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Hepatitis-DiagnostikDas sichere Fundament für die Therapieentscheidung
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Die Leber Die Leber liegt rechts im Bauchraum, unterhalb der Lunge. Sie ist das größte abgegrenzte Organ des Körpers und erfüllt haupt-sächlich vier Funktionen:•VerstoffwechselungvonNährstoffenzurEnergiegewinnung•LagerungüberschüssigerNährstoffe•HerstellungessenziellerMoleküle•VerstoffwechslungvonHormonen,MedikamentenundGiftstoffen
Alle diese Funktionen sind lebensnotwendig.
HepatitisWörtlich übersetzt bedeutet Hepatitis „Leberentzündung“. Ausgelöst werden kann sie durch verschiedene Ursachen. Der häufigste Aus-löser ist eine Infektion mit einem Virus, meist mit Hepatitis-A-Virus (HAV), Hepatitis-B-Virus (HBV) oder Hepatitis-C-Virus (HCV). Selte-ner sind Infektionen mit anderen Viren der Auslöser, beispielsweise mit dem Hepatitis-D-Virus, dem Epstein-Barr-Virus, dem Rötelnvirus oder dem Gelbfiebervirus, oder Bakterieninfektionen. Auch Medi-kamente und Gifte können Hepatitis auslösen.1 Außerdem kann eine Hepatitis als Automimmunhepatitis durch eine Störung des Immunsystems2 oder als stoffwechselbedingte Hepatitis3 auftreten. Bei einer Auslösung durch Viren wehrt sich der Körper mit seinem Immunsystem gegen die Viren. Da die Viren in Leberzellen (Hepato-zyten) eindringen müssen, um sich zu vermehren, greift das Immun-system das Lebergewebe an, was zu Leberschäden führt.4
SymptomeBei der Hepatitis werden akute (Dauer kürzer als sechs Monate) und chronische Formen (Dauer länger als sechs Monate) unter-schieden.4 Viele Fälle von akuter Hepatitis verlaufen ohne Symptome, die Patien ten wissen also oft gar nichts von ihrer Infektion. Wenn bei einer akuten Hepatitis Symptome auftreten, so sind diese unab-hängig vom auslösenden Virus sehr ähnlich. In der Anfangsphase der Infektion treten Fieber, Müdigkeit, Schwächegefühl, Übelkeit und Erbrechen, Glieder- und Muskelschmerzen, eine schmerzende, vergrößerte Leber (erkennbar an Schmerzen im rechten Oberbauch) sowie grippeähnliche Symptome auf.5 Später kann sich dann eine Gelbsucht entwickeln, die durch eine Gelbfärbung der Augen und Haut, einen dunklen Urin und hellen Stuhl gekennzeichnet ist. Gelbsucht entsteht, wenn die Leber Bilirubin (einen gelbfarbenen Bestandteil der Gallenflüssigkeit) nicht abbauen kann und dieser Stoff sich daraufhin im Blut anreichert.4 Patienten mit chronischer Hepatitis zeigen oft keine Symptome, die Krankheit führt zu ernsten Folgeschäden wie Leberzirrhose (bei der Leberschäden zu einem Ersatz von normalem Gewebe durch Narben- und Bindegewebe führen), Leberzellkarzinom (Leberkrebs) und Leberversagen.6,7
DiagnostikEine Hepatitis wird diagnostiziert über die biochemische Messung der Leberfunktion. Hierzu gehört die Messung des Bilirubin spiegels im Serum und im Urin, des Gesamtproteinspiegels und des Serum-albuminspiegels sowie der Aktivität der Enzyme Alanin-Aminotrans-ferase (ALT, ALAT, GPT), Aspartat-Aminotransferase (ASAT, GOT) und alkalische Phosphatase (AP). Zur Ermittlung der Ursache der Hepatitis müssen jedoch spezifische Tests durch geführt werden, wie der Nachweis von Bestandteilen der Viruspartikel, von viraler DNA oder RNA und von Antikörpern gegen das Virus in Serumproben der Patienten.4
Einführung
Leber
Vene Arterie
Gallenblase
Abbildung 1: Aufbau der Leber
Abbildung 2: Auslöser von Hepatitis
Gifte
Morbus Wilson
Alkohol
Auto-Antikörper
Medika-mente
Viren• HAV• HBV• HCV• HDV• HEV• HSV• CMV• EBV• Rötelnvirus• Coxsackie- Virus• Gelbfieber- virus• Varicella- Zoster-Virus• ECHO-Viren
Das VirusDas Hepatitis-A-Virus (HAV) wurde 1973 erstmals beschrieben.8 Es gehört zur Familie der Picornaviren, zu der auch Viren zählen, die einfache Erkältungen auslösen. Es ist ein kleines, 27–32 nm durchmessendes Virus ohne Hüllmembran mit einem 7,5 kb lan-gen, einzelsträngigen RNA-Genom in Positivstrangorientierung9,10,11 (Abbildung 3).
