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Heterogenität und die Qualität von Bildung SYMPOSIUM
Promotionskolleg Universität Augsburg
29. und 30. Juni 2012
Gegründet im Jahr 1669, ist die Universität Innsbruck heute mit mehr als 26.000 Studierenden und über 4.000 Mitarbeitenden die größte und
wichtigste Forschungs- und Bildungseinrichtung in Westösterreich. Alle weiteren Informationen finden Sie im Internet unter: www.uibk.ac.at.
Die Aneignung professioneller Kompetenzen:
eine besondere Form des Lernens?
Univ.-Prof. Mag. Dr. Ilse Schrittesser
Überblick
1. Pädagogische Professionalität im Kreuzfeuer?
2. Lehrerbildung: Domänenmodell
Strukturkerne professionalisierten pädagogischen
Handelns und Ziele von Lehrerbildung
3. Konsequenzen für Aneignungsprozesse zur
Erreichung der Ziele
Pädagogische Professionalität im Kreuzfeuer?
Debatte um pädagogische Professionalität:
skeptische Stimmen, die auf einen erwarteten Niedergang
des Konstrukts der klassischen Professionen und auf die
inflationäre Begriffsverwendung von Professionalität
verweisen.
(Vgl. ZfPäd, 57. Beiheft)
Pädagogische Professionalität im Kreuzfeuer?
Professionen „historisches Auslaufmodell“?
(Helsper/Tippelt 2011, S. 269).
Der Lehrerberuf: eine Profession? (vgl. dazu Lundgreen
2011, Terhart 2011).
{In dieser Argumentation wird die Rede von den „semi-
professions“ wieder aufgegriffen, die eine Zeit bereits als ad
acta gelegt zu betrachten war (vgl. Etzioni 1969)}.
Pädagogische Professionalität im Kreuzfeuer?
Zu eng verstandener Begriff von Profession?
Fehlende Systematik der jeweiligen Handlungssphären,
sondern eher topische Züge?
Vgl. dazu Prange/Strobel-Eisele 2006, S. 31)
Pädagogische Professionalität im Kreuzfeuer?
Unter anthropologischer und gesellschaftsbezogener
Perspektive zeigen sich professionalisierungsbedürftige
Handlungssphären in so gut wie allen
Gesellschaftsformationen zu fast allen Zeiten in
unterschiedlicher Gestalt jedoch mit vergleichbarer
Strukturlogik.
(Zu den folgenden Ausführungen vgl. Schrittesser 2011 &
2012).
Pädagogische Professionalität im Kreuzfeuer?
Auf der Suche nach einem Konzept von Profession und
Professionalität, das die „innere auf die von [Professionen]
typischerweise zu lösenden Handlungsprobleme
zurückzuführende handlungslogische Notwendigkeit“
(Oevermann 1996, S. 70) als zentrales Bestimmungsmoment
heranzieht.
Pädagogische Professionalität im Kreuzfeuer?
Professionalität ist unter diesem Gesichtspunkt nicht „als
Übergangsphänomen der Moderne zu betrachten“
(Thole/Polutta 2011, S. 105), sondern schon früh
konstitutiver Handlungsbereich von Gesellschaft (vgl.
Oevermann 1996 & 2008).
Pädagogische Professionalität im Kreuzfeuer?
Diese strukturtheoretische Perspektive wäre daher um
den Aspekt zu erweitern, dass diejenige Handlungssphäre,
die wir gegenwärtig als professionalisiertes Handeln
beschreiben, immer schon eine entsprechende Plastizität
aufweist und sich mit gesellschaftlichem Wandel
mitverändert.
(Vgl. Stichweh 1992, 1994 und 1996, sowie Combe/Helsper
1996, Kanes 2010).
