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Schweißtechnische Verarbeitung und Anwendung hochfester Baustähle im Nutzfahrzeugbau Horst Wegmann, Duisburg und Peter Gerster, Ehingen Der Einsatz von Stählen hoher Festigkeit im Kran- und Fahrzeugbau ist Voraussetzung für leichtere und damit wirtschaftlichere Konstruktionen. Häufig werden bestimmte technische Lösungen erst durch die Verwendung ent- sprechend hochfester Stähle ermöglicht. Mit Hilfe verbesserter metallurgischer und walztechnischer Maßnahmen sowie durch die Weiterentwicklung bewährter wie auch durch die Einführung neuer Stahlsorten ist es gelungen, den Forderungen nach höherer Festigkeit, größerer Zähigkeit und einer verbesserten Schweißeignung Rechnung zu tragen. So stehen heute verarbeitungsfreundliche, hochfeste Stähle mit Mindeststreckgrenzen von 355 N/mm² bis 1100 N/mm² zur Verfügung, die gleichzeitig hohe Zähigkeitsreserven aufweisen. Genauso wichtig wie die Ver- besserungen der Stahleigenschaften waren die schweißtechnischen Fortschritte. Das gilt sowohl für das thermi- sche Schneiden wie auch für die Herstellung kaltrißsicherer und anforderungsgerechter Schweißverbindungen. 1 Einleitung Der Einsatz niedriglegierter hochfester Baustähle bietet in vielen Anwendungsbereichen sowohl techni- sche wie auch wirtschaftliche Vorteile. Diese Stähle ermöglichen eine deutliche Reduzierung der Blech- dicke und somit des Eigengewichts. Das führt zu einer erheblichen Verringerung der Herstellungs- und Be- triebskosten. Bild 1 zeigt als Beispiel einen 800-t- Mobilkran, bei dem Stähle mit einer Streckgrenze von bis zu 1100 N/mm² zum Einsatz kommen. Sie werden sowohl für den Unterwagen wie auch für die Tele- skopausleger verwendet. Derartige Fahrzeuge wären ohne die Verfügbarkeit hochfester Stähle nicht zu realisieren. Bild 1. 800 t-Mobilkran aus XABO 960 (S960 QL), Hubhöhe 134 m, Gesamtgewicht ohne Ausleger 96 t Grundlage sind die hohe Tragfähigkeit und das gün- stige Verarbeitungsverhalten dieser Stähle. Dabei sind die Anforderungen an den Werkstoff Stahl in den zurückliegenden Jahrzehnten ständig gestiegen. Das gilt besonders für die Festigkeit, die Zähigkeit und die Schweißeignung, wobei Zähigkeit und Schweißeig- nung mit zunehmender Blechdicke an Bedeutung gewinnen. Durch metallurgische und walztechnische Fortschritte konnten die mechanischen Eigenschaften und das Verarbeitungsverhalten hochfester Baustähle deutlich verbessert werden. Dank des vertieften Ein- blicks in den Zusammenhang zwischen den Schweiß- bedingungen und den Eigenschaften von Schweiß- verbindungen ist man in der Lage, gezielt den Anfor- derungen an die mechanischen Eigenschaften der Schweißverbindungen entsprechende und gleichzeitig wirtschaftliche Schweißbedingungen anzuwenden. Auch die in der Vergangenheit so gefürchteten Kaltrisse beim Schweißen der niedriglegierten hoch- festen Stähle lassen sich heute zuverlässig vermei- den. 2 Stahlentwicklung Seit Einführung der Feinkornbaustähle in den 50er Jahren hat es bei den hochfesten Stählen eine ra- sante Entwicklung gegeben, Bild 2. Normalgeglühte Stähle lassen sich bis etwa 460 N/mm 2 Mindest- streckgrenze erzeugen. Typische Vertreter dieser Gruppe sind z. B die Stahlsorten S355N und S460N. Um bei normalgeglühten Stählen noch höhere Streck- grenzen zu erreichen, müßte der Legierungsgehalt weiter erhöht werden, was dann zu einer deutlichen Beeinträchtigung der Schweißeignung führen würde. Wesentlich höhere Streckgrenzen bei gleichzeitig hervorragender Zähigkeit lassen sich durch eine Ver- gütung erreichen. Besonders wirkungsvoll ist dabei die Wasservergütung. Wasservergütete Baustähle mit Mindeststreckgrenzen von 690, 890 und 960 N/mm 2 sind seit vielen Jahren verfügbar [1-3]. Vom Mengen- aufkommen ist die Stahlsorte S690Q/QL der wichtig- ste Vertreter dieser Stahlgruppe. Doch auch Stähle mit einer Mindeststreckgrenze von 890 N/mm 2 und

