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  • DIW Wochenbericht Nr. 7.2015 123

    TOP-VERMGENDE

    Vermgen sind typischerweise weitaus ungleicher ver-teilt als laufende Einkommen. Dies zeigt sich darin, dass ein relativ kleiner Teil der Bevlkerung einen betrchtli-chen Teil der gesamten Nettovermgen auf sich vereint.1 Es besteht ein nicht unerhebliches ffentliches Interes-se am Status quo und den Entwicklungen der Verm-gensverteilung in Deutschland, denn genaue Kennzah-len zu den Anteilen der reicheren Schichten sowie die exakte Verteilung sind eine wichtige Grundlage fr die Steuer- und Sozialpolitik. Jedoch weisen die vorliegen-den Datengrundlagen ein deutliches Manko im Hin-blick auf die ausreichende Reprsentation von Top-Ver-mgenden aus (zur allgemeinen Problematik bei der Messung von Vermgen siehe Kasten1). Das Ziel die-ser Studie ist es, mittels konometrischer Schtzverfah-ren den obersten Rand der Vermgensverteilung zu si-mulieren, um eine verbesserte Datengrundlage fr die gesamte Vermgensverteilung sowie Verteilungskenn-ziffern zu erhalten.

    Die in diesem Bericht vorgelegten Ergebnisse beru-hen auf einem von der Hans-Bckler-Stiftung gefrder-ten Forschungsvorhaben zur Analyse der Vermgens-verteilung in Deutschland2 und erweitern Analysen des DIWBerlin zur Beschreibung der Hhe, Zusammenset-zung und Verteilung des individuellen privaten Verm-gens in den Jahren 2002 bis 2012.3 Empirische Grund-lage sind die vom DIW Berlin in Zusammenarbeit mit Infratest Sozialforschung erhobenen Daten der Langzeit-studie Sozio-oekonomisches Panel (SOEP).4 Seit 2002 wird im Fnf-Jahres-Rhythmus in Schwerpunktbefra-

    1 Vgl. Grabka, M. M., Westermeier, C. (2014): Weiterhin hohe Vermgensun-gleichheit in Deutschland. DIW Wochenbericht Nr. 9/2014, 151164.

    2 Vermgen in Deutschland Status quo-Analysen und Perspektiven, Projektnummer: S-2012-610-4; Projektleitung Markus M. Grabka.

    3 Vergleiche Grabka, M. M., Westermeier, C. (2014), a. a. O.

    4 Das SOEP ist eine reprsentative Wiederholungsbefragung privater Haus halte, die seit 1984 in Westdeutschland und seit 1990 in Ostdeutschland jhrlich durchgefhrt wird, vgl. Wagner, G. G., Gbel, J., Krause, P., Pischner, R., Sieber, I. (2008): Das Sozio-oekonomische Panel (SOEP): Multidisziplinres Haushaltspanel und Kohortenstudie fr Deutschland Eine Einfhrung (fr neue Datennutzer) mit einem Ausblick (fr erfahrene Anwender). In: AStA Wirtschafts- und Sozialstatistisches Archiv Bd. 2, Heft 4, 2008, 301328.

    Groe statistische Unsicherheit beim Anteil der Top-Vermgenden in DeutschlandVon Christian Westermeier und Markus M. Grabka

    Analysen zur Vermgensungleichheit auf Basis von Bevlkerungs-erhebungen untererfassen tendenziell die Top-Vermgenden. Gerade dieser Personenkreis ist aber von besonderer Bedeutung, weil er einen betrchtlichen Teil des Gesamtvermgens besitzt. Offizielle Registerdaten zur Vermgenssituation liegen fr Deutsch-land nicht vor, die Top-Vermgen lassen sich lediglich an Hand von Reichen-Listen simulieren. Kombiniert man etwa die Forbes-Liste, die rund 50 Dollar-Milliardre mit deutscher Staatsbrgerschaft aufweist, mit Befragungsangaben, so erhht sich im Ergebnis das aggregierte Nettogesamtvermgen aller privaten Haushalte in Deutschland 2012 je nach Szenario um ein Drittel bis etwa 50 Prozent. Auch der Anteil des reichsten ein Prozent (das ent-spricht rund 400 000 Haushalten) der Bevlkerung am gesamten Nettovermgen steigt dann von rund einem Fnftel auf rund ein Drittel. Der Vermgensanteil der reichsten zehn Prozent der Bevlkerung erreicht nach der Hinzuschtzung je nach Szenario zwischen 63 und 74 Prozent am gesamten Nettovermgen. Diese Hinzuschtzungen sind aber mit hoher Unsicherheit behaftet, die nur durch eine Verbesserung der Datengrundlage verkleinert werden kann.

