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M 3828 F HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Herausgegeben vom Hohenzollerischen Geschichtsverein 43. Jahrgang Nr. 1 / März 1991 Schloß Hettingen. Blick ins Treppenhaus (nach 1720). Das Schloß, welches an der Stelle einer mittelalterlichen Höhenburg steht, wurde 1827 von der Familie Speth von Zwiefalten zu Hettingen an das Haus Hohenzollern Sigmaringen verkauft. Seither wurde es nur für Wohnzwecke benützt und es hat sich in über 200Jahren fast nichts verändert. Das wird nun bald anders, denn die Stadt Hettingen, der das Schloß seit einigen Jahren gehört, will den Bau jetzt als Rathaus einrichten. Im April soll mit den Arbeiten begonnen werden. HEINRICH STOPPER Riedern bei Schwenningen auf dem Heuberg Überlegungen zur Lage und Besitzgeschichte eines abgegangenen Ortes Erste urkundliche Nachricht von Riedern Königs- und Kaiserurkunden haben es an sich, daß ihnen in der Geschichtsforschung breite Beachtung zuteil wird, besonders dann, wenn sie einer an schriftlichen Quellen armen Epoche entstammen. Ebenso nachhaltig wie wissen- schaftlich ausführlich diskutierten namhafte Forscher 1 die nachstehend in Auszügen wiedergegebene Urkunde: 1005 Oktober 1: Unter diesem Datum verlegt König Hein- rich II. das bisher auf der Bergfeste Hohentwiel gelegene und St. Georg geweihte Kloster nach Stein am Rhein. Das neuge- gründete Kloster wird dem Bistum Bamberg unterstellt und reich mit Besitz ausgestattet. Die Güterschenkungsliste für das Kloster Stein am Rhein umfaßt 14 Orte: Arien, Etzwihl,

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Page 1: Hohenzollerische Heimat Jg41 1991 - Hohenzollerischer … · Klösterliche Eigenleute in obiger Vogtei sollen vom Vogt von der Flucht abgehalte unn d alle Nutzungen gemeinsa geteilm

M 3828 F H O H E N Z O L L E R I S C H E

HEIMAT Herausgegeben vom

Hohenzollerischen Geschichtsverein

43. Jahrgang Nr. 1 / März 1991

Schloß Hettingen. Blick ins Treppenhaus (nach 1720). Das Schloß, welches an der Stelle einer mittelalterlichen Höhenburg steht, wurde 1827 von der Familie Speth von Zwiefalten zu Hettingen an das Haus Hohenzollern Sigmaringen verkauft. Seither wurde es nur für Wohnzwecke benützt und es hat sich in über 200Jahren fast nichts verändert. Das wird nun bald anders, denn die Stadt Hettingen, der das Schloß seit einigen Jahren gehört, will den Bau jetzt als Rathaus einrichten. Im April soll mit den Arbeiten begonnen werden.

HEINRICH STOPPER

Riedern bei Schwenningen auf dem Heuberg

Überlegungen zur Lage und Besitzgeschichte eines abgegangenen Ortes

Erste urkundliche Nachricht von Riedern Königs- und Kaiserurkunden haben es an sich, daß ihnen in der Geschichtsforschung breite Beachtung zuteil wird, besonders dann, wenn sie einer an schriftlichen Quellen armen Epoche entstammen. Ebenso nachhaltig wie wissen-schaftlich ausführlich diskutierten namhafte Forscher1 die nachstehend in Auszügen wiedergegebene Urkunde:

1005 Oktober 1: Unter diesem Datum verlegt König Hein-rich II. das bisher auf der Bergfeste Hohentwiel gelegene und St. Georg geweihte Kloster nach Stein am Rhein. Das neuge-gründete Kloster wird dem Bistum Bamberg unterstellt und reich mit Besitz ausgestattet. Die Güterschenkungsliste für das Kloster Stein am Rhein umfaßt 14 Orte: Arien, Etzwihl,

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Hilzingen, Nagold, Epfendorf, Fischingen, Oberiflingen, Effringen, Rotfelden, Sindelstetten, Heinstetten (oder Kreen-heinstetten?), Riedern, Schwenningen und Straßberg2.

Obwohl die Urkunde als eine Fälschung des 12. Jahrhunderts erkannt wurde, wird an ihrer Aussage hinsichtlich der darge-stellten Güterübertragungen nicht gezweifelt. Man glaubt dabei an eine echte Vorgängerurkunde.

Zuerst hat Jänicben für das in der Urkunde genannte Hoen-steta das heutige Heinstetten im Zollernalbkreis vorgeschla-gen3. Decker-Hauff weist dann das urkundliche Burg als Straßberg nach und schließt daraus, daß mit Suaninga eigent-lich nur das in der Nähe liegende Schwenningen (Kreis Sigmaringen) gemeint sein kann. Schließlich vermutet er Rieden 14 km schmiechaaufwärts von Straßberg in der Riet-mühle südlich von Onstmettingen. Der 1450 schon abgegan-gene Weiler Rietmühle scheint eine eigene Gemarkung beses-sen zu haben, die später zur Onstmettinger Gemarkung geschlagen wurde4 . Zu einer genaueren, weil urkundlich belegten Lokalisierung von Riedern gelangt schließlich Kraus, indem er auf das im Schaffhauser Staatsarchiv aufbe-wahrte Steiner Cartular des 15. Jahrhunderts hinweist5. Hier wird Riedern in engen Zusammenhang mit der Feste Weren-wag und Schwenningen gebracht. Für das Jahr 1416 findet sich im Cartular die folgende, interessante Mitteilung, die es wert scheint, ausführlich wiedergegeben zu werden:

1416: Das ist ain brief von den aignen lüt und guetern ze Schwenningen. Ritter Heinrich von Hoerningen und seine Frau Maetzy von Rischach bekennen: Es bestanden Spenn, Stöße und Mißheilung mit dem Abt Johannes und Konvent des Klosters Stein betreffs der Vogtei wegen der Feste Weren-wag, die der genannte Ritter innehat, und der darein gehöri-gen Eigenleute und Güter des Gotteshauses Stein zu Schwen-ningen und anderswo. Es wird jetzt friedlich geschlichtet: Klösterliche Eigenleute in obiger Vogtei sollen vom Vogt von der Flucht abgehalten und alle Nutzungen gemeinsam geteilt werden. Der Abt darf seinen Eigenleuten nicht erlauben, aus der genannten Vogtei zu ziehen ohne Zustimmung des Vogts. Solche dürfen auch nur mit beiderseitiger Zustimmung sich zusammen .gefründen, wie bisher. Wenn einer sein Kind mitberaten (verheiraten) will, falls es zu Tagen gekommen ist, soll er ihm gebieten, daß es in der Genossami bleibe. Die Gotteshausleute werden sowohl vom Kloster als auch vom Vogt aufgezeichnet und das Verzeichnis ausgetauscht. Wenn von auswärts solche Gotteshausleute zuziehen, haben sie dem Kloster beim Tod den Fall und das Geläß zu geben, ohne Einrede des Vogts. Sie müssen alle in der Vogtei Werenwag dem Vogt gehorchen und gewärtig sein mit Vogtrecht, Steuer und Diensten wie bisher sowie dem Kloster und dem Vogt jährlich je ein Fastnachtshuhn liefern. Von dem Hofe zu Riedern, der dem Kloster gehört, sollte der Vogt jährlich 4 Schilling Heller und gewöhnliche Dienste erhalten, die aber lange ausstanden, da der Hof wüst lag. Diese rückständigen Abgaben werden anmit niedergeschlagen. Dafür hat das Kloster diesen Hof jetzt um jährlich 1 Malter Vesen und 2 Malter Haber dem genannten Vogt geliehen, und während der Leihe sollen das Kloster und der Hof dem Vogt keine Vogtsteuer oder Dienste schuldig sein. Falls die Feste Weren-wag als Pfand von der Herrschaft Osterreich gelöst wird, soll der Hof Riedern mit Zubehör dem Kloster wieder anheimfal-len. Etwaige Streitfragen werden die Ritter Hans von Stuben und Heinrich von Randegg zu Stoffeln schlichten. Heinrich von Hoerningen und seine Frau Mätzy sowie Konrad von Rischach zu Gaienhofen siegeln. Zeugen sind Propst Fried-rich von Kloster Öhningen, Ritter Hans von Stuben, Hein-rich von Randegg zu Stoffeln, Herr Heinrich von Ah, Konventherr zu Öhningen, Herr Hans Beringer, Chorherr zu Schienen, Walter von Aspasingen, Schultheiß der Stadt Stein, Galcatz, ein Bürger daselbst zu Stein.

Der enge Zusammenhang zwischen Riedern und Schwennin-gen kommt in der vorliegenden Urkunde deutlich zum Ausdruck. Es ist deshalb konsequent, wenn Kraus den abge-gangenen Hof auf Schwenninger Gemarkung sucht. In Ermangelung eines eindeutigen Riedern begnügt er sich mit der Flur im Ried. Diese findet sich links der Straße von Schwenningen nach Stetten am kalten Markt, etwa dort, wo die Zubringerstraße zum Truppenübungsplatz abzweigt. Spuren, die auf eine ehemalige Siedlung im Ried hinweisen könnten, sind nicht erkennbar. Vielleicht hat sich darum Kraus selbst in Schwenningen nach mündlichen Zeugnissen umgesehen. Dabei wurde er tatsächlich fündig, bestätigt doch ihm gegenüber am 21. 5.1953 ein Schwenninger Bürger, daß sein Vater ihm öfters von einem Hof im Ried erzählt habe6. Leider läßt sich diese Aussage nicht durch älteres Kartenwerk stützen. Im Übersichtsplan für die Gemarkung Schwennin-gen und den Arbeitsplänen hierzu, gefertigt etwa um 18507, findet sich keine Spur eines Hofes im Ried, wogegen der dem Ried benachbarte, um 1830 bezeugte Horenhof* kartiert ist. Das läßt zumindest Raum für die Überlegung, ob der Horen-hof und das abgegangene Riedern etwa identisch sind. Auffallend am nördlichen Gemarkungsteil von Schwennin-gen ist einiges. Von der Schwenninger Kirche bis zum nördlichsten Zipfel der Gemarkung, dem heute weit im Truppenübungsplatz liegenden Streitwäldle, sind es gute 5 km. Es ist kaum vorstellbar, daß das dortige obere Seetal von Schwenningen aus erschlossen und landwirtschaftlich genutzt wurde. Denkbar wäre, daß im Bereich der ausge-dehnten nördlichen Schwenninger Gemarkung einst eine eigene Gemarkung bestand, die später in der Schwenninger Gemarkung aufging. Jänicben zeigt an einigen Beispielen, wie durch Wüstungsvorgänge sich lebensunfähige Siedlungen mit angrenzenden Gemarkungsflächen vereinigten9. Eine Wüstung besitzt die Gemarkung im Norden Schwenningens. Dort, wo die Straße nach Heinstetten die Enge verläßt, biegt nach rechts genau in nördlicher Richtung der alte Ebinger Weg ab. Rechter Hand davon haben wir die Wüste. Der Name der Wüstung ist wie die Siedlung selbst abgegangen. Dagegen hat sich ganz in der Nähe um den verlassenen Horenhof ein ganzer Kranz an Flurnamen erhalten, die alle auf Hören hinweisen (Auf Hören, Hinter Hören, Horemer Häuptle, Horemer Holz). Folgt man einer Flurnamendeu-tung von Isingen, wo es gleichfalls ein Hören als Flurname gibt, dann haben wir Eigentum einer Herrschaft vor uns (Herren = Hören)10. Auf Schwenninger Verhältnisse übertra-gen erscheint eine solche Erklärung auf den ersten Blick angesichts des großen zusammenhängenden Gebiets mit Horen-Namen plausibel. Wer allerdings etwas dem örtlichen Dialekt nachspürt, kann leicht zu anderen Ergebnissen kom-men. Im Lied von der »Schwäbsche Eisebahna« packt der Bauer den Geißbock bei »de Höre«, womit nicht die Haare, sondern vielmehr die Hörner gemeint sind. So ergibt sich unschwer eine sprachliche Brücke zu den südlich Auf Hören vorkommenden Flurnamen Horn, Am Horn und Hinter dem Horn. Hören und Horn sind also gleichbedeutend. Alle hier genannten Flurnamen beziehen sich auf den auffallenden, felsendurchsetzten Bergrücken nördlich von Schwenningen. Von Schwenningen ausgehend dürften diese Flurnamen auch geprägt worden sein, wobei unklar bleib,t warum nur ein Teil der Horen-Namen nach Horn eingedeutscht wurde. Man kann wohl sagen, daß unser Horenhof wenigstens sprachlich gesehen nie ein Herrenhof war.

Gesucht ist aber nach wie vor Riedern! Umgangssprachlich sind Rieder auch heute noch genau das, als was sie in Fischers Schwäbischem Wörterbuch erklärt werden, nämlich lange Reihen von Heu" . Riedern als Flurname bezeichnet dem-nach Wiesengelände, das landwirtschaftlich durch Heuen und Ohmden genutzt wird. Namen mit Riedern und entspre-chende Namensverbindungen kommen bei uns häufig vor.

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Ein Riedern findet sich auf der Gemarkung von Mühlheim/ Donau, einen Riederwasen besitzt die Gemeinde Hausen am Tann, ein Riederwäldle hat die Gemeinde Frohnstetten und nicht zuletzt benennt sich auch Adel nach Oberriedern im unteren Linzgau12. Das alles braucht uns nicht zu beschäfti-gen, da unser Riedern mit Schwenningen und Werenwag zusammen genannt wird. Da nun die Schwenninger Gemar-kung nicht das erhoffte Ergebnis liefert, ist es naheliegend, die Nachbargemarkung näher anzuschauen. Wörtlich genom-men fordert die Einigungsurkunde von 1416 zur Suche an anderen Orten geradezu auf, berichtet sie doch von »Eigen-leuten und Gütern des Gotteshauses Stein zu Schwenningen und anderswo«. Dann kann mit »anderswo« eigentlich nur der einige Zeilen später erwähnte Hof zu Riedern gemeint sein.

Riedern bei Werenwag?

Auf neuen Karten nicht mehr verzeichnet ist die in der alten Gemarkungsübersicht von Langenbrunnen13 etwa 1km westlich von Werenwag gelegene Riederbalde an der Ein-mündung des Finstertales in das Donautal. Die steilen, bewaldeten Halden des Donautales weisen in diesem Abschnitt mit ihren Namen alle auf Siedlungen im Tal und mehr noch auf der Höhe hin (Schlößlehalde - Ruine Hausen, Schloßhalde - Schloß Werenwag, Langenbrunner Halde -Langenbrunn). Was liegt also näher, als im Bereich der Riederhalde das abgegangene Riedern zu suchen?

Unterhalb der Riederhalde haben wir die Mühle zu Langen-bronnen, die als solche bereits für das Jahr 1468 in einer Urbarabschrift der Herrschaft Werenwag genannt wird. Da Riedern ebenfalls noch im 15. Jahrhundert genannt wird, scheidet die Talaue der Donau für unsere Suche aus. Ober-halb der Riederhalde, hinter der Talkante, breitet sich der Tiergarten aus, ein Buchenwald, der sich zum Finstertal hinzieht und in den größeren Distrikt Hüttenbrun übergeht. Die aus diesem Waldgebiet herausgeschnittenen kleinen Ösche, nämlich das zweigeteilte Hüttenbrunösch und das südlichere Veitenöschle deuten auf eine Störung eines einst geschlossenen Zeigverbandes hin. Noch heute haben wir nördlich von Werenwag die drei großen Zeigen Mittel-, Kapell- und Staudenösch. Neben Werenwag könnte hier also noch eine zweite Ansiedlung bestanden haben. Auch der Name Hüttenbrun ist ein sicheres Siedlungsindiz. Hierzu paßt das in der erwähnten Karte13 als Haus- und Gartenland kartierte Rechteck, das durch einen eigenen Weg erschlossen ist. Die nur wenige Jahre früher - 1847 - angefertigte fürstenbergische Forstkarte14 gibt darüber nähere Auskunft. Danach hatte der fürstenbergische Waldhüter hier seine Wohnung. Das Anwesen umfaßte drei Gebäude. 1893 aber bewohnte der Waldhüter mit seiner Familie Schloß Weren-wag15 . Mit dem Umzug aus der Wohnung im Veitenöschle etwa um 1850 dürften die Häuser dort aufgegeben worden sein.

Heute steht an der Stelle des ehemaligen Waldhüteranwesens eine Fichtenschonung. Wahrscheinlich durch das Pflanzen der Fichten wurden Tonscherben und Ziegel an die Oberflä-che befördert, die dem ausgehenden 17. Jahrhundert zuzu-rechnen sind16. Der Beruf des Waldhüters läßt sich weit zurückverfolgen. Schon die Stiftungsakten des Klosters St. Georgen verzeichnen einen Waldhüter17. Man darf daher die Siedlung nördlich der Riederhalde ruhigen Gewissens einige Generationen zurückdatieren, wird dadurch aber nicht die zeitliche Lücke bis zur letzten urkundlichen Erwähnung Riederns im 15. Jahrhundert schließen können.

Eine strategische Straße

Mit dem hier eingeschobenen Kapitel entfernen wir uns zwar etwas von der eigentlichen Thematik, andererseits bilden Siedlung und Straße ein nicht zu trennendes Ganzes.

1 . A. - -0 - ^ . i r r a °L " \ -i Koppetttou

Übersichtsplan Langenbrunn

Unser nun nördlich der Riederhalde vermutetes Riedern erreicht man von Schwenningen aus südlich auf dem Weg nach Werenwag. Dort, wo der Weg die Schwenninger Gemarkungsgrenze verläßt, steuert er in schnurgeradem Ver-lauf nicht etwa auf Schloß Werenwag zu, sondern mündet beim Wachtbühl in den oberen Teil eines kurzen, der Donau zustrebenden Tobels. Hat man als Wanderer diese Stelle erreicht, gewinnt man den Eindruck, als wären die Wege halblinks nach Werenwag und rechts in den Hüttenbrunner Distrikt eher später angelegt worden, während der Hauptweg selbst durch das Tobel westlich vom Korbfelsen den kürze-sten Weg zur Donau sucht. Heute ist der Weg als Wanderweg ausgeschildert. Den Tobelgrund meidend, führt der Weg quer durch die Riederhalde und erreicht bei der Langenbrun-ner Mühle den Talgrund. Früher einmal als Eselssteigeis

bezeichnet, ist der Weg im Vergleich zu anderen alten Steigen - beispielsweise zu seinem nördlichen Gegenstück, der Schwenninger Steige in Ebingen - geradezu bequem19, Wagenspuren sind im Wegprofil nicht erhalten. Dank techni-scher Maßnahmen behält die Steige auch in ungünstigem, felsigem Gelände eine Mindestbreite von drei Metern. Stö-rende Felsen sind bis zu Fuhrwerkshöhe ausgespart, wogegen zur Talseite hin kunstvoll auf die Böschung geschichtete Felsstücke den Weg verbreitern. Der ganze technische Auf-wand für eine derartige Straßenführung in dünn besiedeltem Gebiet ist eigentlich nur vertretbar, wenn die Straße jenseits der Donau fortgesetzt wird. Man findet die Fortsetzung auf der anderen Seite in der Tat. Es ist die Steige hoch nach Lengenfeld. Auch sie ist im oberen Teil kunstvoll ausgebildet. Parallel zur Werenwager Seite hat auch hier einmal eine Burg gestanden. Von der ehemaligen Lengenfelder Burg zeugt heute nur noch ein Halsgraben. Als Donauübergang diente offenbar die Werbenfurth, so bereits genannt im Werenwager Urbar von 1468. Furt, Steigen und Burgen sind als Einheit zu verstehen, d.h. wir haben es mit einem frühen, militärisch gesicherten Donauübergang zu tun.

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Wer waren die Planer der anscheinend so wichtigen Nord-Süd-Verbindung und welche Ziele verfolgten sie? Letztere Frage beantwortet der Weg durch seine beharrlich einge-schlagene Richtung selbst. Nach der Enge nördlich von Schwenningen nennt uns der Ebinger Weg das Ziel, nach Süden wird der Weg zwangsläufig durch eine von Laiz aus südwestlich führende Römerstraße begrenzt. Gleich bei Buchheim knickt die Römerstraße ab und wendet sich in gerader Linie entlang ^ler rätisch-germanischen Grenzlinie dem Rhein zu20 . Haben die Römer die Straßenverbindung zwischen Ebingen und Buchheim geschaffen? Eine derartige Straße würde Sinn machen, weil sie das seltsame römische Straßendreieck Winterlingen-Burladingen-Ebingen erklären könnte. Wir hätten zum einen eine Fortsetzung der Grenz-straße zwischen den römischen Provinzen Rätien und Ger-manien durgehend bis Burladingen, zum anderen wäre sie von Burladingen aus gesehen eine elegante Abkürzung auf dem Weg nach Süden, der ja immer am westlichen Bodensee-Ende vorbeiführen muß.

Zur Klärung, ob wir es bei der angesprochenen Straßenver-bindung mit einem Römerweg zu tun haben, wäre es interes-sant, einmal den Straßenkörper vor Werenwag zu untersu-chen. In seinem Profil ragt der etwa vier Meter breite Weg ohne erkennbaren Anlaß erheblich aus dem flachen Gelände empor und wirkt in seiner Mitte stark überhöht.

Ergänzend sei noch gesagt, daß die späteren sogenannten Heerstraßen auf weiten Strecken den alten Römerstraßen folgen. In nord-südlicher Richtung verlaufen Heerwege von Onstmettingen nach Ebingen, dann wieder von der Meßstet -ter zur Hartheimer Gemarkung21.

Südwestdeutschland zur Römerzeit

Die Maier von Riedern

Zweimal tauchen die Meier von Riedern in Urkunden auf. Verkürzt auf das wesentliche erfahren wir: 1) 1405 Oktober 17: Eberhard von Hausen (im Tal), Hugens sei. Sohn, verkauft dem Ritter Hans von Stuben, seinem Oheim, Leute, Stücke und Güter für 350 Schilling Heller. Als Stücke und Güter werden der Brenzkofer Zehnte und ein Haus zu Sigmaringen angesprochen. Unter den verkauften Leuten wird der maiger von Riedern aufgeführt22.

Interessant an der Urkunde ist auch die Tatsache, daß der Käufer Hans von Stuben im Zusammenhang mit Riedern in der oben angeführten Urkunde von 1416 wieder auftritt, dort

als Zeuge neben anderen Zeugen, mit denen er zwei Jahre später noch in besondere Beziehung treten sollte: Hans von Stuben war für kurze Zeit unmittelbarer Nachbar von Werenwag, saß er doch 1403 auf Schloß Hausen23. Doch bereits 1417 mußte Hans von Stuben das Land verlassen. Zusammen mit Heinrich von Randeck hatte er seinen Vetter Michael von Reischach im Schloß zu Gaienhofen ermordet24. Über beide Täter verhängte Kaiser Sigmund 1418 die Aber-acht25.

2) 1394 Landsteuer (Schätzung) der Herrschaft Hohen-berg26: In dieser Steuerliste wird das Vermögen der Schwen-ninger Leute wie folgt geschätzt: Walter Hug 80 lb = Pfund Heller, Hans Gesun... , Hartmutt 60lb, Hans Bühler 40lb, Der Startzier 40 lb, Bentz Kieser 1 lb, Schikk 1 lb, Der mayer von Riedern 20 lb, Der Sprenger..., Bernhart H . . .

Andere Hohenberger Gemeinden werden in dieser Steuerli-ste mit ihrem Gesamtvermögen weit höher veranschlagt. Schon Stettner fragte sich, welche besonderen Umstände das Schwenninger Vermögen damals in dem Maße gemindert haben könnte27. Dasselbe läßt sich in bezug auf Riedern fragen. Sein Meier hat 1394 nur noch ein geringes Vermögen zu versteuern, 1405 wird er gar von seinem Leibherr verkauft, und 1416 liegt der Meierhof zu Riedern schon wüst darnieder. Wenn das Kloster Stein zuletzt den Hof an den Werenwager Vogt Heinrich von Hoerningen gegen geringen Zins verleiht (1 Malter Vesen und 2 Malter Haber), bedeutet das den Schlußakt in einem sicher länger dauernden Prozeß des Niedergangs.

Erinnern wir uns an die Schenkungsurkunde von 1005, in der dem Kloster Stein u. a. Besitz in Schwenningen und Riedern zufällt. Um nun in den Genuß des Besitzes zu gelangen, mußte das Kloster dort eigene Meierhöfe einrichten. Auf die besondere Stellung der Meierhöfe hat insbesondere Ernst verwiesen28. Danach »entstand der Niederadel aus Nachfah-ren der Urmeier, jener Männer, die von Gründung der Siedlung an als Sippenhäupter je den größten Hof im Dorf bebauten oder von Klöstern und anderen als Meier oder Hofbauern auf solche Höfe gesetzt waren. Sie übernahmen den militärischen Schutz ihrer Dörfer und bauten feste Burgen. Ihre Untertanen und Hörigen mußten ihnen dafür zinsen und fronen usf.«29 . Zu den besonderen Rechten gesellten sich auch besondere Pflichten der Meier. Die Lage Riederns an der Steige ins Donautal erforderte sicher die Organisation von Wegebaumaßnahmen und Organisation von Vorspanndiensten.

Bei allen Spekulationen über das Alter der Feste Werenwag dürfte diese sicher nicht vor dem Jahre 1005 - der Erstnen-nung Riederns - entstanden sein. Der erste Adel, der sich nach Werenwag nennt, tritt aber erst 1216 als Zeuge in einer Urkunde auf. Zwischen 1253 und 1381 werden die von Werenwag als Dienstmänner der Grafen von Zollern und Hohenberg genannt30. Zufall oder nicht, jedenfalls läßt sich nicht übersehen, daß die Bedeutung Riederns zu einer Zeit schwindet, da Werenwag ins Licht der Geschichte tritt. Hat sich aus dem Meierhof Riedern Werenwag herausentwickelt? Der Gedanke ist nicht abwegig, wenn man berücksichtigt, daß der Besitz des Klosters Stein zum Stiftungsgut des Bistums Bamberg zählte. Mit Graf Adalbert von Haigerloch war aber etwa seit 1080 ein Zoller mit der Vogtei über den Besitz des Hochstifts Bamberg in Schwaben belehnt. Von den Grafen von Zollern wird die Vogtei an die verwandten Hohenberger Grafen gekommen sein*1. Jänichen äußert nun den begründeten Verdacht, daß die Grafen ihre Stellung als Vögte dazu genutzt haben könnten, ihr Territorium auf Kosten Bambergs zu erweitern32. Wie einträglich eine Vogtei über Klostergut sein kann, wird im nächsten Kapitel berichtet.

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Ein Riedern unter zollerischer Schirmvogtei

Wie urkundlich belegt, verfügte das Kloster Beuron im 13. Jahrhundert über umfassenden Grundbesitz. Es war all-gemein üblich, klösterlichen Besitz gegen die Ubergriffe weltlicher Mächte abzuschirmen. Nur mit der Berufung einflußreicher Schirmvögte vom Adel war dieser Schutz gewährleistet. Bis zum Jahre 1253 haben wohl die Grafen von Hohenberg bzw. von Nellenburg dem Kloster Beuron die nötige Sicherheit gegeben33. Bestimmt spielten Macht und öffentliches Ansehen eine Rolle, als man sich in Beuron nach einem neuen Schirmvogt umsah und diesen in dem Zollern-grafen fand34 :

1253 April 22: Propst Wolfrad von Beuron erwählt mit Rat seiner Mitbrüder den Grafen Friedrich von Zollern in wider-ruflicher Eigenschaft und unter Bezeichnung aller demselben zuständigen Rechte zum Schutzvogt für sich und seine Kirche samt allen ihren namentlich aufgeführten Besitzungen an Leuten, Orten, Gütern und Rechten, und Graf Friedrich übernimmt und beschwört die ihm übertragenen Pflichten. Für unsere Zwecke genügt es, wenn aus der langen, in der Urkunde aufgeführten Besitzliste nur der Anfang wiederge-geben wird. Danach besaß Beuron

1) den Talgang rechts der Donau von Oberhausen (abgegan-gen) bis zum Sperberloch, den Hof oberhalb der Leiber-tinger Steige mit Zubehör und eine Mühle im Tal,

2) Leute, Güter und Gericht zu Irndorf, 3) Leute, Güter und Gericht zu Oberschwandorf, 4) Leute und Güter zu Unterschwandorf, 5) Leute und Güter zu Buchheim, 6) Leute und Güter zu Talheim, 7) Leute und Güter zu Riedern, 8) das Gut zu Winzeln. . . und Besitz in weiteren 19 genannten Orten. In Nr. 7 haben wir es wieder mit einem Ort Riedern zu tun, den man bisher nicht zu lokalisieren vermochte, vermerkt doch das württembergische Urkundenbuch hierzu: »Scheint ein abgegangener Ort, insofern wenigstens die noch heutzu-tage bekannten wirtembergischen und badischen Riedern zu entfernt sein dürften«3 5. Zwischen Talheim südlich der Donau und Winzeln nördlich der Donau gelegen erscheint in der Besitzliste Riedern. In der vorgegebenen Reihung läßt sich unser bei Werenwag vermutetes Riedern nicht nur geographisch gut einordnen, sondern auch besitzgeschicht-lich. Ausgehend vom unmittelbar im Donautal beim Kloster gelegenen Gründungsgut wurde bei weiteren Besitzerwer-bungen Beurens sicher die Nähe zum Kloster angestrebt36.

Ist aber damit das Riedern des Jahres 1005 identisch mit dem des Jahres 1253? Niemand hat die Frage bisher gestellt. Selbst jüngste heimatgeschichtliche Werke halten sich nicht mit dem Versuch auf, Riedern zu lokalisieren37.

50 Jahre später erscheinen Udelhild, die Witwe Graf Fried-richs von Zollern, und ihr Sohn, Graf Friedrich d.J. von Merkenberg, als Nachfolger in der Schirmvogtei über Beu-ron. Entgegen dem Vertrag von 1253 verpfänden sie am 12. April 1303 neben ihrem Eigenbesitz Bronnen und Mühl-heim auch noch den ihnen als Schirmvögten anvertrauten Beuroner Klosterbesitz um 1000 Schilling Heller an den Bischof Heinrich II. von Konstanz. Der ganze, 1253 genannte Klosterbesitz, darunter auch Riedern, ist Pfandobjekt38. Ob das Pfand innerhalb der gesetzten Frist wieder eingelöst wurde, ist nicht bekannt; es ist aber auch nicht auszuschlie-ßen, weil fast dieselbe Besitzmasse - mit Einschränkungen -in einer weiteren Urkunde nochmals als Pfandobjekt erscheint. Die Handelnden sind dabei dieselben. Bischof Heinrich II. zahlt am 3. Februar 1305 sogar eine Pfandsumme von 1400 Schilling Heller. Riedern ist wieder Bestandteil der Pfandmasse39. Zwar wurden die Bedingungen der Pfandaus-lösung in einer Urkunde am Tag der Verpfändung ausgehan-delt40, doch ist nicht bekannt, ob es zur Auslösung kam. Damit verliert sich die Spur Riederns für einige Zeit.

Zur Besitzgeschichte Riederns

Es kann sich bei der folgenden Darstellung nur um ein grobes Raster handeln - zu groß sind die zeitlichen Lücken. Ebenso fehlen uns präzise Angaben über den Umfang des jeweils zu Riedern genannten Besitzes. Da nun das Kloster Stein am Beginn und Ende der Liste erscheint, dürfte es wahrscheinlich über den ganzen Zeitraum vom Anfang des 11. bis Anfang des 15.Jahrhunderts zumindest Teilbesitz zu Riedern gehabt haben.

1005 König Heinrich II. schenkt Riedern dem Kloster Stein am Rhein zwischen 1083 und 1253 kommt Riedern an Kloster Beuron von 1253 bis 1303 steht es unter der Schirmvogtei von Zollern 1303/1305 Riedern wird an den Bischof von Konstanz ver-pfändet 1394 befindet sich Riedern im Besitz der österreichischen Herrschaft Hohenberg 1405 Eberhard von Hausen verkauft den »maiger von Rie-dern« an Hans von Stuben 1416 Kloster Stein verleiht den wüst liegenden Hof Riederri an den Vogt zu Werenwag.

Anmerkungen 1 Michael Borgole, Das Königtum am oberen Neckar (8 -11. Jahr-

hundert), In: Franz Quarthai, Zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb. 1955. S. 109/110.

2 MG DHU 21; Die Urkunden der deutschen Könige und Kaiser, 3: Die Urkunden Heinrichs II. und Arduins, Berlin 1957, 2. Auflage, S. 654-656, Nr. 511.

3 Hansjänichen, Baar und Huntari, in: Grundfragen der Alemanni-schen Geschichte, Thorbecke Verlag Sigmaringen 1955, S. 102/ 103.

4 Hansmartin Decker-Hauff, Die Ottonen und Schwaben, in: Zeitschrift für Württ. Landesgeschichte XIV. Jahrg. 1955, Kohl-hammer Verlag Stuttgart 1955, S. 236, Anmerkung 19.

5 J.A. Kraus, Schwenningen und Riedern bei Werenwag, in: FDA 1957, Verlag Herder Freiburg, S. 346-348.

6 Ders., (wie Anm. 5) S. 348. 7 Ubersichtsplan der Gemeinde Schwenningen, Staad. Vermes-

sungsamt Sigmaringen. 8 Johann Siher, unveröffentlichte Chronik von Schwenningen,

S. 63a.

9 Hans Jänichen, Markung und Allmende und die mittelalterlichen Wüstungsvorgänge im nördlichen Schwaben, in: Vorträge und Forschungen, 1964, VII, S. 163-222, Thorbecke Verlag Konstanz.

10 Ohne Verf., Was die Flurnamen erzählen, in: Heimatkundliche Blätter Balingen, August 1986, S. 560.

11 Fischer, Schwäbisches Wörterbuch, S. 342. 12 Hermann Schmid, Die ehemaligen salemischen Besitzungen

Oberriedern und Gebharsweiler, In: FDA 108 (1988). 13 Übersichtsplan der Gemarkung Langenbrunnen, Staad. Vermes-

sungsamt Sigmaringen. 14 Plan über die Waldungen der Fürstlichen Standesherrschaft Für-

stenberg auf der Gemarkung Werenwag, 1847. 15 Josef Stöckle, Werenwag im Donauthale, Meßkirch 1893, Seite 56. 16 Jürgen Scheff, nach Augenschein. 17 Walter Stettner, Zollerisches aus den St. Georger Stiftungsakten,

in: Hohenzollerische Heimat, Jahrg. 1960, S.20. 18 Stöckle (wie Anm. 15), S.55. 19 Hans Müller, Alte Steigen um Ebingen, in: Heimatkundl. Blätter

für den Kreis Balingen, November 1966, S. 621.

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20 Vgl. dazu O.Paret, Römerzeit, in: Der Landkreis Balingen, Amdiche Kreisbeschreibung, Band 1, 1960, S. 178.

21 Fritz Scheerer, Namen von Weg und Steg, in: Heimatk. Blätter Balingen, Februar 1976, S. 55.

22 Eugen Schnell, Die frühen Dynasten-Geschlechter in Hohenzol-lern, insbesondere der Herren von Weitingen, in: Mitteilungen des Vereins für Gesch. u. Altertumskunde in Hohenzollern, VII. Jahr-gang 1874/75, S.93/94.

23 Hieronymus Edelmann, Geschichte der Herren von Hausen im Donauthale, S. 16.

24 Gotthard End, Die Burgen der Höri und ihre Besitzer, Im Selbstverlag 1940, S. 133/34.

25 Regesta ImperiiXI, Die Urkunden Kaiser Sigmunds, Innsbruck 1896, S. 260, Nr. 3708.

26 Karl Otto Müller, Quellen zur Verwaltungs- und Wirtschaftsge-schichte der Grafschaft Hohenberg vom Ubergang an Osterreich bis zum Ende der Reichsstädtischen Pfandschaft (1454), 1. Teil, in: Württ. Geschichtsquellen, 24. Band, Kohlhammer Stuttgart 1953, S. 94.

27 Walter Stettner, Aus alten Steuerlisten, in: Heimatkundl. Blätter für den Kreis Balingen, Juni 1969, S. 747.

28 Viktor Ernst, Die Entstehung des niederen Adels, Stuttgart 1916.

29 /. A. Kraus, Vom hohen und niederen Adel, in: Hohenz. Heimat, Jahrgang 1964, S. 10.

30 Otto-Günter Lonhard, Vom Adel zum Bürgertum, Die Familie von Werenwag, VFWK, Juni 1985, S. 61.

31 Eugen Stemmler, Zollern und Hohenberg vom 12. bis 16.Jahr-hundert, in: Hohenzoll. Jahreshefte, 21. Band, 1961, S. 32.

32 H.Jänichen, Der Besitz des Kl. Stein am Rhein (zuvor Hohen-twiel) nördlich der Donau vom 11. bis zum 16. Jahrhundert, in: Jahrbuch für Stat. Landeskunde von B.-W.4 (1958) 76-86.

33 K, Th. Zingeler, Geschichte des Klosters Beuron im Donauthale, Sigmaringen 1980, S. 58/59.

34 WUB 5, S. 19, Nr. 1258. 35 WUB 5, Anmerkungen S.22. 36 Karl Ochs, Studien zur Wirtschafts- und Rechtsgeschichte des Kl.

Beuron von der Gründung bis zum Jahre 1515, in: Hohenz. Jahreshefte, Sigmaringen 1934, S. 24-26.

37 Elmar Blessing, Mühlheim an der Donau, Geschichte und Geschichten einer Stadt, Thorbecke Verlag Sigmaringen 1985, S. 1-7.

38 RECII, S. 49, Nr. 3326. 39 RECII, S. 54, Nr.3375. 40 RECII, S. 54, Nr.3376.

OTTO BOGENSCHÜTZ

Beitrag zur zollerischen Frühgeschichte

Dr. Schöntag hat mit seinem Vortrag vom 23.10. 1990 über den Aufstieg und Niedergang der Zollergrafen die vorhande-nen Geschichtsquellen der zollerischen Frühgeschichte neu interpretiert. Er zog zu seiner Neubewertung nicht nur allein genealogische, sondern auch rechtsgeschichtliche und landes-kundliche Gesichtspunkte heran. Durch die Schöntag'sche Neubewertung müssen bisher geltende Lehrmeinungen revidiert werden, die Frühgeschichte mancher Nieder-adelsgeschlechter muß neu geschrieben werden.

Das Wichtigste des Vortrages von Dr. Schöntag läßt sich in wenigen Sätzen zusammenfassen: 1. Die Grafschaft Zollern war kein Zerfallsprodukt einer

einst großen Einheit, sondern eine Neubildung des 12.-13. Jahrhunderts.

2. Das Grafenamt im Scherragau bekamen die Zollern um 1111 von König Heinrich V. verliehen.

3. Die Zollergrafen mußten danach die Lehenstage der Her-zöge von Staufen, der Zähringer und Weifen besuchen. Daraus läßt sich schließen, daß die Grafschaft Zollern einst aus Lehen der Herzöge von Schwaben, der Zähringer und der Weifen bestand.

Weil die Grafschaft Zollern aus Eigenbesitz des Grafenhauses und aus Lehensbesitz anderer Herrschaften bestand, ist eine nähere Betrachtung des zollerischen Besitzes im 12.-13. Jahr-hundert erforderlich. Da zollerische Urkunden aus dem 12.-13. Jahrhundert fehlen, muß ich auf Aufzeichnungen von Klöstern zurückgreifen. Die Zwiefalter Chroniken Ortliebs und Bertholds2. Sie wurden 1135 und 1138 niedergeschrieben und beinhalten die ersten Angaben über Güterverkäufe in der Grafschaft Zollern. Das Kloster wurde 1089 von Kuno und Liutold von Achalm gegründet. Die Grafen von Achalm und von Urach stammten von der selben Familie ab. Sie hatten ihre erste Grabstätte in Dettingen an der Erms. Den ersten Hinweis über einen Gütertausch in der späteren Grafschaft Zollern schrieb Ortlieb im ersten Buch, 17: Ein Egino, des Klosterstifters Vaterbruder, tauschte den Berg Achalm ein, gegen sein wertvolles Landgut in Schlatt. Mit einer beträchtli-chen Geldsumme baute er auf dem Gipfel des Berges eine Burg. Sein eingetauschtes Landgut lag in Schlatt bei Hechin-gen. Das Landgut war der heutige 57 Jauchert große Brühl (Wiesen in der Nähe der Wohnsiedlungen bzw. den Burgen).

Es war begrenzt durch die Starzel und auf der westlichen Seite durch den Mönchsbach, der Gemarkungsgrenze zu Hechin-gen. Der Schlatter Brühl ist außer dem Hechinger Herr-schaftsbrühl (Brielhof), dem Stettener Klosterbrühl und dem Bisinger Brühl (um die Burgstelle Rohr) der größte in der Umgebung der Burg Hohenzollern1. Der Thanheimer Brühl ist 27 Jauchert groß, die Brühle der anderen Orte sind Bauernbrühle und sind alle kleiner als 9 Jauchert. Graf Egino muß um 1030 den Tausch vollzogen haben, sein Neffe Liutold starb bereits 1098.

Mit wem tauschte Graf Egino? Vielleicht deutet das Dienst-verhältnis des Schlatter Niederadelsgeschlechts zu den Pfalz-grafen von Tübingen vage auf einen möglichen Tauschpartner hin? (Hohenzollerische Heimat 1982 - Kraus)3

2. Gräfin Udelhild von Zollern, Tochter des Grafen Egino von Urach, schenkte dem Kloster je eine Hube (1 Hofstatt mit 18 Jauchert Acker oder Wiesen) in Stetten bei Hechingen, in Engstlatt, Streichen und Hart. Zwei Huben in Thanheim (Ortlieb S. 171).

Nimmt man Hart nicht als den Ort bei Haigerloch, sondern den abgegangenen Weiler an der heutigen B32 auf Gemar-kung Hechingen nahe der Gemarkungsgrenze zu Schlatt an (heutige Gewanne Hart, Vor Hart, Härle und Weiler), so schenkte Udelhild Güter vom väterlichen Erbe aus zwei zusammenhängenden Güterkomplexen. Ihr Gemahl Fried-rich nahm gegenüber dem Kloster Zwiefalten eine feindliche Haltung ein. Er entriß lieber dem Kloster Güter, als daß er Güter schenkte (Berthold S. 283 und 249).

Nach dessen Tod, um 1115, trat Udelhild ins Kloster ein. Warum sie ins Kloster ging, wissen wir nicht. Lag es an Spannungen in der Grafenfamilie, stammte vielleicht der Nachfolger ihres Mannes, Graf Friedrich II., nicht von ihr ab? Wir wissen es nicht.

Dagegen stellte Hans Wollach in seinem Buch über die Anfänge des Klosters St. Georgen die Behauptung auf, daß Udelhild Güter aus Stetten bei Haigerloch dem Kloster schenkte. Stetten bei Haigerloch lag nie in der Scherragraf-schaft und hat keinen großen Brühl (2,25 Jauchert).

3. Der Klostermönch Kuno von Hechingen schenkte dem Kloster nahe dem Dorfe Hechingen eine bewohnbare Hof-

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statt mit steinernem Haus und 1 Hube Äcker und Wiesen. Weil sich das Kloster von diesen nahe der Zollerburg gelege-nen Besitzungen keinen Nutzen versprach, wurden sie ver-kauft (Berthold S.243).

Dies läßt sich meinerseits folgendermaßen interpretieren: Das steinerne Haus lag unmittelbar am Zollerberg, der Zollergraf hatte ein starkes Interesse daran.4. Wäre es nicht sofort vom Kloster weiter verkauft worden, hätte es Graf Friedrich II. sicherlich an sich gerissen. Was lag näher, als ein Verkauf an die Söhne der im Kloster lebenden Udelhild. Warum wurde der Zwiefalter Mönch Cuno aus Hechingen, statt von Hechingen genannt, oder steckt hinter ihm Cuno von Zimmern, der 1086 eine Güterschenkung ans Kloster St. Georgen bezeugte?

Er war sicherlich nicht Angehöriger einer Grafenfamilie. Das steinerne Haus war für seine Familie wertlos, seine Familie wohnte bereits im nahen Dorfe Hechingen. Zum Zeitpunkt des Verkaufes lebte er bereits im Kloster. Seine Verwandten Berta und Berthold schenkten dem Kloster Güter in Neufra und Eningen. Wie Cuno, Berta und Berthold zueinander verwandt waren, läßt sich nicht mehr feststellen. Die Herren von Hechingen waren sicherlich Dienstmannen von den Grafen von Urach.

4. Egino von Zollern gab dem Kloster aus mütterlichem Uracher Erbe den Weiler Beuren bei Schlatt, Gottfried von Zimmern 4 Huben bei Streichen.

Die Schenkung des Gottfrieds läßt sich wie folgt lokalisieren. Streichen besitzt keinen Brühl, der Zillhausener Brühl ist sehr klein. So müssen die 4 Hofstellen irgendwo anders gesucht werden. Zwischen Bisingen und Streichen gab es einen größeren Brühl. Er lag um die Burgstelle Rohr auf der Gemarkung Bisingen (heutige Gewanne Rohr, Linden). Die-ser Güterkomplex liegt entfernungsmäßig näher an Streichen als zu Bisingen. Nach der mündlichen Überlieferung gab es früher in diesem Gebiet mehrere Herrschaftshöfe.

Gottfried ließ sich im, vom Kloster verkauften, steinernen Haus nieder und nannte sich von nun an »von Zimmern«. Das steinerne Haus stand im heutigen Gewann Burgle auf Gemar-kung Zimmern, die Hofstatt war der Rauhenhof oder der mündlich bekannte Freithof.

Gottfried von Zimmern starb nach der Sayn'schen Genealo-gie kinderlos. Nach Dr. Bumillers Beitrag fürs neue Bisinger Heimatbuch trat Gottfried zwischen 1153 und 1158 mehrfach im Gefolge des Kaisers Friedrich Barbarossa auf und starb vermutlich im zweiten Italienfeldzug des Kaisers5.

Nach der Zimmerner mündlichen Überlieferung soll seine Frau nach ihrem Tod den Zimmerner Güter vererbt haben. Sie soll es wegen Verärgerung über den Zollergrafen gemacht haben. Der Zollergraf soll nach der Sage die Erbschaft an die Zimmerner nur bis zum ersten Tal (Weiherlesbach) aner-kannt haben. Die Wälder zwischen dem ersten und zweiten Tal (unteres Rübenteich) hat er entgegen dem Testament selber eingezogen. Tatsächlich läßt sich diese Schenkung heute noch feststellen.

Die Gräfin schenkte die Güter nicht den Bauern, sondern der Pfarrei Zell. Teile von Zimmern gehörten damals zur Pfarrei Zell. Die Pfarrei gab diese Güter als Lehen an die Zimmerner aus und durfte aber von ihnen keinen Zehnten einziehen.

Auffallend nannte sich Gottfried bei den Lehnstagen der Zähringer oder bei Versammlungen mit den Weifen immer »von Zimmern«. Vertrat er aber allein beim König das Grafenhaus, so nannte er sich von Zollern. Die Grafen von Urach-Achalm hatten ursprünglich einen zusammenhängenden Grundbesitz um Schlatt (nördlich des Zollerberges) und um Thanheim (südlich des Zollerberges).

Setzt man den Achalmer Grafen Rudolf mit dem Scherragra-fen Rudolf gleich, so läßt sich dieser Besitz um den Zollerberg einfach erklären. Bekanntlich schenkte der Scherragraf Rudolf 1064 mehrere Güter aus dem Scherragau ans Elsässer Kloster Ottmarsheim.

Die Erben der Grafen von Urach, die Grafen von Fürsten-berg, hatten noch 1255 Rechte an der zollerischen Kirche in Balingen6. Das Kloster Zwiefalten behielt nicht lange den Besitz in der Nähe der Zollerburg. Bereits um 1226 lassen sich die Herren von Bisingen als Besitzer der Grundherrschaft von Bisingen nachweisen. 1303 stifteten sie auf der 1311 zerstörten Wehrburg Rohr einen Jahrtag dem Kloster Kirch-berg.

Warum der Zollergraf mit einem Teil des Stettener Brühls 1300 das Kloster Stetten ausstattete, bedarf noch einer weite-ren Untersuchung.

Anmerkungen 1 In Vorbereitung - Die Brühle um den Zollerberg. 2 Die Zwiefalter Chroniken des Ortliebs und Berthold. Herausge-

ber: Erich König und Otto Müller 3 Der Adel von Schlatt HH 1982,/. A Kraus, S. 10 4 Studien zur Sozialgeschichte der Grafschaft Zollern - Dissertation

von Dr. Casimir Bumiller, S. 107 5 Beitrag fürs neue Bisinger Heimatbuch, 1988 von Casimir Bumiller 6 Württembergisches Urkundenbuch

OTTO H. BECKER

Erzabt Dr. Maurus Wolter und Hohenzollern (Fortsetzung und Schluß)

Bemerkungen zum hundertsten Todestag des Gründers der Erzahtei St. Martin in Beuron am 8. Juli 1890:

4) Vom Priorat zur Erzahtei

Die Überzeugung der hohenzollerischen Geistlichkeit, wonach nur eine lebendige Wallfahrt die Voraussetzung für eine erfolgreiche Klostergründung sein konnte, wurde auch von den Gebrüdern Wolter geteilt und erweckten, worauf schon kurz hingewiesen wurde, am Tag nach der feierlichen Eröffnung des Klosters, am 25. Mai 1863, auch die Wallfahrt zum Gnadenbild der schmerzhaften Mutter zu Beuron zu neuem Leben. In der Festpredigt verschmolz Pater Placidus Wolter, damals Pfarrer zu Beuron, beide Ereignisse zu einer

Einheit: »Das Kloster Beuron, so sprach P. Thomas Lechleit-ner zu seinen Brüdern, das Kloster Beuron wird zwar verlas-sen und verödet, aber seiner hohen Bestimmung nicht auf immer entzogen werden, kommen wird vielmehr die Zeit, nachdem die Wasser der Trübsal verlaufen, da der Friedens-engel wieder einzieht in diese heiligen Räume, da das Kloster-gebäude wieder belebt wird von Dienern Gottes, da das Kleinod des Klosters, das traute Gnadenbild, wieder Ehre

* Leicht überarbeitete Fassung eines Vortrags, den der Verfasser am 9. Juli 1990 in Beuron gehalten hat

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und Ruhm empfängt und die gebenedeite Schmerzensmutter ihre Kleider wieder mit überfließendem Segen bereichert... Heute, theure Andächtige, ja heute geht dieß Wort des letzten Sidonswächters auf diesen geweihten Mauern in Erfüllung«. Danach wurde der Vorhang, der das auf dem Rosenkranz-altar, dem heutigen St. Benedictus- und Sakramentsaltar, postierte Gnadenbild verhüllte, weggezogen. Nach dem Fest zogen die Beuroner Mönche jeden Sonntag nach der Vesper zum Gnadenaltar, um die Schmerzensmutter durch die laute-tanische Litanei und ein Marienlied zu grüßen.

