globale nachhaltigkeit – eine erste annäherung...2019/06/03 · gen (generationengerechtigkeit;...
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Globale Nachhaltigkeit – Eine erste Annäherung
Prof. Dr. Markus Schmitt*
ARBEITSPAPIER
(Stand: 2019-06-06)
Inhalt
1 Einleitung ................................................................................................................ 2
2 Was ist Nachhaltigkeit? ......................................................................................... 2
3 Ist-Zustand .............................................................................................................. 3
3.1 Wirtschaftliche Effizienz .................................................................................... 3
3.2 Soziale Gerechtigkeit ........................................................................................ 4
3.3 Ökologische Verträglichkeit ............................................................................... 5
3.4 Zusammenfassung ............................................................................................ 6
4 Zusammenhänge am Beispiel des Klimawandels .............................................. 7
4.1 Physikalische Grundlagen: Treibhauseffekt ...................................................... 7
4.2 2-Grad-Ziel von Paris und „Restlaufzeit“ ........................................................... 9
4.3 Emittierende Sektoren und Emissionsverteilung ............................................. 10
4.4 Fahrplan für Dekarbonisierung ab 2020 .......................................................... 12
4.5 Zukunftskunst und Große Transformation ...................................................... 14
5 Innovationschancen und Wirtschaftsmodelle ................................................... 17
5.1 Übersicht ......................................................................................................... 17
5.2 Ressourceneinsatz und Kreislaufwirtschaft .................................................... 18
5.3 Kundenbeziehung und Postwachstumsökonomie .......................................... 20
5.4 Selbstverständnis und Gemeinwohlökonomie ................................................ 22
6 Wissenschaft und Transformation ..................................................................... 23
6.1 Typologie des WBGU ...................................................................................... 23
6.2 Beispiele aus der Lehrpraxis ........................................................................... 27
6.2.1 „Menschheit auf dem Sprung“ ................................................................ 27
6.2.2 „Erde als Betrieb“ ................................................................................... 29
7 Schlussbemerkung .............................................................................................. 31
* Hochschule für angewandte Wissenschaften Landshut, Fakultät für Elektrotechnik und Wirtschaftsingenieurwesen, Am Lurzenhof 1, D-84036 Landshut, [email protected]
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1 Einleitung
Das Universum ist 13,8 Milliarden Jahre alt, aus physikalischer Sicht entstanden nach
dem sog. Urknall, aus einem Punkt mit unendlich großer Dichte an Material und Energie.
Nach 9,2 Milliarden Jahren bildete sich die Erde aus einer Staub- und Gaswolke. Vor
etwa 2 Millionen Jahren begann die Entwicklung des Menschen – ein Lebewesen, das
sich zunehmend sozialisiert, Kulturen hervorbringt und vernunftbegabt ist. Die heutige,
menschlich geprägte Zivilisation startete ihre Entwicklung vor knapp 12.000 Jahren, und
seit etwa 40 Jahren beschäftigen sich Menschen mit dem Thema der globalen Nachhal-
tigkeit.
Der vorliegende Aufsatz bietet einen Einstieg in dieses Thema. Es ist an Komplexität
kaum zu übertreffen und kann deshalb hier nicht erschöpfend dargestellt werden. Viel-
mehr ist eine Auswahl einzelner Inhalte aus dem Themenkomplex „Globale Nachhaltig-
keit“ so zu treffen und zu verknüpfen, dass die Lesenden
mit möglichst verschiedenen Perspektiven und Beispielen einen Zugang zum
Thema finden
einen konzeptionellen Rahmen erhalten, in den sie später weitere Inhalte einordnen
können
die systemischen Zusammenhänge zwischen den einzelnen Inhalten erkennen
aufgrund der Literaturangaben einzelne Inhalte vertiefen und sich den Gesamtzu-
sammenhang weiter erschließen können.
Vor diesem Hintergrund wird nach einer Definition des Begriffs Nachhaltigkeit zunächst
der Ist-Zustand beschrieben; dies lässt den Innovations- und Veränderungsbedarf er-
kennen. Anschließend wird am Beispiel des Klimawandels verdeutlicht, wie dringend,
wichtig und anspruchsvoll nachhaltige Lösungen sind. Die folgenden Abschnitte kon-
zentrieren sich auf zwei Gruppen von Akteuren, die Unternehmen und die Wissenschaft;
es werden Hinweise gegeben, wie Unternehmen den Nachhaltigkeitsanforderungen ent-
sprechen, welche Wirtschaftsmodelle dazu passen und wie Forschung und Bildung bei-
tragen können.
2 Was ist Nachhaltigkeit?
Globale Nachhaltigkeit bedeutet (vgl. Deutscher Bundestag 1998, S. 18), dass die
Menschheit
ihren Planeten Erde effizient bewirtschaftet, d.h. sie sichert ihr Dasein mit möglichst
geringem Aufwand (wirtschaftliche Effizienz)
dabei ökologisch verträglich ist, d.h. sie erhält die natürliche Umwelt, von der sie ab-
hängt (ökologische Verträglichkeit)
dabei sozial gerecht ist, d.h. alle Menschen sind am Wohlergehen der Menschheit
fair beteiligt (soziale Gerechtigkeit)
es auch zukünftigen Generationen ermöglicht, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedi-
gen (Generationengerechtigkeit; WCED 1987, I.3.27).
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3 Ist-Zustand
3.1 Wirtschaftliche Effizienz
Zur Messung der wirtschaftlichen Effizienz lässt sich das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro
Kopf heranziehen. Es ist der Wert aller Waren und Dienstleistungen, die in einem Jahr
von einem Menschen durchschnittlich hergestellt und über Märkte verkauft werden.
Bild 1: Wirtschaftliche Effizienz der Weltbevölkerung (Our World in Data, 2019)
Bild 1 zeigt die Entwicklung im Zeitablauf, beginnend im Jahr 730. Abgebildet sind zwölf
Verläufe, und zwar für die Welt insgesamt, für Deutschland und für die zehn bevölke-
rungsreichsten Länder. Ab dem 18. Jahrhundert steigt die Produktionsleistung enorm
an, zunächst in den USA und Deutschland, zeitversetzt auf den anderen Kontinenten.
Die Ursachen hierfür sind bekannt: technische Erfindungen, Nutzung der natürlichen
Ressourcen, Arbeitsteilung und Spezialisierung, Marktwirtschaft, Internationalisierung
der Wertschöpfung, moderne Managementmethoden wie Qualitätsmanagement und
schlanke Fertigung. Scheinbar hat die Menschheit ein „Geschäftsmodell“ für die Bewirt-
schaftung des Planeten Erde gefunden, das auch Krisen immer wieder bewältigt und
grenzenloses, schnelles Wachstum ermöglicht.
Die Kehrseite dieser Entwicklung wird deutlich beim Blick auf den Umgang der Men-
schen mit Rohstoffen (vgl. Behrens 2017): Selbst in Deutschland werden deutlich weni-
ger als 50% der Abfälle recycelt; der Rest wird verbrannt, als Müll deponiert oder mit
geringerer Qualität stofflich verwertet. Ähnliches gilt für andere Länder (OECD 2019).
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D.h. das „Geschäftsmodell“ für die Bewirtschaftung der Erde ist im Hinblick auf die Roh-
stoffentnahme und die Müllabgabe langfristig kaum zukunftsfähig; die Menschheit lebt
von der Substanz.
3.2 Soziale Gerechtigkeit
Große Unterschiede sind in der Produktionsleistung (Bild 1) schon zu erkennen. Sie set-
zen sich fort in der Einkommensverteilung (Bild 2).
Bild 2: Einkommensverteilung der Weltbevölkerung (in Anlehnung an Roser 2019)
Das Tageseinkommen pro Kopf, über das ein Mensch verfügt, reicht von fast nichts bis
zu 200 USD und mehr. Deutsche verfügen im Durschnitt über 116 USD pro Tag. Die
internationale Grenze der extremen Armut liegt bei 1,90 USD pro Tag. Ca. 700 Mio.
Menschen, d.h. fast ein Zehntel der Menschen, leben von weniger als 1,90 USD pro Tag,
mehr als die Hälfte davon in Afrika.
Insgesamt ist die Entwicklung eher positiv: Mehr und mehr Menschen haben Anteil an
der wirtschaftlichen Entwicklung. Vor allem in Ostasien (China, Indien) ist der Anteil der
Menschen in absoluter Armut seit den 1980er Jahren stark gefallen – nicht zuletzt dank
der Übernahme des oben beschriebenen und dann in Frage gestellten „Geschäftsmo-
dells“ für die Bewirtschaftung der Erde. Es erweist sich sozusagen als Segen und Fluch
zugleich.
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Arbeit und Einkommen sind jedoch nicht die einzigen Kriterien für soziales Wohlergehen.
Die britische Ökonomin Raworth (2017, S. 296) nennt dafür insgesamt zwölf Kriterien
und bezeichnet diese als das „soziale Fundament“ einer Gesellschaft (Bild 3). Sie rei-
chen von elementaren Dingen wie dem Zugang zu Wasser, Nahrung und Energie über
Bildung, Frieden und politische Teilhabe bis hin zu einer Wohnung und zu der Tatsache,
Bestandteil von realen sozialen Netzwerken zu sein (für gegenseitige Unterstützung und
Austausch). Wie beim Einkommen, so gibt es auch bei all den anderen Faktoren noch
zu viele Menschen, die unter unwürdigen Bedingungen leben. Die Defizite (rote Flächen
in Bild 3) lassen sich sehr gut belegen mit Kennzahlen, die statistisch valide ermittelt
werden und international anerkannt sind. Für den Zugang zu Wasser beispielsweise sind
dies die von der Weltgesundheitsorganisation ermittelten Anteile der Weltbevölkerung,
die ohne qualitätsgesichertes Trinkwasser leben (z.B. mit Oberflächenwasser) und über
kein gesichertes Abwassersystem verfügen.
