haben oder sein

Haben oder Sein Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaftvon Erich Fromm

Informationen zur Ausgabe Taschenbuch: 271 Seiten Verlag: dtv Erscheinungsjahr: 1976 (Erstausgabe) ISBN: 342334234X Preis: 8,- € Zum Autor Der Psychoanalytiker, Philosoph und Sozialpsychologe Erich Fromm wurde am 23. März 1900 in Frankfurt am Main geboren. Er wuchs in einer streng religiösen jüdischen Familie auf und wollte ursprünglich Rabbiner werden, studierte dann aber Jura und wechselte später zur Soziologie. Im Jahr 1922 promovierte er bei Alfred Weber über „Das jüdische Gesetz“, 1930 wurde er Leiter der sozialpsychologischen Abteilung des Frankfurter Instituts für Sozialforschung. Dort arbeitete er gemeinsam mit Max Horkheimer und Theodor Adorno und zählte zur „Frankfurter Schule“. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten bereiteten sich die Wissenschaftler des Instituts auf die Emigration vor und gingen 1934 in die USA. Während Fromm mit Horkheimer eine enge wissenschaftliche Beziehung verband, war sein Verhältnis zu Adorno eher schwierig. Schließlich schied Fromm 1939 aus dem emigrierten Institut für Sozialforschung aus. Die nächsten Jahre verlebte Erich Fromm in den USA, 1940 wurde er amerikanischer Staatsbürger. Im Jahr 1950 ging er nach Mexiko und lebte und lehrte dort bis zu seiner Übersiedlung ins Tessin 1974. Dort verstarb er infolge seines vierten Herzinfarkts am 18. März 1980 in Muralto. Fromms Arbeiten, vor allem „Haben und Sein“ sowie „Kunst des Liebens“, zählen zu den bedeutendsten Werken des 20. Jahrhundert. Aufgrund seiner Bekanntheit wird Fromm aber in akademischen Kreisen außerhalb der Fachwelt oft unterschätzt. Seit Weitere ShortBooks finden Sie unter www.shortbooks.de. ShortBooks bewertet Bücher und deren Inhalt ganzheitlich und stellt diese im Internet bereit. Der bisherige Rechteinhaber des Buches behält das Urheberrecht. Ohne Genehmigung der ShortBooks GmbH darf kein ShortBook, auch nicht abschnittsweise wiedergegeben werden. Alle Rechte vorbehalten.

1985 sorgt die „Internationale Erich-Fromm-Gesellschaft“ dafür, dass seine wissenschaftlichen Erkenntnisse und Ideen lebendig gehalten, fortgeführt und weiter entwickelt werden. Darum geht es im Buch Erich Fromm führt in seiner gesellschaftskritischen Analyse „Haben und Sein“ aus, dass zwei Existenzweisen den Menschen und die Gesellschaft charakterisieren: die des Habens und die des Seins. Während das Haben vor allem dem Besitzstreben der Gesellschaft Ausdruck verleiht, bietet das Sein die Möglichkeit eines erfüllten und nicht-entfremdeten Lebens. Nutzwert der Infos aus dem Buch

THEORETISCH PRAKTISCH

Themen, die das Buch behandelt

Themen

behandelt ja

behandelt nein

Gesellschaft

x

Wirtschaft

x

Mensch und Gesellschaft

x

Möglichkeiten der Veränderungen

x

Zukunft der Gesellschaft

x

Die Macht des Einzelnen

x

Haben oder Sein © Copyright 2008 ShortBooks GmbH Seite 2 von 10


Das können Sie aus dem Buch lernen

• Zwei grundsätzliche Denkfehler beherrschen das kapitalistische System: erstens bringe die Befriedigung aller Wünsche maximales Glück und zweitens würden Eigenschaften wie Egoismus, Selbstsucht und Habgier zu Harmonie und Frieden führen.

• Mit den Begriffen Haben und Sein werden zwei grundlegend verschiedene Existenzweisen – zwei Arten der Charakterstruktur – bezeichnet, deren jeweilige Dominanz bestimmt, was ein Mensch denkt, fühlt und wie er handelt.

• Die Existenzweise des Seins ist ein Leben, in dem der aktive Mensch seine eigenen Fähigkeiten produktiv nutzt und mit der Welt im Einklang lebt.

• Im Gegensatz dazu wird die Existenzweise des Habens vom Streben nach materiellen Gütern, Macht, Geld, Ruhm et cetera und von der Beziehung zu Objekten bestimmt.

• Dennoch sind grundlegende Veränderungen der Gesellschaft und des Charakters der Menschen grundsätzlich nicht auszuschließen, sondern können mit den richtigen Schritten bewirkt werden.

