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Handbuch Deutsch als Fremdsprache Axel Vielau Internetpublikation Einführung in die kommunikative Grammatik

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Einführung in die kommunikativeGrammatik

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  • HandbuchDeutsch

    als Fremdsprache

    Axel Vielau

    Internetpublikation

    Einfhrung in diekommunikative

    Grammatik

  • Der Autor:Dr. habil. Axel Vielau, Fachbereichsleiter fr Fremdsprachen an der VHS Oldenburg 1975-2008,Lehrbeauftragter (1979-2008) und auerplanmiger Professor fr die Didaktik der englischenSprache an der Universitt Oldenburg, Lehrbeauftragter fr Deutsch als Fremdsprache.Arbeitsbereiche: Sprachwissenschaft - Sprachdidaktik - Erwachsenenbildung.E-Mail: [email protected]

    Rechte und Verwertung:Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschtzt. Jede Verwertung in anderen als dengesetzlich zugelassenen Fllen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Autors.Die Internetfassung dieses Werks darf ohne besondere Genehmigung in unvernderter Formwie vorliegend vervielfltigt und auf nichtkommerzieller Basis weitergegeben werden. Bei jederNutzung des Buchs, auch von Teilen oder Auszgen, fr die wissenschaftliche Arbeit, fr Schulun-gen oder andere Zwecke ist auf die Quelle hinzuweisen.

    2012 by the author1. Auflage, Oldenburg 2012

    Alle Rechte vorbehalten.

    Layout, Grafik und Satz: Dr. Axel Vielau, RastedeDownload: www.axel-vielau.de

    Das Handbuch Deutsch als Fremdsprache richtet sich an Menschen, die als Muttersprachleranderen beim Erlernen der deutschen Sprache helfen wollen. Es liefert das Hintergrundwissen,das man bentigt, um die Grundlagen der deutschen Sprache selbst besser verstehen undanderen erfolgreich vermitteln zu knnen. Es enthlt eine Grammatik der deutschen Sprache,aber zugleich viel mehr als das: Wer sich dieses Buch erarbeitet, wird den Aufbau der verschie-denen Ebenen der deutschen Sprache (Laut > Wort > Satz > Text) von Grund auf neu durchden-ken und dabei zu Einsichten gelangen, wie sie im typischen Schulunterricht oder Germanistik-studium nicht zu gewinnen sind. Denn das Handbuch erforscht und beschreibt die deutscheSprache nicht wie blich ausgehend von ihrer ueren Form, sondern von ihrer Bedeutung undFunktion als Kommunikationsmittel: Die kommunikative Grammatik zeigt, wie die Sprachegebraucht wird, um im wirklichen Leben erfolgreiche Verstndigung zu ermglichen. Auch diereformierte Rechtschreibung lsst sich brigens vor diesem Hintergrund leichter verstehen ...

  • HandbuchDeutsch

    als Fremdsprache

    Axel Vielau

    Einfhrung in diekommunikative

    Grammatik

  • Inhalt

    1. Einleitung: Adressaten und Ziele .......................................................... 81.1 Fremdsprachen selbststndig lernen ............................................................... 81.2 Eine Lernergrammatik - was ist das? ............................................................. 81.3 Die Form folgt der Funktion ............................................................................ 91.4 Deutsch entdecken und erforschen .............................................................. 10

    2. Sprache, Verstndigung, Sprachenlernen .. ...................................... 112.1 Verstndigung durch Zeichen ......................................................................... 112.2 Der Bauplan der Sprache ............................................................................... 132.3 Quellen und Terminologien, Reichweite ......................................................... 162.4 Grammatik und Sprachenlernen .................................................................... 18

    3. Die Zeichen der Sprache: Aussprache und Schreibung..................... 213.1 Das deutsche Alphabet ................................................................................... 213.2 Laute und Lautverstehen: eine Problemskizze .............................................. 213.3 Die deutschen Laute - und wie man sie spricht .............................................. 23

    3.31 Vereinfachte Lautschrift ............................................................................. 233.32 Die Konsonanten ....................................................................................... 243.33 Die Vokale ................................................................................................. 26

    3.4 Lautgruppen und Betonung, Satzmelodie ...................................................... 263.41 Lautgruppen und Betonung ....................................................................... 273.42 Satzbetonung und Intonation ..................................................................... 28

    3.5 Hinweis zur Rechtschreibung und Zeichensetzung ........................................ 28

    4. Wort, Wortbedeutung und Lernwortschatz ........................................... 294.1 Einfhrung und bersichtt .............................................................................. 294.2 Wortform: Grundform, Ableitungsformen, Wortverbindungen, Wortgruppen .................................................................................................... 304.3 Wortinhalt: Bedeutung und Vorstellungsinhalt ................................................. 324.4 Wortart: die grammatische Rolle des Wortes ................................................. 364.5 Aufbau des mentalen Lexikons und Lerntipps fr das Wortschatzlernen ............................................................................................. 38

    5. Satz, Satzbedeutung und Satzgrammatik ............................................. 405.1 Einfhrung: Sprechakt, Sprecherrollen, Information ................................ 405.2 Grundlagen des Satzbaus ............................................................................ 44

    6.21 Der Satz und die Satzteile ......................................................................... 44

  • 5.22 Satzbauplne und syntaktische Gruppen ................................................. 475.23 Das Prdikat und die Satztypen ............................................................... 49

    5.231 Der Aussagesatz ................................................................................. 515.232 Der Fragesatz ..................................................................................... 525.233 Der Aufforderungssatz ........................................................................ 53

    5.24 Funktionale Satzperspektive .................................................................... 545.25 Zusammenfassung: Die Bausteine des Satzes ........................................ 55

    5.3 Informationsmuster und ihr Ausdruck in der deutschen Sprache ........... 565.4 Wir sprechen ber Existenz und Besitz: Attribution ................................. 60

    5.41 Einfhrung: Der Aufbau von Attributivstzen ............................................ 605.42 Verbindungsverben .................................................................................... 615.43 Nomen und Begleiter ................................................................................. 62

    5.431 Einfhrung: Die Nominalgruppe ......................................................... 625.432 Nomen: Geschlecht und Zahl, Korrespondenz ................................... 635.433 Begleiter des Nomens ........................................................................ 65

    5.433.1 Einfhrung: Funktion der Begleiter ............................................. 655.433.2 Bestimmungswrter: Artikel und Pronominalbegleiter ................ 655.433.3 Zahl und Menge: Quantittsbegleiter ......................................... 67

    Genaue Quantifizierung ..................................................................... 68Ungenaue Quantifizierung .................................................................. 68

    5.433.4 Eigenschaften und Merkmale: Qualittsbegleiter ....................... 695.433.5 Deklination der Nominalgruppe .................................................. 70

    5.44 Ergnzungen (1): Eigenschaften und Merkmale ....................................... 715.441 Einfhrung .......................................................................................... 715.442 Adjektive (1): Vergleich, Steigerung, Abtnung .................................. 725.443 Relativsatz .......................................................................................... 745.444 Beifgung (Apposition) ....................................................................... 75

    5.45 Ergnzungen (2): Besitz und Zugehrigkeit .............................................. 755.451 Einfhrung .......................................................................................... 755.452 Besitzaussagen .................................................................................. 765.453 Der Besitzkasus .................................................................................. 765.454 Possessivpronomen ........................................................................... 77

    5.46 Ersatz der Nominalgruppe: Pronomen ...................................................... 785.46.1 Einfhrung ......................................................................................... 785.46.2 Verweisende Pronomen ..................................................................... 795.46.3 Fragepronomen ................................................................................. 825.46.4 Quantittspronomen .......................................................................... 825.46.5 Indefinitpronomen .............................................................................. 83

    5.5 Wir sprechen ber Ereignisse: Prdikation ................................................ 845.51 Einfhrung: Der Aufbau von Ereignisstzen .............................................. 845.52 Das Prdikat im Ereignissatz .................................................................... 85

  • 5.52.1 Einfhrung ......................................................................................... 855.52.2 Tempus und Aspekt: Das System der Zeiten ..................................... 855.52.3 Ereigniszeit (Tempus) ........................................................................ 86

    5.523.1 Einfhrung .................................................................................. 865.523.2 Verbgruppen zum Ausdruck der Tempora .................................. 895.523.3 Prsens und Prsens Perfekt ..................................................... 905.523.4 Prteritum und Prteritum Perfekt .............................................. 925.523.5 Futur und Futur Perfekt .............................................................. 935.523.6 Verbformen zum Ausdruck der Nachzeitigkeit ............................ 93

    5.52.4 Erlebniszeit (Aspekt) .......................................................................... 955.53 Adverbiale: Bestimmung und Verankerung von Ereignissen .................... 96

    5.53.1 Einfhrung ......................................................................................... 965.53.2 Adverb ............................................................................................... 975.53.3 Prpositionalgruppen ......................................................................... 99

    5.533.1 Bestimmung der Zeit .................................................................. 995.533.2 Bestimmung des Ortes ............................................................. 1015.533.2 Bestimmung der Umstnde ...................................................... 1025.533.4 bersicht: Rektion der Prpositionen ....................................... 103

    5.6 Wir drcken Meinungen und Gefhle aus: Modifikation ........................ 1045.61 Einfhrung: Modifikation und der Wahrheitswert von Stzen.................. 1045.62 Modalverben............................................................................................ 1055.63 Mglichkeit, Wunsch, Bedingung: Konjunktiv Prteritum........................ 1065.64 Berichtete Rede: Konjunktiv Prsens ...................................................... 1095.65 Markierte Wortstellung, Ereignisfokus, Passiv ......................................... 1125.66 Interaktive Satzmodifikation .................................................................... 113

    5.661 Einfhrung und bersicht ................................................................. 1135.662 Beifgungen im Vorfeld .................................................................... 1145.663 Beifgungen im Nachfeld ................................................................. 1145.664 Diskursmarkierungen ........................................................................ 115

    5.7 Wir erweitern und differenzieren die Information: Junktion ................... 1165.71 Form und Funktion komplexer Stze ...................................................... 1165.72 Satzgefge: Die Verbindung finiter Stze ............................................... 117

    5.72.1 Funktionen des finiten Nebensatzes ................................................ 1195.72.1 Wortstellung im finiten Satzgefge ................................................. 120

    5.73 Nebensatzgefge: Verbindung infiniter Nebenstze............................... 1215.73.1 Nebensatzgefge mit Infinitiv .......................................................... 1225.73.1 Nebensatzgefge mit Partizip ......................................................... 122

    5.74 Satzteilgefge: eingebettete Nebenstze .............................................. 1235.74.1 Einbettung mit Infinitiv ..................................................................... 1235.74.2 Einbettung mit finiten Nebenstzen ................................................. 124

    5.75 Beispiele zur Analyse komplexer Satzverbindungen ............................... 125

  • 5.8 Basiswissen zur (neuen) Rechtschreibung und Zeichensetzung .......... 1285.81 Rechtschreibung und Spracherwerb ........................................................ 1285.82 Gro- und Kleinschreibung...................................................................... 1285.83 Getrennt- und Zusammenschreibung ...................................................... 1295.84 Konsonantenverdopplung ........................................................................ 1305.85 Zeichensetzung ....................................................................................... 130

    6. Text, Textbedeutung und Kommunikation ......................................... 1336.1 Einfhrung: Text, Szenario, Diskurs ......................................................... 1336.2 Verstndigung im Gesprch: Textfunktion ............................................... 137

    6.21 Einfhrung ............................................................................................... 1376.22 Handlungsrollen ....................................................................................... 1386.23 Gesprchsstruktur ................................................................................... 1396.24 Gesprchsformen und Prozessmerkmale .............................................. 1416.25 Handlungsrezept, Handlungsabsicht, Diskursfunktion ............................ 143

    6.3 Gesprchsinhalt und Textkohrenz .......................................................... 1466.31 Einfhrung: Merkmale eines kohrenten Textes ..................................... 1466.32 Textsorten und Gliederungsmerkmale ..................................................... 147

    6.32.1 Deskription....................................................................................... 1486.32.2 Instruktion ........................................................................................ 1496.32.3 Narration .......................................................................................... 1506.32.4 Exposition ........................................................................................ 1526.32.5 Argumentation ................................................................................. 1536.32.6 Integration ....................................................................................... 1556.32.7 Metakommunikation ........................................................................ 155

    6.4 Der sprachliche Verbund von Texten: Textkohsion ............................... 1576.41 Einfhrung: Merkmale eines kohsiven Textes ....................................... 1576.42 Referenz .................................................................................................. 1586.43 Junktion ................................................................................................... 1606.44 Register ................................................................................................... 163

    6.5 Fremdverstehen und interkulturelle Kommunikation ............................. 166

    7. Anhang ................................................................................................... 1697.1 Unregelmige Verben (Auswahl) .................................................................. 1697.2 Verzeichnis der zitierten Literatur ................................................................... 172

  • 8 Lernerhandbuch Deutsch LH

    1. Einleitung: Adressaten und Ziele1.1 Fremdsprachen selbststndig lernen

    Eine Sprache selbststndig erlernen - wer mchte das nicht? Fremdsprachen werdenimmer wichtiger, sowohl beruflich wie im Privatleben. Da die Schulkenntnisse oft nichtausreichen, andererseits Lust, Zeit und Gelegenheit fr einen Sprachkurs fehlen, wchstdie Bedeutung des Selbstlernens.