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Schweißtechnische Verarbeitung und Anwendung hochfester Baustähle im Nutzfahrzeugbau

Horst Wegmann, Duisburg und Peter Gerster, Ehingen

Der Einsatz von Stählen hoher Festigkeit im Kran- und Fahrzeugbau ist Voraussetzung für leichtere und damitwirtschaftlichere Konstruktionen. Häufig werden bestimmte technische Lösungen erst durch die Verwendung ent-sprechend hochfester Stähle ermöglicht. Mit Hilfe verbesserter metallurgischer und walztechnischer Maßnahmensowie durch die Weiterentwicklung bewährter wie auch durch die Einführung neuer Stahlsorten ist es gelungen,den Forderungen nach höherer Festigkeit, größerer Zähigkeit und einer verbesserten Schweißeignung Rechnungzu tragen. So stehen heute verarbeitungsfreundliche, hochfeste Stähle mit Mindeststreckgrenzen von 355 N/mm²bis 1100 N/mm² zur Verfügung, die gleichzeitig hohe Zähigkeitsreserven aufweisen. Genauso wichtig wie die Ver-besserungen der Stahleigenschaften waren die schweißtechnischen Fortschritte. Das gilt sowohl für das thermi-sche Schneiden wie auch für die Herstellung kaltrißsicherer und anforderungsgerechter Schweißverbindungen.

1 Einleitung

Der Einsatz niedriglegierter hochfester Baustählebietet in vielen Anwendungsbereichen sowohl techni-sche wie auch wirtschaftliche Vorteile. Diese Stähleermöglichen eine deutliche Reduzierung der Blech-dicke und somit des Eigengewichts. Das führt zu einererheblichen Verringerung der Herstellungs- und Be-triebskosten. Bild 1 zeigt als Beispiel einen 800-t-Mobilkran, bei dem Stähle mit einer Streckgrenze vonbis zu 1100 N/mm² zum Einsatz kommen. Sie werdensowohl für den Unterwagen wie auch für die Tele-skopausleger verwendet. Derartige Fahrzeuge wärenohne die Verfügbarkeit hochfester Stähle nicht zurealisieren.

Bild 1. 800 t-Mobilkran aus XABO 960 (S960 QL),Hubhöhe 134 m, Gesamtgewicht ohneAusleger 96 t

Grundlage sind die hohe Tragfähigkeit und das gün-stige Verarbeitungsverhalten dieser Stähle. Dabeisind die Anforderungen an den Werkstoff Stahl in denzurückliegenden Jahrzehnten ständig gestiegen. Dasgilt besonders für die Festigkeit, die Zähigkeit und dieSchweißeignung, wobei Zähigkeit und Schweißeig-nung mit zunehmender Blechdicke an Bedeutunggewinnen. Durch metallurgische und walztechnischeFortschritte konnten die mechanischen Eigenschaftenund das Verarbeitungsverhalten hochfester Baustähledeutlich verbessert werden. Dank des vertieften Ein-blicks in den Zusammenhang zwischen den Schweiß-bedingungen und den Eigenschaften von Schweiß-verbindungen ist man in der Lage, gezielt den Anfor-derungen an die mechanischen Eigenschaften derSchweißverbindungen entsprechende und gleichzeitigwirtschaftliche Schweißbedingungen anzuwenden.Auch die in der Vergangenheit so gefürchtetenKaltrisse beim Schweißen der niedriglegierten hoch-festen Stähle lassen sich heute zuverlässig vermei-den.

2 Stahlentwicklung

Seit Einführung der Feinkornbaustähle in den 50erJahren hat es bei den hochfesten Stählen eine ra-sante Entwicklung gegeben, Bild 2. NormalgeglühteStähle lassen sich bis etwa 460 N/mm2 Mindest-streckgrenze erzeugen. Typische Vertreter dieserGruppe sind z. B die Stahlsorten S355N und S460N.Um bei normalgeglühten Stählen noch höhere Streck-grenzen zu erreichen, müßte der Legierungsgehaltweiter erhöht werden, was dann zu einer deutlichenBeeinträchtigung der Schweißeignung führen würde.Wesentlich höhere Streckgrenzen bei gleichzeitighervorragender Zähigkeit lassen sich durch eine Ver-gütung erreichen. Besonders wirkungsvoll ist dabeidie Wasservergütung. Wasservergütete Baustähle mitMindeststreckgrenzen von 690, 890 und 960 N/mm2

sind seit vielen Jahren verfügbar [1-3]. Vom Mengen-aufkommen ist die Stahlsorte S690Q/QL der wichtig-ste Vertreter dieser Stahlgruppe. Doch auch Stählemit einer Mindeststreckgrenze von 890 N/mm2 und

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960 N/mm2 werden in beachtlichen Mengen z. B. imDruckbehälter-, Kran- und Fahrzeugbau sowie fürBergbaugeräte eingesetzt. Die obere Grenze bildetheute der wasservergütete Stahl mit einer Mindest-streckgrenze von 1100 N/mm2. Anwendungsgebiet isthier vorzugsweise der Kranbau.