Die Verehrung der schmerzhaften Mutter wurde zu einem zentralen Anliegen der Beuroner Kommunität. Maurus Wol-ter, der sich unter dem besonderen Schutz der Gottesmutter wähnte, drückte seine Uberzeugung auch in seinem späteren Abtswappen aus, das ein großes M auf blauem Grund aufwies. Auf Erzabt Maurus ging auch die Anregung zum Bau der Gnadenkapelle zurück, deren Ausführung ihm jedoch versagt geblieben ist.

Die wiederbelebte Wallfahrt stieß bei den Gläubigen Hohen-zollerns und der angrenzenden badischen und württembergi-schen Gebiete auf großen Widerhall. Schon bei der Wieder-kehr der Eröffnung der Wallfahrt im Jahre 1864 konnte man dem erzbischöflichen Ordinariat die Zahl von 8000 bis 10000 Pilgern melden. Die Zahl der Kommunionen stieg von 5300 im Jahre 1864 auf 14000 im Jahre 1872 an. Im gleichen Maße nahm auch die Beanspruchung der Benediktinerpatres im Beichtstuhl zu, eine Entwicklung, die nach der Übersied-lung der Benediktiner nicht vorhersehbar war. Mußte doch P. Placidus am Fest der Unbefleckten Empfängnis Mariens unmittelbar nach seiner Ankunft 1862 in Beuron die schmerzliche Erfahrung machen, daß kein einziger von den 150 Angehörigen der Beuroner Pfarrei zu den Sakramenten ging. Auch die Meßstiftungen für den Gnadenaltar nahmen Jahr für Jahr zu.

Um die Wallfahrt zum Beuroner Gnadenaltar noch mehr zu befördern, ersuchte die Fürstin Katharina von Hohenzollern-Sigmaringen während ihres Winteraufenthalts in Rom 1864/ 65 Papst Pius IX. um die Genehmigung, daß am Gnadenaltar täglich die Votivmesse von den Sieben Schmerzen Mariae gelesen werden dürfte. Außerdem bat sie um Verleihung des sogenannten Altarprivilegs, d.h. die Gewährung eines voll-kommenen Ablasses für die armen Seelen bei jeder hl. Messe, für den Gnadenaltar, den Hochaltar und den Benedictusaltar. Schließlich bat sie den Papst, er möge den Pilgern, die in der Beuroner Kirche die hl. Sakramente empfangen, das Gnaden-bild verehren und für die hl. Kirche nach der Meinung des Papstes beten, einmal im Jahr einen vollkommenen Ablaß zu gewähren. Pius IX. willfuhr den Bitten der Fürstin am 5. März 1865 insofern, als er den Besuchern der Beuroner Abteikirche an allen Festen des Herrn sowie an den fünf Marienfesten einen vollkommennen Ablaß und auch das Altarprivileg für die drei genannten Altare gewährte. Die Bitte um die tägliche Votivmesse schlug er dagegen aus.

Trotz der strengen Maßstäbe, welche Maurus Wolter nach dem Vorbild von Solesmes an den Nachwuchs stellte, stieg die Zahl der Mitglieder der Beuroner Kommunität, die bei der Eröffnung aus neun Mitgliedern bestanden hatte, allmählich auf 33 Mitglieder im Jahre 1868 an. Die klösterliche Gemein-schaft wollte sich mit dem Zustand der Unterstellung unter den Freiburger Erzbischof nicht mehr zufrieden geben. Die Hochziele waren vielmehr auf die Exemtion von der bischöf-lichen Gewalt und auf die Bildung einer eigenen Kongrega-tion gerichtet.

Auch bei der Durchsetzung dieser Zielvorstellung erwarb sich die Fürstin große Verdienste. Ihr auf Anraten des Abts Gueranger unmittelbar an den Papst gerichtetes Schreiben, in welchem gebeten wurde, dem Prior von St. Martin, Maurus Wolter, eo ipso die Abtswürde zu gewähren, sobald die Zahl

der Profeßmönche auf 12 gestiegen sei, und das Kloster damit die Rechte und Privilegien einer neuen Benediktinerkongre-gation erhalten sollte, hatte Erfolg. Mit Breve vom 4. April 1864 wurde dem ersten Punkt des Bittgesuchs stattgegeben. Die Genehmigung zur Errichtung einer eigenen Kongrega-tion wurde jedoch an die Bedingung der Vorlage einer Konstitution geknüpft. Die Konstitution, die sich weitge-hend an der von Solesmes orientierte, legte Prior Wolter dem päpstlichen Legaten, Erzbischof von Vicari, vor, der sie am 28. Oktober 1866 ratifizierte. Nach Überarbeitung wurde diese dann am 5. Mai 1872 in Rom für sieben Jahre bestätigt. Mit dieser Konfirmation war das Kloster Beuron auch vor der bischöflichen Gewalt eximiert.

Die Bedingung, daß Prior Wolter eo ipso die Abtswürde erhalte, sobald die Zahl der Beuroner Profeß auf 12 gestiegen sei, wurde am 30. April erfüllt. So konnte der Prior am 20. September desselben Jahres in der BasilikaSt. Paul vor den Mauern in Rom zum Abt benediziert werden.

Dem heimkehrenden Abt bereitete Hohenzollern einen gro-ßen Empfang. Nach seiner Ankunft in Sigmaringen am 2. Oktober 1868 um 17.00 Uhr begab er sich zunächst ins Fidelishaus, wo er im Kreise ausgewählter Freunde, an ihrer Spitze der Gründer und Vorsteher des Seminarraums Fide-lianum, Pfarrer Thomas Geiselhart, das Abendessen ein-nahm. Die Nacht verbrachte der Abt dann auf ausdrücklichen Wunsch des Fürsten Karl Anton im Sigmaringer Schloß. Am folgenden Morgen wurden ihm dort bei festlichem Dejeuner die Glückwünsche der Spitzen der Stadt sowie der königl. und fürstl. Behörden dargebracht.

Danach fuhr Abt Wolter nach Beuron, wo er von den Mitgliedern der Benediktinerkommunität aufs freundlichste empfangen und im Beisein des Domkapitulars Weickum aus Freiburg, des Paters Rektor der Gesellschaft Jesu von Gor-heim, des Pfarrers Engel aus Hausen a. A., Dekan des Land-kapitels Sigmaringen, und von Pfarrer Thomas Geiselhart zum ersten Pontifikalvesper geleitet wurde.

Mit der Erhebung des Priorats Beuron zur Abtei sah die Fürstin Katharina von Hohenzollern ihre Aufgabe als been-det an. Sie verließ ihre Wohnung im südlichen Klosterflügel, um fortan den Winter im Süden zu verbringen und im Sommer in ihr Schweizerhaus bei der Kapelle St. Maurus zu ziehen. Schließlich erwarb sie ein Haus in Meran und trat dort als Schwester Coletta in den dritten Orden des hl. Franciscus ein. Diese Trennung war jedoch nur von kurzer Dauer. Die Stürme des Kulturkampfes sollten alsbald ihre Rückkehr nach Beuron nötig machen, wie wir noch sehen werde.

Mit der Bestätigung der Konstitution im Jahre 1873 war der Weg frei zur Bildung einer eigenständigen Beuroner Kongre-gation. Schon 1869 war durch den Bischof von Limburg an Abt Maurus das Angebot herangetragen worden, in der ehemaligen Prämonstratenserabtei Arnstein an der Lahn eine Beuroner Niederlassung zu gründen. Die von Pater Placidus Wolter begonnene Gründung mußte jedoch bereits 1870 wieder aufgegeben werden.

Über die Vermittlung des damaligen Fraters Felix de Hemp-tinne trat 1872 die belgische Verlegerfamilie Desclee an Abt Maurus mit dem Plan einer Klostergründung in Maredsous heran. Nach Verhandlungen verpflichtete sich die Familie Desclee, hierfür ein beträchtliches Fundationskapital zur Verfügung zu stellen. Maurus Wolter begab sich im Oktober 1873 mit der Beuroner Gründungskolonie nach Maredsous, um dort die Planungen zum Neubau des Klosters überwa-chen zu können. Nach der Grundsteinlegung im Frühjahr 1874 kehrte er wieder nach Beuron zurück und übergab die Leitung des Tochterklosters seinem Bruder P. Placidus Wol-ter, der bereits 1878 zum ersten Abt von Maredsous benedi-ziert werden konnte.

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Die Gründung von Maredsous war schon überschattet vom sogenannten Kulturkampf. Im Verlauf dieser Auseinander-setzung, wozu die Verkündigung des Unfehlbarkeitsdogmas auf dem 1. Vatikanischen Konzil 1870 den unmittelbaren Anlaß geboten hatte, wurde ab 1871 durch eine Reihe von Reichsgesetzen und preußischen Gesetzen, die hier im einzel-nen nicht aufgeführt und kommentiert werden können, die Freiheit der katholischen Kirche im neugegründeten Reich beseitigt. Mit dem Reichsgesetz vom 4.Juli 1872 wurde schließlich der Orden der Gesellschaft Jesu und die mit ihm verwandten Orden und ordensähnlichen Kongregationen vom Gebiet des deutschen Reiches ausgeschlossen, ein Gesetz, dem auch die erste Ordensniederlassung in Hohen-zollern nach der Säkularisation, das Jesuitenkloster Gorheim, zum Opfer fiel.

Die Wolken zogen sich auch über die zweite Ordensnieder-lassung, die Abtei Beuron, immer bedrohlicher zusammen. Durch Gesetz wurden auch die liberalen Kirchenartikel 15, 16 und 18 der preußischen Verfassung außer Kraft gesetzt. Um einer möglichen »Säkularisation« des Abteivermögens zuvorzukommen, waren am 20. Mai 1873 das Stiftungsgut und alle Besitzungen, die Beuron seit der Gründung erwor-ben hatte, in das Eigentum der Fürstin Katharina übergeführt worden. Das Gesetz betreffend die geistlichen Orden und ordensähnlichen Kongregationen der katholischen Kirche vom 31. Mai 1875 verfügte schließlich die Auflösung aller bestehenden Ordensniederlassungen und untersagte neue.

Interventionen der Fürstin Katharina bei Reichskanzler von Bismarck und des Fürsten Karl Anton von Hohenzollern bei Kaiser Wilhelm I. konnten das Blatt für die Abtei Beuron nicht mehr wenden. Am 3. Dezember 1875 wurde die Abtei für aufgelöst erklärt. Morgens in der Frühe fand der Abschiedsgottesdienst statt. Die Benediktinermönche zogen in Prozessionen von einem Altar der Kirche zum anderen und am Schluß erteilte Abt Maurus den Segen. Unter dem Schluchzen der herangeeilten Gläubigen verließen die Mön-che die Kirche. Abt Maurus Wolter übersiedelte mit 34 Mit-gliedern der Beuroner Kommunität nach Volders bei Inns-bruck in Tirol, das man nach längeren Sondierungen als Ausweichsquartier gefunden hatte; 14 Mitglieder reisten in das Tochterkloster Maredsous in Belgien.

In Beuron zurück blieben Prior Bernhard Kober, der zugleich Pfarrer war, die Patres Gregor und Stephan und neun Laienbrüder, die als Bedienstete der Fürstin Katharina geführt wurden. Die Oberwacht im Kloster Beuron, das damals den Namen »Fürstliches Schloß« führte, hielt die Fürstin.

Das Kloster Volders, das dem Servitenorden gehörte, erwies sich für die anwachsende Kommunität alsbald als ungeeignet. Man begann, nach einer neuen Niederlassung Umschau zu halten. Aus der Suche nach einem geeigneten Ort in England ging ein weiteres Tochterkloster der Abtei Beuron in Erding-ton hervor, das 1896 zur Abtei erhoben werden sollte. Nach dreijährigem Aufenthalt im Kloster Volders fand die Beuroner Kommunität dann 1880 im Stift Emaus in Prag eine neue Bleibe, wozu die Beziehungen der Fürstin Katharina zu dem Erzbischof von Prag, Kardinal Friedrich von Schwar-zenberg, die Wege geebnet hatten. Die steigende Zahl der Mitglieder der Abtei verursachten auch dort alsbald eine unerträgliche Enge. Schließlich fand man in dem ehemaligen Augustinerchorherrenstift Seckau in der Steiermark, das 1883 der Beuroner Kommunität übergeben wurde, eine weitere Niederlassung.

Zur gleichen Zeit verhandelte Placidus Wolter, der Abt von Maredsous, in Rom über die endgültige Annahme der Kon-stitutionen der Beuroner Kongregation. Nach mehreren Änderungsvorschlägen wurden 1884 die Konstitutionen schließlich anerkannt.

Diese Verfassung enthielt u.a. auch den Artikel, daß das Oberhaupt der Kongregation den Amtstitel Erzabt erhalten sollte, sobald der Bestand von drei Abteien erreicht war. Nach der Gründung von Seckau wurde der bisherige Prior Dr. Benedikt Sauter, der erste Novize der Gemeinschaft, 1885 zum Abt von Emaus erhoben, wodurch die geforderte Dreizahl erreicht war, so daß sich Maurus Wolter in Seckau mit Recht Erzabt von Beuron nennen durfte.

In der Zwischenzeit war der Kulturkampf bereits abgeflaut. Am 21. Oktober wurde dem Erzabt von Beuron die außeror-dentliche Ehre zuteil, bei der am 21. Oktober in Sigmaringen stattfindenden goldenen Hochzeit des Fürsten Karl Anton und der Fürstin Josefine von Hohenzollern, an welcher der gesamte deutsche Hochadel, an seiner Spitze Kaiser Wil-helm I., teilnahm, die Festpredigt halten zu dürfen.

Durch »Friedensgesetze« 1886 und 1887 wurde der Kultur-kampf dann endgültig beendet. Erzabt Wolter kehrte im August 1887 von seinem Sitz in Seckau in Begleitung der Äbte von Maredsous, Emaus und Seckau nach Beuron zurück. Nach der feierlichen Wiedereröffnung am 21. August wurde in Beuron dann das 2. Generalkapitel abgehalten. Man beschloß u.a., sich an dem Benediktinerkolleg S. Anselmo in Rom zu beteiligen und bereitete die Gründung von Frauenklöstern innerhalb der Kongregation vor.

Die Beuroner Kommunität war aus der Vertreibung nicht geschwächt, sondern gestärkt hervorgegangen, ein Faktum, das in der Chronik der Klosterpfarrei Beuron mit dem Satz »Was der böse Feind zum Schaden ausgeheckt hatte, war zum Segen geworden« trefflich kommentiert wurde. Sie entfaltete in den letzten Lebensjahren ihres ersten Erzabtes Maurus Wolter eine überaus fruchtbare Tätigkeit. Sichtbare Zeichen waren die Beteiligung der Beuroner Kongregation an der Gründung des Benediktinerkollegs S. Anselmo in Rom, erfolgreiche Volksmissionen und die Gründung von St. Ga-briel in Prag, dem ersten Frauenkloster der Kongregation, das bereits 1891 zur Abtei erhoben werden konnte. Die erfolgreiche Arbeit war jedoch überschattet von einer zunnehmenden Entfremdung der Fürstin Katharina zu ihrer Stiftung Beuron. Ein Grund hierfür mochte darin gelegen haben, daß die nunmehrige Erzabtei nach ihrer Rückkehr nicht mehr des Rats und der Hilfe der Fürstin bedurfte, und sie sich damit zurückgesetzt fühlte. Ein anderer Grund dürfte der späten Erkenntnis entsprungen sein, für Beuron, das alle ihre Kräfte und Mittel beansprucht hatte, ihren Herzens-wunsch, ein Frauenkloster zu gründen, geopfert zu haben.

Wohl schon im Vorgriff auf ihre endgültige Trennung von Beuron traf die Fürstin mit Urkunde vom 13. Februar 1888 das bei der Fürstl. Hofkammer hinterlegte Stiftungskapital in Höhe von 100000M an Fürst Leopold ab, der 1885 seinem Vater, Fürst Karl Anton, als Chef des Hauses Hohenzollern nachgefolgt war. Mit Urkunde vom 9. April 1888 schließlich übertrug die Fürstin Katharina ihrem Stiefenkel Fürst Leo-pold die gesamten auf ihren Namen im Grundbuch eingetra-genen Immobilien der Erzabtei Beuron. Dieser wiederum verpflichtete sich, den Klosterbesitz auf Verlangen der Erz-abtei jederzeit wieder zurückzugeben. Zur Verwaltung des in sein Eigentum gelangten Besitzes des Klosters richtete er die Fürstl. Klosterverwaltung ein und berief zum Vorstand der-selben P. Willibrord Benzler. Durch diese Transaktion war der Fortbestand des Klosters vermögensrechtlich abgesi-chert.

Die Fürstin Katharina verließ schließlich am 7. Juli 1890 tief verletzt Beuron und starb am 15. Februar 1893 an ihrem neuen Wohnort Freiburg i. Br. Einen Tag, nachdem die Stifterin von Beuron abgereist war, am 8. Juli 1890, starb während des 3. Generalkapitels der erste Abt und Erzabt des Benediktinerklosters Beuron, Dr. Maurus Wolter. Domkapi-

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tular Weickum, der Beuron stets freundschaftlich verbunden war, kommentierte das merkwürdige Zusammentreffen die-ser Ereignisse mit den Worten »Beuron hat seine Mutter und seinen Vater verloren«.

Erzabt Maurus Wolter wurde am 11. Juli 1890 im Kreise seiner Söhne und in Anwesenheit des Fürsten Leopold von Hohenzollern, dem Sigmaringer Regierungspräsidenten, den Repräsentanten der hohenzollerischen Behörden und der Abgesandten des Erzbischofs von Freiburg und des Bischofs von Rottenburg in der Abteikirche in Beuron zur ewigen Ruhe gebettet.

Auf Wunsch der Fürstin Katharina wurde Erzabt Maurus Wolter in dem Sarg beigesetzt, den sie vor Jahren für sich selbst hatte anfertigen lassen. Es war dies die letzte Gabe der Stifterin für ihren langjährigen Weggefährten und für die Erzabtei St. Martin in Beuron.

5) Zusammenfassung

Die Pläne der Gebrüder Wolter, in Deutschland ein Benedik-tinerkloster zu gründen, hatte sich die Fürstin Katharina im Verlauf ihres Zusammenseins zu eigen gemacht und ihre Rückkehr nach Deutschland veranlaßt und dank ihrer guten Beziehungen zu Papst Pius IX. und zum Abt Pescetelli von St. Paul vor den Mauern auch durchgesetzt. Materborn als Standort für die vorgesehene Klostergründung scheiterte an der mangelnden Unterstützung des Diözesanbischofs von Münster und vor allem am Widerstand des Weltklerus am Niederrhein, der die Benediktiner als Konkurrenz empfand.

Die für eine erfolgreiche Klostergründung notwendigen Grundvoraussetzungen bot demgegenüber Hohenzollern. Hier hatte bereits 1850 die Geistlichkeit die Niederlassung eines Ordens gefordert, von dem sie sich eine tatkräftige Unterstützung in der Seelsorge erwartete. Auch nach der Gründung des Jesuitenklosters in Gorheim bei Sigmaringen 1852 hielt diese positive Einstellung der hohenzollerischen Geistlichkeit an, was durch das tatkräftige Eintreten von Benefiziat Thomas Geiselhart, Stadtpfarrer Johann Heinrich Lampenscherf von Sigmaringen und auch des aus Rangendin-

LITERATUR Otto H. Becker: Beuron von der Säkularisation der Augustinerchor-

herrenabtei bis zum Vorabend der Ankunft der Benediktiner, in: W. Schöntag (Hrsg.), 250 Jahre Abteikirche Beuron. Geschichte, geistliches Leben, Kunst, Beuron 1988, S. 110-155

Ders.: Benediktinermönche in Beuron, ebda., S. 156-185 Ders.: Die Wallfahrt zum Beuroner Gnadenbild, ebda., S. 186-192 Hermann Brodmann: Thomas Geiselhart. Ein Leben im Dienste der

Menschen und der Erneuerung der Kirche, hrsg. vom Hohenzolle-rischen Geschichtsverein und dem Krankenpflegeverein St. Jo-hann Sigmaringen, Sigmaringen 1984

P. Virgil Fiala OSB: Ein Jahrhundert Beuroner Geschichte 1863-1963, in: Festschrift zum hundertjährigen Bestehen der Erzabtei St. Martin, Beuron 1963, S. 39-230

Ders.: Die Bemühungen um Wiederzulassung der Benediktiner in Baden und Hohenzollern während des 19. Jahrhunderts, in: Die Benediktinerklöster in Baden-Württemberg, bearb. von Fr. Quar-thai, Augsburg 1975, S. 718-733

P. Notker Hiegel: Damit in allem Gott verherrlicht werde. Chronik

der Klosterpfarrei Beuron, Beuron o.J. P. Ambrosius Kienle OSB: Maurus Wolter, Erzabt von Beuron, in:

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F. Wahr: Erzabt Maurus Wolter. Lebensskizze, in: Alte und neue Welt 24 (1890), S. 727-740

gen bei Hechingen stammenden Kölner Domkapitulars und Bonner Theologieprofessors Dr. Franz Xaver Dieringer für die Gründung des Benediktinerklosters in Beuron bewiesen werden konnte.

Im Gegensatz zum Bischof von Münster setzte sich auch der Oberhirte Hohenzollerns, der Freiburger Erzbischof Her-mann von Vicari, mit Nachdruck für das Gründungsvorha-ben der Gebrüder Wolter ein und errichtete Beuron als selbständiges Konventualpriorat, wodurch auch die Grund-voraussetzungen für die Bildung der Beuroner Kongregation geschaffen wurden. Wiederum war es die Fürstin Katharina, die hierfür die Genehmigung von Papst Pius IX. erwirkte. Wichtig für das Gelingen der Benediktinerniederlassung war auch die wohlwollende Einstellung des Eigentümers der Beuroner Klosterrealitäten, des Fürsten Karl Anton, der die Vorbehalte der Fürstl. Verwaltung gegen einen Verkauf derselben mit einem annexen Grundareal auszuräumen half. Aufgrund dieser günstigen Voraussetzungen war denn auch die Fürstin Katharina willens, das für die Errichtung des Benediktinerklosters Beuron notwendige Stiftungskapital zur Verfügung zu stellen.

Nicht unwesentlich für die Konsolidierung des Priorats war die Annahme der Wallfahrt zum Beuroner Gnadenbild durch die Gläubigen Hohenzollerns und der angrenzenden badi-schen und württembergischen Gebiete. Auch hierzu hatte die Fürstin Katharina mit der beim hl. Stuhl bewirkten Erteilung des Altarprivilegs einen förderlichen Beitrag geleistet.

Die Konsolidierungsphase des Klosters Beuron schien mit der Abtsbenediktion von Dr. Maurus Wolter 1868 abge-schlossen zu sein. Der Sturm des aufziehenden Kulturkamp-fes machte denn aber auch in Zukunft die guten Beziehungen der Stifterin und auch den Einfluß des Fürstl. Hauses Hohen-zollern für die Beuroner Benediktiner weiterhin unentbehr-lich. Zwar konnten die Stifterin und auch Fürst Karl Anton die Vertreibung der Benediktiner aus dem Donautal 1875 nicht verhindern, durch die Übernahme des Abteibesitzes und des Stiftungskapitals durch die Fürstin Katharina und dann durch Fürst Leopold wurde die geordnete Rückkehr des nunmehrigen Erzabts und seiner Söhne 1887 ermöglicht zum Segen der Kirche und der Gläubigen unseres Landes.

Johann Wetzel: Geschichte der katholischen Kirche in Schwaben-Hohenzollern, II. Teil: Von der Glaubensspaltung des 16. Jahr-hunderts bis zur Gegenwart, Bühl 1931

Ders.: Thomas Geiselhart 1811-1891. Ein Apostel der christlichen Caritas in Sigmaringen 1850-1891, Sigmaringen (1946)

Ders.: Franz Xaver Dieringer von Rangendingen, in: Freiburger Diözesan-Archiv 72 (1952), S. 198-212

P. Wezel: Der Freundeskreis um Anton Günther und die Gründung Beurons. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Katholizismus im 19. Jahrhundert, Essen 1965

P. Odilo Wollf OSB: Beuron. Bilder und Erinnerungen aus dem Mönchsleben der Jetztzeit, Stuttgart 19035

P. Justinus Littenweiler (Hrsg.): Maurus Wolter, dem Gründer Beurons, zum 100. Geburtstag. Erinnerungen und Studien (1825-4. Juni 1925), Beuron 1925

Karl Th. Zingeler: Katharina Fürstin von Hohenzollern, geb. Prin-zessin Hohenlohe. Die Stifterin von Beuron, Kempten und Mün-chen [1912]

Ders.: Die Hohenzollernsche goldene Hochzeit am 21. Oktober 1884. Eine Denkschrift, Sigmaringen 1885

Donaubote. Stimme aus Hohenzollern vom 3. Okt. 1868 [Empfang von Maurus Wolter am 2. Okt. 1868 in Sigmaringen]

O. Verf.: Festrede, gehalten bei der feierlichen Einführung des ersten Abtes von Beuron. Nebst einem Festbericht von einem Mönch der Abtei, Sigmaringen 1868

Hohenzollerische Volkszeitung vom 9. Juli 1890 [Nachruf auf Erzabt Maurus Wolter]

Dies, vom 13.Juli 1890 [Bericht über die Beisetzung von Erzabt Maurus Wolter].

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RAINER LOOSE

Langenenslinger Mühlen

1. Zur wirtschaftlichen Entwicklung des Mühlengewerbes

Für eine Siedlung, die bis zum Ersten Weltkrieg nie mehr als 800 Einwohner hatte, ist gewiß die Existenz von vier Mühlen auf einer Distanz von gut einem Kilometer auffallend. Wer mit der Geschichte des Ortes weniger vertraut ist, könnte darin eine Uberbesetzung des Mühlengewerbes erblicken, die keinem Müller ein rechtes Auskommen ermöglicht haben dürfte. Daß dies keineswegs der Fall war, werden die folgen-den Ausführungen zeigen. Bevor wir aber zur Geschichte der einzelnen Mühlen übergehen, sollen zunächst die gemein-same Geschichte und Bedeutung der Müllerei in Langenens-lingen geschildert werden.

Wie alt das Langenenslinger Mühlengewerbe ist, läßt sich heute nicht mehr feststellen. Zuerst erfahren wir zu Beginn des 14. Jahrhunderts von Mühlen in Langenenslingen. Das Urbar der Burg und Grafschaft Veringen von 1303 zählt namentlich fünf Mühlen mit ihren Zinsleistungen auf. Sie heißen Feldmühle Obermühle, Weihermühle, Benzen-Mühle und Offenburgers Mühle' . Drei lassen sich aufgrund ihrer im Namen enthaltenen Lagebezeichnung genauer lokalisieren; die beiden anderen, die offensichtlich den Namen des damali-gen Besitzers zur Unterscheidung führen, können jedoch nicht mit einer der späteren Biberbach-Mühlen, hier insbe-sondere mit der Unter- oder Mittleren Mühle identifiziert werden. Das Schweigen der Quellen über fast zwei Jahrhun-derte bis ca. 1490 verhindert dies. Eine Mühle, die Weiher-mühle, ist vor 1350 abgegangen. Ihr Standort darf am Holz-bach unterhalb des Unterdorfes in der Flurlage Weiherwiesen angenommen werden. Über die Ursachen und Gründe für die Aufgabe der Müllerei am Holzbach ist nichts überliefert. Ergänzend zum Zinsregister der Burg Veringen berichtet das Habsburger Urbar2 von 1306, daß alle Mühlen von Graf Eberhard von Landau gekauft wurden und jetzt ebenso wie der Weiher herrschaftliches Eigen seien. Darin soll wohl zum Ausdruck gebracht werden, daß die Langenenslinger Mühlen nicht Teil der mit der Burg Veringen verbundenen Herr-schaftsrechte sind, sondern zum grundherrlichen Güterbe-stand der Grafen von Landau zählen.

Anhand der Zinsabgaben können wir feststellen, daß die fünf Mühlen unterschiedliche Größe bzw. verschiedene Trieb-werke hatten, vermutlich auch Äcker und Wiesen in wech-selnder Ausstattung bewirtschafteten. Die kleinste Mühle dürfte demnach die Weihermühle gewesen sein. Sie führte nur 1 Pfund Konstanzer Pfennig und 1 Viertel (= 120 Stück) Eier als Mühlenzins ab, was gewiß mit der ungünstigen Wasser-versorgung am Holzbach zusammenhängt. Denn bei länger anhaltender Trockenheit mußte die Weihermühle ihren Betrieb einstellen, so daß sie nicht mit den anderen am Biberbach gelegenen Mühlen konkurrieren konnte. Die größte Mühle hingegen war die Offenburgers Mühle. Sie zinste 6 Malter Kernen, d.h. gegerbten Dinkel, 1 Pfund Konstanzer Pfennig und 1 Viertel Eier. Alle zusammen reichten IOV2 Malter Kernen, 8 Pfund Konstanzer Pfennig und 600 Eier Zins, was etwa der halben Abgabenbelastung des großen Maierhofes hinter der Kirche3 entsprochen haben dürfte, freilich geschah dies dort mit einer größeren Anzahl von Arbeitskräften auf einer wesentlich umfangreicheren Ackerfläche.

Die Langenenslinger Mühlen waren grundherrliche Leih-objekte, die zeitlich befristet oder auf Lebenszeit an einen des Müllerhandwerks kundigen Mann verliehen werden konn-ten. Hatte er keine hinreichenden Kenntnisse der Müllerei, so

war er gehalten, einen erfahrenen Müllerknecht einzustellen. Allerdings gestalteten sich die Rechtverhältnisse außeror-dentlich schwierig. Denn im Laufe der Zeit erwarben die Mühleninhaber ein Erbrecht an der Mühle, das sich haupt-sächlich auf das auf eigene Rechnung gekaufte Mühlenge-schirr und -inventar gründete. Es kam vor, daß ein Müller glaubte, er müsse deshalb nicht um die förmliche Belehnung im Todfall des Leiheherrn nachsuchen und die Todfallgebühr bezahlen, so geschehen in der Regierungszeit des Grafen Karl I. von Zollern-Sigmaringen (1534-1576) bei der Unteren Mühle, die deshalb der Landes- und Grundherr als ein verschwiegenes Lehen einzog und eine Zeitlang in Eigenregie führte4. Später (1568) heißt es, die Untermühle sei ein eigentumliches Gut des Müllers und jeder, der die Mühle übernimmt, gäbe viereinhalb Gulden Bestandsgelt. Zum Zei-chen seines besseren Besitzrechtes reichte der Untermüller keine Handschuhe oder Hühner wie die anderen Langenens-linger Müller. Deren schlechteres Recht verpflichtete sie, jährlich einen besonderen Geldbetrag an die Sigmaringer Rentkammer zu entrichten, der mit dem zwanzigfachen Wert abgelöst werden konnte.

Während des 17. Jahrhunderts tritt aber eine Nivellierung im Besitzrecht ein. Alle Mühlen werden 1724/27 nach gleichem Recht verliehen und der Rechtsform nach grundherrlichen Erblehenhöfen gleichgestellt, wenngleich die Haltung eines Hundes für den Landes- und Grundherrn an eine besondere Lehensqualität erinnert5.

Offenbar waren die Langenenslinger Müller fleißige Leute. Jedenfalls erfahren wir in der Dorf Ordnung von 1594, daß sie manchmal (wie übrigens auch der eine oder andere bäuerliche Einwohner) an den gebannten Feiertagen, d. h. an den gebote-nen kirchlichen Festtagen, lieber arbeiteten als zur Messe gingen, was von nun an verboten sein sollte6, bei Strafe von 1 Pfund Heller (= 20 Schilling oder 240 Pfennig), eine ziemlich hohe Summe Geldes, für die man damals ein Schwein kaufen konnte. Das bäuerliche Weistum enthält darüber hinaus die Bestimmung, daß die Müller die Mühlgasse zu unterhalten und auszubessern hätten, weil die nicht unter die gemeinen Wege und Stege gerechnet wird. 1724/27 dehnt die Gemeinde die Unterhaltspflicht auch auf den Mühlbach aus.

Erstmals in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts erlaubt uns das Urbar von 1568 einen Einblick in den Güterbestand von drei Mühlen. Außer Haus, Hof und Scheuer gehören zur Mühle nur zwischen 2 und 3'/2 Jauchert Acker. Die Untere Mühle besitzt außerdem noch ein Stück Wald am Lau. Die Mittlere Mühle, die damals Hans Schmid der Heiding inne-hatte, wird bei jeder Erneuerung des Bestandsvertrages mit einem Paar Handschuh oder zwei jungen Hühnern oder einer alten »Hennen« empfangen. An Mühlkorn entrichteten alle drei 12 Viertel Riedlinger Malter und Meß, d.h. gegenüber den Angaben des Habsburgischen Urbars von 1306/06 erscheint der eigentliche Mühlzins reduziert. Ob wir darin auf eine geringere Anzahl von Mahlgängen und Triebwerken schließen dürfen?

Der 30jährige Krieg hat auch für die Langenenslinger Mühlen verheerende Folgen gehabt. Der Bevölkerungsschwund und die darniederliegende Wirtschaft entzogen den Müllern die Existenzbasis, so daß in der österreichischen Universalsteuer-beratung von 1680 nur eine Mühle, vermutlich die Unter-mühle, zur Veranlagung herangezogen wird. Eine spätere Randnotiz vermerkt indessen, es gäbe 3 Mühlen am Biber-

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bach7. Hundert Jahre zuvor sind 4 Mühlen nachweisbar, so daß eine in der Zwischenzeit aufgegeben worden war. Genauer gesagt: In einer Mühle ruhten das Wasserrad und die Mahlgänge länger als in den übrigen. Denn 1724/27 bei der Anlage des Lagerbuches existierten wieder 4 Mühlen: die Untere, die Mittlere, die Obere und die Feldmühle. Seit dieser Zeit können der Umfang, die Art und die handelnden Perso-nen auf den Mühlen ziemlich gut verfolgt werden. Diese Angaben sind unten im Abschnitt zur Geschichte der einzel-nen Mühlen zusammengefaßt worden.

Für die Entwicklung der Mühlen in Langenenslingen ist bedeutsam, daß sie im Gegensatz zu mancher anderen am Biberbach gelegenen Mühle keine eigenen Bannrechte besa-ßen8. Der Vorteil, Bannmühle zu sein, garantierte den Mül-lern einen festen Kundenkreis und ein sicheres Einkommen. Innerhalb des Bannbezirks durften keine neuen Mühlen errichtet werden und niemand war es erlaubt, in einer anderen Mühle Getreide mahlen zu lassen. Jeder Langenenslinger Müller mußte sich darum um die Mahlkunden selbst bemü-hen. Die Herrschaft leistete hierzu lediglich die unbestimmte rechtliche Hilfe, indem sie die Einwohner von Billafingen, die seit 1409 mit Langenenslingen die Landeshoheit gemeinsam hatten, verpflichtete, das Getreide nicht außerhalb der Graf-schaft Veringen mahlen zu lassen, was in Wirklichkeit hieß, die Mahlfrucht einem der Langenenslinger Müller anzuver-trauen9, da bei der territorialen Zersplitterung des Gebietes und beim Überschreiten der Grenzen Zölle und Wegemaut hätten bezahlt werden müssen. Dennoch haben sich die Langenenslinger Müller nicht allzu große Sorgen wegen der Kunden machen müssen, weil viele umliegenden Mühlen aufgrund des alljährlich im Sommer auftretenden Wasser-mangels der kleinen Bäche nicht imstande waren, trotz Mühlenbanns, alle Kunden zu bedienen. So haben die Wilf-linger, wenn die herrschaftliche Bannmühle stillstand, Veesen (= Dinkel), Roggen und Hafer nach Langenenslingen gebracht und dort vermählen lassen. Auf der Flurkarte von 1844/45 erinnert die Lagebezeichnung Am Wilflinger Mühl-weg nachdrücklich an diese Bindung, die auch dadurch zustande kam, daß die Langenenslinger Feldmühle bis 1582 als Zubehör der Burg Schatzberg galt und der Inhaber der Burg zugleich Dorfherr in Wilflingen war. Übrigens halten diese Lockerung des Mühlenbanns die Mühlenordnungen benachbarter Territorien, so die von Württemberg (1729, §65) und jene von Fürstenberg (1751, §63), aber auch die Hohenzollerisch-Sigmaringische (1845, §37) für rechtens, v.a. wenn ein Kunde länger als nötig warten mußte10. Viel-leicht hat diese weniger strikte Auslegung des Mühlenbann-rechtes dazu beigetragen, daß es in den genannten Herrschaf-ten seltener zu Konflikten zwischen Bauern und Müllern kam. In Langenenslingen jedenfalls mußte jeder Müller sich redlich um zufriedene Mahlkunden bemühen, denn war der gute Ruf erst ruiniert, so dürften sich die anderen Müller über den Zulauf gewiß gefreut haben.

Alle Langenenslinger Mühlen hatten vergleichsweise beschei-dene Größe. Als 1861 die Gemeinde für Berichtszwecke an die Königlich Preußische Regierung zu Sigmaringen sich nach Anzahl der Mahlgänge und der beschäftigten Personen bei den Mühleninhabern erkundigte, ergab die Umfrage, daß die 4 Mühlen an der Biber zwischen 2 und 4 Mahlgänge besaßen, die jeweils von einem Meister und einem Gehilfen bedient wurden11. Gewiß arbeiteten weitere Familienange-hörige auf den Mühlen mit, insbesondere wenn der Andrang groß war und die Wasserräder ohne Unterbrechung Tag und Nacht liefen. Indessen vertuscht die amtliche Statistik die eigentliche Vielfalt des Langenenslinger Mühlengewerbes. Denn bei den »Mahlgängen« handelt es sich nicht nur um den Gerbgang zum Schälen des Dinkels und um die eigentlichen Mahlwerke, sondern wohl auch um weitere Triebgänge, die

sich an einen gemeinsamen Wellbaum und an ein Wasserrad koppeln ließen, so um Öl-, Schleif-, Loh-, Walk- und Säge-mühlen. Ein Beleg hierfür ist das Hof- und Adress-Handbuch des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen von 1844, wo es heißt, daß der Biberbach 4 Mahl-, 3 Öl-, 1 Loh- und 1 Walkmühle treibe12, aber zugleich können nur 4 Mühlenge-bäude aus dem Grundsteuerkataster und Flurbuch der Gemeinde Langenenslingen von 1848 erschlossen werden.

Gemeinsam ist allen Langenenslinger Müllern auch der Hang und Zwang zum Getreidehandel und zu landwirtschaftlichen Aktivitäten. Zum Getreidehandel kamen die meisten wohl, weil die Mahlkunden den Dienst und die Arbeit des Müllers nicht mit Geld bezahlten, sondern in Naturalien beglichen. Angesichts der möglichen Getreidemengen dürften aber dar-aus keine weitreichenden Handelsbeziehungen erwachsen sein. Vielmehr bewegte sich der Getreidehandel im Rahmen lokaler Aktivitäten hauptsächlich in Richtung auf die überge-ordneten zentralen Getreidemärkte in Riedlingen, Mengen und Saulgau. Auch die Landwirtschaft hat neben der Selbst-versorgung einen unmittelbaren Bezug zum Mühlengewerbe. Sind doch die Müller gehalten, Fuhrwerke und Spanntiere zu besitzen, mit denen sie Getreide und Mahlprodukte an- und abtransportieren konnten. Davon haben 1802/04 Langenens-linger Müller kräftigen Gebrauch gemacht, als sie in Andel-fingen Mahlkunden gewannen, worüber sich die Inhaber der Vorderen und Hinteren Mühle bei der Herrschaft in Heilig-kreuztal beschwerten. Denn sie selbst verfügten über keine Pferde und Fuhrwerke, weil jeder Andelfinger bis zu diesem Zeitpunkt in die beiden Ortsmühlen gebannt war und sein Mahlgut in die Mühle liefern sowie abholen mußte. Jetzt nach der Aufhebung des Mühlenzwangs (1803) durfte jeder mah-len lassen, wo er wollte. Dieser Konkurrenz der Langenens-linger Müller waren die Andelfinger Mühlenbesitzer nicht gewachsen, weshalb sie einen Zinsnachlaß forderten121.

Die Zeit nach dem 30jährigen Krieg ist auch in Langenenslin-gen die Epoche des Wiederaufbaus und der zunehmenden Spezialisierung und Differenzierung des Mühlengewerbes. Dem Lagerbuch von 1724/27 entnehmen wir so, daß nicht jede Mühle gleich ausgestattet war. Zwei oder drei besaßen zusätzliche Triebwerke in unterschiedlicher Anordnung. 1725 und 1726 errichteten die Inhaber der Feld- und der Obermühle mit landesherrlicher Bewilligung jeweils eine Ölmühle. Beide Mühlen verfügten schon über ein Sägewerk. Im Gegensatz zu diesen beiden Mühlen betrieb der Unter-müller Matthes Haberbosch eine Walkmühle, auf der Leder und Lodentuch gewalkt, d. h. weich geklopft und im Fall des Lodentuchs zu wetterfestem Filzstoff bearbeitet wurde. Lediglich die Mittlere Mühle blieb ohne zusätzliche Trieb-werke und war auf die Getreidemüllerei beschränkt. Zudem hatte ein Sohn des Untermüllers, Johannes Haberbosch, eine Ölmühle inne, die vermutlich nahe bei der Unteren Mühle stand, so daß eine räumliche Einheit anzunehmen ist.

Nach 1850 bemühte sich die preußische Regierung nach Übernahme der Landeshoheit um eine Belebung der stagnie-renden Wirtschaft. Zunächst versuchte es sie mit der Beseiti-gung von Privilegien und Bannrechten, u.a. des Mühlen-zwangs. Später übernahm sie dann eine aktive Rolle und förderte mit steuerlichen Mitteln den wirtschaftlichen Wan-del. Auf diese Maßnahmen ist es wohl zurückzuführen, daß in Langenenslingen ebenfalls Gesuche zur Nutzung der Wasserkraft gestellt werden, so 1853 von dem Schmied Xaver Traub, der ein Wasserrad am Biberbach zum Reinigen von geschmiedeten Ketten errichten wollte. Doch es gibt Wider-stände, v.a. Johann Paul Miller wendet sich gegen dieses Vorhaben. Er befürchtet, daß der Biberbach dadurch stark verunreinigt werden und die anrainenden Grundstücke durch den Aufstau in Gefahr kämen, zu vernässen und über-schwemmt zu werden, was ausdrücklich durch die Hohen-

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zollerisch-Sigmaringische Mühlenordnung (§24-27) von 1845 verboten sei13. Da es nicht gelingt, die Widerstände auszuräumen, so versagt die Regierung zu Sigmaringen die Genehmigung.

Ein ähnliches Schicksal wäre 1859 beinahe dem Zimmermann Silvester Spieß widerfahren, als er auf seinem eigenen Grund-stück im Flurort Baumgarten an der Langwatte eine Säge-mühle bauen wollte. Nach über fünfjährigen sich hinschlep-penden Auseinandersetzungen mit Anrainern und der Gemeinde erteilte ihm Sigmaringen am 30. Oktober 1865 die Baugenehmigung, allerdings mit Auflagen und Sicherheitslei-stungen für den Fall von ihm verursachter Schäden an Häusern und Brücken14. Die Spieß'sche Säge ist damit der erste Triebwerksneubau in Langenenslingen nach über 750 Jahren Mühlengeschichte, der in Konkurrenz zu den anderen Mühlenbetrieben mit Sägewerkseinrichtungen sich aus-schließlich auf eine gewerbliche Aktivität konzentriert und nur von der Holzsägerei und Zimmerei zu existieren bereit war. 1878 versucht der Mühlenbesitzer und Sonnenwirt Joseph Miller dem Spieß'schen Beispiel zu folgen. Da es keine Einwände gibt, kann er noch im gleichen Jahr die neue Sägemühle mit oberschlächtigem Antrieb beim Teich an der Biberquelle15 errichten.

In der neuen Sägemühle bei der Oberen Mühle dürfen wir den Versuch des Mühlenbesitzers erblicken, sich an die gewandel-ten Wirtschaftsbedingungen der Müllerei anzupassen, die hauptsächlich von der Aufhebung der Bannrechte in Würt-

Anmerkungen 1 StA Sigmaringen, Ho 170, A 21 (Abschrift 17. Jh.) 2 Rudolf Maag (Hg.), Das Habsburgische Urbar (= Quellen zur

Schweizer Geschichte 14-15), Basel 1894/1904, hier Bd.I, S. 405 ff.

3 Ebenda (wie A. 2), S. 409. - »Der meyerhof hinder der kilchen giltet ze zinse 8 mut roggen, 8 mut vesen und 8 mut habem.«

4 Vgl. das Lagerbuch von 1724/27 (StA Sig., Dep. 39, Ru 137, n. 6, f. 424v) und das Urbar von 1568 (StA Sig., Dep. 39, Ru 137, n. 20, f. l l r )

5 StA Sig., Dep. 39, Ru 137, n. 6, f. 418v 6 StA Sig., Fürstliches Domänenarchiv (Dep. 39), Ru 137, n.20

(Urbar Enslingen 1568 mit beigebundener Handschrift »Des Dorffs Brauch und Ordnung« de Anno 1594)

7 Franz Haug, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte einiger hohen-zollerischer Gemeinden, in: Zollernheimat 5 (1936) S. 11 Das Lagerbuch von 1724/27 (StA Sigmaringen, Dep. 39 (Fürstl. Archiv, Ru 137, n. 6, f. 168v) notiert: »Es sind zwar in dem orth Enßlingen keine Bannmiihlinin und mögen die Underthanen mahlen wo Sy wollen, doch sollen Sie Vermög deß dritten Punkten Insprugger Vertrags de Ao 1605 nicht außerhalb der Grafschafft Vöhringen mahlen.«

9 So steht es im InnsbruckerVertrag von 1605, § 3 (Abschrift in der Renovation Billafingen von 1748, f. 7r/v, Signatur StA Sigmarin-gen, Ho 170, Cb. 1) »Zum dritten hat sich wohlgenannter Herr Graf (gemeint ist Graf Karl II. von Hohenzollern-Sigmaringen,

temberg und Hohenzollern nach 1848 und die um 1880 aufkommende standortunabhängige Kunstmüllerei initiiert wurden. Zugleich bedeutet die Holzsäge eine Besinnung auf optimalere Ausnutzung natürlicher Standortressourcen, nämlich von Wald und Wasserkraft, mit welcher wieder ein ausreichendes Einkommen erzielt werden sollte. Wie die weitere Entwicklung des Langenenslinger Mühlenge-werbes zeigt, gelang dies nur in begrenztem Maß. Der Niedergang ließ sich nicht aufhalten, auch wenn der eine oder andere Müller mit eigenen Mitteln versuchte, die Wasserkraft zu anderen Zwecken zu nutzen, so 1883 der Müller Karl Anliker mit einer wasserkraftgetriebenen Dreschmaschine16

und 1911 der Obermüller Franz Xaver Miller mit dem Einbau eines Generators zur Stromgewinnung17, womit die Geschichte der Elektrifizierung und der öffentlichen Straßen-beleuchtung beginnt. Der Erste Weltkrieg und die nachfol-gende Weltwirtschaftskrise machten aber alle Anstrengungen zunichte, so daß bis 1945 alle Mühlen ihren Betrieb ein-stellten.

Mit ihnen endete auch ein engverbundener Erwerbszweig, die Mühlenbauerei. In Langenenslingen gab es im 18. und 19. Jahrhundert Zimmerleute, die auch im Mühlenbau erfah-ren waren. Einen davon führt die Gewerbetabelle von 1852 als »Maschinenbauer in Holz«18 . Ein anderer ist in den Mühlenakten der Grafschaft Friedberg-Scheer nachweisbar. Er unterzeichnet mit einem Maurer einen Kostenvoranschlag für den Bau einer Mühle in Ölkofen um ca. 175019.

* 1547-"("1606, der das Langenenslinger Schloß ab 1576 erbauen ließ) erklärt, der Stadt Veringen ihren von alters hero gebrachten Zoll unverhindert zu lassen sich auch der Zwang-Mühle zu Veringen und Enslingen dergestalt zu begeben, daß die Unterta-nen ihres Gefallens wo sie wollen mahlen mögen, doch dasselbige nicht außerhalb der Grafschaft mahlen sollen, dessen die Unterta-nen auch zu frieden...»

10 Die Wartezeiten sind unbestimmt, wie in Hohenzollern-Sigma-ringen, oder präzis mit 24 oder 3x24 Stunden wie in Württem-berg bzw. in Fürstenberg, festgesetzt.

11 GdeA Langenenslingen Nr. 148 (Gewerbetabelle für das Jahr 1861)

12 Schwarzmann (Hg.), S. 262 123 HStA Stuttgart, B. 457 L, Bü 118 13 GdeA Langenenslingen Nr. 143 14 StA Sigmaringen, Ho 2351 - Sect. IV, Ru N, Nr. 787 (Errichtung

von Mühlen im OA Sigmaringen 1852ff.) 15 Wie A. 14 16 StA Sigmaringen, Ho 235 I - Sect. IV, Ru N, Nr. 787 17 Franz Knaupp, Langenenslingen. Aus der Geschichte einer ober-

schwäbischen Gemeinde (ND), hg. vom Bürgermeisteramt Lan-genenslingen), Riedlingen 1984, S.60.

18 StA Sigmaringen, Ho 235 I-IJ 242 Bd. 2 (Gewerbe-Tabelle für das Oberamt Sigmaringen)

19 StA Sigmaringen, Dep. 30, Rep. II, K. IX, F. 8 Nr. 18

OTTO HELLSTERN ( f )

Geschichte der fürstlich-hohenzollerischen Domäne Glatt-Oberhof (Fortsetzung)

1641/ In den Herrschaftsrechnungen, die vom Neunecki-1642 sehen Vogt Simon Lehner geführt wurden, erscheint

Knüpfer immer wieder mit Abgaben aus dem Neunek-kischen Lehnshof.

