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Wie offen ist Android? Michael Single * Pascal Zimmermann Severin Heiniger 14. November 2010, ETH Z¨ urich Dieser Bericht entstand im Rahmen der Vorlesung Digitale Nachhaltigkeit in der Wissensgesellschaft bei Marcus M. Dapp. Er darf gem¨ ass folgender Creative Commons- Lizenz verwendet werden: CC-BY-SA http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/ * [email protected] [email protected] [email protected]

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Offenheit des Android-Betriebssystems Bericht von Michael Single, Pascal Zimmermann, Severin Heiniger

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Page 1: Groups 2010.02: Offenheit des Android-Betriebssystems (Digital Sustainability)

Wie offen ist Android?

Michael Single ∗ Pascal Zimmermann † Severin Heiniger ‡

14. November 2010, ETH Zurich

Dieser Bericht entstand im Rahmen der Vorlesung Digitale Nachhaltigkeit in der

Wissensgesellschaft bei Marcus M. Dapp. Er darf gemass folgender Creative Commons-

Lizenz verwendet werden: CC-BY-SA http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/

[email protected][email protected][email protected]

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Inhaltsverzeichnis

1 Einfuhrung 1

1.1 Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

1.2 Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

2 Architektur 4

2.1 Kernel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

2.2 Bibliotheken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

2.3 Dalvik Virtual Machine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

2.3.1 Oracle-Klage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

2.4 Anwendungs-Framework . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

3 Offenheit 7

3.1 Lizenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

3.1.1 Beurteilung der Lizenzwahl . . . . . . . . . . . . . . . . 10

3.2 Entwicklungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

3.2.1 Private Code-Zweige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

3.2.2 Mitarbeit durch externe Entwickler . . . . . . . . . . . . 13

3.2.3 Beitrag zur Kernel-Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . 14

3.3 Drittparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

3.3.1 Mobilfunkbetreiber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

3.3.2 Hardware-Hersteller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

3.3.3 Anwendungsentwickler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

3.4 Konsumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

4 Vergleich zu anderen Betriebssystemen 21

4.1 Apple iOS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

4.2 MeeGo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

4.2.1 Lizenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

5 Fazit 25

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1 Einfuhrung

1 Einfuhrung

In nur zwei Jahrzehnten haben Mobiltelefone eine immense Verbreitung erfah-

ren und sind heute fur viele Menschen unverzichtbarer Bestandteil ihres Le-

bens als Mittel zur mobilen Kommunikation, Unterhaltung und Informations-

beschaffung. Angetrieben durch den technologischen Fortschritt, insbesondere

der Miniaturisierung und zunehmender Leistungsfahigkeit von Prozessoren, so-

wie des breitflachigen, mobilen Zugangs zum Internet, ist in den vergangenen

vier Jahren eine neue Generation von Mobiltelefonen in Erscheinung getreten.

Die Rede ist von Smartphones, die sich im Gegensatz zu herkommlichen Fea-

turephones durch bessere Hardware und fortschrittliche Betriebssysteme aus-

zeichnen, die es dem Benutzer ermoglichen, durch die Installation von Anwen-

dungen das Gerat den personlichen Bedurfnissen anzupassen.

Der Lancierung des iPhones durch Apple Inc. im Jahr 2007 folgte bald die

Ankundigung des plattformubergreifenden, mobilen Betriebssystems Android

durch Google. Mittlerweile stellt dieses einen ernst zu nehmenden Bestreiter

im Markt dar, bemuht um die Gunst der Hardware-Hersteller, Anwendungs-

entwickler und nicht zuletzt der Konsumenten. Weitere konkurrierende mobile

Betriebssysteme sind Nokias Symbian, webOS von Palm, das in Zusammen-

arbeit von Nokia und Intel entwickelte MeeGo und Windows Mobile aus dem

Hause Microsoft. In den USA stellen Smartphones inzwischen das am schnells-

ten wachsende Segment im Mobiltelefon-Markt dar.1 Die gegenwartigen Ver-

kaufszahlen der verschiedenen mobilen Betriebssysteme lassen sich Tabelle 1

entnehmen.

Durch die zunehmende Bedeutung von Smartphones im Alltag wachst auch der

Einfluss der entsprechenden Hersteller mobiler Betriebssysteme. Konsumenten

vertrauen den Geraten personliche Informationen an und technisch versierte

Parteien haben das Bedurfnis, auf solchen Plattformen aufbauend neue Diens-

te zu realisieren oder die Plattformen selbst zu verbessern. Es kommt daher die

Frage auf, ob und in welcher Weise diese Hersteller Kontrolle uber ihr Produkt

1http://www.android.com/

1

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1 Einfuhrung

Betriebssystem 3. Quartal 2010 % 3. Quartal 2009 %Symbian 29’480.1 36.6 18’314.8 44.6Android 20’500.0 25.5 1’424.5 3.5iOS 13’484.4 16.7 7’040.4 17.1BlackBerry 11’908.3 14.8 8’522.7 20.7Windows Mobile 2’247.9 2.8 3’259.9 7.9Linux 1’697.1 2.1 1’918.5 4.7Andere 1’214.8 1.5 612.5 1.5Total 80’532.6 100 41’093.3 100

Tabelle 1: Weltweite Verkaufe von Smartphones geordnet nach Betriebssyste-men. Quelle: http://www.gartner.com/it/page.jsp?id=1466313

ausuben und dadurch Konsumenten und Entwickler in ihren Moglichkeiten be-

schrankt werden. Die vorliegende Arbeit hat das Ziel, dieser Frage mit Fokus

auf Android nachzugehen und aufzuzeigen, ob sich die verschiedenen Plattfor-

men diesbezuglich wesentlich unterscheiden.

1.1 Gliederung

Nach einem Uberblick der wichtigsten geschichtlichen Ereignisse im Bezug auf

Android beschreibt Kapitel 2 die der Android-Plattform zu Grunde liegenden

Technologien, deren Ursprung und Bedeutung. Diese Grundlagen sind dann im

Kapitel 3 von Bedeutung, in welchem der eigentlichen Fragestellung auf den

Grund gegangen wird, indem die Lizenzsituation von Android, die Organisa-

tion der Weiterentwicklung der Plattform und die Einflussnahme von Mobil-

funkbetreibern, Hardware-Herstellern und Anwendungsentwicklern beschrie-

ben und beurteilt wird. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse zu Android werden

dann im Kapitel 4 in Relation zu den konkurrierenden mobilen Betriebssyste-

men iOS und MeeGo gesetzt, was zum abschliessenden Fazit uberleitet.

1.2 Geschichte

Die Ubernahme des Unternehmens Android Inc. im Jahr 2005 durch Google

nahrte die Geruchte, dass der Suchmaschinenriese im Begriff war, den Mobil-

2

Page 5: Groups 2010.02: Offenheit des Android-Betriebssystems (Digital Sustainability)

1 Einfuhrung

funkmarkt zu betreten, um so seine Dienste besser zuganglich zu machen.2

Das Startup-Unternehmen hatte bis dahin unter Verschluss an Software fur

Mobiltelefone gearbeitet.

Unter der Leitung von Google wurde Ende 2007 die Grundung der Open Hand-

set Alliance bekannt gegeben, einem Konsortium 34 grosser Unternehmen,

darunter Hersteller von Mobiltelefonen und Prozessoren, aber auch Software-

Unternehmen und Mobilfunkbetreiber. Bekannte Namen sind dabei China Mo-

bile, T-Mobile, eBay, Intel, nVidia, sowie HTC, LG, Motorola und Samsung.3

Als erklartes Ziel dieses Konsortiums wurde die Schaffung der Plattform An-

droid fur mobile Gerate angegeben, die durch ihre Offenheit die Kosten fur die

beteiligten Unternehmen senken und den technischen Fortschritt beschleunigen

sollte.