Interessante Alternativen zu den wärmebehandeltenStählen bilden die durch den Zusatz MC gekennzeich-

neten thermomechanisch gewalzten Stähle mit Min-deststreckgrenzen von 355 N/mm2 bis 690 N/mm2

[4-5]. Diese finden in der Großrohrfertigung und zu-nehmend im Schiffbau, im Nutzfahrzeugbau sowie beibesonderer Anforderung an das KaltumformverhaltenAnwendung.

Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Eigenschaftenhochfester Stähle. Sie werden als Warmband mit Dik-ken zwischen 1,5 mm und 20 mm oder als Grobblechmit Dicken ab 3 mm bis 125 mm hergestellt. Nebendem bekannten normalgeglühten S355N fallen diethermomechanisch gewalzten Stähle auf. Ihr be-sonderes Merkmal sind ein niedriger Kohlenstoffge-halt und ein geringer Zusatz an Mikrolegie-rungselementen wie Niob, Titan oder Vanadin. DieVerringerung des Kohlenstoffgehalts ist der wichtigste

Schritt zur Verbesserung der Schweißeignung unddes Umformverhaltens. Durch den Zusatz von Mikro-legierungselementen wird der Festigkeitsabfall infolgeder Kohlenstoffabsenkung ausgeglichen und eine zu-sätzliche Verfestigung erreicht.

Ausgewiesen werden die wasservergüteten Stählemit Mindeststreckgrenzen zwischen 690 und 1100N/mm2. Diese erfüllen auch bei größeren Blechdicken

höchste Anforderungen an die mechanischen Eigen-schaften. Wasservergütete Baustähle sind niedrigle-gierte Stähle auf der Basis Chrom-Molybdän bzw.Chrom-Molybdän-Nickel-Vanadin. Der Kohlenstoffge-halt ist auf maximal etwa 0,20 % begrenzt und derLegierungsgehalt wird im Interesse der Schweißbar-keit so niedrig wie möglich gehalten. Der Legierungs-gehalt ist Voraussetzung dafür, daß bei der Wasser-abschreckung über den gesamten Querschnitt eingünstiges martensitisch-bainitisches Gefüge entsteht.Bei der nachfolgenden Anlaßglühung stellt man diemechanischen Eigenschaften der Bleche durch dieWahl einer angemessenen Anlaßtemperatur ein. Dieso hergestellten Stähle weisen neben der gefordertenFestigkeit eine ausgezeichnete Kerbschlagzähigkeitauf.

1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010

Jahr

0

0,002

0,004

0,006

0,008

0,01

0,012Mindeststreckgrenze (MPa)

355

460 / 500

690 / 700

890 / 960

1100 S1100QL/XABO 1100

S960QL/ XABO 960S890QL/ XABO 890

S700MC / PAS 700S690QL / N-A-XTRA 70

S500MC / PAS 500S460N

S355MC / PAS 355S355N

Bild 2.Entwicklung hochfester Baustähle

CET = C + (Mn+Mo)/10 + (Cr+Cu)/20 + Ni/40

Güte Norm TKS-Güte Typische chemische Zusammensetzungen Gew. % min

ReH Rm r

C Si Mn Cr Mo V Nb typ. CET N/mm2 N/mm2 min.