Man hat bislang 152 verschiedene HAV-Stämme gefunden, die so in sieben Genotypen (I–VII) eingeteilt wurden, dass die Nukleotidse-quenz der Stämme innerhalb eines Genotyps zu mehr als 85 % iden-tisch ist.11 Die Genotypen I und III wurden noch jeweils in die Unter-gruppen A und B unterteilt. Die HAV-Stämme der Genotypen I, II, III und VII wurden aus menschlichen Patienten isoliert, die Stämme der Genotypen IV, V und VI wurden in Affenarten gefunden.11
PrävalenzWeltweit ist HAV ein Hauptauslöser der infektiösen Gelbsucht;12 jedes Jahr gibt es 1,4 Millionen HAV-Infektionen.13 In Gegenden mit niedrigen Hygienestandards, beispielsweise in Teilen von Afrika, Asien und Lateinamerika, liegt die Seroprävalenz bei Kindern unter
5 Jahren nahe 100 %.10,13 In den USA und in Westeuropa ist die Seroprävalenz dagegen deutlich niedriger (in manchen Gegenden nur 10 %) und bei Erwachsenen höher als bei Kindern.10,13 Siehe Abbildung 4 unten.HAV wird in der Regel fäkal-oral übertragen, was zu Ausbrüchen führen kann, die ganze Gemeinden betreffen.9,10,12,13 Die Symptome entwickeln sich erst nach einer Inkubationszeit von 10–50 Tagen, HAV-Partikel werden aber bereits 1–2 Wochen vorher im Stuhl ausgeschieden;10,12 in dieser Zeit ist das Übertragungsrisiko wahr-scheinlich am höchsten.12
Verlauf der KrankheitDie Symptome setzen in der Regel abrupt ein, oft innerhalb von 24 Stunden. Sie sind normalerweise unspezifisch, wobei in etwa 50 % der Fälle hohes Fieber auftritt. Durchfall, Übelkeit und Erbre-chen sind häufig bei erkrankten Kindern, bei Erwachsenen werden schwerere Symptome beobachtet. Medizinische Hilfe wird üblicher-weise beim Einsetzen der Gelbsucht in Anspruch genommen, etwa 10 Tage nach dem Einsetzen der Symptome, und in vielen Fällen ist das Fieber bis dahin abgeklungen.9,10,12 Die Symptome klingen langsam über einen Zeitraum von mehreren Wochen ab10 und die Patien ten sind nach 3–6 Monaten wieder vollständig genesen.9 In den Wochen und Monaten nach vollständigem Abklingen der Symp-tome können Rückfälle auftreten (bei Kindern häufig mehrere), aber die Prognose für eine vollständige Genesung ist gut.9,10,12
Eine HAV-Infektion führt zwar nicht zu einer chronischen Hepatitis, aber andere schwerwiegende Begleit- und Folgeerkrankungen sind mitunter möglich.9,10,12 Hierzu gehören Cholestase (über mehrere Monate anhal-tende Gelbsucht mit vollständiger Genesung), Symptome außerhalb der Leber wie Hautausschlag oder Arthritis, akutes Leberversagen und eine fulminante Hepatitis (nur bei Patienten über 50). Es gibt auch Hinweise, dass eine HAV-Infektion zu einer Autoimmunhepatitis führen könnte.12
Hepatitis A
Core-Protein 1
Einzelsträngiges RNA-Genom
Core-Protein 3
Core-Protein 2
Core-Protein 4
Abbildung 3: Aufbau des Hepatitis-A-Virus
Geschätzte Immunität bei Kindern. Dunklere Schattierung bedeutet höhere Expostionsrate.
Geschätzte Immunität bei Erwachsenen. Dunklere Schattierung bedeutet größeren Anteil gefährdeter Erwachsener.
Abbildung 4: Seroprävalenz des Hepatitis-A-Virus bei Kindern und Erwachsenen14
DiagnostikDie Diagnose einer HAV-Infektion erfolgt über die Messung HAV-spezifischer Antikörper in einer Blutprobe des Patienten. HAV-spezi-fisches Immunglobulin M (IgM) wird zu Beginn der Infektion gebil-det und die Menge im Blut steigt über die folgenden 4–6 Wochen an. Dann fällt der Spiegel über die nächsten 3–6 Monate wieder ab, bis das Anti-HAV-IgM nicht mehr nachweisbar ist. Zu diesem Zeit-punkt haben sich dann auch die Leberwerte der meisten Patienten normalisiert (siehe Zusammenfassung in Abbildung 5). Das HAV-spezifische Immunglobulin G (IgG) verleiht einen Langzeitschutz gegen eine erneute Infektion mit HAV.9,10,12 Zwei Tests werden zur spezifischen Diagnose einer HAV-Infektion angewendet: einer zum Nachweis des HAV-spezifischen IgM (Anti-HAV-IgM) und einer zum Nachweis der gesamten HAV-spezifischen Antikörper (Anti-HAV) im Blut. Ein positives Ergebnis des Anti-HAV-Tests liefert keine Aussa-ge darüber, ob die Infektion akut ist oder in der Vergangenheit lag; man benötigt ein positives Anti-HAV-IgM-Ergebnis, um das Vorlie-
gen einer akuten Infektion zu bestätigen. Der Anti-HAV-Test kann auch in Kombination mit einem negativen Anti-HAV IgM Befund zur Bestimmung des Immunstatus nach einer Impfung verwendet werden.9,10,12 In Abbildung 6 ist ein Schema zum Ablauf der Diagnose einer HAV-Infektion gezeigt.
Behandlung und VorbeugungEs gibt bislang kein spezifisches antivirales Arzneimittel gegen HAV und die allgemeinen antiviralen Wirkstoffe zeigen nur eine begrenzte Wirkung. Den Patienten wird eine ausgewogene Ernährung emp-fohlen, allgemein Schonung und möglichst wenig alkoholische Getränke, welche die Leber weiter schädigen könnten. Schwere Folgeerkrankungen sind bei HAV-Patienten selten, eine stationäre Behandlung ist daher nur bei Dehydrierung infolge von schwerer Anorexie oder schwerem Erbrechen notwendig.10,12
Eine Vorbeugung von HAV-Infektionen ist möglich durch Immunisie-rung mit humanem Anti-HAV-IgG und durch Impfstoffe.12 Es stehen verschiedene Impfstoffe zur Verfügung, die Immunität für mehr als 20 Jahre verleihen sollen, sowohl Totimpfstoffe mit inaktivierten Viren als auch Lebendimpfstoffe mit abgeschwächten Viren.12,15,16 In Gebieten mit einer mittleren Prävalenz der Infektion werden Klein-kinder unter 2 Jahren geimpft, um die Belastung der Erwachsenen mit der Krankheit zu verringern (die normalerweise Symptome zeigen); in den USA erfolgt die Impfung routinemäßig im Alter von etwa einem Jahr.15 Wer in Gebiete mit hoher Prävalenz reist, beispiels weise nach Asien, Afrika, Lateinamerika, Osteuropa oder in den Nahen Osten, sollte vor der Reise geimpft werden, wenn bislang keine Infektion oder Impfung vorlag.15 Impfstoffe können sogar noch nach der Exposition gegeben werden, wenn die Gabe schnell genug danach erfolgt.15
Abbildung 6: Schema zum Ablauf der Diagnose einer HAV-Infektion
Frühere HAV-Infektion
Keine HAV-Infektion
–
–Anti-HAV
Test auf HAV-Infektion
HBV? HCV?
