heinrich amadeus wolff und stefan brink (hrsg.), datenschutzrecht in bund und ländern mit...

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tigungstatbeständen (§ 4, Rdnr. 34 [S. 183 ff.]) und zu den Aufbe- wahrungsfristen (§ 57, Rdnr. 28 [S. 782 ff.]). Der Kommentar widmet sich ausführlich den Regelungen zum Umfang der vertragsärztlichen Tätigkeit, der in § 2 BMV-Ä posi- tiv beschrieben und in § 3 BMV-Ä negativ abgegrenzt wird. In den Kommentierungen wird jeweils auf die Regelungen zum Leistungs- recht und zum Leistungserbringungsrecht des SGB V verwiesen. Die Formen der Teilnahme an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung (Zulassung und Ermächtigung) werden im Detail kom- mentiert und die einzelnen Ermächtigungstatbestände übersichtlich dargestellt (§§ 4 ff. BMV-Ä). Breiten Raum (insgesamt 80 Seiten) nehmen auch die fundierten Ausführungen zur Qualitätssicherung in der vertragsärztlichen Versorgung ein (§§ 11, 12 BMV-Ä). Da das SGB V keine gesetzlichen Regelungen zur persönlichen Leistungserbringung in der ambulanten vertragsärztlichen Versor- gung enthält, kommt besondere Bedeutung den Detailregelungen in § 15 BMV-Ä zu. Im Zusammenhang hiermit sind auch die Kom- mentierungen zu §§ 15a–15c BMV-Ä (Zweigpraxen und Berufsaus- übungsgemeinschaften) und zu § 25 BMV-Ä (Laborleistungen) zu nennen. Die Kommentierungen dazu überzeugen durch praxisna- he Hinweise sowohl zum Grundsatz als auch zu den Ausnahmen: Möglichkeiten und Grenzen der Delegation und Substitution werden konkret beschrieben (zur persönlichen Leistungserbringung im stati- onären Bereich s. neuerdings Bäune, MedR 2014, 76). Gut gelungen ist auch die Darstellung zur persönlichen Leitung der Vertragsarzt- praxis bei angestellten Ärzten; hier finden sich wertvolle Klärungen zum Spannungsverhältnis zwischen berufsrechtlicher Eigenverant- wortlichkeit und vertragsarztrechtlicher Bindung des angestellten Arztes (§ 14 a BMV-Ä). §§ 45–49 BMV-Ä befassen sich mit der Prüfung der Abrechnung und der Wirtschaftlichkeit im Vertragsarztbereich. Obwohl die we- sentlichen Regelungen zur Wirtschaftlichkeitsprüfung, zur Plausibi- litätsprüfung und zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung bereits im SGB V getroffen worden sind und der BMV-Ä somit nur konkre- tisierende Regelungen hierzu enthält, werden auch diese ausführlich erläutert. Dabei werden die gesetzlichen Regelungen wie auch die Richtlinien der KBV und des GKV-Spitzenverbands kommentiert und vor allem praxisrelevante Aspekte auch kritisch beleuchtet; dabei werden auch die Aussagen des BSG im Urt. v. 20. 3. 