Ein Rechnungsvermerk besagt, daß Knüpfer mit Zins-zahlungen aus seinem eigenen Bauerngut im Markt Glatt 4 Jahre im Rückstand verblieben ist.

1645/ ist vermerkt: »Theiß Knupfer alhir ist auf sich getrage-1646 ne Mayerey, wegen des Hofes auf dem Berg, bei

Abrechnung im Hintenstand verbliben - 440 Gulden daraus jährlicher Zins 22 Gulden«. Anmerkung: Die 440 Gulden Kapitalschulden auf dem eigenen Bauerngut stammen noch von der Gutsüber-nahme aus dem Jahre 1600. Weiter ist in der Rechnung vermerkt: »Item Theiß Knüpfer als Beständer des Hofes auf dem Berg, er hat vor Winter 12'A Jauchert mit Veesen angeblümbdt (mit Saat bestellt). (FAS, Bestand Blatt, Herrschaftsrechnungen.)

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1647 Die hohe Schuldenlast, das fortgeschrittene Alter (ver-mutlich schon über 60 Jahre) veranlaßten Theiß Knüp-fer, sein eigenes Bauerngut mit der Gastwirtschaft dem Matthäus Gnam, Bäcker, von Dürrenmettstetten für 452 Gulden zu verkaufen. (FAS, Bestand Glatt, Herrschaftsrechnung.)

1652/ In der Glatter Jahresrechnung »Stockkirchlein-Pflege« 1653 ist vermerkt:

»Theiß Knüpfer, selig«. (Pfarrarchiv Glatt.) Anmerkung: Der verstorbene Theiß Knüpfer hatte wahrscheinlich keine Nachkommen. Die Söhne Jo-hannes und Michael aus seinen beiden Ehen dürften schon im frühen Kindesalter verstorben sein.

1655 Wildhans v. Neuneck, Teilobrigkeitsherr zu Glatt, verlieh den Neuneckerhof an den Bauern Jakob Wolfs-türn vom Priorberg.

Wie sein Hofvorgänger hatte auch der jetzige Lehns-mann auf dem Neuneckerhof von der St. Galli-Pflege Glatt mehrere Felder, die an Grundstücke des Neunek-kerhofes angrenzten, gepachtet. Die jährlichen Pacht-zinseinnahmen erscheinen in der Glatter Kirchenrech-nung mit dem Namen des Zahlungspflichtigen »Jakob Wolfstürn vom breileperg, Mayer aufm Hof«.

1667/ Im Ausstandsverzeichnis der Glatter Kirchenrech-1672 nung stößt man immer wieder auf den Namen »Jakob

Wolfstürn vom breileperg (Priorberg) Mayer aufm Hof«. Anmerkung: Familiengeschichtliche Ereignisse der Familie Wolfstürn sind in Glatt nicht registriert. Als Priorberger dürften diese beim Pfarramt Dettingen angezeigt worden sein.

1671 Nach dem Tode des Junkers Hans Kaspar, letzter Neuneckischer Teilobrigkeitsherr zu Glatt, ließ seine Schwester Apollonia, Erbin der Neuneckischen Gü-ter, den Schloßhof durch einen Verwalter bewirtschaf-ten. Herrschaftliche Flurstücke vom abgegangenen sogenannten Rebhof kamen in das Gut zum Schloß-hof. Andere herrschaftliche Felder im Räume Prior-berg-Langensteig, welche bisher von der Herrschaft selbst bzw. durch ihren Bauknecht (Oberknecht) be-stellt wurden, sind vom Schloßhof dem näher gelege-nen »Hof auf dem Berg« zugeteilt worden.

Durch die Umverteilung der Felder unter den herr-schaftlichen Höfen ist der Neuneckerhof erheblich vergrößert worden. Seine Ackerfläche, Wiesen und Gärten nicht eingerechnet, betrug zu der Zeit 114 Jauchert (= 45,2 ha.).

(Landseeische Übergabenniederschrift, Pfarrarchiv Glatt.)

Der Verwalter auf dem Schloßhof wurde »Weyer-schloßmayer« genannt, den auf dem Neuneckerhof nannte man »Berghofmayer«.

1677 Am 29. Oktober hatte der Herrschaftswechsel in Glatt zwischen der verstorbenen Freiin Apollonia v. Neu-neck bzw. dem Domstift Trier und dem »Freyreichs hochwolgeborenen Herrn Johann Franz Freyherrn v. Landsee (Herrn auß Glatt, Berg, Törnögs Undt Hochstraß, Inhaber der Herrschaft Hohenguldenfin-gen, Rom: kayl: MayC: o: Ö: gehaimben Rath, Am-bassadeur (Diplomat) in der Schweiz. Undt Rittern deß Ordens Calatrava«) bereits stattgefunden. Am Tag der vorstehenden Datierung siegelte Joh. Franz v. Landsee mit der Nennung aller seiner Titel den Übergabevertrag von Martin Straub und Tochtermann Georg Armbruster in Glatt. Das Siegel ist aufgeklebt. (FAS, Bestand Glatt.)

Ab dieser Zeit bis zum Anfang des 18. Jhs. dürfte sich die Betriebsstruktur des herrschaftlichen Berghofes nicht mehr geändert haben. Zusammenfassend muß aber gesagt werden, daß die Verwaltung der ehemali-gen Neuneckischen Güter unter der Herrschaft Land-see schlecht war. Ab 1685, nach dem Abgang des ehemaligen Neuneckischen Vogtes Inninger, wurde keine herrschaftliche Jahresrechnung mehr ordentlich aufgestellt und geführt. (Dieser Zustand war auch negativ für die Quellenfindung.) (FAS, Bestand Glatt, Rubrik 72-5.)

1678 Mit Jahresbeginn übernahm der seitherige »Weyer-schloßmayer« Jakob Breisinger, auch vom Priorberg stammend, den »Hof auf dem Berg«. Nachfolger als »Weyerschloßmayer« wurde Michael Kleinmayer von Fischingen.

(Taufbucheinträge vom 30. November 1677 und vom 2. April 1678, Pfarramt Glatt.)

Der neue Mayer auf dem Neuneckerhof, Jakob Brei-singer, war verheiratet mit Anna Maria Müller. In der Ehe wurden 6 Kinder geboren davon 5 in Glatt. (Familien-Chronik Glatt.)

1680/ Bei den Taufeinträgen der Kinder des Vaters Jakob 1687 Breisinger ist die Zusatzbenennung »Berghofmayer«

oder »Mayer uf'm Hof« beigeschrieben. (Familien-Chronik Glatt.)

1684 Am 2. September ist im Mitgliederverzeichnis der Rosenkranzbruderschaft Glatt »Anna Maria Breisin-ger Tochter des Berghofpächters« verzeichnet. (Pfar-rarchiv Glatt.)

1687 Jakob Breisinger erscheint letztmals im Taufbuch Glatt als »Hofmayer auf dem Berg«.

1690 Am 25. April scheint Breisinger nicht mehr bei der Herrschaft Landsee zu sein, er wird im Taufbuch Glatt als »Mayer auf dem Priorberg« bezeichnet. Nachfolger auf dem Landseeischen Berghof war Ge-org Bockh, verheiratet mit Maria Hochneggerin. In der Ehe sind 7 Kinder nachgewiesen. (Familien-Chro-nik Glatt.)

1705 Am 27. November, bei der Taufe seines jüngsten Kindes, tritt »Georg Bockh Hofmayer« als Vater im Taufbuch erstmals zu Glatt in Erscheinung.

1706 Nach einer undatierten Einwohner-, Vieh- und Fel-der-Zählungsliste (an Hand von Glatter Familien-Chroniken wurde die Jahreszahl 1706 ermittelt) ist unter »Hindersäß« verzeichnet: »Georg Bockh der Mayer am Berg, 4 Söhne, 3 Döch-ter, uf dem herrschaftlichen Lehenhof im Berg«. (FAS, Bestand, Einwohnerzählungsverzeichnis.)

1706 verkaufte die Witwe des Freiherren Joh. Franz v. Landsee, Freifrau Jakobe geborene Pappus v. Traß-berg mit ihren Söhnen, nach mehreren Vorverhand-lungen die gesamte Herrschaft Glatt der schweizeri-schen Fürstabtei Muri um 77592 Gulden. Am 14. Oktober fand nach den offiziellen Kaufver-tragsunterzeichnungen, im Beisein der alten und neu-en Herrschaft, die eidliche Huldigung der Untertanen statt. Die Muripater in Glatt unter ihrem Abt Reichsfürst Placidus waren gute Verwalter, aber ebenso tüchtige Ökonomen. Sie begannen nach der Übernahme, die heruntergekommene Herrschaft zu erneuern. Die Lehnsherrschaft auf dem Berghof wurde abge-schafft. Der seitherige Lehnsmann Georg Bockh blieb Hofmaier, hatte aber keine Abgaben mehr zu geben, sondern erhielt für die Bewirtschaftung des Hofes eine jährliche Besoldung von 50 Gulden plus 4 Gulden 58

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Kreuzer Kleidergeld. Die Familie des Maiers mit den von der Herrschaft entlohnten Knechten und Mägden hatte freie Kost und Wohnung. Die gesamten Hofer-träge vereinnahmte nunmehr die neue Herrschaft und bestritt alle anfallenden Betriebsausgaben. Die Nutz-fläche von 114 Jauchert (45,2 ha.) Ackerland blieb beim Hof. Der Landseeische Viehbestand, z. Zt. der Hofübernahme 19 Stück, gliederte sich auf in:

12 Zugochsen im Alter von 5 bis 11 Jahren, 3 Milchkühe, 3 Rinder bis V/2 Jahre alt, 1 Kalb bis V2 Jahr alt,

220 Schafe in der zum Hof gehörenden Haltung.

(Fortsetzung f o l g t )

JOSEF SCHULER

Es liegt ein Weiler fern im Grund. . . Dr »Kiebitz« isch jo schau i-d Literaturgeschichte ei-ganga, r isch au heit wieder für a Gschiechtle guet: I seina junga Johra hot dr Jakob, wia-r suscht hoaßt, singa kenna wia a Vogel, und isch im Gsangverei die Schtütze des Tenors gsei. Wenn ma no seim Leib- und Magalied gfroged hot, hots koa Überleging braucht: »Es liegt ein Weiler fern im Grund, da blüht ein Röslein jung und schön.. .«. Wia villmol hot-rs au mit seina Kamerada gsunga, a Liebesliad, so vola Schmelz und Schmalz. Daß dr »Kibitz« vo dahuam aus a Fuehrmaa gsei isch, dear mit da Gäul hot umgau kenna wia koa zweiter, mues ma dazua saga.

S isch 1919 gsei, em Adlerwiit sei Roßkneacht - r hot ausgreachned Fritz Weiler ghoaßa - isch aus em Krieg zruckkomma und hot wieder sei Kneachtkammer neabed dr Schuur doba bezoga. R hot sogar seine zwee Rappa wieder brocht, mit deana ear in Frankreich deanna da Krieg het solla gwinna. Wears it glaubt hot, deam hot-r da Granatschblitter i-s Liesels Hinderbacka zeiged. Daß alles umasuschd gsei isch, brauche it saga. Dr Fritz isch a wullener Bear gsei, mit rauta Hoor und ema bloa Gsiecht. Anschtatt ama Orda hot-r nämleg a Gasvrgifting hoabrocht, dia en ghereg bloged und früeh iis Grab brocht hot. Abr wenn-r am Sunnteg da Pohl-Hairle i-dr Kutsch ge Schlatt zum Kirch-halta gfahra hot, oder wenn-r uff em Bock vom Daudawaga gseassa isch, hoschd em nunz aagmerkt.

Dr Jakob und dr Fritz, Fuehrleut vom alta Schlag, sind bald guete Kamerada gsei. Beim gleicha Truppateil im Krieg, geits vill zum vrzehla iibr da Kampf am Hartmannsweilerkopf, iibr d Madmoasella i-dr Etappe, und iibr d Ross nadirleg, was suschd? Ma isch se au oaneg gsei gega dia Scheiß-Auto, mo da aaschtändiga Fuehrleit s Voarreacht schtreiteg macha welled uff da Schtroßa. Des Liedle hand jo au no andere gsunga: Manna mached Fäuscht hinder deanna Kärra drei, weil se iehre Hear vrgelschtered odr gar iiberfahred, wenn se uff dr Schtroß i-da Roßbolla schearred. D Weiber joomered, se kennte jeden Dag d Feaschder butza; bei deanna Kalch-schtroßa geits jedesmol a kilometterlange Schdaubfahna. Und d Mädle, dia sunntegs Arm in Arm schtroßnuff - schtroßna flaniered, bruttled, wenn se dabei g-schtert weand. Sitz abr a flotter Kerle am Lenkrad, no sind dia Menscher glei zuer Fahnaflucht bereit.

Nu d Bueba hand offa ihre Sympathie zeiged. Wenn so a Karra voar ema Wiitshaus gschdanda isch, hot se bald aTraub junger Kerle drumrum druckt, dia sachvrschdändeg Marke und Type feschdgschdellt hand und ob-r schau en Anlasser hot, oder no mit dr Kurbel a-dreht wuud. Domols isch dr Hairle vo Bitz no mit-era alta Benzin-Kutsch gfahra (Dia wenn man heit hett!) neabed dear mier Bueba heargschprunga sind, und dia am Buckel hot zick-zack fahra miesa, daß se nuffkomma isch.

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Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen

Doch zruck jetz zua ausera zwee Heida. Ama schene Sonn-tigzobed no em Fuetera sind s no ge Killer es »Lamm« schbaziert, mo ma des guet Hechinger St. Lutza-Bräu ausg-scheekt hot, - vom Fass nadirleg. S ischd a gmüetleger Obed gsei, und mo dr Lammwiit Feirobed botta hot, hand dia Zwee luschdeg da Hoa-Weag under d Füeß gnomma. Doch kaum send se zwoahundert Metter anedapped, kunnt so a vrfixtr Schtink-Karra mit lautem Huppa s-Dal ruff. Mit ema Fluech sind dia zwee Heimkehrer uffs Bankatt nuf außem-ganga. Doch do isch em Fritz a kleis Mißgeschick bassiert: R dapped in-a Wasserabzugs-Gräble nei, vrlurt s Gleichgwiecht, schur-abuzled dea langa Roa na und leit dunna, i-ra Ackerfurch dinn. Oba aber am Schtroßarand schdoht dr Kiebitz i-ra weißa Schdaubwolk dinn und schmettered wia a Helda-Tenor: »Es liegt ein Weiler fern im Grund «

(In den zwanziger Jahren)

Buchbesprechung

Schwäbische Versuacherla. Hergeriecht ond serviert von Fredl Niklas. Hrsg. zum 70. Geburtstag des Autors von der Hohenzollerischen Landesbank-Kreissparkasse Sigmarin-gen. Mit Unterstützung der Württembergischen Gebäude-Brandversicherung Stuttgart, Außenstelle Hohenzollern. Sigmaringen 1990. 60 S.

Kostproben seiner Mundartdichtungen hat Alfred Niklas, von 1953 bis 1989 Gemeinderat, 24 Jahre lang stellvertreten-der Bürgermeister und seit Anfang 1990 auch Ehrenbürger seiner Vaterstadt Sigmaringen, bisher nur in vereinzelten Lesungen auf Vereinsveranstaltungen und anderen Zusam-menkünften geboten. Der Hohenzollerischen Landesbank gebührt mit der Herausgabe vorliegenden Bandes zum 70. Geburtstag des angesehenen Kommunalpolitikers und Raumausstattermeisters am 20. Dezember 1990 der Ver-dienst, dessen dichterisches Schaffen nunmehr auch einem größeren Publikum zugänglich gemacht zu haben.

Die meisten der 22 ausgesuchten Mundartgedichte sind seiner Heimatstadt Sigmaringen und ihrem Umland, der Schwäbi-schen Alb, dem Donautal und dem Oberland, gewidmet. In köstlichen Reimen bietet Alfred Niklas darüber hinaus auch Streiflichter und Impressionen aus seinem Leben und ver-sucht aus dem Erlebten Schlüsse prinzipieller Art zu ziehen. Die »Versuacherla« sind vor allem aber auch humorvolle Selbstzeugnisse des Autors, der bei aller Verbundenheit mit seiner Heimat und ihren Menschen die innere Distanz nicht verloren hat. Der Gedichtband, der mit fünf Holzschnitten mit Abbildungen von Sigmaringen und des Donautals illu-striert ist sowie ein Foto der ehemaligen Laizer Brücke in Sigmaringen und ein Portraitfoto von Alfred Niklas aufweist, ist für 12 DM im Buchhandel erhältlich. Otto H. Becker

Frauke Stein

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Verlag: Hohenzollerischer Geschichtsverein Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen

M 3828 F

Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt.

LESERBRIEF: 2 « den Gremlich-Äbtissinnen

(vgl. HH 1990, S. 39): Herr Hans Gremiich aus Soest/Westf. teilt mit, daß im Urkundenbuch des Klosters Heiligkreuztal (hrsg. von A. Hauber) noch eine weitere Äbtissin Anna Gremiich vorkommt, nämlich etwa in der Urkunde Nr. 2066 vom 10. Jan. 1438, abgedruckt im Urkundenbuch, Band 2, S. 224. Die Regierungszeit dieser Äbtissin liegt somit gut fünf Jahre früher als die der bisher als Anna Gremiich I. bezeich-neten Äbtissin. Näheres wäre noch zu untersuchen. H. R.

Simon Grynaeus (1493-1541): Briefe. ausgewählt, übersetzt und herausgegeben von Herbert Rädle. Die Arbeit erschien in Band 90 der »Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde« 1990.

Sonderdrucke sind beim Verfasser für ca. DM 15,- erhältlich: Dr. Herbert Rädle, Veit-Jung-Straße 13a; 8430 Neumarkt.

Heimatwoche Sigmaringen

Schwäbischer Albverein und Stadt Sigmaringen führen in der Zeit vom 27. April bis 5. Mai 1991 eine Heimatwoche durch. Das Programm sieht neben einem Heimat- und Mund-artabend (30.4.) und einem Volkstanzfest (1. 5.) heimat- und kunstgeschichtliche Exkursionen, Vorträge und Ausstellun-gen vor. Ausführliches Programm beim Verkehrsamt Sigma-ringen, Schwabstraße 1, Telefon 07571/106223.

Besonders interessant sind die Exkursionen »Auf den Spuren der Meister von Sigmaringen/Meßkirch« (27.4.); »Rund um die Heuneburg« (29.4.); »Fürstliche Parkanlagen« (3.5.); »Kapellen um Sigmaringen« (4. 5.); »Burgen und Ruinen im Donautal« (5.5.) und der Vortrag »Sigmaringen in der Neu-zeit« von Frau Dr. Kuhn-Rehfus (29.4.).

Register 1990 S e i t e Seite

Beuron, Erzabt Dr. Maurus Wolter und Hohenzollern S. 51 Hausen im Killertal, Burgstelle Azilun S. 57 Beuron, man hätte zu Beüron Ackten verfälscht S. 7 Hechinger Geschichte (Erzählung) S. 22 Beutnitz, fürstl.-hohenz. Jagdinspektion S. 33 Hechingen, kulturelle Vereine im Oberamt S. 44 Bild, St. Michael auf dem Zeller Horn ? S. 17 Heiligkreuztal, Äbtissinnen, Gremiich-Altar S. 39 Buchbesprechungen: Mors, Hechingen und HöchstädterJakob, Meister ohne Meisterrecht S. 18

Burg Hohenzollern S. 62 Hohenzollerischer Geschichtsverein, Exkursion 1990 S. 63 Kuhn-Rehfus, Sigmaringen S. 62 Jettkofen, aus der Geschichte S. 27 Christoph Bizer und Junginger Dorfgeschichten S. 24 Rolf Götz, Vergessene Burgen Junginger Dorfgeschichten S. 37 der Schwäbischen Alb S. 15 Jungingen, D Liebe mues zanket hau S. 58

Christian, Josef, Rokoko-Bildhauer, Tätigkeit Laucherttal, herbstliche Witterunganomalien und im Raum Sigmaringen S. 41 Wasserrechtsstreitigkeiten 1853/59 S. 49 Dießen, des Adeligen pechschwarzer Ziegenbock S. 11 Leiterberg, Burg und Herren S. 5 Feldhausen, Johannes derTäufer S. 56 Meister von Meßkirch, zur Identitätsfrage S. 3 Frischlin, Nikodemus, Ausstellung in Balingen S. 64 Meister von Meßkirch, zur Kunst des M. v.M. S. 40 Gedicht »Dr April« S. 9 Meldungen, Hugo von in Italien S. 5 Glatt-Oberhof, Geschichte der fürstl.-hohenz. Domäne S. 45 Ringingen, Dienstbuch des Ortspolizisten S. 32 Glatt-Oberhof, Domäne 1. Fortsetzung S. 59 Sigmaringen, Christus-Johannes-Gruppe S. 2 Grynaeus Simon, Berufung nach Basel S. 23 Veringer Markus, Pestbuch von 1533 S. 38 Hamborn, ehemaliger Besitz des Hauses Zeller Horn, merkwürdige Erdwerke S. 26 Hohenzollern-Sigmaringen S. 12 Zeller Horn, Schanzen und Abschnittwall S. 36

HOHENZOLLERISCHE HEIMAT hrsggbn. vom Hohenz. Geschichtsverein. ISSN 0018-3253 Erscheint vierteljährlich.

Die Zeitschrift »Hohenzollerische Heimat« ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will besonders die Bevölkerung in Hohenzollern und der angrenzenden Landesteile mit der Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie bringt neben fachhistorischen auch populär gehaltene Beiträge.

Bezugspreis: 8.00 DM jährlich.

Konto der »Hohenzollerischen Heimat«: 803843 Hohenz. Landesbank Sigmaringen (BLZ 65351050).

Die Autoren dieser Nummer:

Dr. Otto H. Becker Hedinger Straße 17 7480 Sigmaringen

Otto Bogenschütz Böllatweg 1 7450 Hechingen

Prof. Dr. Rainer Loose Kurze Straße 6 7400 Tübingen

Heinrich Stopper A.-Färber-Straße 20 7475 Meßstetten

Josef Schüler Killertalstraße 51 7455 Jungingen

Druck: M. Liehners Hofbuchdruckerei GmbH & Co., 7480 Sigmaringen, Karlstraße 10.

Schriftleitung: Dr. med. Herbert Burkarth, 7487 Gammertingen Telefon 07574/4211

Die mit Namen versehenen Artikel geben die persönliche Meinung der Verfasser wieder; diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge verantwortlich. Mitteilungen der Schriftlei-tung sind als solche gekennzeichnet. Manuskripte und Besprechungsexemplare werden an die Adresse des Schriftleiters er-beten. Wir bitten unsere Leser, die »Hohenzolleri-sche Heimat« weiter zu empfehlen.

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H O H E N Z O L L E R I S C H E

HEIMAT M 3828 F

Herausgegeben vom

Hohenzollerischen Geschichtsverein

41. Jahrgang Nr. 2/Juni 1991

St. Anna Kirche in Haigerloch mit den Altären von Johann Michael Feichtmayr

HERBERT RÄDLE

Die Feichtmayr-Altäre der Haigerlocher Sankt-Anna-Kirche

Die Sankt-Anna-Kirche in Haigerloch verdankt ihre künstle-rische Wirkung vor allem ihren von Johann Michael Feicht-mayr1 geschaffenen Altären. Sie vor allem verleihen dem Raum seine Atmosphäre vornehmer Festlichkeit. Die aus Stuckmarmor gestalteten Altäre - der Haupt- und die zwei Seitenaltäre - sind in Grau- und Rottönen gehalten. Der

Hochaltar zeigt im Zentrum das alte Wallfahrtsbild der Heiligen Anna selbdritt, das aus einer Vorgängerkirche stammt. Schlanke Doppelsäulen zu beiden Seiten tragen den Altaraufsatz, in dessen Mitte die Taube des Heiligen Geistes erscheint. Die vier steil nach oben weiterführenden Voluten des Aufsatzes nehmen die Wellenbewegung der seitlichen

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roten Baldachine wirkungsvoll auf und leiten sie weiter in das in der Illusion unmerklich sich anschließende Chorraum-Deckengemälde, welches von dem Sigmaringer Hofmaler Meinrad von Ow stammt.

Die beiden Seitenaltäre stehen - dem Wunsch des fürstlichen Auftraggebers Fürst Josef Friedrich von Hohenzollern-Sig-maringen gemäß - inhaltlich in enger Beziehung zu Land und Fürstenhaus Hohenzollern. Der rechte Seitenaltar ist dem Hl. Fidelis von Sigmaringen, dem Schutzpatron Hohenzol-lerns gewidmet, der linke dem Hl. Meinrad, der nach der Legende aus dem Geschlecht der Hohenzollern stammte. Die dargestellten Heiligen - Fidelis und Meinrad - sind deutlich an den Attributen zu erkennen, die jeweils von Putten präsentiert werden. Beim Fidelisaltar sind diese Attribute eine Keule (Morgenstern) und ein Spruchband mit dem Thema der letzten Predigt des Heiligen Fidelis vor seinem Märtyrertod im Jahre 1632: »Unus dominus, una fides, unum

baptisma« = ein Herr, ein Glaube, eine Taufe; beim Meinrad-altar ebenfalls eine Keule sowie ein verkleinertes Abbild der Gnadenmuttergottes vom Kloster Einsiedeln in der Schweiz.

Den schönsten Gesamteindruck von den Altären hat der Besucher, wenn er sie von unterhalb der Orgelempore aus betrachtet. Von hier aus wachsen sie mit den Seitenpilastern und dem Chorbogen zu einem großartigen Ganzen zusam-men, in dem sich Architektur, Plastik und Malerei harmo-nisch verbinden (vgl. Abb.).

Anmerkung 1 Johann Michael Feichtmayr (1710-1772) ist einer der bedeutend-

sten Vertreter der Wessobrunner Stukkatorenschule, deren Mit-glieder im 17. und 18. Jh. in Süddeutschland, Tirol und der Schweiz arbeiteten. Er wirkte als Stukkateur und Altarbauer u.a. für die Abteikirchen Amerbach, Zwiefalten und Ottobeuren, sowie für die Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen.

OTTO H. BECKER

Der Nachlaß Hofbauinspektor Hermann Volkwein

Zu den speziellen Nachlässen des Staatsarchivs Sigmaringen zählen auch die im Depositum Stadtarchiv Sigmaringen ver-wahrten Unterlagen des ehemaligen Fürstl. Hohenz. Hof-bauinspektors Hermann Volkwein. Der Nachlaßgeber wurde am 11. Oktober 1856 in Sigmaringen geboren und erlernte nach dem Besuch der Volksschule und des Sigmarin-ger Gymnasiums bei seinem Vater, dem Hofzimmermeister Friedrich Volkwein, das Zimmerhandwerk. Nach Weiterbil-dung an der Handwerker- und gewerblichen Fortbildungs-schule Sigmaringen in den Jahren 1870 bis 1873 und Privatun-terricht in Mathematik und Geometrie bei Gymnasialprofes-sor Sauerland besuchte Volkwein von 1875 bis 1877 die Kgl. Baugewerkeschule in Stuttgart und qualifizierte sich dort zum Bautechniker.

Danach war Volkwein beim Kgl. Württembergischen Eisen-bahnhochbauamt in Sigmaringen tätig, dem damals der bekannte Ingenieur Baurat Eulenstein vorstand. Von 1878 bis 1889 bekleidete er dann bei der Kgl. Preußischen Regierung Sigmaringen unter dem Geheimen Regierungs- und Baurat Wilhelm Laur die Stelle als Baugehilfe.

1889 trat Hermann Volkwein in die Fürstl. Hohenz. Bauver-waltung ein. Zunächst versah er in Vertretung das Amt des Bauinspektors beim Fürstl. Hohenz. Rentamt Stecken in Böhmen. 1892 bewarb sich Volkwein dann mit Erfolg um die vakant gewordene Stelle des Hofbauassistenten bei der Fürstl. Hohenz. Hofbauverwaltung in Sigmaringen. In dieser Funktion war der Nachlaßgeber für die Visitation und den baulichen Unterhalt der zur Fürstl. Hofökonomieverwaltung gehörigen Gebäude und herrschaftlichen Schlösser, Palais und Landhäuser in Sigmaringen, Krauchenwies, Inzigkofen, der Fürstenhöhe und der Weinburg bei Rheineck am Boden-see verantwortlich.

Mit Wirkung vom 1. April 1897 wurde Volkwein als Hofbau-meister mit der Leitung des Hofbauamts betraut, dessen Oberleitung aber noch bis zu seinem Tod 1899 der Fürstl. Hofbaurat Johannes de Pay wahrnahm. Als Leiter des Hof-bauamts war Volkwein für die bauliche Unterhaltung aller zur Hofökonomieverwaltung gehörigen Realitäten in- und außerhalb Hohenzollerns zuständig. In Anbetracht seiner Verdienste ernannte Fürst Leopold von Hohenzollern Hof-baumeister Volkwein am 1. Januar 1902 zum Fürstl. Hohenz. Hofbauinspektor.

Hermann Volkwein blieb Junggeselle und bewohnte mit seiner gleichfalls unverheirateten Schwester Stephanie das elterliche Haus Josefinenstraße 11 in Sigmaringen, das von dem nunmehrigen Eigentümer, Dipl. Ing. Fritz Kovacic, im vergangenen Jahr von Grund auf renoviert und mit einem Anbau nebst Eckturm versehen wurde. Der Hofbauinspek-tor starb dort nach kurzer, schwerer Krankheit am 22. Dezember 1913.

In der Hohenzollerischen Volkszeitung vom 24. Dezember d.J. erschien folgender Nachruf auf den Verstorbenen: »Das Fürstliche Hofmarschallamt erleidet durch das Hinscheiden dieses in seinem Amt hervorragend tüchtigen und bewährten Beamten einen schweren Verlust. Künstlerisch veranlagt, und ausgestattet mit umfassendem Können ging er auf im Dienst für das Fürstliche Haus, dem er in seltener Treue ergeben war. Mit der Geschichte des Neubaus des Schlosses, an dem er in den besten Jahren seines Lebens mit Einsetzung seiner ganzen Persönlichkeit schaffte, wird sein Name dauernd verknüpft bleiben.«

Beweise seines Könnens hatte der junge Volkwein auch schon vor seinem Eintritt in die Fürstl. Verwaltung geliefert, wie wir aus der seinem Bewerbungsschreiben vom 27. Februar 1892 beigelegten Ubersicht über die von ihm bisher geleisteten technischen Arbeiten entnehmen können. Unter den gefer-tigten Privatarbeiten werden darin u.a. aufgeführt:

- Pläne, Kostenanschlag und Ausführung zu dem zwölfecki-gen Pavillon mit Laternenaufsatz über dem Gasometer der Leuchtgasfabrik in Sigmaringen [inzwischen abgebro-chen],

- Pläne und Ausführung zu zwei Ateliergebäuden für die Marmonsche Bildhauerei und Kunstschreinerei in Sigma-ringen [Gorheimer Straße 22-22a, Restaurator Lorch],

- Pläne und Ausführung zu einem zweistöckigen Wohnge-bäude für den Herrn Brauereibesitzer A. Stroppel in Sig-maringen,

- Pläne, Kostenanschlag und Ausführung zu einem zwei-stöckigen Arbeiterwohngebäude für die Leuchtgasfabrik in Sigmaringen,

- Pläne zu einem größeren dreistöckigen Wohn- und Öko-nomiegebäude für den verstorbenen Bäckermeister A. Haas in Sigmaringen [Schwabstraße 5, heute Schloß-Apotheke],

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- Pläne zu einem dreistöckigen Verbindungsbau des Atelier-und Wohngebäudes des Fürstl. Hoffotografen Herrn Kug-ler in Sigmaringen [fosefinenstraße 10],

- Plan und Kostenanschlag zu einem städtischen Steigerhaus für die freiwillige Feuerwehr in Sigmaringen,

- Pläne und Ausführung zu neuen Wirtschaftslokalitäten des Herrn Adlerwirt F. Rebholz in Sigmaringen [fiel dem nördlichen Anbau der Hohenz. Landesbank an der Adler-gasse zum Opfer],

- Pläne, Kostenanschlag und Ausführung zum Wiederauf-bau des Gasthofs zum Ochsen in Sigmaringen [Josefinen-straße 1],

- Pläne und Ausführung zu einer größeren Sommerhalle in dem Wirtschaftsgarten des Brauereibesitzers Herrn J.Maag in Sigmaringen [Karlstraße 31, Gelände des Fi-nanzamts],

- Pläne, Kostenvoranschlag und Ausführung zum Erweite-rungsbau des Gasthofs zum Löwen in Sigmaringen [Adler-gasse],

- Pläne, Kostenvoranschlag zu dem Erweiterungsbau der Josefinenstiftung (Volksküche) in Sigmaringen,

- Pläne, Kostenvoranschlag und Ausführung des W a l t e r -schen Wohnhauses in Sigmaringen [Karlstraße 35],

- Pläne und Kostenanschlag zu einem größeren Wohnhaus für Dr. med. Volkwein in Sigmaringen [Fürst-Wilhelm-Str. 10],

Das Verzeichnis enthält ferner Pläne, die Hermann Volkwein unter der Leitung von Baurat Wilhelm Laur angefertigt hatte, wovon die folgenden hier aufgeführt werden sollen:

- Bau- und Nivellementspläne zu dem neuen Einlaufschüt-zen in dem oberen Zulaufkanal der Papierfabrik zu Bingen [ehemalige Fabrik Stempfli],

- Pläne zur Erweiterung der Pfarrkirche zu Grosselfingen, - Pläne und Details zur Erbauung der St. Josefskapelle der

barmherzigen Schwestern zu Freiburg, - Plan, Kostenanschlag, Details, Ausführung und Abrech-

nung zum Umbau der hölzernen Brücke über den Neckar bei Neckarhausen,

- Pläne und Kostenanschlag zu einem Schul- und Rathaus für die Gemeinde Bisingen,

- Plan und Kostenanschlag zum Erweiterungsbau des Schul-hauses zu Weildorf,

- Plan, Kostenanschlag und Details zum Erweiterungsbau der Pfarrkirche zu Frohnstetten inkl. eines Ökonomiege-bäudes für die Pfarrei daselbst,

- Plan und Kostenanschlag zu einem Pfarrhaus für die Gemeinde Laiz,

- Pläne, Details, Kostenanschläge, Ausführung und Abrech-nung zur neuen städtischen Schlachthausanlage in Sigma-ringen [Georg-Zimmerer-Str. 7], a) das Haupt- resp. Schlachthausgebäude, b) Hintergebäude mit Stallungen, Futterräumen, Büro

und Aufseherwohnung, c) Hintergebäude mit Freibank, Krankenviehstall und

Holzlegen, d) die inneren Einrichtungen der verschiedenen Gebäude

inkl. Gas- und Wasserleitungen, e) die Einfriedung, Planierung sowie Kanalisation des

Schlachthofs und Zufahrtswege,

- Pläne und Details zum Um- und Erweiterungsbau des Rathauses zu Hechingen,

- Pläne und Kostenanschlag zu einem Schulhaus für die Gemeinde Hermannsdorf,

- Pläne und Kostenvoranschlag zu dem neu erbauten Gym-nasialgebäude in Sigmaringen [Hedinger Str. 11, heute Theodor-Heuss-Realschule],

- Pläne und Kostenanschlag zu einem Erweiterungsbau an das evangelische Schulhaus in Sigmaringen [Karlstraße 24, heute evangelisches Gemeindehaus],

Das leider nur bis 1892 geführte Werkverzeichnis ist mit seinen insgesamt 60 darin aufgeführten Projekten nicht nur ein eindrücklicher Nachweis für die Tätigkeit des Baumei-

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sters Hermann Volkwein, sondern stellt auch ein wichtiges Dokument für die Baugeschichte der Stadt Sigmaringen dar. Es gewährt darüber hinaus auch Einblicke in die Arbeitsweise von Prof. Wilhelm Laur, der damals der meistbeschäftigte Architekt in Hohenzollern war.

Auch im Dienst der Fürstl. Hofbauverwaltung hatte Volk-wein ein immenses Arbeitspensum zu bewältigen. Zu den laufenden Maßnahmen zur Unterhaltung der Fürstl. Schlös-ser, Palais und Landhäuser sowie der übrigen Gebäude und Plätze, die der Hofökonomieverwaltung unterstanden, kamen der Umbau des Prinzessinnenpalais (1893/94), die Verlängerung des Alten Prinzenbaus in Richtung Marstall (heute Sitz der Fürstl. Hohenz. Elektrozentrale Sigmaringen) in den Jahren 1896 bis 1898 und schließlich der Wiederauf-und Ausbau des 1893 niedergebrannten Ostteils des Sigma-ringer Schlosses, der in den Jahren 1895 bis 1906 durchgeführt wurde.

Bei den gen. Großbauten hatte Volkwein bis 1899 unter Hofbaurat Johannes de Pay und danach unter dem Münche-ner Architekten Prof. Emanuel von Seidl die Vergabe der Bauaufträge, die Bauleitung und die Kontrolle sowohl der ausgeführten Arbeiten als auch der Baurechnungen zu besor-gen. Beim Bau des Schlosses hatte Volkwein nachweislich auch noch planerische Aufgaben wahrzunehmen.

Die Vielzahl der Baumaßnahmen, die Volkwein zu erledigen hatte, brachten ihm bei den Sigmaringer Bürgern die Bezeich-nung »Bautiger« ein. Auch wird dem Hofbauinspektor nach-gerühmt, daß er immer bestrebt war, die heimischen Hand-werker gleichmäßig mit Arbeit zu versorgen. Zeichen der Anerkennung wurden Volkwein auch von hohen Gönnern zuteil. So war er Träger des Roten Adlerordens und des Kronenordens 4. Klasse von Preußen, des Fürstl. Hohenz. Hausordens und Ritter 2. Klasse des Herzogl. Anhaltischen Hausordens Albrecht des Bären.

Der vorliegende Nachlaß wurde aus den Unterlagen von Hermann Volkwein gebildet, die dem Verf. von der Eigentü-merin, Frau Antoinette Gittinger M. A., im August 1985 zur Verwahrung im Depositum Stadtarchiv Sigmaringen des Staatsarchivs übergeben worden sind. Das Schriftgut, das lediglich 0,45 lfd. m. umfaßt, wurde unmittelbar nach der Übernahme vom Verf. geordnet, verzeichnet und durch ein maschinenschriftliches Archivrepertorium erschlossen. Der Bestand, der wegen seines geringen Umfangs und auch seines speziellen Inhalts einen Restnachlaß darstellt, enthält in sechs Gruppen untergliedert, 62 Archivalieneinheiten, die teils aus Einzelstücken und teils aus mehreren zusammenge-hörigen Blättern bestehen. Neben einem Foto der Hedinger Erlöserkirche (Gruppe IV), einem Plakat (Gruppe V), Lehr-bzw. Lernmitteln Volkweins für Mathematik und Trigono-metrie (Gruppe VI) weist der Nachlaß vor allem Baupläne (Gruppe III), Studien- und Konstruktionszeichnungen (Gruppe II) und Freihandzeichen (Gruppe I) auf. Die Gruppe I enthält 18 Archivalieneinheiten mit 44 Zeichen-blättern, zumeist Radierungen, aber auch Kreidezeichnun-gen, die Hermann Volkwein vom 10. bis zu seinem 20. Lebensjahr angefertigt hat. Die gebotenen Darstellungen von Blatt- und Rankenwerk, Ornamenten, Häusern, Kir-chen, Burgen und Pferden sowie von menschlichen Gesichts-profilen lassen das schon früh entwickelte zeichnerische Talent des Urhebers und auch dessen Interesse an architekto-nischen Formen erkennen. Die in Gruppe II enthaltenen 52 Blätter mit Konstruktionszeichnungen - es handelt sich um kolorierte Feder-Pinselzeichnungen - von Treppen, Dach-konstruktionen, Details über Verzapfungen von Holzbalken, Geländer u.ä. aus den Lehrjahren und der Studienzeit Volk-weins an der Handwerkerfortbildungsschule Sigmaringen und an der Stuttgarter Baugewerkeschule bestechen durch Präzision und sorgfältige Ausführung.

Die Gruppe III besteht aus 27 Bauplänen bzw. Lageplänen von Villen, Wohnhäusern, Ökonomiegebäuden, Pavillons, Gartenhäusern sowie von einer neogotischen Kanzel und einem Holzschuppen. Darin enthalten sind auch ein Plan zum Ausstellungsgebäude des Hafnermeisters Wendelin Müller zu Sigmaringen von 1876 (Nr. 34), ein Entwurf zu einem Wohngebäude von 1878 (Nr. 35), die von Wilhelm Laur herrühren, sowie ein Plan zum Bau eines Gartenhauses von Johannes de Pay (Nr. 56).

Von den übrigen Plänen, Entwürfen und Skizzen des Nach-lasses lassen sich nur die Pläne zum Bau des Wohn- und Ökonomiegebäudes für den Bäckermeister Haas aus dem Jahr 1880 (Nr. 37) auf eine Arbeit zuweisen, die im Werkver-zeichnis Volkweins aufgeführt ist. Ob es sich dabei um eine genaue Vorlage zu dem eingereichten Baugesuch handelt, müßte erst noch durch einen Vergleich mit den entsprechen-den Unterlagen des Stadtplanungsamts Sigmaringen nachge-wiesen werden.

Die im Nachlaß (Nr. 41-43) verwahrten Unterlagen wie der Lageplan zum Baugesuch des Maurermeisters Baptist Volk-wein von 1893 und die Pläne zum Umbau des bestehenden eisernen Gartenzauns mit Sockelmauern vor dem Wohnhaus von Hofkammerrat Künzel von 1896 und zum Bau des heutigen Bruder-Klaus-Heims (Karlstraße 12a) von 1900 stellen wichtige Ergänzungen zum Werkverzeichnis von Hermann Volkwein dar, das ja nur bis 1892 reicht.

Die restlichen Unterlagen der Gruppe III des Nachlasses enthalten zumeist keine Angaben über die Bauherren und ihre Entstehungszeit. Ihre Bezeichnungen als Entwürfe oder Skizzen machen deutlich, daß es sich dabei um architektoni-sche Studien bzw. um Vorstufen zu Bauplänen handelt, die nicht in die Akten der Bauämter gelangt sind. Trotz fragmentarischer Dokumentation bieten die Unterla-gen der Gruppe III und der Gruppe II des Nachlasses somit wichtige Ergänzungen zu den bei den Bauämtern verwahrten Planungsunterlagen Volkweins und damit auch zur Architek-tur in Hohenzollern im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts. Die künstlerische Veranlagung von Hermann Volkwein, die im Nachruf des Fürstl. Hofmarschallamts besonders gewür-digt wurde, wird vornehmlich durch die in Gruppe I des Nachlasses verwahrten Freihandzeichnungen dokumentiert. Der hohe Dokumentationswert der Nachlässe von Architek-ten und Baumeistern, der auch im Falle der im Staatsarchiv Sigmaringen verwahrten Unterlagen des ehemaligen Fürstl. Hohenz. Hofbauinspektors Hermann Volkwein deutlich gemacht werden konnte, ist bei den Bauhistorikern, Denk-malpflegern und Archivaren schon lange unstrittig. Diese Auffassung hat im vergangenen Spätjahr durch die Errich-tung des Architekturarchivs Baden-Württemberg in Karls-ruhe nun auch von öffentlicher Seite Anerkennung erfahren.

Quellennachweis

StA Sigm. Dep. 1 NL Keller Nr. 93 (Hofzimmermeister Friedrich Volkwein) Ebda. Dep. 39 DS 82 NVA 15.193, 15.306 (PA Hermann Volkwein) Otto H. Becker (Bearb.), Nachlaß Hermann Volkwein, Masch. Archivrepertorium, Sigmaringen 1986 Hohenz. Volkszeitung vom 24. Dezember 1913 (Nachruf auf Her-mann Volkwein)

Abbildungsnachweis

Vorlage: StA Sigm. Dep. 1 NL Hermann Volkwein Nr. 15 Foto: Hauptstaatsarchiv Stuttgart »Schloß Bronnen im Donautal. Nach der Natur gezeichnet von Hermann Volkwein 1875«.

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WALTER KEMPE

Von der Musik Salems bis zur Volksmusik in Ostrach

Anläßlich des 100-jährigen Bestehens des Musikvereins Ostrach stellte sich die Frage, ob es vor 1890 bereits in unserer Gegend Musikkapellen gab und welche Bedeutung die Musik hier früher hatte. Bekanntlich war Kloster Salem schon lange vor dem 30-jährigen Krieg im Räume Ostrach-Bachhaupten begütert. Es erhielt im 16. Jahrhundert die Grundherrschaft bzw. die niedere Gerichtsbarkeit über das Gebiet. Nach 1700 konnte es auch die Landesherrschaft ausüben.

Die Bevölkerung war jahrhundertelang den strengen Gebo-ten und Verboten des Klosters unterworfen. So durfte z.B. 1558 und später an Sonn- und Feiertagen während der Gottesdienste in den Wirtshäusern und anderen Behausun-gen weder gezecht, getanzt oder gesungen werden. Nachts hatte nach dem »Ave Maria« Ruhe zu herrschen. Welche Spielleute zum Tanz aufspielten und wer sonst noch bei uns musizierte, ist nicht bekannt.

In seinem Bericht über das alte salemische Oberamt Ostrach des 18. Jahrhunderts, gab uns dann Pater Benedikt Hänggi, Habsthal, wertvolle Hinweise auf den Einfluß des Klosters Salem und seiner Bachhauptener Musikschule bei der Ent-wicklung des Musiklebens im Räume Ostrach.

Bereits vor rund 200 Jahren erfreute die Musikkapelle dieser Schule ihre Zuhörer mit ihren Klängen. Das reichsunmittel-bare Stift Salem gewann im 18. Jahrhundert sowohl politisch als auch wirtschaftlich und kulturell an Bedeutung und mit ihm seine Herrschaft Ostrach. Zu dieser Zeit saß dann die klösterliche Aufsicht der Herrschaft, der Oberpfleger, vor-wiegend in Bachhaupten. Die weltliche Verwaltung führte der Oberamtmann im Oberamt Ostrach.

In der nördlich von Meersburg gelegenen Abtei Salem, dem Hauptsitz des Klosterstaates, förderten die mächtigen Reichsprälaten auch Kunst und Wissen. Der bedeutendste Salemer Prälat in der Zeit des Hochbarocks war Abt Ansel-ml l . , der von 1746 bis 1778 regierte. Das Titelbild zeigt ihn um 1750. In seiner Klosterschule kontrollierte er selbst den Unterricht und die Arbeiten seiner Schüler. Dem Musikun-terricht schenkte er besondere Aufmerksamkeit. An seiner Hoftafel erfreute man sich zu den verschiedensten Anlässen der Instrumentalmusik seiner Studierenden.

An Instrumenten waren hier üblich: Klavier, Flöten, Oboen, Klarinetten, Waldhörner und Fagotte.

Der spätere Abt, Pater Robert, scheint damals auch ein eifriger Musiklehrer gewesen zu sein. 1774 kamen die Brüder Franz und Johannes Wallmer vom Meersburger Hof, dem Fürstbischöflichen Sitz, um bei ihm einige Stunden im Trom-petenblasen zu nehmen. Sie gehörten 1776 zu den fünf Hofmusikanten des Fürstbischofs Maximilian Christoph von Rodt.

Besonders musikbegabt war Pater Theobald Vogler aus Salem. Er wurde während der Amtszeit Anselms II. ins Kloster aufgenommen und feierte 1750 seine Primiz. Tätig war er als Stiftskantor und Organist am Münster sowie als Lehrer an der Klosterschule in Instrumentalmusik und Gesang. Prälat Anselm übergab den jungen Ordensmann außerdem dem Pater Großkeller als Gehilfen zur Ausbildung in Verwaltungsdingen.

Nach dem Tode Anselms II. wurde 1778 Robert Schlecht Abt von Salem. Er regierte bis 1802. Seine Vorliebe für Musik, als Freund und Kenner, wurde deutlich durch den Umgang mit den großen Musikern seiner Zeit, wie z. B. Joseph Haydn. Als Kapellmeister des Fürsten Esterhazy in Wien bot Haydn ihm

Der Salemer Abt Anselm II Schwab, um 1750 Ausschnitt aus einem Gemälde von G.B.Göz, mit freundlicher Genehmigung der Markgräflich Badischen Museen.

in den 80er Jahren des 18. Jahrhunderts seine neuen Quartette zum Kauf an, der aber nicht zustande kam. Es handelte sich hierbei um die sogenannten sechs Russischen Quartette, Opus 33, Hobokenverzeichnis 111,37-42, die dann später dem russischen Großfürsten Pavel Petrowitsch gewidmet wurden. Außerdem offerierte er ihm seine »Kirchensachen«, Symphonien, Konzerte und Opern.

Bald nach dem Regierungsantritt Abt Roberts wurde Pater Theobald Vogler zum Oberpfleger der Herrschaft Ostrach ernannt. Sein Sitz war Bachhaupten. 23 Jahre lang, bis 1800, übte er diese Tätigkeit aus. Wie Hänggi berichtete, ließ sie ihm anfänglich wenig Zeit für seine musischen Neigungen. Dann aber konnte er eine musikalische Ausbildungsstätte aufbauen, die zur Virtuosenschule wurde. Diese Ausbil-dungsstätte befand sich »im Prälatensaal des Propsteihofes« in Bachhaupten. Das Wohngebäude des Propsteihofes bzw. Klosterhofes wurde nach Genzmer um das Jahr 1700 er-richtet.

Auch eine Orgel erhielt Vogler 1794 in Bachhaupten, die Orgelmacher Höß aus Ochsenhausen einbaute. Sie stammte aus dem Stift Waldsee. Seine Schüler fand der geborene Meister der Musik in den Familien von Bachhaupten und Tafertsweiler, die als Klosterleute dienten. Hier gab es eine Anzahl »munterer und geweckter Knaben, in denen die glücklichsten Anlagen musikalischer Fähigkeiten schlum-merten«. Pater Theobald durfte nun in Bachhaupten das Amt eines Musikdirigenten wieder aufnehmen. Unter seiner Lei-tung rekrutierte sich das Orchester von Bachhaupten. Es war in den 90er Jahren des 18. Jahrhunderts in Oberschwaben weithin bekannt. In diesem Orchester waren auch Pauken, Trompeten und Baßgeigen vertreten.