    Selbstlernen hat Vor- und Nachteile. Es ist nicht an Ort, Zeit, eine Lehrperson oder einbestimmtes Lernmaterial gebunden; Ziele, Lernverfahren und Lernaufwand orientierensich an den subjektiven Bedrfnissen. Allerdings - wer eine Fremdsprache selbststndig(weiter)lernen mchte, braucht einiges an Hintergrundwissen, um die Aufgabe erfolg-versprechend angehen zu knnen: Was ist eigentlich Sprache? Wie ist sie aufgebaut, wiefunktioniert sie? Woran erkennt man, ob etwas richtig oder falsch, gut oder schlechtausgedrckt ist? Was geschieht bei der Verstndigung? Und vor allem: Wie erlernt maneine Fremdsprache zeitsparend, effektiv und nachhaltig?

    Das vorliegende Lernerhandbuch liefert das berblicks- und Hintergrundwissen, dasman bentigt, um die deutsche Sprache besser verstehen und erfolgreich lernen zu kn-nen. Dabei richtet es sich eher an den Lernhelfer als an den Lernenden selbst: WerDeutsch als Fremdsprache lernt, wird dieses Buch mangels ausreichender Sprachkenntnissekaum verstehend lesen und allenfalls punktuell zum Nachschlagen benutzen knnen.Anders die Situation des Lernhelfers: Wer als Muttersprachler anderen beim Lernenhelfen will, wird hier viel Ntzliches ber Aufbau und Funktion der Sprache finden, dasweder im Schulunterricht noch im blichen Lehrerstudium vorkommt. Insofern eignetsich dieses Lernerhandbuch nicht nur fr den interessierten Laien, sondern es richtetsich trotz seiner allgemeinverstndlichen Anlage und der begrenzten Beschreibungstiefeauch an Studierende und Lehrkrfte. Inhalt und Gliederung entsprechen sinngemdem Lernerhandbuch Englisch (Vielau 2011); das gilt auch fr zahlreiche Formulierungen,die hier als Selbstzitate nicht extra ausgewiesen sind.

    1.2 Eine Lernergrammatik: was ist das?

    Grammatik ist, was alle knnen und machen, was aber die wenigsten ausdrcklich ge-lernt haben und was niemand ganz kennt. Etwas Unheimliches. (Dieter E. Zimmer)Anders als die blichen Schulgrammatiken verfolgt das vorliegende Handbuch ein neues,weniger unheimliches Prinzip. Es beschreibt die Sprache nicht aus sich heraus, son-dern als Ausdruck fr Ideen und als Mittel der Verstndigung, nicht als in sich geschlos-senes System und formales Regelwerk, sondern es erklrt, wie eine Sprache beim Spre-chen funktioniert, wie wir die Sprache benutzen, um im Gesprch mit anderen das wirk-sam auszudrcken, was wir sagen wollen.

    Die Grammatiklehrbcher, wie wir sie aus der Schulzeit kennen, waren oft eher einLernhindernis als eine Hilfe, da sie schwierig zu lesen und noch schwieriger zu verstehen

    Literatur

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    waren. Vordergrndig liegt das zunchst an den Formulierungen, wie man sie blicher-weise in Grammatiken und Lehrbchern findet: Jede Erklrung setzt eine weitere vor-aus, jeder Begriff ist verstndlich nur vor dem Hintergrund eines heimlich mitgedachtenGrammatiksystems. Die einzelnen Formulierungen werden erst in dem Mae nachvoll-ziehbar, in dem man das System als ganzes versteht - was in der Praxis zu dem parado-xen Ergebnis fhrt, dass nur der mit einer Grammatik sinnvoll arbeiten kann, der bereitsGrammatikexperte ist.

    Allerdings wird eine typische Schulgrammatik allein durch menschenfreundliche For-mulierungen fr den Lerner kaum verstndlicher, weil schon ihr Zugang und Denkan-satz ohne geeignete Hilfen fr den Laien kaum nachvollziehbar ist. Aus der Sicht desLerners interessiert zunchst die Rolle der Sprache beim Sprechen: Wie drcke ich einebestimmte Information aus? Wie verstehe ich, was der Gesprchspartner meint, wenner etwas Bestimmtes sagt?- Dagegen beschreibt die Schulgrammatik die Sprache nichtaus der Perspektive ihrer Bedeutung und Funktion beim Sprechen und Verstehen, sondernaus der Perspektive ihrer ueren Form, zum Beispiel der verschiedenen Wortarten. Hufigist der Aufbau solcher Grammatiken daher von einer bestimmten Klassifikation derWortarten abgeleitet (mit Kapiteln ber Nomen, Artikel, Adjektiv, Verb ...), wobei Hinwei-se, was man praktisch-kommunikativ mit den verschiedenen Sprachbausteinen anfan-gen kann, eher zufllig und unsystematisch eingestreut sind. Der Lerner muss das, waser braucht, um einen zusammenhngenden Satz zu formulieren, daher mhsam an ver-schiedenen Stellen des Buchs zusammensuchen und dann selber so zusammensetzen,dass eine stimmige Aussage entsteht.

    Da Gliederung und Aufbau der Schulgrammatik fr den Lernenden schwer zu durch-schauen sind, verzichten immer mehr Lernergrammatiken gleich ganz auf eine nach-vollziehbare Systematik und stellen den Lernstoff wie eine Wortliste in alphabetischerForm dar. Das erleichtert zwar das Suchen (sofern man wei, wonach man suchen muss),aber es macht das verstehende Lernen von vornherein unmglich; der Gebrauchswertentspricht dem eines Wrterbuchs - zwar durchaus zum punktuellen Nachschlagen ge-eignet, aber im Aufbau ohne inneren Zusammenhang und erkennbare Logik. Auch hiergilt: Der Gebrauch einer solchen Grammatik gert dem Nicht-Experten zum qulendenPuzzle. Nur der, der sich mit Grammatiken auskennt und vorher wei, wonach zu su-chen ist, kann mit ihnen arbeiten; und nur der, der die Sprache schon kennt, kann dieGrammatik verstndig lesen, die Erklrungen und Beispiele verstehen.

    1.3 Die Form folgt der Funktion

    Das vorliegende Lernerhandbuch kehrt das bliche Abhngigkeitsverhltnis von Spra-che und Information, Form und Funktion in der Schulgrammatik um nach dem PrinzipDie Form folgt der Funktion. Es erforscht und beschreibt Sprache aus der Perspektive derInformationsverarbeitung, aus ihrer Funktion als Verstndigungsmittel: Wie drcktman das, was man sagen will, richtig und verstndlich auf Deutsch aus? Wie setzt sichein Stck Information in ein Stck Sprache um? Welche Regelmigkeiten tretendabei auf, welche Regeln sind beim Lernen hilfreich? Was ermglicht das Wunder derSprache, die Fhigkeit des kompetenten Sprechers, eine unendliche Vielzahl an Infor-mationen mit begrenzten Sprachmitteln auszudrcken? Und vor allem: Wie kann soetwas wie Verstndigung zwischen Sprechern aus verschiedenen Kulturen entstehen?

    1. Einleitung

  • 10 Lernerhandbuch Deutsch LH

    Die Sprachbeschreibung der Schulgrammatik bleibt meistens auf Wort- oder Satzebenestehen; zum Austausch von Information, ber Prozesse des Verstehens oder der inter-kulturellen Verstndigung kann man aus dieser beschrnkten Perspektive wenig aussa-gen. Neuere Lehrzielbeschreibungen, wie sie im Gemeinsamen Europischen Referenzrahmenfr das Fremdsprachenlernen (GER) vorliegen, verlangen eine strkere Annherung derSprachbeschreibung an den tatschlichen Sprachgebrauch in Handlungszusammen-hngen, verlangen Einblick in den Aufbau von Szenarien und Diskursen. Eine kommuni-kative Lernergrammatik, wie sie im Folgenden vorgestellt wird, bezieht daher systema-tisch auch die Textebene ein, genauer: das fr die deutsche Sprache typische Informations-management beim sprachlichen Handeln. Denn wer sich erfolgreich verstndigen will,muss nicht nur die Ausdrucksmittel verstehen, sondern auch typische Merkmale dergeltenden Handlungskonventionen auffassen.

    1.4 Deutsch entdecken und erforschen

    Das Lernerhandbuch ist sozusagen eine Bedienungsanleitung fr das Sprachenlernen:Es erklrt, wie eine Sprache funktioniert und wie man seine Ideen zum Ausdruck bringt.Aber die Kenntnis einer Grammatik befhigt fr sich genommen noch so wenig zumSprechen wie die Kenntnis der Bedienungsanleitung eines Autos zum Autofahren.Handlungswissen entsteht erst durch praktisches Lernen. Dennoch heit das nicht, dasstheoretisches Wissen berflssig ist: Bewusstes, kontrolliertes ben in Kenntnis derBedienungsregeln ist um vieles effektiver als ein problemblindes Herumprobieren -das gilt beim Erlernen des Autofahrens ebenso wie beim Sprachenlernen.

    Ein wenig grammatische Terminologie ist unverzichtbar, wenn die Darstellung przise undfolgerichtig sein soll. Die Fachbegriffe werden hier jedoch nicht vorausgesetzt, sondernSchritt fr Schritt erforscht und entwickelt, zum Teil neu definiert und abgeleitet - in derHoffnung, dass die sonst oft unverstndliche Hierarchie der grammatischen Begriffe(auf Zeichen-, Wort-, Satz- und Textebene) so besser durchschaubar wird. Dabei folgt derAufbau dem natrlichen Lernweg vom Einfachen zum Komplexen hin, schliet alleEbenen der Sprachbetrachtung ein und ermglicht so eine neue, auf Einsicht gesttzteLernkultur.

    Insofern ist das Buch von der Anlage her eher zum verstndigen Lesen als zum Nach-schlagen geeignet. Die Gliederung erschliet sich am einfachsten ber das Inhaltsver-zeichnis; in Umrissen verstehen kann man das Gliederungsprinzip nach der Lektre deszweiten Kapitels, das daher jedem Leser als Einstieg warm empfohlen wird. Bei einemselektiven Zugang sollte man zumindest auch die Einleitung des betreffenden Kapitelslesen.

    Genauere Angaben zur Datenbasis und zu den Quellen finden sich in Kapitel 2; hier seivorweg nur angemerkt, dass sich das vorliegende Handbuch an Lerner auf dem Grund-niveau des Spracherwerbs richtet, also an Anfnger bis hin etwa zum Stand der mittlerenReife (Sekundarabschluss I) in der Schule bzw. zum VHS-Zertifikat in der Erwachsenen-bildung (Europa-Lernstufe B1). Entsprechend sind die Beispiele so ausgewhlt, dass sieim Rahmen des Zertifikat-Grundwortschatzes verstanden werden knnen. Wird aufFehler verwiesen, so sind diese mit einem Sternchen dargestellt (*Feler), zweifelhafteStze werden mit einem einleitenden Fragezeichen markiert (?gehen du kannst), mglicheAlternativen sind durch / , Folgerungen durch > gekennzeichnet. Zwei Schrgstriche /... / umschreiben Phoneme bzw. eine grobe, phonemische Beschreibung der Aussprache.