Schneller Überblick

• Seit der industriellen Revolution glauben die Menschen an den Fortschritt, die unbegrenzte Produktion und damit auch den unbegrenzten Konsum. Dies führte zu der Annahme, dass eine Gesellschaft, in der alle in Reichtum und Komfort leben, auch grenzenloses Glück besitzt.

• Das Wirtschaftssystem kümmert sich daher nicht mehr um das Beste für den Menschen, sondern um größeres Wachstum. Eigenschaften wie Habgier und Gewinnstreben sind dafür unabdingbar, sie stehen aber im Widerspruch zu einer friedlichen Gesellschaft.

• Mittlerweile ist offensichtlich, dass Glück nicht mit der größtmöglichen Befriedigung aller Wünsche zusammenhängt.

• Alle großen Denker haben zwischen zwei Arten von Wünschen unterschieden: subjektive Bedürfnisse, deren Befriedigung zu temporärem Vergnügen führt, und objektive Bedürfnisse, die aus der menschlichen Natur kommen und deren Erfüllung Wohlbefinden beziehungsweise Glück hervorruft.

• Eine grundlegende Veränderung der Gesellschaft kann nur vollzogen werden, wenn sich parallel zur neuen Gesellschaft auch ein neuer Mensch entwickelt.

• Die momentane Gesellschaft ist eine des Habens und hat den Marketingcharakter des Menschen sowie der Gesellschaft hervorgebracht.


• Das Verhalten des Menschen wird vom Wunsch angetrieben, zu konsumieren und seine Bedürfnisse kurzzeitig zu stillen. Dadurch ist der Mensch selbst zu einer Ware auf dem Markt geworden, die sich vorteilhaft präsentiert, um sich gut zu verkaufen.

• Die Existenzweise des Seins muss endlich wieder die Oberhand gewinnen. Dies ist prinzipiell möglich, da im Menschen grundsätzlich die Veranlagung zu beiden Existenzweisen angelegt ist.

Leseprobe/Zitate „Haben bezieht sich auf Dinge, und Dinge sind konkret und beschreibbar. Sein bezieht sich auf Erlebnisse, und diese sind im Prinzip nicht beschreibbar.“ „Die Identitätskrise der modernen Gesellschaft ist darauf zurückzuführen, daß ihre Mitglieder zu selbstlosen Werkzeugen geworden sind, deren Identität auf ihrer Zugehörigkeit zu Großkonzernen (oder anderen aufgeblähten Bürokratien) beruht. Wo kein echtes Selbst existiert, kann es auch keine Identität geben.“ „Nichts ist in der Tat bezeichnender für unseren Egoismus als die Tatsache, daß wir fortfahren, die Naturschätze zu plündern, die Erde zu vergiften und für den Atomkrieg zu rüsten. Wir zögern nicht, unseren eigenen Kindern und Kindeskindern diesen geplünderten Planten als Vermächtnis zu hinterlassen.“

S. 109 S. 181f. S. 231

Rezension Die gute Nachricht kommt ausnahmsweise gleich am Anfang – die Welt und die Menschen sind veränderbar. Zu diesem Ergebnis kommt Erich Fromm in seiner psychoanalytischen Gesellschaftsstudie „Haben oder Sein“. Zwar räumt er dem Individuum und der Gesellschaft nur geringe Chancen auf Veränderungen ein, aber er hat zeitlebens die Hoffnung darauf nicht aufgegeben. Erich Fromm beginnt seine Analyse mit dem Zustand der Gesellschaft und führt zunächst seine zentralen Begriffe des Habens und des Seins (siehe Mindmap A) ein. Damit benennt er weit mehr als bloße Analysekategorien, für ihn drücken die Begriffe zwei grundsätzlich verschiedene Existenzweisen (siehe Mindmap B) aus. Die Existenzweise des Habens ist vor allem durch die Beziehung zu Objekten bestimmt. Dabei geht der Wunsch nach Besitz sogar so weit, dass wir andere