Die Veroffentlichung des Software Development Kit (SDK) fur Anwendungs-

entwickler folgte knapp ein Jahr spater und Google stellte den Code der auf

dem Linux-Kernel basierten Android-Plattform unter die Apache Software Li-

cense, eine Open-Source-Lizenz.4

Ende 2008 wurde mit dem HTC Dream (auch bekannt als T-Mobile G1 ) das

erste auf Android-basierte Mobiltelefon auf den Markt gebracht. Neue Versio-

nen von Android wurden in rascher Folge durch Google, dem fur die Weiter-

entwicklung primar verantwortlichen Unternehmen, veroffentlicht.

Gemass Google-CEO Eric Schmidt wurden im August 2010 200’000 Android-

Gerate pro Tag verkauft5, die von Dutzenden verschiedener Hardware-Hersteller

auf den Markt gebracht wurden.

2http://www.androidpolice.com/2010/07/29/meet-andy-android%E2%80%99s-history-in-a-nutshell/

3http://www.openhandsetalliance.com/4http://source.android.com/5http://www.wired.com/gadgetlab/2010/08/google-200000-android-phones/

3

Page 6: Groups 2010.02: Offenheit des Android-Betriebssystems (Digital Sustainability)

2 Architektur

2 Architektur

Android wird von Google auch als Software-Stack bezeichnet.6 Dies ruhrt da-

her, dass sich das System aus mehreren Software-Schichten zusammensetzt,

wobei jede Schicht auf den jeweils darunterliegenden aufbaut und so eine zu-

nehmende Abstraktion erreicht wird. Der Android-Software-Stack ist in Ab-

bildung 1 schematisch dargestellt.

Abbildung 1: Software-Stack von Android.

Java-Bibliotheken

Dalvik Virtual Machine

Bibliotheken

Anwendungs-Framework

Anwendungen

Linux-Kernel

Insgesamt setzt sich die Android-Plattform aus mehr als 10 Millionen Zeilen

Code zusammen.7

2.1 Kernel

Die Grundlage von Android bildet der Linux-Kernel8 in Version 2.6. Seine

Aufgaben sind unter anderem die Speicher- und Energieverwaltung, sowie die

Hardware-Abstraktion durch passende Treiber.

Es ist aber erwahnenswert, dass die Android-Plattform wenig Gemeinsamkei-

ten mit dem herkommlichen Software-Stack hat, den man von Linux-basierten

6http://developer.android.com/guide/basics/what-is-android.html7http://www.gubatron.com/blog/2010/05/23/how-many-lines-of-code-does-it-take-to-

create-the-android-os/8http://www.linux.org/

4

Page 7: Groups 2010.02: Offenheit des Android-Betriebssystems (Digital Sustainability)

2 Architektur

Desktop-Rechnern kennt. Insbesondere wurden durch Google weitreichende

Modifikationen am Kernel durchgefuhrt, wozu beispielsweise die Energiever-

waltung gehort, die bei mobilen Geraten von besonderer Bedeutung ist.9

2.2 Bibliotheken

Diese Schicht stellt einen Grossteil der grundlegenden Android-Funktionalitat

bereit. Diese meist in den Programmiersprachen C und C++ geschriebenen

Komponenten sind verantwortlich fur die Verarbeitung verschiedener Arten

von Daten. Dazu gehort eine Datenbank, 2D- und 3D-Grafikbibliotheken, Kom-

ponenten fur Bild-, Ton- und Videoverarbeitung und eine zur Darstellung von

Webseiten.10

Ein Grossteil dieser Komponenten wurde nicht von Mitgliedern der Open

Handset Alliance entwickelt, sondern existierte bereits vor der Entstehung von

Android als Open-Source-Software verschiedener Herkunft. Der Einsatz dieser

Software ermoglichte es Google, mit moderatem Aufwand Android mit den

entsprechenden Funktionalitaten auszustatten.

2.3 Dalvik Virtual Machine

Hohere Schichten im Software-Stack von Android sind in der Programmier-

sprache Java umgesetzt. Eine Virtual Machine bietet die Moglichkeit, Java-

Anwendungen unabhangig von den konkreten Eigenheiten der zu Grunde lie-

genden Hardware-Architektur und anderen Anwendungen auszufuhren. Absturze

von Anwendungen haben dadurch weniger gravierende Auswirkungen auf den

Rest des Systems und zudem wird die Speicherverwaltung vereinfacht.11

9http://mikeymorckos.googlecode.com/svn-history/r5/trunk/Presentations/androidmichaelmorckos may 13 09.pdf

10Im Detail handelt es sich um die Projekte SQLite, OpenGL, OpenCore, FreeType, Web-Kit und OpenSSL.

11http://electronics.howstuffworks.com/google-phone2.htm

5

Page 8: Groups 2010.02: Offenheit des Android-Betriebssystems (Digital Sustainability)

2 Architektur

Anstelle einer konventionellen Java Virtual Machine (JVM) kommt bei An-

droid die Dalvik Virtual Machine12 zum Einsatz, die speziell fur Gerate mit

niedrigen Stromverbrauch und beschrankten Speicher- und Rechenkapazitaten

entwickelt wurde. Sie stellt daher eine der wichtigsten Komponenten von An-

droid dar.

Dalvik basiert auf einer Teilmenge der unter die Apache Software License ste-

henden Java-Implementierung Harmony13 der Apache Software Foundation.

2.3.1 Oracle-Klage

Nachdem Oracle im Januar 2010 Sun Microsystems ubernommen hat, gingen

insbesondere die Rechte an der von Sun entwickelten Java-Plattform an Oracle

uber. Das Unternehmen hat in der Folge eine Klage gegen Google eingereicht

mit der Begrundung, Google habe durch die Entwicklung von Dalvik in mehre-

ren Punkten wissentlich gegen das Patentrecht verstossen. Es soll zudem wis-

sentlich, gewollt und unrechtmassig ein erheblicher Anteil kopiergeschutzten

Codes kopiert, verandert und vertrieben worden sein. Dadurch seien Oracles

Exklusivrechte verletzt und der Firma finanzielle Schaden zugefugt worden,

wahrend Google profitierte. Dabei sollen auch fruhere Sun-Mitarbeiter einge-

stellt worden sein, um an Dalvik zu arbeiten.14

Google wertet die Klage als Angriff auf die Java-Open-Source-Community.15

Der entsprechende Prozess hat noch nicht begonnen. Sofern das Gericht zu

Gunsten von Oracle entscheidet, mussten Anpassungen des Codes an beste-

hendes Recht gemacht werden, wahrend die Zahlung grosser Summen Scha-

densersatz durch Google fallig wurde.

12http://www.dalvikvm.com/13http://harmony.apache.org/14http://regmedia.co.uk/2010/08/13/oracle complaint against google.pdf15http://www.theregister.co.uk/2010/08/16/google oracle android lawsuit/

6

Page 9: Groups 2010.02: Offenheit des Android-Betriebssystems (Digital Sustainability)

3 Offenheit

2.4 Anwendungs-Framework

Android-Anwendungen greifen weder direkt auf den Kernel zu, noch auf die

darauf aufbauenden Bibliotheken. Stattdessen gehort ein in Java realisiertes

Anwendungs-Framework zur Android-Plattform, das eine umfassende Schnitt-

stelle bietet und Anwendungen die Moglichkeit gibt, die Funktionalitat der

Plattform zu erweitern. Die hohe Abstraktion ermoglicht eine einfache Ver-

wendung.