S355J2G3 10025 - 0,18 0,05 1,50 0,34 355 490

6302,5 a

S355MC 10149-2 PAS 355 0,07 0,05 1,10 0,04 0,18 355 430

5501,0 a

S500MC 10149-2 PAS 500 0,07 0,05 1,35 0,08 0,05 0,21 500 600

7602,0 a

S700MC 10149-2 PAS 700 0,07 0,45 1,80 (0,18) 0,06 0,12 0,25 (0,29) 700 750

950

2,5 a (WB)

3,0 a (GB)

S690QL 10137-2 N-A-XTRA 70 0,17 0,20 0,95 0,20 0,25 0,30 690 770

9403,0 a

S960QL 10137-2 XABO 960 0,17 0,40 1,45 0,60 0,35 0,05 0,38 960 980

11504,0 a

S1100QL (10137-2) XABO 1100 0,17 0,30 0,95 0,70 0,55 0,07 2,0 0,41 1100 1200 4,0 aNi

Ti

100/01.ppt

Tabelle 1.Eigenschaften hochfester Stähle

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3

3 Schweißtechnische Verarbeitung

Voraussetzung für die Nutzung der günstigen Eigen-schaften der hochfesten Baustähle ist, daß dieSchweißverbindungen dem Grundwerkstoff ent-sprechende mechanische Eigenschaften aufweisen.Es sind weiterhin Vorkehrungen zu treffen, um Kaltris-se beim Schweißen zu vermeiden. Durch umfang-reiche Untersuchungen ist es gelungen, für dieschweißtechnische Verarbeitung dieser Stähle einsolides, an wissenschaftlichen Erkenntnissen orien-tiertes Fundament zu schaffen.

3.1 Schweißnahtvorbereitung

Die schweißtechnische Verarbeitung beginnt im all-gemeinen mit der Nahtvorbereitung. Hochfeste Stählelassen sich nach allen thermischen Schneidverfahrenverarbeiten, Bild 3.

Am gängigsten ist immer noch das autogene Brenn-schneiden, das zwar nur geringe Schneidgeschwin-digkeiten ermöglicht, dafür aber bis zu großen Blech-dicken angewendet werden kann. Bei dünnen Ble-chen besteht jedoch die Gefahr, daß infolge der ver-gleichsweise langsamen SchneidgeschwindigkeitVerzug und Verwerfungen auftreten. Hier liegen dieVorteile des Laserstrahl- und Plasmaschneidens. DasPlasmaschneiden wird heute bis etwa 40 mm Blech-dicke eingesetzt, vorzugsweise als Unterwasserver-fahren. Beim Laserstrahlschneiden liegt die vertret-bare Blechdicke z. Z. bei ca. 20 mm. Dabei ist dieBlechoberfläche für die Schnittqualität entscheidend.Als günstig haben sich gestrahlt und mit einer dünnen Primerschicht versehenen Oberfläche erwiesen. Vor-teil der beiden letztgenannten Verfahren sind die hohe

Schneidgeschwindigkeit und damit verbunden einegeringe Wärmebeeinflussung im Schneidbereich. AlsFolge ergeben sich eine schmalere Wärmeeinflußzo-ne und geringerer Verzug. Untersuchungen belegenein ausgezeichnetes Verformungsverhalten derSchnittkanten. Ein entsprechender Unterschied infol-ge der verschiedenen Schneidverfahren ist nicht er-kennbar.

3.2 Schweißverfahren und Schweißzusätze

Moderne hochfeste Baustähle lassen sich nach allenin der Praxis üblichen Verfahren problemlos schwei-

ßen. Wegen des hohen Mechanisierungsgrades unddes geringeren Wasserstoffgehaltes im Schweißgutsteht häufig das Schutzgasschweißen im Vorder-grund. Bild 4 zeigt das Schutzgasschweißen einesFahrzeugrahmens aus S960QL.

Bild 4. Fahrzeugrahmen aus S960QL für einen 80t-Mobilkran

Bild 3. Thermisches Schneiden hochfester Baustähle

autogenesBrennschneiden

Unterwasser-Plasmaschneiden

936-01

Laserstrahl-schneiden

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4

Daneben wird besonders bei größeren Blechdickenbevorzugt das Unterpulver-Verfahren eingesetzt.Rückläufig ist der Einsatz des Lichtbogenhand-schweißens.

Da von den Schweißzusätzen bzw. der Schweißver-bindung in der Regel die gleichen mechanisch-technologischen Eigenschaften erwartet werden wiebeim Grundwerkstoff, müssen diese entsprechend derFestigkeitsklasse legiert sein. Daneben ist jedoch zu-beachten, daß das Schweißgut unter Umständendurch den Grundwerkstoff auflegiert wird. Man ver-wendet deshalb, vor allem bei hochfesten Stählen, fürWurzellagen und einlagige Kehlnähte üblicherweiseniedriger legierte Schweißzusätze als für Füll- undDecklagen. Je höher die Streckgrenze ist, desto grö-ßer wird die Gefahr der wasserstoffinduzierten Risse.Nachfolgende Tabelle 2 gibt einen Überblick der ak-tuellen europäischen Normung für Schweißzusätze.

