good manufacturing practices

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Herbert Feltkamp

Das FErben und Bedrucken von Kapseln dient weder reiner Asthetik no& reiner Reklame. Es hilR vielmehr, Verwechslun- gen bei der Herstellung, dem Verpacken und dem Gebrauch von Medikamenten vorzubeugen und ist daher ein wichtiger Beitrag zur Arzneimittelsicherheit.

Good Manufacturing Practices

Die letzten Jahre haben der Pharmazie ei- nen neuen Begriff geschenkt: Jachgerechte Herstellungspraxis" .

Dieser Begriff ist die ungefahre Oberset- zung des angelsachsischen "Good manufac- turing practices", der - zumeist als GMP abgekurzt - inzwischen weltweites Inter- esse und allgemeine Anerkennung gefunden hat.

Die Forderung, die in dem Begriff GMP enthalten ist, namlich Arzneimittel sachge- recht herzustellen, mag selbstverstandlich erscheinen. Es uberrascht, dai3 die Formu- lierung dieses Begriffes Aufmerksamkeit er- weckt und solche Aktivitaten veranlai3t hat. Die Erklarung ist einfach: Es gilt zwar als selbstverstandlich, Arzneimittel sachgerecht herzustellen, niemand hatte aber fixiert, was im Zeitalter der industriellen Massen- produktion darunter zu verstehen ist.

Fur lange Zeit hatten die in den Arzneibu- chern festgelegten Normen fur die Herstel- lung von Arzneimitteln ausgereicht. Es han- delte sich dabei hauptsachlich um Rezept- sammlungen, Herstellungsvorschriften und Beschreibungen der erforderlichen Zutaten. Man durfte darauf vertrauen, dai3 diese Angaben zusammen mit der erlernten hand- werklichen Kunst des Apothekers zu sach- gemai3 hergestellten Arzneimitteln fuhrten.

Aus der Beschreibung der Arzneimittel und ihrer Bestandteile entwickelte sich spater zunehmend die Forderung nach ihrer Prii- fung. Die modernen Pharmacopoen be- schreiben nur noch wenige gebrauchsfertige Arzneimittel. An ihre Stelle sind Monogra- phien iiber ihre Einzelbestandteile (Wirk- und Hilfsstoffe) getreten. Diese Entwick- lung hatte zur Folge, daf3 die Qualitat ei- nes Arzneimittels fur um so hoher gehalten wurde, je aufwendiger es nach seiner Her- stellung gepriift wurde. Es ist eine relativ junge Erkenntnis, dai3 weder die Kunst des traditionellen Apothekerhandwerks fur ei- ne Fertigung von Arzneimitteln im indu- striellen Madstab ausreicht, noch dai3 eine abschliegende Kontrolle die Qualitat eines Arzneimittels sicherstellen kann. Der oft zitierte Kernsatz aller GMP-Richtlinien sagt dann auch:

Qualitat kann nicht in ein Arzneimittel hineingepruff werden, sie mug erzeugt rein.

Das heii3t mit anderen Worten: Alle Schrit-

te wahrend der Herstellung eines Arznei- mittels = Arzneiformulierung mussen so abgesichert werden, dai3 jede Fehlermog- lichkeit ausgeschlossen ist. Unter Herstel- lung sol1 dabei der gesamte Prozei3 vnm Einkaufen des ersten Rohstoffes bis zur Auslieferung der fertigverpackten Arznei- mittel verstanden werden. Die notwendi- gen Kontrollen und analytischen Untersu- chungen sind in diese Oberlegung ebenso einbezogen wie das Reinigen von Maschi- nen, die Beluftung von Sterilraumen oder die Oberprufung von Lieferanten fur Roh- stoffe oder Packmaterial.