Beispielsweise erlaubt es den Anwendungen konsistente grafische Oberflachen

umzusetzen, Daten untereinander auszutauschen, Telefonie-Funktionalitaten

zu verwenden und mit Hilfe von GPS-Daten standortbasierte Dienste zu rea-

lisieren.

Daruber hinaus sind bereits eine Reihe von grundlegenden Anwendungen in

Android enthalten, wozu ein E-Mail-Programm, ein Webbrowser, eine Kon-

taktverwaltung und ein Kalender zahlt.

3 Offenheit

Der Begriff der Offenheit ist ein zentrales Element in der Charakterisierung

von Android durch die Open Handset Alliance.

Mehrfach wird Android auf deren Homepage als “erste offene, vollstandige

und kostenlose Plattform fur mobile Gerate”16 bezeichnet. Android wird also

bewusst nicht als Produkt bezeichnet, das von einem einzelnen Unternehmen

entwickelt und vermarktet wird, sondern als Plattform, die durch Kooperation

verschiedener Parteien entsteht. Auf der Open-Source-Webseite von Android17

wird dies prominent dadurch begrundet, dass es in der Mobilfunkindustrie

keinen zentralen Punkt des Scheiterns geben sollte. Kein Unternehmen durfe

die Innovationen anderer einschranken und kontrollieren.

16first open, complete, and free platform created specifically for mobile devices17http://source.android.com/index.html

7

Page 10: Groups 2010.02: Offenheit des Android-Betriebssystems (Digital Sustainability)

3 Offenheit

Die Open Handset Alliance gibt weiter an, dass sich jedes seiner Mitglieder fur

grossere Offenheit im mobilen Okosystem engagiere, da dies allen Parteien, die

auf Android setzen, zu schnellerer Innovation verhelfe und dadurch schneller

auf die Nachfrage der Kunden reagiert werden konne. Umgekehrt lasst sich das

so interpretieren, dass es Unternehmen, die nicht auf Android, sondern auf ge-

schlossene Eigenentwicklungen setzen, es eventuell schwerer haben, innovative

Produkte in nutzlicher Frist auf den Markt zu bringen.

Dadurch wird deutlich, dass das Ziel von Android ist, von moglichst vielen Un-

ternehmen in der Mobilfunkindustrie als Basis fur unterschiedlichste Produkte

und Dienste verwendet zu werden.18 Die Logik dahinter scheint zu sein, dass

eine starkere Android-Plattform noch mehr Unternehmen davon uberzeugt, die

Plattform zu adaptieren, um nicht als abseits stehende Partei den Anschluss

zu verlieren.

Die angeblichen Vorteile einer offenen Plattform fur die verschiedenen Parteien

in der Mobilfunkindustrie und nicht zuletzt der Konsumenten, werden wie folgt

beschrieben:19

• Konsumenten profitierten von gunstigeren und innovativen mobilen Geraten

und Diensten, insbesondere einer reichhaltigen Auswahl an Anwendun-

gen und einfacher zu bedienender Benutzeroberflachen.

• Betreiber von Mobilfunknetzen seien in der Lage, ihre Angebote flexibel

zu differenzieren und von tieferen Kosten zu profitieren.

• Hersteller von Mobiltelefonen hatten eine Kostenersparnis durch die weg-

fallenden Lizenzkosten fur Software. Nicht zuletzt verkurze Android die

Zeit, um neue Gerate auf den Markt zu bringen.

• Chip-Hersteller benotigen eine Software, die den zunehmenden Funk-

tionsreichtum ihrer Produkte nutzen kann und so Anwendungsentwick-

lern zuganglich macht.

18http://www.youtube.com/watch?v=7Y4thikv-OM19http://www.openhandsetalliance.com/oha faq.html

8

Page 11: Groups 2010.02: Offenheit des Android-Betriebssystems (Digital Sustainability)

3 Offenheit

• Software-Unternehmen seien in der Lage, ihre Produkte in eine vollstandige

Plattform zu integrieren, und Hersteller von Mobiltelefonen hatten durch

die wegfallenden Software-Lizenzkosten mehr Ressourcen, um solche Pro-

dukte zu erwerben.

• Anwendungsentwickler hatten Zugriff auf eine reichhaltige API, was zu

hoherer Produktivitat und Innovation fuhre.

Die Frage, die sich nun stellt, ist, welche Formen diese von der Open Handset

Alliance lautstark propagierten Offenheit von Android im Detail hat und ob

und inwiefern einzelne Unternehmen, allen voran Google als treibende Kraft

bei der Weiterentwicklung der Android-Plattform, trotzdem die Kontrolle uber

verschiedene Aspekte der Plattform fur sich beanspruchen.

Hierzu beleuchten die folgenden Abschnitte die Art und Weise der Lizenzie-

rung von Android, den Entwicklungsprozess, sowie den Einfluss von anderen

Unternehmen auf die Offenheit von Android.

3.1 Lizenzierung

Der grosste Teil des Android-Projektes steht unter der Apache Software Licen-

se 2.020 die auf der Homepage von Android auch explizit als bevorzugte Lizenz

angegeben wird.21

Die Apache Software License (kurz ASL) ist eine Open-Source-Lizenz der

Apache Software Foundation. Die Version 2.0 wurde im Jahr 2004 heraus-

gegeben. Eine unter der ASL lizenzierte Software darf verwendet, weiterentwi-

ckelt und vertrieben werden, wobei eigene Copyright-Zusatze angefugt werden

durfen. Zudem enthalt die Lizenz keine Copyleft-Klausel, die erfordern wurde,

dass Anderungen nur unter gleichen Lizenzbedingungen weitergegeben werden

durfen.

20http://www.apache.org/licenses/LICENSE-2.0.html21http://source.android.com/source/licenses.html

9

Page 12: Groups 2010.02: Offenheit des Android-Betriebssystems (Digital Sustainability)

3 Offenheit

3.1.1 Beurteilung der Lizenzwahl22

Google begrundet die Wahl der Apache Lizenz damit, dass die Entwickler frei

sein sollen, zu bestimmen, wie ihre Software vertrieben werden soll. Dies werde

durch das Fehlen der Copyleft-Klausel erreicht und gewahre den Entwicklern

von proprietarer Software den fur ihre Geschaftsmodelle notigen Spielraum,

was insbesondere die kommerzielle Entwicklung fordere.

Nur ein kleiner Teil von Android steht unter einer anderen Lizenz. Dazu gehort

beispielsweise der Linux-Kernel, der unter der GNU General Public License23

(GPL) in Version 2 lizenziert ist. Deren Copyleft-Klausel verbietet die Verwen-

dung des Codes in proprietaren Programmen. Dies hat zur Folge, dass jegliche

Anderungen am Kernel von Google und anderen Unternehmen ebenfalls ent-

sprechend lizenziert werden mussen. Zu diesem Zweck hat der Hardwareher-

steller HTC eine eigene Website24 geschaffen. Von dieser kann der Code der

Kernel-Versionen, welche in seinen Produkten zum Einsatz kommt, bezogen

werden.