Tabelle 2. Stand der EN-Normen für dieSchweißzusätze

Eine Ausnahme gilt für Stähle mit einer Mindeststreck-grenze von 1100 N/mm2, hier gibt es bisher keineartgleichen Schweißzusätze, es werden die für Stählemit 890 bzw. 960 N/mm2 gebräuchlichen eingesetzt.

Seit einiger Zeit findet für Blechdicken bis etwa 12 mmauch das Laserstrahlschweißen Anwendung. ImRahmen eines ECSC-Projektes wurden bereitsSchweißverbindungen an 15 mm Blechen aus hoch-festen Stählen mit sehr guten Ergebnissen hergestellt,Bild 5.

Bild 5. Laserstrahlschweißen hochfester Baustähle, 15 mm Blechdicke

3.3 Mechanische Eigenschaften von Schweiß-verbindungen

Die mechanischen Eigenschaften von Schweißver-bindungen, das heißt Festigkeit, Härte und Zähigkeitin der Wärmeeinflußzone, werden in erster Linie be-stimmt durch die chemische Zusammensetzung vonStahl und Schweißgut sowie durch den beim Schwei-ßen auftretenden Temperaturzyklus, den Temperatur-Zeit-Verlauf. Bild 6 macht den Zusammenhangnochmals deutlich. Dem Einfluß der chemischen Zu-sammensetzung trägt man durch den Legierungs-aufbau des Stahles und durch Einsatz angemessenlegierter Schweißzusätze Rechnung. Entscheidend fürden Temperatur-Zeit-Verlauf sind die Schweiß-bedingungen mit ihren verfahrenstechnischen Ein-flußgrößen. Diese faßt man üblicherweise zu einer fürden Temperatur-Zeit-Verlauf beim Schweißen cha-rakteristischen Kenngröße zusammen, der Abkühlzeitt8/5 [6-7]. Das ist die Zeit, die während des Abkühlenseiner Schweißraupe und ihrer Wärmeeinflußzonebenötigt wird, um den Temperaturbereich von 800 °Cbis 500 °C zu durchlaufen. Die Zusammenfassung derverfahrenstechnischen Einflußgrößen zu einer zentra-len Kenngröße, der Abkühlzeit t8/5, trägt wesentlich.dazu bei, die Behandlung des Zusammenhangeszwischen den Schweißbedingungen und den mecha-nischen Eigenschaften in Schweißgut und WEZ zu erleichtern.

Bild 6. Einflußgrößen für die mechanischen Eigen- schaften

Der Zusammenhang zwischen den Schweißbedin-gungen und der Abkühlgeschwindigkeit läßt sichdurch mathematische Beziehungen beschreiben, dieaus der Theorie der Wärmeleitung in festen Körpernabgeleitet wurden. Einzelheiten bezüglich der Berech-nung der Abkühlzeit t8/5 werden sowohl im Schrifttumwie auch in der neuen EN 1011-2 „ Schweißen –Empfehlungen zum Schweißen metallischer Werk-stoffe" – Teil 2 ausführlich erläutert [8]. Um die Be-rechnung für den Anwender zu erleichtern, hat dieThyssenKrupp Stahl AG ein einfach anzuwendendesComputerprogramm entwickelt, das Verarbeiter aufWunsch zur Verfügung gestellt wird.

F-W-A 308/

eta

Mechanische Eigenschaften im Grobkornbereich der WEZ

Chemische Zusammensetzung Schweißbedingungen

SchweißparameterSchweißverfahren

Abkühlzeit t8/5

U, I, vVorwärmtemperatur

TpNahtgeometrie

d, F

XABO 460(S460MC)

N-A-XTRA 70(S690QL)

XABO 890(S890QL)

GAS LBH UP WIG MAG /MIG

MSG /FD

unleg. und Fein-kornstähle

EN12536

EN499

EN756

EN1668

EN440

EN758

hochfeste Re >500 N/mm²

EN757

prEN14295 EN 12534 EN

12535Schutzgase /Pulver

EN760 EN 439

Lieferbedin-gungen EN 759 und EN 12074

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5

3.4 Vermeidung von Kaltrissen

Ein wirksames Mittel ist das Vorwärmen. Es verzögertdie Abkühlung des Nahtbereiches und begünstigt dieWasserstoffeffusion. Das Kaltrißverhalten von Stählenhat wesentlichen Einfluß auf die Schweißkosten. Esbesteht deshalb großes Interesse, Stähle hinsichtlichihres Kaltrissverhaltens einzustufen. In der bereitsgenannten EN 1011-2 sind im Anhang C zwei Metho-den zur Vermeidung von Wasserstoffrissen in unle-gierten Stählen, Feinkornbaustählen und niedrigle-gierten Stählen beschrieben:

Methode A (C.2)Hier wird das Kohlenstoffäquivalent CE zu Beurteilungherangezogen. Es lautet:

CE �%� = C +Mn/6 + (Cr + Mo + V) / 5 + (Ni + Cu) / 15

Dieses CE basiert auf der Härtbarkeit eines Stahlesund berücksichtigt weniger die Kaltrissempfindlichkeitder hochfesten Feinkornbaustähle.