    Literatur

  • 11LH

    Zum Schluss dieses Vorworts sei eine leise Warnung erlaubt. Natrliche Sprachen sindnicht unkompliziert; sie knnen es nicht sein, sind sie doch Spiegel lebendig gewachse-ner Kulturen, die den Ausdruck noch der kompliziertesten Gedankengnge erlauben.Auch ein Lernerhandbuch, das bewusst im Blick auf Verstndlichkeit und Nachvoll-ziehbarkeit geschrieben wurde, kann daher nicht einfach sein. Je tiefer man in eineSprache eindringt, je weiter man sich natrlicher Kommunikation annhert, desto kom-plexer wird der geistige Anspruch an den Leser. Dennoch: die Grundlagen sind leichterberschaubar, als manches Lehrbuch suggeriert - und vielleicht weckt die vorliegendeLektre ja das Interesse und Selbstvertrauen, sich mit neuem Mut auf eine Forschungs-reise in die faszinierende Welt der deutschen Sprache einzulassen ...

    2. Sprache, Verstndigung, Sprachenlernen2.1 Verstndigung durch Zeichen

    Wenn wir anderen Menschen etwas mitteilen wollen, so knnen wir das auf unterschied-liche Art tun. Zum Beispiel knnen wir die Stirn in Falten legen, um unsere Bedenkenanzudeuten, ein Foto vom Urlaubsort schicken, damit sich der Empfnger ein Bild vonden Gegebenheiten machen kann - und natrlich knnen wir auch sprechen oder schrei-ben. Die Sprache ist nur eines von vielen Informationssystemen.

    In begrenztem Mae knnen Informationen zwischen verschiedenen Informations-systemen bersetzt werden, zum Beispiel, indem wir die Bedeutung eines Hinweiszeichensoder Bildes sprachlich erlutern. Gedanklicher Inhalt und Informationstrger sind offen-sichtlich nicht identisch, eins ist nicht an das andere gebunden. Zur bermittlung einesgedanklichen Inhalts whlen wir jeweils die Informationstrger und Ausdrucksmittel,die unter Bercksichtigung aller Umstnde am besten zur Verstndigung geeignet sind:Der Musiker spricht durch seine Melodien, der Maler durch Bilder, der Mathematikerdurch seine Formeln und Gleichungen, der Elektriker durch Schaltplne, der Deutschespricht Deutsch, der Englnder spricht Englisch. Dabei sind die natrlichen Sprachendie leistungsfhigsten Verstndigungsmittel, ber die wir verfgen, da in Ihnen - andersals in den technischen Informationssystemen - potenziell jeder Gedanke ausgedrcktwerden kann: Sie sind universell verwendbar.

    Alle Informationssysteme haben gemeinsam, dass sinnlich erfahrbare Zeichen auf kon-ventionell festgelegte Bedeutungen verweisen. Wer den Gebrauch der Zeichen verste-hen will, muss daher die Konventionen kennen (den Code), nach denen Zeichen grup-piert und in bestimmten Zusammenhngen gebraucht werden, um die mit ihnen ver-bundenen Bedeutungen auffassen und interpretieren zu knnen. Wer den Code nichtkennt, nach dem ein elektrischer Schaltplan gezeichnet wird, wird auch nicht verstehenknnen, wie sich die verschiedenen Symbole im Plan aufeinander beziehen, wie ein be-stimmtes Schaltnetz funktioniert und wie man Fehler in Schaltnetzen finden und abstel-len kann.

    Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Zeichensystemen, mit denen wir es inunserer Lebenswelt zu tun haben, liegen zum einen in den Zeichen selbst (ihrer uerenGestalt und Gruppierung), zum anderen in der Art, wie jeweils die Beziehung von

    1. Einleitung

  • 12 Lernerhandbuch Deutsch LH

    Zeichen(gruppen) und Bedeutung hergestellt wird. Ein Symptom (wie das Runzeln derStirn) regelt das offensichtlich anders als ein Hinweiszeichen (der Pfeil auf einem Ver-kehrsschild), ein Bild (Foto auf der Ansichtskarte) ist auf andere Weise zu interpretierenals eine Gruppe abstrakter Symbole (Buchstabengruppe EINGANG auf einem Schild).

    Zeichen und Bedeutung knnen nahe beieinander liegen, indem die Bedeutung anschau-lich in bestimmten ueren Merkmalen der Zeichengestalt enthalten und wiedererkenn-bar ist (wie in einem Bild). Oft sind solche konkreten Bedeutungen zwar vordergrndigleicht aufzufassen, aber aus Sicht der Verstndigung doch eher unscharf und vieldeutig.Um den Interpretationsspielraum einzuengen (und damit die Verstndigung zu erleich-tern), bevorzugen anspruchsvolle Zeichensysteme daher abstraktere Zeichen - von denSymbolen eines elektrischen Schaltplans, den Noten einer Partitur, den Morsezeichendes Funkers bis hin zu dem Alphabet eines Schriftsystems, bei dem die uere Form derSchriftzeichen keine direkten Rckschlsse auf die Bedeutung mehr zulsst.

    Das muss nicht in jedem Schriftsystem so sein und war auch nicht immer so, wie einBlick auf die Entwicklung chinesischer Schriftzeichen - einer bildorientierten Schrift -von der Shang-Periode (200 v. Chr.) bis zur Han-Dynastie (220 n. Chr.) zeigt:

    Je abstrakter die Beziehung zwischen Zeichengestalt und Bedeutung, desto prziser kanndie Interpretation der Zeichen fr die Zwecke der Verstndigung eingegrenzt werden:Man vergleiche die Aussage des chinesischen Bergzeichens mit der Aussage der vierdeutschen Begriffe Anhebung/Hgel /Berg /Gebirge. Allerdings verliert ein abstraktesZeichensystem in Buchstabenform an direkter, unmittelbarer Verstndlichkeit im All-tag: Nur wer den Buchstaben-Code richtig gelernt hat und flssig anwenden kann, nachdem die Symbole gebraucht werden, kann auch deren Bedeutung verstehen. Beides,Symbol und Symbolisiertes, sind Teil eines Lebenszusammenhangs und durch Konven-tion fest miteinander verknpft. Wer bestimmte Informationen aus einem Symbolsystemin ein anderes bertragen will, tauscht daher nicht nur die ueren Zeichen aus, sonderner muss in der Ausdruckswelt des anderen Symbolsystems immer erst die spracheigenenBedeutungen suchen, die der Mitteilungsabsicht am besten entsprechen. Eine wirklich gutebersetzung zwischen zwei verschiedenen Symbolsystemen zu finden, kann daher eineanspruchsvolle Aufgabe sein, die perfekte Kenntnis beider Codes voraussetzt.

    Natrliche Sprachen wie Englisch oder Deutsch beruhen (grtenteils) auf der Verwen-dung von Symbolen; Form, Bedeutung und Gebrauch dieser Symbole sind durch sprach-spezifische Konventionen genau festgelegt. Dass selbst ein eher kleiner Eingriff in sol-che Konventionen mit groen Problemen verbunden sein kann, zeigt der Streit um die

    Quelle: H. Haarmann,Universalgeschichte derSchrift. Frankfurt/M.:Campus, 1990, S. 173

    Zeichenarten

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    Beispiele

    Reform der deutschen Rechtschreibung. Probleme dieser Art drfen kaum berraschen,da jede Abweichung von den geltenden Konventionen die Verstndigung erschwert,wenn sie nicht von allen Sprechern verstanden und nachvollzogen wird.

    Wie man an dem Beispiel leicht erkennen kann, bestehen die Konventionen, die denAngehrigen einer Sprachgemeinschaft eine mehr oder weniger ungestrte Verstndi-gung ermglichen, aus einer Vielzahl einzelner Regelungen, die man als Anweisungenfr den richtigen Gebrauch bestimmter Redemittel zu verstehen hat (also bei der neuendeutschen Rechtschreibung zum Beispiel als Anweisung zur richtigen Schreibung desWortes dass). Schriebe jeder, wie er gerade will, so wrde die Verstndigung schwierigund irgendwann sogar unmglich. Jeder Angehrige einer Sprachgemeinschaft erlernteinen bestimmten Ausschnitt der gltigen Regelungen im Rahmen seines persnlichenSpracherwerbs - was zunchst aber nur bedeutet, dass er sich in seiner Lebenswelt ent-sprechend den eigenen Bedrfnissen erfolgreich verstndigen kann. ber den genauenInhalt der Regelungen selbst, die er dabei unbewusst erfolgreich anwendet, wird er invielen Fllen kaum Auskunft geben knnen. Hier beginnt die Aufgabe der Grammatik:Sie beschreibt anhand ausgewhlter Sprachbeispiele eine Auswahl dieser Regelungen frbestimmte Zwecke (z.B. als Hilfsmittel fr den Sprachunterricht) und mittels einer eige-nen Fachsprache.

    2.2 Der Bauplan der Sprache

    Eine Sprache besteht vordergrndig aus den Zeichen, die wir ber unsere Sinne aufneh-men: aus auditiven, ber die Ohren wahrgenommenen (Laut-)Gruppen oder aus visuellen,ber die Augen wahrgenommenen (Buchstaben-)Gruppen. Es gibt Sprachen, die nurgesprochen werden, und tote Sprachen wie Lateinisch, die nur noch in geschriebenerForm existieren, aber diese Sonderflle sollen hier nicht interessieren. Art und Anzahlder benutzten Zeichen unterscheiden sich von Sprache zu Sprache, ihr Umfang ist injedem Falle eng begrenzt: So umfasst das Laut-Inventar der natrlichen Sprachen meistenskaum mehr als 50 Zeichen (Phoneme), und das deutsche Buchstaben-Alphabet enthltnur 30 Buchstaben.

    Diese 30 Buchstaben erlauben den Ausdruck aller Wrter der deutschen Sprache. Aberwer nur die Buchstaben kennt, kann deshalb die Sprache nicht verstehen:

    Die Buchstaben im Beispiel A stammen aus dem deutschen Alphabet, bilden jedocheine sinnlose Gruppe; erst die richtige Gruppierung dieser Zeichen ergibt ein Wort derdeutschen Sprache (B). Das einzelne Wort hat zwar eine Bedeutung, die man im Wrter-buch nachschlagen kann, bermittelt jedoch fr sich genommen keine verstndlicheInformation. Auch in der zuflligen Zusammenstellung mit anderen Wrtern der deut-

    2. Sprache, Verstndigung, Sprachenlernen

    vgl. Kapitel 5.8

    A. *sictheB. ?TischeC. *drben sind Tische hbsche dort.D. Dort drben sind hbsche Tische.E. Hast du etwas gefunden? - Ja, dort drben sind ein paar hbsche Tische.

  • 14 Lernerhandbuch Deutsch LH

    schen Sprache (C) ist eine Information zunchst nicht erkennbar. Gruppiert man dieseWrter jedoch zu einem korrekt geformten Satz (D), so kann man sich zwar eine Satz-bedeutung vorstellen, wei aber nicht unbedingt, worber in diesem Satz konkret ge-sprochen wird (d.h. um welche Information es aktuell geht). Erst die Einbettung diesesSatzes in einen Text- bzw. Gesprchszusammenhang (Ein Ehepaar trifft sich im Mbel-geschft nach getrenntem Rundgang) macht sofort klar, worber man sich mit diesemSatzes tatschlich verstndigt (Beispiel E).

    Ausgehend von realen Prozessen der Verstndigung untersuchen wir daher nicht (odernicht vorrangig) einzelne Zeichen, Wrter oder Stze an sich, sondern wir fragen nachden sprachspezifischen Prinzipien, wie durch die Gruppierung von Buchstaben zuWrtern, von Wrtern zu Stzen und von Stzen zu Texten kumulativ eine Gesamt-bedeutung im Sinne einer verstndlichen Mitteilung entsteht. Oder im Einzelnen ge-fragt:

    Was macht aus einer sinnlosen Zeichengruppe (A) ein bedeutungsvolles Wort der deutschenSprache (B)? Die Antwort finden wir in der Wortgrammatik. In der Wortgrammatik be-schftigt man sich mit der ueren Form, der Bedeutung und den Kombinationsmglichkeitendes Wortes. Es gibt Sprachen wie Esperanto, in denen die Wortgrammatik sehr wichtig ist, weilVernderungen in der ueren Form des Wortes starken Einfluss auf die Bedeutung des Sat-zes haben. Das wichtigste bedeutungstragende Merkmal ist hier hufig die Endung des Wortes;beim Erlernen von fremden Sprachen ist man daher allgemein gut beraten, wenn man aufVernderungen in der Form des Wortes - speziell der Wortendungen - achtet.