  • TOP-VERMGENDE

    124 DIW Wochenbericht Nr. 7.2015

    Multimillionre in Bevlkerungssurveys untererfasst

    Nach Angaben des SOEP belief sich das gesamte Nettovermgen in Deutschland im Jahr 2012 auf knapp 6,3 Billionen Euro (Tabelle1). Das sind etwa 1,5 Billionen Euro weniger als das PHF 2010/2011 auswies. Die Vergleichbarkeit ist nicht nur aufgrund des unterschiedlichen Erhebungszeitpunkts und der erfassten Vermgenskomponenten (siehe auch Kas-ten1) eingeschrnkt, darber hinaus wurden in der PHF-Studie besondere Anstrengungen unternom-men, vermgensstarke Haushalte ausfindig zu ma-chen und diese berproportional hufig zu befra-

    gungen die Vermgenssituation erhoben (bislang 2002, 2007 und 2012). Im SOEP wird der Vermgensbestand zwar auf Personenebene ermittelt, wird aber zu Zwecken dieser Analyse auf der Haushaltsebene aggregiert. Da-mit ist der Datensatz mit der von der Deutschen Bundes-bank fr Deutschland 2010/2011 erhobenen Studie Pri-vate Haushalte und ihre Finanzen (PHF) vergleichbar,5 die ein etwas umfangreicheres Portfolio an Fragen zur aktuellen Vermgensposition beinhaltet.6

    5 Kalkreuth, U. v., Heinz Hermann, H. (2013): Vermgen und Finanzen privater Haushalte in Deutschland: Ergebnisse der Bundesbankstudie. Monatsberichte der Deutschen Bundesbank (6), 2551.

    6 HFCN (2013): The Eurosystem Household Finance and Consumption Survey: Methodological report for the first wave. ECB Statistical Paper Series, No. 1.

    Nicht nur der Ansatz der Volkswirtschaftlichen Gesamt-

    rechnung, sondern auch die Analyse der Vermgensverteilung

    auf Basis von bevlkerungsreprsentativen Mikrodaten ist mit

    einer Reihe von methodischen und statistischen Problemen

    konfrontiert.

    Beiden Anstzen gemeinsam ist, dass wie weltweit blich

    die Anwartschaften an die gesetzliche Rentenversicherung

    nicht bercksichtigt werden. Die akkumulierten Ansprche

    aus rentenversicherungsrelevanten Ttigkeiten werden in

    Entgeltpunkte bertragen, die keinen direkten Bezug zum

    Sozialversicherungsvermgen erkennen lassen, und daher in

    Bevlkerungserhebungen kaum direkt erfragbar sind. In hn-

    licher Weise sind auch Ansprche gegenber Anwart schaften

    aus Betriebsrenten von Erhebungsproblemen betroffen. Es

    muss aber davon ausgegangen werden, dass insbesondere

    die erstgenannte Komponente den am hufigsten in der

    Bevlkerung anzutreffenden Vermgensbestandteil darstellt,

    da fr die Mehrheit der erwerbsfhigen Bevlkerung Renten-

    versicherungspflicht besteht bzw. rentenversicherungsrele-

    vante Ansprche, zum Beispiel in Form von Ausbildungs- oder

    Kindererziehungszeiten, erzielt wurden. Auswertungen der

    Rentenversicherungsdaten belegen, dass 91 Prozent der

    Mnner und 87 Prozent der Frauen im Alter ab 65 Jahren

    eigene Ansprche an die GRV aufweisen (in Ostdeutschland

    liegen die entsprechenden Quoten sogar bei 99 Prozent).