Fazit: Soziale Gerechtigkeit ist global bei Weitem nicht erreicht, das gesellschaftliche
Fundament für globale Nachhaltigkeit ist noch nicht vorhanden.
3.3 Ökologische Verträglichkeit
Das dritte Merkmal für globale Nachhaltigkeit ist, ob die Menschheit ökologisch verträg-
lich lebt. Diese Frage lässt sich inzwischen recht gut beantworten. Denn in den letzten
Jahren haben Wissenschaftler Messverfahren entwickelt, mit denen das Funktionieren
verschiedener, für Menschen lebenswichtiger Erdsysteme überprüft werden kann. Zu
diesen Erdsystemen zählen z.B. die Ozonschicht (sie hält den karzinogenen UV-B-Anteil
der Sonnenstrahlung ab), das Klima (also die Zustände und Vorgänge in der Erdat-
mosphäre), das Meerwasser und sein pH-Gehalt oder der Phosphorkreislauf (d.h. die
stetige Wanderung und Umsetzung von Phosphor in Gewässern, Böden und Biomasse).
Für all diese Erdsysteme lassen sich Grenzwerte nennen, innerhalb derer die Mensch-
heit sicher existieren kann (Steffen et al. 2015). Sie bilden die „planetaren Grenzen“, die
nicht durchstoßen werden sollten. Tatsache ist aber, dass die Menschheit diese Grenzen
inzwischen mehrfach überschritten hat (rote Flächen in Bild 3):
Der von Menschen verursachte Klimawandel hat bereits begonnen und wird zuneh-
mend zu einem ernsten Problem.
Die Belastung der Böden und des Wassers mit Phosphor- und Stickstoffverbindun-
gen, vor allem aus der Düngung der Böden, gefährdet die Gesundheit von Natur
und Mensch.
Bei der Landnutzung wird gemessen, wie viel Prozent der ursprünglichen Waldflä-
chen noch bewaldet sind. Die Untergrenze liegt bei 75%, tatsächlich vorhanden sind
nur noch ca. 60%.
Die Natur verliert jährlich viele Tausende von Tier- und Pflanzenarten. Die Verlust-
rate ist zehn- bis mehrere hundertmal so hoch wie im Durchschnitt der letzten 10
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Mio. Jahre und so hoch wie seit 65 Mio. Jahren nicht mehr, als die Dinosaurier end-
gültig ausstarben (vgl. IPBES 2019). Es handelt sich um einen gefährlichen Eingriff
in die Evolution, in Nahrungsketten und Stoffkreisläufe.
Auch bei anderen Erdsystemen ist die Entwicklung ungünstig, etwa bei der Luftver-
schmutzung; nur sind dabei die Grenzwerte noch nicht überschritten oder die Effekte
können noch nicht zuverlässig global gemessen werden.
Fazit: Die Menschheit ist derzeit nicht ökologisch verträglich. Sie gefährdet ihre eigenen
natürlichen Lebensgrundlagen.
3.4 Zusammenfassung
Die menschliche Zivilisation hat mit ihrem „Geschäftsmodell“ zwar die wirtschaftliche Ef-
fizienz auf ein sehr hohes Niveau getrieben. Jedoch durchstößt sie die planetaren Gren-
zen mehrfach und lebt dadurch riskant. Und gleichzeitig fehlt ihr noch das soziale Fun-
dament für ein menschenwürdiges Leben aller Menschen.
Bild 3: Soziales Fundament und planetare Grenzen
(vgl. Steffen et al. 2015; Raworth 2017, S. 51)
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Bild 3 drückt diesen Befund so aus: Die Menschen leben zu weit außerhalb des Rings
zwischen dem sozialen Fundament und den planetaren Grenzen. Raworth (2017) be-
zeichnet ihn in Anlehnung an das gleichnamige Schmalzgebäck als Donut, das gesamte
Bild als „Selfie“ der Menschheit. Es zeigt sehr deutlich, wo der Innovations- und Verän-
derungsbedarf der menschlichen Zivilisation liegt, wenn sie globale Nachhaltigkeit errei-
chen will. Fraglich ist, ob der Ring zwischen sozialem Fundament und planetaren Gren-
zen jemals erreicht werden kann. Oder anders formuliert: Können 8, 9 oder bald 10 Mil-
liarden Menschen dauerhaft gut, ökologisch sicher und sozial gerecht leben?
Um die Diskussion zu konkretisieren, konzentriert sie sich jetzt auf eines der genannten
Risiken, den Klimawandel.
4 Zusammenhänge am Beispiel des Klimawandels
4.1 Physikalische Grundlagen: Treibhauseffekt
In Deutschland rückte der Klimawandel im Sommer 2018 stärker ins Bewusstsein der
Öffentlichkeit. Denn ein außergewöhnlich heißer und langer Sommer hat die in Gang
gesetzte Erderwärmung spüren lassen, mit braunen statt grünen Flächen, mit Ernteaus-
fällen und Existenznot in der Landwirtschaft. Letztere beklagte Schäden in Höhe von
rund 680 Mio. EUR (Bundesregierung 2018).
Schon 28 Jahre früher, 1990, hat der Weltklimarat der Vereinten Nationen seinen ersten
Bericht vorgelegt und zu einer möglichst schnellen Reduktion der Treibhausgase gera-
ten (IPCC 1990). Die Befunde sind seitdem nicht grundlegend anders geworden, nur
präziser und wissenschaftlich fundierter.
Beim derzeitigen Klimawandel geht es um den Treibhauseffekt (Bild 4), der – vereinfacht
ausgedrückt – wie folgt entsteht (vgl. Nelles / Serrer 2018): Die Sonnenstrahlung er-
wärmt die Erde. Die Wärmestrahlung der Erde entweicht entweder ins Weltall oder sie
wird von bestimmten Spurengasen, den sog. Treibhausgasen, aufgenommen (absor-
biert). Im letzteren Fall emittieren die Treibhausgase die Wärmestrahlung wieder, und
der zur Erde gerichtete Anteil erwärmt die Erdoberfläche zusätzlich.
Dieser Effekt ist von Natur aus vorhanden und erwärmt die Erdoberfläche von -19 °C auf
+14 °C (also um 33 °C), so dass Menschen und viele andere Lebewesen gut leben kön-
nen. Bei diesem natürlichen Treibhauseffekt ist Wasserdampf (H2O) das Treibhausgas
mit dem größten Beitrag, gefolgt von Kohlendioxid (CO2), Lachgas (N2O) und Methan
(CH4). Diese Gase sind Bestandteil der natürlichen Stoffkreisläufe, die in und auf den
Böden, in Gewässern und in der Atmosphäre der Erde ablaufen. Von Natur aus sind
diese Kreisläufe stabil und im Gleichgewicht – zumindest innerhalb von Zeiträumen, die
für die Menschheit relevant sind. Das ist am einfachsten nachvollziehbar am Wasser-
kreislauf: Ständig verdunstet irgendwo Wasser und irgendwo anders regnet es, global
bleibt die Menge des Wassers konstant.
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Bild 4: Treibhauseffekt
Soweit, so unproblematisch.
Problematisch hingegen ist der von Menschen ausgelöste, zusätzliche Ausstoß von
Treibhausgasen in die Atmosphäre. Quellen dafür sind insbesondere:
für CO2: das Verbrennen fossiler Energieträger (Kohle, Erdgas, Erdöl), die Brandro-
dung von Wäldern (z.B. zur Vorbereitung landwirtschaftlicher Produktion), Bodene-
rosion, Holzverbrennung
für CH4: die Viehhaltung zur Fleisch- und Milchproduktion (dabei wird organisches
Material wie z.B. Gras im Verdauungssystem der Tiere abgebaut), der Nassreisan-
bau
für N2O: das Absterben von Kleinstlebewesen infolge der Düngung von Böden zur
Ertragssteigerung, die Verbrennung von Biomasse und fossilen Energieträgern.
Die Treibhausgase verweilen viele Jahre in der Atmosphäre, CO2 im Durchschnitt 120
Jahre. Sie wirken somit extrem langfristig und reichern sich in der Atmosphäre an. Zum
Beispiel ist das im Jahr 1900 (zur Verdeutlichung: Damals herrschte im Deutschen Reich
noch Kaiser Wilhelm II.) ausgestoßene CO2 zum Teil heute noch in der Atmosphäre und
trägt zur Erderwärmung bei. Aufgrund menschlich verursachter („anthropogener“) Treib-
hausgas-Emissionen hat sich die Erde schon um 1 °C zusätzlich erwärmt.
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4.2 2-Grad-Ziel von Paris und „Restlaufzeit“
Die Folgen der Erderwärmung sind bekannt (vgl. IPCC 2014a): Eisschmelze und Anstieg
des Meeresspiegels, Überschwemmungen, Stürme, Dürreperioden, Mangelernährung,
Krankheiten und viele vorzeitige Todesfälle, Fluchtbewegungen, Verteilungskämpfe, po-
litische Konflikte.