2013 – B 6 KA 17/12 R – berücksichtigt, dies anhand des Terminberichts des BSG; die Endfassung ist erst kurz vor dem Redaktionsschluss in allgemein zugänglicher Weise veröffentlicht worden. Der Verfasser stellt die verschiedenen Verfahren jeweils vom Beginn der Prüfung bis zu den Konsequenzen der Prüfung praxisnah dar. Dies gibt einen guten Ein- blick in diese oftmals als intransparent gescholtenen Verfahren. Im Zusammenhang mit der Regelung der vertragsärztlichen Ge- samtvergütung (GV) (§ 54 BMV-Ä) und der Haftung der KV daraus (§ 53 BMV-Ä, hierzu auch § 54, Rdnr. 10 zweiter Absatz) werden Definition, Umfang und aktuelle Berechnung der Gesamtvergütung erläutert und in der Formel zusammengefasst: „Morbiditätsbedingte und extrabudgetäre GV zusammen bilden die GV“ (§ 54, Rdnr. 5). Besonders verdienstlich sind die Ausführungen zum Zusammenspiel von § 85 und § 87a SGB V (§ 54, Rdnrn. 4 ff.). Kurzum: Jeder, der als Arzt, als Rechtsanwalt, Richter der So- zialgerichtsbarkeit, Jurist einer Krankenkasse oder einer KV usw. eingehender mit dem Vertragsarztrecht befasst ist, ist mit diesem Kommentar gut bedient. Dieser wird ihm bei vertragsarztrechtlichen Fragen in der täglichen Praxis von Nutzen sein! Handbuch des Krankenversicherungsrechts. Herausgegeben von Helge Sodan. Verlag C. H. Beck, 2. Aufl. München 2014, LIII u. 1458 S., Ln., € 219,00 Das erstmals 2010 erschienene Handbuch des Krankenversicherungs- rechts baut wichtige wissenschaftliche Brücken. Es handelt sich um das einzige rechtswissenschaftliche Werk, das nicht nur die gesetz- liche Krankenversicherung, sondern auch das private Krankenversi- cherungsrecht behandelt und damit der zunehmenden Verzahnung der beiden Materien Rechnung trägt. Außerdem behandelt es im Bereich der GKV nicht nur das Versicherungsrecht, also nicht nur die Rechtsverhältnisse zwischen den Versicherern und den Versicher- ten, sondern auch das Leistungserbringungsrecht, das immerhin fast die Hälfte des gesamten Handbuchs ausmacht. Auch das ist sachlich wegen des untrennbaren Zusammenhangs zwischen Leistungs- und Leistungserbringungsrecht und überhaupt wegen der enorm gewach- senen Bedeutung des Leistungserbringungsrechts in der Rechtspraxis ohne weiteres zu rechtfertigen. Das Handbuch ist sehr systematisch aufgebaut. Nach den verfas- sungs- und europarechtlichen Grundlagen behandelt es das Versi- cherungs-, das Leistungs- und das Leistungserbringungsrecht, bevor dann in einem abschließenden Abschnitt das private Krankenversi- cherungsrecht behandelt wird. Viele Beiträge der aus der Rechtswis- senschaft, der Ministerialverwaltung, der Justiz und der Anwaltschaft stammenden Autorinnen und Autoren kann man ohne Übertreibung als grundlegend bezeichnen. Ohne jeden Anspruch auf Vollständig- keit seien herausgegriffen der ausgesprochen gelungene Beitrag zum Vergaberecht (von Langsdorff ) und die präzisen Darstellungen zum Finanzierungsrecht durch Rixen und Schmehl, der einen Tapferkeits- preis dafür verdient, sich durch den Gesundheitsfonds und den Risi- kostrukturausgleich durchgebissen zu haben und diese Materie auch noch allgemeinverständlich