Akute HAV-Infektion
+
+
Anti-HAV -IgM
Anti-HAV-IgM
Anti-HAV-IgM • • (•)
Beginn der Gelbsucht
Akute Phase28 – 45 Tage
Zeit nach Infektion
Rel
ativ
e K
on
zen
trat
ion
Rekonvaleszenzphase40 – 90 Tage
ImmunitätJahre
Anti-HAV (IgG + IgM) PCR (im Stuhl)
Anti-HAV (IgG + IgM) • • • •HAV (im Stuhl) • •
Abbildung 5: Zeitlicher Verlauf der Marker bei einer Hepatitis-A-Infektion
Das VirusDas Hepatitis-B-Virus (HBV), auch Dane-Partikel genannt, wurde in den 1970er Jahren identifiziert,17 nachdem schon zuvor das sogenannte Australia-Antigen entdeckt worden war, von dem man heute weiß, dass es das HBV-Oberflächen-Antigen ist.18 Es handelt sich um ein umhülltes Virus mit einem teilweise doppelsträngigen, zirkulären DNA-Genom, das zur Familie der Hepadnaviren gezählt wird.6,19 Der Aufbau des Virus ist in Abbildung 7 dargestellt.
Acht Genotypen (A–H) sind bekannt, die sich untereinander jeweils um mehr als 8 % im Gesamtgenom unterscheiden.
PrävalenzWeltweit sind etwa 2 Milliarden Menschen mit HBV infiziert, und 350 Millionen von diesen sind chronische Virusträger.20 In Afrika und Asien ist die Prävalenz deutlich höher als in den USA, aber auch in den USA gibt es etwa 5 000 HBV-bedingte Todesfälle pro Jahr.6 Insgesamt 45 % der Weltbevölkerung leben in Gegenden mit einer hohen HBV-Seroprävalenz, wobei die Prävalenz an verschiedenen Orten stark variiert20 (siehe Abbildung 8).
Auch die Prävalenz der einzelnen HBV-Genotypen variiert regions-abhängig,22,23 siehe Tabelle 1. Die Genotypen B und C findet man vorwiegend in Asien, während in Europa und in den USA die Geno-typen A und D überwiegen.
Übertragen wird HBV über den Kontakt mit Blut, Organen oder ande-ren Körperflüssigkeiten einer infizierten Person. HBV kann nicht die Hautbarriere überwinden, die Übertragung muss also über eine Haut-verletzung oder einen Nadelstich erfolgen.6,19,20 Weltweit gesehen ist der häufigste Übertragungsweg der zwischen Mutter und Kind; in Gegen-den mit niedriger Prävalenz, wie in den USA oder Westeuropa, sind die wichtigsten Übertragungswege jedoch intravenöser Drogenkonsum, Exposition am Arbeitsplatz und ungeschützter Geschlechtsverkehr.6,20,24 Bluttransfusionen und Organtransplantationen werden in entwickel-ten Ländern nicht mehr als bedeutendes Risiko angesehen, da in den letzten 20 Jahren strenge Screeningprogramme eingeführt wurden.6,20 Im Gegensatz zum Hepatitis-C-Virus (HCV) vermehrt sich HBV sehr schnell, so dass schon bei einer einzigen Exposition am Arbeitsplatz, beispielsweise durch eine Stichverletzung mit einer Injektionsnadel, ein erhebliches Risiko für eine Übertragung besteht. Daher sollte medizini-sches Fachpersonal als stark gefährdet eingestuft werden.6
Verlauf der KrankheitHBV kann sowohl akute als auch chronische Erkrankungen auslösen. Die chronische Infektion ist schwierig zu heilen, da die DNA des Virus in das Genom des Wirts eingebaut werden kann.24 Bei einer akuten Infektion beträgt die Inkubationszeit 1–6 Monate; während dieser Zeit breitet sich das Virus im Lebergewebe aus. Dann greift das Immun-system des Wirts das Virus an. Da die Vermehrung des Virus in den Hepatozyten stattfindet, führt der Angriff des Immunsystems zu einer Schädigung des Lebergewebes mit Freisetzung von Alanin-Amino-transferase (ALT) in die Blutbahn. Die Stärke der Immunreaktion auf eine HBV-Infektion ist individuell unterschiedlich, so dass etwa 65 % der akuten HBV-Infektionen symptomfrei verlaufen, während beim Rest der Fälle unspezifische Symptome und Gelbsucht in der soge-nannten ikterischen Phase auftreten.19 Bei einem sehr kleinen Anteil der Patienten mit akuter HBV-Infektion (0,1–1 %) kommt es zu einem Fortschreiten zur fulminanten Hepatitis und zu Leberversagen.19
Hepatitis B
DNA-Polymerase Hepatitis-Be-Core-Antigen (HBeAg) wird bei aktiver Infektion abgegeben
Hepatitis-B-Core-Antigen (HBcAg)
Kapsid (Core)
Hepatitis-B-Oberflächen-Antigen (HBsAg)
Teilweise doppelsträngige DNA
Hülle
Abbildung 7: Aufbau des Hepatitis-B-Virus
Hoch (HBsAg-Prävalenz ≥ 8 %)
Mittel (HBsAg-Prävalenz 2 %–7 %)
Niedrig (HBsAg-Prävalenz < 2 %)
Abbildung 8: Weltweite Prävalenz von HBV-Infektionen21
HBV-Genotyp Region
A Asien, Afrika, Europa, Nordamerika
B Asien
C Asien, Ozeanien
D Europa, Afrika, Asien
E Afrika
F Mittel- und Südamerika
G Europa, Südafrika
H Mittel- und Nordamerika
Tabelle 1: Regional abweichende Prävalenz der HBV-Genotypen 22,23
Ob eine akute HBV-Infektion chronisch wird, hängt stark vom Alter des Wirts zum Zeitpunkt der Infektion ab.24,25 Bei etwa 90 % der infizierten Neugeborenen, 20–30 % der Kleinkinder zwischen 1 und 2 Jahren, 6 % der Kinder zwischen 5 und 15 Jahren und 1–5 % der Erwachsenen entwickelt sich eine chronische HBV-Infektion.25 Die chronische HBV-Infektion wird in vier Phasen eingeteilt, die in Abbil-dung 9 dargestellt sind.