Die Copyleft-Klausel der GPL betrifft nicht Anwendungen, die mit Hilfe des

Kernels ausgefuhrt werden, da diese primar mit dem Nutzer des Systems in-

teragieren (d.h. im sogenannten Usermode ausgefuhrt werden). Anwendungen

konnen daher trotz der GPL-Lizenzierung des Kernels unter einer beliebigen

Lizenz stehen.25 Enthielten aber hohere Schichten des Android-Software-Stacks

GPL-lizenzierten Code, wurde dort die Copyleft-Klausel wirksam werden. Es

erstaunt daher nicht, dass Google dort konsequent die Verwendung von GPL-

lizenziertem Code vermeidet. Das zeigt sich insbesondere darin, dass das Un-

ternehmen von Grund auf eine Alternative zur GPL-lizenzierten Bibliothek

libc26 entwickelt hat, obwohl jene grosse Akzeptanz geniesst. Auch hat Google

Apache Harmony den Vorzug gegenuber der freien, GPL-lizenzierten Java-

22http://www.openhandsetalliance.com/android faq.html23http://www.gnu.de/documents/gpl-2.0.de.html24http://developer.htc.com/25http://itmanagement.earthweb.com/osrc/article.php/12068 3801396 3/Bruce-Perens-

Combining-GPL-and-Proprietary-Software.htm26http://www.gnu.org/software/libc/

10

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3 Offenheit

Implementierung OpenJDK27 gegeben.28

Im Gegensatz zur General Public License erlaubt die Lesser General Public

License, dass unter dieser Lizenz stehende Bibliotheken auch in proprietarer

Software verwendet werden durfen.29 Google lehnt deren Verwendung jedoch

ab, um Unternehmen, die auf Android basierte Produkte verkaufen, nicht

zusatzliche Einschrankungen30 auferlegen zu mussen.

3.2 Entwicklungsprozess

Es wurde bereits erwahnt, dass der Quellcode von Android offen unter einer

Open Source-Lizenz verfugbar ist. Fur diesen Zweck wurde eine Website An-

droid Open Source Project31 durch Google ins Leben gerufen. Sie beschreibt,

wie interessierte Entwickler an den Quellcode der Software herankommen und

Beitrage leisten konnen, und wie Hardware-Hersteller die Plattform zum Lau-

fen bringen und die Kompatibilitat sicherstellen konnen.

Die Tatsache, dass Android Open Source ist, garantiert zwar, dass der Quell-

code frei verfugbar sein muss, kopiert und verandert werden darf. Jedoch sagt

dies nichts aus uber den Quellcode von zukunftigen Android-Versionen, die

sich noch in Entwicklung befinden. Auch gibt es nicht beliebigen Personen das

Recht, Anderungen am offiziellen Quellcode von Android vorzunehmen - etwa,

um Verbesserungen oder Fehlerkorrekturen anzubringen.

27http://openjdk.java.net/28http://arstechnica.com/open-source/reviews/2009/02/an-introduction-to-google-

android-for-developers.ars/329http://www.gnu.org/licenses/lgpl.html30Beispielsweise erfordert die Verwendung LGPL-lizenzierter Bibliotheken, dass der

Code ebenfalls offen ist, oder aber die Bibliothek durch den Benutzer ausge-tauscht werden kann. Dies stellt ein Problem dar, da Android-Software oft alsGanzes ausgeliefert wird. Auch sog. Reverse Engineering ist ausdrucklich erlaubt.http://source.android.com/source/licenses.html

31http://source.android.com

11

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3 Offenheit

3.2.1 Private Code-Zweige

Die Entwicklung von Android erfolgt nicht sequentiell, sondern gleichzeitig in

mehreren sogenannten Code Lines (auch Zweige genannt), so dass der Code

der aktuell stabilen Version von Android von dem potentiell instabilen der

zukunftigen Version getrennt wird.32

Die Code Line der zukunftigen Version halt Google aber unter Verschluss.

Der entsprechende Code wird erst als Ganzes mit dieser zukunftigen Ver-

sion veroffentlicht. Als Grund dafur wird angegeben, damit den Fokus der

Offentlichkeit auf die aktuelle Version zu lenken. Gleichzeitig behalt sich da-

durch Google das Recht vor, die strategische Richtung von Android als Platt-

form zu bestimmen. Dadurch konne sich Google auf eine kleine Anzahl von

Geraten konzentrieren, um die Weiterentwicklung voranzutreiben, aber auch

um mit Android verwandtes geistiges Eigentum zu schutzen. Insbesondere sei

Google manchmal im Besitz vertraulicher Informationen von Drittunterneh-

men, die rechtlich noch nicht angemessen geschutzt seien.

Der nicht erwahnte, aber entscheidende Grund fur diese Politik ist aber wahr-

scheinlich ein anderer. Innovationen geschehen in diesem hart umkampften

Markt so schnell, dass es sich kein Anbieter leisten kann, seine mittel- und

langerfristigen Plane (sogenannte Roadmaps) der Offentlichkeit kund zu tun,

um der Konkurrenz nicht einen unnotigen Vorteil zu geben. Beispielsweise

erfahrt die Offentlichkeit erst kurz vor dem Verkaufsstart neuer Versionen von

Apples iPhone uber dessen Neuerungen. Darum erscheint es nur konsequent,

dass neben den privaten Code-Zweigen von Android keine Informationen uber

Zukunftsplane im Voraus preis gegeben werden.

Von diesem Ausschluss sind explizit also nicht nur Entwickler von Anwen-

dungen betroffen, sondern auch Personen, die Beitrage zum Code von Android

leisten. Ausser fur ausgewahlte Partnerunternehmen besteht fur externe Perso-

nen also keine Moglichkeit der direkten Einflussnahme auf bzw. Einsicht in die

zukunftige Versionen von Android. Da neue Versionen im Abstand von durch-

32http://source.android.com/source/code-lines.html

12

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3 Offenheit

schnittlich 6 Monaten erscheinen33, hinken solche Personen also dem aktuellen

Entwicklungsstand bis zu 6 Monate hinterher. Google erkennt immerhin an,

dass diese Politik nicht allen Beitragenden gefallt, hat aber keine Absicht, diese

in Zukunft zu andern.

In der Anfangsphase des Projekts wurden neue Versionen des SDK mit gros-

ser Verzogerung und technischen Mangeln freigegeben. Zeitweise erhielten nur

die Finalisten eines Programmierwettbewerbs unter Unterzeichnung eines Ge-

heimhaltungsvertrags Zugang.34 Dies fuhrte zu einer gewissen Frustration bei

einem Grossteil der Entwickler, die sich neu mit der Plattform beschaftigen,

aber auch bei einigen Google-Mitarbeitenden. Als Reaktion wurde von einem

Entwickler eine Petition35 gestartet, mit dem Ziel, Google zur Behebung die-

ser Missstande zu bewegen, da die Entwickler die Grundlage des Erfolges einer

solchen Plattform seien.

3.2.2 Mitarbeit durch externe Entwickler

Obwohl Google hauptverantwortlich fur den Entwicklungsprozess von Android

ist, werden Beitrage (Ideen, Code, Dokumentation und Fehlerberichte) von

ausserhalb der Firma akzeptiert. Insbesondere stehen mit Mailinglisten und

Chat-Kanalen die notigen Kommunikationsmittel zur Verfugung.

Von solchen Personen bzw. Unternehmen wird verlangt, online einen so ge-

nannten Individual bzw. Corporate Contributor License Grant zu unterschreiben.36

Damit soll die rechtliche Situation geklart werden. Dadurch wird dem Android-

Projekt zum Beispiel die weltweite, nicht-exklusive und kostenfreie Lizenz er-

teilt, die Beitrage zu verwenden.

Bevor ein Beitrag von externen Entwicklern in das Projekt einfliessen kann,

muss er gepruft und akzeptiert werden. Dies geschieht durch die sogenannten

33http://en.wikipedia.org/wiki/Android (operating system)#Update history34http://arstechnica.com/open-source/reviews/2009/02/an-introduction-to-google-

android-for-developers.ars/335http://groups.google.com/group/android-discuss/browse thread/thread/

957fa043e2a199b6?hl=en&pli=136http://source.android.com/source/licenses.html

13

Page 16: Groups 2010.02: Offenheit des Android-Betriebssystems (Digital Sustainability)

3 Offenheit

Approvers, erfahrenen Mitglieder des Projekts, die in der Vergangenheit um-

fangreiche Beitrage gemacht haben. Es wird Kritik geubt an der Tatsache, dass

diese normalerweise selber Google-Mitarbeiter37 seien und angeblich manche

Beitrage ohne Begrundung abgelehnt wurden.38

3.2.3 Beitrag zur Kernel-Entwicklung

Wie bereits erwahnt, baut die Android-Plattform auf verschiedener Software

auf, die unabhangig von Android entwickelt wird, insbesondere dem Linux-

Kernel. Man bezeichnet diese Software auch als Upstream.39 Da in Android

zahlreiche Veranderungen daran vorgenommen wurden, stellt sich die Frage,

ob und in welchem Rahmen diese in die ursprunglichen Projekte zuruckfliessen,

so dass letztlich alle davon profitieren wurden, die die jeweilige Software ver-

wenden.