    In Bevlkerungsbefragungen werden fr gewhnlich weitere

    Vermgenskomponenten nicht erfragt, da deren Erfassung

    besonders problematisch ist. Hierzu zhlt der Hausrat inklu-

    sive des Wertes von Fahrzeugen. Beide Vermgenskompo-

    nenten flieen nicht in dem Vermgensbegriff ein, der dieser

    Analyse zugrunde liegt. Aufgrund dieser Einschrnkungen

    wird das hier ausgewiesene Vermgen im Vergleich zur Volks-

    wirtschaftlichen Gesamtrechnung ceteris paribus unterschtzt.

    In Bevlkerungsbefragungen werden Vermgensbestnde fr

    gewhnlich auf der Haushaltsebene erfasst. Das SOEP weist

    hier eine methodische Besonderheit auf, da das individuelle

    Vermgen von jeder Befragungsperson ab einem Alter von

    17Jahren erhoben wird. Damit lassen sich im Vergleich zu einer

    Haushaltsbetrachtung auch Unterschiede innerhalb von Haus-

    halten bzw. Partnerschaften darstellen. Jedoch kann das indi-

    viduelle Vermgen auf den Haushalt aufsummiert werden. Die

    vorliegenden Analysen beziehen sich somit auf das Vermgen

    der Privathaushalte. Das Vermgen von Kindern ist aufgrund

    der Erhebungsmethode nicht erfasst und somit unterschtzt.

    Ein Vergleich aggregierter Vermgensbestnde des SOEP mit

    den sektoralen und gesamtwirtschaftlichen Vermgensbilan-

    zen des Statistischen Bundesamtes ist durch diverse Probleme

    der Abgrenzung und unterschiedlicher Definitionen erschwert.

    Folgende Grnde knnen hierfr aufgezhlt werden: Erstens

    weist das Statistische Bundesamt die privaten Haushalte zu-

    sammen mit den privaten Organisationen ohne Erwerbszweck

    aus. Zweitens werden neben dem Gebrauchsvermgen auch

    weitere Vermgensarten ausgewiesen, die im SOEP nicht er-

    hoben werden. Hierzu zhlen das Bargeld, der Wert von Nutz-

    tieren und Nutzpflanzen, Ausrstungen, immaterielle Anlage-

    gter, Ansprche gegenber privaten Kranken versicherungen,

    gewerbliche Kredite und gewerbliche Anteile von Wohnbau-

    ten. Drittens wird im SOEP generell der aktuelle Marktwert

    erfragt, whrend beim Statistischen Bundesamt Immobilien

    nach dem Wiederbeschaffungswert angesetzt werden. Der

    Marktwert weicht aber bei Bestandsimmobilien signifikant

    vom Wiederbeschaffungswert ab. Im Ergebnis weist damit das

    Kasten 1

    Datenquellen zur Vermgensverteilung

  • TOP-VERMGENDE

    125DIW Wochenbericht Nr. 7.2015

    Die verbesserte Erfassung vermgender Haushalte wirkt sich dabei kaum auf den Median8 des Haushaltsnetto-vermgens aus. Diese Mazahl betrgt bei der PHF-Stu-die rund 51 000 Euro whrend im SOEP knapp 47 000 Euro gemessen werden. Der Mittelwert der Vermgens-verteilung ist jedoch sensitiv gegenber einer besseren Reprsentation vermgender Haushalte: Whrend im SOEP (nicht preisbereinigt) in 2012 ein Wert von knapp 155 000 Euro pro Haushalt beobachtet werden kann, liegt dieser im PHF mit 195 000 Euro gut 40 000 Euro h-her. Betrachtet man zudem die Perzentilsgrenzen am oberen Rand der Verteilung, so wird wiederum deut-

    8 Der Median trennt die rmere Hlfte der Bevlkerung von der reicheren Hlfte und ist rob