dargestellt zu haben, ohne selbst Mitar- beiter des Bundesversicherungsamts zu sein. Das Handbuch ist aber über die präzise juristische Information hinaus offenbar auch in politischer Mission unterwegs: Es will die duale Krankenversicherungsordnung aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung retten. Im Vorwort der Neuauflage erscheint als Kronzeuge für „das leistungsfähigste Gesundheitssystem der Welt“ noch Daniel Bahr, dem das die Wähler im Herbst 2013 aber offenbar nicht so recht abgenommen haben. Überhaupt durchzieht das Handbuch die forsche Behauptung eines funktionierenden Sys- temwettbewerbs zwischen GKV und PKV und die Beschwörung der Gefahren, die dem Wettbewerb innerhalb der PKV durch die bereits vollzogenen und noch im Ankündigungsstadium steckenden Refor- men drohen. Wie man aber von Wettbewerb sprechen kann, wenn 98 % der Bevölkerung gar nicht zwischen GKV und PKV wählen können und Privatversicherte wegen der fehlenden Möglichkeit, ihre Alterungsrückstellungen mitzunehmen, juristisch enger an ihr Un- ternehmen gebunden bleiben als an den eigenen Ehepartner, bleibt unerfindlich. Hier finden sich im Handbuch denn auch einige Bei- träge, in denen die juristisch-dogmatische Analyse ein wenig durch Lobby-Interessen überlagert wird. Zusammenfassend kann man festhalten: Das Handbuch des Kran- kenversicherungsrecht ist konzeptionell so gut aufgestellt, dass es über kurz oder lang auch in ein Handbuch für eine integrierte Kran- kenversicherungsordnung überführt werden könnte. DOI: 10.1007/s00350-014-3666-7 Datenschutzrecht in Bund und Ländern mit bereichsspezifischen Bezügen. Herausgegeben von Heinrich Amadeus Wolff und Stefan Brink. Verlag C. H. Beck, München 2013, XXI u. 1336 S., Ln., € 149,00 Datenschutzrecht ist ein junges Rechtsgebiet. Es zählt nur etwas mehr als 40 Jahre. Als erstes einschlägiges deutsches Gesetz darf das hessische Datenschutzgesetz von 1970 gelten, das also noch aus der Zeit vor dem berühmt gewordenen Volkszählungsurteil des BVerfG von 1983 stammt und das auch älter ist als die europäische Richtlinie dazu. Sie erblickte erst 1995 das Licht der Welt (Richtlinie 95/46/ EG – Abl EG 1995, L 281, 31). Mit der sprichwörtlichen deutschen Gründlichkeit hat sich der Datenschutz in Bund und Ländern und dann in bereichsspezifischen Gesetzen derart ausgebreitet, dass heute nur noch Spezialisten über das Gebiet die Deutungshoheit haben. (Man müsste ein ausgeprägter Optimist sein zu glauben, dass sich hieran in nächster Zeit in Deutschland oder gar in Europa etwas än- dern wird). Datenschutz, der Begriff den der Gesetzgeber als deutsches Pen- dant zu „Privacy“ wählte, wirkt eher wie eine Verlegenheitslösung Prof. Dr. iur. Thorsten Kingreen, Regensburg, Deutschland Rechtsanwalt Dr. iur. Hans-Dieter Lippert, Ulm, Deutschland Rezensionen 350 MedR (2014) 32: 350–351