Eine Reihe von Landern, 2.B. die USA, Kanada oder Grogbritannien haben GMP- Richtlinien erlassen, die Teil der Arznei- mittelgesetzgebung dieser Lfnder sind. Im Jahre 1968 veroffentlichte die Weltgesund- heitsorganisation (WHO) ein eigenes Ar- beitspapier unter dem Titel "Draft Require- ments for Good Manufacturing Practice in the Manufacture and Quality Control of Drugs and Pharmaceutical Specialities" (Grundregeln fur die sachgerechte Herstel- lung und Qualitatskontrolle von Arznei- mitteln und pharmazeutischen Spezialita- ten).

DieseGrundregeln der WHO erlangen ihre besondere Bedeutung dadurch, dai3 die WHO eine internationale Organisation ist.

Als solche kann sie zwar keine Gesetze er- lassen, wohl aber Empfehlungen ausspre- chen, die den Gesundheitsbehorden der Mitgliedslander als M a h a b e fur gesetzli- che Regelungen auf dem Gebiet des Ge- sundheitswesens dienen konnen. Es besteht daher die Moglichkeit, durch die Grund- regeln der WHO zu einer weltweit aner- kannten Norm fur die Arzneimittelher- stellung zu kommen.

Die Bundesrepublik plant daher derzeit nicht, eigene GMP-Richtlinien zu erarbei- ten. Vielmehr sind Oberlegungen im Gange, ob und in welcher Form die GMP-Richtli- nien der WHO ubernommen werden und in unsere Arzneimittelgesetzgebung einbe- zogen werden konnen.

Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie begrui3t eine solche Entwicklung. Viele seiner Mitgliedsfirmen sind daran in- teressiert, zu einer verbindlichen Norm zu kommen, die ihren Export nicht erschwert, sondern erleichtert. Die Grundregeln der

Pharmazie in unserer Zeit 13. Jahrg. 1974 Nr. 3 87

WHO bieten hierfiir sehr gute Vorausset- zungen.

Aus der Tatsache, dad diese Grundregeln von der WHO erarbeitet worden sind, er- gibt sich eine Reihe weitreichender Konse- quenzen fur ihre Form und ihren Anwen- dungsbereich.

1. Die Grundregeln sollen in der ganzen Welt Gultigkeit oder doch zumindest An- erkennung erlangen konnen; sie mussen da- her auf die Verhaltnisse sowohl in hochent- wickelten Industriestaaten als auch in Ent- wicklungslandern anwendbar sein.

2. Die Grundregeln der WHO mussen von der pharmazeutischen Groaindustrie wie auch von Kleinbetrieben praktiziert wer- den konnen.

3. Die Grundregeln durfen insbesondere den Fortschritt der Technik nicht behindern, indem sie Verfahren zwingend vorschrei- ben, die vielleicht schon bald durch bessere ersetzbar sind.

4. Da die WHO keine legislative Macht be- sitzt, konnen ihre Richtlinien nur die Form von Empfehlungen haben. Und da die Richtlinien nicht haufig und vor allem nicht kurzfristig geandert werden konnen, mus- sen die Grundregeln klar herausgearbeitet sein, die Details aber anpassungsfahig blei- ben.

Entgegen der OR geaui3erten Ansicht, dai3 GMP-Forderungen von grogen Firmen mit Leichtigkeit verwirklicht werden konnten, dai3 Kleinbetriebe aber OR vor unuberwindbare Schwierigkeiten gestellt waren, mochte der Verfasser seine Mei- nung adern , daa eher das Gegenteil der Fall ist. Ein Herstellerbetrieb von nur wenigen Arzneimitteln wird die erforder- lichen Mai3nahmen vielfach leichter ver- wirklichen konnen als ein Grodbetrieb mit seinen komplexen Arbeitsablaufen und seinem komplizierten organisatorischen Aufbau.