Die vier Phasen werden anhand verschiedener Marker im Serum voneinander abgegrenzt. Hierbei handelt es sich um HBV-DNA, ALT, Hepatitis-B-Oberflächen-Antigen (HBsAg) und Hepatitis-Be-Antigen (HBeAg). HBsAg ist ein Proteinbestandteil der Oberfläche des HBV-Partikels und gemeinsam mit HBV-DNA einer der ersten Marker, die nach einer Infektion im Serum erscheinen. HBeAg entsteht aus dem Pre-Core-Protein und wird als Marker der Vermehrung und Infekti-osität der Viren verwendet. Außerdem kann man im Blut während einer HBV-Infektion Antikörper gegen ein drittes Virusprotein, das Hepatitis-B-Core-Antigen (HBcAg) nachweisen.6 Die Entwicklung der Konzentration der einzelnen Marker bei akuter und chronischer HBV-Infektion ist in der Abbildung unten dargestellt.In der immuntoleranten Phase sind nur wenige Hepatozyten geschä-digt, da die Immunantwort auf das eindringende HBV nicht sehr stark ist. Das bedeutet, dass der ALT-Spiegel normal ist, HBV-DNA,
HBsAg und HBeAg jedoch im Serum nachweisbar sind.19,25,26 Die Infektion kann innerhalb von 20 Jahren ohne Behandlung ausheilen, dies geschieht jedoch nur in etwa 15 % der Fälle.6
Die immunreaktive Phase oder Clearance-Phase beginnt 20–30 Jahre nach Beginn der immuntoleranten Phase.6 Das Immunsystem des Wirts greift aktiv das Lebergewebe an, um die HBV-Infektion zu bekämpfen, und die geschädigten Hepatozyten setzen eine große Menge an ALT in die Blutbahn frei. In Patientenproben kann man HBV-DNA (>106 Kopien/mL), HBsAg und HBeAg nachweisen.19,25,26 Diese Phase der Krankheit ist als HBeAg-positive chronische Hepa-titis B bekannt. In dieser Phase der chronischen HBV-Infektion ent-wickelt sich innerhalb der nächsten 5 Jahre bei 12–20 % der Patien-ten eine schwere Leberschädigung.6
In der niedrigreplikativen Phase wird die Virusreplikation weitgehend durch das Immunsystem unterdrückt. Hierbei kommt es zum Ver-lust von HBeAg und zur Entwicklung HBe-spezifischer Antikörper (als HBeAg-Serokonversion bekannt). Bei 10–20 % der Patienten geschieht das spontan,6 während bei anderen diese Phase durch eine Behandlung erreicht wird. Der Spiegel von HBV-DNA (<104 Kopien/mL) und HBsAg ist niedrig und die Leberwerte, z. B. ALT, sinken wieder auf ihre Ausgangswerte.25–27 Patienten mit anhaltender niedrig replikativer Phase werden als „inaktive Virusträger“ bezeichnet und haben im Allgemeinen eine gute Prognose. Es kann bei diesen Patienten jedoch zum „Immun-Escape“ und zur Reaktivierung kommen, woraufhin sich eine aktive HBeAg-negative Hepatitis entwickelt, die mit Fortschreiten zur Leberzirrhose oder zum Leberkrebs assoziiert ist.25–27 Ursache ist eine Mutation des Virusgenoms, die zu einer verringerten oder fehlen-den Bildung von HBeAg führt. Der Serumspiegel von HBV-DNA und ALT ist erhöht, schwankt aber. Eine HBeAg-negative chronische HBV-Infektion hat eine längere Dauer als die HBeAg-positive Erkrankung und die Leberschäden sind oft größer.19,25,26
Eine HBV-Infektion kann zu sehr schweren Folgeerkrankungen führen. Hierzu gehören Leberzirrhose, Leberversagen (auch Leber-dekompensation genannt) und Leberkrebs, auch als hepatozellu-läres Karzinom (Leberzellkrebs, HCC) bezeichnet. Bei 15–40 % der HBV-Infizierten wird es zu einer oder zu mehreren dieser Folgeer-krankungen kommen.20 Eine Leberzirrhose entwickelt sich bei 2–6 % der HBeAg-positiven HBV-Infizierten und bei 8–9 % der HBeAg-negativen HBV-Infizierten.6 Das Risiko eines Leberversagens beträgt 15–20 % über 5 Jahre und liegt bei Patienten mit aktiver Infektion höher als bei inaktiven Virusträgern.25 Von den Patienten mit Leber-zirrhose entwickeln jährlich etwa 2,5–3 % ein HCC, bei Patienten ohne Leberzirrhose beträgt die Rate 0,5–1 % pro Jahr.6 Es gibt Hinweise, dass der Genotyp des HBV einen Einfluss auf das klini-sche Endergebnis der Infektion hat. Der Genotyp B geht mit einem stärkeren Verlust von HBeAg einher, der Genotyp C ist stark mit der Entwicklung von HCC assoziiert. HBV des Genotyps F ist assoziiert mit einer sehr hohen Sterblichkeit.28
HBeAg–HBeAg+
Immun-tolerant
Immun-reaktiv
Niedrig-replikativ
Immun-Escape
Behandlung? Behandlung Beobachtung Behandlung
HBV-DNA
HBV-DNA
ALT
ALT
HBsAg
HBsAg
HBeAg-pos. chronische Hepatitis B
Inaktiver Träger-Status
HBeAg-neg.chronische Hepatitis B
Abbildung 9: Die vier Phasen der chronischen HBV-Infektion 26
Monate nach Infektion mit HBV0 1 2 3 4 5 6 12 24 36
ALT bei akuter Infektion
ALT bei chronischer Infektion
Kon
zen
trat
ion
HBV-DNA
Anti-HBc-IgM
HBeAg
HBsAg
Erscheinen klinischer Symptome
Anti-HBs
Akute Hepatitis B
Übergang von akuter zu chronischer Hepatitis B
Abbildung 10: Zeitlicher Verlauf der Marker bei einer HBV-Infektion 25
DiagnostikDie Anwesenheit von HBV und die Phase der HBV-Infektion werden durch Messung der oben behandelten Serummarker diagnostiziert. Bei einer akuten Infektion (Abbildung 11) kann zuerst HBsAg nach-gewiesen werden, 1–6 Wochen vor Auftreten der körperlichen Symp-tome. IgM Antikörper gegen HBcAg (Anti-HBc) können erstmals 1–2 Wochen später nachgewiesen werden und bleiben bis zu 6 Monate nach Verschwinden (Clearance) des HBsAg (Ausheilung der akuten Infektion) nachweisbar. HBeAg und HBV-DNA tauchen früh auf und können bis etwa drei Monate nach Einsetzen der Infektion nachge-wiesen werden, was einem Maximum des ALT-Spiegels entspricht. Antikörper gegen HBsAg (Anti-HBs) können 1–2 Monate später nachgewiesen werden. Wenn sowohl Anti-HBs- als auch
Anti-HBc-IgG nachgewiesen werden, deutet dies auf eine frühere, abgeheilte Infektion hin; die Anwesenheit von Anti-HBs allein weist darauf hin, dass der Patient aufgrund einer HBV-Impfung immun ist.25
Wenn HBeAg länger als 10 Wochen und HBsAg länger als 6 Monate im Serum nachweisbar sind, weist dies auf ein Fortschreiten zur chronischen Infektion hin25 (siehe Abbildung 12).