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Page 1: Heinrich Amadeus Wolff und Stefan Brink (Hrsg.), Datenschutzrecht in Bund und Ländern mit bereichsspezifischen Bezügen

tigungstatbeständen (§ 4, Rdnr. 34 [S. 183 ff.]) und zu den Aufbe-wahrungsfristen (§ 57, Rdnr. 28 [S. 782 ff.]).

Der Kommentar widmet sich ausführlich den Regelungen zum Umfang der vertragsärztlichen Tätigkeit, der in § 2 BMV-Ä posi-tiv beschrieben und in § 3 BMV-Ä negativ abgegrenzt wird. In den Kommentierungen wird jeweils auf die Regelungen zum Leistungs-recht und zum Leistungserbringungsrecht des SGB  V verwiesen. Die Formen der Teilnahme an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung (Zulassung und Ermächtigung) werden im Detail kom-mentiert und die einzelnen Ermächtigungstatbestände übersichtlich dargestellt (§§ 4 ff. BMV-Ä). Breiten Raum (insgesamt 80 Seiten) nehmen auch die fundierten Ausführungen zur Qualitätssicherung in der vertragsärztlichen Versorgung ein (§§ 11, 12 BMV-Ä).

Da das SGB V keine gesetzlichen Regelungen zur persönlichen Leistungserbringung in der ambulanten vertragsärztlichen Versor-gung enthält, kommt besondere Bedeutung den Detailregelungen in § 15 BMV-Ä zu. Im Zusammenhang hiermit sind auch die Kom-mentierungen zu §§ 15a–15c BMV-Ä (Zweigpraxen und Berufsaus-übungsgemeinschaften) und zu § 25 BMV-Ä (Laborleistungen) zu nennen. Die Kommentierungen dazu überzeugen durch praxisna-he Hinweise sowohl zum Grundsatz als auch zu den Ausnahmen: Möglichkeiten und Grenzen der Delegation und Substitution werden konkret beschrieben (zur persönlichen Leistungserbringung im stati-onären Bereich s. neuerdings Bäune, MedR 2014, 76). Gut gelungen ist auch die Darstellung zur persönlichen Leitung der Vertragsarzt-praxis bei angestellten Ärzten; hier finden sich wertvolle Klärungen zum Spannungsverhältnis zwischen berufsrechtlicher Eigenverant-wortlichkeit und vertragsarztrechtlicher Bindung des angestellten Arztes (§ 14 a BMV-Ä).

§§ 45–49 BMV-Ä befassen sich mit der Prüfung der Abrechnung und der Wirtschaftlichkeit im Vertragsarztbereich. Obwohl die we-sentlichen Regelungen zur Wirtschaftlichkeitsprüfung, zur Plausibi-litätsprüfung und zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung bereits im SGB V getroffen worden sind und der BMV-Ä somit nur konkre-tisierende Regelungen hierzu enthält, werden auch diese ausführlich erläutert. Dabei werden die gesetzlichen Regelungen wie auch die Richtlinien der KBV und des GKV-Spitzenverbands kommentiert und vor allem praxisrelevante Aspekte auch kritisch beleuchtet; dabei werden auch die Aussagen des BSG im Urt. v. 20. 3. 2013 – B 6 KA 17/12 R – berücksichtigt, dies anhand des Terminberichts des BSG; die Endfassung ist erst kurz vor dem Redaktionsschluss in allgemein zugänglicher Weise veröffentlicht worden. Der Verfasser stellt die verschiedenen Verfahren jeweils vom Beginn der Prüfung bis zu den Konsequenzen der Prüfung praxisnah dar. Dies gibt einen guten Ein-blick in diese oftmals als intransparent gescholtenen Verfahren.

Im Zusammenhang mit der Regelung der vertragsärztlichen Ge-samtvergütung (GV) (§ 54 BMV-Ä) und der Haftung der KV daraus (§ 53 BMV-Ä, hierzu auch § 54, Rdnr.  10 zweiter Absatz) werden Definition, Umfang und aktuelle Berechnung der Gesamtvergütung erläutert und in der Formel zusammengefasst: „Morbiditätsbedingte und extrabudgetäre GV zusammen bilden die GV“ (§ 54, Rdnr. 5). Besonders verdienstlich sind die Ausführungen zum Zusammenspiel von § 85 und § 87 a SGB V (§ 54, Rdnrn. 4 ff.).

Kurzum: Jeder, der als Arzt, als Rechtsanwalt, Richter der So-zialgerichtsbarkeit, Jurist einer Krankenkasse oder einer KV usw. eingehender mit dem Vertragsarztrecht befasst ist, ist mit diesem Kommentar gut bedient. Dieser wird ihm bei vertragsarztrechtlichen Fragen in der täglichen Praxis von Nutzen sein!

Handbuch des Krankenversicherungsrechts.