Die Grundregeln der WHO kann man auf 6 Forderungen zuruckfuhren:

1. Absicherung aller Arbeitsgange 2 . Vermeidung von Verwechslungen 3. Vermeidung von Verunreinigungen 4. Produktionshygiene 5. Qualitatskontrolle

6 . Dokumentation von Herstellung und Kontrolle

Hierfiir stellt die WHO in insgesamt 13 Abschnitten ihrer GMP-Grundregeln die Mafinahmen und Vorkehrungen dar, die ein pharmazeutischer Hersteller zu erful- len hat.

Sehr deutlich kommt dabei die Ansicht zum Ausdruck, dai3 alle Mafinahmen zur Qualitatssicherung zwecklos sind, wenn sie nicht von einer transparenten und liik- kenlosen Dokumentation begleitet werden.

Bei der Anlage des GMP-Papiers als R i h t - linie mit weltweiter Giiltigkeit ist es un- vermeidlich, dai3 einzelne Forderungen iiber das derzeit gultige deutsche Arznei- mittelgesetz (AMG) hinausgehen oder die- sem sogar zuwiderlaufen.

Die sich daraus ergebenden Konsequenzen mussen sehr sorgfaltig erwogen werden, sie durfen aber nicht dazu fuhren, dai3 darum die Grundregeln der WHO nicht angewendet werden. Vielmehr mui3 man versuchen, fur die Obergangszeit brauch- bare Regelungen zu finden und spater durch Novellierung des Arzneimittelgeset- zes eine Harmonisierung der Forderungen zu erreichen. Die kommende EG-Gesetz- gebung auf diesem Gebiet bringt zusatzli- che Aufgaben.

Die WHO stellt im ersten Abschnitt ihrer Grundregeln

Vorbemerkungen

voran. Hierin wird betont, dai3 es sich bei diesen Grundregeln nur um Empfehlun- gen handelt, daf3 die Befolgung dieser Richtlinien aber einen wesentlichen Beitrag zur Herstellung von einheitlichen und qualitativ hochwertigen Arzneimitteln lei- sten kann.

Es wird ausdrucklich darauf verwiesen, da8 die Verantwortung fur das Arznei- mittel und seine Qualitat nur der Herstel- ler tragen kann. Eine Besonderheit gegen- uber dem AMG sei hier hervorgehoben: Die Grundregeln der WHO sind auf die Herstellung von Tierarzneimitteln nicht anzuwenden. Das steht im Gegensatz zum AMG, das keinen Unterschied zwi- h e n Veterinar- und Humanarzneimitteln macht.

Im Abschnitt 2

Definitionen

werden die Begriffe erklart, die fur die Grundregeln besondere Bedeutung haben. Auch hier sei darauf hingewiesen, dai3 die Definition fur das Arzneimittel sich nicht vollig mit der im AMG deckt.

Von groi3er Wichtigkeit ist die Definition des Begriffes Charge. Das AMG kennt den Begriff der Charge uberhaupt nicht, ob- gleich die chargenweise Produktion h a t e in der Pharmazeutischen Industrie eine Selbstverstandlichkeit ist.

Im Abschnitt 3

Personal

wird fur die verantwortlichen Leiter von Herstellung und Kontrolle von Arznei- mitteln eine abgeschlossene naturwissen- schafiliche Ausbildung gefordert, die in ge- eigneter Zusammenstellung das Studium u.a. der folgenden Facher umfai3t: Chemie, Mikrobiologie, Pharmazie, Physiologie, Pharmakologie, Histologie. Es wird au- i3erdem eine ausreichende praktische Er- fahrung in diesen Titigkeiten vorausge- setzt. Es wird als wichtig angesehen, dad diese verantwortlichen Fachleute keine In- teressen aui3erhalb der entsprechenden Fir- men besitzen, die sie in einen finanziellen Interessenkonflikt bringen konnen. Dane- ben wird technisches Personal gefordert, das in der Lage ist, die Herstellungs- und Kontrollarbeiten gemai3 den festgelegten Verfahren und Prufvorschrifien auszufuh- ren.