Methode B (C.3)Aus umfangreichen Untersuchungen zum Kaltrissver-halten von Stählen beim Schweißen wurde das CET-Konzept abgeleitet [9]. Dieses Konzept fand seinenNiederschlag zunächst im SEW 088 und wurde dannals Methode B in EN 1011-2 übernommen. SpezielleKaltrisstests auch an Schweißverbindungen [10-11]ermöglichten ein genaueres Bestimmen der notwen-digen Vorwärmung durch das abgeleitete Kohlenstof-fäquivalent CET. Es lautet:

CET [%] = C + (Mn + Mo) / 10 + (Cr + Cu) / 20 + Ni / 40

Das Kaltrissverhalten von Schweißverbindungen wirdneben der chemischen Zusammensetzung desGrundwerkstoffes bzw. des Schweißgutes, gekenn-zeichnet, durch das Kohlenstoffäquivalent CET, durchdie Werkstückdicke d, den Wasserstoffgehalt desSchweißgutes HD, das Wärmeeinbringen beimSchweißen Q sowie das Eigenspannungsniveau derKonstruktion maßgebend bestimmt, Bild 7.

Bei der Ableitung dieser Beziehung wurden Eigen-spannungen in Höhe der Streckgrenze des Grund-werkstoffs bzw. des Schweißgutes unterstellt. BeiSchweißverbindungen mit günstigerem Eigenspan-nungsniveau sind niedrigere Vorwärmtemperaturenvertretbar. Im Falle von Schweißverbindungen mitextrem hohem Verspannungsgrad (z. B. bei Nähtenan Stutzen oder Rohrknoten) können jedoch höhereVorwärmtemperaturen erforderlich sein.

Beim Auftreten von Kaltrissen stellt man immer wiederfest, dass zwar die richtige Vorwärmtemperatur ge-wählt, jedoch die tatsächliche Wärmeableitung amBauteil nicht richtig eingeschätzt wurde. Zum einenmuß die Vorwärmtemperatur in ausreichendem Ab-stand von der Schweißnaht gemessen werden, zumanderen muß natürlich an Stellen, wo mehrereSchweißnähte zusammentreffen und damit neben derhöheren Wärmeableitung noch dreidimensionaleSpannungszustände auftreten können, welche dieKaltrissbildung zusätzlich begünstigen, auch sorgfälti-ger vorgewärmt werden.

4 Verringerung der Material- und Fertigungs-kosten

Die Verwendung höherfester Werkstoffe führt zu einerder Streckgrenze proportionalen Verringerung derBlechdicke. Obwohl z.B. ein Stahl mit 960 N/mm²Streckgrenze im Einkauf ca. das Doppelte im Ver-gleich zu S235J2 kostet, fallen aufgrund des geringe-ren Gewichtes geringere Materialkosten an. Ein Viel-faches geringer ist dabei auch das einzubringendeSchweißgut. Somit werden die anfallenden Lohnko-sten deutlich reduziert.

In Bild 8 ist das mögliche Einsparpotenzial darge-stellt. Bei der Verwendung von S960 anstelle vonS235 kann man allein beim Grundwerkstoff rund dieHälfte einsparen, da dieser nur ein Gewicht im Ver-hältnis 1:4,5 hat. Den höchsten Einspareffekt hat manbei den Lohnkosten, da das Schweißnahtvolumen imVerhältnis 1:16 steht und somit die Schweißzeit umein Vielfaches reduziert wird.