Sarah Brodhäcker Prof. Dr. Angelika Paseka
Professionen sind hoch spezialisierte Berufsgruppen
mit dem Ziel der Vermittlung zwischen individueller Autonomie und kollektiven Ansprüchen.
an überlebensrelevanten gesellschaftlichen Strukturorten
zuständig für bedeutende kulturelle Tradition bzw.
signifikanten Wissensbereich
Sarah Brodhäcker Prof. Dr. Angelika Paseka
Strukturkerne professionalisierten Handelns
Gesellschaftliche und individuelle Signifikanz der jeweiligen Sachthematik (Gesundheit, Recht, Bildung)
Fallorientierung und Arbeitsbündnis statt technischer Lösungen
Ausrichtung an „Hilfe zur Selbsthilfe“
Sarah Brodhäcker Prof. Dr. Angelika Paseka
Ist Lehrerhandeln unter dieser Perspektive als
professionelle bzw.
professionalisierungsbedürftige
Handlungssphäre zu bestimmen?
Sarah Brodhäcker Prof. Dr. Angelika Paseka
Signifikanz
Hilfe zur Selbsthilfe
Vermittlung zwischen
individuellen und kollektiven
Ansprüchen
Momente von
professioneller
UND
pädagogischer
Handlungs-
sphäre
Spezifik des Lehrerhandelns
Sarah Brodhäcker Prof. Dr. Angelika Paseka
Fragiles Arbeitsbündnis:
Schüler/innen sind keine
kontraktfähigen Klienten
Pädagogisches Handeln nicht
retrospektiv oder therapeutisch,
sondern prospektiv und
prophylaktisch
Direkter Fallbezug in Institution
Schule ist eigens herzustellen
Spezifik der
pädagogischen
gegenüber der
professionellen
Handlungs-
sphäre
Spezifik des Lehrerhandelns
Vgl. Dewe/Ferchhoff/Radkte 1992
Sarah Brodhäcker Prof. Dr. Angelika Paseka
Lehrerhandeln ist gegenüber der professionellen
Handlungssphäre nicht unterbestimmt sondern
unterscheidet sich in einigen Punkten, enthält aber
dieselben relevanten Strukturkerne (Signifikanz,
Fallorientierung, Autonomie-orientierung)
Welche Kompetenzen sind aus den Strukturkernen
abzuleiten?
Die Frage, was Lehrerinnen und Lehrer wissen und können
sollen, wird in der Regel vor dem Hintergrund „tief verankerter
kultureller Überzeugungen“ (Blömeke 2011, S. 347) diskutiert.
Unterschiedliche Modelle und Kompetenzbereiche der
Lehrerbildung wurden in den letzten Jahren vorgelegt. Je nach
Ausgangsperspektive wurden unterschiedliche Kataloge von
Standards zu den erwarteten „Outcomes“ von Lehrerbildung
formuliert.
Systematisch auf die Strukturlogik pädagogischen Handelns
zurückgreifende Theorien zur Gestaltung von Lehrerbildung sind
trotz jahrzehntelanger Diskussionen kaum vorhanden (vgl. dazu
auch Pintrich 1990)
Welche Kompetenzen?
In Österreich: keine einheitlichen Standards
Sowohl in Lehrerbildungscurricula als auch in der
theoretischen Debatte wird vermehrt auf die von einer
Expert/innengruppe des Unterrichtsministeriums entwickelten
Domänen verwiesen, die auch in einem eigenen Lehrgang in
der Lehrerweiterbildung Eingang gefunden haben.
(vgl. Schratz/Schrittesser 2011, Schratz et al. 2011)
EPIK – Team http://epik.schule.at
Michael Schratz (Leitung) [email protected]
Alfred Fischl [email protected]
Peter Forthuber [email protected]
Johannes Kainz [email protected]
Julia Köhler [email protected]
Fritz Lošek [email protected]
Angelika Paseka [email protected]
Ilse Schrittesser [email protected]
Ramona Uhl [email protected]
Silvia Wiesinger [email protected]
Zum Kompetenzbegriff
Die Fallorientierung und die daraus
folgende interpretative und interaktive
Komponente verweisen auf eine
notwendig offene und dialektische
Struktur zwischen Akteur/in und den
gegebenen Rahmenbedingungen,
zwischen Besonderem und
Allgemeinem.
Der herkömmliche kognitiv orientierte
Kompetenzbegriff (vgl. u.a. Weinert
2001) greift für pädagogische
Professionalität zu kurz.
.