Das »Normalorchester«, für das damals Haydn richtungge-bend war, bestand aus: 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Fagotten, 2 Hörnern und einem mehrfach besetzten Streichquintett. Bei den Spätwerken Haydns kamen hinzu: 2 Klarinetten, 2 Trompeten, 3 Posaunen und ein Paar Pauken.

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Das Repertoire des Theobaldischen Orchesters dürfte, ent-sprechend seinen Aufgaben, sehr vielseitig gewesen sein. Die Musikanten übten sich dann oft auch bei fröhlicher Runde im Gesang. Die Ostracher Liederhandschrift könnte uns eine Vorstellung von dem geben, was sie sangen.

Ein bemerkenswerter Auftritt fand am 4. November 1796, am St. Karlstage, in Ostrach statt. Sämtliche Bürgermeister und Dorfpfleger des Oberamtes waren im Amtshaus versammelt, um dem Salemer Oberboursier Pater Karl Wächter zu danken und Glückwünsche zum 15. Jahrestag seiner Profeß zu über-bringen. Der Pater war in den schlimmen Kriegsjahren des 1. Koalitionskrieges herbeigeeilt, zur Unterstützung, Schlichtung und tatkräftigen Hilfe bei den häufigen Einquar-tierungen fremder Truppen. Seine Wiege stand in Sigmarin-gen, wo er 1764 geboren wurde.

Auf dem Amtshofe erschollen die Hochrufe der jungen Leute aus den einzelnen Ortschaften, die dem Ordensmanne ein musikalisches Ständchen brachten. Pater Wächter dankte den Musikanten und lud sie zu einem fröhlichen Umtrunk in die obere und untere Wirtschaft zu Ostrach ein, den Gasthäusern Hirsch und Adler.

Die Musikkapelle spielte auf dem Amtshofe unter der bewährten Leitung des »schönen Bachhaupteners«, genannt »Schreiner-Lorenz«. Er war erst 17 Jahre alt und einer der fähigsten Schüler seines Musiklehrers Pater Theobald. Hänggi nannte ihn den flottesten und fidelsten Burschen im Ostrachgebiet, ein Sänger und Musikant erster Güte.

Noch einmal hören wir von den Bachhauptener Musikanten bei der vorübergehenden Rückkehr Pater Wächters von Ostrach nach Salem am 25. Oktober 1799, mehrere Monate nach der Schlacht bei Ostrach. Alle Bürgermeister und Dorfpfleger, sowie die Musikkapelle, gaben ihm damals das Geleit bis Heiligenberg.

Die Musiker des Theobaldischen Instituts machten ihrem Lehrer noch im 19. Jahrhundert, ja bis ins 20. Jahrhundert, alle Ehre.

Am Beispiel der Familie Halder, von der wir lückenlose Unterlagen haben, sehen wir, wie wirksam die musikalische Erziehung Voglers über Generationen hinweg war. Ihr Nachfahre Anton Halder, Wangen, war 1890 Mitgründer des Musikvereins Ostrach.

Der junge Dirigent Voglers »Schreiner-Lorenz«, mit vollem Namen Lorenz Halder, wurde 1780 als Sohn des Zimmer-manns Sebastian Halder zu Bachhaupten geboren. Er siedelte sich um 1814 als Schreiner in Tafertsweiler an und führte seine Söhne »nach den von Pater Theobald erlernten Anweisungen in den Tempel der edlen Musik«. Einer der Lorenz'schen Söhne, Mathias, geb. 1820, heiratete im Jahre 1851 und eröffnete in Wangen eine Schreinerei. Er war bis ins hohe Alter von 82 Jahren als »Geigerma von Wangen« bekannt und musizierte im Kreise von Freunden und Familienangehöri-gen. Sein Sohn Anton wurde im Jahre 1855 geboren. Er war 1890 der genannte Mitgründer des Vereins.

1902 gab Mathias sogar zusammen mit seinem 6-jährigen Enkel Wendelin, geb. 1895, anläßlich eines Jubiläums ein Violinkonzert.

Wendelin wurde später Dirigent bzw. Ehrendirigent des Ostracher Musikvereins, sowie für mehrere Jahre Dirigent der Musikkapelle Weithart.

Auch bei den anderen oberschwäbischen Klöstern, wie z.B. in Marchtal, Weingarten, Schussenried und Zwiefalten, begann im 18.Jahrhundert eine neue Ära des kulturellen Lebens, worüber Erno Seifriz ausführlich berichtet.

In der Musik drängte sich das Instrumentale in den Vorder-grund. Im Orgelbau entstanden herrliche Werke. Im Gottes-dienst wurde der gregorianische Choral traditionsgemäß

weitergepflegt, jedoch wurde die Orgelbegleitung üblich. Man begann Messen »figuriert« zu musizieren mit Singstim-men und Orchester. Bereits 1701 wurden in Schussenried zum ersten Mal Pauken und Trompeten in der Kirchenmusik eingesetzt. Diese Instrumente waren ein Teil der alt-türki-schen Militärmusik, die während der Türkenkriege mit der Elitetruppe der Janitscharen nach Westeuropa gelangten. Außerhalb der Gottesdienste erklang auch in diesen Klöstern »höfische« Musik, als Tafel- und Abendmusiken.

Aus dem nahen Kloster Habsthal wurde berichtet, daß selbst die Klosterfrauen damals die Tafelmusik pflegten.

Als Pater Wächter in Ostrach die Einquartierung von Ver-bänden der französischen Revolutionsheere während des 1. Koalitionskrieges im Jahre 1796 regeln mußte, machte der französische General Du Herne Quartier im Kloster Habs-thal. Hierbei ereignete sich folgendes: »Nachdem die Klosterfrauen dem General Du Herne eine Musik bei Tisch gemacht, so hat er denen Klosterfrauen zur Ehre auf einigen Wägen seine Musik Personale von Ostrach hierher kommen lassen, um den Klosterfrauen auch Musik zu machen...« Diese französische Truppe führte hiernach damals eine Kapelle mit sich. Sie war in Ostrach einquartiert.

Die kleine Episode veranschaulicht die Kontraste bei der Entwicklung zu einer neuen Epoche der Musikgeschichte, welche durch die französische Revolution 1879 ausgelöst wurde. Diese Revolution hat, nach Suppan, die Musik aus den Schlössern und Salons des Adels und aus den Kirchen (bzw. Klöstern) heraus auf die Straße getragen. Sie hat die Musik »demokratisiert«, allen Schichten der Bevölkerung zugäng-lich gemacht und damit das mittel- und kleinständische Musikleben des 19. und 20.Jahrhunderts begründet. Das Bürgertum wurde nach und nach zum Träger der Kultur, also auch der Musik. Die Komponisten standen jetzt nicht mehr im Dienst des Adels und der Kirche. Sie wandten sich als freie Künstler direkt an ihr »Publikum«, das heißt, an die Öffent-lichkeit (Wörner). Die neue politische Ordnung, die dann später auch unser Gebiet erfaßte, bedurfte - neben der bisherigen Musik - einer zeremoniellen Freiluftmusik. So entstand das moderne kon-zertante Blasorchester. Seit 1789 verstand man, nach Whit-well, überall in Europa unter dem Namen »Harmoniemusik« ein Bläserensemble von 8-12 Musikern. Im Bereich dieser Blasorchester entstanden weitere Neuentwicklungen. Suppan geht in erster Linie von den Pariser Verhältnissen aus und nennt 4 Punkte: 1. Die Emanzipation zunächst der Holzblas-, danach der Blechblasinstrumente setzte ein. Von Haydn bis Bruckner gewannen die Blasinstrumente im Symphonie-Orchester immer stärker an Bedeutung. Dienten die Blasinstrumente noch in der frühen Klassik primär als tuttiverstärkende Instrumente, so übernahmen sie bald Aufgaben im melodi-schen Bereich, stellten sich mehr und mehr gleichberechtigt neben die Streicher, traten solistisch hervor. Bei Anton Bruckner schließlich wird das Blechbläser-Register vielfach zum tragenden Kern des musikalischen Geschehens.

2. Voraussetzung für diese Emanzipation war die technische Entwicklung der Holz- und Blechblasinstrumente, die Ver-vollkommnung der Klappen-Systeme bei Flöten, Oboen, Klarinetten, Fagotten, die Erfindung der Ventile bei den Blechbläsern, die Erweiterung einzelner Instrumente zu gan-zen Familien und damit die Eroberung der Baß- und Kontra-baß-Region. Paris und bald auch Brüssel wurden so zunächst zu Zentren des Instrumentenbaus. Adolphe Sax erfand u. a. das Saxophon.

3. Die Musiker der französischen republikanischen Garde begannen Nachwuchs heranzubilden. Es entstand das Pariser Konservatorium.

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4. Das Ausbildungssystem nahm völlig neue Formen an. Hatten bisher angehende Musiker sich größtenteils als Lehr-linge bei einem Meister (Stadtpfeifer, Kirchenmusiker) nach alter Handwerks-Tradition eingeschrieben, so schufen die Revolutionsmusiker in Paris neue Lehrsysteme, die seither die Entwicklung des jungen Musikers unter Aufsicht eines Lehrers (oder auch im Selbststudium) lenken.

In Oberschwaben brachte zunächst die Säkularisation der Klöster und die Veränderungen auf der politischen Landkarte für das Musikleben eine tiefe Zäsur, da die Klöster als Orte eifriger Musikpflege nicht mehr zur Verfügung standen.

Die Nachrichten über Musikkapellen sind daher in der ersten Hälfe des 19. Jahrhunderts auch im Räume Ostrach sehr spärlich. Nach Aufhebung des Klosterstaates Salem 1803/ 1806 wurde der ehemalige Dirigent der Bachhauptener Kapelle »Schreiner-Lorenz« zunächst zum Militär eingezo-gen und geriet in Spanien in Gefangenschaft. 1811 war er wieder zurück. Im Herbst dieses Jahres besuchte er auf dem Wege nach Einsiedeln in Kirchberg den letzten Abt des ehemaligen Stiftes Salem und tauschte Erinnerungen.

Ostrach war inzwischen hohenzollerisch und 1850 preußisch geworden. Es war geographisch und politisch an die äußerste Grenze des Landes Hohenzollern geraten, was auch bei den Sigmaringer und Saulgauer Zeitungsanzeigen und den Amts-blättern deutlich wurde.

Nach Johannes Maier, Sigmaringen, entwickelte sich dann in den Jahren 1840 bis 1850 und teilweise schon vorher allerorts in Hohenzollern sehr rasch ein dörfliches Musizieren in der Besetzung der Harmoniemusik und Blechmusik. Geeignete Lehrkräfte mußten sich nun der Volksmusik annehmen. Die Initiative der Gründungen lag fast durchweg bei der ortsan-sässigen musikalischen Intelligenz.

Von Interesse für die Besetzung der damaligen Kapellen war ein Vorschlag des Hofkaplans Feßler, der auch Chordirektor war, zur Errichtung einer Harmonie- und Blechmusik beim Fürstlich Hohenzollerischen Militär.

Zu einer Harmonie-Musik für 8 Mann, mit dem Direktor als Kapellmeister, gehörten nach seiner Aufstellung: 1 Flöte, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 2 Hörner, 1 Posaune oder eine 3. Klarinette.

Die Blechmusik mit 8 Mann sollte besetzt sein mit: 2 Klapp-hörnern, 2 Klapptrompeten, 2 Inventionshörnern, 1 einfache Trompete, 1 Posaune und ein Posthorn.

Die örtlichen Musikkapellen waren ein wesentlicher kulturel-ler Faktor der jeweiligen Dorfgemeinschaft geworden. Sie traten in Erscheinung bei kirchlichen Feierlichkeiten, bei jedweder Festlichkeit des Ortes, insbesondere bei Hochzei-ten. In den Sälen der größeren Ortschaften befand sich erhöht im Räume die sogenannte Musikantenbank. Im Allgemeinen war die Besetzung der Musikkapellen nicht so groß wie heute.

Die Erlernung der Musikinstrumente vererbte sich in vielen Fällen, so wie wir es bei Familie Halder, Wangen, gesehen haben, vom Vater auf den Sohn und blieb in lebendiger Familientradition.

Von einer Blechmusikkapelle in der Oberamtsstadt Sigmarin-gen erfahren wir in den Jahren 1859 und 1865 durch die Zeitung.

1866 wurde bereits von einer Blechmusikkapelle in Ostrach berichtet, die anläßlich eines Festes für die vom Krieg heimge-kehrten Soldaten spielte. Bei der Einweihung des Ostracher Bahnhofs spielte 1875 eine Blaskapelle. An Fasching 1884 wurde im »Hotel Hirsch« zu Ostrach die »hiesige, nicht ganz 51 Mann starke Kapelle ohne Kapellmeister« als »Türkische Musik« durch den Saulgauer »Oberländer« angekündigt. Zu dieser, bereits 1701 in Schussenried erwähnten Musik gehör-ten: Oboe, Trompete, große »türkische« Trommel, kleine Paukenpaare, Becken und Schellenbaum. Bei voller Beset-zung waren diese Instrumente je neunmal vertreten.

Im gleichen Jahr, 1884, wurde in Ostrach auch der Männerge-sangverein gegründet.

Aus einem Bericht über die 50-Jahrfeier des Musikvereins Denkingen im Jahre 1886 geht hervor, daß schon damals bei solchen Veranstaltungen die Musikkapellen der weiteren Umgebung beteiligt waren. So war u.a. der »Bruderverein« Ostrach aus Hohenzollern vertreten.

Die Pflege der Musik durch eine örtliche Musikkapelle ist somit im 19. Jahrhundert auch in Ostrach schon mindestens seit 1866 nachzuweisen.

Offiziell als Verein im heutigen Sinne tritt dann im Jahre 1890 die »Ostrachtalmusik« in Ostrach in Erscheinung, gegründet und getragen durch bewährte und traditionsbewußte Musik-freunde. (Herrn Professor Erno Seifriz, Weingarten, besten Dank für die fachlichen Hinweise.)

Die ausführlichen Quellennachweise der Arbeit können Interessenten über das Bürgermeisteramt Ostrach beziehen.

Ehemaliger Klosterhof in Bachhaupten. Auf dem Archivbild der Landesbildstelle Württemberg vom November 1939 ist ein zweistök-kiger Bau mit stattlichem Krüppelwalmdach zu sehen. Im massiven Erdgeschoß befanden sich teilweise gewölbte Decken, im Fachwerk-Obergeschoß Stuckdecken. Das Treppenhaus war ebenfalls mit Stuckdecken ausgestattet. Das historische Haus fiel 1972 der Spitz-hacke zum Opfer.

RAINER LOOSE

Langenenslinger Mühlen (Schluß)

2. Zur Geschichte der einzelnen Mühlen Die Obere Mühle

Sie liegt gut 250 m nordwestlich des Oberdorfes jenseits der Talniederung der Langwatte am leicht ansteigenden Hang der Stubenhalde bei der stark schüttenden Biberquelle, bis zur Bebauung der Schattenweiler Straße zu Beginn der 1960er

Jahre isoliert und abseits der langgestreckten Straßensied-lung. Nur wenig deutet heute darauf hin, daß wir in dem Anwesen eine der größeren Langenenslinger Mühlen vor uns haben. Ein verloren daliegender Mühlstein an der Hofein-fahrt und ein über die Biber gesetzter Anbau beim Wohn-haus, die ehemalige Wasserstube, sind neben dem Weiher die

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Biberquell-Teich und obere Mühle

einzigen Zeugen der einstigen Müllerei. Um eine genauere Anschauung von der Nutzung der Gebäude zu erhalten, muß man schon den Grundkataster und das Flurbuch bemühen. Bei der ersten Vermessung im Zuge der hohenzollerischen Landesaufnahme werden hier 1844/48 ein Wohnhaus, ein Waschhaus, eine Scheuer mit angefügtem Bienenstand, die Ölmühle mit Wasserstube, der Abtritt und der Hofraum mit einer Fläche von rund 16 Ar verzeichnet. Zur Mühle gehörte auch der Weiher, der das Wasser der Biberquelle staut und nach dem Vermessungsprotokoll damals ein Achtel Morgen und 40,6 Ruten (~ 720 m2) maß. Der Besitzer hieß Dominicus Schaich, der die Mühle von seinem Vater Anton übernommen hatte. Von Anton Schaich wissen die Quellen zu berichten, daß er 1826 von der Hundesteuer befreit war, weil er aufgrund der isolierten Lage des Anwesens einen Hof- und Wachhund zu halten gezwungen war1 . Wenige Jahre zuvor (1819) erscheint Anton Schaich auch in der Viehtabelle der Gemeinde Langenenslingen mit einem im Vergleich zu den anderen bäuerlichen Höfen beachtlichen Viehstand, der 1 Stute, 2 Wallache, 2 Ochsen, 5 Kühe, 1 Jungrind, 3 Kälber und 4 Schweine umfaßte2.

Die Viehhaltung lenkt den Blick auf die Versorgung der Pferde und Rinder, die natürlich auf der Bewirtschaftung von Äckern und Wiesen ruhte. Die Quellen machen hierzu im Urbar von 1568 eine nähere Aussage. An Liegenschaften werden darin aufgezählt: 3V* Jauchert Acker (rund 2 ha) und 1 Mannsmahd Wiese an der Mühle sowie ein halbes Manns-mahd im Ertinger-Binzwanger Breitried. Außerdem gehörte ein Hanfgarten bei der Mühle dazu3 . Dieser Hanfgarten diente dem Anbau der Faserpflanze Hanf, aus dem Seile, Stricke und Sacktuch gewonnen wurde, für die der Obermül-ler sicherlich größeren Bedarf hatte.

Ob dies die gesamte Wirtschaftsfläche der Oberen Mühle gewesen ist, entzieht sich unserer Kenntnis, da das Urbar von 1568 nur herrschaftliche, d.h. hohenzollerisch-sigmaringi-sche Güter verzeichnet. Anzunehmen ist, daß Jacob Cleiner als damaliger Obermüller auch Äcker und Wiesen anderer Grundherrschaften, wie z.B. des Klosters Heiligkreuztal besaß. Da sich ein solches Einkünfteregister von Heiligkreuz-

tal aus dieser Zeit nicht erhalten hat, so müssen wir die Antwort schuldig bleiben. Erst das große zweibändige Lager-buch der Gemeinde Langenenslingen von 1724/27 gibt hier-über detailliertere Auskunft. Jetzt erfahren wir, daß der Obermüller Michael Haberbosch noch immer den unverän-derten Güterbestand der eigentlichen Mühlengüter besaß, aber darüber hinaus auch Heiligkreuztaler Lehen und zolleri-sche Herrschaftslehen bewirtschaftete, alles in allem: 22/4 Jauchert Äcker, knapp 4 Mannsmahd Wiesen und 1 Hanfgar-ten, die sich auf 34 Parzellen verteilten und über mehrere Markungen verstreut lagen4. Angesichts der beachtlichen landwirtschaftlichen Fläche (rund 17 ha) darf man fragen, ob das Mühlengewerbe nicht sekundär war. Eine wertende zuverlässige Antwort können wir den verfügbaren Quellen nicht entnehmen. In Erfahrung zu bringen ist, daß die Obere Mühle eine Mahlmühle mit zwei zusätzlichen Triebwerken für eine Säg- und eine Ölmühle gewesen ist, wobei die Ölmühle gerade erst 1726 erbaut worden war5 .

Michael Haberbosch hatte offenbar keinen männlichen Erben, als er starb. Die Obermühle erbte seine Tochter Francisca, die mit Anton Miller verheiratet war. Aus dieser Ehe stammten die Kinder Hans Jörg, Fidelis, Johannes, Elisabeth, Veronica und Eufemia6. Bei der Übernahme der Mühle gaben sie zur Erneuerung des Bestandsvertrages ein Paar Handschuhe oder 1 altes Huhn oder 2 Junghühner, was in der Wahl des Obervogtes stand. Des weiteren waren sie verpflichtet, der Herrschaft einen Hund zu halten, der offen-sichtlich bei der herrschaftlichen Jagd in den Wäldern in und um Langenenslingen Dienste leisten mußte. Neben diesen Belastungen zinsten sie von der Mühle Geld und Mühlen-korn, von den Feldern und Wiesen Naturalabgaben sowie Zehnt.

In der langen Geschichte der Oberen Mühle, die 1303 erstmals im Veringischen Urbar7 erwähnt wird, hat es gewiß manche Veränderungen und Schicksale gegeben, die aber, soweit es sich feststellen läßt, dem Ansehen der Inhaber der Oberen Mühle nicht geschadet haben. Eher ist das Gegenteil der Fall! Die Obermüller zählten zu den angesehensten und wohl auch einflußreichen Langenenslinger Familien, wie wir

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dies an drei Ereignissen und Fakten ablesen dürfen. Das älteste Vorkommnis datiert in das Jahr 1480. Damals stellte sich Hans Obermüller aus Langenenslingen mit anderen Personen in einem Urfehdestreit des Peter Lacher mit dem Ammann des Junkers Werner Schenk von Stauffenberg als Bürge zur Verfügung. Er wird ausdrücklich unter die »ehba-ren« Leute gerechnet und haftet für den Fall des Treuebruchs mit 40 Gulden8. Das zweite Faktum betrifft die Haltung des Gemeindeebers. Jacob Kleiner, der 1602 auf der Obermühle saß, bewirtschaftete unter seinen Ländereien auch die soge-nannte Eberwiese, deren Ohmdertrag bisher alle Obermüller für die Haltung des Gemeindeebers abgabenfrei erhielten. Jacob Kleiner löste nun diese Grundlast 1602 (9. Nov.) mit 123 Gulden ab und damit auch die Eberhaltung. Daraufhin hat der Pfarrer diese Verpflichtung übernommen, wie übri-gens auch 1621 die Zuchtstierhaltung, wofür ihm die Gemeinde die Öhmdung der großen Widdumswiese zubil-ligte9. Schließlich und endlich zeugt auch die Bereitschaft des Müllers Franz Xaver Miller, auf eigene Kosten das erste Elektrizitätswerk (1911) in Langenenslingen zu installieren, von dem guten Ruf der Mühlenbesitzer.

Die Nüber'sehe oder Mittlere Mühle

Unweit des Zusammenflusses von Langwatte und Biber liegt am alten Friedinger Weg bei der Brücke über die Biber die Nuber'sche Mühle. Ihren Namen hat sie nach dem Urgroßva-ter des heutigen Besitzers Meinrad Nuber, der die Mühle um 1880 übernahm. Auch die Bezeichnung Mittlere Mühle ist nicht ursprünglich. Zuerst wird sie mittelbar in einem Urbar des Frauenklosters Heiligkreuztal von ca. 1470 in einer Grundstücksbeschreibung so erwähnt1. 1616 erscheint die Bezeichnung Mittlere Mühle ein letztes Mal2 . Die Mühle wird dann unter den Namen der jeweiligen Mühleninhaber in Zinsregistern und Lagerbüchern geführt. Warum es über-haupt zu der Bezeichnung Mittlere Mühle kam, wo es doch an der Biber mindestens vier Langenenslinger Mühlen gab, läßt sich nur erraten. Vermutlich hängt dies mit der einstigen grundherrschaftlichen Zugehörigkeit zusammen. Denn bis 1568 gab es an der Biber nur drei herrschaftliche Mühlen, die Obere und Untere sowie eben die Mittlere Mühle, die aber nach 1582 mit dem Erwerb der Feldmühle durch Graf Karl I. von Zollern-Sigmaringen keine mittlere Position mehr ein-nahm, so daß sich der Sinn der Benennung verlor. Danach wird sie stets unter wechselnden Namen mit Identifizierungs-bezug zum Urbar von 1568, als Hans Schmid der Heiding die Mühle betrieb, in den Zinsregistern und Lagerbüchern registriert.

Um eine Vorstellung von der Größe der Mühle zu geben, seien wiederum der Grundkataster und das Flurbuch von 1844/48 sowie das Lagerbuch von 1724/27 bemüht. Zuerst die Angaben des Lagerbuches von 1724/27: Die Mühle des Jakob Sauter, der damals die Mittlere Mühle innehatte, besteht lediglich aus einem Gerb- und Mahlgang. Zur Mühle gehört außer dem Mühlengebäude weiter ein Hanfgarten. An Herrschaftslehen bewirtschaftete er 3 Jauchert Ackerland, 1 »Gärtlein« und 1 »Wiesplätzlein«, zudem aus Heiligkreuz-taler Lehen weitere 3 Jauchert Äcker, 1 Vi Mannsmahd Wiese und 1 Hanfgarten3, alles zusammen eine Wirtschaftsfläche von rund 4,5 ha, damit dürfte die Mittlere Mühle eher zu den kleineren Langenenslinger Mühlen gezählt haben. 1844/48 stehen auf der Mühlstatt mit der Parzellen-Nr. 27 ein Wohn-haus mit Mühle, ein Staubhaus mit Wasserstube, ein Mühlen-anbau und ein Abtritt. Zusammen mit dem Hofraum maß die Mühlstatt knapp 7 Ar. Wie der Ortsplan im Maßstab 1:1250 akribisch vermerkt, besaß die Mühle des damaligen Inhabers, Andreas Sauter, vier Triebgänge (2 Mahlgänge, je 1 Gang für eine Ölmühle und für eine Lohmühle)4. Die von Andreas Sauter bewirtschaftete Ackerfläche hatte rund 12 ha. Sein

Vater Gallus Sauter konnte 1819 von den Erträgen der Landwirtschaft 1 Hengst, 3 Stuten mit 1 Fohlen, 5 Kühe, 3Jungrinder und 2 Kälber sowie 4 Schweine halten5.

Berühmt ist die Mittlere Mühle im 16. Jahrhundert geworden, weil auf ihr eine Familie saß, aus der zwei große Söhne Langenenslingens hervorgingen, nämlich der letzte Bischof von Merseburg und Vorsitzende des Wiener Reichshofrates, Michael Heiding (1506-1561 )6 und Hans Schmidt von und zu Heiding (um 1600-1669), Büchsenmacher in Kärnten, der von Kaiser Ferdinand III. 1656 wegen seiner Verdienste um die Belieferung der österreichischen Zeughäuser geadelt wurde7. Die Schmid genannt die Heiding sind 1488 als Inhaber des Langhannsen Müllem-Gut (das ist wohl die Mittlere Mühle) nachweisbar8.

Welches Alter die Nuber'sche Mühle besitzt, kann mit Bestimmtheit nicht angegeben werden, da eine exakte Identi-fizierung mit der im Veringischen Urbar von 1303 genannten Benzen-Mühle oder gar mit der am Zins gemessen größeren Offenburgers Mühle nicht möglich ist. Vielleicht ist dies für die Ermittlung der Altersfrage belanglos, da an der Stelle der Nuber'schen Mühle wohl schon seit dem Hochmittelalter eine Mühle gestanden haben dürfte.

Gegenwärtig erinnert an die einstige Mühle kaum etwas Sichtbares, wenn man von der Straßenbezeichnung Bischof-Helding-Straße und der Überbauung eines Wohnhausanbaus über die Biber absieht. Das äußere Erscheinungsbild wird heute durch mehrere hintereinander geschaltete Fischzucht-becken geprägt, in die ein Teil des Wassers der Biber hin-durchgeleitet wird. Die Nähe zu einer stark schüttenden Kaltwasserquelle (Biberquelle bei 10° C) ist für diesen Speise-forellenzuchtbetrieb eine wichtige standörtliche Vorausset-zung und Bindung.

Die Anlikers-Mühle oder Feldmühle

Etwa 150 Meter ostwärts der Brücke über den Biberbach im Zuge der Straße Langenenslingen - Friedingen liegt die Anlikers-Mühle - oder wie sie nach dem heutigen Besitzer auch genannt wird - die Kuhn'sche Mühle. Von allen Langen-enslinger Mühlen bewahrt sie in ihrem äußeren Erschei-nungsbild noch die meisten Attribute, die auf eine Mühle hindeuten: ein Wasserrad an einer Scheuer, das sich freilich nicht mehr bewegt; ein erhöhter Mühlkanal, wassererfüllt, der direkt auf die alte Wasserstube hinführt und dessen Wasser ein intaktes Wasserrad betreibt, wie man an den deutlich vernehmbaren Geräuschen hören kann, und schließ-lich der tiefer fließende Biberbach, der noch auf der Mühlstatt das Wasser des Mühlgrabens wieder aufnimmt. Vom Ober-dorf aus gesehen liegt die Feldmühle tatsächlich unten auf dem »Feld«, was auf den alten Flurkarten gut zu erkennen ist. Mit dem Dorf verbunden ist die Feldmühle durch die Mühl-

Anliker's Mühle oder Feldmühle mit dem Mühlkanal

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gasse, die bereits 1487 in einer Grundstücksanrainerangabe genannt wird1 .

Sie führt im leicht geschwungenen Bogen hinauf ins Oberdorf zum Schloß und heutigen Rathaus. In östlicher Richtung quert sie die Biber und läuft auf die Untere Mühle zu, die auf diese Weise für Pferdefuhrwerke einen bequemeren Anschluß zum Dorf hatte als über den steilen Abstieg bei der St. Mauritius-Kirche.

Die Bezeichnung Anlikers-Mühle kam zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf, als Johann Georg Anliker die damals Feldmühle genannte Mahlmühle an der Biber übernahm. Unter dem Namen Feldmühle erscheint sie schon bei der ersten urkundlichen Erwähnung im Veringischen Urbar von 13032. Gemessen an der Zinsleistung war sie damals eine der kleineren Langenenslinger Mühlen. Vor 1383 hat sie ein Angehöriger der Familie von Hornstein zum Güterbestand der Burg Schatzberg geschlagen. Sie teilte daraufhin bis 1582 weitgehend die Besitz- und Herrschaftsgeschichte von Schatzberg bzw. Egelfingen; so wird sie bei Pfand- und Schuldbriefstreitereien in der Familie von Hornstein 1409, 1428 und 1445 neben anderen Objekten als Sicherheit einge-setzt3. 1538 gelangt sie durch Kauf an die Schenken von Stauffenberg4.

Über die Größe und den Güterbestand der Feldmühle wird erstmals 1488 Näheres im Urbar der Burg Schatzberg angege-ben. Hanns Gugler als damaliger Feldmüller besaß demnach ein Haus mit Mühle, eine Scheuer, die Hofraite und einen angrenzenden Garten. Er zinste hiervon 7 Pfund Heller, 2 Malter Kernen, 120 Eier, 4 Hühner und 2 Fasnachtshüh-ner5. Bis 1724/27 hat sich der eigentliche Güterbestand der Mühle nicht verändert, jedoch besitzt der Müller Ferdinand Sauter jetzt einen ansehnlichen Bestand an herrschaftlichen und heiligkreuztalischen Lehen, die zusammengerechnet 37'/2 Jauchert Acker und 4'/2 Mannsmahd Wiese ergeben (in heutigen Maßen sind das ca. 18 ha). Ferdinand Sauter hatte 1725 die Feldmühle auch um eine Ölmühle an seiner Scheuer erweitern dürfen6. 1819 zählt der Viehstand 3 Stuten, 1 Wal-lach und 1 Fohlen sowie 3 Kühe, 2 Jungrinder und 1 Kalb. Außerdem hielt man 1 Muttersau und 3 Mastschweine. Der Grundkataster und das Flurbuch von 1844/48 notieren die Feldmühle unter den Parzellen-Nr. 53-55. Die Mahlmühle mit Wohnhaus und Wasserstube maß 250 m2, die Ölmühle 60 m2, alle Wirtschaftsgebäude mit Hofraum fast 10 Ar. Johann Georg Anliker bewirtschaftete außerdem zahlreiche Acker und Wiesen im Umfang von rund 14 ha.

Nach 1880 mußte sich auch der Feldmüller den gewandelten Wirtschaftsbedingungen im Mühlengewerbe anpassen und errichtete 1883 eine über ein Wasserrad angetriebene Dresch-maschine. Die Müllerei wurde 1942 eingestellt. Übriggeblie-ben ist bis heute die Stromerzeugung, die über das eine Wasserrad 3-4 Kilowatt-Stunden für den Eigenbedarf liefert. Um mehr Strom zu gewinnen, müßten indessen größere Investitionen zur Erneuerung des Transformators und der Leitungen vorgenommen werden, was wohl die Finanzkraft des Eigentümers überfordert.

Die Untere oder Ott'sche Mühle

Während die drei bisher beschriebenen Mühlen im Oberdorf von Langenenslingen angesiedelt sind, liegt die Untere Mühle oder - wie sie nach dem Namen des jetzigen Eigentümers auch genannt wird - die Ott'sche Mühle im Unterdorf nordwestlich und unterhalb der alten Pfarrkirche St. Mauri-tius. Sie ist von der langgezogenen Durchgangsstraße über zwei kurze Straßen hinab zu den Brühlwiesen und von der Feldmühle aus über die Mühlgasse zu erreichen.

Die Bezeichnung Untere Mühle wird erstmals im Urbar von 1568 überliefert. Damals besitzt sie Helias Müller genannt der Weber. Sie besteht aus dem Wohnhaus mit Mahlmühle,

Scheuer und Garten und ist gelegen - wie es heißt - »unten im Dorf zwischen der Badstuben und Conlin Harscher Hofraite.« Zur Mühle gehören an liegenden Gütern 2 Jau-chert Acker und 1 Stück »Holz« am Lau. Wie alle anderen Mühlen gibt der Müller Auf- und Abzugsgeld, das in diesem Fall 4'/2 Gulden beträgt. Ferner besitzt Helias Miller das sogenannte Zehnte (herrschaftliche) Lehen mit IVA Jauchert Acker und 5 Mannsmahd Wiese, von den er in den Kasten zu Sigmaringen 3Vi Malter Vesen zinst1.

Das Lagerbuch von 1724/27 notiert außer der Hofstatt mit Mühle keine weiteren grundrechtlich mit ihr verbundenen Güter. Allerdings hat der Müller Matthes Haberbosch Herr-schaftslehen und Heiligkreuztaler Lehen, die sich auf rund 20 Jauchert Acker und 2 Mannsmahd Wiese addieren, also etwa 10 ha. Die Untere Mühle besitzt auch Triebwerke für eine Säge- und Ölmühle sowie für eine Walkmühle, in der Lodentuch und Leder gewalkt, d. h. filzig und weich geklopft wurden2. Um 1750 geht die Untere Mühle im Erbweg an Anna Maria Haberboschin und deren Mann Konrad Sieben-rok über. In den Haushaltsbeschrieben von 1754/67 ist die Familie mit den Kindern Anton, Johannes, Ursula, Johanna und Katharina erwähnt3. Wie andere Müller, so verfügt der Untermüller auch über Pferde. Die Viehstandstabelle von 1819 registriert 1 Hengst, 3 Stuten, 1 Fohlen, 3 Kühe und 1 Jungrind sowie 2 Mastschweine4. Er zählt damit zu den größeren Viehhaltern, die man Roßspänner oder ganze Bau-ern nannte, weil sie in allen drei Öschen jeweils mehr als 6 Jauchert Ackerland bewirtschafteten.

1844/48 sitzt Kaspar Siebenrok auf der Unteren Mühle, die jetzt aus Wohnhaus mit Mühle, einer separaten Scheuer mit Schweinestall und einem Keller besteht, wobei die Fläche der Mühlhofstatt gut 11 Ar mißt. Zur Mühle rechnen Acker und Wiesen im Umfang von ca. 12 ha. Ein schweres Schicksal erlitt der Müller Karl Siebenrock, als er bei dem Gewitter am 6. Juni 1895 vom Blitz getroffen wurde, während dem er versuchte, das angeschwemmte Holz von seiner Mühle zu entfernen um dem Hochwasser der Biber einen freien Abfluß zu verschaffen. Er war kurze Zeit gelähmt und der Sprache beraubt5.

Nach Auskunft unserer Quellen hatte die Untere Mühle von allen Langenenslinger Mühlen die bewegteste Besitzge-schichte. Das Urbar von 1568 berichtet so, daß Graf Karll. von Zollern-Sigmaringen die Untere Mühle als ein verschwie-genes Lehen an sich gezogen habe und daraufhin selbst eine Zeitlang die Mühle in Eigenregie betrieb, bis er sie an Helias Müller genannt Weber verlieh. Gut 100 Jahre später, 1675 (27. August), verkaufte sie Fürst Menrad seinem Oberjäger-meister, dem Junker Johann Carl von Arzt, gültfrei. Kurz darauf, 1681 (20. Dezember), wechselt sie erneut den Besit-zer. Der Junker veräußert sie an Hanns Haberbosch um 800 Gulden für frei, ledig und eigen, d.h. sie ist abgabenfrei und unbelastetes Eigentum des Käufers, was die Sigmaringer Hofkanzlei nicht recht glauben wollte, weshalb sie die Ver-kaufsurkunden einzusehen wünschte. Wir haben damit in der Unteren Mühle ein frühes Beispiel von Grundentlastung und Freikauf von feudalen Rechten, schon zu einer Zeit, als die Grundherrschaften noch überwiegend bestrebt waren, Häu-ser, Äcker und Wiesen fester unter ihre Botmäßigkeit zu zwingen, sie zu refeudalisieren.

Was das Alter der Unteren Mühle angeht, so ist sie unter ihrem späteren Namen im Veringischen Urbar von 1303 nicht erwähnt. Doch dürfte sie mit der Benzen-Mühle oder der Offenburgers Mühle zu identifizieren sein. Die fehlenden Quellen erlauben keine eindeutige Zuordnung, auch nicht über die Zinsabgaben, die 1306 in einem Fall 6 Malter Kernen und 1 Pfund Konstanzer Pfennig, im anderen Fall 2 Malter Kernen und 2 Pfund Konstanzer Pfennig betragen7.

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Die Weihermühle

Nicht an der Biber lag die 1303 erstmals genannte Weiher-mühle. Ihr Standort ist am Holzbach im Flurort Weiher, Weiherwiesen an der Gemarkungsgrenze zu Andelfingen zu suchen. Ihre kurze Geschichte ist schnell erzählt. 1303 gehörte sie zum Urbar der Burg Veringen und zinste 1 Pfund Konstanzer Pfennig und 1 Viertel (= 120) Eier1. Im Habsbur-ger Urbar von 1306 gibt sie den gleichen Zins, aber es wird angemerkt, daß sie zusammen mit der Feldmühle von Graf Eberhart von Landau erkauft sei2. König Friedrich und seine Brüder Leopold und Heinrich von Osterreich verpfänden sie dann 1315 dem Grafen Wolfrat von Veringen zusammen mit anderen Gütern und Rechten in Veringenstadt, Veringendorf und Sigmaringen3. Zwischen 1315 und 1344 muß die Mühle abgegangen sein, da sie in der Verpfändungsurkunde des Grafen Heinrich von Veringen für die Grafen Eberhard und Ulrich von Württemberg nicht mehr erwähnt wird, sondern nur noch der Weiher zu Enslingen, dessen Wert mit 100 Pfund Heller angegeben ist, demnach einen ähnlichen hohen Verkehrswert wie der große Hof des Burkhard von Jungin-gen zu Benzingen hat, der mit 110 Pfund Heller verpfändet ist4. Als Fischteich scheint der Weiher noch im 16. Jahrhun-dert genutzt5 und erst danach trockengelegt worden zu sein. Das herrschaftliche Urbar von 1568 kennt jedenfalls noch keine Wiesen »im Weiher«.

Die Spieß'sche Säge

Sie liegt an der Langwatte im Oberdorf und ist die jüngste der Langenenslinger Mühlen. Errichtet hat sie der Zimmermei-ster Silvester Spieß auf seinem Grundstück im Distrikt Baum-garten 1865, nachdem er schon 6 Jahre zuvor (1859) ein Gesuch um Genehmigung zum Bau einer Sägemühle einge-reicht hatte1. Warum die Baugenehmigung so lange auf sich warten ließ, hing wohl mit den Befürchtungen der Anrainer und der Gemeinde Langenenslingen zusammen, die neuen wasserbaulichen Maßnahmen könnten ihren Grundgütern Schäden zufügen, v.a. sollte klargestellt werden, wer für mögliche Schäden an den Brücken aufkäme. Als die Fragen zufriedenstellend beantwortet worden waren und Sylvester Spieß als Unterpfand seine Wiese im Flurort Baumgarten einsetzte, konnte die Gemeinde ihre Zustimmung zu dem Bauvorhaben nicht mehr verweigern. Die Regierung in Sig-maringen stellte dann am 30. Oktober 1865 die Konzessions-urkunde aus. Wie sich bald darauf zeigen sollte, waren die Befürchtungen der Anrainer nicht ganz unbegründet. 1876 wurden einige Liegenschaften unterhalb der Spieß'schen Sägemühle überflutet, so daß Vinzens Traub dagegen klagte3. Der Eichpfahl mußte neu gesetzt werden, um künftige Beein-trächtigungen zu vermeiden. Zur besseren Ausnutzung der Wasserkraft errichtete der neue Eigentümer Carl Bold einen Fallenstock mit Grundablaß4. Bei dem oben erwähnten Unwetter vom 6. Juni 1895 wurde Schnitt- und Bauholz von der Sägemühle weggerissen, das an der Unteren Mühle

angeschwemmt wurde und dort größere Wasserschäden ver-ursachte5. Da Carl Bold drei Söhne im Ersten Weltkrieg verlor, gab er die Säge Anfang der 1920er Jahre auf.

Anmerkungen Nuber'sche Mühle 1 HStA Stuttgart H 225, n. 172, s. v. Enslingen 2 HStA Stuttgart H 225, n. 176a 3 StA Sig., Dep. 39, Ru 137, n.6, f. 420r 4 Der Ortsplan im Maßstab 1:1250 ist wohl gleichzeitig entstanden

wie die Flurkarte (s. Staatl. Vermess. Amt Biberach, Archiv) 5 StA Sig., Ho 235 I - K Nr. 134 6 Ulrike Kern, Bischof Michael Heiding. Ein großer Sohn Langen-

enslingens, in: BC - Heimatkundliche Blätter f. d. Kreis Biberach 10 (1987), H. 1, S. 18-21; M. Winter, Ein berühmter Langenenslin-ger: Michael Heiding, der letzte Bischof von Merseburg, in: Mitt. d. Vereins f. Geschichte u. Altertumskunde Hohenzollerns 15 (1881/82), S. 1-15

7 Ulrike Kern, Hans Schmidt von und zu Heiding (um 1600-1669). Ein Langenenslinger Büchsenmacher in Kärnten, in: BC - Heimat-kundliche Blätter f.d. Kreis Biberach 8 (1985), H. 2, S.28-30

8 StA Sig., Dep. 38 (Archiv Schenk von Stauffenberg, Wilflingen) n. 74 (Urbar Schatzberg von 1488)

Anmerkungen Anlikers Mühle oder Feldmühle 1 Becker Regesten Stauffenberg n. 43 2 StA Sig. Ho 170, A. 21 (Abschrift 17. Jh.) 3 Becker, Regesten Stauffenberg n. (8), 13, 22 4 Becker, Regesten Stauffenberg n. 88 5 StA Sig., Dep. 38, n. 74 (Rodel der Eigen- und Pfandgüter der Burg

Schatzberg 1488) 6 StA Sig., Dep.39, Ru 137, n.6, f. 425r

Anmerkungen Untere oder Ott'sche Mühle 1 StA Sig., Dep. 39, Ru 137, n.20, f. l l r und 34 r 2 StA Sig., Dep.39, Ru 137, n.6, f. 422r 3 StA Sig., Ho 170, A 34 4 StA Sig., Ho 235 I - K Nr. 134 5 Franz Knaupp, Langenenslingen. ND Riedlingen 1984, S. 95 6 Vgl. die Eintragungen im Lagerbuch von 1724/27 (StA Sig.,

Dep. 39, Ru 137, n. 6, F. 422 7 Maag, Habsburger Urbar I., S. 406

Anmerkungen Weihermühle 1 StA Sig., H 170, A 21 (Abschrift 17. Jh.) 2 Maag, Habsburger Urbar I, S. 408 3 Sebastian Locher, Regesten zur Geschichte d. Grafen von Veringen

(Separatabdruck aus den Mitt. d. Vereins f. Geschichte und Alter-tumskunde Hohenzollern Bde. II-V), Sigmaringen 1872, S. 120

4 Wie A. 3, S. 136 5 Württ. Regesten I, n. 11610, S.455

Anmerkungen Spieß'sche Säge 1 Amtblatt der (königlich) Preußischen Regierung zu Sigmaringen

Jg. 1859, S.222 2 StA Sig., Ho 235 I, Sect. VI, Ru N, Nr. 787 (Akten betr. die

Errichtung von Mühlen im Oberamt Sigmaringen 1852 ff.) 3 StA Sig., Ho 235 I - Sect. VI, Ru N, Nr. 794 (der Akt ist im Krieg

verloren gegangen; es existiert nur noch ein Registraturvermerk, auf dem die Aussage fußt)

4 StA Sig., Ho 235 I - Sect. VI, Ru N, Nr. 787 5 Franz Knaupp, Langenenslingen, ND Riedlingen 1984, S. 58 6 Wie A. 5, S. 49

JOSEF SCHULER

Junginger Dorfgeschichten

D Koannabiehl-Meßmere

Wear kennt en it, wia-r majeschdätisch mittle im Haifeald dinna leit, a Ziel fier Wanderer und Wallfahrer, da Koanna-biehl. Schau feifhundert Johr grüeßt sei Anna-Kirchle es Land naus und ledt zua ma Bsuech ei. Do doba beim Gnadabild dr heiliga Anna selbdritt isch ma em Himmel a bissle näher, und wenns Glöckle leited, no gohts oam leicht

iber d Lippa: »Sankt Anna voll der Gnaden.. .«. Iber hundert Johr lang hand Eremita des klei Heiligtum ghieted, wahrhaf-teg a Auszeichning fier so a Kirchle. Oanne vo iehrena Uffgaba ischs »Beattieita« gsei, mittags em Zwelfe und obeds em Viere. Und des isch fier dia villa Bauersleit, mo rings um da Bearg rum uff da Felder gschaffed hand, a segensreiche

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Eirichting gsei. Do hot dr Baur sei Kapp glupft und d Bäure hot adächteg d Hend gfalted: »Der Engel des Herrn brachte Maria die Botschaft...« Aber gleichzeiteg hand se au gwißt, wia-zeit es isch, Zeit zum Mittag macha, oder Zeit fiern Feierobed. A Sackuhr em Weateg hand seallmol no de Wenegschda ghett. Und ma hot jo no fäscht a Schtund zum Hoalaufa braucht - mit em Vieh no lenger - und dahoam hot no andere Arbed gwated i Haus und Schdall. Mo koanne Oasiedler maih des Kirchle betreut hand, hot ma wella wenigschdens im Sommer ieber uff dean alta Brauch vom Beattieita it vrziechta und d Gmoad hot drum en oagena Koanabiehl-Meßmer eigeschdellt. Dear hot müesa a Gotts-namma all Däg zwoamol dia zwee Killamättr vo Salmadinga rauslaufa und wieder hoa nadierleg.

Und jetz hot d Titelheldin vo deam Gschichtle iehren Uff-dritt: I da zwanzger Johr isch d Wittfrau Kathrina Ott Koannabiehl-Meßmere gsei. I wass it, ob d Salmadinger koan Maa gfunda hand, i wass nu, daß se koan Bessera hette finda kenna fier des Amt, des d Kathrie trotz iehrem Alter mit Leib und Seel ausgfillt hot. Iehra diefer Glauba hot se sicher schtärker motiviert, als dia achzg Mark Johresgehalt. Und dia Voarschtelling, daß duß uff-em Heifeald Leit uff iehra Glökle waated, hot-r ällaweil nuia Uffdrieb gea, au wenn dr Weag lang, dr Bearg schdeil und s Fueßweark müed gsei isch. Am Bearg hot se en Schdeacka benutzt, dea-se aber unna i-da Hecka din wiedr vrschopped hot. »I miiest me jo schimma, wenn ma d Leit sahne, mit 78 Johr lauft man no neit am Schdeacka, zua was hot ma d Füeß?«

Überhaupt, wenn ma beischbielsweis underweags d Kreu-zweag-schdaziona beatted, ka-ma bis nuff viehzehmol grueba. Und im Kirchle din ischs schdill. Wenn do d Kathrie so ganz alloa voar em Gnadabild sitzt und d Päterle vom Nischder dur d Finger gloated, isch es fäschd, als wenn man sich mit dr Nochbers uff em Beekle underhalta dät.

Wenn Bsuecher zum Käppele komma sind, no isch d Meß-mere e iehrem Element gsei. Vola Schdolz hot se da Leita iehra kleis Heiligtum zeiged, hot d Kinder amol läuta lau, hot Red und Antwort gschdana jedem Wunderfitz. A bsunderer Dag isch ällaweil s Anna-Feschd am 26. Juli gsei. Do sind Wallfahrer vo älla Seita zu Käppele komma, und d Müetera hand beatted: »Heilige Mueter Anna, bring meina Mädle Manna - «

Wear amol do doba gschdanda isch und ringsum dea Fleckel-Deppich vo Acker und Wiesa gsea hot, dia Bearg und Wälder, da Zoll er und das Schwarzwald und vielleicht sogar d Alpa im Hindergrund, dear kunt wieder. Und so hot d Kathrie mit dr Zeit ällerhand Bekannte gfunda, dia a deam Weible iehren Schbaß ghett hand. Amol hand-se a bar Tübinger Herra ei-glada, zum Mitfahra im Auta bis Salmadinga.

Se sait haschteg »Noi« und mecht doch so geann »Jo« saga. Se ischd aweng durenand, ischd se doch no nia Auto-gfahra.« Wa däte au d Leit saga, wenn jabbes bassiera dät. Und ieberhaupt, isch des it a Sünd gega ausen Herrgott?« Aber schließleg sieged dr Wunderfitz und de müeda Füeß. Bei deara kuza Fahrt wasst sei it, ob se lacha oder flenna soll, und beim Ausschdeiga seit se treuheazeg: »Mo haune des vrde-aned, lehr Herra? Vergealts Gott, i beatt no a Vaterünser fier ui, lehr weands au braucha kenna.«

A anders mol aber hot se mit em Auto weniger Glück ghett. Wieder amol isch se uff em Hoaweag gsei. Ama schüla Himmel ballend se dunkle Wolka, hinderem Zoller dean duets Weatterloacha. Und wieder amol hadered se mit sich sealber, weil se iehrem Amt nemme so ganz gwaßa isch. Do kunt vo dr nuia Schdroß vo Ringinga hear a Auto, helt voar era danna, daß se vrschrocka zruckschbringt, und dear Herr am Schdeuer, dea wohl des alt Weible daured, ledt se zum Mitfahra ei. Des sieht d Kathrie uff oan Blick, daß Auto und Fahrer reacht nobel sind. Mo geits bei aus en junga Herra, dear am healla Weateg a weiß Hemmed und a Grawatt a-hot ? Des hot se arg vrschreckt, daß se so a feiner Herr mitneamma will. Do ka doch jabbes it schdimma!