Herausgegeben von Helge Sodan. Verlag C. H. Beck, 2. Aufl. München 2014, LIII u. 1458 S., Ln., € 219,00

Das erstmals 2010 erschienene Handbuch des Krankenversicherungs-rechts baut wichtige wissenschaftliche Brücken. Es handelt sich um das einzige rechtswissenschaftliche Werk, das nicht nur die gesetz-liche Krankenversicherung, sondern auch das private Krankenversi-cherungsrecht behandelt und damit der zunehmenden Verzahnung

der beiden Materien Rechnung trägt. Außerdem behandelt es im Bereich der GKV nicht nur das Versicherungsrecht, also nicht nur die Rechtsverhältnisse zwischen den Versicherern und den Versicher-ten, sondern auch das Leistungserbringungsrecht, das immerhin fast die Hälfte des gesamten Handbuchs ausmacht. Auch das ist sachlich wegen des untrennbaren Zusammenhangs zwischen Leistungs- und Leistungserbringungsrecht und überhaupt wegen der enorm gewach-senen Bedeutung des Leistungserbringungsrechts in der Rechtspraxis ohne weiteres zu rechtfertigen.

Das Handbuch ist sehr systematisch aufgebaut. Nach den verfas-sungs- und europarechtlichen Grundlagen behandelt es das Versi-cherungs-, das Leistungs- und das Leistungserbringungsrecht, bevor dann in einem abschließenden Abschnitt das private Krankenversi-cherungsrecht behandelt wird. Viele Beiträge der aus der Rechtswis-senschaft, der Ministerialverwaltung, der Justiz und der Anwaltschaft stammenden Autorinnen und Autoren kann man ohne Übertreibung als grundlegend bezeichnen. Ohne jeden Anspruch auf Vollständig-keit seien herausgegriffen der ausgesprochen gelungene Beitrag zum Vergaberecht (von Langsdorff ) und die präzisen Darstellungen zum Finanzierungsrecht durch Rixen und Schmehl, der einen Tapferkeits-preis dafür verdient, sich durch den Gesundheitsfonds und den Risi-kostrukturausgleich durchgebissen zu haben und diese Materie auch noch allgemeinverständlich dargestellt zu haben, ohne selbst Mitar-beiter des Bundesversicherungsamts zu sein.

Das Handbuch ist aber über die präzise juristische Information hinaus offenbar auch in politischer Mission unterwegs: Es will die duale Krankenversicherungsordnung aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung retten. Im Vorwort der Neuauflage erscheint als Kronzeuge für „das leistungsfähigste Gesundheitssystem der Welt“ noch Daniel Bahr, dem das die Wähler im Herbst 2013 aber offenbar nicht so recht abgenommen haben. Überhaupt durchzieht das Handbuch die forsche Behauptung eines funktionierenden Sys-temwettbewerbs zwischen GKV und PKV und die Beschwörung der Gefahren, die dem Wettbewerb innerhalb der PKV durch die bereits vollzogenen und noch im Ankündigungsstadium steckenden Refor-men drohen. Wie man aber von Wettbewerb sprechen kann, wenn 98 % der Bevölkerung gar nicht zwischen GKV und PKV wählen können und Privatversicherte wegen der fehlenden Möglichkeit, ihre Alterungsrückstellungen mitzunehmen, juristisch enger an ihr Un-ternehmen gebunden bleiben als an den eigenen Ehepartner, bleibt unerfindlich. Hier finden sich im Handbuch denn auch einige Bei-träge, in denen die juristisch-dogmatische Analyse ein wenig durch Lobby-Interessen überlagert wird.

Zusammenfassend kann man festhalten: Das Handbuch des Kran-kenversicherungsrecht ist konzeptionell so gut aufgestellt, dass es über kurz oder lang auch in ein Handbuch für eine integrierte Kran-kenversicherungsordnung überführt werden könnte.

DOI: 10.1007/s00350-014-3666-7

Datenschutzrecht in Bund und Ländern mit bereichsspezifischen Bezügen.