Diese Praktik wird von den gangigen Open-Source-Lizenzen in keiner Wei-

se gefordert oder empfohlen. Abgeleitete Werke (derived works) sind explizit

erlaubt. Trotzdem ist es der Welt von Open-Source-Software ublich, Verbesse-

rungen wenn moglich dem Upstream zukommen zu lassen. Die Unterlassung

davon wird auch als Forking40 bezeichnet.

Forking hat den Nachteil, dass neue Versionen der ursprunglichen Software nur

mit beachtlichem Aufwand in die eigene Codebasis integriert werden konnen,

da die eigenen Anderungen erhalten bleiben mussen. Werden Anderungen hin-

gegen in den Upstream-Code integriert, werden diese in der nachsten Version

bereits enthalten sein, und der Aufwand zum Aktualisieren bleibt gering.

Google hat seine Anderungen am Code des Linux-Kernels in den Staging-

Zweig eingefugt, in dem Code so lange aufbewahrt wird, bis er genugend sta-

bil fur den offiziellen Code-Zweig des Kernels (Mainline) ist. Jedoch wurde

Anfang 2010 dieser Code jedoch von Kernel-Entwicklern aus dem Staging-

37http://source.android.com/faqs.html38http://www.visionmobile.com/blog/2010/04/is-android-evil/39http://en.wikipedia.org/wiki/Upstream (software development)40http://en.wikipedia.org/wiki/Fork (software development)

14

Page 17: Groups 2010.02: Offenheit des Android-Betriebssystems (Digital Sustainability)

3 Offenheit

Bereich geloscht. Der Kernel-Entwickler Greg Kroah-Hartmann begrundete41

diesen Entscheid damit, dass Google den Code nicht betreut habe. Der Rest des

Linux-Okosystems wurde daher nie von diesen Anderungen (und Beitragen von

Hardwareherstellern, die davon abhangen) profitieren konnen und Google habe

somit faktisch ein Fork des Linux-Kernels geschaffen. An der Linux-Konferenz

Mitte April 2010 versprach ein Google-Mitarbeiter aber Besserung.42

Eine ahnliche Situation ergab sich mit Dalvik, das auch dem Apache-Projekt

Harmony basiert. Wahrend Google den Marktstart des ersten Android-basierten

Gerats vorzubereiten, seien die zwei Codebasen immer starker voneinander ab-

gewichen. Spater habe Google dann versucht, diese Lucke wieder zu verkleinern

und Verbesserungen in Dalvik an das Harmony-Projekt zuruckzugeben.43

3.3 Drittparteien

Dass Google weder Hardware herstellt, noch Mobilfunknetze betreibt und die

vielfaltigen Wunsche von Konsumenten alleine befriedigen kann, sind Dritt-

unternehmen fur den Erfolg und Misserfolg der Android-Plattform ebenso zen-

tral.

3.3.1 Mobilfunkbetreiber

Konsumenten beziehen mobile Gerate in der Regel von Mobilfunkbetreibern.

Zwar hat Google den Direktvertrieb des Gerats namens Nexus One versucht,

doch diese Bestrebungen wurden im Juli 2010 mangels Nachfrage eingestellt.44

Durch die im Kapitel 3.1 beschrieben Lizenz-Bedingungen ist es den Mo-

bilfunkbetreibern moglich, weitreichende proprietare Modifikationen an der

Android-Software anzubringen und die Gerate mit zusatzlicher, vorinstallierter

41http://www.kroah.com/log/linux/android-kernel-problems.html?seemore=y42http://www.zdnet.com/blog/open-source/dibona-google-will-hire-two-android-coders-

to-work-with-kernelorg/627443http://arstechnica.com/open-source/reviews/2009/02/an-introduction-to-google-

android-for-developers.ars/244http://googleblog.blogspot.com/2010/05/nexus-one-changes-in-availability.html

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Page 18: Groups 2010.02: Offenheit des Android-Betriebssystems (Digital Sustainability)

3 Offenheit

Software auszuliefern. Dies geschieht einerseits aus dem Bestreben heraus, sich

von der Konkurrenz abzusetzen, aber auch davon, durch zusatzliche Dienste

Umsatz zu generieren.

Insbesondere von Branchenkennern wird kritisiert45, dass diese Software oft

von schlechter Qualitat ist, nur von wenigen Konsumenten gewunscht werde

und oft nicht einmal deinstalliert werden konne. Solche Software wird daher

auch salopp als Bloat- bzw. Crapware bezeichnet.

Eine weitere Moglichkeit der Einflussnahme durch Mobilfunkbetreiber ist die

Einfuhrung von Beschrankungen. Kunden des Unternehmens AT&T ist es

nicht einmal gestattet, Anwendungen zu installieren, die nicht aus dem An-

droid Market stammen.46 Als weiteres Beispiel sei das sogenannte Tethering

erwahnt. Diese neue Funktion von Android 2.2 ermoglicht es, ein Android-

Gerat als mobilen Hotspot zu betreiben, so dass sich in der Nahe befindliche

Gerate ebenfalls Internetzugang erhalten konnen. Mobilfunkbetreiber konnen

diese Funktion nach Belieben sperren. Des Weiteren erlaubte die erste Version

der Internettelefonie-Software Skype fur Android auf Verizon47-Geraten keine

kostenlosen Gesprache, obwohl dies die wichtigste Funktion der Anwendung

darstellt.

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die Mobilfunkbetreiber die Kontrolle daruber

haben, ob und wann neue Versionen von Android an bereits verkaufte Gerate

ausgeliefert werden. Dies kann als Grund gesehen werden, warum auch ein

halbes Jahr nach Erscheinen der Version 2.2 immer noch zwei Drittel der Kon-

sumenten eine altere Version verwendeten.48 Es ist naheliegend, dass Mobil-

funkbetreiber lieber neue Gerate und Abonnemente verkaufen, als bestehenden

Kunden einen Gefallen zu tun.

Zusammenfassend lasst sich sagen, dass die Mobilfunkbetreiber durchaus von

der Offenheit von Android profitieren, aber diese infolge von Eigeninteres-

sen, die primar finanzieller Natur sind, nur beschrankt an ihre Konsumenten

45http://techcrunch.com/2010/09/09/android-open/46http://www.tuaw.com/2010/11/08/dissecting-androids-openness/47Ein grosser Mobilfunkbetreiber in den USA48http://developer.android.com/resources/dashboard/platform-versions.html

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Page 19: Groups 2010.02: Offenheit des Android-Betriebssystems (Digital Sustainability)

3 Offenheit

weitergeben. Dieser Gegensatz in angeblich in den Vereinigten Staaten noch

deutlicher zu spuren als in Europa.49

3.3.2 Hardware-Hersteller

Seit der Lancierung der Android-Plattform ist die Anzahl der Unternehmen,

die Android-Gerate produzieren, deutlich gestiegen. Zu den namhaftesten Un-

ternehmen zahlen HTC, Dell, Motorola, Samsung und LG.50

Das hat zur Folge, dass Konsumenten eine wachsende Anzahl Wahlmoglichkeiten

haben. Jedoch ist dies nicht direkt ein Indiz fur die Offenheit der Plattform,

da beispielsweise auch das Betriebssystem Windows Phone auf Geraten von

unterschiedlichen Herstellern verfugbar ist. Immerhin fuhrt Konkurrenzdruck

aber zu einem Preisverfall im Sinne der Konsumenten.51

Genau wie bei den Mobilfunkbetreibern ist auch fur Hardwarehersteller die

Diversifizierung ein wichtiges Thema. HTC vermarktet seine weitreichenden

Anderungen an der Benutzeroberflache von Android HTC Sense. Diese ist

proprietar, was aber im Einklang mit den Lizenzbestimmungen von Android

ist.