Im Abschnitt 4 werden allgemeine Anga- ben uber geeignete

Geblude

gemacht. Diese sollen fur den vorgesehe- nen Zweck geeignet sein und fur die ein- zelnen Arbeitsbereiche getrennte Areale besitzen. Sie mussen baulich in einwand- freiem Zustand sein. Es werden Richtlinien gegeben fur Belichtung, Belufiung, Klima- tisierung und Reinheit. Besonders wird darauf hingewiesen, dai3 ausreichend Raum zur Verfugung stehen mu& damit die Moglichkeit einer wechselseitigen Verun- reinigung ("cross-contamination ") von Arzneimitteln ausgeschlossen ist. Fur Nar-

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kotika und stark giRige Arzneimittel wer- den spezielle, verschliei3bare Raume bzw. Bereiche gefordert. Besondere Aufmerk- samkeit wird den Sterilbereichen gewid- met, fur die detaillierte Anweisungen ge- geben werden.

Der Abschnitt 5 befai3t sich mit der

technischen Ausriistung. der Abfullmaschine (2a) rnit einem farbi- gen Ringcode versehen wird. Dieser Code kann aus einem oder auch mehreren Rin- gen verschiedener Farben (Zb) bestehen. Ein solcher Code kann wihrend der Eti- kettierung der Ampullen von sogenannten Codelesern automatisch erkannt werden, die jede Ampulle ausscheiden, die keinen oder einen falschen Code tragen.

Im Abschnitt 6 Abb. 1. Vermeidung von Verunreinigun- gen. Die Vermeidung jeglicher Verunreini- gung ist besonders bei der Herstellung von Injektionspriparaten von grodter Bedeu- tung. Die Abbildung zeigt die Abfullung von Infusionsflaschen unter einem Lami- nar flow-Zelt, also unter turbulenzarmer Beliiftung mit keim- und staubfrei filtrier- ter Luft.

Diese soll so geschaffen sein, dad sie fur den vorgesehenen Verwendungszwedr geeignet ist, dad sie leicht gereinigt werden kann, da8 jegliche Verunreinigung der Arznei- mittel ausgeschlossen ist und dad keine Verwechslungen auftreten konnen. W o erforderlich, mu8 die Ausriistung sterili- sierbar sein, und es mussen stets uber Rei- nigung, Sterilisation usw. schrifiliche Be- richte gefuhrt werden.

Abb. 2. Vermeidung von Verwechslungen. Eine Verwechslung oder Untermischung von fuderlich gleichen Ampullen kann be- sonders schwerwiegende Folgen haben. Diese Gefahr kann nahezu vollstindig aus- geschlossen werden, wenn die einzelne Ampulle, wie im Bild gezeigt, direkt auf

Hygiene

werden allgemeine Richtlinien uber die Beschaffenheit und die Instandhaltung von Fabrikationsraumen gegeben. Es wird z.B. ein schrifiliches Hygieneprogramm gefor- dert, in dem festgelegt werden soll, wann und wie die Raume zu reinigen oder zu desinfizieren sind, wer dafur zustandig ist oder welche Gerate oder Materialien ver- wendet werden sollen. Es wird dabei auf die einshlagigen Bestimmungen der natio- nalen Gesundheitsbehorde verwiesen.

Der Abschnitt 7 beschafiigt sich mit den

Ausgangsmaterialien.

Abb. 3. Absicherung aller Arbeitsginge. Wigevorgang bei der Tablettenherstellung. Das Gebinde ist ordnungsgemid beschrif- tet, die Freigabe durch die QualitItskon- trolle wird durch das griine Freigabeetikett gekennzeichnet. Das Gewicht wird proto- kolliert und von einer zweiten Person kontrolliert.