    Was macht aus einer sinnlosen Abfolge von Wrtern (C) einen bedeutungsvollen Satz derdeutschen Sprache (D)? - Die Antwort finden wir in der Satzgrammatik, in der die Anord-nung bestimmter Wortgruppen im Satz und deren Beitrag zur Satzbedeutung beschriebenwird. Ein Satz knnte auf Esperanto vllig korrekt sowohl wie in Satz F, G oder H ausge-drckt werden (wrtlich: ?Eine Hand wscht eine Hand > Eine Hand wscht die andere):F. Mano manon lavas.

    G. Mano lavas manon.H. Lavas mano manon.

    Da die satzgrammatischen Rollen von Subjekt und Objekt durch Vernderung der Wortendungmarkiert sind (mano-n), kann man den Beitrag dieser Wrter zur Satzbedeutung in Esperantonahezu unabhngig von ihrer Position erschlieen. In Sprachen wie Englisch, bei denen sichauf der Wortebene vergleichsweise wenig verndert, wre eine freie Wortstellung dieser Artnicht mglich, weil man die grammatischen Rollen von Subjekt und Objekt nicht mehr klarunterscheiden knnte. In positionsbetonten Sprachen ist daher die Satzgrammatik besonderswichtig: Als Lerner htte man hier speziell auf die vier Satzteile (Subjekt, Prdikat, Objekt, Adver-bial) und ihre Position im Satzgefge zu achten.

    Was macht aus einem informationshaltigen Satz (D) eine verstndliche Mitteilung (E)? - DieAntwort finden wir in der Textgrammatik. Sie beschreibt, wie aus einer Gruppe korrektgeformter Stze ein zusammenhngender, sinnvoller Text wird, der unter bestimmten Bedin-gungen erfolgreich zur Verstndigung gebraucht wird.

    In der Realitt begegnet uns eine Sprache weder isoliert als Buchstabe, als einzelnesWort oder Satz, sondern als Text. Dabei kann ein Text kurz sein, im Grenzfall nur auseinem einzigen Wort oder Satz bestehen (Comic, Werbeslogan): Die zur Verstndigungntige Information wird in diesem Fall vom Leser aus dem Zusammenhang ergnzt,wenn ihm das passende Szenario fr diese Art der Kommunikation gelufig ist. Die Text-analyse greift daher ber die Sprache hinaus, bezieht die handelnden Personen, ihr Vor-wissen, ihre Absichten und den Handlungsrahmen in die Interpretation der Textbedeutung

    vgl. Kapitel 5.21

    vgl. Kapitel 6.1

  • 15LH

    ein. Die Sprecher einer Sprachgemeinschaft haben (abhngig von ihren Lebens-gewohnheiten und Bedrfnissen) Anteil an einem groen Vorrat kulturspezifischerHandlungsrezepte, die in den entsprechenden Lebenssituationen wie Schablonen fr ihrVerhalten wirken; wenn man die Situation kennt, wei man immer schon so ungefhr,was der Gesprchspartner sagen oder tun wird.

    Das Handlungsrezept Reisen per Flugzeug kann zum Beispiel aus den folgenden Szena-rien bestehen: Flug buchen, Check-In, Sicherheitskontrolle, Sitz im Flugzeug finden, Gesprch mitder Flugbegleiterin, Ankunft und Zollkontrolle. Jedes dieser Szenarien enthlt vieles, was sichso oder hnlich auf jeder Flugreise wiederholt und dem Reisenden vom Handlungsab-lauf her vertraut ist - worber daher auch nicht gesprochen werden muss. Versprach-licht werden lediglich die Unbestimmtheitsstellen im Rezept (also zum Beispiel im Sze-nario Flug buchen das Reiseziel) sowie spontane Abweichungen vom blichen Muster(Retuschen), die sich hier oder da vielleicht im Ablauf ergeben (Verzgerung des geplantenAbflugs). Gelingende Verstndigung (Kommunikation) beruht also auf Sprachverstehen, imweiteren Sinne aber stets auch auf dem stillen Besttigen von Handlungserwartungen vordem Hintergrund eines gemeinsamen (kulturellen) Verstehenshorizonts.

    Um zu begreifen, wie die Verstndigung in einer fremden Sprache gelingen kann, mussman daher vier Ebenen der Sprachbeschreibung unterscheiden, die sich wechselseitigvoraussetzen und in ihrer Bedeutung ergnzen: Die Sprache begegnet uns in der Formvon Texten (Textebene); ein Text besteht aus Stzen (Satzebene); ein Satz besteht ausWrtern (Wortebene); und ein Wort besteht aus einzelnen Lauten oder Buchstaben(Zeichenebene). Aus der Sicht der funktionalen Sprachanalyse unterscheidet man diesevier komplementren Ebenen nicht vorrangig nach formalen Merkmalen, sondern imHinblick auf ihren spezifischen Beitrag zur Bedeutungskonstruktion: Dabei ist ein Textdefiniert als Kommunikationseinheit, ein Satz als Informationseinheit, ein Wort als Bedeutungs-einheit, ein Laut oder Buchstabe als bedeutungsunterscheidendes Element einer natrli-chen Sprache.

    Auf jeder dieser Sprachebenen gibt es weitere Unterteilungen, ansprechbar als Grup-pen (Laut- und Buchstabengruppen, Wortgruppen, Satzgruppen, Textgruppen), die frden Sprachlerner interessant sind; diese Einzelheiten sollen hier, da es zunchst um denallgemeinen Bauplan der Sprache geht, noch nicht interessieren. Mit Bedeutung ist aufjeder Ebene der sprachspezifische Vorstellungsinhalt gemeint, der konventionell miteinem Zeichenkomplex verknpft ist. Jede sprachliche Erscheinung hat also ihren be-stimmten (und bestimmbaren) Anteil an der Bedeutungskonstruktion im Gebrauch derSprache, aus funktionaler Sicht ist nichts im Bauplan der Sprache berflssig. Verstndi-

    2. Sprache, Verstndigung, Sprachenlernen

    Szenario = vorgegebe-ner Handlungsablauf(vgl. Bhnensprache/Theater)

    Lernhilfe

    Kommunikation =gelingende Verstndi-gung

    Lernhilfe

    Sprachebene Form Funktion Grammatiktyp

    1 Zeichen Laute bedeutungs- LautlehreBuchstaben unterscheidend Schreiblehre

    2 Wort Wrter Bedeutungs- WortgrammatikWortarten einheit

    3 Satz Stze Informations- SatzgrammatikSatzarten einheit

    4 Text Texte Kommunikations- TextgrammatikTextarten einheit

    Tabelle:Sprachebene undGrammatiktyp

  • 16 Lernerhandbuch Deutsch LH

    gung ist mglich, weil die Sprecher einer Sprache die Bedeutung der von ihnen gebrauchtenZeichenkomplexe in gleicher Weise interpretieren.

    Kann man den Gebrauch einer Sprache, ihre Rolle als Kommunikationsmittel, am bes-ten in der absteigenden Analyse der Bestandteile des Textes verstehen (Text > Satz >Wort > Zeichen), so folgt die Darstellung fr den Lerner besser der aufsteigenden Logik(Zeichen > Wort > Satz > Text), weil dieses der Weg ist, den wir bei der Erlernungnotgedrungen gehen - vom Einfachen zum Komplexen aufsteigend - und weil die Beschrei-bung der nchsthheren Ebene in bestimmten Umfang stets ein gewisses Verstndnis dertieferen Ebenen impliziert. Entsprechend ist das vorliegende Buch aufgebaut.

    2.3 Quellen und Terminologien, Reichweite

    Die deutsche Sprache existiert in vielen Varianten; es gibt Unterschiede regionaler(Deutsch in der Schweiz), sozialer (Jugendsprache) und fachlicher Art (Wirtschafts-deutsch), auerdem natrlich Unterschiede zwischen der gesprochenen und der geschrie-benen Sprache. Angesichts dieser Vielfalt erscheint es wenig sinnvoll, die Sprache frsich selber sprechen zu lassen, indem man zum Beispiel die am hufigsten vorkom-menden Wendungen aus einer der Sammlungen des aktuellen Sprachgebrauchs als Lern-material herausgreift. Das gbe der Sprachbeschreibung zwar eine empirische Grundla-ge, aber fraglich bliebe, ob dieses Sprachmaterial den besonderen Bedrfnissen des Sprach-erwerbs gerecht wird. Denn die Hufigkeit bestimmter Wendungen sagt nur wenig berihre Ntzlichkeit fr den Fremdsprachenlerner aus.

    Offensichtlich bedarf es einer Vorauswahl bzw. eines Filters, wenn man zugleich au-thentische und lernerrelevante Sprache als Lernmaterial auswhlen will. Ein wesentli-cher Aspekt dabei ist der Sprachbedarf des Lerners, wie er zum Beispiel im Ergebniseiner Bedarfsanalyse auf den verschiedenen Lernniveaus des Europischen Referenz-rahmens fr das Sprachenlernen (GER) definiert ist. Die Reichweite des vorliegendenLernerhandbuchs entspricht dabei etwa dem Niveau B1 (Threshold Level), das in denblichen Lernformen etwa in drei bis fnf Jahren Fremdsprachenunterricht erreichbarist und allgemein wie folgt beschrieben wird:

    [The learner]Can understand the main points of clear standard input on familiar matters regularlyencountered in work, school, leisure, etc.Can deal with most situations likely to arise whilst travelling in an area where thelanguage is spoken.Can produce simple connected text on topics which are familiar or of personalinterest.Can describe experiences and events, dreams, hopes & ambitions and briefly givereasons and explanations for opinions and plans.

    Aus dieser allgemeinen Lernzielbeschreibung lassen sich die wichtigsten Szenarien ab-leiten, in denen der Lerner zur Verstndigung befhigt werden soll. In hnlicher Weisegeht man im nchsten Schritt bei der Auswahl der Sprachbeispiele aus solchen Szenarienvor: Aus der Sicht des Spracherwerbs kann man hier fnf Schichten der deutschenSprache unterscheiden, mit denen der Lerner innerhalb und auerhalb des Unterrichtsin Berhrung kommt:

    Literatur

    Quelle:Modern Languages:Learning, Teaching,Assessment. A CommonEuropean Framework ofReference. Europarat1997: 131

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    Schicht 1 beschreibt den Sprachgebrauch, wie er als Standardsprache zum Beispiel inden Medien mndlich und schriftlich blich ist. Schicht 2 enthlt zustzlich eine Reihemarkierter Wendungen (Varianten aus dem regionalen, persnlichen oder fachlichen Be-reich), erfllt jedoch ebenfalls alle Anforderungen grammatischer Korrektheit. Schicht 3beschreibt den mndlich-informellen Gebrauch des Muttersprachlers (Gebrauch abgekrzter,unvollstndiger, kontextgebundener Redemittel). Die Sprache auf der Schicht 4 ist in Teilengrammatisch inkorrekt, aber unter Einbezug des Kontextes im Allgemeinen noch kommu-nikativ wirksam und verstndlich (Kindersprache, Auslnderdeutsch etc.). Schicht 5 schlielichbeschreibt lernersprachliche Varianten, in denen die Sprache noch nicht kommunikativ wirk-sam gebraucht werden kann (viele Fehler und Missverstndnisse, Hilfestellung und Rckfra-gen erforderlich). In jeder der tieferen Schichten sind Elemente der hheren Schichten inbestimmten Umfang enthalten.