Herausgegeben von Heinrich Amadeus Wolff und Stefan Brink. Verlag C. H. Beck, München 2013, XXI u. 1336 S., Ln., € 149,00

Datenschutzrecht ist ein junges Rechtsgebiet. Es zählt nur etwas mehr als 40 Jahre. Als erstes einschlägiges deutsches Gesetz darf das hessische Datenschutzgesetz von 1970 gelten, das also noch aus der Zeit vor dem berühmt gewordenen Volkszählungsurteil des BVerfG von 1983 stammt und das auch älter ist als die europäische Richtlinie dazu. Sie erblickte erst 1995 das Licht der Welt (Richtlinie 95/46/EG – Abl EG 1995, L 281, 31). Mit der sprichwörtlichen deutschen Gründlichkeit hat sich der Datenschutz in Bund und Ländern und dann in bereichsspezifischen Gesetzen derart ausgebreitet, dass heute nur noch Spezialisten über das Gebiet die Deutungshoheit haben. (Man müsste ein ausgeprägter Optimist sein zu glauben, dass sich hieran in nächster Zeit in Deutschland oder gar in Europa etwas än-dern wird).

Datenschutz, der Begriff den der Gesetzgeber als deutsches Pen-dant zu „Privacy“ wählte, wirkt eher wie eine Verlegenheitslösung

Prof. Dr. iur. Thorsten Kingreen, Regensburg, Deutschland

Rechtsanwalt Dr. iur. Hans-Dieter Lippert, Ulm, Deutschland

Rezensionen350 MedR (2014) 32: 350–351

Page 2: Heinrich Amadeus Wolff und Stefan Brink (Hrsg.), Datenschutzrecht in Bund und Ländern mit bereichsspezifischen Bezügen

(Ronellenfitsch). Es geht schließlich um den Schutz des Individuums und nicht um den der Daten. Der Begriff eines Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung, den das BVerfG im Volkszäh-lungsurteil geprägt hat, ist mehr als nur sperrig geraten. Er hat sich aber in der Literatur durchgesetzt. Als „neues“ Grundrecht, staats-gerichtet, geht es davon aus, dass der Bürger sich dem Staat ge-genüber darauf berufen kann. Dass auch der nichtstaatliche Bereich das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzen kann, ist dahinter zunächst zurückgetreten. Lange haben sich die gesetz-lichen Vorschriften dem privaten Bereich entzogen. Erst nach der rasanten Entwicklung von Datenverarbeitung und Datennutzung hinken die Gesetze nun diesem Fortschritt hinterher. Es herrscht das Hase-Igel-Prinzip.

Permanente gesetzliche Änderungen führen nicht gerade dazu, die Vorschriften verständlicher zu machen, mit dem Ziel, dass sie von den Betroffenen akzeptiert und vor allem auch beachtet werden. Dabei lassen sich seit jeher Antipoden feststellen. Während die einen den Datenschutz möglichst ausgeklammert wissen wollen, dient er anderen als wohlfeile Ausrede dafür, bestimmte Dinge nicht tun zu müssen oder tun zu wollen. Beide Positionen bekommen den be-rechtigten Belangen des Datenschutzes und seiner Akzeptanz ausge-sprochen schlecht.

Zusammen mit weiteren 34 Autoren haben sich Wolff und Brink des Themas in einer umfassenden Weise angenommen, die Respekt verdient. Das Werk enthält zum einen eine detaillierte Kommentie-rung des BDSG und zum anderen einen Teil, der sich in vier Kapiteln systematisch mit den rechtlichen Grundlagen des Datenschutzes in Bund, Ländern und in der EU und in neun Kapiteln mit dem be-reichsspezifischen Datenschutz in ausgewählten, praktisch besonders bedeutsamen Rechtsgebieten befasst. Auch wenn es sich bei den ab-gehandelten Bereichsspezifika nur um eine Auswahl handelt, so er-spart einem doch der Blick gerade in diese Kapitel für einen durchaus auch etwas tieferen ersten Einblick die Suche in Einzelkommentaren. Abgehandelt werden u. a. der Datenschutz bei Gerichten und Staats-anwaltschaften, in den freien Berufen, in der Werbung, in den Infor-mationsfreiheitsgesetzen, in den Medien und in der Telekommuni-kation. Auch das Finanz- und Versicherungswesen ist berücksichtigt und ganz wichtig der große Bereich des Schutzes der Sozialdaten in den Büchern des Sozialgesetzbuches. Bereits wegen dieses Teils über den bereichsspezifischen Datenschutz lohnt sich der Blick in dieses Handbuch. Das Thema wird sonst so konzentriert und kenntnisreich selten abgehandelt.