Um diese Schäden möglichst gering zu halten, haben 196 Staaten sich im sog. Überein-
kommen von Paris im Jahr 2015 ein Ziel gesetzt: Den Temperaturanstieg gegenüber der
Zeit vor der Industrialisierung bis zum Ende des 21. Jahrhunderts auf höchstens 2 °C
begrenzen (United Nations 2015).
Wissend, dass Treibhausgase, wenn sie einmal in die Atmosphäre gelangt sind, dort für
Jahrhunderte zur Erderwärmung beitragen, stellt sich der Menschheit eine entschei-
dende Frage: Welche Menge an Treibhausgasen dürfen die Menschen der Atmosphäre
höchstens noch hinzufügen, um die 2-Grad-Grenze einzuhalten? Wie groß ist also das
„Restbudget“ an Treibhausgasemissionen, über das die Menschheit noch verfügen
kann?
Die Antwort lässt sich für das wichtigste Treibausgas, CO2, recht gut abschätzen (vgl.
Mercator 2019): Ca. 800 Gigatonnen (Gt) ab 2017, das sind 800 Mrd. t. Nur dann lässt
sich das 2-Grad-Ziel erreichen.
800 Gt sind also das Restbudget für die von Menschen verursachten CO2-Emissionen.
In den letzten Jahren lagen diese bei 35-40 Gt pro Jahr (WBGU 2016, S. 24; Bild 7). Das
könnte noch ca. 20 Jahre lang so weiter gehen, danach müssten die Emissionen sofort
auf 0 t fallen. Die so verstandene „Restlaufzeit“ liegt bei ca. 20 Jahren. Oder die Men-
schen lassen sich 40 Jahre lang Zeit, mit jährlich durchschnittlich 20 Gt CO2. Das ließe
sich z.B. dadurch erreichen, dass ab 2017 Jahr für Jahr die Emissionen linear gesenkt
werden, bis in 2057 mit 0 t die sog. CO2-Neutralität erreicht ist.
Welchen Anteil am Restbudget von 800 Gt kann ein bestimmtes Land, z.B. Deutschland,
für sich beanspruchen? Diese Frage wirft ein Verteilungsproblem auf, das die Weltge-
meinschaft in den nächsten Jahrzehnten beschäftigen wird: Wer hat welchen Anspruch
auf CO2-Emissionen?
Deutschland darf noch 8,8 Gt CO2 emittieren, wenn als Bemessungsgrundlage der heu-
tige Anteil Deutschlands an der Weltbevölkerung (1,1%) verwendet wird. Andere Vertei-
lungsansätze sprechen den Entwicklungsländern einen überproportionalen Anteil zu, um
deren „Nachholbedarf“ bei wirtschaftlichem Wachstum zu berücksichtigen. Wieder an-
dere Ansätze begünstigen die hochentwickelten Länder und knüpfen damit an deren
bereits erreichtes Niveau an (vgl. WWF Deutschland 2017, S. 37).
Deutschlands Verbrauch liegt seit 2009 bei 0,8 Gt pro Jahr (Umweltbundesamt 2019b).
Ausgehend von einem Restbudget in Höhe von 8,8 Gt CO2 hat Deutschland bei den
CO2-Emissionen somit eine Restlaufzeit von ca. 11 Jahren ab 2017. Dieser Zeitraum ist
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deutlich kürzer als die 20 Jahre für die Weltbevölkerung insgesamt, weil Deutsche pro
Kopf im Durchschnitt fast doppelt so viel emittieren.
Pro Jahr und Kopf verursachen Deutsche im Durchschnitt 9,8 t CO2. Das Ziel der Bun-
desregierung für 2050 liegt bei 0,7 bis 2,8 t; es ist abgeleitet aus dem Klimaschutzplan,
80-95% weniger zu emittieren als im Jahr 1990 (BMU 2019).
Soviel zum CO2 selbst. Werden die anderen Treibhausgase (Methan, Lachgas, F-Gase)
dazu genommen und – ihrer Wärmewirkung entsprechend – in CO2-Äquivalenten
(CO2Äq) ausgedrückt, dann ergeben sich jährliche Emissionen in Höhe von etwa 50 Gt
weltweit.
4.3 Emittierende Sektoren und Emissionsverteilung
Die Menge der weltweiten anthropogenen Treibhausgasemissionen wurde letztmals für
das Jahr 2010 vollständig ermittelt und nach Sektoren differenziert. Sie lag damals bei
49 Gt CO2Äq (IPCC 2014b, S. 7).
Bild 5: Globale Treibhausgasemissionen und die verursachenden Sektoren
(vgl. IPCC 2014b)
Bild 5 zeigt die fünf großen Sektoren, in denen Menschen CO2 und andere Treibhaus-
gase emittieren. Sie entsprechen den vier Alltagsbeschäftigungen: wohnen, essen, sich
bewegen, arbeiten; und dabei benötigen die Menschen elektrischen Strom, und es soll
angenehm warm sein.
Zwei Emissionsursachen verdienen hier besondere Aufmerksamkeit, weil sie im Ver-
gleich zu anderen (z.B. PKW-Verkehr) weniger bekannt sind, weil sie besonders stark
anwachsen und weil Einzelpersonen darauf direkten Einfluss haben:
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Die bei der Nahrungsmittelproduktion verursachten Emissionen (5,2 Gt in 2010)
würden ohne grundlegenden Wandel bis 2050 fast verdoppelt (9,8 Gt). Sie lassen
sich jedoch allein durch den Übergang auf eine vollwertige fleischlose Ernährung
um bis zu 67% senken, bei veganer Ernährung sogar um 79% (vgl. Willett et al.
2019, S. 453). Und etwa ein Drittel der gegenwärtig produzierten Lebensmittel geht
verloren oder verdirbt ungenutzt (Hegnsholt 2018).
Die Anzahl der Personenflugreisen wird sich in den 20 Jahren bis 2037 voraussicht-
lich auf 8,3 Mrd. Fluggäste verdoppeln und bei gleichbleibendem Wachstum bis
2050 mehr als verdreifachen (IATA 2018). Und schon in 2010 hatte der Luftverkehr
einen Anteil von 3-7% an den Emissionen; die Ungenauigkeit rührt daher, dass noch
nicht alle Klimaeffekte des Flugbetriebs genau genug gemessen werden können
(Lee et al. 2009).
Auch bei den Treibhausgasemissionen gibt es – ähnlich wie bei den Einkommen – eine
extreme Ungleichverteilung (Chancel / Piketty 2015): Die 10% der Weltbevölkerung mit
den höchsten Emissionen verursachen knapp die Hälfte der gesamten Emissionen. Für
einen ersten großen Schritt zur Reduzierung sind also auch und besonders diese Top-
10% gefordert. Würden sie ihre Emissionen auf den EU-Durchschnitt senken, entfiele
schon ein Drittel aller Emissionen.
Wer sind diese 10%? Es sind alle Menschen, die 15 t CO2Äq oder mehr pro Jahr emit-
tieren (Bild 6). Der EU-Durchschnitt liegt bei 8,7 t, in Deutschland bei über 11 t (eurostat
für das Jahr 2016). Die Abweichung nach oben auf über 15 t ist alleine durch das Ver-
kehrsverhalten schon schnell erreicht:
Ein Außendienstmitarbeiter im Vertrieb, der im Jahr 30.000 km mit dem Dienstauto
fährt, emittiert mehr als 4 t zusätzlich.
20 innerdeutsche Flüge (für viele Manager nichts Außergewöhnliches) verursachen
etwa 5 t, zehn innereuropäische Flüge etwa 5 t, ein Flug nach Shanghai 4,3 t, ein
Flug nach Sydney 10,1 t, zwei Urlaubsflüge nach Mallorca 1 t, ein Urlaubsflug nach
Gran Canaria 1,2 t (atmosfair.de 2019).
Zu den Top-10% der Emittenten zählen somit vor allem diejenigen, die aufgrund von
Bildung, Einkommen, Berufstätigkeit, Lebensstandard oder auch Mobilitätsreichweite
bislang in der Gesellschaft als besonders erfolgreich gelten.
Lässt sich das Ziel, das sich Deutschland für 2050 gesetzt hat, erreichen? Lassen sich
die Treibhausgasemissionen von 11 auf 3 oder 2 oder 1 t pro Kopf und Jahr senken?
Dies würde eine weitgehende Vermeidung von Treibhausgasen erfordern, in Bezug auf
CO2 also eine Dekarbonisierung der menschlichen Zivilisation.
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Bild 6: Treibhausgasemissionen der Top-10%, der EU und Deutschlands
(Chancel / Piketty 2015, eurostat 2019, LfU 2018, BMU 2019)
4.4 Fahrplan für Dekarbonisierung ab 2020
Führende Institute für Transformationsforschung (WBGU 2016, S. 20-24; Rockström et
al. 2017) zeigen einen Fahrplan für die globale Dekarbonisierung der menschlichen Zi-
vilisation ab 2020 (Bild 7).
Das Jahr 2020 soll mit 40 Gt der Scheitelpunkt für CO2-Emissionen werden. Wenn das
nicht gelingt, besteht kaum mehr eine Chance, das 2-Grad-Ziel zu erreichen – oder die
Emissionen müssten später umso drastischer reduziert werden. Ab 2020 soll es immer
in 10 Jahren zu einer Halbierung der Emissionen kommen. In 2050 wären sie dann bei
5 Gt angelangt; mit einer Weltbevölkerung von dann 9,7 Mrd. Menschen bedeutet dies
durchschnittlich 0,5 t pro Kopf und Jahr.
