elemente verbinden

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    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 138 -

    Megerte

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    Megerte

    Hipp`sches Chronoskop Reizapparat nach Runne

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 139 -

    Wundts Forschungs- und Arbeitssttten in HD

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    Wundts Forschungs und Arbeitssttten in HD(nach Unterlagen von Dr. Jrg Sommer)

    1) Hauptstr. 47 (Friedrichsbau):1858-1863 war W. Assistent bei Helmholtz 2) Hauptstr. 52 (Haus Riesen) und Akademiestr. 2:Psychophysiolog. Laboratorium und Wohnung W.s

    1 2 3 4 5

    67 8 9 10

    3) Theaterstr.(Stadttheater):W. schriebTheaterkritiken fr die Volkszeitung fr Sddeutschland

    4) Hauptstr. (Gasthaus Weisser Schwan):Sitz des Arbeiterbildungsvereins 1863

    5) Alte Universitt &Haus der Museums-gesellschaft (heute Neue Uni):Treffpunkt der wissenschaftl. Vereine,

    die W. mitbegrndete

    6) Ebertplatz (ehem.Chem. Institut):LaboratoriumBunsens. W. wird zueigenen Exp.angeregt

    7) Plck 48 (abgerissen; Nachbar: KunoFischer): Ferienhaus W.s 1903-1919

    8) Plck 72: Haus des Staatsrechtlers Bluntschli - er fhrte W. in die Politik der Nationalliberalen ein

    9) Seminarstr. (Collegium Academicum):ehem. Krankenhaus, erste Versuche W.s bei E.Hasse 1856

    10) Schlohof:1848 hrt W. die Rededes FreiheitskmpfersRobert Blum

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 140 -

    Hans Berger (Jena 1929) Entdeckung des EEG

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    Hans Berger (Jena 1929), Entdeckung des EEG

    der britische Arzt Robert Caton hatte bereits 1875elektrische Spannung im Gehirn entdeckt

    Robin, H. (1992). The scientic image: From cage to computer . New York: W. H. Freeman. p. 142

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 141 -

    Wrzburger Schule

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    Wrzburger Schule

    Leitgur in Wrzburg: Oswald Klpe (1862-1915) mit seinen Schlern Narzi Ach (1871-1946), Karl Bhler

    (1879-1963), Karl Marbe (1869-1953) Zentrales methodisches Merkmal:

    Systematische experimentelle Selbstbeobachtung bei

    Denkprozessen Oswald Klpe Inhaltlich: Analyse von DenkprozessenDenken ist zielgerichtet, durch unbewute Krfte gesteuert (Ach:determinierende Tendenzen)Aha-Erlebnis (Bhler) kurz vor oder bei einer Problemlsung1907/08 heftiger Streit zw. Wundt und Bhler ber die Ausfragemethode

    Bhler, K. (1908). Antwort auf die von W.Wundt erhobenen Einwnde gegen die Methode der Selbstbeobachtung anexperimentell erzeugten Erlebnissen. Archiv fr die Gesamte Psychologie, 12 , 93-112.Wundt, W. (1907). ber Ausfrageexperimente und ber die Methoden zur Psychologie des Denkens.PsychologischeStudien, 3 , 301-360.Wundt, W. (1908). Kritische Nachlese zur Ausfragemethode. Archiv fr die Gesamte Psychologie, 12 , 445-459.

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 142 -

    Gestalt- und Ganzheitspsychologie

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    Gestalt- und Ganzheitspsychologie

    Zentrale Figuren: Max Wertheimer (1880-1943), Wolfgang Khler (1887-1967) und Kurt

    Koffka (1886-1941; alle ab 1912 in Frankfurt, spter in Berlin bis zur Nazi-Zeit)

    Inhaltlich:

    These der bersummativitt: Das Ganze ist mehr (bzw. anderes) als dieSumme seiner Teile (Bsp.: Melodie) Abkehr von elementaristischer und Hinwendung zu holistischer Betrachtung

    psychischer Prozesse Gestaltprinzipien der Wahrnehmung Einsicht als Leitprinzip des Denkens (Khlers Schimpansen-Experimente

    auf Teneriffa), einsichtsvolle Handlungen als Gestalten

    Herrmann, T. (1957).Problem und Begriff der Ganzheit in der Psychologie (Sitzungsbericht dersterreichischen Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-historische Klasse 231. Band, 3.Abhandlung). Wien: Rohrer.

    WS 2006Geschichte der Psychologie(Funke) - 143 -

    Feldtheorie

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    Feldtheorie

    Leitgur: Kurt Lewin (1890-1947, bis 1933

    in Berlin, danach USA) Inhaltlich:

    Wichtig ist nicht die physikalische Beschaffenheit des wahrgenommenen

    Raums, sondern dessen erlebnismige Strukturierung als Lebensraum,V=f(Lr)=f(Person, Umwelt) Bsp. Entwicklung: neue Lebensrume erschlieen sich (Rauchen), alte fallen

    weg (Daumenlutschen) Bsp. Konikte: verschiedene Krfte (Appetenz, Aversion) wirken auf das

    Individ