Wahrend der Entwicklung der vergangenen Versionen von Android hat Goo-

gle jeweils exklusiv mit ausgewahlten Partnerunternehmen wie HTC und Mo-

torola zusammengearbeitet, was diesen einen wettbewerbstechnischen Vorteil

gegenuber anderen Unternehmen gegeben hat.52

Obwohl die Apache Software License beliebige Anderungen an der Android-

Plattform erlaubt, wurden Hardwareherstellern (aber auch Mobilfunkbetrei-

bern) gewisse Beschrankungen auferlegt, sofern diese ihre Produkte unter Ver-

wendung des Markennamens “Android” vermarkten wollen. Zum Android Open

Source Project gehort zu diesem Zweck ein Android Compatibility Program, das

49http://www.osnews.com/story/23789/Android Not Open Wait What50http://en.wikipedia.org/wiki/List of Android devices51http://blog.zentity.com/2010/09/the-android-openness-delusion/52http://seekingalpha.com/article/173363-android-handset-makers-are-at-google-s-mercy

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Page 20: Groups 2010.02: Offenheit des Android-Betriebssystems (Digital Sustainability)

3 Offenheit

genau vorgibt, welche Kriterien Gerate erfullen mussen, um als Android com-

patible gelten zu durfen.53 Geraten, die diese nicht erfullen, steht insbesondere

der Android Market nicht offen.54 Als Grund fur diese Einschrankungen wird

angegeben, dass unkontrollierte Anpassungen zu inkompatiblen Implementa-

tionen fuhren konnen. Das konne sich zum Beispiel dadurch aussern, dass nicht

alle Android-Anwendungen auf einem Gerat lauffahig sind.

3.3.3 Anwendungsentwickler

Die Masse und Qualitat von Anwendungen, die fur ein mobiles Betriebssystem

verfugbar sind, gehort zu den entscheidenden Faktoren fur den Erfolg einer

solchen Plattform, da Konsumenten damit die Grundfunktionalitaten eines

entsprechenden Gerats nach Belieben erweitern konnen. Mit Hilfe des Software

Development Kits (SDK) (siehe Kapitel 2.4) konnen Anwendungsentwickler

kostenlos eigene Anwendungen bauen und auf ihren Geraten testen.

Jedoch braucht es einen Kanal, uber den solche Anwendungen zu den Kon-

sumenten gelangen konnen. Hierzu dient primar der Android Market. Dies

ist ein proprietarer Dienst von Google, den Hardware-Hersteller nur mit Ein-

verstandnis von Google auf ihren Android-Geraten anbieten durfen.55 Im No-

vember 2010 enthielt der Android Market ungefahr 160’000 Anwendungen.56

Ein Anwendungsentwickler kann selbst entscheiden, ob er fur seine Anwendun-

gen Geld verlangen mochten oder nicht. In ersterem Fall erhalt dieser aber nur

70 % des Verkaufspreises, wahrend der Rest an die Mobilfunkbetreiber und die

Unternehmen, die die Zahlungen abwickeln, verteilt wird.57

Anwendungen mussen aber nicht unbedingt uber den Android Market vertrie-

ben werden. Diese konnen vom Entwickler direkt zum Herunterladen angebo-

ten werden oder uber Dienste wie SlideMe verteilt werden.58 Auf den ersten

53http://source.android.com/about/philosophy.html54http://source.android.com/compatibility/index.html55http://www.visionmobile.com/blog/2010/04/is-android-evil/56http://www.androlib.com/appstats.aspx57http://en.wikipedia.org/wiki/Android Market58http://slideme.org/

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Page 21: Groups 2010.02: Offenheit des Android-Betriebssystems (Digital Sustainability)

3 Offenheit

Blick scheint dies ein klares Indiz fur die Offenheit von Android zu sein. Aller-

dings ist die manuelle Installation von Anwendungen technisch anspruchsvoll59

und wegen der Non-Compete-Klausel im Android Market Developer Distributi-

on Agreement60 ist es nicht erlaubt, uber den Android Market selbst konkurrie-

rende Dienste zu bewerben.61 Dies macht den Android Market zur dominanten

Plattform fur den Vertrieb von Android-Anwendungen.

Es stellt sich die Frage, ob und inwiefern Google Kontrolle uber die im An-

droid Market vertriebenen Anwendungen ausubt. Das Android Market Devel-

oper Distribution Agreement gibt eine Liste von Kriterien vor, die zu vertrei-

bende Android-Anwendungen erfullen mussen. Google beabsichtige nicht zu

uberprufen, ob diese erfullt werden. Sollte Google jedoch uber eine Verletzung

der Kriterien62 informiert werden, behalte sich das Unternehmen das Recht

vor, entsprechende Anwendungen aus dem Android Market zu entfernen und

den Entwickler gegebenenfalls zu sperren.

Google hat von dieser Moglichkeit bereits Gebrauch gemacht: Im Fruhling

2009 wurde von Google eine Tethering-Anwendung (siehe Kapitel 3.3.1) aus

dem Android-Markt entfernt und spater fur alle Kunden ausser denjenigen des

Mobilfunkbetreibers T-Mobile USA wieder freigegeben. Diese Beschrankung

wurde rund ein Jahr spater aufgehoben.63

Anwendungsentwickler haben durch den SDK die Moglichkeit, auch grund-

legende Funktionalitaten des Betriebssystems in ihren Anwendungen anzu-

bieten. Dazu gehort beispielsweise die grafische Software fur Telefonie, SMS-

und E-Mail-Versand. In anderen Worten sind in Android alle Anwendungen

gleichberechtigt.64 Aus technischer Sicht spricht dies fur die Offenheit von An-

droid.

59http://www.softsailor.com/how-to/49241-how-to-install-non-android-market-apk-apps-on-android-devices.html

60http://www.android.com/us/developer-distribution-agreement.html61“You may not use the Market to distribute or make available any Product whose primary

purpose is to facilitate the distribution of Products outside of the Market.”62Dazu gehort beispielsweise die Verletzung von Rechten bzgl. geistigen Eigentums, Ent-

halten von Schadcode, usw.63http://news.cnet.com/8301-1035 3-10210515-94.html64http://www.openhandsetalliance.com/android overview.html

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Page 22: Groups 2010.02: Offenheit des Android-Betriebssystems (Digital Sustainability)

3 Offenheit

3.4 Konsumenten

Im Kapitel 3.3.1 wurde beschrieben, dass manche Mobilfunkbetreiber und

Hardwarehersteller dem Konsumenten die Kontrolle uber sein Gerat entziehen,

fur das er Geld bezahlt hat. Welche Moglichkeiten stehen dem Konsumenten

zur Verfugung, um diese Kontrolle zuruckzuerhalten, ohne zu Alternativen

wechseln zu mussen, die ihm mehr Freiheiten gewahren?