Die Absenkung auf 5 Gt lässt die Nutzung einer kleinen Menge fossiler Brennstoffe zu,
für unvermeidliche Anwendungen. Jedoch muss es das Ziel sein, dass in Summe keine
Treibhausgase mehr emittiert werden. Deshalb werden Technologien für negative Emis-
sionen entwickelt (sog. „negative emission technologies“, kurz: „nets“). Diese entziehen
der Atmosphäre CO2 oder „verstecken“ die laufenden anthropogenen CO2-Emissionen.
Besonders hervorgehoben wird hierfür die Erzeugung elektrischen Stroms durch die
Verbrennung von Biomasse bei gleichzeitiger Abscheidung des entstehenden CO2 und
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dessen anschließender Speicherung außerhalb der Atmosphäre, z.B. in tiefen Kohleflö-
zen (im Englischen „bio-energy with carbon capture and storage“, kurz: BECCS). Die
Implementierungsrisiken dieser Technologie sind noch enorm, was die Kühnheit des De-
karbonisierungsfahrplans zusätzlich unterstreicht.
Bild 7: Globale anthropogene CO2-Emissionen und Dekarbonisierung ab 2020
(WBGU 2016, Rockström et al. 2017)
Zur Umsetzung dieses Fahrplans empfehlen die Forscherteams diverse Veränderungen
und Entwicklungen, zugeordnet den vier Dekaden, von 2017 bis 2050 (Bild 8). Bis 2020
sind demnach Maßnahmen fällig, die sich geradezu aufdrängen. Deshalb werden sie als
„No-Brainers“ bezeichnet. Im nächsten Jahrzehnt bis 2030 stehen die großen Aufgaben
an, die „Herkules-Aufgaben“. Bis 2040 sollten dann „viele Durchbrüche“ zu verzeichnen
sein. Und bis 2050 sollten alle Kontinente nahezu emissionsfrei sein.
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Bild 8: Maßnahmen zur Dekarbonisierung bis 2050
(WBGU 2016, Rockström et al. 2017)
4.5 Zukunftskunst und Große Transformation
Jeder einzelne Punkt des Dekarbonisierungsfahrplans erfordert weitreichende Diskussi-
onen. Diese können hier nicht geführt werden. Vielmehr soll ein übergeordneter Ge-
danke entwickelt werden, der zur allgemeinen Diskussion globaler Nachhaltigkeit zu-
rückführt. Dazu seien vier der in Bild 8 genannten Punkte betrachtet:
Bei Lebensmittelabfall und Fleischkonsum geht es vor allem um einen kulturellen
Wandel. Denn das Ernährungsverhalten ist das Ergebnis persönlicher Sozialisati-
onserfahrungen und eingebettet in kulturelle Gewohnheiten.
Die weltweite Bepreisung von CO2 ist eher eine politische Herausforderung.
Investitionen in die Forschung und Entwicklung (F&E) für Klimalösungen müssen
vom Wirtschaftssektor ausgehen.
Und schließlich ist es eine technologische Herausforderung, die Systeme für die
Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS) im großen Umfang zum Einsatz zu
bringen.
Es sind also vier Dimensionen, in denen sich zivilisatorischer Wandel zur Dekarbonisie-
rung vollzieht (Bild 9, Mitte): Kultur, Politik, Ökonomie, Technologie. Und diese vier Di-
mensionen zeigen sich auch bei den einzelnen Maßnahmen. Beispiel Ernährung:
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Es gehört zum Brauchtum in Bayern (und entsprechend in anderen Regionen), dass
es auf Volksfesten Schweinswürstl und Grillhendl gibt. Mit Rücksicht auf die klima-
schädliche Wirkung der massenhaften Fleischproduktion sollten hier alternative An-
gebote etabliert werden – auch wenn diese Vorstellung zunächst schwer fallen mag.
Ein solcher Schritt hätte Signalwirkung in den Alltag hinein – und für andere Weltre-
gionen, die gerade dabei sind, westliche Ernährungsmuster zu übernehmen, näm-
lich den Konsum tierischer Lebensmittel und hohen Kalorienverbrauch.
Auf politischer Seite (institutionell) kann eine derartige Entwicklung gefördert werden
durch Anreize oder Forderungen. Zum Beispiel hat die chinesische Regierung im
Jahr 2016 Richtlinien erlassen, um den Fleischkonsum bis 2030 zu halbieren, nach
einer Vervierfachung in den 30 Jahren davor (Liddle 2016). Und die Europäische
Union kann ihre Zahlungen an die landwirtschaftlichen Betriebe – jährlich etwa 60
Mrd. EUR – noch stärker binden an biologischen Anbau und artgerechte Tierhal-
tung.
In ökonomischer Hinsicht kann die Lebensmittelversorgung wieder mehr regional
und saisonal ausgerichtet werden; dann entfallen unnötige Transporte und Flächen-
konkurrenzen (z.B. Regenwälder gegen Sojafelder in Südamerika für die Produktion
von Tierfutter für europäische Viehhaltung). Und in Ländern wie Deutschland muss
eine höhere Zahlungsbereitschaft für Lebensmittel entwickelt werden, um den Kon-
kurrenz- und Produktivitätsdruck in der Landwirtschaft zu verringern, zugunsten ei-
ner stärker umweltschonenden Landwirtschaft.
Auch technologischer Fortschritt kann zum Wandel beitragen, z.B. IT-gestützter Prä-
zisionsackerbau („Precision Farming“) zur Steigerung der Flächenproduktivität und
gleichzeitigen ökologischen Entlastung (weniger Dünger und Pestizide), Produktion
von Proteinen aus anderen Quellen als Tieren (z.B. Algen), Wissenstransfer zu
Kleinbauern im sog. globalen Süden.
Häufig sind also selbst einzelne Maßnahmen zur Dekarbonisierung, hier die Ernährungs-
umstellung, in allen vier Dimensionen gleichzeitig zu bearbeiten.
Und sie benötigen Beiträge von verschiedenen Akteuren (Bild 9 links):
von der Zivilgesellschaft mit ihren vielen Gruppierungen, Initiativen, Interessensver-
tretungen
von der Politik auf allen staatlichen Ebenen, und zwar von den Vereinten Nationen
bis zu den Gemeinden vor Ort
von den Unternehmen, die gebraucht werden als Garanten wirtschaftlicher Effizienz.
Es ist erfolgsentscheidend, dass diese drei Gruppen nicht isoliert voneinander arbeiten
oder sogar gegeneinander. Vielmehr müssen sie aufeinander zugehen und sich kon-
struktiv verstärken, in geteilter Verantwortung (vgl. Mintzberg et al. 2018).
Zwei weitere Akteursgruppen kommen hinzu:
Aufgabe der Wissenschaft ist es, vorauszudenken, Wege aufzuzeigen und Sicher-
heit zu geben bei der Entscheidungsfindung.
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Und Einzelne dürfen nicht nur abwarten, bis die anderen vier Akteure sie irgendwo-
hin lenken. Im Gegenteil: Einzelne müssen eine aktive Rolle einnehmen in diesem
Zusammenspiel, mindestens durch die Nutzung der politischen Wahlrechte, besser
noch durch eine nachhaltigkeitsorientierte eigene Lebensführung oder auch durch
die Mitarbeit in den anderen vier Gruppen.
Das zu erreichen, mit allen Akteuren, in allen vier Dimensionen, in abgestimmter Weise,
ist eine Kunst. Schneidewind (2018, S. 41), der Präsident des Wuppertal Instituts für
Klima, Umwelt, Energie, nennt sie „Zukunftskunst“ (Bild 9, Mitte). Er definiert sie als „ak-
tive Beiträge zur Gestaltung einer am Leitbild der Nachhaltigkeit orientierten Zivilisation“.
Für die Begrenzung des Klimawandels wird sie dringend und lange benötigt.
Bild 9: Zukunftskunst, ihre Akteure und Aufgaben
(in Anlehnung an Schneidewind 2018)
Und für eine nachhaltige globale Entwicklung insgesamt nennt Schneidewind (2018, S.
14) sieben Wenden (Bild 9 rechts), von der Energiewende bis zur Industriellen Wende.
Alles zusammengenommen, ergibt sich eine „Große Transformation“, in ihrer Tragweite
vergleichbar mit dem Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft ab dem 18.
Jahrhundert.
Diese Große Transformation ist nicht allein durch den Klimawandel motiviert. Vielmehr
geht es – den Nachhaltigkeitskriterien entsprechend – um dauerhafte wirtschaftliche Ef-
fizienz, soziale Gerechtigkeit und die allgemeine ökologische Verträglichkeit.
Die dafür notwendige Zukunftskunst zeichnet sich aus durch
Offenheit für neue Ansätze in Kultur, Politik, Wirtschaft und Technik
17
Experimentierbereitschaft
die Fähigkeit, Grenzen zu überwinden: persönliche Grenzen, Grenzen zwischen
wissenschaftlichen Disziplinen, Grenzen zwischen Wirtschaftszweigen und politi-
schen Parteien, Grenzen zwischen Interessengruppen.
Beispiele für Zukunftskünstler sind demzufolge:
die Familie, die den Plastikmüll drastisch reduziert, weil sie nur noch unverpackte
Lebensmittel konsumiert
die 13.000 Frauen und Männer des Senior Experten Service (SES), viele davon
Handwerker, die ehrenamtlich in Entwicklungsländern Hilfe zur Selbsthilfe leisten
die Baubotaniker und Architekten, die Gebäude mit negativer CO2-Bilanz entwi-
ckeln, weil diese der Atmosphäre CO2 entziehen
die Politiker der Industrie- und Entwicklungsländer, die ab 1987 gemeinsam erfolg-
reich gegen das Ozonloch gearbeitet haben
die Unternehmen, die Nachhaltigkeit als Innovationschance begreifen und als Pio-
niere mutig neue Wertschöpfungsprozesse, Produkte und Dienstleistungen entwi-
ckeln.