Von ihnen wird gefordert, dai3 sie korrekt bezeichnet und ordnungsgemafl gelagert werden. Durch die Qualitatskontrollabtei- lung mussen von allen Ausgangsmateria- lien Proben gezogen und ordnungsgemafi untersucht werden. Eine besonders wich- tige Forderung ist, die in Untersuchung befindlichen Ausgangsmaterialien in einer Quarantanezone, d. h. in einem raumlich getrennten Lagerbereih, zu halten. Da- durch soll sichergestellt werden, da& diese Stofie nicht vor der Freigabe durch die Qualitatskontrolle verwendet werden

onnen. k”

Der Abschnitt 8

Herstellungsvorgznge

Abb. 4. Produktionshygiene. Die Haupt- quelle mikrobieller Verunreinigungen ist der Mensch. Deshalb schreiben die GMP- Richtlinien u. a. saubere Arbeitskleidung, erforderlichenfalls Schutzkleidung (auch zum Schutz des Menschen vor dem Arznei- stoff) und Desinfektionsmadnahmen sowie regelmXge Gesundheitskontrollen vor.

behandelt ausfiihrlich die verschiedenen Aspekte der Herstellung. Hierher gehoren die Sauberkeit, die technische Ausriistung und Beh‘iltnisse, Mafinahmen zur Vermei- dung von Verunreinigungen, Personal in den Herstellungsbetrieben, Herstellungs- verfahren, schrifiliche Anweisung, Herstel- lungsberichte fur die Chargen. Besonders hohe Anforderungen werden hier wieder an die schrifilichen Aufzeichnungen ge- stellt, die fur jede einzelne Charge ange- fertigt werden miissen. Hier sind sehr de-

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taillierte Angaben gemacht worden, was in solchen Chargenherstellungsberichten enthalten sein mud.

Der Abshnitt 9 ist der

Etikettierung und Verpackung

gewidmet. Hier wird deutlich, welch grofie Wichtigkeit diese Vorgange fur die Quali- tat und Sicherheit von Arzneimitteln ha- ben konnen. Es wird oft nicht bedacht, in welchem Made Fehler wie Falschetikettie- rung oder Untermischung von Packmate- rial die Qualitat .von Arzneimitteln be- einflussen oder Gefahren fur die Verbrau- cher heraufbeschworen konnen.

Im Abschnitt 10 wird das wichtige

QualitHtskontrollsystem

Abb. 5. QualitHtskontrolle. Die analytische Untersuchung der Arzneimittel vor ihrer Freigabe zum Verkauf wird immer auf- wendiger. Die Abbildung zeigt eincoulter- Teilchenzahlgerat, mit dem Injektionslo- sungen auf ihren Gehalt an kleinstenschwe- beteilchen untersucht werden konnen.

behandelt. Hier steht ganz am Anfang die Forderung, dad die Qualitatskontrolle von einem verantwortlichen Fachmann gelei- te t werden soll, der unabhangig von den Herstellungsbetrieben ist. Diese Forderung steht im Widerspruch zum geltenden Arz- neimittelgesetz, das fur Herstellung und KontrolIe von Arzneimitteln zusammen nur einen verantwortlichen Fachmann,

den Herstellungsleiter, kennt. Dies ist ein besonders deutliches Beispiel dafiir, wie weit die Forderungen der GMP-Grundre- geln von unserem Arzneimittelgesetz ab- weichen konnen. Die Forderung nach ei- nem unabhangigen Verantwortlichen fur die Qualitatskontrolle stellt ein Kernstiick der GMP-Grundregel dar, auf das nicht verzichtet werden kann. Hieraus ergibt sich, dad eine Firma wohl in allen Punkten den Anforderungen des AMG entsprechen kann, trotzdem aber nicht den Grundre- geln entsprechend arbeitet. Hier liegt ein Problem fur die Ubernahme der GMP- Regeln der WHO in der Bundesrepublik. Es kann nur durch den Gesetzgeber befrie- digend gelost werden.