Kompetenzen von Professionellen
Blick auf die AKTEURE UND AKTEURINNEN
Ressourcen, Regeln und Praktiken, wie sie in
den Strukturen wirksam werden
Blick auf die STRUKTUREN im SYSTEM
(vgl. Giddens 1973/1995)
Subjekt-
Perspektive System/Struktur-
Perspektive
Der doppelte Charakter von Rahmenbedingungen
Ermöglichung
Einschränkung
eingebunden in
Strukturen fähig autonom zu
handeln
Akteur/innen sind in ihrem Handeln
Der Kompetenzbegriff im Domänenansatz
Domänen von Kompetenz
Kompetenzfelder
beziehen sich auf individuelle Kompetenzen UND die Gestalt(ung) von Systemstrukturen
sind Ausdruck eines „professionellen Habitus“
Der Kompetenzbegriff im Domänenansatz
Reflexions- und
Diskursfähigkeit
mit Bezug auf >
Kooperation und
Kollegialität
mit Bezug auf>
Signifikanz und
Fallorientierung: verlangen
nach problembezogener
Reflexivität und
Begründungs-
verpflichtung
Fachdiskurs und Kritik der
getroffenen
Entscheidungen als
Rahmen von
Krisenbewältigung
Der Kompetenzbegriff im Domänenansatz
Differenzfähigkeit
mit Bezug auf >
interpretative und interaktive
rekonstruktive und prophylaktische
Orientierung;
differenzierte Blicke auf den
individuellen Fall,
die für professionalisiertes
pädagogisches Handeln konstitutive
Ungewissheit und die damit
zusammenhängenden Antinomien.
Der Kompetenzbegriff im Domänenansatz
Professions-
Bewusstsein
mit Bezug auf >
Personal Mastery/das
professionelle Selbst
mit Bezug auf>
öffentliches Bekenntnis zur
übertragenen Verantwortung
(Signifikanz der potenziellen Krisen)
und Kenntnis der Grenzen der
Zuständigkeit
die Fähigkeit, Professionswissen und -
können situationsbezogen einzusetzen
und auch den Umgang mit sich selbst
bewusst zu gestalten
Sarah Brodhäcker Prof. Dr. Angelika Paseka
Lehrerbildung im Domänenkonzept
• professionstheoretisch orientierter Antwortversuch auf die
inneren, typischerweise von Lehrerinnen und Lehrern in
ihrem Praxisfeld zu lösenden Handlungsprobleme
• = systematisch von der sich stellenden
„handlungslogische[n] Notwendigkeit“ (Oevermann 1996,
S. 70) abgeleitete Kompetenzbereiche
Neuralgische Punkte der Lehrerbildung
Die nachhaltige Rolle der „beliefs“ bzw. subjektiven Theorien (vgl.
u.a. Blömeke 2004, Richardson 1996, Zeichner 1986)
Phänomene wie die „verewigten Routinen“ (Durkheim 1906),
die „Konstanzer Wanne“ (Müller-Fohrbrodt et al. 1978)
Einsozialisation in schulische Routinen als Schüler/in wird
unmittelbar nach Einstieg in den Beruf wieder aufgewärmt bzw. es
wird das im Zuge des Studiums erworbene neue Wissen und
Können von den Praxiskulturen wieder „ausgewaschen“
(Zeichner/Tabachnik 1981, S. 7)
Neuralgische Punkte von Lehrerbildung
Wirkung von Lehrerbildung aus empirischen Ergebnissen
heraus nur bedingt nachweisbar bzw. eine klare
Kausalkette liegt nicht vor (vgl. jüngst Hascher 2011).
Neuralgische Punkte von Lehrerbildung
Theorie- oder Praxisvorrang?
Persönlichkeitsparadigma oder
Professionalisierungsparadigma?
Professionalisieren oder deregulieren?
Neuralgische Punkte von Lehrerbildung
Organisation der Lehrerbildung problematisch
Beispiel Situation in Österreich:
Universitäten (Fokus auf forschendes Lernen, dafür starke
Fragmentierung)
Pädagogische Hochschulen (Fokus auf „Meisterlehre“,
dafür starke Bündelung)
Aneignungsprozesse professioneller Kompetenzen: eine
besondere Form des Lernens?