Auf nahezu 1000 Seiten folgt dann die Kommentierung des BDSG. Diese Kommentierung ist ersichtlich auf dem neuesten Stand und wird dies bleiben, bis der Gesetzgeber in der neuen Legislatur-periode in Fahrt kommt und das Bundesgesetzblatt seine gewohnte alte Stärke wieder erlangt hat.

Ein Kommentar, dazuhin noch einer zu einem sehr speziellen Rechtsgebiet, wird immer Fragen offen lassen und einzelne Bereiche nicht abdecken. Dies liegt in der Natur der Sache und ist auch der Kompetenz und Erfahrung der Kommentatoren geschuldet. Wichtig und hilfreich ist dann der Verweis auf Literatur und Rechtsprechung, die es zum Datenschutzrecht ausreichend gibt. Bei Spezialmaterien ist es auch wichtig, die Querverbindungen und Berührungspunkte zu anderen angrenzenden Rechtsgebieten aufzuzeigen. Darauf kann man sich beim Wolff/Brink verlassen. Europarechtliche Bezüge und landesrechtliche Besonderheiten bleiben immer im Blick. Manche Regelung ist auch nur so verständlich.

Für die Nutzer dieser Zeitschrift von besonderem Interesse sind natürlich die Ausführungen zum bereichsspezifischen Datenschutz, also vor allem dem der freien Berufe (Ärzte, Zahnärzte) und zum Schutz der Sozialdaten.

Die Verarbeitung personenbezogener Daten ist verboten, es sei denn eine Rechtsvorschrift erlaube dies oder der Betroffene hat da-rin eingewilligt. Die Kommentierung des in der Praxis bedeutsa-men § 4 a BDSG, der sich ziemlich wortgleich in allen Landesdaten-schutzgesetzen wiederfindet, und der auch auf diverse Sachverhalte der biomedizinischen Forschung anzuwenden ist, ist von besonderer Bedeutung. Der Kommentator kann hier nur den Stand der unter-schiedlichen Meinungen wiedergeben. Für die Inkonsequenz, die sich daraus ergibt, trägt der Gesetzgeber die Verantwortung und der Praktiker bekommt keine schlüssige Lösung geboten. Der Ge-setzgeber hat sich zur rechtlichen Qualifikation der Einwilligung ausgeschwiegen. Er hat dies im Übrigen neuestens auch beim Pati-entenrechtegesetz getan. So wird die Einwilligung von Autoren, die sich damit beschäftigen (müssen), einmal als Willenserklärung, ein-mal als rechtsgeschäftsähnliche Handlung und schließlich auch noch als Realhandlung angesehen. Einzig bei der Klinischen Prüfung im

Arzneimittel- und im Medizinproduktegesetz ist die Rechtsform der Einwilligung klar, weil für ihre Abgabe die Geschäftsfähigkeit gefordert wird.

Ansonsten führen die unterschiedlichen Auffassungen dazu, dass Minderjährige zwar einwilligen können sollen, auch in die Daten-verarbeitung, sofern sie einwilligungsfähig sind. Den Patientenver-trag und jedes andere Rechtsgeschäft können sie jedoch mangels eigener Geschäftsfähigkeit nicht abschließen, sieht man von § 110 BGB („Taschengeldparagraph“) einmal ab, der hier aber selten ein-schlägig sein dürfte. Für den Widerruf der Einwilligung sehen die Kommentatoren traditionellerweise keine Probleme. Lediglich bei der Klinischen Prüfung nach dem Arzneimittelgesetz wird die Un-widerruflichkeit der einmal gegebenen Einwilligung in die Teilnah-me als bedenklich eingestuft. Zu Recht. Immerhin findet sich auch zu dieser Spezialfrage in der Kommentierung ausreichend Material für eine vertiefte Diskussion.