Se gucked ängschdleg i dr Gegend rum noo Leita, mo-ner vielleicht z Hilf komma kennted. Und mo dear Herr gar freindleg da Schlag uffdued und se aa-lached, nemmt se iehren ganza Muet zimma und sait: »Nui, i fahr it mit, ma liest wirklig so vill vo Mädchenhändler.«

Mißdraua isch wahrhafteg koa chrischtlege Tugend. Dear Herr fehrt weiter mit seim Korb und ama langa Gsiecht. Und d Kathrie mues laufa und wuud au no nass - und wär doch so geann mit deam nobla Auto gfahra.

Seit zehja Johr schau geit koan Koannabiehl-Meßmer mai. S wär kaum no wamma jabber, mo s Glöckle heira dät. Dia Baura gand anderer Arbed noh und schaffed iehrene Fealder als »Nebenerwerbslandwirte« noh Feirobed und am Wocha-end mit Tranktora und moderne Maschina. Und des älles im Sitza, mit-era moderna Armbanduhr am Haadglenk.

Aber uff da Koannabiehl kommed heit, mo Jeder sei Auto hot, maih Bsuecher als amol. Und d Salmadinger hieted iehra Käppele wia en Augapfel.

S isch neit lang hear, daß i mit ema Freind en Obedschbazier-gang uff da Koannabiehl gmached hau. Vo Weitem schau heira-mer s Glöckle bimmla und finde doba fleißige Weiber-hend da Altor schmücka. I komm mit deara Frau i-s Gesch-bräch, dia - underschdützt vo iehrem Maa - do oba »Feier«-Obed mached. Se vrzehlt mr s ganz Gschiechtle, des i do schreib, denn s isch koa Andre, als a Enkele vo ausera Kathrina Ott.

E. GRUPP

Die Bevölkerung des oberen Killertals im Jahre 1544

Bisher wurden zwar in mehreren Veröffentlichungen demo-graphische Angaben aus den Hagenschen Lagerbüchern von 1544 (Staatsarchiv Sigmaringen) vorgestellt, sie weisen aber alle den Mangel auf, nicht vollständig oder ungenau zu sein. In einer Publikation (Heim 1921, 107 ff.) fehlen bei fast allen Orten jene Leibeigenen, die einer landesfremden Herrschaft zugeordnet sind; eine andere Studie nennt nur die Erwachse-nen (Eisele 1956, 67f.); und die Zählweise Cramers (1873, Beilagen Erste Tafel) bestätigt sich nicht.

Um die Einwohnerzahl des oberen Killertals für 1544 - im Rahmen eines synchronen Einschnitts, vollzogen anhand des genannten Urbars - genau zu ermitteln, bedarf es der Einbe-ziehung aller von Hagen unter den Titeln der Leibeigenen »Zu Husen«, »zu Startzla« und »zu Killern« aufgeführten Personen, gleichgültig ob es sich um Erwachsene oder Kin-der, zollerische oder auswärtige Untertanen bzw. Leute ohne Herrn handelt. Außerdem soll zusätzlich eine Liste der zum angepeilten Zeitpunkt vorkommenden Familiennamen

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erstellt werden. Ein Nachtrag, der nicht zu datieren und ohne Angabe zum Leibeigenenverhältnis ist, findet Aufnahme in die Zählung.

Die sogenannten Ausleute, die nur pro forma mit dem Dorf verbunden waren, jedoch dauerhaft außerhalb der Grafschaft Zollern wohnten, gehen in die Rechnung nicht ein und werden auch namentlich nicht aufgeführt, da für die tatsächli-che Einwohnerzahl nur jene in dem Lagerbuch als Inleute bezeichneten Personen in Frage kommen.

Einwohnerzahlen

a) In Hausen finden wir 35 Haushalte mit insgesamt 173 Personen. Dabei handelt es sich um 27 Familien, von denen 22 vollständig sind, bei 4 sind die Väter verstorben, bei 1 fehlt die Mutter. Eine Familie zieht Kinder aus der früheren Ehe eines Lebenspartners mit auf. 4 Ehepaare haben (noch) keine Kinder. 2 Männer leben allein, sind wahrscheinlich Witwer, kaum aber ledig. Die höchste Kinderzahl liegt bei zehn. Im Durchschnitt kommen auf eine Familie rund 4 Kinder. 31 Männer und 32 Frauen bilden die Gruppe der Erwachsenen, 110 gehören dem Kreis der Kinder oder Jugendlichen an. Die Alterspyramide besitzt also ein breites Fundament.

Was die Leibeigenschaft anlangt, so haben 26 Hausemer, genau 15%, »keinen Herrn«, wie es Hagen negativ formu-liert; 90 Personen, damit 52%, sind zollerisch und 57, das entspricht 33%, gehören einem fremden Haus an. Etwa zu Württemberg, Fürstenberg, zu den Klöstern Zwiefalten und Bebenhausen, zu St. Gertrud von Winterlingen, zu den Her-ren von Littenweiler, Buttenhausen und Grüningen.

b) Bei 15 Haushalten weist Killer 64 Einwohner auf. Sie verteilen sich auf 12 Familien mit 34 Kindern und 3 Paare ohne Kinder. Der Mittelwert der Kinder pro Familie beträgt knapp drei (genau 2,8). Männer und Frauen halten sich mit je 15 Personen die Waage. Nur 7 Einwohner sind ohne Herrn, ein Anteil von 11%. Als dem Zollern leibeigen aufgeführt werden 39 Leute oder 61%. Es verbleiben als fremden Häusern zugehörig 18 Personen, also 28%. Genannt werden Württemberg, Fürstenberg, Lautlingen und Straßberg sowie das Kloster Zwiefalten.

c) In Starzein wohnen 79 Menschen in 19 Haushalten. Die Summe der Familien beträgt 15; 13 davon vollständig, 1 ohne Vater, 1 ohne Mutter, 3 Ehepaare haben keine Kinder, 1 Mann ist alleinstehend. 44 Kinder stehen 35 Erwachsenen gegenüber, die sich in 18 Männer und 17 Frauen verzweigen. Auf eine Familie entfallen im Schnitt ca. 3 Kinder (exakt 2,9). In einer davon leben neun Kinder aus den drei Ehen des Mannes, dem zweimal die Ehefrau wegstarb; zwei weitere Familien haben Kinder aus jeweils doppelter Ehe.

Starzein kennt nur 6 Einwohner ohne Herrn, das entspricht lediglich knapp 8%. Die 55 zollerischen Leute bilden ein übermächtiges Kontingent von 70%. Bleiben noch ^Perso-nen von fremden Häusern, gut 21 %. Es tauchen da Fürsten-berg auf, Württemberg, die Klöster Ochsenhausen und Zwie-falten. Ein Nachtrag ist ohne Bezeichnung einer Leibeigen-schaft, 1 % bleibt somit unbestimmt.

Insgesamt ergibt die Zählung eine Population im oberen Killertal von 316 Personen, von denen 39 ohne Herrn, 92 auswärtig leibeigen und 184 zollerisch waren. 1 Eintrag läßt sich, wie bereits angegeben, nicht klassifizieren. Heute, etwa 4'/2 Jahrhunderte später, beläuft sich die Einwohnerzahl auf 2267, wobei Hausen 1039, Killer 663 und Starzein 565 Personen aufweist (Stadt Burladingen 1990, 70).

Schwierig erscheint es, diese Bestandsaufnahme in einen Zusammenhang mit dem von Kraus (1935, 113 ff.) ausgewer-teten Leibeigenenverzeichnis zu bringen, das ab 1548 läuft und teils bis 1590 fortgeschrieben wurde. Dennoch läßt sich mit aller Vorsicht im Räume oberes Killertal eine verhältnis-

mäßig konstante Bevölkerungszahl für das 16. Jahrhundert behaupten - vielleicht bei einer leichten Tendenz zum Rück-gang, wenn Kraus für das Amt 308 Bewohner zu summieren aufgibt (anläßlich seiner zeitlich nicht genau fixierten und im Hinblick auf ihren Jahrzehnte übergreifenden Status metho-disch unvollständig definierten Zählung).

Liste der Familiennamen

Die Familiennamen wurden, entgegen der Hagenschen Vor-lage, die willkürlich verfährt, alphabetisch geordnet; auf Anzahlbestimmungen der Personenmengen, die einzelnen Namensstämmen zugeordnet sind, verzichtet die Aufstellung.

a) In Hausen werden folgende Familiennamen aufgeführt: App, Bentz, Biegker, Dietz, Dreer, Falkh, Gegkinger, Ger-ling, Goerlin, Haug, Heberlin, Heuber, Kesgret, Keßler, Keyser, Lawer, Mans, Moutz(in), Pfeiffer, Rapp, Rauber, Rhymer, Ruff, Ruoff, Sailer, Schulz, Stockmaier, Stölzlin, Wagner und Weith.

b) Mit Killer verbunden sind diese Namen: Bachmann, Graber, Houchspach, Kern, Lawer, Merchlin, Müller, Schet-terlin, Stoll, Stump, Toecker sowie Wolfer.

c) Unter Starzein sind ausgewiesen: Alber, Bachmann, Cly-mer, Cunatz, Diepolt, Flad, Haga, Kipften, Koch, Lawer, Maier, Pflumer, Rentz, Sander, Schantz, Stoll und Stump.

Vergleich mit anderen Auswertungen

Gegenüber Cramer bringt die obige Zählung 13 Personen mehr für Hausen, 4 für Killer und 3 für Starzein, 20 also im ganzen. Bezogen auf Eisele, und damit beschränkt auf die Erwachsenen, sind die Abweichungen gering: Hausen und Starzein haben bei ihm je 2 Erwachsene weniger, die Zahl von Killer stimmt überein.

Bei einer Aussparung der Einwohner, die einem fremden Haus leibeigen sind, also bei der weiter oben angedeuteten Zählmethode, weicht Heims Ergebnis in Hausen um 10 Personen, in Killer um 2 und in Starzein um 1 Person nach unten ab. Immerhin macht das schon beinahe 9 % des zudem einseitig erfaßten Personenkreises in der Gemeinde Hausen aus, die hierbei unter den Tisch fallen. Gleichzeitig muß bedacht werden, daß die 92 Bewohner des oberen Killertals, deren Leibeigenschaft außerhalb des Territo-riums begründet lag, ohne Einschränkung in die zollerische Grundherrschaft eingebunden waren. Selbst der als »ohne Herrn« bezeichnete Bevölkerungsteil erlitt de facto die gleiche Behandlung wie ein Leibeigener. Bezeichnend dürfte sein, daß sich Hagen gar nicht erst die Mühe nahm, sie aus der Hörigenli-ste herauszulassen und gesondert aufzuführen. Das Attribut frei kann ihnen kaum uneingeschränkt zugeschrieben werden.

Die Leibeigenen mit auswärtigem Hause bei der Zählung wegzulassen, also die wirtschaftlichen und überwiegend auch rechtlichen Unterordnungsverhältnisse, von den sozialen bzw. politischen ganz zu schweigen, auszuklammern, wider-spricht letztlich einigen zentralen Ergebnissen der Heim-schen Untersuchungen und Interpretationen selbst.

Literaturverzeichnis

Cramer,]., 1873: Die Grafschaft Hohenzollern. Stuttgart Eisele, K.-F., 1956: Studien zur Geschichte der Grafschaft Zollern

und ihrer Nachbarn. Stuttgart Heim,]., 1921: Die Landes-, Grund- und Leibherrschaft der Grafen

von Zollern. Diss. Freiburg Kraus, J.A., 1935: Zollerisches Leibeigenenverzeichnis 1548. In:

Hohenzollerische Jahreshefte 2.Jg. Staatsarchiv Sigmaringen: Hagensche Lagerbücher von 1544.

Dep.39 DH NZ 137 Stadt Burladingen, 1990: Verwaltungsbericht

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OTTO HELLSTERN (t )

Geschichte der fürstlich-hohenzollerischen Domäne Glatt-Oberhof (Fortsetzung)

An Gerätschaften waren vorhanden:

2 Pflüge, 2 alte Eggen, 1 Aufgerichteter Wagen, 1 Paar Jochriemen, 1 Spannseil, 3 Hauen, 2 Mistgabeln, 1 Misthacke und 1 Pickel.

Gemessen an der Größe des Hofes war das auch für die damalige Zeit eine dürftige Ausstattung.

Der Landseeische Schäfer Andreas Weber mit Ehefrau Anna Maria Erlacherin und Kindern wurde mit der gesamten Schafhaltung von den Muri übernommen. Allerdings mußte festgestellt werden, daß außer den herrschaftlichen Schafen noch 25 Fremdschafe bei der Herde waren. Davon gehörten 2 dem Schultheißen Gabriel Gering, 2 dem Taglöhner Hummel, 6 dem Bauern Leix, 11 dem Schäfer selbst, dazu noch 4 Ziegen. Dem Schäfer Weber wurde ab sofort verboten, Fremd-schafe in der herrschaftlichen Herde zu halten. Bei Nichteinhaltung dieser Anordnung mußte er mit einer Strafe und der Dienstentlassung rechnen. Er selbst durfte für sich 3 oder 4 Stück, und das nur im Sommer, in der Herde mitlaufen lassen, Ziegen wurden in der Schafherde nicht geduldet. Für seine Arbeit sollte der Schäfer jährlich 18 Gulden Lohn erhalten, Wäsche- und Schererlohn nicht inbe-griffen.

(FAS, Bestand Blatt, Rubrik 72-4, Amtsrechnung, Huldigungsniederschrift 1706.)

1707 Am 9. September heirate Catharina Bockh, älteste Tochter des Hofmayers, den Matthias Hinderhauser von Dettingen. Die jungen Eheleute arbeiteten mit auf dem Hof. (Familien-Chronik Glatt.)

1709 Am 21. Februar Firmung in Glatt durch Generalvi-caicc Ferdinando Conrado Geist von Konstanz. In der Firmenliste, die von Pfarrer Michael Preiß aufgestellt wurde, sind folgende Kinder des »Georg Bockh Oberhofmayer et der Maria Hochenneggerin« aufgeführt: Johannes, Michael, Andreas, Petronilla und Anna. Die verheiratete Tochter Catharina und der älteste Sohn des Hofmaiers sind schon früher auswärts ge-firmt worden. (Kirchenbuch Pfarramt Glatt.)

1710 »Georg Bockh »Hof- oder Baumayer« erhielt seinen Jahreslohn 50 Gulden. (FAS, Bestand Glatt, Amtsrechnung 1709/10.)

1714 Am 5. Juni verstarb Georg Bockh »villicus auf dem Hof«. (Familien-Chronik Glatt.)

Der Nachfolger auf dem herrschaftlichen »Berghof« war Johannes EISELIN.

1725 Am 5. Juni kam Berghofmaierin Maria Kuon, Gattin des Maiers, ins Wochenbett. Kurz nach der Geburt verstarben Mutter und Kind. Das Neugeborene erhielt durch die Hebamme noch die Nottaufe mit dem Namen Maria.

Die Beurkundung des Sterbefalles lautet: »Maria Kuonin fidelis villica nra Supperior dum filiam peperit facta est filia Mortis SS: omnibus promunita«.

Der verwitwete Johannes Eiselin stammte von aus-

wärts. Nach dem tragischen Familienschicksal scheint der »Mayer auf der Höhe« wieder abgezogen zu sein. (Tauf- und Sterbebuch Pfarramt Glatt.)

1728 2. Januar: Der neue Maier auf der Höhe hieß Georg Schlotter. Er war mit Maria Kauppin verheiratet. Im Hof auf dem Berg sind in der Ehe der Hofmaiers von 1728 bis 1731 die Kinder Catharina, Anna Maria und Michael geboren. Im Taufbuch wird Georgius Schlot-ter als Vater mit »villicus superior« bezeichnet. (Taufbuch Pfarramt Glatt.) Auch Schlotter kam von auswärts. Es scheint, daß er mit seiner Familie 1731 wieder abgezogen ist.

1731 Etwa zu dieser Zeit begann die Umbrecht'ische »Mai-er-Epoche« auf dem Glatter Hof. Im Gegensatz zum herrschaftlichen Unterhof »Schloßhof) in Glatt wurde der Herrschaftshof auf dem Berg jetzt »der Oberhof« oder auch »der Glatter-hof« genannt. Diese Hofbezeichnungen sind bis heute erhalten geblieben.

Die Familie Umbrecht kam aus Ahldorf b. Horb und war bereits 1724/25 in Glatt der Herrschaft Muri Untertan. Am 15. und 16. Mai 1725 war in der Pfarrei Glatt Firmung. Johannes, Andreas, Antonius und Maria, Kinder des Johannes Umbrecht, waren unter den Firmlingen. (Kirchenbuch Pfarramt Glatt.)

Spätestens 1732 dürfte Johannes Umbrecht, Senior, mit seinen Söhnen als neuer Murischer Maier den Oberhof bezogen haben.

Am 5. Februar heiratete der 25jährige Johannes Um-brecht, Junior, Sohn des Johannes Umbrecht, Senior, die 24jährige Bauerstochter Maria Magdalena Leix von Glatt. In der Ehe sind 4 Kinder geboren. (Familien-Chronik Glatt.)

1732 Herrschaftlicher Schäfer auf dem Oberhof war zu der Zeit Michael Säer von Stetten b. Haigerloch mit seiner Familie. (Familien-Chronik Glatt.)

Am 12. November heiratete der 2. Sohn vom Oberhof, Andreas Umbrecht, die Nymphe Kienin von Bins-dorf. Im Heiratsbuch steht der Vermerk »gravidä« (= schwanger). In der Ehe wurden 2 Söhne geboren, die nicht beim Pfarramt Glatt beurkundet sind. Demnach war das junge Ehepaar 10 bis 12 Jahre außerhalb Glatt wohnhaft gewesen. (Familien-Chronik Glatt.)

Am 17. November heiratete die Oberhof-Tochter Ma-ria Umbrecht den Leinenweber Joseph Leix von Glatt, einen Schwager ihres Bruders Johannes. (Familien-Chronik Glatt.)

1735 Am 8. Oktober verstarb die »villica« (= Maierin) Maria Magdalena Leix, des Hofmaiers Juniors Gattin. Schon am 10. November des gleichen Jahres heiratete der junge Witwer vom Oberhof, Johannes Umbrecht, in 2. Ehe die Jungfrau Franziska Schmidin von Ahldorf. In der Ehe sind 5 Kinder geboren. (Familien-Chronik Glatt.)

(Fortsetzung f o l g t )

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HERBERT RÄDLE

Eine Glashütte in Leibertingen, gegründet 1574

Die Glasherstellung war im 16. und 17. Jh. ein aufblühender Handwerkszweig. Mit dem steigenden Wohlstand des städti-schen Bürgertums und infolgedessen steigender Bautätigkeit erhöhte sich nicht nur der Bedarf an Fensterglas. In Haushal-tungen und Wirtshäusern wurde es immer mehr üblich, irdene Gefäße durch solche aus Glas zu ersetzen. Glashütten lagen in der Regel stadtfern in waldreichen Gebieten. Der Bedarf einer Glashütte an Brennholz für die Herstellung von Pottasche und die Beheizung der Ofen war beträchtlich. Rechtliche Voraussetzung für die Gründung einer Glashütte war ein entsprechender Lehnsbrief des Grundherrn. Wie ein Protokoll aus dem Fürstenbergischen Archiv Donaueschin-gen erkennen läßt1, bestand auf Seiten des Grundherrn durchaus die Bereitschaft, solche Briefe auszustellen, stand doch die Tätigkeit einer Glashütte auch im Interesse des Grundherrn.

In dem genannten fürstenbergischen Protokoll wird es als »allerratsamst« angesehen, eine Glashütte zu bauen, weil dadurch erstens »die Wälder eröffnet werden«. Offenbar war es günstig für die Jagd, wenn innerhalb des dichten Hoch-walds, der damals für unsere Gegend noch kennzeichnend war, Breschen als Äsungsplätze für das Wild geschlagen wurden. An zweiter Stelle steht das Argument, »es könnte gleichzeitig gesehen werden, ob es Heu- oder Ackerfeld gäbe« (die Bauern zahlten ja schließlich Steuern und Abga-ben!). Am wichtigsten ist aber wohl das dritte und letzte Argument, das in der Überlegung besteht, daß »der Herr-schaft keine Kosten draufgehen, tragen sogar ziemlichen ein«. Die Herrschaft verspricht sich also von einer Glashütte konkreten finanziellen Gewinn.

Es ist in der Tat so, daß der Grundherr zwar für wirtschaftli-chen und sonstigen Schutz der Gründungen sorgt, daß er dafür aber auch eine Art Vorkaufsrecht an der Ware genießt und außerdem Pacht erhält.

In Leibertingen (fiahe Meßkirch) wurde mit einem Lehns-brief des Grafen Wilhelm von Zimmern im Jahr 1574 eine Glashütte errichtet4. Die Gründung, von der man nicht weiß, wie lange sie bestanden hat, dürfte in Zusammenhang zu sehen sein mit dem Bau des Meßkircher Schlosses, für das große Mengen Fenster- und Spiegelglas gebraucht wurden und das seit 1567 nach rund zehnjähriger Bauzeit im Rohbau stand (Abschluß des Innenausbaus 1594). Ob in Leibertingen außer Fensterglas auch Glasgefäße hergestellt wurden, ent-zieht sich unserer Kenntnis, da Ausgrabungen bisher m.W. nicht gemacht wurden. Aber die Frage darf wohl ohne weiteres bejaht werden. Denn in der Regel wurde im süddeut-schen Raum in den Glashütten jener Zeit außer Fensterglas, das stets den Hauptanteil ausmachte, auch Glas zum »gemei-nen Gebrauch« hergestellt. In einer Warenliste von Haus-halts- und Wirtshausgläsern, die Karl Greiner veröffentlicht hat2, sind als Typen genannt: »Phiolen, Tokaier, hohe Lant-zer, Spitzkelch, mäßige, halbmäßige und Schoppengläser, Tischgläslein (= Vasen) und Wassergläser, Destilliergläser und Apothekerware«.

In den Verträgen (auch Bestandsbriefe genannt), die die Grundherren mit dem jeweiligen Hüttenmeister abschlossen, waren in der Regel folgende Punkte festgelegt: 1. der Umfang des zur Verfügung gestellten Waldbezirks, 2. Befreiung der Mitarbeiter von Fronen, 3. Verbot der Hundehaltung (die Jagd war dem Grundherrn vorbehalten), 4. Höhe der Pacht (in Geld und Naturalien, immer zahlbar am Martinstag). Sozialgeschichtlich ist darauf hinzuweisen, daß eine Glas-hütte Arbeit und Brot für eine große Zahl von Dorfbewoh-

nern schuf, die dort als Holzhauer, Scheithauer, Scheitdörrer, Aschenbrenner, Pottaschensieder, Kistenmacher, Steinklau-ber - alle diese Spezialberufe sind namentlich überliefert -beschäftigt waren. Den Transport der Gläser vertraute man übrigens Glasträgern an, die teilweise in Gesellschaften orga-nisiert waren und die Glaswaren in alle Himmelsrichtungen austrugen. Das zerbrechliche Gut auf Wagen zu befördern, war offenbar zu riskant. Die Wege waren zu jener Zeit in Deutschland so schlecht, daß Fuhrleute nicht selten »um-schmissen«3.

Anmerkungen 1 Vgl. Josef L. Wohleb, Aus der Geschichte der Fürstenbergischen

Glashütten, Allensbach 1949 (= Veröff. aus dem Fürstlich Fürsten-bergischen Archiv, Heft 10) S. 39.

2 Vgl. K. Greiner, Die Glashütten in Württemberg, Wiesbaden 1971, S. 46.

3 So konnte Melanchthon auf dem Regensburger Reichstag von 1541 mehrere Wochen lang wegen eines gebrochenen Armes nicht schreiben. Die Kutsche, in der er angereist war, war umgefallen.

4 Leibertingen wird von Wohleb deshalb mit den fürstenbergischen Glashütten behandelt, weil das Dorf 1627 mit dem Besitz der Zimmern im Erbgang an die Fürstenberger kam.

Buchbesprechungen

Das war Hohenzollern. Ein neues, kleines Buch von Walther Frick, ein Lesebuch über Hohenzollern. Dieses Hohenzollern war ein merkwür-diges Ländchen, es ist fast schon in Vergessenheit geraten. Juristisch starb Hohenzollern zwar erst mit der Kreisreform 1972, aber das Ende war schon beim Untergang von Preußen vorherzusehen. Irgendwie war das Ländchen noch ein Über-bleibsel des alten Reiches; man denke nur an die vielen Exklaven und die eigenartige Form. Frick vergleicht sie mit einem überzwerchen Socken. Sogar ein Loch hatte der Sok-ken, die württembergische Enklave Mägerkingen, Hausen und Bronnen.

Die Hohenzollern hatten bis 1945 eine völlig andere Geschichte, als ihre badischen und württembergischen Nach-barn. Dem Hohenzollerischen Geschichtsverein kommt des-halb heute eine besondere Bedeutung zu. Es wird nicht nur die Erinnerung wachgehalten, sondern auch die Vergangen-heit weiter erforscht.

Wer schon mehr von Frick gelesen hat, weiß, daß er über einen schier unerschöpflichen Vorrat von Geschichten ver-fügt. Obwohl das Büchlein voller historischer Daten steckt, wird die hohenzollerische Vergangenheit keineswegs chro-nologisch geschildert. Vielmehr wird davon erzählt, wenn es gerade zu der Geschichte paßt. Eine Geschichte spielt in der grauen Vorzeit, die andere in der Gegenwart, dabei wird noch von diesem und jenen nebenbei berichtet. Kuriositäten aufzu-spüren macht Frick besondere Freude. Das Dorf Burgau bei Riedlingen war ein Kondominion von Württemberg und Preußen. Im Krieg von 1866 gehörte es zu beiden Kriegspar-teien.

Die hohenzollerischen Schulkinder mußten früher die Namen der Exklaven auswendig lernen. Sie hatten auch völlig andere Schulbücher, als die Kinder im nächsten »ausländischen« Dorf, übrigens keine preußischen, sondern hohenzollerische Bücher.

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Verlag: Hohenzollerischer Geschichtsverein Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen

M 3828 F

Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt.

Es macht Spaß, all die Sagen von Geisterroß, vom steinernen Brotlaib, dem höllischen Schuß, dem Schimmel von Beuron und manch andere wieder einmal zu lesen. Wo findet man sie heute noch? Nicht nur von Sagen, auch von bedeutenden Frauen und Männern aus Hohenzollern wird berichtet. Tat-sächlich verdanken die beiden hohenzollerischen Fürstentü-mer ihr Überleben zwei Frauen, der Fürstin Amalie Zephirine, geborene von Salm Kyrburg, und der Marquise Josephine de Beauharnais, der ersten Frau von Napoleon.

Nicht fehlen dürfen im Ländle natürlich die Grafen- und Fürstenhäuser, die uralten Grafen von Zollern, die Branden-burger, die Bayreuther, die Haigerlocher und nicht zuletzt die Sigmaringer. Der Zweite Weltkrieg hat ja sogar den Alten Fritz und seinen Vater, den Soldatenkönig, auf die Stamm-burg zurückgebracht; jetzt ist er wieder in Potsdam. Neun-undneunzig Burgen und mehr als hundert Gotteshäuser, wovon soll man noch berichten? Das Buch macht den »alten Hohenzollern« große Freude, den »Zugezogenen« ist es als Lektüre dringend zu empfehlen und es ist ein, fast immer passendes Geschenk. B.

Walther Frick, Das war Hohenzollern, 84 Seiten mit zahlrei-chen Schwarz-Weiß-Abbildungen, Geiger Verlag Horb. DM 29,80.

Am schönsten Ende vom Ländle. »Mit sehr persönlichen Bildern und Texten wollen wir unsere Zollernalb darstellen, wie wir sie sehen und erleben.« Das Buch zeigt die Fülle der Naturschönheiten, das Leben der Menschen und die kulturelle Vielfalt des Zollernalb-Kreises. Die Texte stammen von Manfred Mai, die Bilder von Norbert Schütz. Manfred Mai und Norbert Schütz, Unsere Zollernalb - Am schönsten Ende vom Ländle. 96 Seiten, 132 Farbabbil-dungen, DM 49,80, Silberburg-Verlag Stuttgart. B.

Die Schwaben und ihr Herrgott. Ein Strauß von Geschichten, Gedichten und Bildern für Gläubige und Ungläubige. Gepflückt und zusammengebun-den von Ulrich Göhl. 48 Seiten mit vielen Farbfotos. Silber-burg-Verlag Stuttgart. DM 19,80.

Die Schwaben und ihre Liebe. Geschichten, Gedichte und Bilder für alle, die sich mögen. Zusammengestellt von Ulrich Göhl. 48 Seiten mit vielen Farbbildern. Silberburg-Verlag Stuttgart. DM 19,80.

Denkwürdiges aus Baden, Württemberg und Hohenzollern, berichtet Gunter Haug in seinen Landesgeschichten.

Es ist erfreulich, daß jemand aus der jüngeren Generation sich erinnert, daß Baden-Württemberg nicht nur aus zwei, son-dern aus drei Ländern zusammengewachsen ist. Im Vorwort schreibt der Verfasser Beherzigenswertes über den Umgang mit Geschichte und beginnt dann mit Achberg, dem preußi-schen Schloß fast am Bodensee. Er zeigt sich als ausgezeich-neter Kenner der Landesgeschichte und speziell der hohen-zollerischen. Schon beim Buchstaben B erscheint wieder Hohenzollern mit Beuron, »Forschung hinter Klostermau-ern«. Auf dem alten Friedhof in Freiburg stand ich oft als Kind mit etwas Schaudern vor dem Schädel, der von einem Nagel durchbohrt ist. Diese Geschichte und noch mehr, zum Beispiel vom Kaspar Hauser ist hier zu lesen. Das Grabmal der schönen Caroline Christine Walter mit dem ständig frischen Blumenstrauß ist sogar abgebildet.

Es fehlen auch nicht die Sigmaringer Zwillinge Fabian und Sebastian Knoll. Sie wären vielleicht längst vergessen, würden nicht die Grabtäfelchen in der Friedhofsmauer immer neue Generationen an sie erinnern. Manche der 30 Geschichten kennt man, manche sind einem neu. Wer wußte schon, daß das Kerbholz in Vellberg bei Schwäbisch Hall erfunden wurde ?

Es erscheinen heute mehr unnötige Bücher als nötige Bücher; dies ist eines, an dem man Freude und Gewinn hat. Es ist nicht nur eine unterhaltende Lektüre, man bekommt nebenbei noch eine gute Portion Landesgeschichte mit.

Gunter Haug, Landesgeschichten, Denkwürdiges aus Baden, Württemberg und Hohenzollern. Mit Zeichnungen von Mar-git Vischer-King. 169 Seiten DM 29,80, erschienen im Silber-burg-Verlag Stuttgart. B.

HOHENZOLLERISCHE HEIMAT hrsggbn. vom Hohenz. Geschichtsverein. ISSN 0018-3253 Erscheint vierteljährlich.

Die Zeitschrift »Hohenzollerische Heimat« ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will besonders die Bevölkerung in Hohenzollern und der angrenzenden Landesteile mit der Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie bringt neben fachhistorischen auch populär gehaltene Beiträge.

Bezugspreis: 8.00 DM jährlich.

Konto der »Hohenzollerischen Heimat«: 803843 Hohenz. Landesbank Sigmaringen (BLZ 653 51050).

Die Autoren dieser Nummer:

Dr. Otto H. Becker Hedinger Straße 17 7480 Sigmaringen

E. Grupp Panoramastraße 70 7453 Burladingen 1

Walter Kempe Silcherstraße 11 7965 Ostrach

Prof. Dr. Rainer Loose Staatsarchiv Sigmaringen, Kurze Straße 6 7400 Tübingen

Dr. Herbert Rädle Veit-Jung-Straße 13a 8430 Neumarkt

Josef Schüler Killertalstraße 51 7455 Jungingen

Druck: M. Liehners Hofbuchdruckerei GmbH & Co., 7480 Sigmaringen, Karlstraße 10.

Schriftleitung: Dr. med. Herbert Burkarth, 7487 Gammertingen Telefon 07574/4211

Die mit Namen versehenen Artikel geben die persönliche Meinung der Verfasser wieder; diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge verantwortlich. Mitteilungen der Schriftlei-tung sind als solche gekennzeichnet. Manuskripte und Besprechungsexemplare werden an die Adresse des Schriftleiters er-beten. Wir bitten unsere Leser, die »Hohenzolleri-sche Heimat« weiter zu empfehlen.

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M 3828 F H O H E N Z O L L E R I S C H E

HEIMÄT Herausgegeben vom

Hohenzollerischen Geschichtsverein

41.Jahrgang Nr. 3/September 1991

Hohenzollerische Infanterie. Der Offizier in der Mitte trägt einen Mantel mit Epauletten und den Tschako mit weißem Roßhaarschweif. Der Feldwebel links ist an den Armeistreifen zu erkennen. Er und der Gemeine rechts tragen Mützen. Das Gewehr ist ein Vorderlader mit Zündschloß.

Das Hohenzollern'sche Militär zur Zeit bis zu seiner Auflösung im Jahre 1849

Am 2. Dezember 1912 hielt Rechnungsrat Jakob Dorn im sogenannten »Schwarzen Stüble«1 in Sigmaringen einen Vor-trag, der zum Glück, möchte man sagen, bei M. Liehner's Hofbuchdruckerei als Sonderdruck erschien. Es handelt sich zweifellos um die wichtigste Quelle zur Geschichte des Militärs im Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen, denn Dorn war im Jahre 1912 wohl einer der letzten, welcher noch beim fürstlichen Militär gedient hatte. Als Berufssoldat, er wurde später in den preußischen Militärdienst übernommen,

der Napoleonischen Kriege

war er sehr sachkundig. Allem Anschein nach hat er auch im Archiv nach der Geschichte des fürstlichen Militärs geforscht. 1912, als Dorn seinen Vortrag hielt, muß er schon über 80 Jahre alt gewesen sein. Im ersten Teil seines Vortrages berichtet er über die Geschichte des hohenzollerischen Bataillons2 bis zum Früh-jahr 1849. Von diesem Zeitpunkt an erzählt er dann seine eigenen Erlebnisse als hohenzollerischer Soldat und somit als Zeitzeuge.

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A. Die napoleonischen Kriege

»Das ehemalige Hohenzollern'sche Bataillon.

Um darüber ein Bild zu geben, ist es notwendig, daß ich auf frühere Zeiten, nicht wo die Werbetrommel herumging3, aber doch mehr denn 100 Jahre zurückgehe. Damals gab es wohl Offiziere, Unteroffiziere (Korporale) und Mannschaf-ten aus Hohenzollern, aber es gab noch keinen hohenzollern-schen, für sich abgeschlossenen Truppenteil. Die hohenzol-lernschen Soldaten wurden einfach den großen Truppenteilen anderer Länder eingereiht.

Es gab damals auch noch keine Rekruten - Aushebung, wie wir es jetzt zu sehen und zu hören gewohnt sind. Damals wurden die Gemeinden einfach angewiesen, so und soviel zum Militärdienst taugliche Leute zu stellen.

1806-09. Die erste Vorschrift über die Rekruten-Aushebung in Hohenzollern-Sigmaringen ist datiert vom 3. Oktober 1806 und wurde öffentlich bekannt gemacht am 26. März 1809. Hiernach war jeder Untertan verbunden, im Erforde-rungsfalle Militärdienst zu leisten, und zwar vom zurückge-legten 17. bis 40. Lebensjahre. Die Dauer der Dienstzeit war auf 6 Jahre bestimmt, später auf 6 Jahre und 9 Monat.

Von der Aushebung waren befreit: die Personen des Adeli-gen- und Ritterstandes, die Geistlichen, die öffentlichen Beamten, auch diejenigen der Gemeinden, die Studierenden, die Schullehrer, diejenigen, die ein steuerbares Vermögen besitzen, die einzigen Söhne der Witwen und derjenigen Eltern, welche ein steuerbares Vermögen besitzen, die in fürstlichen Diensten stehenden Bedienten, ferner die Verhei-rateten ohne Unterschied.

Hingegen sind vor allen anderen dem Militärdienste vorzu-merken:

1. Die Fornikanten4; 2. die Verschwender, Spieler, Säufer und Nachtschwärmer; 3. die Feld- und Gartendiebe; 4. die Jagdfrevler und Wilddiebe; 5. diejenigen, welche sich gegen die Obrigkeit auflehnen.

Ein zum Militärdienst bestimmter Rekrut konnte sich einen Stellvertreter kaufen. Der Stellvertreter bekam aber nur ein Drittel der Kaufsumme in die Hand, die zwei Drittel wurden für ihn verzinslich angelegt.

Die Kaserne für das Militär war damals schon in Gorheim, jedoch nur vorübergehend zur kurzen Ausbildung der Rekruten. Diese kamen dann infolge der Kriegszeiten in Trupps von 40-50 Mann zu einem Regiment nach Wiesbaden oder nach Biberich bei Mainz, und zwar zum 1. und 2. leichten nassauischen Regiment und zu den reitenden Jägern. Auf dem Marsche dahin sind aber regelmäßig mehrere Rekru-ten desertiert. Andere, namentlich ältere Leute und Unterof-fiziere wurden ihres guten Verhaltens wegen belobt und ausgezeichnet.«

Erstes Gefecht

»Im Jahre 1809 hat ein anderer Teil der hohenzoll. Infanterie Kantonierungs-Quartier in Oberösterreich bezogen, die der Kavallerie zugeteilten aber und der Rest der Infanterie haben den Marsch nach Spanien angetreten und standen deshalb in französischen Diensten. Der Marsch nach Österreich ging über Passau, woselbst ein Gefecht stattfand5, bei welchem die Mannschaft viel Mut gezeigt hat und ziemlich Beute erfoch-ten hat. Von Passau ging es weiter nach Wien, um daselbst Garnisonsdienst zu leisten.

1810. In dieser Zeit haben auch in Hohenzollern viele Trup-pendurchmärsche stattgefunden, weshalb den Quartierge-bern folgende Vergütungen zugesprochen wurden: für 1 Offizier l f l 30 kr.6; für 1 Unteroffizier 45 kr.; für 1 Gemeinen 30 kr.; für 1 Ration Haber 15 kr.; für 1 Ration Heu

10 Pfund 8 kr., für 1 Ration Heu 15 Pfund 12 kr.; für 1 Wagen, die Stunde 30 kr.; für 1 Reitpferd, die Stunde 15 kr.; für 1 Botengang, die Stunde 8 kr. Der Rückweg wurde nicht berechnet. Diese Kosten wurden auf das ganze Land umge-legt und mit den Steuern eingezogen 7.

Die nach Spanien bestimmten Truppen sind von ihren Garni-sons-Orten Wiesbaden und Bibrich über Mannheim, Straß-burg, Colmar, Besançon, Lyon und Perpignan marschiert und im Lager von Garona in Katalonien bei dem 17. französi-schen Armeekorps, nach langem, beschwerlichem Marsche angelangt.

1811. Von da ging der Marsch nach Barcelona, wobei mehrere ernste Gefechte stattfanden, bei denen sich das hohenzolleri-sche und das nassauische Kontingent rühmlichst auszeich-nete, von dem französischen General belobt und mehrere Auszeichnungen verteilt wurden. Sechs Mann aus Hohenzol-lern haben bei diesen Gefechten den Tod erlitten. Von Geldsendungen an die Soldaten in Spanien wurde abgeraten, der Unsicherheit wegen. Mir war noch ein Mann hier persön-lich bekannt, der als Dragoner den Feldzug in Spanien mitgemacht hatte. Man nannte ihn auch nach seiner Rückkehr nur den Dragoner. Auch dessen Familie nannte man die des Dragoners (Rebsam). Das Geschlecht lebt heute noch hier. Inzwischen kam der französisch-russische Krieg (1812) zum Ausbruch. Für desertierte Mannschaften mußten neue gestellt werden.

1812. Die Kaufgelder eines Rekruten stiegen bis auf 600 fl., wurden aber von der Regierung hier später auf 120 fl. herun-tergesetzt. An sonstigen Geschenken durfte er nur bis zu 15 fl. annehmen. Jeder Rekrut mußte mitbringen, und zwar als sogenannte kleine Montierungsstücke: 1 seidenes Hals-tuch, 1 leinene Jacke, 2 Hemden, 2 Paar leinene Hosen, 1 Paar Schuhe, sämtliche Gegenstände auf Kosten der Gemeinde. Für die glorreichen Siege der Franzosen gegen die Russen wurde ein Sieges- und Dankfest gehalten; aber neue Rekruten werden wieder verlangt und gestellt.

Alle hohenzoll. Deserteure erhalten straflosen Pardon, wenn sie innerhalb 6 Monaten hierher zurückkehren.

Inzwischen trafen auch wieder rühmliche Nachrichten von dem hohenzoll.-nassauischen Kontingent aus Spanien hier ein.

1813. Laut Nachrichten hatten inzwischen die Franzosen mit ihren Verbündeten, wozu auch Hohenzollern, als Mitglied des Rheinbundes, gehörte, die russische Hauptstadt Moskau in Besitz genommen. Aber bald mußten die Franzosen infolge des Brandes von Moskau diese Stadt wieder verlassen und wurden durch Kälte, Hunger und allerlei Not gezwun-gen, sich aus Rußland wieder zurückzuziehen.

Nachher hatte die große Schlacht bei Leipzig stattgefunden und wurde in Hohenzollern eine neue Rekruten-Aushebung angeordnet und den zurückkehrenden Deserteuren gänzliche Straflosigkeit zugesichert.«

Frontwechsel

»Am 4. Dezember 1813, also nach der großen Schlacht bei Leipzig, ist der Fürst von Hohenzollern-Sigmaringen nach Frankfurt a.M. gereist, in das daselbst befindliche große Hauptquartier der verbündeten Monarchen. Neue Vorberei-tungen für Einquartierung von Truppen und für Naturalliefe-rungen mußten getroffen werden. Der Fürst von Hohenzol-lern-Sigmaringen ist dem am 2. Dezember 1813 abgeschlosse-nen Vertrage zu Frankfurt a.M. beigetreten und hat den vormaligen Verhältnissen des Rheinbundes mit Napoleon sich gänzlich entsagt und sich verpflichtet, für die gemein-same Sache der verbündeten deutschen Fürsten nach Kräften mitzuwirken, wogegen dem Fürsten seine volle Landeshoheit und sämtliche dem fürstlichen Hause gehörige Besitzungen

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von den verbündeten großen Monarchen garantiert wurde. Das fürstlich sigmaringische Militär wurde hierauf neu orga-nisiert. Außer der Linie8 mit 193 Köpfen soll auch die Landeswehr mit 193 Köpfen bis Ende dieses Monats (Dezem-ber 1813) marschbereit sein. Uber die Errichtung des Land-sturms werde später das Erforderliche angeordnet werden. Auch wurde das Verhältnis zu den nassauischen Truppen gelöst und das hohenzollerische Militär dem badischen Armeekorps zugeteilt.

1814. Von dem badischen Major von Holzing wird ein freiwilliges Jägerregiment errichtet und zum Eintritt dazu in Hohenzollern aufgefordert. Wer ein brauchbares französi-sches Infanteriegewehr, Patronentasche und sonstiges Leder-werk hat und es abliefert, erhält dafür 8fl. ausgezahlt.

Am 12. Januar 1814 ist das hohenzoll. Militär 193 Köpfe stark von seinem Sammelpunkte Vöhringen9 über Hechingen, Herrenberg nach Pforzheim, dem derzeitigen Depot, abmar-schiert. Die bereitgehaltene Landwehr soll einigemal in der Woche versammelt und eingeübt werden.

Unter dem 14. Januar 1814 wurde auch die Errichtung des Landsturmes angeordnet. Er soll bestehen aus der ledigen Mannschaft von 18 bis 60 Jahren und aus den Verheirateten von 20 bis 50 Jahren. Die Verpflichtung dazu ist allgemein mit Ausnahme der Geistlichen und Staatsbeamten. Die Bewaff-nung des Landsturmes soll aus Büchsen, Flinten oder in deren Ermangelung aus einer mit einem Spieße versehenen Stange bestehen. Zur Bestreitung der vielfachen Kriegskosten wird eine Steuererhöhung ausgeschrieben. Sämtliche Landwehr-mannschaften werden auf den 26. Januar 1814 in die Stadt Sigmaringen einberufen wo sie bis zum Abmarsch Quartier und Verpflegung erhalten. Vom österreichischen General-feldmarschall Schwarzenberg ergeht Befehl über Truppen-verpflegung. Von den 193 Köpfen der Landwehr, vollständig ausgerüstet, sind am 31. Januar 1814 128 Mann zu dem 1. badischen Landwehr-Bataillon über Uberlingen nach Offenburg abmarschiert zur Blockade von Straßburg unter General Brückner.

Der andere Teil der Landwehr mit 65 Mann ist sodann den 2. Februar über Freudenstadt nach Renchen abmarschiert und dann nach Hagenau zu einem Bataillon, das zur Blockade von Landau bestimmt war.

Durch Verfügung vom 14. März 1814 ist sodann die schleu-nigste Formation des Landsturms angeordnet worden. Dieser sollte innerhalb des Landes bleiben. Derselbe soll aus 2 Batail-lonen bestehen, und zwar das erste Bataillon aus 1100 Mann, das zweite aus 1000 Mann, jedes Bataillon zu 6 Kompagnien.

Der Landsturm bestand demnach aus 1 Kommandaten, 2 Bataillonschefs, 12 Kapitäns, 2100 Mann, zusammen aus 2115 Köpfen, und zwar: das 1. Bataillon Sigmaringen mit 1100 Mann, die 1. und 2. Kompagnie 360 Mann aus den Bezirken Achberg, Hohenfels, Klosterwald, Ostrach, Beu-ren, den Orten Kalkreute, Thalheim und Rengetsweiler, die 3. und 4. Kompagnie 360 Mann aus zum Teil dem Bezirk Gammertingen, die 5. und 6. Kompagnie mit 360 Mann aus dem Amt Sigmaringen. Das 2. Bataillon Haigerloch10 mit 1000 Mann, die 1. und 2. Kompagnie mit 360 Mann aus zum Teil dem Bezirk Gammertingen, Hettingen, Trochtelfingen, die 3. und 4. Kompagnie 280 Mann aus dem Bezirk Glatt und zum Teil Haigerloch, die 5., 6. Kompagnie mit 360 Mann aus dem Bezirk Haigerloch.

Aus Anlaß der von den alliierten Armeen erfochtenen glän-zenden Siege bei Leipzig und der Einnahme der französischen Hauptstadt Paris wurde ein allgemeines Dankfest in den Kirchen von Hohenzollern, und zwar am Sonntag, dem 24. April 1814, am Festtag des hl. Landespatrons Fidelis, abgehalten. Inzwischen wurde Napoleon seines Thrones entsetzt und

nach der Insel Elba verbannt und die Feindseligkeiten einge-stellt. Das hohenzollerische Militär, welches s.Z. in der Gegend von Speyer kantonierte, soll demnächst nach Hause zurückkehren.

Laut Bekanntmachung vom 24. Juli 1814 ist der größte Teil des hohenzoll. Militärs aus dem Felde hierher zurückgekehrt und zeichnet sich durch militärische Haltung und Schönheit der Mannschaften besonders aus. Dieselben werden bis auf weiteres in ihre Heimat beurlaubt.

Das hohenzollerische Militär-Kontingent wird zur allgemei-nen Musterung auf 1. Oktober 1814, vormittags 8 Uhr, nach der Stadt Sigmaringen einberufen. Unterm 5. August wird die schleunige Einreichung der Kriegs- und Quartierkosten-Rechnungen angeordnet.

Zum Tode von Helmut Haller

Im Alter von 57 Jahren ist Rektor i.R. Helmut Haller, langjähriges Vorstandsmitglied des Hohenzollerischen Geschichtsvereins, am 17. Mai 1991 verstorben. Helmut Haller wurde am 7. Juni 1934 in Geislingen/Steige geboren. Seine Kindheit und Schulzeit verbrachte er in Renhartsweiler (heute Stadt Saulgau). In Saulgau besuchte er die Lehreroberschule, zwei Jahre war er am Pädagogi-schen Institut in Weingarten. Nach der ersten Dienstprü-fung 1956 kam er als einziger Lehrer an die Schule in Killer, wo er bis zu seinem Umzug nach Jungingen blieb. In Jungingen wurde er Schulleiter und seit 1970 Rektor der Nachbarschaftsschule Jungingen.

Der fähige Rektor und Pädagoge bekam 1976 die Leitung der Hauptschule Burladingen mit 630 Schülern und 20 Klassen. Jedoch machte ihm seit 1984 eine heimtückische Krankheit immer mehr zu schaffen. Krankenhausaufent-halte und Operationen folgten; 1986 wurde er deshalb vorzeitig in den Ruhestand versetzt.

Sein von Erfolg und Anerkennung geprägtes Berufsleben konnte ihn jedoch nicht davon abhalten, sich auch ande-rem zuzuwenden. Neben einer Laufbahn als Chorleiter und Organist diente er der Kirchengemeinde Jungingen als Kommunionhelfer und besuchte in deren Auftrag Junginger Bürger in den Krankenhäusern.

Besonderes Interesse hatte Helmut Haller an Geschichte und Heimatforschung. Seit 1967 war er Mitglied im Hohenzollerischen Geschichtsverein. Für das Heimat-buch Jungingen, das 1976 erschien, schrieb er das Kapitel über die Schulgeschichte. Ein Jahr später wurde er in den Vorstand des Hohenzollerischen Geschichtsvereins gewählt. Helmut Haller war weiterhin aktiv bei der Arbeitsgemeinschaft Heimatbuch und der Arbeitsge-meinschaft Heimatmuseum. Er war der Ansprechpartner für alle Belange des Heimatmuseums, das man mit gutem Gewissen als eine vorbildliche Einrichtung bezeichnen darf. Man wird lange suchen müssen, bis man einen Ort von vergleichbarer Größe findet, der ein solches Museum aufgebaut hat. In der »Hohenzollerischen Heimat« hat Haller in einem Beitrag über das Museum berichtet. Vor einiger Zeit hat er auch das Amt eines Junginger Ortschro-nisten übernommen.