Mittels Rooting ist es moglich, privilegierten Zugriff (Root Access) auf das

Android-Betriebssystem zu erlangen. Damit lassen sich weitreichende Anderungen

am Gerat durchfuhren, wozu das Entfernen von vorinstallierten Anwendungen,

die Installation neuer Versionen von Android oder sogar die Installation von

modifizierten Android-Versionen gehort.65 Lange Zeit wurde dies von Mobil-

funkbetreibern in den USA nicht geduldet66 und Gegenmassnahmen wurden

getroffen. Als Begrundung wird angegeben, dass verhindert werden soll, dass

Gerate korrumpiert oder unbrauchbar werden. Rooting wurde schliesslich Mit-

te 2010 von der fur Copyright-Fragen verantwortlichen US-Behorde fur legal

erklart.67

Die Notwendigkeit des Rootings ist somit ein klares Beispiel fur fehlende Of-

fenheit. Nur ein kleiner Teil der Konsumenten ist technisch versiert genug, um

damit die Kontrolle uber solche Android-Gerate zuruckzuerhalten.68 Der Rest

ist der Willkur von Mobilfunkbetreibern und Hardwareherstellern ausgeliefert.

CyanogenMod ist eine von privaten Android-Nutzern entwickelte modifizier-

te Version von Android, eines sogenannten Custom ROMs, das zahlreiche

Funktionen69 enthalt, die in der offiziellen Ausgabe von Android nicht enthal-

ten sind.70 Im September 2009 wurde der Hauptentwickler von Google abge-

mahnt mit der Begrundung, dass CyanogenMod die Rechte von Google verlet-

ze, da es die proprietaren Anwendungen die Google Maps, den Android Market

65http://en.wikipedia.org/wiki/Rooting (Android OS)66http://www.androidguys.com/2010/07/26/rooting-android-phone-longer-crime/67http://www.copyright.gov/1201/68http://www.pcworld.com/article/205414/googles openness on android is overrated.html69Zum Beispiel die Unterstutzung fur das verlustfreie, freie Audioformat FLAC, USB-

Thethering, usw.70http://en.wikipedia.org/wiki/CyanogenMod

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Page 23: Groups 2010.02: Offenheit des Android-Betriebssystems (Digital Sustainability)

4 Vergleich zu anderen Betriebssystemen

und YouTube enthalte. Diese seien Teil der Google Experience und geistiges

Eigentum von Google.71 Um sie verwenden zu konnen, ist eine Lizenzierung

durch Google notig. Die betroffenen Anwendungen wurden in der Folge aus

CyanogenMod entfernt.

Ohne diese proprietaren Anwendungen ist allerdings die Funktionalitat von

Android deutlich eingeschrankt. Wie im vorherigen Abschnitt erwahnt, gibt

es ausser dem Android Market beispielsweise keine einfache Moglichkeit, An-

wendungen zu installieren. Google meint dazu, dass diese Anwendungen, die

nicht Teil der Android-Plattform sind, Google die Moglichkeit geben, von An-

droid zu profitieren. Weiter wird angegeben, dass die unerlaubte Verbreitung

derselben Google schade wie jedem anderem Unternehmen, auch wenn es mit

guten Absichten geschehe.72 Was genau damit gemeint ist, bleibt allerdings im

Unklaren.

Googles strikte Haltung fuhrte zu gewissem Unverstandnis seitens der Android-

Community, insbesondere, wenn man bedenkt, dass eine umfangreiche Verbes-

serung am Linux-Kernel aus dem CyanogenMod-Projekt in den experimentel-

len Android-Code ubernommen wurde.

Zum Zweck einer grosseren Offenheit von Android ware es also wunschenswert,

wenn Open-Source-Alternativen zu diesen wichtigen Grundfunktionen existier-

ten.

4 Vergleich zu anderen Betriebssystemen

In der Einleitung wurden verschiedene Betriebssysteme fur mobile Gerate auf-

gefuhrt, die zueinander in Konkurrenz stehen. Neben der Funktionalitat und zu

Grunde liegenden Technik unterscheiden sich diese auch durch die Haltung der

dahinter stehenden Unternehmen, ob und inwiefern Offenheit einen positiven

Einfluss auf die Zukunft ihres Produkts hat.

71http://www.cyanogenmod.com/home/the-current-state72http://android-developers.blogspot.com/2009/09/note-on-google-apps-for-

android.html

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Page 24: Groups 2010.02: Offenheit des Android-Betriebssystems (Digital Sustainability)

4 Vergleich zu anderen Betriebssystemen

4.1 Apple iOS

Im Jahr 2007 stellte Apple das Smartphone mit Namen iPhone vor, auf dem

das Betriebssystem namens iOS (damals iPhone OS) lauft. Beim iOS handelt

es sich um ein proprietares Derivat des hauseigenen Betriebssystems Mac OS

X fur Desktop-Rechner. Apple untersagt es, iOS auf Hardware von Drittpar-

teien zu betreiben. iOS ist also ausschliesslich durch den Kauf eines iPhones

erhaltlich. Derzeit wird das iPhone in den Vereinigten Staaten nur mit ei-

nem SIM-Lock vertrieben, was die Verwendung einer beliebigen SIM-Karte73

unmoglich macht.74

Besitzer von iPhones durfen Anwendungen ausschliesslich uber den von App-

le kontrollierten App Store installieren, dem Aquivalent zu Googles Android

Market. Diese Beschrankung wird mit Digital Rights Management (DRM),

also technischen Schutzmassnahmen, aufrecht erhalten.

Um dennoch alternative, von Apple nicht unterstutzte Software, wie zum Bei-

spiel den Adobe Flash Player, installieren zu konnen, bleibt dem Nutzer nur

die Moglichkeit des Rootings, dass im Kontext des iPhones primar unter dem

Begriff Jailbreaking75 bekannt ist. Der bereits im Kapitel 3.4 erwahnte Ent-

scheid, dass dieser Vorgang keine Copyright-Verletzung darstellt, richtete sich

primar gegen Apple.76 Apple hingegen meint, dass die iPhone-Benutzer gar

keine eigene Veranderungen am System wollen, da Gerate dadurch beschadigt

werden konnen.77

Entwickler, die Anwendungen fur den App Store erstellen mochten, mussen

sich gegen eine Gebuhr beim iPhone-Development-Programm registrieren und

73Eine SIM-Karte ist ein Chip, der den Nutzer im Mobilfunknetz identifiziert und dadurchfur die Kommunikation vorausgesetzt wird.

74http://en.wikipedia.org/wiki/IPhone#SIM unlocking75jailbreakme.com76http://arstechnica.com/tech-policy/news/2010/07/apple-loses-big-in-drm-ruling-

jailbreaks-are-fair-use.arshttp://arstechnica.com/apple/news/2009/02/apple-sides-with-mpaa-riaa-against-drm-circumvention.ars

77If modifications of the the OS were to interfere with these control functions [volumegovernors, temperature sensors, charging circuitry], even unintentionally, the phone couldbe physically damaged or the battery could be overcharged.

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Page 25: Groups 2010.02: Offenheit des Android-Betriebssystems (Digital Sustainability)

4 Vergleich zu anderen Betriebssystemen

eine Jahresgebuhr fur die Verwendung des Software Development Kits (SDK)

verrichten. 30% des aus der Anwendung erwirtschafteten Gewinnes an Apple

abgeben. Jede Anwendung, die in den App Store aufgenommen werden soll,

durchlauft zuerst eine Prufung durch Apple. Eine weitere Einschrankung der

Entwickler aussert sich darin, dass die im SDK enthaltene Entwicklungsumge-

bung Xcode nur auf Mac OS X lauffahig ist.

Seit Version 4.0 des iOS untersagt Apple zudem die Verwendung von Zwischen-

schichten zur Entwicklung von Anwendungen. Davon ist beispielsweise Adobes

Flash-Technologie, aber auch Java und Microsofts Silverlight betroffen.