Domänenkonzept verlangt nach:
Lernen in zwei Modalitäten
einerseits forschendes Lernen (wissenschaftlich legimitierter,
theoriegeleiteter Zugang) – Stichwort Signifikanz
andererseits „Kunstlehre“, Einübung (fallbezogener,
interaktiver, interpretativer Zugang) – Stichwort Fallorientierung
These von der „doppelten Professionalisierung“ (vgl. u.a.
Oevermann 1996, Helsper 2001)
Aneignungsprozesse professioneller Kompetenzen: eine
besondere Form des Lernens – zweimal Praxis!
Nicht hier Theorie (Ausbildung) und dort Praxis (Schule).
Vielmehr handelt es sich um zwei differente Praxisfelder: das
Praxisfeld wissenschaftlichen Forschens und forschenden
Lernens und das
Praxisfeld pädagogischen Handelns
(vgl. Hofer/Schrittesser 2012).
Aneignungsprozesse professioneller Kompetenzen: eine
besondere Form des Lernens – zweimal Praxis!
Transfer im Lernprozess findet erfolgreicher statt, wenn
Strukturähnlichkeiten gegeben sind (Willingham 2009)
Soll die eine Praxis die andere befruchten, dann braucht es
Strukturähnlichkeiten:
enge Verschränkung der beiden Praxisfelder
die Schulpraxis ist an die Ausbildungspraxis heranzuführen,
Was kann/muss die Universität leisten – gemäß ihrer
Kernkompetenz?
Einsozialisierung in forschenden Habitus, Strukturen
schaffen, die einen identitätsstiftenden Ort der
Lehrerbildung – Fakultäten für Lehrerbildung – sicher
stellen, Formate der Fallorientierung (Fallanalyse, kreative
Methoden, reflektierte Praxis, Praxisforschungsvorhaben,
usf.) anbieten; Teamstrukturen fördern;
Professionsbewusstsein grundlegen.
Universitäre bzw. Ausbildungspraxis
Was kann/muss die Schulpraxis leisten?
Schulen werden als Orte der Profession in die
Verantwortung genommen, sind mitverantwortlich für die
Ausbildung und Entwicklung ihres Personals, Instanzen
der Qualitätssicherung und der Entwicklung professioneller
Standards – „Praxisgemeinschaften“ (vgl. dazu auch
Bastian/Combe 2007), die neben der Entwicklung guter
Unterrichtspraxis auch Orte forschenden Lernens
darstellen.
Schulpraxis
Aufgreifen von Fragen der beruflichen Praxis und deren
Übersetzung in Forschungsfragen
Flankierend: Methodologisches/Methoden-Wissen als zentrale
curriculare Inhalte in Aus- und Weiterbildung, zur systematischen
Aufarbeitung von Fragen der Praxis.
Wohl dosierte Übung („distributed practice“, Cepeda et al. 2006,
Rohrer/Pashler 2007) verlängert die Zeitspanne des Behaltens – im
Gegenzug fällt nicht Geübtes weitgehend dem Vergessen anheim.
Daher: enge Verschränkung von Ausbildungs- und Schulpraxis
auch in der Weiterbildung bzw. im
Professionalisierungskontinuum.
Aneignungsprozesse professioneller Kompetenzen - eine
besondere Form des Lernens: zweimal Praxis!
Angeführte & vertiefende Literatur:
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London: Oxford University Press.
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Edvin/ Baethge-Kinsky, Volker/ Weber, Susanne (2006):
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Steiner Verlag.
• Bastian, Johannes/Combe, Arno (2007): Der Lehrerberuf
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Klärungen – Perspektiven der Schulentwicklung. In: Ricken,
Norbert (Hrsg.): Die Verachtung der Pädagogik. Analysen –
Materialien – Perspektiven. Wiesbaden: VS Verlag.
• Blömeke, Sigrid (2004): Empirische Befunde zur Wirksamkeit der
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Synthesis. In: Psychological Bulletin (132), S. 354-380.
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Waxmann, S. 363-380.
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Kompetenzdiagnostik. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft
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Leske + Budrich, S. 36-48.
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• Stichweh, Rudolf (1993/1996): Professionen in einer funktional
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Cognitive Scientist Answers Questions about How the Mind Works
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University Teacher Education ‚Washed Out‘ by School Experience?
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