Im Vorstand des Hohenzollerischen Geschichtsvereins hat er stets sachkundig mitgearbeitet. Durch sein ruhiges und freundliches Wesen hat er sich sehr beliebt gemacht. Sein allzu früher Tod wird von allen bedauert, die ihn kannten.

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Da von dem in Spanien gedienten Teil des hohenzoll. Militärs mehrere Soldaten nicht zurückgekommen sind, haben die Angehörigen der vermißten Soldaten bei den vorgesetzten Ämtern die zuletzt erhaltenen Briefe und sonstige Nachrich-ten vorzulegen, damit nach ihnen gefahndet werden kann.

Da die Kaserneneinrichtung zu Gorheim noch nicht ganz fertig ist, wird die auf 1. Oktober 1814 angeordnete allge-meine Musterung auf den 3.November verlegt. Nochmals verlegt auf den 17. November.

Der Fürst von Hohenzollern-Sigmaringen ist am 22. Septem-ber 1814 nach Wien zu dem Kongreß der verbündeten Mächte gereist.

Nach einer Zusammenstellung sind im Fürstentum Hohen-zollern-Sigmaringen in der Zeit vom 22. November 1813 bis Ende August 1814, also in 9 Monaten, einquartiert gewesen, und zwar: Österreicher: 283144; Russen: 70975; Preußen: 1365; Bay-ern und andere verbündete Truppen: 5649; von den insge-samt 361 178 Mann lagen allein in der Stadt Sigmaringen 146783; dazu kamen im Fürstentum 144613 Pferde, für welche die entsprechende Menge Futter aufzubringen war.

Dieser Aufwand betrug im damaligen Gelde 254468 fl. Hier-unter sind aber die Kosten für Vorspann, Holz, Lichter, Gastungen und dergleichen, die großen Kosten für Unterhal-tung des Militärlazarettes in Beuron, die Krankenpflege in den Orten und die Magazinsabgaben nicht inbegriffen.

Diejenigen, welche aus Magazinen Verpflegung und Fourage empfangen haben, und zwar 813 Offiziere, 26 870 Unteroffi-ziere und Soldaten mit 8457 Pferden, sind oben gar nicht mitgerechnet.

1815. Nach Rückkehr Napoleons von der Insel Elba wurden Vorbereitungen zu neuen Truppen-Aushebungen schleu-nigst angeordnet. Der Fürst von Hohenzollern-Sigmaringen hat am 6. April 1815 die Rückreise vom Kongreß in Wien angetreten und ist am 11., abends in Sigmaringen wieder eingetroffen.

Das hohenzoll. Militär-Kontingent soll am 13. April in Marsch gesetzt und wird am 16. diesen Monats auf dem, dem großherzoglich badischen Armeekorps bestimmten Sammel-platz zu Freiburg i.Br. eintreffen.

Die Landwehr ist am 16. April ebenfalls abmarschiert und am 20. in Freiburg eingetroffen. 80 Mann derselben, mit dem Kapitän Widmann, sind dem 2. Landwehrbataillon zugeteilt, der übrige Teil dem 1. Bataillon.

Das K. K. 2. österreichische Armeekorps hat unter dem Befehle des K. K. Generals der Kavallerie, Prinzen von Hohenzollern, seinen Marsch aus unserer Gegend angetreten über Altshausen, Pfullendorf nach Stockach. In Beziehung auf die Zeitereignisse ist das Böllerschießen am hl. Fronleich-namstage verboten. Auf den 10. Juni 1815 ist eine neue Militär-Aushebung ausgeschrieben, an welchem Tage auch die früher wegen Krankheit zurückgebliebenen Landwehr-soldaten sich zu stellen haben. Am 12.Juni 1815 ist eine Ergänzung der diesseitigen Landwehr zu dem 1. badischen Landwehr-Bataillon nach Lörrach abmarschiert und am 19. daselbst eingetroffen.

Aus Anlaß der glänzenden Siege der englischen und preußi-schen Heere (Waterloo) wurde am 2. Juli in allen Kirchen Hohenzollerns ein Dankfest abgehalten. Nachdem sämtliche aus dem Felde zurückgekommene Landwehrmannschaft hier wieder eingetroffen war, wurde sie in Urlaub entlassen und zur Kontrolle den Ämtern überwiesen. Am 23. November 1815 ist das fürstlich hohenzoll. Linien-Infanterie-Kontin-gent, bestehend aus 193 Mann, auf dem Rückmarsch aus dem Elsaß dahier wieder eingetroffen. Die Mannschaft befindet

sich in vorzüglich gutem Zustande und wurde gleich der Landwehr ganz neu ausgerüstet.

Zum Schlüsse dieser schweren Kriegszeiten sei noch erwähnt, die Forderung eines Offiziers an den Quartiergeber: 1. für ein Pferd alle Tage Vi Haber, 2 Pausch Stroh, 2 Gebund Heu. 2. für den Herrn: ein stark Kalb alle Wochen, ein Saugkalb alle Wochen, 6 Maß Butter alle Wochen, täglich 3 Hühner und 5 Pfund Fisch, 2 Pfund Konfekt, 1 Lot Pfeffer, 1 Lot Engber, 2 Lot Lorberen, Vi Pfund Rosinen, Vi Pfund Mandelkern, 1 Lot Zimmetrinde, 1 Maß Essig, Salz und Licht genug, 2 Pfund holländischer Käse, 2 Pfund Butterwerk, 29 kr. für weißes Brot, Roggenbrot genug, alle Wochen 12 Reichstaler, Holz genug, ein Bett für den Herrn, eins für den Diener. Aller Vorstellungen ungeachtet mußte dieses geliefert werden".

Von dem aus dem Felde zurückgekehrten hohenzoll. Linien-Kontingent wurden zwei Drittel in die Heimat beurlaubt und ein Drittel wurde im Dienst hier zurückbehalten. Weil nach den langen Kriegszeiten sich viel Gesindel herumgetrieben, und die Gegend unsicher gemacht hatte, wurden von den im Dienst behaltenen Mannschaften nach verschiedenen Orten des Bezirks, ein Soldat als Polizeisoldat entsandt und in Bezirke eingeteilt und jeder Bezirk einem Unteroffizier zur Beaufsichtigung unterstellt, um die Einwohner vor Schaden zu schützen.«

Zusammenfassung: 1806 wurde, im Rahmen der Zugehörig-keit des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen zum Rheinbund, erstmals eigenes, reguläres Militär aufgestellt. Dieses war jedoch nicht in Sigmaringen stationiert, sondern zwei nassauischen Regimentern zugeteilt. 1809 wurde die hohenzollerische Infanterie bei Passau erst-mals in ein Gefecht mit den Österreichern verwickelt. Die Kavallerie und der Rest der Infanterie marschierte mit den Nassauern nach Spanien. Sie waren drei Jahre dort und es sind laut Dorn sechs Mann gefallen. Über die Teilnahme hohen-zollerischer Truppen am Feldzug in Rußland 1812/13 wird nichts berichtet12.

Nach der Völkerschlacht bei Leipzig beeilte sich der Fürst von Hohenzollern-Sigmaringen, der Koalition gegen Napo-leon beizutreten. Es wurden 193 Mann Linientruppen und 193 Mann Landwehr aufgestellt und dem badischen Armee-korps zugeteilt. Beide Truppenteile kamen im Elsaß zum Einsatz. Zur Verteidigung der Heimat wurden zwei Batail-lone Landsturm mit 2115 Mann aufgestellt. Im Juli 1814 wurden die meisten Soldaten in die Heimat entlassen.

Nach der Rückkehr Napoleons von der Insel Elba wurden die aktiven Truppen am 13. April 1815 nach Freiburg in Marsch gesetzt. Die Landwehr wurde am 16. April ebenfalls nach Freiburg beordert. Im November 1815 kehrten alle Truppen aus dem Elsaß zurück. (Wird fortgesetzt)

Anmerkungen 1 Nach freundlicher Auskunft von Herrn Walter Frick, Sigmarin-

gen, war das »Schwarze Stühle« das Versammlungslokal der Zentrumspartei in Sigmaringen. Es befand sich in der Schwab-straße, an der Stelle des »Bauernstüble«.

2 Zum hohenzollerischen Bataillon gehörte auch eine Kompagnie aus dem Fürstentum Hohenzollern-Hechingen. Dorn berichtet jedoch ausschließlich über das Militär des Fürstentums Hohenzol-lern-Sigmaringen. Mit »Hohenzollern« ist immer das Sigmaringer Fürstentum gemeint.

3 In der Zeit vor Napoleon gab es nur angeworbene Soldaten. 1806 wurden erstmalig in Hohenzollern Rekruten ausgehoben.

4 Fornikanten, »Unzucht treibende«. 5 Die hohenzollerischen Truppen kämpften an der Seite der Franzo-

sen gegen Osterreich (Fünfter Koalitionskrieg). 6 fl. = Gulden kr. = Kreuzer ' Dies ist nur ein kleiner Teil von den Einquartierungen, und

Kontributionen, mit denen die Bevölkerung fast 20 Jahre lang

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geplagt wurde. Die Gemeinden waren wegen der Kriegskontribu-tionen bis weit ins 19. Jahrhundert hinein verschuldet.

8 Die Linie ist die aktive, einsatzfähige Truppe. 9 Gemeint ist Veringenstadt.

10 Zur Erinnerung: Haigerloch und Glatt gehörten nicht zum Für-stentum Hechingen, sondern zu Sigmaringen. Im übrigen ist dieses große Truppenaufgebot für das kleine Fürstentum eine erstaunliche Leistung, wenn auch an der Bewaffnung und Ausrü-stung einiges gefehlt haben mag.

11 Dorn hatte sicherlich Archivmaterial zur Verfügung und es besteht kein Grund, seine Angaben zu bezweifeln.

12 Von zahlreichen württembergischen Gemeinden sind alle Solda-ten, die mit Napoleon nach Rußland marschieren mußten, gefal-len. Es waren Verluste, die nur denen des Zweiten Weltkrieges vergleichbar sind. Die Verluste der Hohenzollern in Spanien waren sehr viel höher, als aus dem Bericht von Dorn hervorgeht. Es sind mindestens neun Mann gefallen, zahlreiche Soldaten sind verwundet in Feindeshand gefallen und blieben verschollen. Auch bei der völlig chaotischen Heimkehr (Hohenzollern war ja 1813 aus dem Rheinbund ausgetreten) kamen noch viele Soldaten ums Leben.

HERBERT RÄDLE

Falkenstein und Falkensteiner Altar

Die Ruine Falkenstein im oberen Donautal ist in den letzten Jahren von Burgenfreunden ausgegraben und baulich gesi-chert worden. Der wissenschaftliche Leiter der Ausgrabun-gen, Wilfried Pfefferkorn, hat darüber in der Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte (Heft 1986) ausführlich berich-tet. Im Ergebnis bietet sich die Burg heute wieder als lohnen-des Ziel für Wanderer und geschichtlich Interessierte dar.

Die etwas versteckt im Wald liegende Burg ist folgenderma-ßen zu erreichen: Man stellt das Auto in Neumühle (= Restaurant, 3 km westlich von Thiergarten, direkt an der Donau gelegen) ab. Vom Wanderparkplatz Neumühle geht man über die Donau zurück zur Landstraße, diese etwa 350 m flußaufwärts (also nach links) bis zu einer Kreuzung zwi-schen Straße und Eisenbahn, von dort am Bahnwärterhaus vorbei und jenseits der Gleise reichlich 100 m zurück (also wieder flußabwärts). Dort beginnt ein steiler Zickzackweg. Ihm folgt man bis zu einer mächtigen Felswand auf halber Höhe. Jetzt links haltend zur Höhe hinauf, wo man auf den Albvereinsweg vom Schaufelsen zum Falkenstein trifft. Ihn geht man nach recht (ca. 250 m), bis zur Ruine Falkenstein.

Von der Kreuzung Straße/Eisenbahn aus hat man auch einen schönen Blick auf die Ruine Unterfalkenstein. Sie liegt als vorgeschobene Warte auf einem am Hang stehenden Fels-turm (zwischen Hauptburg und Neumühle). Die genannten Grabungen haben u. a. die Erkenntnis gebracht, daß es sich beim Falkenstein um eine sog. Nostal-gieburg handelt. Burgen dieser Art wurden zu Beginn des 16. Jh. aus einer Art Ritterromantik heraus im Stile mittelal-terlicher Burgen gebaut. Ohne die Nachrichten der Zim-mernschen Chronik wüßten wir freilich wenig über die Geschichte von Burg Falkenstein. Die um 1560 entstandene Chronik berichtet, daß um das Jahr 1516 deren Besitzer Wolf von Bubenhofen die Burg zum Verkauf anbot. Nach mehre-ren anderen (den Edelleuten von Hausen, den Karthäusern von Freiburg, die in Heinstetten eine Karthause einrichten wollten) »kam zuletzt auch Herr Gottfried Werner von Zimmern, Herr zu Wildenstein und Meßkirch, ins Spiel. Der nahm den Kauf an . . . und geschah der Kauf zu Ebingen um 4880 Gulden in Gold, dero dann Wolf von Bubenhofen unverzogenlich also bar ausgericht und bezahlt wurde« (II 226). Zehn Jahre später, so lesen wir in der Chronik weiter, verkaufte Gottfried Schloß Falkenstein an seinen Bruder Johann, welcher bisher zu Seedorf (Gemeinde Dunningen, Kreis Rottweil; das Schloß ist heute verschwunden) gewohnt hatte, und nach den Wirren des Bauernkrieges von 1525 »den Seedorfer und anderen Pauren in der Herrschaft... nicht mehr trauen wollte, sondern nach einem anderen und sichere-ren Haus trachtete«. Johann kaufte das Schloß »samt dem Weiler Hainstetten, dem Fischwasser und aller Zugehörde... um 4500 Gulden in Münz«, wobei sich Gottfried ein Rück-

kaufsrecht »umb vorbemeldten Kaufschilling« vorbehielt (II 165f.). Aber Johann zog nicht nach Falkenstein, sondern blieb nach Beendigung des Bauernkriegs in Seedorf und »besetzte Falkenstein mit einem Burgvogt und Ehehalten«. Was Gottfried Werner betrifft, so bezeugt die Chronik, daß dieser »viel auf Falkenstein war und das Schloß mehrteils, wie es jetztund ist erbawen, zugericht« (II238). Wir lesen in der

Meister von Meßkirch. Der Heilige Georg aus dem Falkenste: ier Altar. Stuttgart Staatsgalerie, um 1525 (?). Der Heilige trägt die Züge eines Zimmerngrafen und diente als Vorbild für den entsprechenden Flügel des Gremlich-Altars.

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Chronik auch einiges über das damalige Aussehen der Burg. Danach hatte sie »über der Kapelle einen hohen Turm, der war so hoch, daß man über alle Wälder und Hölzer bis gen Mengen sehen mochte«. Der Turm war »nach der alten Manier oben mit Holz und Riegelwerk weit ausgelassen«. Ihn ließ Gottfried abreißen »von mehrer Sicherheit wegen«. Denn es »tat der Turm, wenn ein starker Luft ging, dermaßen wacken und sich bewegen, daß ein Schüssel mit Wasser unverschütt uff dem Tisch nit bleiben mochte«. Somit erfah-ren wir beiläufig, daß auch im 16. Jh. die Hänge des Donauta-les bewaldet waren und nur von einem hohen Turm aus ein Überblick über das Land möglich war. In der Tat ist es heute etwas enttäuschend, daß man von der Ruine aus nicht die großartige Sicht über das Donautal hat, wie etwa vom ca. 1 km entfernten Schaufelsen.

Im übrigen bleibt der Falkenstein für den heutigen Besucher -ungeachtet einer gewissen Ruinenromantik - totes Gemäuer.

Wer noch etwas von dem Leben erhaschen will, welches unter dem kunstsinnigen und gelehrten Gottfried von Zimmern wohl auf Falkenstein blühte, muß nach Donaueschingen in die Fürstenbergischen Sammlungen gehen. Dort, in der Gemäldegalerie, wird der Falkensteiner Altar aufbewahrt, der ehemals auf Schloß Falkenstein stand und 1627 mit dem gesamten Besitz der Häuser Zimmern und Helfenstein im Erbgang an die Fürstenberger kam1. Er ist eines der bedeu-tendsten Werke des Meisters von Meßkirch2.

Anmerkungen 1 Eigentümer der Ruine Falkenstein ist heute Maximilian Prinz zu

Fürstenberg, 7792 Werenwag. 2 Im Auftrag Gottfried Werners von Zimmern hat der M.v.M.

bekanntlich auch den Haupt- und die insgesamt acht Seitenaltäre von St. Martin in Meßkirch geschaffen, nach denen er seinen Namen trägt.

ARMIN HEIM, CHRISTOPH STAUSS

Wo Graf Mangold seine Feste feierte

Die Ruine Benzenberg bei Rohrdorf war einst eine mächtige

Zahlreiche Gäste von Rang und Namen waren erschienen, als Graf Mangold von Rohrdorf zu einem großen Festgelage auf seiner Burg Benzenberg geladen hatte. Es war die Zeit Kaiser Heinrichs IV. Im Reich tobte der Investiturstreit, Kriegszüge erschütterten das Land, die Zeiten waren unruhig und gefäh-lich. Die Gäste des Grafen zeigten sich deshalb höchst verwundert, ja bestürzt darüber, daß das Schloß vollkommen unbefestigt und von keinerlei Mauern umgeben war. Graf Mangold entgegnete gelassen, daß er ihnen seine Mauern schon noch zeigen wolle. Als die Gäste am anderen Morgen schlaftrunken aus dem Fenster blickten, war Schloß Benzen-berg von schwerbewaffneten Mannen umstellt. Den hohen Herrschaften saß der Schreck in den Gliedern, doch Graf Mangold erklärte triumphierend, dies seien seine Mauern, auf

Grafenburg

die er sich weit besser verlassen könne, als auf solche von Stein. Mag sein, daß diese Legende, die uns durch die Zimmerische Chronik überliefert wurde, lediglich auf das besonders gute Verhältnis zwischen Graf Mangold und seinen Untertanen anspielen will. So sollen unter Mangolds Regierung Wohl-stand und Reichtum unter der Bevölkerung geherrscht haben, die Rohrdorfer Bauern hätten bei Erbteilungen das Geld sogar in Hüten davongetragen. Ob der Benzenberg im 11. Jahrhundert tatsächlich noch unbewehrt war, wissen wir nicht. Der heutige Baubestand, der durchaus gewaltige Befe-stigungsanlagen zeigt, dürfte kaum vor dem Jahr 1200 ent-standen sein. Daß die Burg tatsächlich aber viel älter sein muß und überdies sogar zu den frühesten Burgen im Alb-Boden-

BURG BENZENBERG, REKONSTRUKTION VON CHRISTOPH STAUSS

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see-Gebiet zu zählen ist, beweisen Keramikfunde, die man der Gruppe der sogenannten »älteren Albware« zuweisen und auf die Zeit zwischen 1050 und 1150 datieren kann.

Die Ruine befindet sich gleich hinter dem Ortsausgang von Rohrdorf in Richtung Kreenheinstetten auf einem hohen Bergsporn rechts über der Straße, dort wo zu beiden Seiten steile Felsen einen Engpaß bilden. Ob die mit vorgeblende-tem Mauerwerk befestigte große Höhle auf dem gegenüber-liegenden linken Felsen mit der Burganlage in Beziehung steht, ist noch nicht geklärt. Wer den steilen Anstieg zum Benzenberg scheut, kann die Ruine bequemer über den Gemeindeverbindungsweg Rohrdorf - Langenhart errei-chen. Von dort nämlich sind es nur wenige Schritte über ein ebenes Wiesenstück, bevor dichtes Strauchwerk den Blick in den Burggraben behindert. Das sogenannte »Unterdorf«, ein vom übrigen Dorf nahezu abgesonderter eigenständiger Sied-lungskern, dürfte wohl im Zusammenhang mit der Errich-tung der Burg entstanden sein. Das ortsbildbeherrschende Bauernhaus mit dem Walmdach steht vermutlich auf der Stelle des einstigen Wirtschaftshofes der Burg.

Keine märchenhaft-romantische Ruine erwartet den Besu-cher auf dem Benzenberg, sondern eher ein düsterer und gespenstischer Ort. Die Fundamente der Burg, die Mitte des vorigen Jahrhunderts noch offenlagen, sind inzwischen unter einer Boden- und Laubschicht verborgen. Lediglich auf der Talseite präsentiert sich uns auch heute noch ein trutziger, ca. 24 m langer, 5 m hoher und 2 m starker Uberrest der einstigen Stützmauer. Diese in Fischgrät-Mauertechnik aufgeführte Wand, die auf halber Höhe in regelmäßigen Abständen sogar noch die bei ihrem Bau entstanden Gerüstlöcher aufweist, bildete freilich nur die Füllmasse einer ursprünglich vorge-blendeten Schalmauer, welche aus sorgfältig behauenen Blök-ken zusammengefügt war, von denen sich heute allerdings nichts mehr erhalten hat. Die übrigen Fundamente der Burg sind aber anhand von Geländeerhebungen so deutlich ables-bar, daß eine Rekonstruktion der Anlage ohne weiteres möglich ist.

Die gigantischen, etwa 65 auf 20 Meter betragenden Ausmaße des Areals sowie der ungewöhnlich große, in einer Breite von nahezu 30 Metern aus dem Fels gehauene Sohlgraben weisen den Benzenberg eindeutig als Grafenburg aus. Bereits in der Frühzeit der Territorienbildung muß hier also ein bedeuten-der Herrschaftsmittelpunkt bestanden haben. Im Unter-schied zu den jüngeren Burgen des späten 13. und M.Jahr-hunderts, die meist das klassische Bauschema mit Bergfried und Palas aufweisen, haben wir es beim Benzenberg mit dem eher selten erhaltenen Typ der romanischen Grafenburg zu tun, in unserer Region also bestenfalls vergleichbar mit den Burganlagen von Baldenstein (im Vehlatal bei Gammertin-gen) oder Isigkofen (im Lauchertal bei Jungnau). Charakteri-stisch für romanische Anlagen ist das Streben nach Ebenmaß und Symmetrie der Baukörper; auch bei Profanbauten sollte durch kunstvolle Behandlung und Proportionierung der ein-zelnen Elemente und Glieder ein harmonisch ausgewogenes Gesamtbild erzielt werden, das durch monumentale Ästhetik den Betrachter beeindruckte und verblüffte. Ganz im Gegen-satz zu späteren Epochen des Burgenbaus war man in der Romanik nur ungern bereit, die Bauwerke dem Gelände anzupassen. Vielmehr war man bestrebt, nur solche Punkte als Bauplatz zu wählen, die neben der für eine Burg erforder-lichen fortifikatorischen Eignung auch die Verwirklichung des romanischen Bauideals gewährleisteten.

Beim Benzenberg wurde zu diesem Zweck der schmale, in einem Felsen auslaufende Bergsporn an der Südseite durch eine riesige Stützmauer erweitert und so durch Auffüllung des dahinterliegenden Freiraums das Burgareal in die gewünschte gleichmäßige Rechteckform gebracht. Ein etwa 12 auf 20 Meter messender trapezförmiger Schutthügel an der

Angriffsseite der Burg (siehe Grundriß, Punkt 5) deutet aufgrund seiner Ausmaße nicht etwa auf einen Bergfried, sondern auf einen gewaltigen, für Grafenburgen dieser Epo-che aber durchaus üblichen Wehr- und Wohnturm. Auf dem dahinterliegenden Burghof war Raum für verschiedene Wirt-schaftsgebäude, deren Fundamente allerdings nicht sichtbar sind. Diese Gebäude waren einfache Holz- oder Fachwerk-bauten, besaßen aber Ziegeldächer, wie zahlreiche umherlie-gende Ziegelscherben beweisen. Ein zwischen Punkt 8 und Punkt 6 aufgefundender Hufnagel deutet überdies auf das Vorhandensein einer Schmiede oder zumindest einer Stallung im engeren Burgareal hin. Ungewöhnlich ist, daß an der durch den steilen Felsen geschützten Westflanke der Burg ein weiteres Steingebäude gestanden haben muß. Es kann sich hierbei nicht um einen Wehrturm, sondern nur um ein Wohnhaus gehandelt haben. Vermutlich befand sich hier ein Dienstmannensitz, also die Wohnung des Burgvogts, der während der Abwesenheit des Grafen Burg und Herrschaft zu verwalten hatte.

Grafen von Rolirdorf.

Die nebenstehende Rekonstruktionszeichnung mag zwar den Eindruck einer gewissen Schlichtheit vermitteln, doch muß man sich dabei stets die Verhältnisse der Stauferzeit vor Augen halten: Nicht nur die Mehrzahl, sondern nahezu alle Bewohner der Grafschaft Rohrdorf lebten zu dieser Zeit unter denkbar primitiven Umständen. Die Dörfer bestanden aus armseligen Lehmhütten mit Strohdächern, selbst in den wenigen Städten gab es damals, abgesehen von den kleinen, engen und dunklen Kirchen, noch kaum Steingebäude. Nied-rige Fachwerkhäuser mit Stroh- oder Schindeldächern domi-nierten in den kleinen Städten unserer Region bis ins späte Mittelalter. Einem Bauern des beginnenden 13. Jahrhunderts mußte ein vier- bis fünfstöckiger massiger Wohnturm wie jener auf dem Benzenberg unfaßbar erschienen sein, ein Wolkenkratzer des Mittelalters. Überdies war der Graf von Rohrdorf innerhalb seines Territoriums nahezu der einzige Träger von Bildung und Kultur. Als Graf konnte er, im Gegensatz etwa selbst zu den meisten Geistlichen dieser Zeit, lesen und schreiben. Er besaß Pferde, teure Waffen und

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VM& \ V /

1 Hochfläche 2 Straße von Rohrdorf nach Leibertingen 3 Hauptgraben 3' Weiterführung des Hauptgrabens 3" Grabenauswurf 3"' Rückwärtiger Abschnittsgraben mit vorgelegtem Wall aus

Grabenaushub 4 Grabenartiger Torzwinger mit Umwallung 4' Vermutliche Lage des Burgtors

Aufganesrampe 4 und 4' oder verschleifter Burgschutt vom Abbrucn

\ V " • v Christoph Carl Stauß 1990

Haupthügel ca. 12 x 18 Meter Grundmauern eines weiteren Turmes (Dienstmannensitz ?) Burghof (ursprünglich teilweise mit Wirtschaftsgebäuden bebaut) Ringmauer (Substruktion ca. 3 - 4 Meter hoch, ohne Mauer-schale).

Rüstungen, Kettenhemden und goldenen Schmuck. Er war als einziger nicht in die steifen einheimischen Leinenstoffe, sondern in kostbare importierte Gewänder gekleidet. Er trank Wein aus Gläsern, spielte Schach und begab sich des öfteren auf erstaunlich weite Reisen, während seine Unterta-nen kaum je die Grenzen der Grafschaft überschreiten konn-ten. An seinem Hof erklang Flöten- und Saitenspiel, Poesie und Minnelieder bewegten die Gemüter der Schloßgesell-schaft. All dieses war für den gemeinen Mann fremd und unerreichbar, der Graf und seine Familie mußten in seinen Augen in weltentrückte, ja beinahe göttliche Spähren empor-gehoben erscheinen. Eine Burganlage wie der Benzenberg war Ausdruck dieser weltentrückten Kultur, sie war ein Statussymbol, in dem sich Selbstbewußtsein und Machtvoll-kommenheit des Grafen auf sinnfällige Weise manifestierten. Ihre Wirkung auf die Untertanen wird solch eine Burg sicher nicht verfehlt haben.

Die spärlichen historischen Nachrichten, die wir über die Burg Benzenberg und seine Besitzer haben, bestätigen das aus dem archäologischen Befund gewonnene Bild: Ein Mangold von Rohrdorf wird urkundlich erstmals um das Jahr 1060 erwähnt. Er war ein Sohn des Grafen Mangold von Sigmarin-gen. Genaueres über die Entstehung der Rohrdorfer Graf-schaft und der Grafendynastie auf dem Benzenberg ist nicht zu erfahren. Enge verwandtschaftliche Beziehungen zu den Grafen von Sigmaringen, Veringen und Altshausen dürfen

jedenfalls vermutet werden. Nur vier Generationen lang blühte das Rohrdorfer Grafengeschlecht. Auf Magold folgten als Herrschaftsinhaber Mangold II., Gottfried (er wird in einer Urkunde von 1185 ausdrücklich Graf genannt) und Mangold III. Dieser letzte Rohrdorfer Graf Mangold III. (1150-1210) dürfte wohl der Bauherr der oben beschriebenen romanischen Grafenburg gewesen sein.

Neben der Gegend um Meßkirch besaßen die Grafen von Rohrdorf umfangreichen Besitz in Oberschwaben und im Madach sowie im Hegau und Linzgau, unter anderem Burg und Stadt Meersburg am Bodensee. Darüber hinaus waren sie die Erbauer der ersten Konstanzer Rheinbrücke. Der rot-weiße Rohrdorfer Adler im Konstanzer Rheintorturm erin-nert heute noch daran. Mehrfach waren Vertreter dieses Geschlechts im Hoflager der Staufer anzutreffen, wo sie als Zeugen bei der Besieglung von Urkunden auftraten, was wiederum ihre Stellung als eine der bedeutendsten Hoch-adelsfamilien im Bodenseeraum unterstreicht. Mangold III. ehelichte sogar die Tochter eines der reichsten und mächtig-sten Adelshäuser Schwabens, nämlich die Gräfin Agnes von Kyburg. Die Klöster Zwiefalten und Salem wurden von den Rohrdorfer Grafen reich mit Schenkungen bedacht. Man-gold III. ließ sich und seiner Familie sogar eine Grabkapelle im Salemer Münster errichten. Sein Bruder, der selige Eber-hard (1160-1245), war fast 50 Jahre lang Abt des Salemer Klosters, in dessen Geschichte ihm eine besondere Bedeutung

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zukommt. Als einflußreicher Berater von Bischöfen, Königen und Päpsten war Eberhard von Rohrdorf darüber hinaus auch für die Reichspolitik seiner Zeit nicht ganz bedeutungslos, etwa als Vermittler der geheimen Verhand-lungen zwischen Philipp von Schwaben und Innozenz III.

Mit den Grafen von Rohrdorf nicht zu verwechseln ist das Dienstmannengeschlecht der Ritter von Rohrdorf, das 1191 erstmals in Erscheinung tritt und seinen Sitz wohl in dem westseitigen Gebäude der Burg Benzenberg hatte. Diese Ritter von Rohrdorf werden bis ins späte 13. Jahrhundert in zahlreichen Urkunden erwähnt, danach verliert sich ihre Spur. Weitere Ministerialengeschlechter der Rohrdorfer Gra-fen waren die Ritter von Meßkirch, Heudorf, Bichtlingen, Reute, Rast, Oberstetten, Rain und Ablach. Diese Nieder-adelsgeschlechter saßen ursprünglich auf den jeweiligen Mei-erhöfen ihrer Dörfer und bauten sich nur zum Teil seit dem späten 12.Jahrhundert eigene Burgen (z.B. Burghügel bei Reute), die sich in Größe und Ausführung mit der Anlage auf dem Benzenberg freilich in keiner Weise vergleichen lassen.

Graf Mangold III. von Rohrdorf, unter dessen Herrschaft Meßkirch vermutlich zum Marktort erhoben worden war, starb 1210 kinderlos. Ein zu seinem ewigen Gedächtnis gestifteter »Mangold'scher Jahrtag«, der im späten Mittelalter zu einem wahren Volksfest ausgeufert war, wird übrigens bis heute noch jährlich am Montag vor Gallus (16. Oktober) von der Meßkircher Kirchengemeinde feierlich begangen. Die Erbfolge ging über auf eine Nichte Adelheid von Vatz bzw. deren Gatten, Heinrich von Neifen, den Vater des berühmten Minnesängers Gottfried von Neifen. Um an einem Kreuzzug teilnehmen zu können, verkaufte Heinrich aber schon 18 Jahre später seine sämtlichen Rohrdorfer Besitzungen für den Schleuderpreis von 2000 Mark Silber an den Truchsessen Friedrich von Waldburg.

Die Waldburger begründeten auf dem Benzenberg einen Seitenzweig, dessen Angehörige sich künftig Truchsessen von Rohrdorf nannten. Dieses Geschlecht vermochte es allerdings nie, überlokale Bedeutung zu erlangen. Überdies entstammten die Truchsessen dem staufischen Dienstman-nenadel und waren nicht im Besitz der Grafenwürde. Die Herrschaft Rohrdorf/Meßkirch unterstand seither der Gerichts- und Landeshoheit der Grafen in Sigmaringen. Die einzige beachtenswerte Tat der Truchsessen war um die Mitte des 13. Jahrhunderts die Erhebung Meßkirchs zur Stadt. Um das Jahr 1300 verließen sie den Benzenberg, um ihre Residenz in der neuen Stadt aufzuschlagen. 1337 bereits wird die alte Burg der Grafen von Rohrdorf als Ruine bezeichnet.

Die letzte Stunde für den Benzenberg schlug schließlich, als um das Jahr 1400 Freiherr Johannes der Lapp von Zimmern auf den Gedanken kam, das verfallene Gemäuer vollständig abbrechen zu lassen, um die Steine für den Schloßneubau in Meßkirch zu verwenden. Schon 1351 hatten die Zimmern die Herrschaft Meßkirch von den Truchsessen von Rohrdorf im Erbgang übernommen, hatten aber erst jetzt die nötigen Mittel zur Errichtung einer repräsentativen Residenz beisam-men. Ein verborgener Schatz, der während der Abbruchar-beiten auf dem Benzenberg zutage trat, füllte die leeren Kassen des Freiherrn. Der Nordflügel der heutigen Schloßan-lage, das sogenannte »Schlößle«, ist übrigens der letzte Über-rest dieses spätmittelalterlichen Zimmernschlosses; in seinen Mauern dürfte noch so mancher alte Quader der Burg Benzenberg stecken.

In Rohrdorf wird die Erinnerung an die glanzvolle Zeit der Grafenherrschaft bis heute wachgehalten, indem man den Grafen Mangold samt Gräfin und Hofstaat jedes Jahr aufs neue zur Fasnachtszeit auferstehen läßt. Burg Benzenberg hingegen zeigt sich gleich einem vergessenen Dornrös-chenschloß von Hecken und Gestrüpp umwuchert und wird nur selten das Ziel neugieriger Wanderer.

Truchseß von Rohrdorf.

Literatur

Christoph Bizer: Burg Veringen. Auswertung und Dokumentation der Kleinfunde. In: Stadtwerdung im Landkreis Sigmaringen. Burg und Stadt Veringen. Hg. von Erwin Zillenhiller. Sigmaringen 1985. S. 193-250. Marian Gloning: Graf Eberhard von Rohrdorf, Abt von Salem 1191-1240. Ein kurzes Lebensbild. Augsburg 1904. Hans-Wilhelm Heine: Studien zu Wehranlagen zwischen junger Donau und westlichem Bodensee. (Forschungen und Berichte der Archäologie des Mittelalters in Baden-Württemberg, Bd. 5). Stutt-gart 1978. Ernst Löhle: Unsere Heimat Rohrdorf. Meßkirch 1962. Julius Kindler von Knobloch: Oberbadisches Geschlechterbuch. Heidelberg 1898 ff.

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HANS HAIGER

Eine Reise

In kurzen Abständen dringt das gedehnte, strichförmige Geräusch durch den schweren Vorhang des alten Steinhauses. Das Geräusch kommt mit hohem Ton an, fällt in der Mitte des Fensters jäh ab und langgezogen, dumpfer, verschwindet es in der Nacht. Hanno versucht herauszufinden, in welchen Abständen es auftritt, alle fünf Minuten oder nur alle Viertel Stunden? Hannos Armbanduhr hat keine Leuchtziffern, das Lämpchen, eingeklemmt zwischen Christoph Martin Wie-lands Erstausgabe und dem Seitenholz des Bücherbordes, traut er sich nicht einzuschalten. Im Dämmerschlaf glaubt er ein heulendes Messer auf ihn zufahren zu hören, es bringt ihn nicht um, es entfernt sich und kommt ständig wieder. Hat Werner nicht gesagt, die Straßenbahn fahre die ganze Nacht? Dreißig Stunden ist Hanno in dieser Stadt, in die er so lange schon eingeladen ist. Sein ganzes Leben wußte er von ihrer Besonderheit, von ihrem einzigartigen Schicksal. Als Schüler hatte er gelesen, wie der große Dichterfürst, der dem Olym-pier aus Weimar immer ähnlicher erschien, diese Stadt bren-nen sah. Hanno trug in sich das Gefühl, der alte Dichter sei hier von seiner Eitelkeit geheilt worden, jenes Feuer habe ihn zu Hannele zurückgeführt. Als Hanno zehn Jahre alt war, zogen zwei Leutchen in die Parterre-Wohnung des elterli-chen Hauses. Sie brachten einen Bildband mit, »Dresden einst und jetzt«, Schwarz-Weiß-Fotos, die Ecken abgegriffen, links die Elbseite von Canaletto, rechts die geborstene Fas-sade, den knienden Engel auf dem Fries vor der eingestürzten Kuppel. Hanno lieh sich den Band aus; er wurde noch abgegriffener. »Dresden wird nie mehr so schön«, sagte die Frau, die in Teplitz geboren war.

Sie hatten ihn eingeladen in diese Stadt. »Ich nehme dich an der Hand und werde dir alles zeigen«, hatte Werner gesagt. Ich schaue immer in dieses Buch, denkt Hanno, aber die Teplitzerin hat es doch mit ins Grab genommen. »Wir können vom Albertinum nicht mehr über die Brühl'sche Terrasse zur Hofkirche gehen; der Bauzaun steht seit Jah-ren«. Hanno hört nicht hin.

In der Hofkirche freut sich Hanno. Die Mutter Gottes hält mit den Händen die Dornenkrone, auf den Knien den toten Sohn, sein Haupt ist zur Erde gefallen. Leid und Trost, denkt Hanno. »Ich bin aus dem kirchlichen Bereich und führe Sie«, ruft eine junge, blasse Frau. »Nach Naziterror und Sozialis-mus brauchen wir einen neuen Sinn«. Die Akustik zerreißt den Klang ihrer Stimme, Sinn, Sinn, Sinn dringt es von allen Seiten auf Hanno ein. Er flüchtet in die Wettiner Gruft. Die großen bronzenen Sarkophage wissen nichts von Sinnepo-chen. Sie stehn wie ihre Verwandten der Kapuzinergruft, deren Moder und Strenge Hanno von Wien überall mit sich trägt, dicht bei dicht und sprechen miteinander.

»Zu den Alten Meistern«, sagt Werner. Wie hatte der Vater gesagt? Die Madonna schwebt in den Wolken, aber wenn du lange in den Himmel siehst, kommen lauter kleine Engels-köpfe hervor. Hanno bleibt stehen; da sind die vielen schönen Engel, sie gehören zur Madonna, die Hanno nicht lange ansehen kann. Er flüchtet sich an den unteren Bildrand, wo zwei Engel froh und frech aus dem Himmelstheater heraus-blicken. Hanno findet Halt unter den Füßen. In der Bahn, die sich eingleisig und mit langen Halten an jeder zweiten Station zur Stadt hinquälte, hatte Hanno gedacht: Du gehst nicht unter und wenn dir Werner mit seinem Hausheiligen kommt, dem er einen dreistufigen Altar aus Erstausgaben über dem Bett eingerichtet hat, so sagst du: Goethe war ein Geizhals! Wie hat er den armen Eckermann ausgenutzt. Die Waffe war scharf, aber an die Macht des alten Bildbandes hatte Hanno nicht gedacht.

Der Heimweg war wortkarg. Werner beim Abendessen: Meine erste Frau, jetzt Heidi, verlier ich den Jungen? Der Vater, noch kurz vor dem Tode, er hat mich verstanden. Bis Dezember sind es 67% des alten Gehalts, dann zwei Jahre Arbeitslosengeld - einen Film zu Goethe wollte ich noch machen. Aber er kann doch Goethe nicht vom Altar nehmen? Hanno hört sich sagen: »Ich fahre morgen mit dem Früh-zug«. Werner: »Das ist gemein«, darauf fällt er zusammen, neigt sich auf dem Sofa zur Seite, schließt halb die Augen, stützt sich mit den Händen. Wenn er dich bitten würde, denkt Hanno, könnte ich bleiben. Doch Bitten hat Werner nicht gelernt.

Die heulenden Messer schmerzen Hanno immer mehr. Er kriecht auf allen Vieren unter dem Altar hervor, das Meißner Döschen für die Liebste fällt aus der Tasche, es gibt nur einen Ton. Als ob ein Kind stirbt, denkt Hanno; er sieht den Jungen, der vom Traktor fiel, zu dessen eingedrücktem Schädel er als junger Arzt gerufen wurde.

Der Zug quält sich nach Westen. Ein junger Mann in der anderen Ecke des Abteils bestellt Kaffee. »Hat Ihnen Dresden gefallen? Ich habe dort studiert, Psychologie, wissen Sie, ich habe die Vollzugsbeamten für Bautzen und Cottbus psycho-logisch geschult. Ich fahre zu einer europäischen Schulungs-woche nach Marseille, über Straßburg. » - »Straßburg« spricht er mit einem kurzen a und einem scharfen s. »Ich habe meine Arbeit mit Lust und Liebe getan, aber wenn man mich nicht übernimmt, mache ich auch jede andere Arbeit. Ich habe Frau und Kinder.«

Hanno sagt: »Tun Sie mir einen Gefallen? Sagen Sie bitte >Straßburg< mit einem langen a und einem weichen s.« Eine schöne Stadt. Goethe war da.

WALTER KEMPE

Ochsenbach und seine Vergangenheit

Der Ort

Ochsenbach ist ein kleiner Flecken mit 146 Einwohnern. Er liegt an der Landstraße Ostrach-Denkingen, wenige Kilome-ter von Burgweiler entfernt. In südlicher Richtung schließt sich an die Straßendorf-Siedlung das 62 Seelen zählende Oberochsenbach an.

Die hügelige Landschaft an der Westseite des Moränenzuges, der Ochsenbach von Burgweiler trennt, ist geprägt durch Wälder, Wiesen und Felder. Ein Bächlein gleichen Namens durchfließt den Ort. Es kommt von Oberochsenbach her und entspringt auf dem südostwärts bei Zoznegg gelegenen Sturmberg.

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Der Name

Nach Krieger1 ging der Ortsname aus dem Personennamen Ohsa - Ohtizo, der Koseform von Ohteri, Ohtrich, hervor. Mit der Siedlung an dem gleichnamigen Gewässer ist hiernach »Bach des Ohsa« und nicht des Ochsen-Tieres gemeint. In Urkunden finden wir im Laufe der Jahrhunderte folgende Schreibweise: Ohsobach, Osabach, Ohsabach, Ohselbach, Ochsobach, Ochsembach, Ouchsenbach, Ochßenbach und Oxenbach. Ochsenbach wurde auch früher Unterochsenbach genannt, zum Unterschied von Oberochsenbach.

Verwaltungsmäßige Gliederung

Von den verwaltungsmäßigen Veränderungen im Laufe der letzten 150 Jahre sei folgendes berichtet. Seit der Gemeinde-reform vor 15 Jahren gehören Ochsenbach, Oberochsenbach, Zoznegg und 5 weitere Wohngebiete mit dem Teilort Burg-weiler zur Gesamtgemeinde Ostrach im Landkreis Sigma-ringen.

Bereits 1924 wurde Ochsenbach, damals badisch, mit weite-ren Ortschaften nach Burgweiler eingemeindet. Hierbei legte man die 1871 vermessenen Gemarkungen zusammen und versah sie mit neuen Grundstücksnummern.

Vor der Eingemeindung des Jahres 1924 stellte Ochsenbach, innerhalb des Gemeindeverbandes Burgweiler, eine eigene Gemarkung mit ca. 332 ha Grundfläche dar. Der örtliche Gemeindebesitz erforderte eine getrennte Verwaltung mit einer Jahresabrechnung, wie sie bereits 1848 gehandhabt wurde. Im Verwaltungsrat fungierte als Ortsvorsteher der sogenannte Stabhalter (1848 war es Sebastian Möhrle). Dieser Begriff stammte aus dem Brauchtum der Dorfgerichtsbarkeit.

Zur Schule gehen heute die Grundschüler nach Denkingen, die Hauptschüler nach Ostrach.

Kirchlich ist noch eine geschichtlich bedingte Situation festge-schrieben: Einige Familien der vorwiegend katholischen Bevölkerung und ihre Anwesen gehören zur katholischen Pfarrei Burgweiler, sowie die in Oberochsenbach ostwärts der Straße wohnenden. Der größte Teil der Einwohner zählt zur katholischen Pfarrei Denkingen2.

Die Chronisten

Zahlreiche noch verfügbare Urkunden und Akten des weite-ren Bereichs um Ochsenbach haben Autoren, wie z.B. Pater Benvenut Stengele (um 1893)3, Lehrer Otto Goeggel4 und Lehrer Albert Wich5 (um 1935), dazu angeregt, auch Ochsen-bach in ihre geschichtlichen Darstellungen mit einzubezie-hen. Diese Erstquellen und Quellen dienten als Grundlage zu meinen Ausführungen.

Aus früherer Zeit

Friedrich Gremiich von Ochsenhach

Eine Abtschronik des Fürststiftes Kempten im Allgäu, ver-mutlich aus dem 17. Jahrhundert, nennt als 8. Abt von 892 bis 911 Friedrich Gremiich von Ochsenbach. Er kam von den Gütern Ochsenbachs und wird als ein Mann seiner »Kunst« dargestellt, der den Menschen ein gutes Beispiel gab. Einzel-heiten aus seinem Leben und seine Verdienste um Kempten werden berichtet6.

Original-Urkunden des 9. Jahrhunderts fehlen leider. Jedoch auch so ist es für uns interessant, daß ein Friedrich Gremiich schon damals in Ochsenbach seßhaft gewesen sein soll.

Nach Haid kommen die Gremiich in unserer weiteren Umge-bung vom Ende des 9. Jahrhunderts bis ins 17. Jahrhundert vor. Als Sitz wird hier auch unter anderem Ochsenbach genannt. Im Pfullendorfer Raum gelangten sie als Patrizier zu größerer Bedeutung7.

Kapelle unserer lieben Frau in Ochsenbach

Weitere Mitglieder der Familie, namens Friedrich Gremiich, sind uns dann urkundlich z.B. 1216, 1243, 1326 und 1329 bekannt. Das Adelslexikon von Kneschke führt den Abt Friedrich Gremiich aus Ochsenbach ohne Kommentar auf8.

Der Ortsadel und die frühen Besitzer Nach dem erwähnten Friedrich Gremiich von Ochsenbach des 9. Jahrhunderts treffen wir dann als sogenannten Ortsadel in Ochsenbach:

1215 Konrad, Sohn, von Ochsenbach 1265 Heinrich, genannt Ochsenbach und seinen Bruder

Friedrich Knüzer (Knivzaer) von Ochsenbach. Ihre Schwester war Irmengard von Ebratsweiler.

1277 gab Friedrich Knüzer seine Rechte an dem Vögellinshof in Ochsenbach an Kloster Salem.

1288 erscheint Heinrich, der Jüngere, genannt Ochsenbach. 1294 N genannt Ochsenbach.

Ob dieser Ortsadel zur Familie gehörte, ließ sich bisher nicht feststellen. Die Vornamen sind zumindest die gleichen, die auch die Gremiichs führten. Zu dieser Zeit erschien oft an Stelle eines Nachnamens nur der Herkunftsort oder unter-scheidende Ergänzungen, wie »der Jüngere«, »der Dicke«, u. a.

Weiteren Besitz hatten in Ochsenbach:

1155 Kloster Weingarten, (nach einer Aufzählung seiner Besitzungen, die Kaiser Friedrich I. bestätigt haben soll.)9

1229 gab Aigelward von Deggenhausen sein Gut »Geiende« in Ochsenbach an Kloster Salem.

1271 übertrug Burkard von Ramsberg als Vormund das Gut »Nunbomen« (Neubrunn?) bei (apud) Ochsenbach an

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Kloster Wald. Von Ramsberg gehörte dem Ritterge-schlecht an, das als Dienstmannen des Grafen Rudolf von Pfullendorf-Ramsberg nach seinem Tode (um 1180) die Burg Ramsberg bei Groß-Schönach über-nahm und deren Namen führte.

1279 gingen die Rechte Konrads von Gundelfingen, wie Groß- und Kleinzehnt, in Oberochsenbach und Umge-bung an Kloster Salem. Ihm gehörten auch bis um diese Zeit Anteile an dem Burgbesitz in Burgweiler.

1313 gab ein Burkard von Ramsberg einen Acker und einen Leibeigenen in Oberochsenbach an Kl. Salem, im glei-chen Jahr Burk. Schoenherr einen Besitz im gleichen Ort an Kloster Beuron.

1324 wird ein Burkard von Ramsberg, Sohn des verstorbenen Rudolf von Ramsberg, als Besitzer einer Gutshälfte in Och-senbach genannt, die zweite gehörte Eberhard Gossen.

Das Haus Habsburg und Ochsenbach

Einen Anhaltspunkt über die Besitzverhältnisse kurz nach 1300 gibt uns das Habsburger Urbar, in dem der freien Leute Güter zu Ochsenbach neben anderen Orten jenseits der Ablach erwähnt werden. Die Vogtrechte zu Ochsenbach, Zwing und Bann, sowie die Ahndung von Diebstahl und Frevel standen dem Hause Habsburg bzw. Österreich zu10 .

Die Junker Schorpp von Freudenberg in Ochsenbach

Diese Vogtrechte scheint Österreich einige Zeit später den Junkern Schorpp von Frödenberg abgetreten zu haben. Sie nannten sich nach ihrem Schlößle auf dem Frödenberg bei Ochsenbach. Aus Frödenberg, dem Berg des Mannes oder der Sippe Fröda, soll sich dann der Name Freudenberg gebildet haben.

Der Name Schorpp bedeutet soviel wie Schildkröte oder Skorpion. Wir finden sie als Wappentiere im Wappen des Ortolf bzw. des Cunrat Schorpp um 1401 n . Bereits im Jahre 1400 hören wir von Ortolf und 1413 von seinen Brüdern Zehent und Cunrat Schorpp. Schorp wurde auch manchmal mit einem p geschrieben.