Im Aufgabenkatalog, den die Qualitlts- kontrolle durch die Grundregeln zugespro- chen erhilt, finden sich neben den klassi- schen Aufgaben der Qualitatskontrolle der pharmazeutischen Industrie, wie analyti- sche Priifung der Produkte und Mate- rialien, Erstellung von Analysenvorschrif- ten, Erarbeitung von Haltbarkeitsdaten, auch die Forderung nach Oberwachung der Qualitatsgesichtspunkte der Herstellungs- vorgange.

Im Abshnitt 11

Tablettengewichten wHhrend der Ferti- gung. DieErgebnisse werden in eine Strich- liste eingetragen, in der Abweichungen vom Sol1 besonders leicht erkannt werden k onnen. .'

wird den Firmen empfohlen, sich ein in- ternes Inspektionssystem aufzubauen, das regelmadige Inspektionen der Herstel- lungs- und Kontrollarbeiten durchfuhrt.

Im Abschnitt 12

Nachweis iiber den Verbleib

wird die Forderung erhoben, iiber den Verbleib von Arzneimittelchargen ange- messene Unterlagen zu fiihren, so dad im Fall eines Fehlers eine Charge sofort und vollstandig zuriickgerufen werden kann.

Im abschliedenden Abschnitt 13

Beschwerden und Berichte iiber unerwiinschte Nebenwirkungen

wird gefordert, Berichten iiber Nebenwir- kungen und Schadigungen nachzugehen und diese grundlich zu prufen. Erweisen sie sich als begriindet, so sind umgehend geeignete Madnahmen zu ergreifen.

Selbstpriifung Die Anwendung von GMP-Richtlinien in der Praxis, sei es aufgrund gesetzlicher Bestimmungen oder auf freiwilliger Basis, ist ohne ein wirksames Inspektionssystem von seiten der Gesundheitsbehorden nicht denkbar. Ein solches Inspektionssystem hat dabei eine Reihe wichtiger Funktio- nen zu erfiillen. Zunachst mui3 die In- spektion sicherstellen, dad die Grundre- geln in den Firmen eingehalten werden Hierzu sind regelmagige Besuche erforder- lich. Eine zweite sehr wichtige Aufgabe ist die Fixierung und Fortentwicklung von Normen, die in den Grundregeln der WHO nur in allgemeiner Form angespro- chen sind. Wer den Originaltext der Grundregeln sorgfaltig liest, wird darin zahlreihe Ausdriicke wie geeignet, ange- messen, ausreichend oder anerkannt fin- den. Was im einzelnen darunter zu ver- stehen ist, welche Mafinahmen ausreichend oder welche Maschinen geeignet sind, bleibt offen. Hier ist zunachst der Herstel- ler selbst angesprochen. Er tragt die pri- mare Verantwortung fur das von ihm her- gestellte Arzneimittel, und er hat die Ent- scheidung zu treffen. Trotzdem hat hier

Abb. 6. Dokumentation von Herstellung und Kontrolle. Es geniigt nicht, Kontrol- len durchzufiihren, ohne sie in geeigneter Form zu dokumentieren. Die Abbildung zeigt die stichprobenweise Kontrolle von

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die Behorde ein wichtiges Mitspracherecht. Sie kann die Entscheidung des Herstellers akzeptieren oder ablehnen. Hieraus wird sich im Laufe der Zeit eine allen zugute kommende Kenntnis sachgemfi3er Herstel- lungsverfahren entwickeln, die dem Ver- braucher einen hochstmoglichen Schutz und der Industrie Sicherheit bei den zii ergreifenden Mafinahmen gewahren.