In Tabelle 2 sind die Testergebnisse aller Serummarker in den ver-schiedenen Phasen der HBV-Infektion aufgeführt.
In aktuellen Leitlinien wird empfohlen, die folgenden Personengrup-pen routinemäßig auf HBV-Infektionen zu untersuchen: Personen, die in Gegenden mit mittlerer oder hoher HBV-Prävalenz leben; Personen mit regelmäßigem Kontakt zu HBV-Infizierten; intravenös Drogenabhängige; Personen mit mehreren Sexualpartnern; Gefäng-nisinsassen; Personen, die bereits mit HCV oder HIV infiziert sind, oder die erhöhte Leberwerte haben; Dialysepatienten; Schwangere; immungeschwächte Patienten.27
Wochen nach Exposition
0 4 8 12 16 20 24 28 32 36 52 100
HBsAg Anti-HBs Anti-HBc-IgM Anti-HBc Gesamt
Tite
r
HBeAg
Symptome
Anti-HBe
Abbildung 11: Typischer serologischer Verlauf einer akuten Hepatitis-B-Virus-
Infektion mit Heilung.
HBeAg
Akut (6 Monate) Chronisch (Jahre)
Anti-HBe
Wochen nach Exposition
0 4 8 12 16 20 24 28 32 36 52 Jahre
HBsAg Anti-HBc-IgM Anti-HBc Gesamt
Tite
r
Abbildung 12: Typischer serologischer Verlauf einer Hepatitis-B-Virus-Infektion mit
Fortschreiten zur chronischen Hepatitis B.
HBsAg Anti-HBs HBeAg Anti-HBe Anti-HBc-IgM
Anti-HBc-IgG
HBV-DNA Phase
+ – + – + +/– +++Frühe Phase akute Hepatitis B
– – – + + +/– +„Window-Phase“ akute Hepatitis B
+ – + – –+
+++HBeAg-positive chronische Hepatitis B
+ – – + –+
++HBeAg-negative chronische Hepatitis B
+ – – + –+
+/–Inaktiver Virusträger
– +/– – + –+
–Immun durch Ausheilung der Krankheit
– + – – – – –Immun durch Impfung
Tabelle 2: Interpretation der Ergebnisse der Hepatitis-B-Tests6
Behandlung und VorbeugungDie Hauptziele der Therapie einer chronischen HBV-Infektion sind die Senkung der Viruslast im Blutkreislauf, der Schutz vor Leber-schäden und die Verhinderung eines Fortschreitens zur Leberzirrho-se oder zum HCC. Behandlungsoptionen für die chronische Hepa-titis B sind Nukleos(t)idanaloga (NA), welche die Virusreplikation hemmen, sowie eine zeitlich begrenzte Therapie mit pegyliertem Interferon a (PEG-IFN-a). Die zweite Option wirkt sowohl antiviral als auch immunmodulatorisch, was zu einer lang über das Behand-lungsende anhaltenden Reaktion führen kann. Ein Vorteil des pegy-lierten Interferons ist, dass es die Clearance von HBsAg aus dem Serum induzieren kann, was in Leitlinien als größte Annäherung an eine Heilung angesehen wird. Alle wichtigen internationalen Leitli-nien haben pegyliertes Interferon als eine erste Behandlungsoption aufgenommen.27,29,30 Erfolg hat diese Behandlung nur bei 1 von 3 Patienten.
In Tabelle 3 sind die Vor- und Nachteile der zwei Behandlungsoptio-nen zusammengefasst.29
Die zur Diagnose einer chronischen HBV-Infektion verwendeten Serummarker können auch zur Überwachung der Wirksamkeit der Behandlung genutzt werden. Laut Leitlinie der European Association for the Study of the Liver (EASL) haben Patienten mit einem nied-rigem HBV-DNA-Spiegel und ein hoher ALT-Spiegel vor Behand-lungsbeginn eine gute Prognose. Auch signifikant gesunkene Spie-gel von HBeAg und HBV-DNA in Woche 12 bzw. Woche 24 deuten auf ein gutes Behandlungsergebnis hin.29 Einige Studien haben gezeigt, dass das Ausmaß und der zeitliche Verlauf der Reduktion von HBsAg während der PEG-IFN-a-Behandlung Aussagen zur Langzeitwirksamkeit bei HBeAg-positiver und HBeAg-negativer chronischer Hepatitis B erlauben31-38 und unter Umständen auch zur Empfindlichkeit gegenüber einer Behandlung mit bestimmten NA.37,38 Die praktische Anwendung der „response-guided therapy“ (Anspre-chen-gesteuerte Behandlung) bei der Behandlung mit PEG-IFN-a ist in Tabelle 4 gezeigt. Es gibt auch Hinweise, dass der HBsAg-Spiegel, besonders in Kombination mit dem HBV-DNA-Spiegel,
verwendet werden kann, um Patienten, die sich in der inaktiven Trägerphase der HBV-Infektion befinden, von Patienten in der akti-ven Erkrankungsphase abzugrenzen und so zu ermitteln, welche Patienten von einer Behandlung profitieren würden.39-41
Identifizierung von Respondern (PPV) in Behandlungswoche 12
Identifizierung von Non-Respondern (NPV) in Behandlungswoche 12
HBeAg-positive PatientenHBsAg < 20 000 IU/mL36,42
HBeAg-positive PatientenHBsAg > 20 000 IU/mL36,42
HBeAg-negative Patienten> 10 % Verringerung von HBsAg34
(bei Genotyp D in Behandlungs-woche 24)43
HBeAg-negative Patienten (Genotyp D)Keine Verringerung von HBsAg und < 2 log10 Verringerung der HBV-DNA44