Weiteres wird uns am 1. September 1435 berichtet. Hier ist ein Cunrat Schorpp zu Freudenberg genannt, dem als Junker das Dorf Ochsenbach an Gerichten, Zwingen und Bannen zugehörte. Er stellte sich mit dem Richter und der Bauern-schaft des Dorfes eine Dorfordnung auf, in der auch die Strafen bei Übertretungen aufgeführt wurden.

Ähnlich wie bei dem Dorfbesitz der Junker Gremiich in Einhart, konnten auch die Junker Schorpp ihren Besitz in Freudenberg-Ochsenbach noch eine Zeitlang halten, wenn auch etliche Höfe in Ochsenbach bzw. Oberochsenbach schon an die Klöster gegangen waren. Bei einem Streit um Weiderechte trat 1450 Cunrat Schorpp, als Vogt des Dorfes Ochsenbach, gegen Denkingen auf, das damals dem Spital zu Überlingen gehörte.

Die besondere Lage Freudenberg-Ochsenbachs im Span-nungsfeld bzw. im Interessengebiet zwischen den Freien Reichsstädten Pfullendorf und Überlingen, sowie im Ein-flußbereich der Herren zu Heiligenberg, des Hauses Öster-reich und verschiedener Klöster wird deutlich bei einem Vorfall im Jahre 145312.

Die Pfullendorfer hatten Cunrat Schorpp wegen eines Streits in seinem Hause auf dem Freudenberg belagert und dann gefangengenommen. Seine Haft war offenbar nicht ganz gerechtfertigt, sonst hätte Herzog Sigmund zu Österreich dem Grafen Johann von Werdenberg, damals Herr zu Heili-genberg, nicht ausdrücklich den Befehl gegeben, in Pfullen-dorf vorstellig zu werden, um die Freilassung Cunrats zu erwirken. Hier erfahren wir, welch einflußreiche Freunde hinter Schorpp standen. Es waren u.a. Wernher von Zim-

i i t \ i w 1401

Ortolf gchnrp

v . Freuftenberg v . Freuftenberg

mern von Meßkirch und Albrecht Spät, der zwischen Mün-singen und Zwiefalten begütert war. Auch sie verwendeten sich persönlich in Pfullendorf für Schorpp. Nachdem er gelobte, keine Rache für den Vorfall zu nehmen und in Zukunft Rechtsstreitigkeiten mit Pfullendorf von einem Stadtgericht in Konstanz oder Überlingen behandeln zu lassen, kam er wieder frei.

Nach einiger Zeit mußte sich Cunrat Schorpp doch noch entschließen, seinen stolzen Besitz dem Kloster Salem als freies Eigen zu übertragen. Inder Urkunde vom 21. Juni 1454 heißt es dann: Cunrat Schorpp von Freudenberg und Elsbeth von Magen-buch, seine Ehefrau, verkauften dem Abt Georg und dem Kloster Salem das Haus Freudenberg, gelegen »ob den Bergen«, mit Gerichten und allen Zugehörden, ihr Gericht, Zwing und Bann und sonstigen Gerechtigkeiten zu Ober-und Unterochsenbach, zu Hahnennest, Mettenbuch, dem Benzenberg (ehem. bei Ruschweiler). Sie erhielten hierfür die nicht unbeträchtliche Summe von 3000 Pfund Heller Riedlin-ger Währung. Einem Bericht zufolge soll Cunrat Schorpp, wie damals oft üblich, seinen Sitz Freudenberg als Lehens-mann Salems weiter bewohnt haben.

Der historische Bericht des Jacob Reutlinger, Überlingen und die Akten des Spitalarchivs Überlingen zeigen uns nun das weitere Schicksal Cunrat Schorpps.

Cunrat mußte sich auch gegen das Spital Überlingen zur Wehr setzen. Selbst nach der Besitzübertragung an Salem kam es zu einem langen Prozeß. Die beiderseitigen Geplänkel endeten am Mauritiustag 1455 mit einer schärferen militärischen Auseinandersetzung. Schorpp gelang es im Zusammenwirken mit anderen Junkern, die ihm in seiner Sache beistanden, die Überlinger Reiter mit ihrem Hauptmann von ihrem Schutzobjekt Denkingen nach Heiligenholz wegzulocken. Während sie sich dort im Wirts-haus gütlich taten, stürzte sich Schorpp mit seiner Haupt-macht auf Denkingen und brannte das Dorf gänzlich nieder. Die reichsstädtischen Reiter bemerkten es zu spät und ver-folgten die Truppen der Junker bis Veringenstadt. Hierbei verloren die Reiter noch 3 Mann13 .

1459 begegnet uns nochmal die Ehefrau Eis Schorpin, geb. von Magenbuch, die wegen ihres persönlichen Besitzes in Freudenberg gegen die Stadt Pfullendorf klagte. Nach dem Aussterben des Geschlechts der Schorppen, führte Salem und nach dem 30jährigen Krieg Heiligenberg, den Hof Freuden-berg als Schupflehen mit abhängigen Bauern. An das Schlößle der Junker erinnert nur noch die Bezeichnung »Schloßbühl«. Sie wird im Urbar von 1758 genannt. Auch der Flurname »Schorppenholz« südlich Mettenbuch weist darauf hin.

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Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Lehen abgelöst, so auch das Lehen Freudenberg. Die Bewirtschaftet wurden wieder Besitzer14.

Der erste, uns bekannte, salemische »Mann« vom Freuden-berg dürfte vor 1520 Hans Moser, genannt Freudenberg, gewesen sein. Er empfing dann ein Gut zu Ostrach im Dorf als Leiblehen (Grundstück oberhalb der heutigen Bäckerei Richard Knoll).

Ein Chronist nennt weitere Verwalter bzw. Besitzer zwi-schen 1557 und 1920, die oft mehrere Generationen lang auf dem Freudenberg gesessen haben: Mayer, Gasser, Bannmül-ler, Mattheis, Fetscher, Sattler, Kugler, Reichle, König. Die Familie König stellte auch Bürgermeister von Burgweiler, so z.B. 1865. 1920 übernahm Leo Degen das Gut. Seine Frau Stefanie war eine geborene König.

Die Zeit Salems

Nachdem 1454 Cunrat Schorpps Besitz an Kloster Salem gegangen war, kam es 1471 zwischen Abt Johann von Salem und Graf Jörg zu Werdenberg und zum Heiligenberg zu Differenzen wegen der niederen Gerichtsbarkeit. Man einigte sich dann folgendermaßen:

Zu Ochsenbach, Hahnennest, Freudenberg, Spöck und Met-tenbuch soll der Abt die niedere Gerichtsbarkeit innerhalb der Etter und außerhalb zu Wald und Feld ausüben. Doch sollen Körperverletzungen (»fließende Wunden«) außerhalb der Etter in Wald und Feld von Graf Jörg und seinen Nachkommen an der Grafschaft zum Heiligenberg bestraft werden.

Abt Thomas von Salem wurde 1615 zum Prälaten gewählt. Die Hulding bzw. Vereidigung auf den neuen Abt fand für die Untertanen von Ober- und Unterochsenbach, Hahnen-nest, Freudenberg und Mettenbuch im Kloster Salem statt. Zur Musterung mußten die wehrhaften Männer dieser Orte am ö.Juli 1615 nach Ostrach kommen. Sie erfolgte dann in der Zehntscheuer, die heute noch steht15. Aus dem Jahre 1617 liegt ein Urbar der Heiligengüter der Pfleg Pfullendorf (-Ostrach) vor. Sie enthält u. a.: eine Auf-stellung der Gülte, Zins und Einkommen der Pfarrkirche zu Burgweiler St. Blasii. Hier werden auch Lehen und Abgaben von Bewohnern Ochsenbachs genannt: Als Salemer Lehensträger: Caspar Gasser von Freudenberg sowie Ursula Rothmund, Gregory Mayer, Bartie Galler von Ochsenbach und Mari Mayer von Oberochsenbach, ferner

der Scherer von Ochsenbach als Besitzer eines österreichi-schen Mannlehens. Darlehenszinsen gaben: Christa Moser, Hans Schwelling, Jerg Held und Christa Merling, alle von Ochsenbach.

Die Herrschaft Salems über die 1615 bei der Musterung genannten Orte endete bei einem Vergleich mit der Graf-schaft Heiligenberg während des 30jährigen Krieges im Jahre 1637.

1. Salem erhielt Regalien und Hoheiten im Gebiet »Unter den Bergen«, um das Kloster herum.

2. Heiligenberg erhielt dafür die 8 Weiler, Güter und Orte aus dem Bereich der salemischen Pfleg Pfullendorf (-Ostrach) »Ob den Bergen« Ober- und Unterochsenbach sowie Benzenberg, Hahnennest, Freudenberg, Metten-buch, Rotenbühl, den äußeren Berghof (Burghof ?) und einen Hof in Wintersulgen.

An 3. Stelle wurden dann Burgweiler und Dichtenhausen an Heiligenberg übertragen, mit Ausnahme der Rechte, die Sigmaringen zustanden.

Die Zeit der Grafen bzw. Fürsten von Fürstenberg und der badischen Staatshoheit.

Von seiten der Grafschaft Heiligenberg, die inzwischen in den Besitz derer von Fürstenberg übergegangen war, vertrat die Interessen ihres Hauses die Gräfin Anna Maria, Witwe des Grafen Egon von Fürstenberg. Die Verständigung mit Salem kam auf dem Reichstag in Regensburg zustande.

Diese vollständige herrschaftliche Bindung an das Haus Fürstenberg, bei der seit 1637 sowohl die Hohe als auch die Niedere Gerichtsbarkeit in einer Hand waren, brachten Ochsenbach, Burgweiler und den übrigen genannten Orten, nach dem Niedergang durch den 30jährigen Krieg, eine neue strukturelle Entwicklung.

Mit der »Flurbereinigung« Napoleons Anfang des ^ . J ah r -hunderts, änderte sich in unserer Gegend gar manches. So verloren auch die Freien Reichsstädte in der Nachbarschaft, Überlingen und Pfullendorf, ihre Selbständigkeit. Die umlie-genden Klöster wurden aufgelöst.

Das Land kam um 1806 unter badische Staatshoheit. Ochsen-bach, Burgweiler und die anderen genannten Orte unterstan-den dem Amt Heiligenberg, später dem Bezirksamt Pfullen-dorf, 1936 dem Bezirksamt bzw. Landkreis Überlingen.

(Fortsetzung f o l g t )

Anmerkungen 1 Krieger, Albert, Topographisches Wörterbuch des Großherzog-

tums Baden, 2. Bd., Heidelberg (1905), S.403, Ochsenbach, Dorf und Oberochsenbach, Gemeinde Burgweiler (Pfullendorf)

2 Handbuch der Erzdiözese Freiburg, Realschematismus, (1939), Dekanat Meßkirch, 6. Pfarrei Burgweiler, 7. Pfarrei Denkingen, S. 373/374

3 Stengele, P. Benvenut, Würzburg, Beiträge zur Geschichte des Ortes und der Pfarrei Denkingen im Linzgau sowie der dazu gehörigen Filialen, FDA, 23. Bd., (1893), S. 291-328

4 a) Goeggel, Otto, Beitrag zur Geschichte der Pfarrei Burgweiler, in: Bodensee-Chronik 24 (1935), Nr. 1-5; b) Goeggel, Otto, Das Dorf Hahnennest im oberen Linzgau (seine Höfe und Bauerngeschlechter) in: Bodensee-Rundschau vom 14. 9. 1937, und vom 15. 9. 1937, S. 8

5 Wich, Albert, Ochsenbach im Linzgau und seine Bewohner, in: Archiv für Sippenforschung 14 (1937), S.306

6 BayHStA Fürststift Kempten, NA Cit. 2052 und Ruf, Martin OSB, Eine Chronik der Fürstabtei Kempten aus dem 18. Jahrhun-dert, Allgäuer Geschichtsfreund 80, Kempten (1980), S.42ff. sowie Rottenkolber, J o s e f , Studien zur Geschichte des Stiftes Kempten, Sonderdruck Anton Pustek, Salzburg (1920)

7 Haid, W., Uber den kirchlichen Charakter der Spitäler, besonders

in der Erzdiözese Freiburg, FDA 3 (1868), S.34, Anmerkungen Nr. (9)

8 Kneschke, E.H., Deutsches Adelslexikon, (1929), Bd.IV, S.30 (Jahr 910)

9 Württembergisches Urkundenbuch (= WÜUB) 2, S. 83-91, Nr. 350, 1155, Sept. 23

10 wie 5), S. 402; FUB 5 S. 315/316, Nr. 336, 1313 auch: Meyer, Dieter-Wilhelm, Die Grafschaft Sigmaringen und ihre Grenzen im 16. Jahrhundert, Liehner Sigmaringen, (1959) S.24 Fußn.35) und S. 26

11 Alberti, Otto, Württembergisches Adels- und Wappenbuch, 2. Bd., (1889), S. 706 und Lexer, Mittelhochdeutsches Handwör-terbuch II, S. 773

12 wie 4), S. 306 13 Wie 4), S.293 auch: ZGO XXXIV, S.49 14 a. PfarrA Ostrach, Abt. Burgweiler, XXV, Zehntablösung in

Freudenberg, Ochsenbach und Zoznegg in der Pfarrei Denkingen betreffend, u.a. Korrespondenz zw. Erzbischöfl. Decanat Linz-gau und Großherzogl. Bezirksamt Heiligenberg v. März und April 1842

15 StA Sigmaringen, Ho 158, Urk. Salem, Repert. Herberhold, Nr. 419, 1615, Juli 6

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HERBERT RÄDLE

Zum Gedenken an den vor 450 Jahren gestorbenen Simon Grynaeus (1493-1541)

Vor 450 Jahren, am 1.8. 1541, wurde der Humanist und Theologe Simon Grynaeus in Basel von der Pest hinwegge-rafft. Bei der Einweihung des »Simon-Grynäus-Hauses« in Veringenstadt an Ostern dieses Jahres gedachte die evangeli-sche Kirchengemeinde in würdiger Weise dieses Sohnes unserer Heimat.

Simon Grynaeus war der Sohn einfacher Leute. Sein Vater, Thomas Griener, war Bauer und Schultheiß in Veringendorf. Nachdem der junge Simon in der in Veringen für das Jahr 1478 bezeugten Schule Lesen und Schreiben gelernt hatte, kam er um 1508 nach Pforzheim auf die Lateinschule, wo der spätere Lutheraner Nikolaus Gerbel sein Lehrer und kein geringerer als Philipp Melanchthon einer seiner Mitschüler wurden. Als Baccalaureus kam Grynaeus 1511 auf die Uni-versität Wien. Dort erwarb er den Titel eines Magister artium. Die Stationen Buda, Wittenberg und Heidelberg führten ihn 1529 in das soeben reformierte Basel, wo er zunächst Profes-sor für Griechisch, dann auch für Theologie wurde. Seine Basler Tätigkeit unterbrach er nur zweimal. 1531 unternahm er eine dreimonatige Studienreise nach England. Dort wohnte er auf Vermittlung von Erasmus im Hause des Lordkanzlers Thomas Morus und traf am 6.6. 1531 auch mit Heinrich VIII. zusammen. Im Oktober 1534 verließ er Basel wiederum, für ein knappes Jahr, um im Auftrag Ulrichs von Württemberg die Universität Tübingen zu reformieren.

Dem Luthertum hatte sich Grynaeus schon in seiner Budaer Zeit (1521) g enähe r t e r tendierte aber bald zum Zwinglianis-mus. Im zeitlich frühesten Religionsgespräch über die Abendmahlsfrage disputierte er Ende 1525 mit dem Lutheraner Johannes Brenz im Schloß der Herren von Gem-mingen zu Guttenberg am Neckar. Als guter Freund Bucers und Capitos setzte er sich in den Jahren 1536-38, auch mit Unterstützung Melanchthons, dafür ein, eine Übereinkunft zwischen den zwinglianisch orientierten Schweizern und »Oberdeutschen« einerseits und den Lutheranern anderer-seits zu erreichen. Wenn diese Bemühungen letztlich schei-terten, so ist das am allerwenigsten Grynaeus anzulasten. Grynaeus' Ruf als Gelehrter und Herausgeber zahlreicher klassischer griechischer und lateinischer Autoren, erschienen

zumal in den Jahren 1531-1534, strahlte weit über Basel hinaus. In seinen Griechischvorlesungen saßen in den 30er Jahren so bedeutende Männer wie der spätere Reformator Johannes Calvin (der ihm 1539 zum Zeugnis der Freund-schaft seinen Römerbriefkommentar widmet) oder dessen späterer Nachfolger im Amt des Leiters der Genfer Kirche, Theodor Beza.

Von Theodor Beza stammt auch das folgende Trauerge-dicht2, das uns nochmals eindringlich den Tod dieses sympa-thischen Sohnes unserer Heimat ins Gedächtnis ruft: Wer immer dich, Simon Grynaeus, sah, wurde dir alsbald Freund, solche Güte und Freundlichkeit strahltest du aus. Wer immer dich, Simon Grynaeus hörte, war gefangen von der Klugheit und Anmut deiner Rede. Nun aber ist es keinem mehr vergönnt, dich zu sehen, noch dich zu hören, da der Tod dich uns entrissen hat. Aber wir besitzen zum Glück noch die Vermächtnisse deines Geistes in Gestalt deiner - freilich allzu wenigen - Schriften. In ihnen können wir dich noch sehen und bewundern, und du bleibst ewiger Liebe würdig, Simon3.«

Anmerkungen 1 Im Budapester Museum für Reformationsgeschichte am Deak-Ter

ist Grynaeus unter den Vätern der ungarischen Reformation ein Ehrenplatz eingeräumt.

2 Der lateinische Text des Gedichts lautet: Te quicumque Simon Grynaee aspexit, amavit:

Splenduit in vultu gratia tanta tuo. Te quicumque Simon Grynaee audivit, amavit:

facundo fluxit tantus ab ore lepos. Amplius at cur non audire et cernere fas est?

Scilicet hoc fati vis inopina vetat. Immo fallor ego. Nam sint paucissima quamvis

Ingenii nobis scripta relicta tui: Te spectamus adhuc, te nos miramur in illis:

Aeternoque manes dignus amore Simon. 3 Eine Auswahl von Grynaeusbriefen in deutscher Ubersetzung -

die Originale sind lateinisch geschrieben - erschien vor kurzem in der Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde, Band 90, 1990, S. 35-118.

OTTO HELLSTERN ( f )

Geschichte der fürstlich-hohenzollerischen Domäne Glatt-Oberhof (Fortsetzung)

1740 Am 11. April (Nachweisung für die ersten zwei Regesten von 1731) steht im Mitgliederverzeichnis der Glatter Rosenkranzbruderschaft vermerkt: »Johannes Umbrecht Oberhofmayer (Junior)«, »Jo-hannes Umbrecht aus Ohldorf sitzender alter Mayer (Senior)«.

Unter dem 17. Juli ist im Verzeichnis eingetragen:

»Franziska Schmidin Oberhofmayerin uxor Johannes Umbrecht (Junior«) (Pfarrarchiv Glatt.)

1742 Am 4. April ist der 9jährige »Michael Umbrecht Hof-mayerssohn« in die Glatter Rosenkranzbruderschaft aufgenommen worden. (Mitgliederverzeichnis Pfarrarchiv Glatt.)

1743 Am 1. Februar kaufte die Herrschaft Muri den ehem. Lichtensteinischen Besitz Neckarhausen um 36500 Gulden. Der Oberhofmaier des Hochfürstlichen Stif-tes Johannes Umbrecht, wurde als Verwalter bzw. als Hausmeister mit seiner Familie nach Neckarhausen gesetzt. Mit ihm zog sein lediger Bruder Antoni-us, genannt »der Bügel«, als herrschaftlicher Haus-knecht.

Bruder Andreas Umbrecht übernahm als neuer Maier den herrschaftlichen Oberhof. (FAS, Bestand Glatt, Kaufvertrag vom 23. Mai 1753 zwischen Johannes Umbrecht und Jörg Becht von Glatt und Niederschriftsvermerk im Pfarrarchiv Glatt.)

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1744 Am 31. März ist »Blasius, Sohn des Oberhofmaiers Andrä Umbrecht« in die Glatter Rosenkranzbruder-schaft aufgenommen worden. (Mitgliederverzeichnis im Pfarrarchiv Glatt.)

1747 Am 7. Februar »Ausrutscher« des ehrbaren und ange-sehenen hochfürstlichen Murischen Oberhofmaiers Andreas Umbrecht: Die ledige 22jährige Magdalena Kummer von Glatt/ Allerheiligen brachte eine Tochter Maria Theresia zur Welt; der Vater war Andreas Umbrecht. Für die damalige Zeit ein ungewöhnliches Ereignis. (Familien-Chronik Glatt.)

Die Oberhofmaierin Nymphia, Gattin des illegitimen Vaters, und die streng religiös ausgerichtete Herr-schaft, scheinen diesen Fehltritt vergeben zu haben. (Nachfolgende Regest bestätigt diese Annahme.)

1747 Am 26. Juli spendete der Konstanzer Weihbischof, Graf Franziskus Carolus Josephus Fugger von Kirch-berg und Weißenborr, in Glatt die Firmung. Unter den 52 Firmlingen waren die Kinder Blasius und Casparus mit den Eltern »Andreas Umbrecht Hof-mayer et Nympha Kinien«. (Kirchbuch Pfarramt Glatt.)

1750 Am 23. Mai wurde der Knabe Caspar, »Sohn des Hofmayers Andreas Umbrecht et Nymphia Kinien«, in die Glatter Rosenkranzbruderschaft aufgenommen. (Mitgliederverzeichnis im Pfarrarchiv Glatt.)

1763 Am 29. Juni heiratete der ehrenhafte Jüngling Blasius Umbrecht, Bürger zu Dettensee, die sittsame Jungfrau Catharina Schäfer von Eutingen in der Pfarrkirche zu Glatt. Die jungen Eheleute arbeiteten und lebten zeitweilig bei den Eltern auf dem Oberhof. Am 22. September 1764 kam ihr erstes Kind mit dem Namen Barbara auf dem Hof zur Welt. (Familien-Chronik Glatt.)

1768 Am 6. September verstarb »Nympha Kiene uxor villici nostri auf dem oberen Hof Andrea umbrecht«. (Familien-Chronik Glatt.)

1769 Nach seiner Verlobung in Betra »heirateten am 23. Ja-nuar der ehrenhafte Jüngling Casparus Umbrecht Sohn des Oberhofmayer et die sittsame Jungfrau M. Barbara Wolfin von Betra« in der Pfarrkirche zu Glatt. (Familien-Chronik Glatt.)

Am 2. Februar, wenige Tage nach seiner Hochzeit, verkaufte der junge Oberhofmaier Caspar Umbrecht seine drei Viertel und 15 Ruthen große Wiese im Butzenstein an Matthias Siber, Bürger zu Dürrenmett-stetten, um 126 Gulden. Siegler des Kaufvertrages ist der hochfürstliche Murische Statthalter zu Glatt und Neckarhausen, Pater Jodocus Widerkehr. (Original in Händen des Verfassers.)

1770 Am 21. August ist dem jungen Oberhofmaier Caspar eine Tochter geboren worden. Taufpaten waren sein Vetter Michael Umbrecht, Kro-nenwirt, und Cousine Agnes Jung, beide von Glatt. Kurz danach sind die Umbrechts, Vater und Sohn Caspar mit Familie, vom Oberhof nach auswärts weggezogen.

Zum neuen Oberhofmaier bestellte die Herrschaft Muri den 48jährigen Bauern Christian Traub von Glatt. Er war verheiratet mit der Anna Maria Leix, einer Nichte des gewesenen Oberhofmaiers Andreas Umbrecht. In der Ehe wurden 8 Kinder geboren.

Neben der Bebauung des Oberhofes bewirtschaftete Traub noch sein eigenes, bisher innegehabtes Taglöh-nergütle in Glatt im Täle Nr. 27, genannt »Bauern Christiis Haus am Kirchbach«. (Familien- und Häuserbeschreibung zu Glatt von 1767, Pfarrarchiv Glatt, und Familien-Chronik Glatt.)

1777 Am 24. November brachte die Maierin Anna Maria Leix eine Tochter »In dem Oberen Hof« zur Welt. Kurz nach der Geburt verstarb das Kind. Zuvor spendete Hebamme Rosa Kern die Nottaufe. (Familien-Chronik Glatt.)

1779 und in den nachfolgenden Jahren wird der Murische Oberhofmaier Christ Traub immer wieder als Zah-lungspflichtiger kirchlicher Abgaben in der jeweils lfd. Jahresrechnung aufgeführt. (Kirchenrechnungen im Pfarrarchiv Glatt.)

1781 Am 3. Januar verstarb die 43jährige Oberhofmaierin Anna Maria Leix. Im Sterbebuch ist vermerkt: »Die sehr geachtete und beliebte Frau sei im 6. Monat schwanger gewesen. Versehen mit den hl. Sterbesakra-menten habe sie bis zu ihrem Tode bei völliger Ent-kräftung große Schmerzen erduldet.«

Der Witwer, Christian Traub, heiratete am 30. April 1781 die 42jährige sittsame Jungfrau Anna Maria Renz von Glatt. In der Ehe ist ein Kind geboren, das kurz nach der Geburt verstorben ist. (Familien-Chronik Glatt.)

1784 Am 2. Februar wird Christian Traub in der Kirchen-rechnung immer noch als Oberhofmaier bezeichnet. (Pfarrarchiv Glatt.)

1796 Am 18. April heiratete des Hofmalers Sohn, Martin Traub, 31 jährig, die Jungfrau Priska Treßel von Mahl-stetten auf den Oberhof. Die Braut war vor der Heirat Küchenmagd im herrschaftlichen Schloß zu Glatt. In der Ehe wurden 3 Kinder geboren. Der 67jährige Alt-Oberhofmaier Christian Traub zog sich mit seiner 2. Frau ins Leibgeding auf sein Taglöh-nergütle nach Glatt zurück. Er bewohnte dort bis zum Tode das sogenannte »Althofmayers Haus«. Er ver-starb 1820 im gesegneten Alter von 90 Jahren. (Familien-Chronik Glatt.)

Buchbesprechung

Frauke Stein, Alamanniscbe Siedlung und Kultur, Das Reihengräberfeld in Gammertingen. Das Alamannische Gräberfeld von Gammertingen hat wegen seiner reichen Funde überregionale Bedeutung. Obwohl schon 1884 in Gammertingen die ersten Reihengräber gefun-den wurden, fehlte bisher eine eingehende wissenschaftliche Bearbeitung. Diese Bearbeitung wurde nun von Frau Profes-sor Dr. Frauke Stein vorgelegt.

Das Buch beginnt mit einem Abriß der alamannischen Geschichte. Es berichtet über die ersten Vorstöße der Germa-nen über den römischen Limes, als deren Folge, trotz aller Bemühungen der Römer, die agri decumates, das Land zwischen Rhein und oberer Donau um 260 n. Chr. verloren ging. Die schriftlichen Quellen sind spärlich, nur archäologi-sche Funde deuten auf Brandschatzung durch die Alamannen und Flucht der einheimischen Bevölkerung hin. Auch die

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Verlag: Hohenzollerischer Geschichtsverein Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen

M 3828 F

Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt.

Besiedlung durch die Alamannen ist nur aus gelegentlichen Bodenfunden zu erschließen. Die Alamannen waren in eine Anzahl von Teilstämmen gegliedert, die immer wieder in Kämpfe mit den Römern verwickelt waren. In der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts kam es zu Konflikten zwischen Alamannen und Franken, die um 500 mit der Unterwerfung der Alamannen endeten. Aus dieser Zeit stammen die meisten Reihengräberfriedhöfe mit ihren Grabbeigaben, die bis zur Mitte des 7. Jahrhunderts reichen. Mit zunehmender Chri-stianisierung entstehen Friedhöfe um die Pfarrkirchen, die ohne Grabbeigaben sind.

Die große siedlungsgünstige Mulde, in der Gammertingen liegt, war schon im 2. Jahrtausend v. Chr. besiedelt. So ist es kein Zufall, daß sich hier auch die Alamannen niederließen. Zwei frühalamannische Fibeln sprechen dafür, daß sich in Gammertingen schon im 4. Jahrhundert eine Siedlung befand. Allerdings wurden die Fibeln in Gräbern des 6. oder 7. Jahrhunderts gefunden. Für eine frühe Siedlung spricht auch der Beginn des Reihengräberfeldes um die Mitte des 5. Jahrhunderts. Der Fundgeschichte des Gammertinger Ala-mannenfriedhofes ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Von 1884 bis 1931 wurden immer wieder Gräber gefunden, leider wurden meistens nur Grabbeigaben geborgen.

Landeskonservator W. F. Laur hat 1904 Gräber eingemessen und auch genaue Beschreibungen gemacht. Frauke Stein nimmt an, daß in diesem Jahr 57 Gräber gefunden wurden. Leider sind diese und andere wichtige Unterlagen während des Zweiten Weltkrieges bei einem Luftangriff in Stuttgart verbrannt. Ein weiteres Hindernis für die Forschung ist die Tatsache, daß ein großer Teil der Gräber wohl schon in frühmittelalterlicher Zeit beraubt wurde.

Insgesamt waren in dem Gräberfeld mindestens 300 und höchstens 350 Tote bestattet. Es sind keine Skelette erhalten und deshalb war auch keine anthropologische Untersuchung möglich. In Analogie zu anderen untersuchten Gräberfeldern läßt sich die jeweilige Bevölkerung der Siedlung Gammertin-gen ungefähr schätzen.

Bekanntester Grabfund von Gammertingen ist das 1902 entdeckte »Fürstengrab«, welches von der Verfasserin vor-

1 sichtiger, nach dem bedeutendsten Fund, als Helmgrab bezeichnet wird. Lange wurde vermutet, daß diese sogenann-ten Spangenhelme in Italien angefertigt worden seien. Neue Fundumstände legen jedoch nahe, daß die Helme aus dem oströmischen Reich, wahrscheinlich sogar aus Konstantino-pel stammen. Das »Grab des Helmträgers« wird eingehend besprochen und seiner Familie werden noch das Grab eines jungen Mädchens und ein Frauengrab mit außergewöhnli-chem Schmuck zugeordnet. Obwohl ein großer Teil der Gräber ausgeraubt war, viele Fundstücke schlecht dokumen-tiert und teilweise nur in Bruchstücken vorhanden sind, gelingt es Frauke Stein, durch eingehende Untersuchung und Vergleiche, die Mehrzahl der Gräber zeitlich und sozial einzuordnen. Von Anfang an läßt sich im Gammertinger Gräberfeld eine Oberschichtfamilie nachweisen, die in der zweiten Hälfte des Ö.Jahrhunderts mit dem Grab des Helm-trägers einen Höhepunkt an Geltung erreicht. Es ist wahr-scheinlich, »daß diese Familie eine überregionale Bedeutung behielt.« Es läßt sich auch zeigen, daß auf dem Gräberfeld Angehörige einer Mittelschicht begraben wurden und mit Gräbern einer Unterschicht zu rechnen ist.

Ein weiterer Abschnitt des Buches bringt »Einblicke in das tägliche Leben und die wirtschaftlichen Verhältnisse«. An Hand der Gammertinger Grabfunde wird über Bekleidung, Essen und Trinken, das Kriegshandwerk, die Jagd, die Land-wirtschaft, Handwerk und Handel berichtet.

Obwohl es sich bei dem Buch um ein wissenschaftliches Werk handelt, ist es doch so geschrieben, daß eine breite Leserschicht angesprochen wird. Unerklärte Fachbegriffe oder schwierig zu verstehende Passagen kommen nicht vor; das Buch ist vielmehr in einer klaren und disziplinierten Sprache geschrieben, Fachausdrücke sind in einem Glossar erklärt. Der Text wird durch zahlreiche Abbildungen ergänzt. Die Arbeit ist ein wesentlicher Beitrag zur Lokalge-schichte, aber auch eine Ergänzung der alamannischen und frühmittelalterlichen Geschichte in Südwestdeutschland.

Frauke Stein, Alamannische Siedlung und Kultur, Das Reihengräberfeld in Gammertingen. 140 Seiten mit 59 Abbildungen, davon 12 in Farbe. Jan Thorbecke Verlag, Sigmaringen.

HOHENZOLLERISCHE HEIMAT hrsggbn. vom Hohenz. Geschichtsverein. ISSN 0018-3253 Erscheint vierteljährlich.

Die Zeitschrift »Hohenzollerische Heimat« ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will besonders die Bevölkerung in Hohenzollern und der angrenzenden Landesteile mit der Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie bringt neben fachhistorischen auch populär gehaltene Beiträge.

Bezugspreis: 8.00 DM jährlich.

Konto der »Hohenzollerischen Heimat«: 803843 Hohenz. Landesbank Sigmaringen (BLZ 65351050).

Die Autoren dieser Nummer:

Armin Heim, Christoph Stauss Sonnenhalde la 7790 Meßkirch

Walter Kempe Silcherstraße 11 7965 Ostrach

Dr. Herbert Rädle Veit-Jung-Straße 13a 8430 Neumarkt

Druck: M. Liehners Hofbuchdruckerei GmbH & Co., 7480 Sigmaringen, Karlstraße 10.

Schriftleitung: Dr. H. Burkarth, Eichertstraße 6, 7487 Gammertingen Telefon 07574/4407

Die mit Namen versehenen Artikel geben die persönliche Meinung der Verfasser wieder; diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge verantwortlich. Mitteilungen der Schriftlei-tung sind als solche gekennzeichnet. Manuskripte und Besprechungsexemplare werden an die Adresse des Schriftleiters er-beten. Wir bitten unsere Leser, die »Hohenzolleri-sche Heimat« weiter zu empfehlen.

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M 3828 F H O H E N Z O L L E R I S C H E

HEIMAT Herausgegeben vom

Hohenzollerischen Geschichtsverein

41.Jahrgang Nr. 4/Dezember 1991

Enthüllung des ersten Straßenschildes der Hohenzollernstraße am 15. Oktober 1991 in Gammertingen. Von links nach rechts: Landrat Binder, Sigmaringen, Landrat Fischer, Balingen, Kaiserliche Hoheiten Michael Prinz und Brigitte, Prinzessin von Preußen, S. Durchl. Karl Friedrich, Erbprinz von Hohenzollern-Sigmaringen, Bürgermeister Hauser, Neufra, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Hohenzollernstraße.

Vorstellung der Hohenzollernstraße

Am 15. Oktober 1991 wurde in einer Feierstunde im Rathaus von Gammertingen eine neue Touristikstraße, die Hohenzol-lernstraße, vorgestellt. Seit 1988 arbeiten die Landkreise Sigmaringen und Zollernalb an der Errichtung dieser neuen Touristikstraße. Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft ist Bürgermeister Hauser aus Neufra. Zur Eröffnung fand auf dem mit einem schwarz-weiß gestreiften Schilderhaus und der Hohenzollernfahne geschmückten Rathausplatz ein Appell der Hohenzollernkü-rassiere statt. Rittmeister Baum meldete den Landräten der

Kreise Sigmaringen und Zollernalbkreis die angetretene For-mation. Aus Hechingen, wie aus Sigmaringen war hoher Besuch eingetroffen, Kaiserliche Hoheiten Prinzessin Bri-gitte und Prinz Michael von Preußen und SD. Karl Friedrich, Erbprinz und SD. Franz Prinz von Hohenzollern-Sigmarin-gen. Die beiden Landräte Binder und Fischer wiesen in ihren Ansprachen auf die Tradition der Hohenzollerischen Lande hin, die es zu pflegen gelte. Bürgermeister Hirschle begrüßte die Teilnehmer in Gammertingen und wies auf die Rolle von Gammertingen innerhalb Hohenzollerns hin. Bürgermeister

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Hauser, Neufra, berichtete über die Vorgeschichte der Hohenzollernstraße und stellte die neue Touristikstraße vor. In der anschließenden Festansprache wurde gezeigt, wie Hohenzollern, das neben Baden und Württemberg als drittes Land im Südweststaat aufging, weitgehend in Vergessenheit geraten ist. An einigen Streiflichtern aus der hohenzolleri-schen Geschichte wurden die Besonderheiten des Ländchens angesprochen. Erinnert wurde an die Zeit der beiden selb-ständigen Fürstentümer und die preußische Zeit. Es wurde auch darauf hingewiesen, daß Hohenzollern mit seinen hete-rogenen Bestandteilen ein Überbleibsel des Heiligen Römi-

schen Reiches Deutscher Nation ist und daß unter der »Decke« Hohenzollern eine reichhaltige ältere Geschichte verborgen ist. Nach einem Gruß wort, das von S.D.Karl Friedrich, Erb-prinz von Hohenzollern-Sigmaringen, vorgetragen wurde, begab sich die Festversammlung an die Straßenkreuzung oberhalb des Rathauses von Gammertingen. Hier wurde das erste Straßenschild der Hohenzollernstraße enthüllt. Das gleichzeitig erschienene Buch zu der neuen Touristikstraße »Im Land der Hohenzollern« ist an anderer Stelle bespro-chen.

Das Hohenzollern'sche Militär zur Zeit der Napoleonischen Kriege bis zu seiner Auflösung im Jahre 1849 (Fortsetzung)

B. Das hohenzollerische Militär zur Zeit des Deutschen Bundes.

1815 war auf dem Wiener Kongreß der Deutsche Bund gegründet worden, dem 37 souveräne Fürsten und vier freie Städte angehörten. Die Armee des Bundes wurde von den Kontingenten der einzelnen Staaten gebildet. Dorn berichtet dazu:

»Inzwischen erfolgte im Jahre 1819 eine neue Einteilung des deutschen Bundesheeres, und zwar wurde Hohenzollern dem 8. Bundes-Armeekorps zugeteilt.

Dazu sollten stellen: Württemberg 13955 Mann, Baden 10000 Mann, Großherzogtum Hessen 6195 Mann, Hohen-zollern-Hechingen 145 Mann, Lichtenstein 55 Mann, Hohenzollern-Sigmaringen 356 Mann, Hessen-Homburg 200 Mann und Frankfurt 479, zusammen 31385 Mann13 .

Unter dem 10. April 1820 ist sodann ein neues Allgemeines Rekrutierungs-Gesetz erlassen worden. Danach erfolgt die Aufstellung und Ergänzung des Bundeskontingentes durch freiwilligen Eintritt und, soweit dieser nicht zureicht, durch Aushebung. Die Freiwilligen dürfen nur Landeseingeborene sein im Alter von 18-25 Jahren, Spielleute jedoch schon mit 15 Jahren. Die Militärpflicht ist allgemein. In außerordentli-chen Fällen kann die Dienstzeit bis zum 40. Lebensjahre ausgedehnt werden. Der Freiwillige bekommt ein Handgeld von 25 fl.

Die Dauer der Dienstzeit beträgt 6 Jahre in Friedenszeiten. Frei von der Aushebung sind dieselben, wie in vorhergehen-der Zeit14. Jeder Ausgehobene kann einen anderen dienst-tauglichen Mann für sich stellen. Das Kaufgeld wird als Kaution verzinslich angelegt bis zum Schluß der Dienstzeit. Die Zinsen können während der Dienstzeit abgehoben werden.

Unter den Diensttauglichen entscheidet das Los zum Eintritt. Die Anfertigung der Montierungsstücke und die Lieferung der Nahrungsmittel für das im Dienst befindliche hohenz. Militär wurden öffentlich ausgeschrieben und an den Wenigstnehmenden vergeben, und die alten Militäreffekten wurden verkauft.

Infolge des neuen Rekrutierungsgesetzes wurden im Jahre 1826 aus den drei Altersklassen 1801, 1802 und 1805 je 60 Mann, zusammen also 180 Mann, ausgehoben. Davon wur-den ein Jahrgang nach dem anderen einberufen, ausgebildet und dann zwei Drittel davon beurlaubt, ein Drittel blieb im Dienst, mithin waren dann 60 Mann im Dienst. Im Jahre 1827 wurden ebenfalls 180 Rekruten ausgehoben aus den Jahrgän-gen 1803,1804 und 1806 und, wie vor angegeben, ausgebildet und zwei Drittel beurlaubt.

Damit waren nun 6 Jahrgänge ausgehoben und ausgebildet und damit das hohenzollern-sigmaringensche Bundeskontin-gent auf die vorgeschriebene Sollstärke gebracht, mit 360 Mann. In den nächsten Jahren wurden jährlich 60 Rekruten ausgehoben, und zwar erstmals aus der Altersklasse 1807.

Laut Beschluß des deutschen Bundestages wurde das gesamte fürstliche Militär-Kontingent zum 25. Oktober 1831 nach der Stadt Sigmaringen einberufen behufs Musterung durch den Kgl. Bayerischen Generalmajor und Brigadier Freiherrn von Hertling, welcher am 30. Oktober 1831 hier eingetroffen war. Nach beendeter Musterung wurde die Mannschaft wieder in die Heimat beurlaubt, mit Ausnahme der zum Dienst verblei-benden Abteilung. Diese Musterung soll gut ausgefallen sein in allen Teilen, sowie auch im Feuergefecht. Bei Gelegenheit dieser Musterung wurde auch das gesamte Kontingent auf den Landesfürsten vereidigt.

Das Sigmaringer Kontingent war in drei Kompagnien einge-teilt worden, und zwar als zweite, dritte und vierte Kompa-gnie. Die erste Kompagnie stellte das Fürstentum Hohenzol-lern-Hechingen. Einen Schützenzug mit einem Offizier und 55 Mann sollte dazu das Fürstentum Lichtenstein stellen. Diese drei Fürstentümer stellten zusammen das hohenzol-lernsche Bataillon in einer Stärke von 600 Mann samt Spiel-leuten. Dieses Bataillon war dem achten deutschen Bundesar-meekorps zugeteilt.

1831. Eine Neuordnung der Aushebung wird angeordnet. Als Beispiel sei angeführt: Von den gestellungspflichtigen Rekruten wurden ausgehoben: von 78 tauglichen Mann im Amtsbezirk Gammertingen 16, von 75 tauglichen Mann im Amtsbezirk Haigerloch 15, von 110 tauglichen Mann im Amtsbezirk Sigmaringen 20 und von 41 tauglichen Mann im Amtsbezirk Wald 8 Mann; zusammen 60 Mann. Das Kontin-gent erhielt neue Montierungsstücke in blauem Tuch angefer-tigt. Die Rekruten waren verpflichtet, folgende zur kleinen Montur gehörigen Gegenstände selbst anzuschaffen und bei ihrem Eintritt mitzubringen: 2 Hemden, 2 Paar Unterhosen, 1 Paar leinene Hosen, 2 Paar Strümpfe, 2 Paar Halbstiefel, 1 Halsbinde, 1 Ordonnanzmütze, 1 Paar Fäustlinge, 2 Hand-tücher, 2 Nastücher und das nötige Putz- und Nähzeug. Dafür erhält jeder Rekrut oder dessen Einsteher aus der Landeskasse für die ganze Dauer der Dienstzeit 8 Gulden ausgezahlt.

Auch 260 neue Bettstellen nebst Zubehör und 280 Stück wollene Decken werden angeschafft für die Kaserne in Gor-heim, ebenso neue Tische, Bänke, Stühle und dergleichen. 1836. Im Jahre 1836 wurde das fürstliche Bundes-Kontingent durch den Kgl. Bayerischen Hauptmann Hügler nach dem bayerischen Exerzier-Reglement eingeübt.

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Eine vom Bundestage angeordnete Musterung des ganzen Kontingentes wird von dem Kgl. bayerischen Generalmajor Grafen von Ysenburg am 15. und 16. Oktober 1836 ange-halten. 1839. Im Jahre 1839, den 12. September, wurde der Kgl. Bayerische Major von Niedermeyr zum Oberstleutnant und Kommandanten des fürstlich-sigmaringenschen Bundes-Kontingents ernannt.

1840. Um das erforderliche Bundeskontingent auf die vorge-schriebene Höhe zu bringen, wurden statt der seitherigen 60 Rekruten, vom Jahre 1840 an jährlich 90 Rekruten ausgeho-ben. Die aktive Dienstzeit wurde von 6 auf 4 Jahre herabge-setzt. Dagegen die Mannschaft vom 4. bis 6. Dienstjahre, also auf 2 Jahre der Reserve überwiesen. Es sollen von nun an also ausgehoben werden: im Amtsbezirk Haigerloch von 108 Pflichtigen 33 Rekruten, im Amtsbezirk Gammertingen von 72 Pflichtigen 22 Rekruten, im Amtsbe-zirk Sigmaringen von 81 Pflichtigen 25 Rekruten, im Amtsbe-zirk Wald von 34 Pflichtigen 10 Rekruten, im ganzen von 295 Pflichtigen 90 Rekruten. Über die Einstellung entscheidet das Los. 1841. Im Jahre 1841 wurden aus den letzten drei stellungs-pflichtigen Jahrgängen weitere 180 Mann nachträglich ausge-hoben und der Reserve überwiesen nach vorheriger Ausbil-dung. Im August 1841 wurde dem Kommandanten des fürstlich-sigmaringenschen Bundes-Kontingentes, Oberst-leutnant von Niedermayr, auch das Kommando über die fürstlich-hechingensche und fürstlich-lichtensteinische Bun-deskontingente übertragen; nun war das fürstlich-hohenzol-lerisch-lichtensteinische Bataillon fertig. Vom 26. September bis 8. Oktober 1841 war das gesamte Bataillon, also das Sigmaringer-, Hechinger- und lichtensteinische Kontingent (letzteres als Scharfschützenzug) in der Gegend von Gam-mertingen versammelt, um daselbst Herbstübungen abzu-halten.

Bei dieser Gelegenheit wurde das gesamte Bataillon durch den Kgl. Bayerischen General, Grafen von Ysenburg, von Bundes wegen inspiziert. Dieses hohenzollerische Bataillon wurde, im Gegensatz zu Grenadieren und Musketieren, welche als schwere Infanterie bezeichnet wurden, als hohen-zollerisches leichtes Bataillon - oder auch Jägerbataillon -und danach war auch dessen Bekleidung und Ausrüstung angepaßt«.

Die Uniformen

»Die Uniform bestand aus dunkelblauem Tuch - Waffenrock und Hose, der Waffenrock mit einer Reihe Knöpfen und rot paspolliert, mit dunkelgrünem Kragen und Armelaufschlä-gen, beide rot eingefaßt, und roten Achselklappen, über der Brust eine grüne Fang- oder Jägerschnur mit zwei Quasten und einer Signalpfeife aus schwarzem Horn. Die Hose eben-falls blaues Tuch wie der Waffenrock mit roten Paßpols. Die Mütze von gleichem Tuch wie Rock und Hose mit Schirm etwas nach unten gebogen, der untere Teil der Mütze etwa drei Finger breit dunkelgrünes Tuch, der obere Teil etwas kleiner, der obere und untere Teil rot eingefaßt, über dem Schirm eine schwarz-weiße Kokarde. An den Armelaufschlä-gen drei Knöpfe. Der Mantel ganz nach Farbe und Schnitt wie der jetzige neue preußische Militärmantel, also grau.

Die weitere Dienst-Kopfbedeckung war der Tschako, ganz wie der der preußischen Jäger und Schützen mit schwarz-weißer Kokarde, vorn weißer Stern und weiße Schuppen-kette, mit schwarzem Roßhaarschweif bis auf den Schirm herunter; die Bataillonsmusiker dagegen hatten weiße Roß-haarschweife.

Die Unteroffiziere hatten ihre Gradabzeichen schräg über den Unterarm von Naht zu Naht, und zwar: der Vize-Korporal einen weißwollenen Streifen mit rot eingefaßt; der

Korporal den gleichen Streifen doppelt breit; der Sergeant den gleichen einfachen Streifen mit Silberborte; der Feldwe-bel die gleiche Silöberborte in doppelter Breite. Diese Grade der Abzeichen hatten die Unteroffiziere auch am Mantel.«

Die Bewaffnung

»Die Bewaffnung bestand aus Vorderladergewehr mit Bajo-nett, Säbel und Patronentasche, über die Brust getragen an weißem Lederzeug und auf dem Rücken der Tornister in allbekannter Form.

Die beiden Soldaten auf der (neueren) Zeichnung tragen den Tschako. Uber dem schwarzen Roßhaarschweif wurde im Dienst ein Futteral getragen, das aussieht, wie ein Bommel. Den Unterschied helle und dunkle Hose gab es in Wirklichkeit nicht. Jeder Soldat hatte eine blaue Tuchhose und 2 helle Leinenhosen, die z.B. zum Exerzie-ren getragen wurden. Hechinger und Sigmaringer Soldaten konnte man an der Uniform nicht unterscheiden.

Die Unteroffiziere und Feldwebel hatten statt dem langen Gewehre kurze gezogene Stutzen zum Umhängen und das Bajonett dazu als Seitengewehr.

Die Soldaten hatten keine Troddel am Säbel, dagegen die Unteroffiziere schwarz-weiße Troddel und die Feldwebel silberne Portepees.«

Militärmusik

»Das Bataillon hatte eine Blech-Musik mit 15-18 Mann, lauter ausgesuchte gute Musiker nebst einem Kapellmeister und einem Stabstrompeter (Vize-Kapellmeister), Dieses Musikchor hielt es aber auch unter seiner Würde, da und dort Tanzmusik aufzuspielen, nur bei Festlichkeiten im fürstli-chen Schloß haben sie natürlich gespielt. Sonst aber haben sie Reisen unternommen in Zivil, besonders nach der Schweiz, und haben viel Geld und Ehre geholt. Nebenbei bemerkt

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hatte der Kapellmeister (Harrer) eine sehr große, bzw. dicke Nase, fast wie eine kl. Faust so groß, mit verschiedenartiger Farbe, die in fortwährender Bewegung war. Er war aber allgemein als sehr tüchtiger Musiker anerkannt. Unter den Musikern war der Name Hellstern gut vertreten. Da gab es einen weißen, einen schwarzen, einen dicken und einen schönen Hellstern.

Unter den Feldwebeln war einer (Gauggel) mit der Bezeich-nung »Der Tausendgottstrof«, weil er gewohnheitshalber immer den Ausdruck gebrauchte: »Daß die tausendgottstrof daß die« - er war aber doch ein guter Kerl - nicht bösartig, trotz seines strengen Aussehens. Auch er ist in die preußische Armee übergetreten und wahrscheinlich altershalber bald pensioniert worden. Feldwebel: l.Komp.: Hennenlotter(P)15, 2. Komp.: Gauggel, 3. Komp.: Edelmann, 4. Komp.: Zimmermann.