Ein funktionstiichtiges Inspektionssystem ist nicht zuletzt deswegen von groi3er Wichtigkeit, weil ein internationales Zer- tifikatsystem geplant ist. Es ist vorgesehen, dai3 die nationalen Gesundheitsbehorden nach ihrer Inspektion dem einzelnen Her- stellerbetrieb ein GMP-Zertifikat ausstel- len sollen, wenn der inspizierte Betrieb den Anforderungen der GMP-Richtlinien ent- spricht. Aufgrund dieses Zertifikates wird dieser Betrieb in andere Lander exportie- ren konnen. Fur die Bundesrepublik ergibt sich daher die Notwendigkeit, ihr nach § 40 AMG bereits bestehendes Inspektions- system weiter auszubauen, urn es in die Lage zu versetzen, die pharmazeutischen Herstellerbetriebe nach den GMP-Richt- linien der WHO zu iiberwachen. Erste Diskussionen zwifchen Fachleuten der pharmazeutischen Industrie haben gezeigt, dai3 diese Notwendigkeit klar gesehen wird.

Jeder Arzneimittelhersteller ist durch die GMP-Forderungen vor die Frage gestellt, wieweit er bereits den Grundregeln ent- sprechend produziert und welche Mafinah- men er noch zu verwirklichen hat. Die Antwort auf diese Frage wird sich in zwei Teile gliedern.

1. Ein - meist wesentlicher - Teil der Forderungen wird bereits jetzt erfiillt. Hierher gehoren in der Regel die Forde- rungen an Personal, Einrichtungen, Herstel- lungsvorgange und Produktionshygiene.

2. Ein zweiter Teil ist im Ansatz vorhan- den, mu8 aber den Anforderungen ange- pai3t werden. Hierbei kann ein Teil ohne groi3e Sachinvestitionen verwirklicht wer- den. Dazu gehoren alle organisatorischen Forderungen, z. B. Zustandigkeit und Ver- antwortlichkeit der Qualitatskontrolle, der Aufbau eines den Anforderungen entspre- chenden Dokumentationssystems, die Schu- lung und Weiterbildung des Personals, die Einrichtung eines Selbstinspektionssystems oder der Nachweis iiber den Verbleib der

Arzneimittelchargen. Der verbleibende Teil der Anforderungen kann nur unter betrachtlichen Investitionen verwirklicht werden. Hierher gehoren in aller Regel die Gebiude, wenn diese den Forderungen der Grundregeln nicht mehr entsprechen. Alle Firmen, ob grog oder klein, die in alteren Gebauden produzieren, sehen sich damit vor groi3e Probleme gestellt, die nicht kurzfristig geiost werden konnen. Hier mu6 gesagt werden, daB die Gebiude, in denen bisher Arzneimittel hergestellt wurden, selten so ungeeignet sein konnen, dai3 bei einer sinnvoll organisierten, do- kumentierten und kontrollierten Produk- tion nicht wenigstens fur eine Obergangs- zeit GMP-gerecht produziert werden konnte. Eine Voraussetzung mu8 aller- dings erfiillt sein, ohne die auch die mo- dernsten Produktionsstatten, Einrichtun- gen und Analysenautomaten keine Garan- tie fur die QualitHt von Arzneimitteln darstellen: die Einsicht in die Notwendig- keit der GMP und damit der Wille, Arz- neimittel sachgerecht herzustellen.

Prof. Dr. rer. nat. Herbert Feltkamp, ge- boren 11.9. 1930 in Kassel, studierte Phar- mazie in Mainz (1953-54) und Tubingen (1954-56), Approbation als Apotheker 1957. Doktorarbeit bei Prof. W. Hiickel 1957-1960 in Tubingen, anshliei3end wissenschaftlicher Assistent. Habilitations- arbeit iiber Anwendung der Kernresonanz- Spektroskopie auf Probleme der Konfor- mationsanalyse. 1964 Venia legendi fur Pharmazeutische Chemie, 1965 Privatdo- zent, 1966 Eintritt in die Pharmasparte der Bayer AG, neues Labor fur Trennmetho- den. 1967 Umhabilitation an die Univ. Bonn, dort 1970 apl. Professor. Im glei- chen Jahre Obernahme des Resorts Ana- lytik und Qualitatskontrolle der Pharma- sparte der Bayer AG, seit 1971 Prokurist.

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