Ähnlich wie Bild 3, so spannt auch Bild 9 ein weites Diskussionsfeld auf, das hier nicht
vollständig behandelt werden kann. Stattdessen konzentrieren sich die folgenden Aus-
führungen auf die letztgenannte Akteursgruppe, die Unternehmen, und dann auf die Wis-
senschaft.
5 Innovationschancen und Wirtschaftsmodelle
5.1 Übersicht
Aus den Nachhaltigkeitsanforderungen ergeben sich für Unternehmen neun verschie-
dene Innovationschancen (vgl. Ritala et al. 2018, S. 219), die hier den drei Klassen Res-
sourceneinsatz, Kundenbeziehung und Selbstverständnis zugeordnet werden (Bild 10).
Im Folgenden wird mit Hilfe von realen Beispielen gezeigt, wie diese Innovationschancen
drei übergeordnete Wirtschaftsmodelle unterstützen, die seit Jahren mit Bezug zur Nach-
haltigkeit – zum Teil kontrovers – diskutiert werden, aber auch zunehmend Beachtung
in der Wirtschaftspraxis finden: Kreislaufwirtschaft, Postwachstumsökonomie und Ge-
meinwohlökonomie.
18
Bild 10: Innovationschancen, Beispiele und Wirtschaftsmodelle (vgl. Ritala et al. 2018)
5.2 Ressourceneinsatz und Kreislaufwirtschaft
Die ersten drei Innovationschancen betreffen den Ressourceneinsatz. Konkret geht es
darum, die Material- und Energieeffizienz zu steigern, aus Abfall Wert zu erzeugen und
Bisheriges mit Erneuerbarem und natürlichen Prozessen zu ersetzen. Erfolgreiche Un-
ternehmensbeispiele verdeutlichen das:
ebmpapst: Der Weltmarktführer für Ventilatoren und Motoren mit Hauptsitz in Mulfin-
gen folgt bei der Produktentwicklung seit Jahren schon demselben Prinzip: „Jedes
neue Produkt muss seinen Vorgänger ökonomisch und ökologisch übertreffen.“ Ent-
sprechend verbrauchen die Produkte immer weniger elektrische Energie. Im Jahr
2010 wurde diese Vorgabe des Unternehmensgründers verallgemeinert zur Unter-
nehmensstrategie Greentech (ebmpapst 2010). Und offensichtlich entwickelt sich
das Unternehmen sehr gut damit, begünstigt durch gesetzliche Forderungen nach
Energieeffizienz.
Werner & Mertz: Der in Mainz beheimatete Hersteller von Chemieprodukten für
Endverbraucher verwendet für Reinigungsmittel seiner Marke Frosch Polyethylen-
Flaschen, die zu 100% aus Alt-Plastik gefertigt sind, davon 20% des Materials aus
dem Gelben Sack. Der Eigentümer von Werner & Mertz hat dazu im Jahr 2012 die
Recyclat-Initiative gegründet. An dieser Kooperation beteiligt sind: der REWE Han-
delskonzern, die Mülltrennungsorganisation Der Grüne Punkt, das Technologieun-
ternehmen Unisensor Sensorsysteme, der Flaschenhersteller ALPLA Werke Alwin
Lehner sowie der NABU Naturschutzbund Deutschland. Sie leisten Pionierarbeit,
19
denn es war ein neues Recycling-Verfahren zur Gewinnung von hochwertigem Po-
lyethylen (PET) zu entwickeln; und die geschnetzelten Abfälle aus dem Gelben
Sack („PET-Flakes“) werden mittels neuartiger Hochgeschwindigkeits-Laserspektro-
skopie sortiert, um daraus wertvollen Sekundärrohstoff zu erzeugen (Werner &
Mertz 2019).
Dräxlmaier Group: Der Autozulieferer aus Vilsbiburg hat für das Elektrofahrzeug
BMW i3 das Interieur mit einer Naturfaser anstelle von Kunststoff gestaltet. Es han-
delt sich um das tropische Malvengewächs Kenaf. Kenaf ist als Designelement für
die Fahrzeuginsassen sicht- und fühlbar. Dadurch gelingt die Verbindung von Nach-
haltigkeit mit Premiumansprüchen. Die Naturfaser bringt eine Gewichtsersparnis
von bis zu 50 Prozent gegenüber Kunststoff und ist somit auch ein gutes Beispiel für
innovativen Leichtbau (Schmiedel et al. 2014).
Alle drei Innovationschancen lassen sich als Beitrag zu einer Kreislaufwirtschaft verste-
hen (Bild 11). Es handelt sich dabei um ein Wirtschaftsmodell, das sowohl die Neu-Ent-
nahme von Stoffen aus der Umwelt minimieren will als auch die letztmalige Abgabe von
Stoffen an die Umwelt. Dazu werden Stoffkreisläufe aufgebaut, die zu den vorgelagerten
Wertschöpfungsstufen zurückführen können.
Bild 11: Kreislaufwirtschaft (vgl. Ellen MacArthur Foundation 2019)
Die drei Unternehmensbeispiele lassen sich hier einordnen: ebmpapst mit seiner Ener-
gieeffizienz reduziert die Erstentnahme fossiler Energieträger; Werner & Mertz hat das
20
PET-Recycling mit aufgebaut; und Dräxlmaier hat Kunststoff aus der Sphäre des tech-
nischen Materials ausgetauscht gegen eine Naturfaser in der Biosphäre.
Die 36 OECD-Länder – sie konsumieren fast die Hälfte der Weltproduktion – recyceln
oder kompostieren nur 36% (2017) ihrer Abfälle (OECD 2019). Dies zeigt das enorme
Wertpotenzial, das im Aufbau von Stoffkreisläufen steckt: Es geht um Neu-Geschäfte im
Umfang von vielen Hundert Mrd. EUR. Allerdings ist deren Aufbau kein Selbstläufer,
sondern erfordert Investitionen in entsprechende Infrastrukturen, z.B. – wie im Fall von
Werner & Mertz – in Müllsortieranlagen zur Erkennung der PET-Abfälle. Er wird nur ge-
lingen, wenn sich viele weitere Unternehmen als Zukunftskünstler einbringen – genauso
wie die Wissenschaft zur Entwicklung der geeigneten Technologien und die Politik zur
Schaffung von Anreizen für den Übergang von einer linearen zur Kreislaufwirtschaft.
5.3 Kundenbeziehung und Postwachstumsökonomie
Die nächsten drei Innovationschancen haben mit der Kundenbeziehung zu tun (Bild 10).
Es geht darum, Funktion statt Eigentum zu liefern, Nachhaltigkeit zu vermitteln oder zur
Suffizienz zu ermutigen. Auch hierzu jeweils ein Beispiel:
drivy: Das Unternehmen betreibt unter drivy.de eine Carsharing-Community, bei der
Privatpersonen ihre Autos vermieten können. Nachhaltigkeitsfreunde hoffen, dass
dadurch weniger private Haushalte sich einen eigenen PKW anschaffen und die Ge-
samtnachfrage nach PKW zurückgeht. Allerdings konnte dieser Effekt empirisch
noch nicht nachgewiesen werden (Ludmann 2018). Im Gegenteil, manche Nutzer
steigen sogar von umweltfreundlicheren öffentlichen Verkehrsmitteln auf ein gemie-
tetes Auto um, was die CO2-Bilanz insgesamt eher verschlechtert. Zukunftskünstler
vermeiden das.
Langsam Reisen: Das Reisebüro vermittelt Nachhaltigkeit, indem es Alternativen zu
bisherigen Gewohnheiten anbietet. Transportmittel sind dann beispielweise nicht
mehr das Flugzeug, sondern die Eisenbahn und ein Frachtschiff. Die Reise von Eu-
ropa nach Australien könnte so mit der transsibirischen Eisenbahn bis nach China
und dann mit dem Container-Schiff durch den Westpazifik bis nach Australien ver-
laufen. Dadurch würden 93% der CO2-Emissionen (auf einfacher Strecke knapp 5t)
eingespart. Und für Kreuzfahrten werden nicht Diesel-, sondern Segelschiffe einge-
setzt; damit lassen sich fast alle Ziele erreichen, auch die Antarktis (Gudde 2019).
Die Kunden erhalten hier Zugriff auf ein neuartiges Nutzenbündel: geringe Emissio-
nen trotz Fernreise, außergewöhnliches Reiseerlebnis mit Abenteuercharakter, län-
gere Reisezeit, Grundversorgung.
Patagonia: Der Anbieter von Outdoor-Bekleidung ermuntert seit Jahren direkt zum
Konsumverzicht; so zum Beispiel im Jahr 2011 am sog. Black Friday, dem Beginn
der Weihnachtseinkaufsaison in den USA, in einer Werbeanzeige mit dem Slogan
„Don´t buy this jacket!“ (Patagonia 2011). Gemeint ist: „Kaufen Sie diese Jacke nur,
wenn Sie sie unbedingt brauchen“. Und in derselben Anzeige bietet Patagonia für
21
schon verkaufte Produkte alle Varianten der Kreislaufwirtschaft an, von der Repara-
tur über den Gebrauchtwarenhandel bis zum Recycling. Das Unternehmen hat er-
kannt, dass nicht das materialbasierte Wachstum im Vordergrund erfolgreichen
Wirtschaftens stehen muss.