    Die (Objekt-)Sprache, auf die sich das vorliegende Buch bezieht, stammt vorwiegendaus der Schicht 1; die Sprachbeispiele entsprechen dem international blichen, unmar-kierten, allgemein verstndlichen Gebrauch der deutschen Sprache in Wort und Schrift,wobei die Szenarien bevorzugt werden, die aus der Sicht des Fremdsprachenerwerbs biszum Niveau B1 des Europischen Referenzrahmens wichtig sind. Typische Quellen sinddaher mndlich und schriftlich publizierte, nicht-literarische Texte leichter und mittlererSchwierigkeit, adaptierte Texte aus Lehrbchern und Sprachzeitschriften, nicht zuletztauch lernersprachliche Texte.

    Der wichtigste Grund fr die Bevorzugung dieser Sprachschicht ist, dass ein Lernpro-zess zumindest am Anfang auf eine transparente Norm und mglichst breite An-wendbarkeit des Gelernten angewiesen ist. Insofern wren Beispiele aus den Sprach-schichten 2 und 3, obwohl in der muttersprachlichen Kommunikation weithin blichund allgemein akzeptiert, keine sinnvolle Basis fr den Lernprozess in einem frhenStadium. Fr den weiter fortgeschrittenen Lerner gelten hier andere berlegungen:Zumindest rezeptiv sollte er zunehmend auf typische Merkmale tieferer Sprachschichtenvorbereitet werden.

    Von der Objektsprache zu unterscheiden ist die Sprache, in der man erklrt und darstellt(Metasprache 1), sowie die sprachwissenschaftliche Fachsprache, die man zur terminolo-gisch genauen Beschreibung der Objektsprache bentigt (Metasprache 2). Da sich dasBuch an einen internationalen Leserkreis richtet, ist Deutsch hier zugleich die Darstel-lungs- und Erklrungssprache.

    Bei der grammatischen Terminologie (Metasprache 2) gibt es leider keine universal an-wendbaren Begriffe: Jede Sprache ist in ihrer eigenen Weise aufgebaut und bentigtdaher wenigstens in Teilen auch ihre eigene Terminologie. Von daher liegt es nahe, zur

    2. Sprache, Verstndigung, Sprachenlernen

    grammatisch ungrammatisch unmarkiert markiert oral verstndlich unverstndlich

    1 X 2 X X 3 X X X 4 X X X ?X 5 X X X ?X ?X Tabelle:

    Schichten der Sprache

    Objektsprache = Spra-che, auf die sich dieDarstellung bezieht(Deutsch aus Sprach-schicht 1)

    Lernhilfe

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    Beschreibung der deutschen Sprache nicht zum Beispiel englische oder lateinische, son-dern deutsche Fachbegriffe zu whlen. Auch hier gibt es dann allerdings, abhngig vomsprachwissenschaftlichen Ansatz, zahlreiche verschiedene Terminologien. Die im Fol-genden benutzten Fachbegriffe orientieren sich nach Mglichkeit an gngigen Konven-tionen (damit man leichter mit anderen Grammatiken vergleichen kann), vorzugsweisejedoch an den Terminologien der funktionalen Grammatik (nach Halliday) undDiskursanalyse (nach McCarthy). Diese Ausrichtung ergibt sich aus dem Anspruchder kommunikativen Grammatik, eine Sprache nicht fr sich (als formales System) zubeschreiben, sondern eher die Funktion der Sprache fr die erfolgreiche Verstndigunghervorzuheben. Die dafr erforderlichen Fachbegriffe werden im Folgenden nicht alsbekannt vorausgesetzt, sondern Schritt fr Schritt erforscht und entwickelt.

    Auch bezglich der Reichweite der Darstellung sind Grenzen zu beachten. Jede Lerner-grammatik unterliegt einer mehr oder weniger unscharfen Logik (fuzzy logic): Ein hoherAnspruch an die Genauigkeit der Sprachbeschreibung ist aus der Sicht des Lerners we-der sinnvoll noch erforderlich, da natrliche Sprachen nicht nach logischen Prinzipienaufgebaut sind, sich lebendig entwickeln und verndern, im Gebrauch zahlreiche Aus-nahmen und Inkonsistenzen aufweisen. Entsprechend muss man sich darauf einstel-len, dass es neben dem konomisch zu beschreibenden Kernbereich der Sprache stetsein weites Umfeld an unregelmigem Gebrauch gibt, der sich nicht in einfache Beschrei-bungsmuster einfgt. Eine Lernergrammatik hat Kompromiss- und bergangscharakter:Von der Beschreibungstiefe her macht sie knstliche Schnitte, um auf dem angenom-menen Niveau konomisch, transparent und in sich konsistent darstellen zu knnen.

    2.4 Grammatik und Sprachenlernen

    Obwohl die Verstndigung in Alltagssituationen, wie man spter sehen wird, durchausbestimmten vorhersagbaren Mustern folgt, kann man eine Sprache nicht erlernen, in-dem man einfach nach Art eines Sprachfhrers hufig auftretende Wrter und Wendun-gen aus wichtigen Szenarios herausgreift, um sie dann auswendig zu lernen. Zum einenwre das schon bald sehr mhsam, weil man alles einzeln und exakt in der vorgegebenenForm einprgen msste, zum anderen ist die Wahrscheinlichkeit, dass im Gesprchs-verlauf spter genau die gelernten Wendungen gebraucht werden knnen, eben dochnicht sehr hoch; es ist eher ein bestimmtes Schema, das sich im Szenario wiederholt, alseine Abfolge bestimmter Redemittel. Natrlicher Sprachgebrauch beruht nicht auf derschematischen Wiederholung fertiger Wendungen, sondern auf aktiver Produktion:Der Sprecher kleidet das, was er sagen will, in verstndliche Sprache, indem er nachindividueller Entscheidung die passenden Sprachbausteine auswhlt und kombiniert;der Zuhrer versteht ihn, weil er ber hnliche Kenntnisse der Bauelemente und ihrerKombinationsmglichkeiten verfgt.

    Jede Sprache hat eigene Baumaterialien (Laute, Wrter, Satzteile etc.), einen eigenen Bau-plan (Grammatik) und benutzt eigene Merkmale, um Information zu transportieren. AlsLerner muss man daher zunchst verstehen, auf die Merkmale in der Fremdsprache zuachten, die die Information beeinflussen; diese Merkmale knnen von Sprache zu Spra-che sehr verschieden sein. Im einen Fall htte man zum Beispiel vermehrt auf die Wort-endungen zu achten, um die Information richtig aufzunehmen (Italienisch), im zweitenFall vermehrt auf die Wortstellung (Englisch) und im dritten Fall vielleicht wie im Deut-schen auf eine Mischung aus Positions- und Wortmarkierungen.

    Literatur

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    Die sprachlichen Mittel, die man fr die Alltagskommunikation bentigt, sind an sichdurchaus berschaubar: Die wichtigsten bedeutungsverndernden Merkmale sind meistrasch zu identifizieren und schon etwa 1000 Wrter und einige einfache Satzbauplnereichen aus, um einen Groteil des sprachlichen Alltags zu bestreiten. Die Information,die mit so einfachen Redemitteln ausgedrckt werden kann, ist fast unbegrenzt: UnsereSprachfhigkeit beruht auf der Kenntnis einer endlichen Zahl sprachlicher Mittel, dererwir uns bedienen, um eine nahezu unendliche Zahl von Ideen und Informationen ver-stndlich ausdrcken zu knnen. Es liegt daher wenig Sinn darin, wie im Sprachfhrerinformationsorientiert einzelne Redewendungen fr den punktuellen Bedarf einzupr-gen; Sprachlernen im eigentlichen Sinne beginnt erst dort, wo man sich um die Auffas-sung der produktiven Mittel der Sprache bemht.

    Ohne Kenntnis des Bauplans der Zielsprache ist natrlicher Sprachgebrauch nicht mg-lich; das heit aber nicht, dass in jedem Falle explizites, terminologisch gefasstes Gram-matikwissen fr den Spracherwerb erforderlich ist. Der kindliche Spracherwerb kommt(zumindest am Anfang) gut ohne explizite Sprachbetrachtung aus. Aber auch hier wirdnatrlich Grammatik gelernt, werden implizit und unbewusst die Handlungsregelungenbeim Sprachgebrauch aufgenommen. Der Erwerb impliziten Sprachwissens ist abhn-gig von Lernbegabung und Sprachsensibilitt (Sprachgefhl), setzt jahrelangen direk-ten Sprachkontakt voraus und vielfltige bungsmglichkeiten unter natrlichen Kommu-nikationsbedingungen - Voraussetzungen also, die beim knstlichen Fremdsprachen-lernen nicht gegeben sind. Deshalb sind Lernformen im Fremdsprachenunterricht, dieauf explizite Grammatik verzichten und wesentlich auf den intuitiven Erwerb setzen,vom Prinzip her wenig erfolgversprechend - aur bei jungen Lernern oder sptervielleicht bei sehr intensiven Lernformen.

    Die explizite Grammatik ist als ein Werkzeug zu verstehen, das uns beim knstlichenFremdsprachenlernen hilft, den Bauplan der Sprache und die bedeutungsvernderndenMittel schneller als unter natrlichen Bedingungen aufzufassen, besser zu verstehenund womglich leichter einzuprgen. Denn aus der Sicht des Fremdsprachenlernersstellt sich der Gebrauch der Fremdsprache zunchst als eine verwirrende Vielfalt schein-bar zuflliger Ereignisse dar. Diese hohe Anfangskomplexitt strt und behindert denLernprozess: Was sich im Sprachfluss nicht abhebt, erregt keine Aufmerksamkeit; wassich nicht wiederholt, kann nicht als Regularitt aufgefasst werden; was wir nicht verste-hen, knnen wir schlecht behalten.

    Dabei gibt es einen wichtigen Unterschied zum natrlichen Spracherwerb des Kindes.Der kindliche Lernprozess steigt allmhlich vom Einfachen zum Komplexen hin auf,weil der Spracherwerb quasi organisch die krperliche und geistige Entwicklung begleitet;Ausdrucksbedrfnisse und verfgbare Redemittel befinden sich in einem dynamischenGleichgewicht. Einfaches Denken findet angemessenen Ausdruck in einfacher Sprache.Beim Erwerb einer Zweitsprache haben wir es dagegen mit einem Ungleichgewicht vonAusdrucksbedrfnissen und Ausdrucksmitteln zu tun: Der Fremdsprachenlerner befin-det sich fast permanent in der Situation, bestimmte Sprechabsichten in der Zielsprachenicht befriedigend ausdrcken zu knnen (oder vieles noch nicht oder spontan falsch zuverstehen). Dieser Vorlauf des Denkens fhrt immer wieder zu Anforderungen an die Lerner-sprache, der diese im normalen Lernprozess noch nicht gewachsen ist. Ungeduld und Frus-tration ber den eigenen Lernerfolg ist die Folge: Es gibt kaum einen Fremdsprachenlerner,der mit seiner zielsprachlichen Kompetenz rundum zufrieden ist - egal auf welchem Niveauman sich gerade befindet.

    2. Sprache, Verstndigung, Sprachenlernen

    vgl. Kap. 5.1

  • 20 Lernerhandbuch Deutsch LH

    Hinzu kommt, dass stndiger Sprachkontakt im Alltag bei vielen Menschen wenigereinen Knnenszuwachs als einen Gewhnungseffekt auslst: Da man sich in vielen Situati-onen durchaus auch mit grammatisch falschem Sprachgebrauch erfolgreich verstndlichmachen kann, wchst die Gefahr, dass sich subjektiv funktionierende, aber objektiv fehler-hafte Regelbildungen im Gebrauch nicht abschleifen, sondern umgekehrt eher verfesti-gen. Diese Verfestigung von Fehlbildungen (man spricht hier von Fossilisierung) ist bereitsauf einem elementaren Niveau des Spracherwerbs mglich, wenn nachhaltige Lernimpulsefehlen oder gezielte Korrekturen ausbleiben (wie es bei erwachsenen Lernern oft derFall ist); im Bereich der Aussprache treten solche Fossilisierungen schon nach wenigenWochen im Lande der Zielsprache auf.