Bild 7. Einflußgrößen für das Kaltrißverhalten

CET = C + (Mn+Mo)/10 + (Cr+Cu)/20 + Ni/40

To = 700 CET + 160 tanh(d/35) + 62 HD

+ (53 CET - 32) Q - 330

0.35

To = Vorwärmtemperatur, °CCET = Kohlenstoffäquivalent, %d = Blechdicke, mm

HD = Wasserstoffgehalt des Schweißgutes, cm³ / 100g deponiertes SchweißgutQ = Wärmeeinbringen, kJ / mm�� = Eigenspannung im Nahtbereich , N/mm2

CET d HD Q =Rel

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6

Verhältnis

Kenngröße S960QL S235J2 1)

- Streckgrenze N/mm²

- Blechdicke mm

- Schweißdrahtkosten

- Schweißnahtvolumen

- Schweißgutkosten

- spez. Schweißnahtkosten x)

- spez. Stahlkosten

1

1

1

1

1

1

1

0,22

4,5

0,31

16

5

11,5

2

x) Randbedingungen:

- Abschmelzleistung 3 kg/h- Lohn- und Masch.-kosten 60 DM/h- Spez. Schweißnahtkosten = Schweißzusatzwerkstoffe + Schweißen- Berechnungsgrundlage Re / 1,5 1) Streckgrenze = 215 N/mm² (40-63 mm)

4510 S 960QL S235J2

Bild 8. Einsparpotenzial bei hochfesten Stählen

5 Beispiele für geschweißte Konstruktionenaus hochfesten Baustählen

Hochfeste Baustähle haben inzwischen in vielenhochbeanspruchten Konstruktionen Verwendung ge-funden. Häufig waren bestimmte Ausführungen erstdurch den Einsatz dieser Stähle und ihr günstigesVerarbeitungsverhalten möglich. Die Wahl wenigerfester Stähle hätte unwirtschaftliche Lösungen zurFolge. Die nachfolgenden Bilder enthalten einige Bei-spiele für den erfolgreichen Einsatz hochfester Stählein unterschiedlichen Anwendungsbereichen. Bild 9zeigt einen Bordkran, der unter Verwendung derthermomechanisch gewalzten, perlitarmen StähleS500MC und S700MC mit einer Mindeststreckgrenzevon 500 bzw. 700 N/mm² gefertigt wurde.

Dabei werden die Längs- und Querträger, der Rah-men und die Achskonstruktion häufig aus S500MChergestellt. Für die Längs- und Querträger von Auflie-gern, wie auch für den Kranausleger findet vorzugs-weise S700MC Verwendung. Ausschlaggebend fürden Einsatz der thermomechanisch gewalzten Stählesind das hervorragende Umformvermögen und dasgünstige Verhalten beim thermischen Schneiden undbeim Schweißen.

Bild 9. Bordladekran aus PAS 500 (S500MC) bzw.PAS 700 (S700MC)

Auch für die Herstellung von Betonpumpen verwendetman TM-gewalzte Stähle, jedoch in größerem Umfangdie wasservergüteten Sorten S690QL und S890 QL,Bild 10. TM-gewalzte Stähle werden bevorzugt für dieMastsegmente, die wasservergüteten auch für diesicherheitsrelevanten Abstützholme eingesetzt.

Bild 10. LKW-Betonpumpen, Verteilermaste ausPAS 700, N-A-XTRA 70 oder XABO 890,Abstützungen aus N-A-XTRA 70

Im Mobilkranbau dominieren Stähle mit Mindest-streckgrenzen von 890 bzw. 960 N/mm2. Sie werdennicht nur für die Ausleger, sondern auch für die untersicherheitstechnischen Aspekten wichtigen Drehbüh-nen, Unterwagen und Abstützholme der Fahrzeugeeingesetzt. Bild 11 zeigt einen Mobilkran mit einerTragfähigkeit von 250 t. Sein vierteiliger Telesko-pausleger hat eine Gesamtlänge von 72 m und er-möglicht bei Verwendung einer abgespannten Gitter-spitze eine maximale Hubhöhe von 142 m.

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7

Bild 11. 250 t-Mobilkran mit max. 72 m Teleskop-ausleger und Klappspitze,Drehbühne, Fahrzeugrahmen, Abstützungaus XABO 890 / 960,Teleskopausleger aus XABO 1100

Für die tragende Konstruktion des Mobilkranes fandder wasservergütete Stahl S960QL in Blechdickenvon 6 bis 50 mm Verwendung. Für die Teleskopaus-leger setzt man inzwischen zunehmend wasservergü-tete Baustähle mit einer Mindeststreckgrenze von1100 N/mm² ein.

Bild 12. Flüssiggasbehälter aus N-A-XTRA 70 (S690QL)

Neben dem Nutzfahrzeugbau finden diese Stähleauch in anderen Bereichen zunehmend Anwendung.So zeigt zum Beispiel Bild 12 einen Druckbehälteraus der Stahlsorte S690QL für den Transport vonLPG-Flüssiggasen (liquefied petroleum gas). Der Be-hälter wiegt ca. 50 t. Jeweils sechs dieser Tanks wer-den in ein Tankschiff eingebaut. Durch die Verwen-

dung des als Druckbehälterstahl zugelassenenS690QL konnte bei gleichem Ladevolumen der Tief-gang der Schiffe erheblich reduziert werden. Dadurchlasse sich die Verarbeitungsbetriebe am Oberrhein z.B. ohne ein zusätzliches Umfüllen von den Nordsee-häfen aus erreichen.