Die drei Beispiele verdeutlichen Grundüberlegungen der Postwachstumsökonomie (vgl.
z.B. Paech 2009), die den Ressourcenverbrauch auf ein vertretbares Maß reduzieren
will (Bild 12). Ausgangspunkt ist der Befund, dass die Menschheit derzeit 1,7 Erden be-
nötigen würde, um den laufenden Verbrauch dauerhaft zu decken; auf dem Niveau der
deutschen Verbraucher wären es sogar 3 Erden (Global Footprint Network 2019). Um
zur Nachhaltigkeit zurückzukehren, schlägt die Postwachstumsökonomie vier Schritte
vor (die vier „E“ der Suffizienz):
Entrümpeln und Entschleunigen: Nur das konsumieren, was wirklich benötigt wird.
Entkommerzialisieren: Mehr selbst erzeugen, z.B. durch Gartenarbeit oder Hand-
werk.
Entflechten: Regionale Wertschöpfung mit mehr Transparenz und kürzeren Wegen;
evtl. gefördert mit Regionalwährungen, ergänzend zu den nationalen Währungen.
Güter für den verbleibenden Bedarf werden weiterhin international erzeugt und gehan-
delt – allerdings nach dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft.
Bild 12: Grundideen der Postwachstumsökonomie (vgl. Paech 2009)
Die Postwachstumsökonomie mag auf den ersten Blick wie ein brutales Verzichtsszena-
rio erscheinen. Befürworter verweisen jedoch darauf, dass der Konsumverzicht befrei-
end sein kann, weil er unnötigen Ballast abnimmt, der nicht wirklich zufrieden macht und
außerdem viel Zeit, Geld, Raum und Ressourcen verbraucht. Und die Selbstversorgung
ist ein stabiler Weg, um sich auch mit seiner Arbeit zu identifizieren.
Eine Postwachstumsökonomie lässt sich nicht ohne Zukunftskunst erreichen. Sie ver-
langt in allen vier Dimensionen starke Veränderungen, kulturell beispielsweise eine Ab-
kehr vom materiellen Statusdenken sowie die stärkere Gewichtung handwerklicher Fä-
higkeiten bei der Ausbildung junger Menschen.
22
5.4 Selbstverständnis und Gemeinwohlökonomie
Die letzten drei Innovationschancen sind für Unternehmen am weitreichendsten, weil sie
deren Selbstverständnis betreffen (Bild 10). Es geht um eine Neuausrichtung auf Gesell-
schaft und Umwelt, um inklusive Wertschöpfung und darum, die Verbreitung von Nach-
haltigkeit zu unterstützen. Die folgenden drei Unternehmen haben das realisiert:
SYSTEMIQ: Das Beratungsunternehmen hilft bei der Transformation wirtschaftlicher
Systeme im Sinne der Nachhaltigkeit. Eines seiner Projekte heißt STOP. Es will den
Plastikmüll in Entwicklungsländern unterbinden, z.B. in Indonesien. Dazu arbeitet
SYSTEMIQ zusammen mit Borealis, einem der großen Plastikhersteller, sowie vor
Ort mit den nationalen, regionalen und lokalen Regierungen sowie Entsorgungsun-
ternehmen. Gegründet wurde SYSTEMIQ von zwei erfahrenen McKinsey-Beratern,
die sich damit neu ausgerichtet haben auf Gesellschaft und Umwelt. SYSTEMIQ hat
etwa 60 Mitarbeiter. Die meisten von ihnen haben Berufserfahrung in Unternehmen,
Politik, Verwaltung oder Wissenschaft (SYSTEMIQ 2019). Damit repräsentieren sie
die Gruppen von Akteuren, die Zukunftskunst erlangen können, wenn sie zusam-
menarbeiten.
GEPA The Fair Trade Company: GEPA ist der größte europäische Importeur von
fair gehandelten Lebensmitteln und Handwerksprodukten aus Ländern des globalen
Südens. Die Hauptprodukte sind Kaffee, Tee, Kakao und Brotaufstriche. Das Unter-
nehmen beteiligt seine Lieferanten entlang der gesamten Wertschöpfungskette fair
und fördert benachteiligte Produzentengruppen im Süden. Gleichzeitig motiviert es
Konsumenten im Norden zu einem bewussteren Einkaufsverhalten und Lebensstil.
Es beeinflusst unfaire Handelsstrukturen durch Lobby- und politische Arbeit. Inklu-
sive Wertschöpfung zeigt sich zum Beispiel in der Zusammenarbeit mit einer Koope-
rative, die in Uganda Kaffee anbaut: Dank der GEPA-Beratung können die Bauern
ihre Produktivität steigern und gleichzeitig auf ökologischen Anbau umstellen; au-
ßerdem hat GEPA beim Bau einer Krankenstation geholfen und Initiativen zur
Gleichstellung der Frauen unterstützt (GEPA 2019).
GLS Bank: Die Genossenschaftsbank mit Hauptsitz in Bochum arbeitet seit 1974
nach sozial-ökologischen Grundsätzen. Sie gibt Kredite an nachhaltige Unterneh-
merinnen und Unternehmer in Deutschland. Auch bei den Kapitalanlagen, z.B. über
den GLS Bank Klimafonds, wählt sie nur Unternehmen und Gebietskörperschaften,
die Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Bemerkenswert ist auch die Transparenz: Die
GLS Bank veröffentlicht alle vergebenen Kredite mit Empfänger, Kreditbetrag und
Verwendungszweck (GLS Bank 2019).
Alle drei Unternehmen tragen auf ihre Art zum Gemeinwohl bei und verwirklichen meh-
rere Elemente der sog. Gemeinwohlökonomie, einer Bewegung, die 2010 von dem Ös-
terreicher Christian Felber gegründet wurde (Felber 2018). Sie sagt: „Was wirklich zählt:
ein gutes Leben für alle.“ Dazu bietet sie einen konzeptionellen Rahmen, in dem sich die
Akteure und die Dimensionen der Zukunftskunst wiederfinden. Konkret wird die Gemein-
wohlökonomie in einer Grassroots-Bewegung in zahlreichen Ländern auf inzwischen
23
drei Kontinenten. Eine Besonderheit der Gemeinwohlökonomie ist, dass sie Unterneh-
men bei der Ausrichtung auf das Gemeinwohl unterstützt. Dazu bietet sie ein Instrument
an, die Gemeinwohlbilanz. Mit ihr können Unternehmen, aber auch Gemeinden, Hoch-
schulen und andere Einrichtungen ihren Beitrag zum Gemeinwohl messen.
Bild 13 zeigt das Beispiel des Outdoor-Ausrüsters VAUDE (2018): Die Bilanz enthält in
den Spalten Werte, die das Gelingen von Beziehungen sowie ein gutes Leben fördern.
Diese Werte sind weltweit in den meisten Verfassungen verankert. In den Zeilen sind die
fünf Berührungsgruppen zu finden, mit denen eine Organisation meistens in Kontakt
steht. In den Schnittpunkten entstehen 20 Gemeinwohl-Themen, die den Beitrag der
Organisation zum Gemeinwohl beschreiben und bewerten.
Bild 13: Gemeinwohlbilanz 2016-2017 von VAUDE (2018)
6 Wissenschaft und Transformation
6.1 Typologie des WBGU
In Abschnitt 4.5 wurde dargelegt, dass globale Nachhaltigkeit nur durch eine „Große
Transformation“ zu erreichen ist. Diese erfordert Gestaltungsschritte in vier Dimensio-
nen, von fünf Akteursgruppen und für sieben Wenden (Bild 9). Entsprechend schlägt der
Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen in einem
seiner Hauptgutachten (WBGU 2011, S. 374f.) vor, Forschung und Bildung zusätzlich
auf Transformation auszurichten. Er unterscheidet dabei vier Typen (Bild 14).
24
Bild 14: Typisierung der Forschung und Bildung für Transformation
(WBGU 2011, S. 375)
Transformationsforschung erforscht Übergangsprozesse und deren Elemente, Dynami-
ken, Voraussetzungen, Widerstände und Konsequenzen. Auf elementarer Ebene kann
diese Forschung innerhalb bestehender wissenschaftlicher Disziplinen erfolgen. Bei-
spiele hierfür sind
die geschichtswissenschaftliche Analyse des Abolitionismus, der zur Abschaffung
der Sklaverei führte
die Identifizierung wichtiger psychischer Ressourcen für Postwachstumsgesellschaf-
ten (Hunecke 2013)
die soziologische Einteilung der Bevölkerung in nachhaltigkeitspolitische Lager (E-
versberg 2018)
die organisationstheoretische Modellierung eines Ablaufs, um in Unternehmen eine
nachhaltigkeitsorientierte Kultur zu entwickeln (Eccles et al. 2012)
die erziehungswissenschaftliche Fundierung transformativer Bildung (Singer-Bro-
dowski 2016)
die innovationsökonomische Analyse der Energiewende (Geels et al. 2016)
die biochemische Erforschung der künstlichen Photosynthese als Prozesstechnolo-
gie zur Erzeugung von Produkten, die fossile Brenn- und Rohstoffe ersetzen können
(acatech et al. 2018).