Menschen als unser Eigentum betrachten. Das wird schon durch Formulieren wie „mein Arzt“ deutlich. In der Existenzweise des Seins dominieren hingegen das innere Tätigsein und der produktive Gebrauch der menschlichen Kräfte. Hierbei spielen Dinge keine Rolle, Erlebnisse stehen im Mittelpunkt. Die Existenzweise des Seins kann daher auch nur durch den Menschen selbst gefährdet werden, während die des Habens vor allem durch die Verlustangst bedroht wird. Erich Fromm kommt zu dem Schluss, dass wir in einer Gesellschaft des Habens leben. Der Gesellschaftscharakter ist zu einem Marketingcharakter verkommen, der alleine von dem Wunsch bestimmt wird, unter allen Umständen zu funktionieren und sich gut zu verkaufen. Bemerkenswert ist vor allem die Aktualität seiner Analyse, die ja bereits aus den 1970er-Jahren stammt. Sowohl die Untersuchung der zeitgenössischen gesellschaftlichen Probleme als auch seine Prognosen für – aus der damaligen Sicht – zukünftige Entwicklungen weisen erstaunliche Parallelen zur politischen Gegenwart auf. Hinzu kommen die Vorschläge, die er für den Aufbau einer Gesellschaft des Seins macht (siehe Mindmap C). Hier verlangt er etwa ein Mindesteinkommen, das auch in aktuellen politischen Debatten immer wieder diskutiert wird. Weiterhin fordert er die Verbraucher auf, ihre Macht besser zur Gestaltung der Gesellschaft und der Wirtschaft nach ihren Normen zu nutzen. Dieser Einfluss ist derzeit zum Beispiel beim steigenden Absatz von Bio-Produkten zu beobachten, der auch eine höhere Produktion dieser Produkte zur Folge hat. Diese Ansätze können von Optimisten sicherlich als Schritte in die richtige Richtung gewertet werden. Allerdings ist die Gesellschaft noch weit von der Existenzweise des Seins entfernt ist. Die gute Lesbarkeit der Ausführungen ist unbedingt hervorzuheben. Es ist Erich Fromm gelungen, wissenschaftlich genaue Definitionen und Überlegungen leser- und laienfreundlich darzulegen, ohne auf Komplexität zu verzichten. Das Ergebnis ist ein sehr gut durchdachtes Modell, dessen Schwierigkeiten der Autor durchaus erkennt und benennt. Er versucht im Gegensatz zu anderen Denkern sogar aufzuzeigen, wie sie zu überwinden sind. Alles in allem ist Erich Fromms Klassiker eine empfehlenswerte Lektüre, die auch nach über 30 Jahren nichts an Aktualität eingebüßt hat. Der heutige Leser wird seine Ausführungen sicher mit viel Gewinn lesen. Manchem eröffnet Erich Fromm vielleicht sogar eine neue Sichtweise auf die Gegenwart!

Das Mindmap zu „Haben und Sein“ Themenschwerpunkte im Überblick:

Wie sieht unsere Gesellschaft aus?


Mit den Begriffen des Habens und des Seins lassen sich Gegenwart und mögliche Zukunft unserer Gesellschaft charakterisieren. Aber was bedeuten die Begriffe?

A

Haben und Sein

Gesellschaft

C

Veränderungen

B

Existenzweisen

Das Mindmap zu „Haben und Sein“ Themenschwerpunkte im Detail:

To have or to be? A – Haben und Sein


Grundsätzliches: • Mit den Begriffen Haben und Sein werden

nicht nur bestimmte Eigenschaften eines Subjekts ausgedrückt.

• Vielmehr bezeichnen diese Begriffe zwei grundsätzliche Existenzweisen, zwei Arten der Orientierung beziehungsweise der Charakterstruktur.

• Die Orientierung des Menschen zum Haben oder zum Sein bestimmt demnach nicht nur sein Verhalten, sondern auch seinen Charakter.

Haben: • Die Existenzweise des

Habens ist von der Beziehung zu Objekten bestimmt.

• Das Haben dominiert die Welt des Besitzergreifens, des Besitzens.

• In der Welt des Habens sind alle Dinge konkret und beschreibbar.

• Die vielleicht wichtigste Form des Habens ist das Konsumieren.

Haben und Sein

Ausnahme – funktionelles Haben: • Von dem charakterbedingten

Haben ist das funktionelle Haben zu unterscheiden.

• Es bezeichnet die Notwendigkeit, bestimmte Dinge für das Überleben zu haben.

• Dazu zählen etwa Grundbedürfnisse wie Nahrung, Wohnung, Kleidung.

• Im Gegensatz zum charakterbedingten Haben wurzelt das funktionelle Haben in der menschlichen Existenz.

Sein: • Die Existenzweise des Seins ist

schwieriger zu definieren. • Sie wird vor allem durch zwei

Abgrenzungen bestimmt. • Zum einen ist sie der Gegensatz zum

Haben, zum anderen das Gegenstück zum Schein.

• Beim Sein stellt die Charakterstruktur das wahre Wesen dar – nicht nur eine Maske.

• Das Sein bezeichnet die wahre Natur eines Menschen, die wahre Wirklichkeit.