Die Übertragung des Hepatitis-B-Virus kann auf mehrere Weisen kontrolliert werden. Gute Hygiene, sichere Sexualpraktiken, effek-tive Sterilisationsverfahren und Einweginstrumente in der Medizin sowie eine durchgehendes Screening von Blutprodukten helfen dabei, Infektionswege des HBV zu blockieren.27,45 Außerdem sind seit mehr als 20 Jahren sichere und wirksame Impfstoffe verfügbar. Diese Impfstoffe enthalten HBsAg, da bekannt ist, dass im Blut von Personen, die eine vollständig ausgeheilte HBV-Infektion hinter sich haben, Anti-HBs-Antikörper vorhanden sind. Die Impfung besteht aus drei Injektionen, die im Monatsabstand verabreicht werden, mit einer Auffrischung 6–12 Monate später, falls erforderlich. Zur Beurteilung der Wirksamkeit wird der Anti-HBs-Titer bestimmt; bei einem Titer von 10–100 mIU/mL geht man von einer Schutzwirkung aus. Bei 5–10 % der Erwachsenen wird mit dieser standardmäßi-gen Drei-Dosen-Impfung jedoch keine Immunantwort ausgelöst.46 Die Impfung wird empfohlen für Personen, die regelmäßig Kontakt mit HBV-Infizierten haben, für Neugeborene von HBV-infizierten Müttern, für Dialysepatienten und für am Arbeitsplatz Gefährdete.27 Getestet wird auch die Anwendung von DNA-Impfstoffen im thera-peutischen Umfeld.46
Pegyliertes Interferon
Nukleos(t)id- Analoga
Vorteile Begrenzte DauerKeine ResistenzMehr HBc- und HBs-Serokonversion
Starke antivirale WirkungGute VerträglichkeitOrale Verabreichung
Nachteile Mittelstarke antivirale WirkungNebenwirkungenSubkutane Injektionen
Unbegrenzte DauerResistenzrisikoWeniger HBc- und HBs-Serokonversion
Tabelle 3: Vorteile und Nachteile von pegyliertem Interferon und Nukleos(t)idanalo-ga bei der Behandlung von chronischer Hepatitis B
Tabelle 4: Praktische Anwendung der „response-guided therapy“ bei Behandlung mit PEG-IFN-a auf Grundlage des HBsAg-Spiegels.
Das VirusDas Hepatitis-C-Virus (HCV) wurde 1989 entdeckt.47 Es gehört zur Familie Flaviviridae und besitzt ein einzelsträngiges RNA-Genom in Positivstrangorientierung.7,48 (Abbildung 13). Die Einteilung der HCV-Subtypen ist sehr komplex. Bislang wurden über 50 Subtypen iden-tifiziert, die in sechs Genotypen eingeteilt wurden, welche unterein-ander um 31–33 % auf Nukleotidebene variieren.49 Innerhalb jedes Genotyps existieren verschiedene Subtypen, die untereinander um 20–25 % variieren.49 Die Replikation der HCV-RNA ist fehleranfällig, daher mutiert das Genom und es entstehen neue Stämme. Das Virus liegt darum im Blut als Quasispezies vor, als verschiedene gleichzei-tig auftretende und leicht voneinander verschiedene Versionen des Virus mit um 1–5 % untereinander abweichenden Genomen.7,48
PrävalenzMan geht davon aus, dass weltweit 2,2–3,0 % der Menschen mit HCV infiziert sind, wobei die höchste Prävalenz in Afrika, im östli-chen Mittelmeerraum und in Asien zu finden ist 50,51 (Abbildung 14).Der jeweils vorherrschende Genotyp des Virus ist regional verschie-den, siehe Tabelle 5.49
Übertragen wird HCV über Hautkontakt mit Blutprodukten oder Organen einer infizierten Person. Dies kann über eine einzige starke Exposition geschehen, beispielsweise eine Bluttransfusion oder Org-antransplantation, oder über wiederholte schwache Expositionen, beispielsweise durch Injektion von Drogen oder Medikamenten mit unsterilisierten oder gemeinsam benutzten Nadeln. In entwickelten Regionen wie Westeuropa oder Nordamerika, wo seit vielen Jahren Blutspender-Screeningprogramme in Kraft sind, ist der Hauptüber-tragungsweg für HCV der intravenöse Drogenkonsum. In dieser Population ist das Risiko der Entwicklung einer chronischen Erkran-kung größer als für das Hepatitis-B-Virus (HBV) oder das humane Immundefizienzvirus (HIV). In weniger entwickelten Ländern sind die Hauptübertragungswege die medizinische Behandlung mit unsteriler Ausrüstung und nicht untersuchtes Blut. Eine Exposition am Arbeitsplatz, beispielsweise durch eine versehentliche Nadel-stichverletzung, und eine Schleimhautexposition, beispielsweise bei der Geburt durch die infizierte Mutter oder beim Geschlechtsverkehr mit einem infizierten Partner, werden bei HCV als erheblich weniger riskant angesehen als beim HBV.48,50
Verlauf der KrankheitDie Infektion mit HCV kann sowohl zu akuter als auch zu chroni-scher Hepatitis führen. Etwa 70–85 % der HCV-Infektionen werden chronisch, dies ist allerdings abhängig von Geschlecht, Alter, Ethnie und Immunstatus der Patienten.7,48 Bei der akuten Infektion beträgt die Inkubationszeit im Mittel sieben Wochen. Etwa 80 % der Pati-enten zeigen keine Symptome, bei den übrigen werden zu diesem Zeitpunkt unspezifische Symptome und Gelbsucht (wie bei Hepatitis A und Hepatitis B) beobachtet. Die Symptome halten über mehrere Wochen an, bevor sie bei 15–30 % der Patienten spontan abklingen. Bei Patienten mit HCV des Genotyps 3 ist die Chance für eine voll-ständige Heilung höher als bei mit Genotyp 1 infizierten Patienten.7,48 Patienten mit chronischer HCV-Infektion zeigen weitaus seltener Symptome als Patienten mit akuter Hepatitis C. Sie können aber
Hepatitis C
Kapsid (Core)
Einzelsträngiges RNA-Genom
Hülle
Abbildung 13: Aufbau des Hepatitis-C-Virus
> 10 % < 1 %5–10 %
2,5–4,9 %1–2,4 % Nicht bekannt
Abbildung 14: Prävalenz des Hepatitis-C-Virus 51
HCV-Genotyp Region Gefährdete Gruppen
1a Weltweit
1b Europa, Nordamerika Ältere Patienten, Bluttransfusionen