Häufig ist Transformationsforschung interdisziplinär, d.h. mehrere Einzelwissenschaften
kooperieren, um gemeinsam Antworten auf Forschungsfragen zu erarbeiten. Auch
hierzu einige Beispiele:
die ganzheitliche Abschätzung der Potenziale und Risiken der Digitalisierung für
eine nachhaltige Entwicklung (WBGU 2019)
die politik- und wirtschaftswissenschaftliche Konzeptualisierung des Begriffs Exno-
vation zur Beschreibung der gezielten Beseitigung nicht-nachhaltiger Technologien,
Produkte und Aktivitäten (Heyen et al. 2017)
ein physikalisch-ökonomischer Vergleich der CO2-Bilanz verschiedener Antriebs-
konzepte für PKW (Buchal et al. 2019)
25
die Verbindung mehrerer Natur- und Sozialwissenschaften zur noch relativ jungen
Erdsystemwissenschaft; und deren Methoden, mit denen die Auswirkungen
menschlicher Zivilisation auf planetare Abläufe und auf die Biodiversität gemessen
und vorhergesagt werden (Steffen et al. 2015; IPBES 2019)
die psychisch-philosophische Beschreibung von Nachhaltigkeitstransformationen im
inneren Wesen des Menschen (Parodi / Tamm 2018).
Die genannten Beispiele zeigen die große Bandbreite der beteiligten Wissenschaftsdis-
ziplinen.
Transformative Forschung unterstützt Veränderungsprozesse durch spezifische Lösun-
gen. Sie kann innerhalb einer Einzelwissenschaft, inter- oder transdisziplinär angelegt
sein. Im letzteren Fall werden auch nicht-wissenschaftliche Interessengruppen („Stake-
holder“) in die Forschungsaktivitäten einbezogen, um wissenschaftliches mit prakti-
schem Wissen zu verbinden und weiterzuentwickeln. Wissenschaft wird so auch zur
„Möglichkeitswissenschaft“, die alternative Zukünfte entwirft; und sie erhält eine Kataly-
sator-, Integrations- und Reflexionsfunktion in gesellschaftlichen Veränderungsprozes-
sen. Diese Aufhebung der Grenze zwischen Wissenschaft und ihrem Umfeld wird kont-
rovers diskutiert (Singer-Brodowski / Schneidewind 2019 geben dazu einen Überblick):
Zum einen besteht die Gefahr, dass Wissenschaft zu sehr gesellschaftlich instrumenta-
lisiert und funktionalisiert wird; zum anderen verspricht der integrative Ansatz einen nur
schwer – zum Beispiel durch Laborexperimente außerhalb der gesellschaftlichen Wirk-
lichkeit – zu ersetzenden Zugang zur Wissensproduktion (vgl. Schneidewind 2018, S.
429-432). Beispiele für transformative Forschung sind:
ein Konzept zur langfristigen, gesunden und ökologisch verträglichen Ernährung der
Weltbevölkerung, erarbeitet von Wissenschaftlern aus den Bereichen Medizin, Er-
nährung, Landwirtschaft, Biologie, Erdsysteme (Willett et al. 2019)
der volkswirtschaftliche Entwurf einer CO2-Preisreform (Edenhofer / Schmidt 2018)
die Ausarbeitung eines technisch, wirtschaftlich, politisch und kulturell ausgeprägten
Dekarbonisierungsfahrplans (WBGU 2016, S. 20-24; Rockström et al. 2017), vgl.
Abschnitt 4.4
das Verbundprojekt „E-WALD – Elektromobilität Bayerischer Wald“, ein Systemtest
unter der Leitung der Technischen Hochschule Deggendorf zusammen mit sechs
Landkreisen, 87 Kommunen der Region und Unternehmen (THD 2016)
das „Reallabor 131 KIT findet Stadt“, in dem das Karlsruher Institut für Technologie
(KIT) gemeinsam mit der Bürgerschaft und anderen lokalen Akteuren in der Karlsru-
her Oststadt in einem transdisziplinären Prozess Wissenschaft, Innovation und
Stadtentwicklung verknüpfte, um eine nachhaltige Entwicklung anzustoßen und zu
verstetigen (KIT 2019)
die Formulierung von Richtlinien für Politik im „Anthropozän“, d.h. in dem gegenwär-
tigen Erdzeitalter, in dem der Mensch die Entwicklung globaler Ökosysteme domi-
niert (Sterner et al. 2019).
26
Transformationsbildung stellt der Gesellschaft die Erkenntnisse der Transformationsfor-
schung zur Verfügung. Sie fördert systemisches Denken und schafft Verständnis für
Handlungsoptionen; sie reflektiert kritisch die notwendigen Grundlagen von Transforma-
tion, z.B. den Handlungsdruck und globales Verantwortungsbewusstsein. Die Inhalte
des vorliegenden Aufsatzes sind ein Beispiel dafür. Weitere, zum Teil institutionalisierte
Beispiele sind:
Informationskampagnen in staatlichen Bildungseinrichtungen (Pichlmaier 2018), in
Betrieben (Longmuß / Skroblin 2015), für die regionale Öffentlichkeit (die Kampagne
„KlimaZeit“ des Regionalmanagements Landshut 2018) oder in sozialen Netzwerken
(das Wuppertal Institut unter twitter.com/Wupperinst)
Lehrveranstaltungen und Studiengänge an Hochschulen, z.B. der Masterstudien-
gang „Nachhaltigkeitswissenschaft – Sustainability Science“ (M.Sc.) an der Leupha-
na Universität Lüneburg
zivilgesellschaftliche Bildungsangebote, z.B. von MISEREOR (2019) oder Friends of
the Earth International (s. www.foei.org).
Transformative Bildung schließlich wirkt selbst transformativ, in dem sie Lernende bei
Veränderungsprozessen unterstützt. Dabei darf es nicht darum gehen, Lernende zu in-
strumentalisieren oder zu indoktrinieren. Vielmehr muss ihnen eine neutrale und unab-
hängige Meinungsbildung ermöglicht werden (vgl. Singer-Brodowski 2016, S. 14, wo an
den Beutelsbacher Konsens von 1976 für den politisch-historischen Unterricht ange-
knüpft wird). Im Kontext weitreichender gesellschaftlicher Transformationsprozesse darf
das Lernen sich nicht auf eine Verhaltensänderung beschränken; vielmehr sollte es auch
den Wandel individueller Bedeutungsperspektiven ermöglichen sowie einen kollektiven
Bewusstwerdungs- und Emanzipationsprozess einleiten (Singer-Brodowski 2016).
Vom non-formalen und informellen Lernen für Transformation im Alltag sind organisierte
Initiativen zu unterscheiden. Beispiele hierfür sind:
das o.g. „Reallabor 131 KIT findet Stadt“, weil es Forschung und Bildung zugleich
ermöglicht
die Projekte, die seit 2011 im Rahmen der Initiative „ÖkoKids-KindertageseinRICH-
TUNG“ des Landesbunds für Vogelschutz in Bayern und der Bayerischen Staatsre-
gierung ausgezeichnet werden, weil sie Vorschulkindern partizipativ Bildung für
nachhaltige Entwicklung (BNE) vermitteln (LBV 2017)
das Lehrformat #climatechallenge: ein gecoachtes, ein- bis zweimonatiges Verände-
rungsexperiment für mehr Klimaschutz im eigenen Lebensstil, das zugleich mehrere
Gestaltungskompetenzen für nachhaltige Entwicklung fördert (Sippel 2018)
die Stellungnahme von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die sich zu
„Scientists for Future“ zusammengeschlossen haben, um die Proteste junger Men-
schen für mehr Klimaschutz und für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen
fachlich zu bekräftigen (Scientists for Future 2019)
die Nachhaltigkeitsinitiative „Chemie3“ der deutschen Chemieindustrie (VCI et al.
2019), die den Mitgliedern Information und Unterstützung bietet, um Leitlinien zur
27
Nachhaltigkeit im betrieblichen Alltag zu erfüllen; zur Initiative gehört der fortge-
setzte Dialog mit Stakeholdern aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesell-
schaft.
Schneidewind / Singer-Brodowski (2013) haben transformative Forschung und Bildung
zum Konzept der transformativen Wissenschaft weiterentwickelt. Die praktischen Erfah-
rungen seitdem und die wissenschaftstheoretischen Debatten dazu führen zum Zwi-
schenfazit, dass transformative Wissenschaft vermehrt Orte braucht, „an denen ihre ge-
sellschaftlich produktive Wirkkraft erfahrbar wird und erprobt werden kann“ (Singer-Bro-
dowski / Schneidewind 2019).
6.2 Beispiele aus der Lehrpraxis
Die Übergänge zwischen Transformations- und transformativer Forschung bzw. Bildung
sind fließend. Für den Bildungsbereich lässt sich das an den folgenden zwei Beispielen
aus der Lehrpraxis des Verfassers verdeutlichen.
6.2.1 „Menschheit auf dem Sprung“
Im ersten Beispiel wird vor Erwachsenen zunächst ein Überblicksvortrag zur globalen
Nachhaltigkeit gegeben, mit Inhalten wie in den Abschnitten 2 bis 5 dieses Aufsatzes.
Dadurch sind den Teilnehmenden mehrere Grundfragen und -probleme sowie ausge-
wählte Lösungsansätze zur Nachhaltigkeit bekannt, insbesondere zum Klimawandel.