6 Zusammenfassung

Niedriglegierte hochfeste Baustähle werden heute imNutzfahrzeugbau sowie weiteren unterschiedlichenAnwendungen eingesetzt und nach allen in der Praxisüblichen Verfahren geschweißt. Die günstigen Eigen-schaften derartiger Stähle kommen jedoch nur dannzum Tragen, wenn die Stähle sachkundig und mitentsprechender Sorgfalt verarbeitet werden. Beson-ders beim Schweißen ist es wichtig, werkstoffspezifi-sche Gesichtspunkte zu beachten und den zu erwar-tenden Beanspruchungen Rechnung zu tragen. DemVerarbeiter stehen heute erprobte Mittel für einekaltrißsichere und anforderungsgerechte schweiß-technische Verarbeitung zur Verfügung. Bei ent-sprechender Berücksichtigung bereitet der Einsatzniedriglegierter hochfester Baustähle für geschweißteKonstruktionen erfahrungsgemäß keine Schwie-rigkeiten.

7 Schrifttum

[1] DASt-Richtlinie 011: Hochfeste schweißgeeig-nete Feinkornbaustähle StE 460 und StE 690 -Anwendungen für Stahlbauten. Deutscher Aus-schuß für Stahlbau, Stahlbau-Verlagsgesell-schaft mbH, Köln.

[2] Uwer, D. und H. Dißelmeyer : Erfahrungen mitdem Verarbeiten des hochfesten wasserver-güteten Baustahls StE 890. Schweißen undSchneiden 38 (1986) Heft 9, S. 430 - 436.

[3] Uwer, D., J. Degenkolbe und D. Herr: Schwei-ßen moderner hochfester Baustähle. Stahl undEisen, 112 (1992) Nr. 4, S. 29 - 35.

[4] Uwer, D. und H. de Boer: Thermomechanischgewalzte Stähle. Technica 2 (1989), S. 65 - 70.

[5] Bleck, W., C. Preisendanz, H.-M. Sonne, M.vanGijzel und J. Martens: Werkstoff- und umform-technische Untersuchungen an thermomecha-nisch gewalzten Warmbreitbändern der Stahl-sorten PAS 60 und PAS 70. Thyssen Techni-sche Berichte, Heft 1/93, S. 41-54

[6] Degenkolbe, J., D. Uwer und H. Wegmann:Kennzeichnung von Schweißtemperaturzyklenhinsichtlich ihrer Auswirkung auf die mechani-schen Eigenschaften von Schweißverbindun-gen durch die Abkühlzeit t8/5 und deren Ermitt-lung. Thyssen Technische Berichte (1985) Heft1, S. 57-73 und IIW-Doc. IX-1336-84.

Technische Daten

Außendurchmesser : 4,4 mLänge : 26 mBlechdicke Mantel : 12,5 mm Boden : 14,5 mmRauminhalt : 380 m3

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[7] Stahl-Eisen-Werkstoffblatt 088, Schweißgeeig-nete Feinkornbaustähle, Richtlinien für die Ver-arbeitung, besonders für das Schweißen. 4.Ausgabe, Oktober 1993, Verlag StahleisenmbH, Düsseldorf

[8] EN 1011-2 (2001), Empfehlungen zum Schwei-ßen metallischer Werkstoffe – Teil 2: Lichtbo-genschweißen ferritischer Stähle.

[9] Uwer, D. und H. Höhne: Charakterisierung desKaltrißverhaltens von Stählen beim Schweißen.Schweißen und Schneiden 43 (1991) Heft 4, S.195-199 und IIW-DOC IX-1630-91.

[10] Uwer D. und H. Höhne: Ermittlung angemesse-ner Mindestvorwärmtemperaturen. Schweißenund Schneiden 43 (1991), Heft 5, S. 282-287.und IIW-Doc. IX-1631-91.

[11] Uwer, D. und H. Wegmann: Anwendung desKohlenstoffäquivalentes CET zur Berechnungvon Mindestvorwärmtemperaturen für daskaltrißsichere Schweißen von Baustählen.Jahrbuch Schweißtechnik ‘96, Deutscher Ver-band für Schweißtechnik e.V., S. 46-55.