    Nur bewusstes Lernen unter kompetenter Anleitung - auch und gerade in der Form desBewusstmachens grammatischer Regularitten - verspricht in solchen Fllen Besserung.Hier liegt der Schwerpunkt des vorliegenden Buches - in der Frderung der Sprach-bewusstheit. Dabei ist formales Sprachwissen aus der Sicht des Spracherwerbs nurbergangsweise wichtig: Die grammatische Theorie wird berflssig, sobald durch aus-reichende Sprachpraxis die richtigen Routinen gebildet sind; formale Grammatik-kenntnisse sind dann in einer Fremdsprache so wenig erforderlich wie in der Mutter-sprache. Das grammatikorientierte Lernen bedarf daher stets der Ergnzung durch prak-tisches Lernen in sprachorientierten und kommunikativen Formen, damit sich die ent-sprechenden Handlungsroutinen bilden knnen. Auf einen ergnzenden bungsapparat,wie man ihn heute in grammatischen Handbchern oft findet, wurde hier bewusst ver-zichtet, weil einseitig sprachbezogenes ben den Lernprozess kaum frdert: Genau deshalbgab es ja den Wechsel vom grammatikorientierten zum kommunikativen Fremdsprachen-unterricht. Ein grammatisches bungsbuch, wie immer geschickt angelegt, kann einen orga-nisch aufgebauten kommunikativen Unterricht nicht ersetzen.

    Beim Fremdsprachenlernen ist - entgegen dem natrlichen Impuls, auch in der Fremd-sprache von Anfang an alles sprechen zu wollen, was man denken kann, und alles sofortlernen und behalten zu wollen, was im Lehrbuch steht - die richtige Auswahl des Lern-stoffs sehr wichtig. Gesichtspunkte, an denen man sich dabei als Lerner orientierenkann, sind Verstndlichkeit und Wichtigkeit der Redemittel. Was auf dem gegebenen Standunverstndlich bleibt, ist zu schwierig und daher nicht lernwirksam; Altes und Neuesknnen noch keine Verbindung eingehen. Man braucht dann den Mut zur Lcke undein wenig Geduld: Auch das Gras wchst nicht schneller, wenn man daran zieht. DasVerstndnis wchst organisch in dem Mae, wie die Lernersprache sich fortentwickelt.Unabhngig vom Aufbau des Lehrbuchs oder den Fortschritten anderer im Unterricht:die Verstehensleistung lsst sich nicht erzwingen; aber was heute noch unverstndlichist, kann auf breiterer Verstehensbasis morgen schon problemlos aufzufassen sein.

    Auerdem wird nicht alles, was im Lehrbuch steht, tatschlich spter gebraucht. Es liegtwenig Sinn darin, subjektiv unwichtige Redemittel einzuprgen, die man mangels Be-darf ohnehin rasch wieder vergessen wird. Auch der Muttersprachler beherrscht aktivimmer nur einen relativ kleinen Ausschnitt aus der Vielzahl der Redemittel und mgli-chen Szenarien: Die subjektive Sprache (Ideolekt) spiegelt die subjektive Lebenswelt; nurdas, was in dieser Lebenswelt wichtig ist und oft gebraucht wird, bleibt permanent imIdeolekt erhalten. Eine gute Idee ist es daher, ein Lerntagebuch bzw. Sprachportfolio zufhren, in dem man gezielt die Redemittel und Szenarien sammelt, die man spter vor-aussichtlich fter brauchen wird. Ein wichtiges Hilfsmittel dafr knnen die Lernziel-beschreibungen des Europischen Referenzrahmens sein.

    vgl. z.B. A. Vielau:Methodik vdes kommu-nikativen Fremdspra-chenunterrichts (2. Aufl.,2010)

    Tipp Legen Sie sich einLerntagebuch an.

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    Auf der Zeichenebene unterscheiden wir geschriebene und gesprochene Sprache, damit dieLautlehre (Phonologie) und Schreiblehre (Orthographie) der Sprache sowie daraus abgelei-tet die Regelungen der Aussprache, Rechtschreibung und Zeichensetzung. Die Zeichensystemenatrlicher Sprachen unterscheiden sich erheblich voneinander. In besonderem Maegilt das fr das Lautsystem: Man vermutet, dass es bei mehr als 6000 bekannten Spra-chen keine zwei Sprachen auf der Welt gibt, die exakt das gleiche Lautsystem benutzen.Etwas Hintergrundwissen kann beim Erlernen fremder Laute daher ntzlich sein.

    3.1 Das deutsche Alphabet

    Das deutsche Alphabet umfasst ohne die Unterscheidung von Gro- und Kleinschrei-bung 30 Buchstaben:

    A/, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O/, P, Q, R, S/, T, U/,V, W, X, Y, Z.

    Man bentigt das Alphabet beim Suchen eines Wortes im Wrterbuch oder beim Buch-stabieren, zum Beispiel wenn man Name und Adresse am Telefon angibt. Man kann sichdie Buchstaben alphabetisch oder auch geordnet nach ihrer Aussprache einprgen:

    / a / A, H, K/ e / E, B, C, D, F, G, L, M, N, P, R, S, T, W, Z /tset/, /estset// i / I, X /iks// o / O, J /jot// u / U, Q /ku// fau / V/ ypzilon / Ysowie die Umlaute , ,

    In vielen Sprachen sind Schriftzeichen und Laute nicht regelmig aufeinander bezogen:Man muss daher immer beides lernen, die Aussprache und die Schreibung eines Wortes.Auch im Deutschen ist die Beziehung von Lautung und Schreibung nicht ganz so regel-mig, wie oft behauptet wird (Schreibe, wie du sprichst!). Der Laut /i:/ findet sichbeispielsweise in folgenden, sehr verschieden geschriebenen Wrtern: ihm, Lid, viel, Vieh.Gleich geschriebene Buchstaben werden nicht immer gleich gesprochen: vorn /f/ Vene /v/. Manche Laute werden durch mehrere Buchstaben (schn, lang) ausgedrckt, alsBuchstabengruppe anders gesprochen als in Einzelstellung (Heu /oi/) oder bleiben beimSprechen fast stumm (anbieten). Insgesamt kann man sich beim Sprechen der deutschenSprache aber dennoch viel leichter am Schriftbild orientieren, als es zum Beispiel bei derenglischen Sprache der Fall ist.

    3.2 Laute und Lautverstehen: eine Problemskizze

    Die Zahl der Laute, die das menschliche Ohr potenziell wahrnehmen kann, ist sehrhoch. Um aus dieser Vielzahl die Laute herauszufiltern, die fr die deutsche Sprachetypisch sind, bentigt das Ohr fr jeden Laut eine bestimmte Anzahl bestimmter Merk-male, um hnlich klingende Laute gegeneinander abzugrenzen. Zum Beispiel liegen bei

    3. Die Zeichen der Sprache: Aussprache und Schreibung

    3. Die Zeichen der Sprache: Aussprache und Schreibung

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    den Konsonanten /m/ und /n/, /s/ und /z/ oder bei den Vokalen die verschiedenenE-Laute so dicht beieinander, dass sie ohne spezielles Training leicht verwechselt werdenknnen. Beim Lernen einer Fremdsprache ist man auerdem in der Gefahr, nur dieLautmuster zu hren und aufzunehmen, die man aus der eigenen Sprache schon kennt.

    Als Lerner hrt man blicherweise kein Standarddeutsch, sondern immer nur eine dermglichen Varianten: Sprechgeschwindigkeit und Rhythmus, Stimmlage und Sprach-melodie, Dialekt und Ideolekt sind von Sprecher zu Sprecher verschieden. Um einezutreffende Vorstellung ber die typischen Laute der deutschen Sprache (Lautmuster)bilden zu knnen, bentigt man gute Sprechvorlagen, viel Wiederholung und eine Viel-zahl verschiedener Stimmquellen. Geeignete Tonmaterialien sind daher im Unterricht auchbei muttersprachlichen Lehrkrften unverzichtbar.

    Die Lautmuster, auf die es im Lernprozess zunchst ankommt, haben bedeutungsunter-scheidende Eigenschaften: Denn wer zum Beispiel das Lautmuster /e:/ nicht richtig aufge-fasst hat, wird Probleme beim Unterscheiden der Wrter Ehre und hre haben. Lautmustermit bedeutungsunterscheidender Eigenschaft bezeichnet man als Phoneme; sie bilden denunverzichtbaren Kern der Lautlehre einer Sprache.

    Daneben gibt es einen weiten Bereich von sprachtypischen Lautmustern, die eher frden Wohlklang zustndig sind: Wer im Deutschen zum Beispiel die I-Vokale in vital und bistgleich ausspricht oder die englischen L-Konsonanten in still und in long nicht unterscheidet,wird trotzdem alles richtig verstehen; nur seine Aussprache wird einen mehr oder wenigerstrenden Akzent behalten. Sprachtypische Lautmuster dieser zweiten Art, die keinebedeutungsunterscheidenden Eigenschaften haben, bezeichnet man als Allophone. Fr denErwerb einer guten, wohlklingenden Aussprache sind sie ebenfalls wichtig.

    Jeder Sprachlaut ist bei durchschnittlichem Sprechtempo nur wenige Millisekunden hr-bar. In dieser winzigen Zeitspanne muss also der physikalische Lauteindruck mit dengespeicherten Lautmustern verglichen und als ein bestimmtes Phonem der deutschenSprache identifiziert werden, damit die weitergehende Sprachverarbeitung und Infor-mationsentnahme mglich wird. Um diese Leistung in einer fremden Sprache erbringenzu knnen, muss das Ohr entsprechend geschult und trainiert werden. Dieser Trainings-prozess verlangt Geduld, er dauert oft viele Jahre. Hren, Aussprache und Hrverstehensind daher gerade fr Erwachsene, deren Fhigkeit zur Hrdiskrimination mit wachsen-dem Alter nachlsst, eine erste groe Klippe beim Fremdsprachenlernen.

    Beim flssigen Sprechen sind die einzelnen Wrter oft schwer zu identifizieren. BestimmteLaute sind nahezu unhrbar: Sie werden nachlssig artikuliert, verschluckt und durchandere Gerusche berlagert (Ruspern, Stottern, Rhythmuswechsel, Musik). Der H-rende kann jedoch immer nur das, was er physikalisch tatschlich wahrnimmt, mit dengelernten Lautfolgen abgleichen: Die Wahrnehmungslcken mssen aktiv aus dem eige-nen Vorwissen und aus der Sprechsituation erschlossen werden. Im Gesprch hrt undversteht man daher nur das, was man potenziell schon wei. Ist ein Text zu schnell oderzu undeutlich gesprochen, vom Wortschatz her zu umfangreich oder zu anspruchsvoll,so versagt die subjektive Spracherkennung trotz vllig normaler Hrfhigkeit. Das istbrigens auch der Grund, warum Radiotexte sorgfltig redigiert werden und warumman in Sprechberufen speziell ausgebildete und geschulte Sprecher einsetzt.

    Der Anspruch mancher Fremdsprachenlehrer, den Lerner von Anfang an mit natrlichgesprochenem Deutsch zu konfrontieren, womglich ohne Kontext, in schlechter Ton-qualitt und von Strgeruschen berlagert, ist daher lernpsychologisch verfehlt. Die

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    Probleme bei der Spracherkennung sind vllig normal; das Ohr kann nicht schnellerlernen als der Kopf. Je mehr mehr wir durch intelligentes Raten erschlieen knnen,desto besser reagiert irgendwann auch das Ohr. Das differenzierte Hren ist die wich-tigste Voraussetzung fr die Verbesserung der Aussprache. Man sollte daher weder dieAussprache noch die Schreibung einer Fremdsprache isoliert vom Wort- und Text-verstehen einben.

    3.3 Die deutschen Laute - und wie man sie spricht

    Jede Sprache existiert in vielen lautlichen Varianten und wird oft auch in mehr als einemLand gesprochen - Deutsch zum Beispiel in der Schweiz und in sterreich. Spricht man vonden typischen Lauten einer Sprache, so erklrt man eine dieser Varianten zur Aussprachenorm.Auf diesen allgemeinen Standard - blich ist hier der Verweis auf das Aussprachewrterbuchdes Duden - beziehen sich die Angaben, die man in Lehr- und Wrterbchern zur kor-rekten Aussprache findet. Fremdsprachenlerner sprechen die Sprache meistens nichtexakt im Sinne dieses Lehrbuch-Standards, sondern mit einem mehr oder weniger aus-geprgten Akzent. Von Akzenten spricht man, wenn beim Sprechen einer Sprache lediglichdie Aussprache abweicht (Deutsch mit trkischem Akzent), nicht jedoch auch Wort-schatz oder Grammatik.