2 Mittelmeerraum, Naher Osten
Ältere Patienten
3 Hauptsächlich EuropaIntravenös Drogen-abhängige
4 Naher Osten Patienten in medizinischer Behandlung
5 Südafrika Nicht bekannt
6 Hongkong, Vietnam, Australien
Intravenös Drogen-abhängige
Tabelle 5: Regional vorherrschende Genotypen des Hepatitis-C-Virus
die gleichen Folgeerkrankungen entwickeln wie HBV-Patienten: Leberzirrhose, Leberversagen und hepatozelluläres Karzinom (HCC). Das klinische Endergebnis einer chronischen Hepatitis C ist für die einzelnen Patienten schwierig vorherzusagen, da es eine Untergrup-pe von Patienten gibt, die ein größeres Risiko für ein schnelleres Fortschreiten der Krankheit zu tragen scheinen. Dies scheint durch genetische Faktoren oder Umweltfaktoren bedingt zu sein, die nicht von vornherein bekannt sind.7,48,52
DiagnostikEine Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus kann nachgewiesen wer-den durch Messung der Menge an HCV-RNA, Alanin-Aminotrans-ferase (ALT) und HCV-spezifischen Immunglobulinen (Anti-HCV) in Serumproben des Patienten. So kann auch ermittelt werden, ob es sich um eine akute oder chronische Infektion handelt.7,48
Bei einer akuten Infektion steigt der HCV-RNA-Spiegel in den ers-ten Wochen nach Infektion auf ein Maximum an, bei dem dann die Symptome auftreten. Auch der Serum-ALT-Wert erreicht zu diesem Zeitpunkt ein Maximum auf einem bis zu 10-mal so hohen Wert wie
der Ausgangswert. Beide Marker sinken wieder auf den Ausgangs-wert, wenn die Symptome abklingen. Anti-HCV-Antikörper können ab dem Einsetzen der Symptome nachgewiesen werden.7,48 Dies ist in Abbildung 15 zusammengefasst.
Bei chronischer Hepatitis C kann HCV-RNA auch Jahre nach der Infektion nachgewiesen werden. In den Anfangsphasen entwickeln sich die Spiegel von HCV-RNA und ALT wie in den frühe Phasen der akuten Infektion. Anti-HCV steigt allerdings bei einer chroni-schen Infektion höher an und der Spiegel von HCV-RNA und ALT schwankt deutlich, so dass nach einer offensichtlichen Heilung noch bis zu ein Jahr lang regelmäßige Nachuntersuchungen erfolgen sollten7,48 (Abbildung 16).Die Erstuntersuchung erfolgt mit einem Screeningtest, der HCV-Antikörper nachweist. Wenn dieser Test positiv ausfällt, werden wei-tere Tests wie zum Beispiel ein HCV-RNA-Nachweis durchgeführt, um das Anti-HCV-Ergebnis zu bestätigen. In Tabelle 6 ist dargestellt, wie die erhaltenen Ergebnisse in der klinischen Praxis interpretiert werden sollten.48
In aktuellen Leitlinien wird empfohlen, die folgenden Personengrup-pen mit einem Screening auf HCV zu untersuchen: intravenös Dro-genabhängige; Personengruppen mit höherer Prävalenz; Personen, die vor 1992 eine Bluttransfusion oder Organtransplantation erhalten haben; Kinder, deren Mutter bei der Geburt HCV-infiziert war; am Arbeitsplatz exponierte Personen, beispielsweise durch Nadelstich-verletzungen; Personen mit einem HCV-infizierten Sexualpartner.53
ALT normal
200 102
104
106
108
1.000
800
600
400
Wochen nach Exposition
0 2 4 6 8 10 12 24 1 2 43Wochen Jahre
5 6
ALT
[U
/L]
HC
V-R
NA
[IU
/mL]
Anti-HCV
0
HCV-RNA ALT
Symptome
Abbildung 15: Zeitlicher Verlauf der Marker bei einer akuten HCV-Infektion 7
ALT normal
200 102
104
106
108
1.000
800
600
400
Wochen nach Exposition
0 2 4 6 8 10 12 24 1 2 43Wochen Jahre
5 6
ALT
[U
/L]
HC
V-R
NA
[IU
/mL]
Anti-HCV
0
HCV-RNA ALT
Symptome
Abbildung 16: Zeitlicher Verlauf der Marker bei einer chronischen HCV-Infektion 7
Tabelle 6: Interpretation der Ergebnisse der Hepatitis-C-Tests
ALT Anti-HCV HCV-RNA Phase
- - + „Window-Phase“ Hepatitis C
+ - + Frühe Akute Hepatitis C
+ + + Akute Hepatitis C
- + - Ausheilung der Infektion
+ + + chronische Hepatitis C
Behandlung und VorbeugungDas Behandlungsziel bei chronischer Hepatitis C ist die Vermeidung von Folgeerkrankungen durch Eradikation des Virus. Dies wird als erfolgreich angesehen, wenn bei den Patienten ein anhaltendes virologisches Ansprechen beobachtet wird. Das bedeutet, dass HCV-RNA zum Behandlungsende nicht mehr nachweisbar ist und auch 24 Wochen später nicht detektiert werden kann.53 Patienten mit anhaltendem virologischen Ansprechen zeigen normalerweise auch in Woche 12 der Behandlung einen dramatisch gesunkenen HCV-RNA-Spiegel, dies wird als „frühes virologisches Ansprechen“ bezeichnet. Derzeit besteht die Standardbehandlung der chroni-schen Hepatitis C aus der Kombination von pegyliertem Interferon (PEG-IFN) und Ribavirin. Der Ablauf der Behandlung kann sich am Ansprechen der Patienten auf die Behandlung orientieren, siehe Tabelle 7.53-55
Es befinden sich mehrere direkt antivirale Wirkstoffe zur Behandlung der chronischen Hepatitis C in der Entwicklung, die wahrschein-lich in den nächsten Jahren zur Behandlung zugelassen werden. Zunächst werden sie zusammen mit pegyliertem Interferon und Ribavirin als Dreifachtherapie gegeben werden.