Das vorliegende Werk muss sich an anderen Kommentaren zum gleichen oder ähnlichen Normenkomplex messen lassen. Es besteht den Test unter anderem dadurch, dass die Kommentierungen durch-weg erfreulich in die Tiefe und nicht nur in die Breite gehen. Mit einiger Spannung darf man der Entwicklung des Datenschutzrech-tes auf der europäischen Ebene entgegensehen, die auf das nationale Recht von erheblicher Auswirkung sein könnte. Bis dies aber so weit ist, dürfte das Werk längst in einer oder auch mehreren Neuauflagen seine Fangemeinde gefunden haben.

Die Rechtsfähigkeit des Nasciturus.

Von Martina Roller. Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2013, 260 S., kart., € 89,90

Gemäß § 1 BGB beginnt die Rechtsfähigkeit des Menschen mit der Vollendung der Geburt. Die Rechte des Naciturus sind nur sehr bruchstückhaft geregelt – etwa durch die §§ 844 Abs.  2 und 1923 Abs. 2 BGB – und auch die wissenschaftliche Aufarbeitung der The-matik ist noch nicht allzu weit fortgeschritten. Diese Lücke versucht die Autorin zu schließen.

Der erste Teil der Arbeit ist den Grundlagen der Rechtsstellung des Nasciturus gewidmet. Die Verfasserin geht hier zunächst detailliert auf die rechtsgeschichtliche Entwicklung ein, wobei sie zwischen dem römischen Recht, dem gemeinen Recht und dem Allgemeinen Landrecht differenziert. Im Weiteren stellt die Verfasserin sodann sehr differenziert den Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnis-se bezüglich des vorgeburtlichen Lebens und des Lebensendes dar, was im Hinblick auf die grundsätzlich erstrebenswerte Parallelität zwischen Naturwissenschaften und bestehenden gesetzlichen Re-gelungen von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist. Abgerundet wird die Darstellung der Grundlagen durch kürzere Ausführungen zum aktuellen Stand der (Rechts-)Philosophie, insbesondere der (Rechts-)Ethik, und zur Position der Theologie zum Beginn des menschlichen Lebens.

Die Darstellung der Grundlagen stellt insgesamt eine beeindru-ckende Leistung dar, denn die Verfasserin beschäftigt sich mit ganz unterschiedlichen Wissenschaftsbereichen. Der Jurist wird mögli-cherweise bei der Lektüre des medizinischen Teils mehr neue Er-kenntnisse gewinnen und der Mediziner bei der Befassung mit der rechtsgeschichtlichen Entwicklung, gewinnbringend ist die Lektüre wohl für jeden Leser.

Der zweite Teil der Arbeit ist sodann der „Stellung des Nasci-turus in der Gesamtrechtsordnung“ gewidmet, wobei mit Gesamt-rechtsordnung die geltenden Regelungen außerhalb des deutschen Zivilrechts gemeint sind; diese sind Gegenstand des dritten und der weiteren Teile der Arbeit. Man muss diese Gliederungssystematik nicht überzeugend finden, dies tritt jedoch gegenüber den inhalt-lichen Aspekten in den Hintergrund.

Beeindruckend ist zunächst die Fülle des Materials, das die Ver-fasserin zur zwischenstaatlichen Ebene zusammengetragen hat und das von der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte bis zu

Univ.-Prof. Dr. iur. Jochem Schmitt, Berlin, Deutschland

Rezensionen MedR (2014) 32: 351–352 351