Im Gegensatz zu Android kommt im iOS keine Virtual Machine zu Einsatz.

Das lasst sich dadurch begrunden, dass dazu gar keine Notwendigkeit besteht,

da iOS nicht auf zahlreichen verschiedenen Plattformen funktionieren muss,

sondern nur auf der von Apple bestimmten Hardware.

4.2 MeeGo

Durch die Vereinigung von Intels Moblin-Projekt mit Nokias Maemo hat im

ersten Quartal des Jahres 2010 die Entwicklung des auf Linux basierenden

Open-Source-Betriebssystems MeeGo begonnen. Ziel ist es, eine Plattform fur

verschiedene Endgerate wie Mobiltelefone und Notebooks bereitzustellen.78

Wahrend der finnische Konzern Nokia langjahriger Marktfuhrer bei Mobilte-

lefonen ist, liegt er im Bereich der Smartphones gegenuber seiner Konkurrenz

zuruck.79 Intel hingegen versucht durch die Entwicklung von MeeGo mit sei-

nen Atom-Prozessoren in Markt der Smartphones Fuss zu fassen, der momen-

tan von der konkurrierenden ARM-Architektur dominiert wird.80 Durch seine

Plattformunabhangigkeit soll MeeGo beide Architekturen unterstutzen.

78http://conversations.nokia.com/2010/02/15/nokia-and-intel-create-meego-for-new-era-of-mobile-computing/

79http://www.theepochtimes.com/n2/content/view/44768/80http://www.wired.com/gadgetlab/2009/07/atom-processor-phones/

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Page 26: Groups 2010.02: Offenheit des Android-Betriebssystems (Digital Sustainability)

4 Vergleich zu anderen Betriebssystemen

Anders als beim iOS wird der MeeGo-SDK81 von verschiedenen Plattformen

kostenfrei unterstutzt. Die Applikationen werden nebst der auch von Andro-

id verwendeten Programmiersprache Java auch in C++ entwickelt, wobei QT

die zur Verfugung gestellte Entwicklungsumgebung ist. Die entwickelten An-

wendungen werden als RPM-Programmpakete angeboten und verteilt, einem

Format, dass ursprunglich von Red Hat entwickelt wurde und in verschiedenen

Linux-Distributionen Verwendung findet.

4.2.1 Lizenzierung82

MeeGo ubernimmt alle Lizenzbestimmungen aus Maemo und Moblin, welche

ihrerseits primar unter Open-Source-Lizenzen stehen. Im Gegensatz zu An-

droid findet hier hauptsachlich die GNU General Public License Verwendung.

Anders als bei Android gibt es keine absolute MeeGo-Distribution.

Fur die einzelnen Programme gibt es keine explizite Lizenz. Gefordert wird

einzig, dass die Lizenzierungsform der Definition der Open Source Initiative83

(OSI) entspricht. Nach dieser bedeutet Open Source nicht nur den Zugriff

auf den Quelltext, vielmehr soll die Lizenz technologieunabhangig sein und

proprietare Erweiterungen zulassen.

Im Gegensatz zu Android, welches die Apache Software License bevorzugt,

sollen Bibliotheken, welche das Betriebssystem erweitern, bevorzugt unter der

LGPL lizenziert werden. Ziel dieser Lizenzierungsform ist es, durch ihren Copyleft-

Charakter Fragmentierungen der MeeGo-Schnittstelle vorzubeugen, wahrend

Vertreiber von kommerziellen Produkten trotzdem die Moglichkeit von pro-

prietaren Erweiterungen haben.

81MeeGo 1.1 SDK Beta Release: 10.11.2010http://meego.com/

82http://meego.com/about/licensing-policy83http://www.opensource.org/docs/osd

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Page 27: Groups 2010.02: Offenheit des Android-Betriebssystems (Digital Sustainability)

5 Fazit

5 Fazit

Die Analyse der Offenheit von Android hat zu Tage gebracht, dass die Li-

zenzierung von Android unter einer Open-Source-Lizenz zwar von zentraler

Bedeutung fur die Offenheit von Android ist, aber trotzdem zahlreiche Aspek-

te bleiben, in denen Moglichkeiten von Konsumenten und Entwicklern einge-

schrankt werden, indem bestimmte Unternehmen Kontrolle uber die Plattform

und deren Entwicklung ausuben. Die Wahl der Apache Software License wurde

primar von kommerziellen Motiven geleitet.

Zusammenfassend lasst sich sagen, dass die Philosophie hinter der Plattform

von Pragmatismus gepragt ist, ein Begriff, der auch von Google selber zur

Charakterisierung verwendet wird.84 Dies bedeutet, dass fehlende Offenheit in

Kauf genommen wird, sofern dies nach Ansicht der Open Handset Alliance

einen positiven Einfluss auf den langerfristigen Markterfolg der Plattform hat.

Wie beschrieben wurde, aussert sich diese fehlende Offenheit deutlich im Ent-

wicklungsprozess, zu dem Aussenstehende nur beschrankten Zugriff haben, da-

mit Google keine wettbewerbstechnischen Nachteile in Kauf nehmen muss und

Google und die Mitglieder der Open Handset Alliance so exklusiv uber die

Zukunft der Plattform entscheiden konnen. Umso gravierender ist aber die

Tatsache, dass den Hardwareherstellern und Mobilfunkbetreibern weitreichen-

de Freiheiten eingeraumt werden, was die Plattform sehr attraktiv fur diese

macht. Es wurde gezeigt, dass diese Unternehmen regen Gebrauch von diesen

Freiheiten machen ganz im Sinn deren Geschaftsinteressen. Der Konsument

als Kaufer der als offenen angepriesenen Plattform ist hier am kurzeren Hebel.

Der Vergleich mit dem iOS zeigte allerdings deutlich, dass Benutzer und An-

wendungsentwickler des iOS viel weniger Freiheiten geniessen als diejenigen

von Android. Dem Konsumenten wird beim Kauf keine Wahl ermoglicht, was

im Kontrast steht zu der grossen Anzahl verschiedener Gerate steht, die auf

Android basieren. Apple selbst sieht diese Uniformitat, starke Integration und

Moglichkeit der vollstandigen Kontrolle jedoch als Vorteil.

84http://source.android.com/about/philosophy.html

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Page 28: Groups 2010.02: Offenheit des Android-Betriebssystems (Digital Sustainability)

5 Fazit

Als junges Projekt hat MeeGo aus Marktsicht gegenuber Android und iOS

noch einen weiten Weg vor sich. Es ist aber erfreulich zu sehen, dass man

bei MeeGo bemuht ist, die Entwicklung offener zu gestalten als bei Android.

Das Projekt erfahrt nicht die bei letzterem ausgefuhrte strikte Kontrolle und

Geheimhaltung der Weiterentwicklung.

Personen, die den Kauf eines Smartphones erwagen, haben heute dank eines

kompetitiven Marktes verschiedenste Angebote. Es liegt in deren Verantwor-

tung, die Vor- und Nachteile der einzelnen Plattformen gemass eigenen Krite-

rien abzuwagen. Die Offenheit einer Plattform spielt wahrscheinlich fur viele

mangels Aufklarung und technischer Versiertheit eine untergeordnete Rolle.

Gemass Marktanalysen85 werde der weltweite Marktanteil von Android bis

2014 auf Kosten der anderen Smartphone-Betriebssysteme auf rund 25 % wach-

sen. Android scheint also eine bluhende Zukunft vor sich zu haben.

85http://www.zdnet.de/news/mobile wirtschaft idc hebt prognose fuer weltweitensmartphone markt um zehn prozent an story-39002365-41537463-1.htm

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