• Sein bezieht sich auf Erlebnisse, die im Prinzip nicht beschreibbar sind.

Wie sehen die Existenzweisen des Habens und des Seins im Detail aus?


Besitz versus Erlebnis – die Gegensätze des Habens und des Seins B – Existenzweisen

Die Gesellschaft: • Unsere Gesellschaft wird

von den drei Säulen – Privateigentum, Profit und Macht – getragen.

• Diese Säulen und die aus ihnen resultierenden Normen prägen den Charakter der Mitglieder der Gesellschaft.

• In der kapitalistischen Gesellschaft dominiert der Wunsch, Eigentum zu erwerben, es zu behalten und zu vermehren.

Das Haben: • Die Existenzweise Haben leitet sich

hauptsächlich vom Privateigentum ab. • Der Wunsch nach Besitz geht so weit, dass wir

auch andere Personen als Besitz betrachten. • Dabei ist die Sprache ein wichtiger Faktor für

die Stärke der Orientierung am Haben. • Beispiele sind Formulierungen wie „mein Arzt“,

„meine Frau“. • Auch unser Ich wird als Besitz angesehen. • Das Ich wird durch den Besitz definiert: „Ich bin,

was ich habe!“ • Die größte Gefahr in dieser Existenzweise ist

der Verlust.

Existenzweisen

Voraussetzung für das Sein: • Die Existenzweise des

Seins setzt Unabhängigkeit, Freiheit und kritische Vernunft voraus.

• Ihr wichtigstes Merkmal ist das innere Tätigsein, der produktive Gebrauch der menschlichen Kräfte.

• Dabei muss am Ende des Prozesses nicht zwangsläufig ein Produkt wie zum Beispiel ein künstlerisches Werk stehen.

Die Existenzweise des Seins: • Beim Sein erlebt der Mensch sich als

handelndes Subjekt. • Es gibt keine Angst vor dem Verlust oder

dem Verlieren. • Beim Sein „bin ich der, der ich bin“. • Die einzige Bedrohung liegt bei der

Existenzweise des Seins in einem selbst, in dem mangelnden Glauben an das Leben und die Kräfte, in innerer Faulheit und in der Bereitschaft, andere über das eigene Leben bestimmen zu lassen.

• Das Sein gibt es nur im Hier und Jetzt.

Wie kann aus einer Gesellschaft des Habens eine des Seins entstehen? Haben oder Sein © Copyright 2008 ShortBooks GmbH Seite 8 von 10


Der grundsätzliche Wandel C – Veränderungen

Marketingcharakter: • Heutzutage ist der

Gesellschaftscharakter ein Marketingcharakter.

• Der einzelne Mensch versteht sich selbst als Ware und sieht den eigenen Wert als Tauschwert.

• Die Identität wird aus der Zugehörigkeit zu einem Konzern abgeleitet.

• Daher ist es das Ziel der meisten Mitglieder der Gesellschaft, unter allen Umständen optimal zu funktionieren.

Charakter der Gesellschaft: • Die Charakterstruktur eines Individuums

steht in einer Wechselbeziehung zu der sozio-ökonomischen Struktur einer Gesellschaft.

• Das Ergebnis dieses Wechselverhältnisses ist der so genannte „Gesellschaftscharakter“.

• Aufgrund der Wechselbeziehung hat eine Veränderung einer der beiden Komponenten eine Veränderung des Gesellschaftscharakters zur Folge.

• Dadurch ist der Schritt von der Gesellschaft des Habens zu der des Seins grundsätzlich möglich.

Veränderungen

Voraussetzungen: • Mittlerweile haben

viele die Notwendigkeit erkannt, dass sich etwas ändern muss.

• Daher besteht auch die Möglichkeit zur Veränderung.

• Die neue Gesellschaft muss die Entstehung eines neuen Menschen fördern, dessen Charakterstruktur am Sein orientiert ist.

Erste Schritte: • Die Produktion muss auf einen gesunden und

vernünftigen Konsum ausgerichtet werden. • Bei Entscheidungen darf nicht mehr nur der Profit

zählen. • Die Verbraucher müssen ihre Macht stärker nutzen. • Die Mitglieder der Gesellschaft müssen ihre

politischen und ökonomischen Funktionen stärker wahrnehmen.

• Die Kluft zwischen Arm und Reich muss überwunden werden.

• Wissenschaftliche Grundlagenforschung ist von der Frage der militärischen und industriellen Anwendbarkeit zu trennen.

Mit diesen ersten Schritten wäre eine grundsätzliche Veränderung der Welt möglich.



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