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Page 1: Gunter Damisch - Kunst aus dem · PDF fileGunter Damisch - Kunst aus dem "Weltengarten" Kein anderer österreichischer Künstler aus der Generation der Gruppierung der so genannten

Gunter Damisch - Kunst aus dem "Weltengarten" Kein anderer österreichischer Künstler aus der Generation der Gruppierung der so genannten "Neuen Wilden" der 1980er Jahren hat ein in sich so konsistentes, sofort im Sinne eines Personalstils identifizierbares und sich auf so viele künstlerische Gattungen ausdehnendes Oeuvre erarbeitet wie Gunter Damisch. Als Professor an der Akademie der bildenden Künste in Wien prägt er seit knapp zwei Jahrzehnten Studentengenerationen insbesondere in seiner Schwerpunktsetzung auf grafische Techniken, als international arrivierte Künstlerpersönlichkeit kann er auf eine große Summe von weit über Österreich hinausreichenden Museums- und Galerieausstellungen verweisen - und nicht zuletzt ist seine Kunst in qualitativer Zuordnung populär.

Das liegt sicherlich neben anderen Faktoren auch an der grundsätzlichen Schwerpunktsetzung seiner künstlerischen Arbeit: Gunter Damisch beschäftigt sich auf intensivste Weise mit Naturerfahrung, mit einem über eine konsequente künstlerische Haltung vermittelten, möglichst direkten und zugleich ausgreifenden menschlichen Naturerleben. Der Symbolbegriff des "Weltengarten" steht für diese besondere Nähe zu Naturerfahrungen im Großen wie auch im Kleinen. Gleichsam den Blick durch das Mikroskop mit dem Blick durch das Fernrohr in kosmische Weiten verbindend, gestaltet der Künstler in seiner prägnanten und sofort erkennbaren Formensprache eine naturorientierte Bilderwelt. Damisch verbindet dabei in souveräner Weise unterschiedliche künstlerische Gestaltungstechniken der Malerei, der Grafik und der Skulptur - zunehmend auch in einer immer intensiveren direkten Verschränkung: so etwa wenn aus aktuellen Leinwandarbeiten dreidimensionale Formen heraustreten.

Sein charakteristisches Formenrepertoire lässt sofort an kleinste Zellstrukturen denken, vermittelt jedoch in gleicher Weise Vorstellungsbilder von ganzen Weltenschöpfungen. Es verbindet sich hier ein aus der eigenen Kindheit bekannter Prozess des Sammelns und neu Zusammensetzens von Naturobjekten mit einer höchst kunstvollen Aufbausituation von ausgreifenden Raumgebilden. In seiner Malerei und Grafik gestaltet der Künstler komplexe Schichtungen, die immer wieder von neuem Einblicke und Ausblicke ermöglichen, Strukturflächen aufbauen und sich beständig zu anderen Schichtengebilden hin öffnen. Auch in seinen Skulpturen finden sich diese spezifischen Öffnungssituationen, zumeist ergänzt durch verdichtete "Ballungszentren". Überall in diesen Welten tummeln sich individuell gestaltete Lebewesen, durchaus den Konturen eines Menschen angenähert, vielfach wirken sie aber wie ausgestreckte Fühler oder Gliedmaßen eines größer vorstellbaren Organismus. Damisch gelingt in diesen Figurenkompositionen eine ganz spezifische Verbindung von Eindruck und Ausdruck, von Bewegungen des Vorfühlens in Verbindung mit Auftrittsgesten.

Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang die konsequente Betitelung aller seiner Werke, die stets literarische Qualitäten in sich trägt. Oftmals sind es hier sehr komplexe Wortabfolgen, die den Betrachter in Verbindung mit der Bilddarstellung zu einer ausgreifenden poetischen Erlebnisqualität führen und in ihrer Kombinatorik von bestimmten Grundbegriffen (wie: "Weg", "Flämmler", "Feld", "Verschlingung" und nicht zuletzt: "Welt") einen spezifischen Grundton des gesamten Kunstwollen vermitteln.

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Es ist ein Grundton des beständigen Wachstums, einer andauernden Veränderung, einer permanent drängenden Ausbreitungsbewegung, der sich hier als Erlebnisqualität präsentiert - allerdings einer Dynamik zwischen selbstständiger Ausbreitung und eingezielter Orientierung. Der Begriff des Gartens taucht hier wieder auf, der Garten als Verbindung von sich selbst verwirklichender Idylle und harter, konsequenter Naturarbeit. Der Garten als Kultur in intensivster Nähe zur Natur, als Ort des Rückzugs ebenso wie der offensiven Gestaltungspflege, als individuell geformtes Ambiente wie auch als kollektive Erfahrung. Die charakteristische, teilweise extrem pastose Farbschichtung bei den Gemälden des Künstlers assoziiert sich hier mit Erdartigem, genauso wie sich seine Farbfeldkombinationen den Beetanordnungen eines Gartens nähern.

Nicht zuletzt ist es auch ein klares Bekenntnis zur Buntheit einer gartenorientierten Naturerfahrung, die dieses künstlerische Werk bestimmt. Gunter Damisch kennt keine Scheu in der Verwendung von möglichst tonintensiven Farbakkorden, eine offensive Farbwahrnehmung wird zudem oftmals über dezidierte Betitelungen, z.B. "Leuchtrotfeldlochweltenweg" oder "Gelbfeld", als werkbestimmendes Element akzentuiert. Farbe ist in diesem Sinne auch immer materialhaft greifbar, die malerische Oberfläche der Leinwandarbeiten ist stets als Relief geformt, als Abfolge von Schichtungen, Ballungen, als Kombination von gleichsam aufgeschwemmten und frei fließenden Ausbreitungsbereichen von Farbpartikeln. Die individuelle künstlerische Gestaltungskraft verbindet sich in diesem Aspekt einmal mehr mit einer auf allgemeinem naturnahen Wachstum ausgerichteten Formentwicklungsperspektive.

Eine solche Haltung wird auch im Bereich der Grafik akzentuiert. Gunter Damisch interessiert sich hier nicht nur in besonderer Weise für die möglichst präzise Verwendung von unterschiedlichsten graphischen Techniken, speziell im Bereich der Druckgrafik, sondern auch für ihre interessanten Kombinationsmöglichkeiten, etwa von Flachdruck und Tiefdruck. Stets verleugnet auch hier in diesem Gestaltungsbereich keine der gesetzten Schichtungsebenen eine Form von Körperlichkeit. Problemlos verbinden sich daher auch etwa skulpturale Objekte mit den grafischen Werken, da sie nicht nur aus einem gleichen Formenrepertoire, sondern oftmals wie aus einer permanent weitergeführten Wachstumsbewegung heraus gestaltet erscheinen, gleichsam als beständig variierte Metamorphose von einer Materialsituation zur nächsten: Der Druckstock hinterlässt seine Spur auf dem Papier, mutiert selbst zum Skulpturkörper, der sich im Raum weiterentwickelt und im Gemälde projiziert wird.

Unter dem prägnanten Titel "vom Wachsen und Werden" organisiert die Stadtgalerie Klagenfurt eine umfassende Retrospektive auf das Werk von Gunter Damisch und vereint in dieser Ausstellung Werke aus über drei Jahrzehnten. Von frühen, bisher kaum in der Öffentlichkeit präsentierten Gemälden bis zu den jüngsten Graphiken und Skulpturen reicht hier der Spannungsbogen der Exponate, der einmal mehr seine besondere künstlerische Konsequenz in Verbindung mit einer immensen Variationsbreite der kunstvollen Formulierungskraft aufzeigt.

Peter Assmann, Kurator der Ausstellung