Aufgrund der genetischen Vielfalt des Virus steht derzeit kein Impf-stoff gegen HCV zur Verfügung. Es wird allerdings der Einsatz von DNA-Impfstoffen getestet. Man vermutet, dass die T-Zell-Antwort auf HCV-Infektion bei der chronischen Hepatitis C abgeschwächt ist; die in der Entwicklung befindlichen Impfstoffe sollen daher die T-Zell-Antwort stimulieren, damit die Infektion bekämpft wird.56
Tabelle 7: Ansprechen-gesteuerte Behandlung bei Hepatitis C 55
Genotyp 1 (4, 5, 6) Genotyp 2, 3•AnfänglicheViruslastmessen•Beginnmit48WochenPEGIFN+
Ribavirin•Frühesvirol.Ansprechen
bestimmen in Woche 12•WennViruslastmindestens
100-fach erniedrigt gegenüber Anfangswert, Behandlung fort-setzen bis Woche 48, sofern HCV-RNA in Woche 24 nicht mehr nachweisbar
•WennViruslastnichtmindestens100-fach erniedrigt, Behandlung abbrechen
•Beginnmit24Wochen PEG-IFN + Ribavirin
Virus Hepatitis-A-Virus Hepatitis-B-Virus Hepatitis-C-Virus
Prävalenz 1,4 Mio. Infektionen weltweit jährlich 2 Mrd. weltweit infiziert 2,2–3,0 % weltweit infiziert
Übertragungsweg Fäkal-oral Körperflüssigkeiten Infiziertes Blut oder Organtransplantation
Akut/chronisch Nur akut Akut und chronisch Akut und chronisch
Diagnostik Anti-HAVAnti-HAV-IgM HAV-RNA
HBsAg HBsAg BestätigungHBsAg QuantifizierungHBeAgAnti-HBsAnti-HBeAnti-HBcAnti-HBc-IgMHBV-DNA
Anti-HCVHCV-RNA
Behandlung Ausgewogene ErnährungAlkohol vermeidenBei Dehydrierung stationär
Nukleotid/Nukleosid-AnalogaPegyliertes Interferon
Pegyliertes Interferon plus Ribavirin
Vorbeugung Passive ImmunisierungImpfung
Verbesserte Hygiene Passive Immunisierung mit Hepati-tis-B-spezifischem Immunglobulin (kann bei nicht immunen Patienten auch noch kurz nach der HBV-Exposition verabreicht werden für sofortigen Kurzzeitschutz)Screening von BlutproduktenImpfung
Screening von Blutprodukten Kein Impfstoff verfügbar
Zusammenfassung
Akut Beschreibt eine Krankheit von kurzer Dauer
Antiviral Wirkung eines Wirkstoffs, der die Vermehrung eines Virus hemmt
Autoimmunhepatitis Leberkrankheit aufgrund einer zellver-mittelten Reaktion des Körpers gegen die eigene Leber
Chronisch Beschreibt eine Krankheit von langer Dauer
Diagnostik Die Verfahren zur Identifizierung einer Krankheit
DNA Desoxyribonukleinsäure, ein doppel-strängiges Nukleinsäure molekül, das bei den meisten Organismen den genetischen Code enthält
Entzündung Reaktion eines Gewebes auf eine Schädi gung. Merkmale: Wärme, Rötung, Schwellung und Schmerz
Fulminante Hepatitis Leberkrankheit mit besonders schnellem und starkem Verlust der Leberfunktion
Gelbsucht Gelbfärbung der Haut und der weißen Lederhaut der Augen aufgrund von überschüssigem Bilirubin im Blut
Genom Die Gesamtheit der genetischen Infor-mationen eines Organismus
Genotyp Der genetische Aufbau des Organismus, oder hier des Virus
Hepatitis Entzündung der Leber
Hepatozyten Der Hauptzelltyp der Leber, der für die meisten Leberfunktionen verantwortlich ist
Immunantwort Der Mechanismus, mit dem der Körper Krankheitserreger erkennt und sich vor ihnen schützt
Impfstoff Ein Stoff, der das Immunsystem dazu an- regt, den Schutz gegen einen speziellen Krankheitserreger aufzubauen
Infektion Eindringen von Krankheitserregern, beispielsweise Viren, in den Körper
Karzinom Ein Krebs, der von Epithelzellen ausgeht, also von der Haut oder den Geweben, die die Organe wie Brust, Darm, Leber oder Lunge bedecken oder auskleiden
Leberversagen/Leberdekompensation
Eine Situation, in der die Leber zu geschädigt ist, um noch korrekt zu funktionieren
Leberzirrhose Vernarbung des Lebergewebes
Passive Immunisierung
Behandlung mit Antikörpern, die gegen den Krankheitserreger gerichtet sind
Pathogen Ein Krankheitserreger, beispielsweise ein Virus oder ein Bakterium
RNA Ribonukleinsäure, ein einzelsträngiges Nukleinsäuremolekül, das eine wichtige Rolle bei der Proteinsynthese in den Zellen spielt und bei manchen Viren den genetischen Code enthält
Seroprävalenz Der Anteil der Individuen in einer Population, die gegen einen bestimmten Krankheitserreger immun sind
Stamm Eine genetische Variante oder ein genetischer Subtyp eines Organismus
Stoffwechsel, Verstoffwechselung
Die chemischen Reaktionen im Körper, die für das Leben unabdingbar sind
Symptom Eine Änderung einer Funktion, eines Gefühls oder des Aussehens, die vom Patienten wahrgenommen wird und Anzeichen einer Krankheit oder Störung ist. Beispiele sind Kopfschmerzen, Husten oder Hautausschlag
Übertragung Das Weitergeben einer Krankheit an ein anderes Individuum
Virus Ein kleiner (selbst im Mikroskop nicht erkennbarer) Krankheitserreger, der sich in den Zellen seines Wirtsorganismus vermehrt
Glossar
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