Zum Abschluss des Vortrags wird das Bild einer jungen Künstlerin betrachtet und dazu
ein kurzer Begleittext im meditativen Stil vorgetragen (Bild 15), um die Teilnehmenden
nicht nur sachlich-objektiv, sondern auch ästhetisch und emotional anzusprechen. Die
im Begleittext enthaltene Übertragung der abgebildeten Figur auf die Menschheit insge-
samt soll zwei Assoziationen auslösen, und zwar zur Nachhaltigkeit als globale Aufgabe
und zur individuellen Mitverantwortung jedes Einzelnen. Darüber hinaus soll Verständnis
signalisiert werden für solche Teilnehmenden, die schon von dem vorangegangenen
Vortrag emotional berührt sind, zum Beispiel aufgrund der Beschreibung existenzieller
Probleme. Der letzte Satz im Begleittext ist als Frage formuliert, um die Teilnehmenden
zur selbständigen Reflexion anzuregen.
Die Erfahrung aus mehreren Vortragsveranstaltungen zeigt, dass diese Kombination aus
sachlicher Information und Bildbetrachtung den Raum für eine offene, lebendige, inhalt-
lich vertiefende und erweiternde, zum Teil kontroverse oder auch leidenschaftlich ge-
führte Diskussion aufspannt. Die Bandbreite der dabei angesprochenen Aspekte ist
groß: Generationengerechtigkeit, Geo-Engineering, Erdgeschichte, Überbevölkerung,
persönliche Erlebnisse oder Beobachtungen bei Versuchen der nachhaltigen Lebens-
führung, Entwicklungshilfe, Ernährung, unternehmerische Verantwortung, Klimastreiks,
Demokratie im Vergleich zu anderen politischen Systemen, Vor- und Nachteile des Ka-
pitalismus und der Marktwirtschaft, Menschen- und Menschheitsbilder, etc.
28
„Wir sehen eine menschenähnliche Figur.
Das Standbein ist noch am Boden.
Das Sprungbein ist kurz vor dem Aufsetzen auf eine höhere Stufe, von der ein Absprung möglich ist.
Der Blick ist nach vorne gerichtet.
Der Oberkörper der Figur ist noch irgendwie verschlossen, vielleicht könnten sich daraus Flügel entfalten.
Ist das ein Sinnbild für die Menschheit im jetzigen Zustand?
Vor uns eine Zukunft, die noch weitgehend inhaltsleer ist, die nur vage erkennbar ist, ohne Struk-tur, aber immerhin hell.
Hinter uns eine Vergangenheit mit festem Boden, klarer Struktur, in dunkler Farbe gemalt, mit etwas, das auf uns herabzustürzen droht – und sogar von uns selbst stammt.
Eine Vergangenheit, die uns gerade noch ideale Voraussetzungen bietet, um zum Sprung in die Zukunft anzusetzen.
Die Menschheit auf dem Sprung?“
Bild 15: Bildbetrachtung „Menschheit auf dem Sprung“ mit Text
Bei der Moderation ist dann besonders darauf zu achten, dass
die systemischen Zusammenhänge zwischen den vielen Aspekten globaler Nach-
haltigkeit klar werden, sei es durch Bezugnahme auf vorangegangene Vortragsin-
halte und Diskussionsbeiträge oder durch ergänzende Erklärungen
urteilende Aussagen ergänzt werden um davon abweichende Positionen, so dass
die Teilnehmenden den Spielraum für persönliche Meinungsbildung wahrnehmen
29
die Teilnehmenden diese Art der Diskussion als notwendige Voraussetzung erken-
nen für eine demokratisch legitimierte Transformation – selbst wenn die Diskussion
intellektuell oder auch emotional anstrengend ist und zu psychischen Dissonanzen
führt, weil sie innere Zweifel an bisherigen persönlichen Grundüberzeugungen her-
vorruft.
6.2.2 „Erde als Betrieb“
Im zweiten Beispiel wird ebenfalls eine Einführung in die Grundlagen globaler Nachhal-
tigkeit gegeben, und zwar für betriebswirtschaftlich geprägte Teilnehmende, z.B. Berufs-
tätige aus Unternehmen oder Studierende in höheren Semestern einschlägiger Studien-
gänge.
Die Lehrinhalte sollen hier interaktiv und problembasiert erarbeitet werden. Deshalb wird
zum Einstieg eine konstruierte Stellenanzeige des Unternehmens „Erde“ vorgestellt (Bild
16). Für viele Teilnehmende ist dieser Perspektivwechsel überraschend, aber auch
schnell nachvollziehbar, weil die Anzeige wie in der Praxis üblich strukturiert ist.
Bild 16: Konstruierte Stellenanzeige der Erde als Betrieb
Die Stellenanzeige bietet zahlreiche Anknüpfungspunkte zu den Themen der Abschnitte
2 bis 5 dieses Aufsatzes und darüber hinaus. Deshalb kann in der Lehrveranstaltung gut
30
mit offenen Fragen gearbeitet werden, etwa „Was halten Sie davon?“. In ihren Antworten
beziehen sich die Lernenden meist auf einzelne Punkte der Stellenanzeige; Lehrende
können diese Punkte aufgreifen, mit dazu passenden Lehrinhalten ergänzen, erklären,
in einen größeren Zusammenhang einordnen, kommentieren und zur Diskussion stellen.
Je nach verfügbarer Zeit und Interesse erschließen sich die Beteiligten so schrittweise,
selbstgesteuert und unterstützt die Grundlagen globaler Nachhaltigkeit.
Es ist – gerade für die genannte Zielgruppe – motivierend und inspirierend, das Konzept
„Erde als Betrieb“ weiterzuentwickeln und nach Analogien zwischen Betriebswirtschaft
und der Bewirtschaftung des Planeten Erde zu suchen. Beispiele hierfür sind:
Just-in-time-Produktion: Versorgung mit den erneuerbaren Energien aus Wind,
Sonne und Wasser.
Budgetierungsprozess: CO2-Budget, ausgehend vom 2-Grad-Ziel für die Erderwär-
mung (vgl. Abschnitt 4.2).
Inventur: Bestandsaufnahmen zum Zustand der globalen Ökosysteme und der sozi-
alen Gerechtigkeit (vgl. Abschnitt 3), insbesondere zur Vermögensverteilung (Credit
Suisse 2018).
Jahresabschluss mit Gewinn- und Verlustrechnung sowie Bilanz: Integration von
kalkulatorischen oder tatsächlichen CO2-Preisen, z.B. in der Höhe kalkulatorischer
Umweltschäden, vgl. Umweltbundesamt (2019a).
Materialeinsatz und Substanzerhalt: Ökologischer Fußabdruck und Biokapazität
(WWF 2018).
Zielsystem: 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (United Na-
tions 2019).
Kernprozesse: Biogeochemische Stoffkreisläufe für Stickstoff, Phosphor, Kohlen-
stoff und Wasser; planetare Zirkulationssysteme in den Ozeanen und in der Atmo-
sphäre (Rockström et al. 2009).
Geschäftsmodell: Erde als Plattform, die der Menschheit zwei Jahrhunderte lang
ökonomische Netzwerkeffekte ermöglichte und dann an Grenzen gestoßen ist.
Unternehmenskultur und Wertesystem: Globales Wirtschaftsethos der Stiftung Wel-
tethos (2009).
Turnaround-Management im Krisenfall: Große Transformation (s. Abschnitt 4.5).
Anschließend kann – z.B. in Gruppenarbeiten – untersucht werden, welche Merkmale
einzelner Unternehmen sich nicht analog auf die Erde als Betrieb übertragen lassen.
Darunter fallen beispielsweise die Eigentümerstruktur und das Führungssystem, die Li-
nearität der Wertschöpfung (im Unterschied zur natürlichen Zirkularität) und die Rollen-
verteilung (Mitarbeiter, Kunde, Lieferant etc.). Zuletzt ist zu fragen, wie trotzdem – oder
gerade deshalb – eine nachhaltige Bewirtschaftung des Planeten Erde gelingen kann.
Im günstigsten Fall entstehen so die Grundzüge einer „Erdbetriebslehre“ als neuer spe-
zieller Betriebswirtschaftslehre.
31
Mit dem beschriebenen didaktischen Arrangement erarbeiten die Teilnehmenden sich
spielerisch, interaktiv, kreativ und konstruktiv konzeptionelle Grundlagen globaler Nach-
haltigkeit. Die Vernetzung mit schon bekanntem, gefestigtem betriebswirtschaftlichem
Wissen soll die Nachhaltigkeitsinhalte dauerhaft verfügbar machen. Für Lehrende ist es
dabei förderlich, wenn nicht sogar notwendig, über mindestens solides Wissen in den
Bereichen Nachhaltigkeit und Betriebswirtschaft zu verfügen.
7 Schlussbemerkung
Der vorliegende Aufsatz ermöglicht einen ersten Zugang zu dem extrem komplexen
Thema „Globale Nachhaltigkeit“, indem er bewusst inhaltlich selektiv vorgeht und gerade
dadurch wesentliche innere Zusammenhänge des Themenkomplexes aufzeigt. Hierzu
dienten die Bestandsaufnahme am Anfang, die Diskussion des Klimawandels, die Vor-
stellung der Zukunftskunst und die Beschreibung von Lösungsansätzen aus Unterneh-
men, Wirtschaft und Wissenschaft.
Wer an der Verwirklichung globaler Nachhaltigkeit mitwirken möchte, kann die Zukunfts-
kunst (Bild 9) als einen integrativen konzeptionellen Rahmen auffassen, in den sich viele
weitere Aspekte globaler Nachhaltigkeit einordnen lassen. Gleichzeitig ist sie ein lang-
fristiges Arbeitsprogramm zur nachhaltigen Entwicklung unserer Zivilisation.
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