    3.31 Vereinfachte Lautschrift

    Um die Standardlautung einer Sprache darstellen zu knnen, bentigt man eine Laut-schrift. In neueren Lehr- und Wrterbchern wird meistens die IPA-Lautschrift ver-wendet (International Phonetic Alphabet), eine komplizierte Schrift mit vielen Sonderzeichen,die sich eng an den physikalischen Eigenschaften der Laute sowie Merkmalen der mensch-lichen Sprechphysiologie orientiert. Daher kann man mit ihr die Lautsysteme verschie-dener Sprachen vergleichen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede sichtbar machen. Aller-dings wird der Lernaufwand fr eine so genaue Lautschrift von vielen Lernern als zuhoch empfunden: Man meint die Aussprache spontan ber das Ohr ausreichend genauauffassen zu knnen. Nur die wenigsten Lerner knnen daher die Aussprache einesunbekannten Wortes aus der IPA-Umschreibung im Wrterbuch erschlieen. Selbst vie-le Lehrer beherrschen die IPA-Schrift nicht aktiv oder knnen nicht spontan in derLautschrift an die Tafel schreiben - womit eine der wichtigsten Lernhilfen bei Aussprache-problemen entfllt: Der Verzicht auf eine Lautschrift ist hnlich unlogisch wie der Ver-zicht auf Fachbegriffe beim Erwerb der Grammatik.

    Einfacher und fr den Deutschunterricht besser geeignet als die IPA-Lautschrift ist da-her zunchst eine vereinfachte Lautschrift, die sich so weit wie mglich auf das bekannteAlphabet sttzt und nur dort Sonderzeichen einfhrt, wo ein wichtiger Laut (Phonem) imRahmen des Alphabets nicht dargestellt werden kann. Lautvarianten wie etwa die ver-schiedene Sprechweise des /i/ in vital und bist, die im Deutschen nicht bedeutungsunter-scheidend wirken (Allophone), oder sonstige Unterschiede in der Aussprache (Dialekteund Soziolekte, Sprachmelodien, Akzente etc.) werden in einer phonemischen Laut-schrift dieser Art nicht markiert. Eine entsprechend vereinfachte Lautschrift wird fr diefolgende Darstellung verwendet. Wer die IPA-Konvention aus anderen Zusammenhn-gen bereits kennt, wird keine Probleme haben, die vereinfachte Lautschrift zu lesen; undwer sie noch nicht kennt, wird auf diesem Wege vorsichtig an den Gebrauch einer kom-plexeren Umschrift herangefhrt.

    3. Die Zeichen der Sprache: Aussprache und Schreibung

    Tipp ben Sie die Aussprachenicht isoliert und habenSie Geduld mit sichselber.

    Literatur

  • 24 Lernerhandbuch Deutsch LH

    3.32 Die Konsonanten

    Das deutsche Lautsystem besteht aus Konsonanten und Vokalen. Diese Begriffe sind schwie-rig zu definieren: Die deutschen Bezeichnungen (Mitlaut/Selbstlaut) beziehen sich eherauf die Sprechweise beim Buchstabieren und sagen wenig ber die Merkmale der Lauteselbst aus. Alle Vokale sind stimmhaft, aber das gilt ebenfalls fr die Mehrzahl der Kon-sonanten. Von ihrer Artikulation her kann man Vokale und Konsonanten daher ambesten nach der Art unterscheiden, wie der Luftstrom beim Sprechen gefhrt wird: Beiden Konsonanten wird der Luftstrom an einer bestimmten Stelle im Sprechorgan aufge-halten bzw. gehemmt, bei Vokalen fliet die Luft relativ frei durch den Resonanzraum.

    Die Konsonanten sind im Deutschen nicht schwer zu erlernen; sie werden im Prinzipnach drei Merkmalen unterschieden: nach der Art, wie die Hemmung erzeugt wird, nachdem Ort im Mund, an dem der Luftstrom gehemmt wird, und danach, ob der Laut mitoder ohne Stimmeinsatz (stimmhaft oder stimmlos) gesprochen wird. Die folgende Tabel-le zeigt eine bersicht, wobei in der Tabelle die Artikulationsorte ausgehend von denLippen von vorn nach hinten im Mund-/Rachenraum geordnet sind:

    Tabelle der deutschen Konsonanten (mit Beispielen, Sonderzeichen = rot)In der Tabelle bedeuten: bilabial = mit beiden Lippen, labio-dental = mit Unterlippeund oberen Schneidezhnen, alveolar = mit Zungenspitze und oberem Zahndamm,palatal = mit Zungenblatt und vorderem Gaumen, velar = mit Hinterzunge undhinterem Gaumen, glottal = im Rachen.

    Doppelkonsonanten (Affrikaten) wie zum Beispiel in Zahl /ts/ und Taxi /ks/werdenhier nicht gesondert dargestellt, sondern als enge Verbindung zweier Phoneme verstan-den. Bei den Sonderzeichen ist zu beachten, dass man sich beim Erlernen der Phoneme/z/ (Hase, See, selten) und /v/ (winken, Witwe, Vase) nicht von der Schreibsprache leitenlassen darf. Importkonsonanten wie zum Beispiel /Z/, die in Fremdwrtern wie Genievorkommen, habe ich in der Tabelle nicht bercksichtigt.

    Man kann den Artikulationsort der Konsonanten im Mund- und Rachenraum einfachim Selbstversuch erfhlen, wenn man den betreffenden Laut rasch mehrfach hinterein-ander spricht: /p p p p ... t t t t .... k k k k/. Das gleiche gilt fr die Artikulationsart: DieLuft berwindet die Hemmung stoartig beim Plosivlaut, reibend beim Frikativ, durchdie Nase beim Nasal, gleitend beim Liquid und fast ungehemmt beim Halbvokal. DenStimmeinsatz sprt man deutlich, wenn man die Fingerspitzen an den Kehlkopf legtund nun zum Beispiel abwechselnd die stimmlosen und stimmhaften Plosivlaute spricht/p p p ... b b b/. Die Plosiv- und Frikativlaute treten meistens paarweise stimmhaft undstimmlos auf; alle anderen Konsonanten sind stimmhaft.

    Art Stimme bilabial labiodental alveolar palatal velar glottal

    Plosiv stimmlos p Paar t Tier k Kernstimmhaft b Bar d dir g gern

    Frikativ stimmlos f Fisch s hassen S schal X C ach, ich h haltstimmhaft v wisch z Hasen

    Nasal stimmhaft m dem n den N DingLiquid stimmhaft l lang r RangHalbvokal stimmhaft j ja

    Definitionen

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    Es gibt im Deutschen Laute und Lautgruppen, die in anderen Sprachen so nicht vor-kommen und die daher besondere Beachtung verlangen; hier eine kleine Auswahl derwichtigsten Merkmale:

    Schreibung Aussprachebesonderheit

    -ch- Nach /a/, /o/, /u/ und /au/ spricht man den harten /X/-Laut:(aufwachen, hoch, Buch, auch); nach allen anderenLauten spricht man den weichen /C/-Laut (Licht, leicht,Bruche, mancher, Kindchen). Das gilt auch amWortende bei -ig (Knig, hufig).

    -b, -d, -g Die stimmhaften Plosivlaute werden am Wortendestimmlos (Auslautverhrtung): Dieb /di:p/, Bild /bilt/,Sarg /zark/. Werden die Wrter so umgeformt, dass derLaut nicht mehr am Ende steht, so gilt wieder dienormale Lautung: Diebe /di:b/, Bilder /bildr/, Srge/zErg/.

    -ng- / -nk- Einen Plosivlaut hrt man nur bei Wrtern, die mit -nk-geschrieben werden: bringen, Klang, lang /N/ Tank,sanken, Henker /Nk/.

    -h- Der Laut wird nur am Anfang eines Wortes behauchtgesprochen (Haar, Hirn, halb); das gilt auch, wenn derWortstamm erst im Wortinneren beginnt (behandeln,verhren). Sonst signalisiert das -h- meistens nur, dassder vorangehende Vokal lang gesprochen wird, undbleibt unbehaucht (Uhr, stehlen, gehen, ihr, Vieh).

    -ck- meint eigentlich -kk- und wird wie einfach -k- gesprochen(Decke, packen, Scke). Doppelkonsonanten imSchriftbild signalisieren, dass der vorangehende Vokalkurz ist (Kasse, Kolleginnen, Ball).

    -ss-, -- Bei gleicher Aussprache /s/ unterscheidet sich hierinfolge der Rechtschreibreform die Schreibung. Nachkurzen Vokalen wird -ss- und nach langen Vokalen wirdeinheitlich -- geschrieben: Klasse, Fass, Kuss sa,lieen, Fu, heien.

    -sp-, -st- In beiden Fllen wird am Wortanfang /Sp/ bzw. /St/gesprochen: sprechen, Sprung, Stall, stimmen. Das gilt auch,wenn der Wortstamm erst im Wortinneren beginnt:besprechen,umstimmen. Sonst werden die Konsonanteneinzeln gesprochen: knuspern, Test, fasten.

    -ph- Der Laut wird als /f/ gesprochen: Alphabet, Photo. In vielenFllen wurde inzwischen die Schreibung entsprechendangepasst (Photo > Foto).

    -qu- spricht man meistens als /kv/: Qualle, bequem.

    -l-, -r- Die beiden Liquidlaute (lang Rang) unterscheiden sichdeutlich nach ihrem Artikulationsort; den R-Laut hrt man regionalauch als Zungen-R in gerollter Sprechweise.

    3. Die Zeichen der Sprache: Aussprache und Schreibung

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    3.33 Die Vokale

    Vokale sind immer stimmhaft; der Klangeindruck ergibt sich aus der unterschiedlichenFormung des Resonanzraums (Vokalqualitt) sowie aus der relativen Dauer des Lauts(Vokalquantitt). Die Formung des Resonanzraums wird durch die Zungenstellung (flach/mittelhoch/hoch) in Verbindung mit dem jeweiligen Grad der ffnung des Mundes (offe-ner/geschlossener) sowie der Position der hchsten Zungenhebung im Mundraum (vorn/Mitte/hinten) beschrieben. Weiter wichtig ist auerdem, ob die Lippen bei der Artikulati-on des betreffenden Lauts gerundet sind oder nicht; die hinteren Vokale (u, o) und dievon ihnen abgeleiteten Umlaute (, ) werden im Deutschen gerundet gesprochen, diemittleren und vorderen Vokale (a, e, i sowie ) ungerundet. Die folgende Tabelle ordnetdie Vokale entsprechend ihrer relativen Position bei der Artikulation:

    Tabelle der deutschen Vokale (mit Beispielen, Sonderzeichen = rot)

    Sonderzeichen werden hier lediglich fr die Umlaute, den offenen E-Laut und denSchwachvokal // bentigt. Der Schwachvokal tritt in unbetonten Silben an die Stelleeines E-Vokals. Die E-Laute gibt es in zwei Varianten, die beim Sprechen und Hren gutunterschieden werden mssen, obwohl sie klanglich nahe beieinander liegen: Hier gehtes um verschiedene Phoneme (Ehre hre, Meere Mhre usw.), deren Verwechslungzu Missverstndnissen fhren kann.

    Im Anlaut und manchmal auch im Inlaut (Beamte > /bamt/) werden die deutschenVokale mit Kehlverschluss (Knacklaut/glottal stop) gesprochen - also ohne die in vielenanderen Sprachen erforderliche Verbindung mit vorangehenden Lauten. Whrend zumBeispiel im Englischen vorwiegend gebunden gesprochen wird, ist im Deutschen derWortbeginn akustisch stets klar zu erkennen (im Alter > /im alt/).

    Zustzlich zu den Vokalen gibt es in der deutschen Sprache Doppelvokale (Diphthonge),in denen die beteiligten Laute zu jeweils einer neuen Einheit verschmelzen. Die wichtig-sten sind: /au/ (Haus, Rauch, saufen), /ai/ (fein, Meyer, Reihe, Mais) und /oi/ (Rume, freuen,Konvoi). Dagegen signalisiert zum Beispiel die Schreibung -ie- (Spiel, hier, Vieh) lediglichdie Dehnung des I-Lauts zu /i:/; es handelt sich hier um keinen Doppellaut.

    3.4 Lautgruppen und Betonung, Satzmelodie

    Obwohl man im Deutschen die Wortgrenzen akustisch klar unterscheiden kann, klingtflssig gesprochenes Deutsch nicht abgehackt oder monoton: Innerhalb des Laut-stroms werden bestimmte Lautgruppen im Wort und bestimmte Wrter im Satz deut-lich wahrnehmbar hervorgehoben (Wort- und Satzbetonung, Pausengliederung und

    Zunge ffnung vorn Mitte hinten

    hoch geschlossener i: bieten y: fhlen u: puhltoffener i bitten y Fllen u Pult

    mittelhoch geschlossener e: Ehre e Medien O: l o: ohneoffener E: hre E er O Gtter Beamte o Sonne

    flach geschlossener a: Bahnoffener a Bann

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    Sprechrhythmus); auerdem hebt und senkt sich die Stimme des Sprechers in typischerWeise (Intonation).

    3.41 Lautgruppen und Betonung

    Beim flssigen Sprechen treten weniger die einzelnen Laute hervor als bestimmte kleineLautgruppen, die man als Silben bezeichnet: Sie geben der Sprache Klang und Rhyth-mus; auerdem gilt auch beim Schreiben fr die Worttrennung am Zeilenende das silbischePrinzip.

    Eine Silbe besteht aus einem Vokal oder Diphthong als Klangtrger und einem odermehreren Konsonanten davor und/oder danach; sie trgt ggf. eine Betonung (Kon-so-nan-ten). Die Silbe kann auch mit einem Vokal beginnen (un-er-heb-lich) oder enden(Ka-ta-stroh-phe). Der Vokal wird in nicht-betonter Stellung ggf. durch einen silbischenKonsonanten ersetzt (einen Nasal- oder Liquidlaut) - wie zum Beispiel in dem Wort Konso-nanten in der Endsilbe: /kon-zo-nan-tn/. Je mehr Konsonanten in einer Silbe vorkom-men (Fr-eu-nd, Pfl-i-cht), desto schwieriger ist sie zu artikulieren (Konsonantenhufung),umgekehrt sind kurze, offene Silben, die auf einen Vokal enden, meistens optimal zusprechen oder auch zu singen (Vo-ka-bu-lar).

    In mehrsilbigen Wrtern sind nicht alle Silben gleich betont: Eine der Silben trgt dieWortbetonung (Me-cha-ni-ker). Nur bei richtiger Betonung sind lngere Wrter beimSprechen gut zu verstehen. Daher ist die Wortbetonung einheitlich geregelt und lexika-lisch festgelegt; Einzelheiten findet man in jedem Wrterbuch. Viele Wrter der deut-schen Sprache sind anfangsbetont - allerdings lngst nicht alle. Da die Regeln kompliziertsind und viele Ausnahmen kennen, lernt man die Betonung am besten bei jedem neuenWort gleich mit. Beim Aufschreiben mehrsilbiger Wrter in ein persnliches Wrterver-zeichnis sollte man stets die betonte Silbe markieren. Man kann dafr das entsprechendeSymbol der internationalen Lautschrift // verwenden, in Wrterbchern findet man oftnoch eine zustzliche Unterscheidung danach, ob der betonte Vokal kurz /./ oder lang/_ / gesprochen wird.

    3.42 Satzbetonung und Intonation

    Die Satzbetonung ist fr die Verstndigung wichtig, weil die bedeutungstragenden Wr-ter bzw. Wortteile im Satz beim raschen Sprechen besonders hervorgehoben werden; oftreicht es daher, diese Hervorhebungen richtig aufzufassen, um den Sinn des ganzenSatzes zu verstehen. Bei der Satzbetonung gibt es einen Hauptton und einen oder meh-rere Nebentne. Wenn man die Satzbetonung markieren will, kann der Schwerpunktzum Beispiel durch // gekennzeichnet werden, der Nebenton durch / /: Ihr Name warSusanne.

    Anders als die Wortbetonung ist die Satzbetonung nicht streng geregelt. Wie spter zuzeigen sein wird, besteht ein Aussagesatz aus zwei Teilen, Thema und Argument; der Schwer-punkt der Satzbetonung liegt im Normalfall hinten im Satz, auf dem Argument:

    Thema ArgumentSu-san-ne ar-beitet bei einer Bank.Fran-zis-ka ist e-benfalls in der Kre-dit-abteilung.

    Der typische Sprechrhythmus beim flssigen Sprechen hebt (mit mehr Lautstrke, etwas

    3. Die Zeichen der Sprache: Aussprache und Schreibung

    Tipp Markieren Sie diebetonten Silben, wennSie neue Wrter lernen.

    vgl. Kap. 5.24:funktionaleSatzperspektive

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    Verlangsamung und kleinen Pausen) die betonten Silben hervor, die unbetonten Silbenwerden leiser und rascher gesprochen, oft auch gekrzt; die unbetonten Vokale verlierendabei ggf. ihre Vokalqualitt und werden auf den Schwachvokal hin eingeebnet.

    Andererseits bietet in der deutschen Sprache die Satzbetonung die Mglichkeit, von demnormalen Muster abzuweichen und die Teile der Information, die dem Sprecher wichtigsind, gezielt hervorzuheben (zu markieren). Man vergleiche den Bedeutungsunterschiedzwischen formal gleichen, aber verschieden betonten Stzen:

    Su-san-ne ist heute pnktlich zur Ar-beit gekommen. ( > unmarkiert)Su-san-ne ist heute pnktlich zur Arbeit gekommen.

    (... im Gegensatz zu den anderen Mitarbeitern)Susanne ist heu-te pnktlich zur Arbeit gekommen.

    (... im Gegensatz zu gestern)Susanne ist heute pnkt-lich zur Arbeit gekommen.

    (... aber sonst ist sie unpnktlich)Susanne ist heute pnktlich zur Arbeit ge kom-men.

    (... aber gegangen ist sie frher)

    Whrend die Satzbetonung vorrangig vom Inhalt des Satzes beeinflusst wird, folgt dieSatzmelodie (Intonation) mit Hebung und Senkung der Stimme eher der grammatischenFunktion des Satzes - aber auch hier gibt es aus der Sicht des Sprechers viele Mglichkei-ten, das entsprechende Grundmuster in rhetorischer Absicht zu variieren. Wichtig istvor allem der Tonhhenverlauf am Satzende; man unterscheidet hier den steigenden, denfallenden und den schwebenden Stimmverlauf, wobei sich die Tonhhe deutlich wahrnehm-bar, aber lngst nicht so markant wie etwa im Standard English verndert.

    Die steigende Intonation () wird fr Fragen verwendet, besonders fr Intonationsfragen,Entscheidungsfragen und hfliche Formen der Fragewortfrage:

    Du kommst doch morgen zur Party? (> Intonationsfrage)Kommst du morgen zur Party? (> Entscheidungsfrage)Wann wollen Sie denn morgen Abend kommen? (> hfliche Fragewortfrage)

    Die fallende Intonation () wird fr Aussagen, Aufforderungen und direkt gemeinte Fragewort-fragen verwendet. Mit der Senkung der Stimme signalisiert der Sprecher den Abschlussder Aussage, oft auch den Abschluss seines Redebeitrags:

    Ich komme erst gegen zehn zur Party`. (> Aussagesatz, geschlossenes Satzende)Gehen Sie an der dritten Ampel links`. (> Aufforderungssatz)Warum kommst du erst so spt`? (> direkte Fragewortfrage)

    Die schwebende Betonung (^) wird hufig bei Ausrufen verwendet; ansonsten signalisiertsie dem Zuhrer, dass noch etwas kommt, dass der Sprecher seinen Redebeitrag nochnicht abgeschlossen hat und weitersprechen will:

    Pass doch ^auf! (> Ausruf)Ich komme erst um ^zehn. Du weit ja, ich bin vorher ... (> offenes Satzende)

    3.5 Hinweis zur Rechtschreibung und Zeichensetzung

    Die Regeln der deutschen Rechtschreibung und Zeichensetzung sind in weiten Teilensatzgrammatisch bestimmt. Sie werden daher erst spter in diesem Buch, nach derDarstellung der Satzgrammatik, behandelt (vgl. Kap. 5.8).

    vgl. Kap. 5.23.2:Der Fragesatz

    vgl. Kap. 5.23.1:Der Aussagesatz

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    4. Wort, Wortbedeutung und Lernwortschatz4.1 Einfhrung und bersicht

    Der Begriff Wort wird hier verstanden als kleinste selbststndige Bedeutungseinheitder Sprache. Wie ein Blick in das Wrterbuch zeigt, ist allgemein zu unterscheiden nachder ueren Form des Wortes, nach dem Wortinhalt sowie nach der grammatischenFunktion des Wortes.

    Ein Wort erscheint in verschiedenen Formen, Verbindungen und Ableitungen: Das deut-sche Wort Haus zum Beispiel als Haus, Huser, Hauses, (zu) Hause, in Verbindungen wieHaustr, Hochhaus, Musterhaus oder auch in den Ableitungen hausen, huslich, hausieren.Damit ergibt sich die Frage, was diesen Wortformen gemeinsam ist und aus welchenBausteinen die verschiedenen Formen eines Wortes gebildet werden. Es lohnt sich, beimErlernen einer Sprache etwas Zeit fr die Wortbildung aufzuwenden: Wer die Prinzi-pien der Wortbildung versteht, erwirbt mit der Kenntnis eines Wortstamms potenziellgleich eine ganze Wortfamilie, nicht zuletzt auch als Hilfe fr die Rechtschreibung. Leidersind die Regeln der Wortbildung in den verschiedenen Sprachen zwar hnlich, aber nichtidentisch. Ein Blick auf solche Unterschiede ist ntzlich, weil er das Sprachbewusstseinschrft und beim Lernen vieles erleichtert.

    Von der ueren Form eines Wortes kann man (von wenigen Ausnahmen abgesehen)nicht auf den Wortinhalt schlieen. Vergleicht man zum Beispiel dt. Haus, nl. huis, engl.house, ital./span. casa, franz. maison, esp. domo, russ. dom, so ist in der ueren Form dieserWrter nichts erkennbar, das die jeweilige Buchstabengruppe als besonders geeigneterscheinen liee, die Vorstellung eines Hauses im Kopf des Lesers abzurufen. Die Zu-ordnung von Wortform und Wortinhalt in den verschiedenen Sprachen ist willkrlich, sieberuht auf Konvention und Sprachgeschichte. Beim Erwerb einer Fremdsprache mussdaher stets beides gelernt werden, Wortform (mit Aussprache und Schreibung) undverbundener Vorstellungsinhalt.

    Schwerer zu verstehen ist, dass sich nicht nur die Wortformen, sondern auch die mit denWrtern verknpften Bedeutungen unterscheiden knnen. Viele Wortformen sind mehr-deutig; sie knnen in verschiedenen Zusammenhngen verschiedene Bedeutungen ha-ben (Schloss als Gebude und als Teil einer Tr). Die wichtigsten Bedeutungen mit ent-sprechenden Anwendungsbeispielen findet man im Wrterbuch. Oft hngen die ver-schiedenen Bedeutungen eines Wortes auch mit der grammatischen Funktion zusam-men, die sich aus der jeweiligen Wortart ergibt (suche als Verbform Suche als Nomen).Die Wortart bestimmt, in welcher grammatischen Rolle (als Nomen, Verb, Adjektiv etc.)ein Wort im Satz gebraucht werden kann.

    Die Vorstellungsinhalte, die mit einem Wort verbunden sind, knnen verschieden kon-kret (Apfel) oder abstrakt (Liebe) sein, sie sind zhlbar (Tisch) oder nicht zhlbar (Tee) undknnen in verschiedener Weise zu Sammelvorstellungen gruppiert werden (Tisch > Mbel >Wohnbedarf). Jede Sprache bildet ihre eigenen Begriffe aus, die dem Kommunik