Das Bataillon hatte auch ein Tambour-Korps16, 8 Mann, für jede Kompagnie 2 Mann, darunter der spätere Schneider Eger hier, mit einem Bataillons-Tambour Ott an der Spitze, der seinen Bataillons-Tambourstock und Trommelschlegel mei-sterhaft zu schwingen verstand. Eine Fahne hatte das Batail-lon, als Jägerbataillon, nicht.

Das Bataillon hatte auch ein tüchtiges Unteroffiziers-Korps als Exerziermeister; meistens ältere, erfahrene Männer, wel-che es sich zu einem einträglichen Geschäfte machten, für andere vermögliche Rekruten, die selbst nicht dienen wollten, einzustehen, d.h. sich anwerben ließen für eine vereinbarte Summe Geld. War diese Zeit vorüber, dann wieder für einen anderen Rekruten usw., solange sein Alter und seine Gesund-heit dies erlaubten. Auf diese Weise konnte mancher sich ein kleines Vermögen erwerben. Schließlich fanden diese alten Feldwebel und Unteroffiziere noch Anstellung im Staats-dienste bei der Gendarmerie und den verschiedenen Zivilbe-hörden. Es gab aber auch Unteroffiziere, die sich bei diesem Einstehergeschäft nicht viel ersparten. Aber Mißhandlungen von Untergebenen, wie sie anderwärts vorgekommen sind und noch vorkommen, haben im hohen-zoll. Bataillon nicht stattgefunden; es waren dies vielmehr ganz unbekannte Sachen«17.

Die Zierde des Bataillons

»Das Hechinger Kontingent (eine Kompagnie) war ebenso bekleidet und ausgerüstet wie das Sigmaringer, hatte aber nur einen Hornisten als Signalbläser und zwei Tambour18. Der Lichtensteiner Schützenzug war dunkelgrün uniformiert mit roten Achselklappen und Aufschlägen, grüner Fang-schnur mit Signalpfeife, Kopfbedeckung mit schwarzem Haarschweif und schwarzem Lederzeug. Als Waffe einen kurz gezogenen Kugelstutzen zum Umhängen, das Bajonett als Seitengewehr getragen. Dieser Schützenzug hatte zwei Hornisten als Signalbläser.

Aus all dem ist zu ersehen, daß das Bataillon nicht nur schön, sondern auch gut und praktisch bekleidet und ausgerüstet war, so daß es eine wahre Freude war, das Bataillon in seiner ganzen Rüstung zu sehen, zumal damals nur die schönsten Leute ausgehoben wurden19.

Als besonders schön und als besondere Zierde des Bataillons waren die Pioniere und Sappeure, welche an der Spitze des Bataillons zwischen Musik und der Mannschaft ihren Platz hatten und ausgesuchte schöne große Leute waren, Zimmer-leute und Maurer nach ihrem bürgerlichen Beruf. Die Sap-peure - Zimmerleute hatten einen langen Latzschurz von schönem schneeweißem Leder, auf der Schulter eine Zimmer-manns-Axt, an der Seite eine Säge. Die Pioniere mit Spaten und Haue ausgerüstet. Als Kopfbedeckung ebenfalls Tschako mit schwarzem Haarschweif.

Das Offiziers-Korps des Bataillons war: der Kommandeur, Oberstleutnant von Niedermeyr, 2. ein Major in Hechingen,

Werner, 3. Bataillons-Adjudant: Oberleutnant Lauchert, 4. Hauptleute: Dopfer, Knoll, Echter, Baur, 5. Oberleutnants: Hofstetter, Weber, Wiedmann, Spitzel und Simon, 6. Leut-nants: Bilharz, von Baratti, Endreß, Baur, 7. Bataillonsarzt: Dr. Rehmann.

Kurz vor dem Auszug in den badischen Feldzug im Jahre 1849 wurden noch folgende ältere Unteroffiziere zu Offizie-ren befördert: Wiest, Stehle, Maichle, ferner der Kasernen-Verwalter, Feldwebel Christ.«

Vorteile der hohenzollerischen Soldaten

»Einen besonderen Vorteil hatte der hohenzollerische Soldat vor dem preußischen dadurch, daß die Hohenzollern Taschen in den Montierungsstücken hatten, die Preußen aber keine. Der preußische Soldat, der heimlicherweise eine Tasche in seine Montierung gesetzt hatte, mußte dieselbe wieder entfernen und wurde bestraft. Erst nach den großen Kriegen 1866 und 1877-71 bekamen auch die Preußen Taschen in die Montierungsstücke eingesetzt. Ferner beka-men die Hohenzollern Unterhosen geliefert, die Preußen nicht, diese hatten Futter in der Hose.

Einen weiteren Vorsprung hatte der hohenzollerische Soldat darin, daß er auf der Straße rauchen durfte. Der preußische Soldat durfte dieses nicht. Wurde ein preußischer Soldat auf der Straße die Pfeife oder Zigarre rauchend angetroffen, dann wurde er wegen Ungehorsam bestraft. Erst nach den großen Kriegen 1866 und 1870/71 durfte der preußische Soldat auch auf der Straße rauchen.

All diese Tatsachen und Ahnliches führe ich an, nicht um den preußischen Soldaten zurückzusetzen, nein, alle Hochach-tung vor ihm, sondern um den hohenzollernschen Soldaten gegen Spötter in Schutz zu nehmen und darzutun, daß das kleine hohenzollerische Bataillon damals in jeder Beziehung auf der Höhe der Zeit stand.

Während des später erfolgten Feldzuges im Großherzogtum Baden erregte es überall bei Zivil und Militär großes Aufsehen über sein schönes Erscheinen, und der preußische Soldat war noch erstaunt darüber, daß wir die gleiche schwarz-weiße Kokarde hatten, wie er«20 .

Garnisonsleben in Sigmaringen

»Die beiden Stabsoffiziere (Oberstleutnant und Major) waren beritten. Ein Hauptmann und ein Leutnant wohnten in der Kaserne zu Gorheim.

Der Exerzierplatz war auf der Höhe oberhalb der jetzigen Kaserne der Unteroffiziervorschule auf dem sogen. Galgen-bühl. Der Turnplatz unterhalb dieser Vorschule auf dem jetzigen Ackerfeld, links vom Eingang zum Bierkeller des Zollerhofes (1912).

Jeden Tag wurde ein Wachkommando (für das Schloß) gestellt mit einem Unteroffizier und 12 Mann und stellte 4 Posten aus, einer am Seiteneingang, wo jetzt der elektrische Aufzug ist, einer vor dem Hofkassenamt, dieser nur des Nachts und ein Posten vor dem Prinzenbau. Das Wachlokal war gleich links am Schloß-Haupt-Eingang, jetzigem Verbin-dungsbau zwischen Schloß und Kunst-Museum, mit Posten vor dem Gewehr.

Am Sonntag und Donnerstag um 12 Uhr zog diese Wache mit Musik auf den Karlsplatz, von wo aus die Ablösung stattfand. Hierbei waren sämtliche Offiziere und Unteroffiziere anwe-send und das Musikkorps spielte bis 1 Uhr. Während dieser Zeit wurden auch die verschiedenen Parolbefehle ausge-geben.

Bei besonderen Anlässen am fürstlichen Hofe, bei hohen Besuchen usw. wurde das gesamte sigmaringensche Militär -

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alle 3 Kompagnien - hierher zur Parade auf den Tag einberu-fen und dann wieder jeden Herbst zu einem kurzen Manöver. Der Schießplatz war von der Gorheimer Straße Laiz zu, gegen die Anhöhe, auf der jetzt die Kaserne (Uffz. Vorschule) steht und im Muckentäle, wo jetzt die Unteroffizier-Vor-schule schießt. Die Bade- und Schwimmanstalt war diejenige des jetzigen Gymnasiums21. In derselben wirkten zwei ältere Unteroffi-ziere (Michler und Gauggel) als Schwimmlehrer. Ein Offizier führte die Aufsicht. Einer der Unteroffiziere war ständig da,

Anmerkungen 13 Dies war die Stärke des 8. Armeekorps. Das Bundesheer umfaßte

303500 Mann in 10 Armeekorps, dazu eine »Landwehr« von 500000.

14 Dies waren Geistliche, Beamte, Verheiratete usw. 15 Der Name ist durch einen Druckfehler nicht ganz sicher wieder-

zugeben. 16 Tambour = Trommler, wahrscheinlich spielten einige Angehörige

des Tambourkorps auch die Querpfeife und das Korps trat bei Bedarf als Spielmannszug auf.

17 Dies mag auch damit zusammenhängen, daß im Fürstentum praktisch jeder jeden kannte. Keiner konnte sich leisten, später als Rekrutenschinder verschrieen zu werden.

auch des Nachts. Die Unteroffiziere erteilten auch den Unterricht an die Gymnasiumsschüler. In der Schwimm-schule waren auch ganze Ausrüstungen von Soldaten: Gewehre, Säbel, Tornister und vollständige Bekleidungs-stücke von Soldaten vorhanden, in denen Schwimmübungen gemacht wurden. Jeden Herbst bzw. am Schluß der Badezeit wurde eine Schwimmprobe und Schwimmprüfung abgehal-ten. Die preußischen Bataillone hatten zu der Zeit noch keine Turnplätze und Schwimmschulen, erst seit neuerer Zeit wird diesen Übungen mehr Achtung geschenkt.«

18 Bei verschiedenen bildlichen Darstellungen wird immer wieder versucht, die Hechinger und die Sigmaringer Soldaten durch die Uniform zu unterscheiden. Auf Grund der Schilderung von Dorn dürfte klar sein, daß es einen Unterschied nicht gab.

19 Dorn fügt (in Klammer) hinzu: »Nun ja, sonst wär ja ich nicht dabei gewesen.«

20 Schon im 18. Jahrhundert hatten die Hohenzollern-Kürassiere, die zu den Truppen des Schwäbischen Kreises gehörten, wie Preußen ausgesehen.

21 Die Pennäler aus der Vorkriegszeit werden sich noch an die »Gayerbude« an der Donau, gegenüber dem Konvikt, erinnern.

(Fortsetzung f o l g t )

EMIL GRUPP

Wo liegt der Starzelursprung? Ein topographisches Problem und sein historischer Einsatz

Wenn der griechische Denker Herakleitos von Ephesos lehrte, es sei unmöglich, zweimal in den selben Fluß zu steigen, weil alles fließe und sich wandle dann trifft dies in doppeltem Sinne auf die Starzel zu, stringent auf die philo-sophische Aussage und symbolisch auf die sie bezeichnenden topographischen Namen am Oberlauf.

Kinderfragen

Steht in Hausen ein Kind am Bach und spuckt hinein, welches Gewässer hat es dann getroffen? Die Starzel? Den Weilertal-bach? Die geheimnisvolle Altach? Den Killerbach oder gar das einem in Händen zerfließende Phantom eines Wasserlau-fes namens Killer? Diese einfachen Kinderfragen lassen sich leider nur schwer beantworten: die Vielfalt der Namen wirkt auf den ersten Anhieb blockierend.

Immer wieder haben Geographen, Kartographen, Land-schaftsplaner, Juristen, Historiker, Heimatforscher u.a. Expeditionen im Geiste oder zu Fuß an den Oberlauf der Starzel unternommen, um deren topographischer Problema-tik auf die Spur zu kommen2. Vergebens, die Entdeckungen sind so vielfältig wie die Bemühungen. Schon in der Vergan-genheit folgten die Ergebnisse bezüglich der Erforschung des Ursprungs der Starzel der postmodernen Formel Paul Feyer-abends: anything goes3.

Selbst die Dörfer sind gespalten, denn für die Hausemer beginnt die Starzel im Weilertal, ein Bewohner Starzeins sucht ihren Ursprung im Zusammenfluß von Weilertal- und Scharlenbach.

Das Dilemma

Es erhebt sich deshalb überhaupt die Frage, ob das Problem historisch und topographisch eindeutig zu beantworten ist. Könnte nicht vielmehr die Namensvielfalt unauflösbar sein, weil sie im Laufe von Jahrhunderten wie ein Baum gewach-sen, an Asten reicher geworden ist ? Und mag es nicht bloß der Ausfluß eines bestimmten dörflichen Blickwinkels sein, den Starzelursprung hierhin oder dorthin zu legen? Beim ersten

flüchtigen Blick spräche nichts gegen eine solche Feststellung. In der Gemeinde Saarwellingen besitzt ein Bach allein sieben Abschnittsnamen, eine amtliche Einheitsbezeichnung stößt somit auf fast unüberwindbare Hindernisse4. Selbst wenn die Dinge am Oberlauf der Starzel etwas anders liegen, hier hat eben ein Abschnitt mehrere Namen und der Ursprung ist umstritten, präsentiert sich das Dilemma ähnlich.

Und doch befriedigt es nicht, das Problem einfach von sich zu schieben. Gelänge es, ungenutzte Quellen zu seiner Erfor-schung heranzuziehen und bisher unbeachtete Elemente ein-zufügen sowie verkannte Strukturen aufzudecken, könnte sich eine Lösung ergeben - selbst wenn sie nur in einer Deskription der Genese dieser vorgefundenen Vielfalt be-stünde.

Mit dem Weilertal fängt alles an

1979 bzw. 1986 hat J .A. Kraus behauptet, als wirkliche Starzelquelle habe der Weilertalbach zu gelten5. Damit hat er zwar geographisch den Nagel auf den Kopf getroffen, da die von der Mündung am weitesten entfernte Quelle der Starzel unmittelbar jenseits der Hausemer Markung in Tailfingen zu finden ist. Aber das historische und toponymische Namens-rätsel bleibt: Wieso Weilertalbach, wenn es sich um die Starzel handelt? Man könnte natürlich auf einen Abschnittna-men verweisen usw. Doch historisch bringt uns das keinen Schritt weiter. Der unbesehene Gebrauch bestimmter primä-rer Erfahrungen, wie etwa das Sicheinlassen auf ein an der Oberfläche liegendes Namenssediment, kann sich zum mas-siven Erkenntnishindernis auswachsen6. Es bleibt nichts anderes übrig, als sich dem Problem auf andere Weise zu nähern.

Der heute gebräuchliche Abschnittname Weilertalbach läßt sich nicht vor der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts nachwei-sen. Er rührt her vom Weilertal, über dem sich im Mittelalter der Flecken Weiler und die dazugehörende Burg erhoben, die abgegangen sind7. Das schluchtartige Tal und seine seitlichen Einschnitte geben mehrere Quellen frei. In einem Augen-scheins- und Zeugenprotokoll, 1714 verfaßt von einem Notar

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Rank, vorgelegt vor dem Reichskammergericht zu Wetzlar, taucht diese Bezeichnung noch nicht auf, da dort zu lesen ist: »Der Fluß, so den Namen Starzel führt, entspringt im Weilerthal und heißt erstlich Alldach, aber in dem Dorf Starzein hat er den Namen Starzel bekommen«8.

Diese Aussage, so verwirrend sie mit der Einführung eines neuen Abschnittnamens und der inhaltlichen Mehrdeutigkeit erscheint, spricht gegen das Vorhandensein des Gewässerna-mens Weilertalbach zum angegebenen Zeitpunkt.

Topographie als Kampfposition

Aber nur wenig später erscheint dieser topographische Name auf der Bildfläche und dient einer Seite als reale Kampfposi-tion in der langandauernden Auseinandersetzung zwischen den Gemeinden und dem Landesherrn um die freie Pirsch, um die wachsenden Lasten und die Willkür im absolutistisch geprägten Hohenzollern-Hechingen 9.

Entlang der Scheidelinie dieses Streits wird die Topographie der oberen Starzel plötzlich in einen Strudel machtpolitischer Einflüsse hineingerissen. Alle späteren Entwicklungen sind in das grelle Licht dieser Erscheinungen getaucht und deshalb als konstitutive Elemente eines Diskurses einzuordnen, des-sen Regeln beherrscht sind von der spezifischen ideologi-schen Konstellation des Zusammenpralls.

Die Kanzleikonstruktion

Für den Landesherrn war es aus noch zu erläuternden Grün-den unabdingbar geworden, Beweise herbeischaffen zu lassen, die den Starzelursprung im Dorfe Starzein fixierten. So begann eine rege Produktion an Beweismaterialien. Sie mündete in eine Formel, deren Inhalt von der fürstlichen Kanzlei sorgfältig ausgearbeitet, zweckmäßig eingesetzt und als äußerst effizien-tes Werkzeug der Sprachregelung benutzt wurde. Trotz (oder gerade wegen) ihrer Schlichtheit strahlte sie eine Evidenz aus, die zwei Jahrhunderte überdauerte. Der Einprägsamkeit und eines noch aufzudeckenden Charakterzugs halber soll sie als Kanzleikonstruktion bezeichnet werden.

Eine von der landesherrlichen Kanzlei 1733 veröffentlichte Karte des Fürstentums zeigt ein Wey(l)er-Tal-Bächl, das mit dem Scharlenbach zusammenstößt und dann mit ihm den Starzel-Fluß bildet10. Im darauffolgenden Jahre publiziert sie ein Libell, dessen § XXXVI unter anderem behauptet, die Starzel erhalte »allererst in dem Dorff Startzel, allwo sich der sogenannte Scherlen-Bach mit dem unterhalb Hausen zusam-men fliessenden Neubronnen und Weylerthal-Bach conjun-giret« ihren Namen11. Hier ist die Zweideutigkeit in der Rankschen Aussage, das Auseinanderklaffen von physischem und nominellem Ursprung, geschickt aufgenommen und mit eigenem Faden weitergesponnen.

Interessen prallen aufeinander

Warum war es zu diesem Zeitpunkt für die eine Prozeßpartei von so immenser Bedeutung, ihr ganzes Gewicht zugunsten der These vom Entstehen der Starzel unterhalb Hausens in die Waagschale zu werfen? In einer Sententia Cameraiis vom 20. Dezember 1731 legte das Reichskammergericht fest: »Dermahlen die freye Pürsch betreffend, ist allem Vorbrin-gen nach zu Recht erkannt, daß Klägere (d. h. die Gemeinden, der Verf.) längs dem Startzel-Fluß von seinem Ursprung an, und so viel derselben dem Hohenzollern-Hechingischen Territorio fliesset rechter Seits (noch zu Zeit mit Ausschlies-sung der Burledinger und Gauselfinger Gemarckungen)...« die freie Pirsch ausüben darf12. Durch die Kanzleikonstruk-tion ergäbe sich die Achse Fehla-Neubrunnen-Starzel, die das Freipirschgebiet auf das Gelände rechter Hand davon ein-schränken würde.

Befände sich jedoch die Quelle im Weilertal, dann hätte Hausen außerdem vom Auchtert bis zum Haugenberg die

Möglichkeit, Wildschaden einzudämmen und zu jagen. Jener Bereich, rechts vom Oberlauf der Starzel, aber linkerseits des Neubrunnens, gehörte dann ohne Zweifel zur Freipirsch. Die Bestrebungen der Kanzlei gingen dahin, dies zu verhindern, um sich das Waldgebiet einzuverleiben, das eine vorteilhafte Arrondierung des Burladinger Forstes, einer Hochburg der fürstlichen Jagd, mit sich brächte. Nicht von ungefähr erga-ben sich am umstrittenen Binsenberg zahlreiche Konfronta-tionen zwischen den revoltierenden Hausemer Bürgern und den Forstleuten des Landesherrn.13.

Der Brunnen unterhalb der Weilerburg speist die Starzel.

Geschlossene Archive

Bezeichnend ist, daß die Forderung der prozessierenden Gemeinden, Einsicht in sämtliche Lagerbücher und Fron-briefe zu gewähren, vom Fürsten abgelehnt wurde14 . Die Archive öffneten sich nicht. Und dies aus guten Gründen.

Mit ihrer Hilfe hätte das topographische Problem des Starzel-ursprungs auch historisch unanfechtbar gelöst werden kön-nen. Es zeigt sich nämlich recht bald, daß jene älteren Quellen, die damals in den Archiven verborgen blieben und heute herangezogen werden können, die Kanzleikonstruk-tion als Fiktion ausweisen. Sie besaß keinerlei Grundlagen, stützte sich weder auf Konventionen, Verträge, noch Verein-barungen. Obgleich sie vorgab, Spiegel der Realität zu sein, war sie durch und durch artifiziell. Eine Figurine des Rokoko, so leicht und spielerisch, daß sich in ihr die Wahrheit verflüchtigte.

Die Langlebigkeit einer Fiktion

Selbst Cramer, der in seinen gründlichen Recherchen über den Streit um die freie Pirsch keinen Hehl aus seiner Sympa-thie für die Sache der Gemeinden macht, sitzt der Kanzlei-

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konstruktion auf und schreibt: »Auf ihr (der Gemarkung Hausen, der Verf.) entstehen 2 Bäche, der Neubronnen an der Schlichte und der Weylerthalbach, welche sich in dem Dorf Hausen vereinigen, zusammen zum Dorf Starzein fließen, und hier, nachdem der Scherlenbach ihnen zugeströmt, den Namen Starzel annehmen«15. Seine Quintessenz lautet: »Hausen liegt somit nicht an der Starzel. . .«16 . Bis in die neueste Zeit schleppt sich diese Vorstellung fort. Ammer und Allmendinger wiederholen unmittelbar die alte These in einem Beitrag zur Landschaftsplanung im Killertal17. (Die beigelegten Karten jedoch stehen in krassem Widerspruch dazu, da sie die Starzel von Tailfingen her fließen lassen)18. J. Nadler entpuppt sich in einer sozialgeographischen Studie als ihr Echo19.

Starzel - ein originärer Gewässername

Das Wort Starzel taucht zum ersten Mal im Jahre 1092 als Starzila aus dem Dunkel der Geschichte auf, allerdings nicht um den Fluß, sondern um den Ort zu bezeichnen20. Man muß davon ausgehen, daß der Gewässer- sich zum Siedlungsna-men verdoppelte. Deshalb dürften damals Dorf und Bach genau gleich gelautet haben. Ein Aufschluß für unser Pro-blem ergibt sich aus dieser urkundlichen Nennung nicht unmittelbar. Aber etwas anderes gilt es zu bedenken.

Die Kanzleikonstruktion macht sich die Namensgleichheit psychologisch zunutze, indem sie quasi nahelegt, ohne es jemals direkt auszusprechen, die Ortsbezeichnung sei auf den Fluß übergegangen und markiere so dessen Anfangspunkt. Die Formulierung, der Fluß erhalte seinen Namen erstlich in Starzein, suggeriert dies. Dagegen läßt sich vieles ins Feld führen. Die älteste bekannte Form Starzila deutet auf einen Gewässernamen hin, bei dem das »a« am Ende als Grundwort auftritt, entstanden und verkürzt aus ahd. »aha« = Wasser, Fluß. Später geht das »a« verloren, nur das Bestimmungswort bleibt übrig; ein Prozeß, wie er bei einigen Flußnamen zu beobachten ist. Außer unserer gibt es noch eine Starzel, die in die Prim mündet, und eine Starzlach (hier verfestigte sich das Grundwort »aha« zu »ach«) in Bayern. Damit dürfte die Behauptung, daß ein originärer Gewässername vorliegt, untermauert sein.

Starzelursprung im Weilertal

Der Band Hausen/Starzeln/Killer des Hagenschen Lager-buchs von 154421 liefert mehrere unumstößliche Beweise dafür, daß für die Starzel in historisch-topographischem Sinne schon immer galt: Sie entspringt im Weilertale. So heißt es dort bei der Aufzählung Hausemer Güter: »Ein gertlin In Birtenlee an der Altach stoßt vornen an die gassen hinder uf Martin Stölzlin zwischen Bernhard Gögking und der Starzla.« Ferner kommt im Zusammenhang mit den »Niede-ren Wiesen« und dem »Schillingsgrund« die Starzel vor.

Genau so erhellend wie die bisherigen Nennungen sind jene im Zusammenhang mit der Beschreibung des Fischwassers zu Hausen, in der es heißt: »Das Fischwasser genannt die Starzell, das da anfangt oben im Weyler thale und geht hinab bis auf die alten acht, ist der herschaft eigen.. .« Jetzt wird klar, warum ein Öffnen der Archive, zumindest wenn es darauf angekommen wäre, die Kanzleikonstruktion zu ver-teidigen, nicht im Interesse der Herrschaft stehen durfte. Der landesherrlichen Fiktion, kaum war sie geboren, hätte das letzte Stündlein geschlagen.

Der Starzelarm Altach

Fast nahtlos fügen sich die alten Zeugnisse an die Aussage Ranks, allerdings unter Ausschluß eines Irrtums, der noch zu klären ist. Das Lagerbuch veranschaulicht uns eine Abwei-chung des besagten Notars, der protokollierte, der erste Starzelabschnitt würde als Alldach bezeichnet. Vielmehr

verhielt es sich so, dies geht aus der Hagenschen Beschrei-bung hervor (gleichwohl nicht sehr deutlich), daß die Starzel nach dem Verlassen des Weilertals sich in mindestens zwei Arme gabelte, wobei der schmalere, rechts verlaufende, begradigt war, um die Fließgeschwindigkeit des zum Müh-lenantrieb genutztan Wassers zu erhöhen. Der andere hinge-gen behielt sein ursprüngliches, geschlängeltes Bett bei. Erst nach dieser Verzweigung hat der Abschnittname Altach seine Berechtigung.

Welcher Lauf war nun aber die Starzel, welcher die Altach? Der letztere Name scheint bei erstem Besehen den unverän-derten Arm zu bezeichnen, also die alte Ach. Was bedeuten dann in der Beschreibung die alten Acht ? Es kann sich ja nicht um das mhd. »ahte« handeln, um einen besonderen

Starzelpartie im Weilertal. Fotos eg.

Rechtsschutz, Abgaben oder Frondienste, das ergäbe keiner-lei Sinn. Vielmehr dürfte es sich auf das aus dem Lateinischen stammende »aquae ductus« beziehen, das sich zu Acht als Bezeichnung einer Wasserleitung, eines Kanals oder Mühl-grabens abgeschliffen hat22.

Die alten Acht müssen, wenn wir uns von der Beschreibung leiten lassen, identisch sein mit dem Gewässernamen Altach; der ursprüngliche Arm kann demnach nur als Starzel verifi-ziert werden. Bis ins 19.Jh. blieb die Mehrarmigkeit der Starzel in Hausen erhalten, wie die Parzellarvermessung von 1862 zeigt23.

Bestätigungen

Das Rammingensche Lagerbuch von 158424 bestätigt ohne Abstriche die bisher aufgezeigten Fakten. Hier begegnet uns wiederum die »Starzal« im Zusammenhang mit dem Bürten-leu an der Altach. Wir erfahren weiter, daß der undre Werd zwischen der Starzel und der Flur Köbele liegt.

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Auch in einer Neuerung von 1559, es handelt sich um ein Urbar des Klosters Beuron, wird im Zusammenhang mit Hausen von einem Garten an der Starzel berichtet25. Kraus erkannte zwar die Bedeutung dieses Fundes und setzte ihn 197926 argumentativ ein, ließ ihn aber 198627 beiseite, wohl weil er sich ziemlich einsam aus der Flut der gegenteiligen Beweise heraushob und deshalb nicht genügend Uberzeu-gungskraft ausstrahlte. Gewicht hat diese Quelle vor allem, weil sie von einer Seite stammt, die später nicht in die Querelen verstrickt war.

Die Macht eines Diskurses

Den entscheidenden Fehler machte Kraus, indem er zur Begründung seiner These vom Starzelursprung im Weilertal ausgerechnet eine Aufstellung der zollerischen Fischgewässer von ca. 1740 heranzog, die letztlich nur einen Aufguß der Kanzleikonstruktion darstellte, als Gegenbeweis aus diesem Grunde untauglich war28 . Dort heißt es nämlich: »Der Weilertalbach entspringt auf der Tailfinger Bahn, jedoch in zollerischem Forst, lauft durchs Tal herunter neben dem Flecken Hausen vorbei bis in das Dorf Starzein, wo er, da der Charlenbach hereinkommt, den Namen wechselt und Starzel heißt.« Wenn behauptet wird, wie Kraus es 1979 tut, die Starzelquelle liege im Weilertal, freilich eine Forstkarte von 1733 und ein Fischgewässerverzeichnis von 1740 führten in Hausen nur winzige Wässerlein, aber eben keine Starzel auf, so fällt dieser Argumentationsstrang notwendigerweise wie ein Kartenhaus in sich zusammen, da er das Haupthindernis, die Kanzleikonstruktion, nicht wegzuräumen vermag. Ihr Diskurs hat einmal mehr seine Macht bewiesen.

Eine notwendige Dekonstruktion

Nur durch ihre Dekonstruktion, basierend auf der Hinzuzie-hung bisher nicht genügend beachteter und der Neuinterpre-tation bereits verwerteter Quellen, gelang es, die Begriffsver-wirrung, die am Anfang herrschte, einzudämmen und den Zusammenhang der historischen Konfiguration wiederher-zustellen. Die topographischen Verhältnisse am Oberlauf der Starzel waren vor dem 18. Jh., das läßt sich aus den benutzten Urbaren herauslesen, durch Konventionen festgelegt. Die Widersprüche flammten noch nicht auf dieser Ebene auf. Erst als die Frage des Starzelursprung wegen der Möglichkeit, sie als politisch-juristischen Einsatz zu benutzen, zum Streitob-jekt wurde - besonders als die Topographie erodierte - , begannen sich die bis dahin stabilen Verhältnisse aufzulösen.

Anmerkungen 1 Die Vorsokratiker, hg. v. W. Capelle, Stuttgart 1963, S. 132 f. 2 Vor allem J.A. Kraus hat sich dieser Frage angenommen, ist aber

nicht, wie zu beweisen sein wird, zum Kern vorgestoßen. 3 P.Feyerabend, Erkenntnis für freie Menschen, Frankfurt a.M.

1979, S. 83 4 G.Koß, Namenforschung, Tübingen 1990, S.8f. 5 J.A.Kraus, Es gibt keinen Bach Killer, in: HH Nr.4 1979 u.

J.A. Kraus, Wo liegt die Quelle der Starzel?, in: Hohenz. Zeitung v. 18.10. 1986.

6 Für die Geschichte des wissenschaftlichen Denkens u. die Erzie-hung weist dies nach C. Bachelard, Die Bildung des wissenschaft-lichen Geistes, Frankfurt a.M. 1987, S. 46 ff.

7 Dazu H. Bizer, Tailfinger Heimatbuch, Albstadt 1987, S. 151 f. u. W.Stettner, Ebingen, Sigmaringen 1986. S.257f.

8 Zit. in J. Cramer, Grafschaft Hohenzollern, Stuttgart 1873, S. 360 9 Dazu J. Cramer, ebda., S. 257ff . , J .A. Kraus, Freibirsch und zolle-

rischer Forst, in: Hohenz. Jh. 7 1940 u. U. Bergemann, Die Geschichte der landesherrlichen Jagdhoheit in der Grafschaft Zollern, in: Hohenz. Jh. 24 1964

10 Das Fürstenthum Hohenzollern-Hechingen, Kartenbeilage zu J. Cramer a.a.O.

11 Wahrhafte und Acten-mäßige kurze Erzehlung..., o.O. u.J., Heimatbücherei Hechingen G 97. Aller Wahrscheinlichkeit nach von 1734

Nicht ganz überraschend ist, daß sich die Fiktion immer wieder Geltung verschaffte und wie ein düsterer Schatten über die doch geschichtlich klaren Tatsachen senkte. Schließ-lich hat die absolutistische Herrschaft alle diskursive und institutionelle Macht aufgeboten, um ihre Ziele durchzuset-zen, ihre Hegemonie aufrechtzuerhalten. Auch auf einem so unbedeutend erscheinenden Nebenschauplatz.

Ein Fluß-Phantom

Nun gibt es noch eine Seitenlinie im Stammbaum der Irrtü-mer, die eigentlich durch die aufgezeigten Strukturen eben-falls ad acta gelegt sein dürfte.

In einer Geschichte Hohenzollerns, die 1834 erschienen ist, wird die Topographie am Oberlauf der Starzel um eine neue Variante bereichert: um ein Fluß-Phantom namens Killer29. Es beginnt im Weilertal und bildet, wieder eine Novität, mit dem Neubrunnen zusammen die Starzel. Das Zustandekom-men dieser Auffassung läßt sich schwer erklären, daß sie später in Preußen geteilt wurde, mag an der Ortsunkenntnis liegen.

Bahlow30 schießt den Vogel ab, wenn er in seinem etymologi-schen Lexikon der Fluß- und Ortsnamen alteuropäischer Herkunft, wohl auf alten preußischen Karten fußend, ein Killer an der Killer entdeckt und es zu dem prähistorischen Wort »kil« = Schmutzwasser setzt. In mehreren Beiträgen hat Kraus die Legende vom Fluß Killer treffend widerlegt, indem er auf den Ort Killer mit seiner Ableitung von Kirchweiler verwies. Der Ort gab dem Tal den Namen, nicht das Gewäs-ser. Trotzdem geistert sie z.B. in einem Zeitungsbeitrag aus den fünfziger Jahren als Killerbach, der in Hausen zu finden sein soll, wieder herum31. Die modernen topographischen Karten32 haben diesem Unsinn, der gewissermaßen hausge-macht ist, immer noch nicht ganz den Nährboden entziehen können.

Spinozas Weisheit

Nur, den Fluß, den wir als Starzel zu bezeichnen pflegen, berührt das wenig. Er entspringt, ohne Rücksichtnahme auf menschliche Regungen, im Weilertal und fließt immer bergab. Nichts macht er dabei falsch, weil, wie Spinzoza bemerkt, nichts in der Natur geschieht, »was ihr als Fehler angerechnet werden könnte; denn die Natur ist immer die gleiche, und überall ist ihre Macht und Wirkungskraft ein und dieselbe.. ,«33 .

12 Ebda., Beylagen LIT. D. 13 Dazu J. Cramer a.a.O., S.373ff. 14 U. Bergemann a.a.O., S. 255 15 J. Cramer a.a.O., S.360 16 Ebda. 17 U. Ammer!A. Allmendinger, Das Killertal. Ein Beitrag zur Land-

schaftsplanung, Hechingen 1972. S. 9 18 Ebda., Kartenbeilagen 19 ]. Nadler, Untersuchungen zur sozialgeographischen Funktion

der Sozialgruppe der Hausierer am Beispiel des Killertals, Zulas-sungsarbeit Reutlingen 1977, S. 8f.

20 J.A. Kraus, Zollerisches aus den St. Georger Stiftungsakten, in: HH Nr. 1 1960, S.20

21 StA Sigmaringen Dep.39 DH NZ 137 (Hagensches Lagerbuch) 22 Vgl. N. Buck, Oberdeutsches Flurnamenbuch, Bayreuth 1931, S. 2

u. W. Keinath, Orts- und Flurnamen in Württemberg, Stuttgart 1951, S. 137. Beim letzteren taucht nur die Form Ackt auf.

23 Gemeindearchiv Hausen i.K., Kartenwerk der Parzellarvermes-sung von 1862

24 StA Sigmaringen Dep.39 DH NZ 137 (Rammingensches Lager-buch)

25 J.A. Kraus, Beuroner Besitz im Killertal, in: Zollerheimat Nr. 11 1937, S. 46 f.

26 Siehe Anm. 5

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27 Ebda. 28 J.A. Kraus, Die Zollerischen Fischwässer um 1740, in: Zollerhei-

mat Nr. 12, 1939, S. 73 29 F. Baur, Geschichte der Hohenzollerischen Staaten Hechingen

und Sigmaringen von den ältesten Zeiten bis zur Einführung der Repräsentativ-Verfassung, Sigmaringen 1834, Kartenbeilagen

30 H. Bahlow, Deutschlands geographische Namenwelt, Frankfurt a.M., 1985, S. 262

31 Hohenz. Zeitung vom 30. 7 1959. In dem Artikel vereinigt sich der Killerbach in Starzein mit der Starzell

32 Als Beispiel: Topographische Karte 7720 Albstadt, Landesver-messungsamt Baden-Württemberg, Stuttgart 1986

33 B.de Spinoza, Die Ehtik. Schriften und Briefe, Stuttgart 1976, S. 112

HERBERT RÄDLE

Ein gotisches Vesperbild im Kloster Sießen - Kunstwerk und Zeitdokument

Seit etwa 1300 gab es in der katholi-schen Kirche Bildwerke, die nicht auf dem Altar standen und daher nicht in Liturgie oder offizieller Religiosität aufgingen. An ihnen, den privaten An-dachtsbildern, konnte sich eine mysti-sche, individuelle Frömmigkeit ent-wickeln. Bildwerke dieser Art sind ne-ben den Christus-Johannes-Gruppen des süddeutschen Raums u. a. auch die Vesperbilder. Unter einem Vesperbild versteht man die Darstellung der trau-ernden M ' " - - Jttes mit dem Leich-nam Christi auf dem Schoß, als Ver-körperung des Mutterschmerzes. Der Name Vesperbild erinnert an die Ge-betszeit der Vesper, da am Karfreitag zu dieser Tageszeit die Kreuzabnahme und die Beweinung Christi stattfand.

Das Motiv des Vesperbildes ist zuerst in dichterischen Marienklagen (Hym-nen) nachgewiesen. Eine der ersten bildlichen Darstellungen ist die Pietä Röttgen (Bonn, Provinzialmuseum, um 1300). Bei den Vesperbildern des Röttgen-Typus, den sog. Steilsitz-Ves-perbildern aus der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts, sitzt der ausgemer-gelte tote Christus hoch aufgerichtet auf dem Schoß seiner gramverzehrten Mutter. Er präsentiert mit geöffneten Händen die Wundmale, die von Ster-nen- oder traubenförmigen Blutsprit-zern gerahmt sind.

Gegenüber diesen an Expressivität kaum zu überbietenden, geradezu er-schreckenden Darstellungen wirken die seit um 1400 entstandenen Ves-perbilder des sog. Horizontaltyps ab-gemildert und gemäßigt, in der findung beruhigt und formal geglättet. Zu diesem jüngeren Typus gehört die Pietä in der Anbetungskirche des Klosters Saulgau-Sießen (vgl. Abbil-dung). Die zahlreichen Vesperbilder dieses Typs aus der Zeit des sogenannten »weichen Stils« zeigen »liebliche« Marien, die ihren Schmerz in stiller Andacht nur verhalten ausdrücken. Der nun waagrecht lie-gende Christus bäumt sich nicht mehr wie beim Steilsitztypus auf, sondern die Ruhe des Entschlafenen bestimmt die Kom-position.

Beschreibung des Sieflener Vesperbildes1

Die Sießener Pietä (Höhe 70 cm) ist aus einem Lindenstamm geschnitzt, der hinten ausgehöhlt wurde. Die alte Fassung ist

Vesperbild aus dem Kloster Sießen bei Saulgau, Lindenholz, Höhe 70 cm, entstanden um 1420, vielleicht in Ulm (vgl. Anm. 1).

teilweise ergänzt. Das Bildwerk wurde von einem schwäbi-schen Bildhauer um 1400, vielleicht in Ulm, geschnitzt (vgl. Anm. 1). Maria zeigt die Züge jugendlicher Anmut. Auf einer schmalen Bank sitzend stützt sie mit der Rechten das Haupt des waagrecht auf ihren Knien liegenden Sohnes. Die Beine des schmächtigen toten Sohnes sind an den Knien senkrecht abgewinkelt. Dessen linke Hand liegt auf dem linken Unter-arm der Mutter, die mit der Hand nach der Rechten des Sohnes greift. Maria hat zum Zeichen der Trauer das kreisför-mig gebildete Kopftuch tief in die Stirn gezogen. Von rechts

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her wird vom Kopftuch ein runder Faltensteg unter dem Hals hindurchgeführt, eine schmale Schüsselfalte bildend. Links fällt ein Zipfel des Kopftuches kaskadenförmig nieder. Ein reicher Faltenaufbau umhüllt den unteren Teil der Figur. Von beiden Knien hängen die vom sog. weichen Stil geprägten Faltenwürfe herab und werden durch tiefe Schüsselfalten verbunden. Die Farbe der Fassung entspricht dem mittelal-terlichen Kanon: Maria trägt ein rotes Untergewand, Kopf-tuch und Mantel sind weiß, der Mantel blau gefüttert; der Mantel hat einen roten und das Kopftuch einen goldenen Saum. Die Darstellung vermittelt den Eindruck einer innigen

Verbindung der Figuren, der besonders durch die Verschrän-kung der Hände, die Kopfneigung Mariens und den nieder-fallenden Schleiersaum unterstrichen wird.

Anmerkungen 1 Die Pietä aus dem Kloster Sießen hat viel Ähnlichkeit mit einem

Vesperbild aus Steinberg (Krs. Laupheim), das in Ulm um 1420 geschaffen wurde, und sich heute im Frankfurter Liebighaus befindet. Vgl. Herbert Beck (Hrsg.), Kunst um 1400 am Mittelrhein (Ausstellungskatalog des Liebighauses), Frankfurt a.M. 1975, S. 112, mit Abb.

KARL WERNER STEIM

Zwangsevakuierung aus Haigerloch vor 50 Jahren

Am 27. November 1941 begann die Fahrt für 110 Haiger-locher Juden in den Tod

Das Jahr 1941 sollte für zahlreiche Juden aus Haigerloch und anderen Gemeinden zum Schicksalsjahr werden. Im Laufe des Jahres wurden nach Haigerloch über 100 auswärtige Juden zwangsevakuiert, die vorwiegend aus Stuttgart, Heil-bronn, Kirchheim/Teck und Ihringen kamen. Zweck dieser Aktion war der schon damals geplante Transport in den Osten. 1941/42 traten von hier mindestens 192 Menschenden Weg in die Deportation an, darunter 50 in Haigerloch geborene Juden. Der erste große Transport erfolgte in Hai-gerloch am 27. November 1941 über Stuttgart nach Riga. Laut vorliegender Liste wurden 110 Juden evakuiert, aus Hechingen kamen weitere elf hinzu. Die restlichen in Haiger-loch ansässigen Juden wurden am 19. August 1942 abtrans-portiert. Von den verschleppten Juden aus Haigerloch über-lebten nur wenige.

Seit dem Mittelalter waren Juden ansässig

Nach der Chronik des Heinrich von Dießenhofen soll es schon im Jahre 1348 in Haigerloch Juden gegeben haben. Vereinzelte Juden waren im 15. Jahrhundert ansässig, von da an stieg ihre Zahl. Sie waren Schutzjuden der Grafen und späteren Fürsten von Hohenzollern. Spannungen zwischen Juden und Christen gab es zeitweilig im 18. Jahrhundert, als sich die Beschwerden über den Wucher, das Betteln und Hausieren der Juden häuften. 1780 wurden sie ins Haag verlegt und durften eine Synagoge bauen (1783). Im 19./ 20. Jahrhundert war das Verhältnis unter den Konfessionen fast problemlos, auch im Dritten Reich kam es kaum zu Problemen. Dies änderte sich erst mit dem November-Pogrom 1938, als die Synagoge und weitere jüdische Gebäude von auswärtigen SA-Leuten beschädigt wurden. Nach dem Pogrom vom 9./10. November 1938 kam es auch in Haigerloch zu den von den NS-Machthabern erwarteten überstürzten Auswanderungen. Die Juden hatten verstanden, daß sie in Deutschland endgültig um ihr Leben fürchten mußten. Es war ihnen jetzt sogar nicht mehr möglich, auch nur einen minimalen Teil ihres Vermögens zu retten, es fiel vielmehr an den Staat. Als Auswanderungsländer wurden u.a. Kuba, Uruguay und USA genannt. Unter der Über-schrift »Haigerloch baut sich eine neue Zukunft« berichtete die NS-Zeitung im März 1941 auch über die Juden: »Diese Haigerlocher Judenschaft ist in stetem Abbau begriffen. Viele sind schon ausgewandert, ihre Häuser verkauft, so daß das Haag, das ehemalige Haigerlocher Judenviertel, jetzt schon stark mit deutschen Bewohnern durchsetzt ist. Soweit die Juden noch arbeitsfähig sind, dürfen sie natürlich die Hände

nicht in den Schoß legen. Aus den früheren Viehhändlern sind heute Hilfsarbeiter bei Bauten, bei der Bahn, Handwerkern u. a. geworden, die in Arbeitsanzügen herumlaufen - fürwahr ein ungewohnter Anblick. Juden, die körperliche Arbeit verrichten, das ist in Haigerloch etwas Neues. Es ist selbstver-ständlich, daß Juden nicht selbständig auftreten, sondern nur im Dienste von Deutschen arbeiten können.«

Aber auch das religiöse Leben der Juden war fast unmöglich geworden. Nach dem Pogrom war damit begonnen worden, die teilweise zerstörte Synagoge im Haag in eine Turnhalle umzuwandeln, was dann überwiegend im Jahre 1941 mit finanzieller Unterstützung des Reichsministers für Wissen-schaft, Erziehung und Volksbildung verwirklicht wurde.

1941 mußten Juden aus Stuttgart zuziehen

Nach Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion am 22. Juni 1941 trat schließlich an die Stelle der Lösung der sog. Judenfrage die »Endlösung«. Nicht mehr erzwungene Aus-wanderung, sondern Ausrottung der jüdischen Bevölkerung im deutschen Machtbereich war nun das Ziel der nationalso-zialistischen Judenpolitik. Sie wurde in der Öffentlichkeit stets als »Evakuierung der Juden nach dem Osten« bezeich-net. Seit Oktober 1941 hatte das Reichssicherheitshauptamt die Auswanderung von Juden verboten.

Vor den Deportationen wurden die jüdischen Bürger in mehreren Gemeinden zusammengelegt, auch in Haigerloch. Vergeblich wehrten sich dagegen der Haigerlocher Bürger-meister, der Landrat in Hechingen und der Sigmaringer Regierungspräsident. Sowohl von der NSDAP wurden im Jahre 1941 laufend Juden von auswärts nach Haigerloch eingewiesen, vor allem in das Altersheim, das nur Platz für 19 Personen bot, wie auch von der Geheimen Staatspolizei in Stuttgart. Ende August kam die Mitteilung aus Stuttgart, daß »auf Anordnung des Reichsverteidigungskommissars« zur Schaffung von Wohnraum in Stuttgart durch die NSDAP-Gauleitung 120 Juden nach Haigerloch umgesiedelt werden sollten, so daß hier ein Höchststand mit 220 Juden erreicht wurde. Bis 7. November 1941 waren 103 Juden aus Württem-berg angesiedelt worden, 26 weitere, die früher in Haigerloch gewohnt hatten, waren hierher zurückgekehrt.

»Abschiebung in den Osten« durch Gestapo Die Geheime Staatspolizei/Staatspolizeileitstelle Stuttgart, die für die Deportationen aus Württemberg und Hohenzol-lern verantwortlich war, hatte mit Rundschreiben vom 18. November 1941 unter dem Betreff »Abschiebung von Juden in das Reichskommissariat Ostland« die 25 Landräte, den württembergischen Innenminister und den preußischen

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Regierungspräsidenten in Sigmaringen von der für den 1. Dezember geplanten »Evakuierung« von 1000 Juden unterrichtet und eingehende Anweisungen über die Einzie-hung des Vermögens der betroffenen Personen, über die Vorbereitung und die Durchführung des Transportes gege-ben. Nicht mitgenommen werden durften insbesondere Wertpapiere, Devisen, Sparkassenbücher, Wertsachen jeder Art mit Ausnahme des Eheringes. Die Jüdische Kultusver-einigung hatte nach den von ihr erstellten und von der Gestapo überprüften Listen die für den Transport vorgesehe-nen Personen zu benachrichtigen, ihnen die Vorschriften über die Mitnahme von Kleidung, Gebrauchsgegenständen und Lebensmitteln, über die Abfassung von Vermögenser-klärungen usw. bekanntzugeben. Sie hatte auch das Auffang-bzw. Sammellager auf dem Killesberg in Stuttgart einzurich-ten und die Finanzierung des Deportationstransportes sicher-zustellen.

Selbst die Jüdische Kultusvereinigung Württemberg in Stutt-gart hatte im Oktober 1941 in einem »Aufruf an die Juden in Württemberg und Hohenzollern« mitgeteilt: »Die Umsied-lung der Juden in Württemberg und Hohenzollern ist im Gange. Die Jüdische Kultusvereinigung ist bemüht, die neuen Wohnstätten zweckmäßig herrichten zu lassen...« Es folgte ein Spendenaufruf, um diese Kosten decken zu können. Die Vereinigung riet ihren Mitgliedern, sich zu fügen: »Jeder Versuch, sich der Evakuierung zu widersetzen oder zu entziehen, ist zwecklos und kann für die Betroffenen zu schweren Folgen führen.«

Abtransport mit Reichsbahnwagen

Vom 21. November 1941 ist die Anordnung des Landrats in Hechingen an die Bürgermeister in Haigerloch und Hechin-gen datiert, die sich auf oben genannten Erlaß der Gestapo

Quellen:

Stadtarchiv Haigerloch, Akten Nr. 573, 599, 694, 695, 697, 858, 897 a, 898

Literatur:

Paul Sauer: Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohen-zollern. Denkmale, Geschichte, Schicksale. Stuttgart 1966. Paul Sauer: Dokumente über die Verfolgung der jüdischen Bürger in Baden-Württemberg durch das Nationalsozialistische Regime 1933-1945. Band 2, Stuttgart 1966.

stützte und zum Teil wörtlich wiedergab. Am 24. November teilte die Reichsbahndirektion Stuttgart dem Hechinger Landrat mit, sie werde »die 130 Juden von Hechingen und Haigerloch nach Stuttgart Hbf. am Donnerstag, 27. Novem-ber, mit den gewünschten Zügen befördern und die erforder-lichen drei Personenwagen zur Verfügung stellen.« Diese Wagen sollten dem fahrplanmäßigen Zug der Landesbahn angehängt werden.

Am Morgen des 27. November versammelten sich die elf für die Deportation bestimmten Hechinger Juden um 9 Uhr im früheren Gemeindehaus, wo sie durchsucht wurden. Anschließend ging es unter Bewachung bis zum Landesbahn-hof, wo die vorgesehenen Personenwagen bereits warteten. Der Zug fuhr um 11.21 Uhr in Richtung Haigerloch ab. Dort stiegen die Haigerlocher Juden (mit den von auswärts Zuge-zogenen) zu, die ebenfalls deportiert werden sollten. Seit Mittwoch, 26. November, mußten sich die betreffenden Hai-gerlocher Juden in ihren Unterkünften bereithalten und durften diese nicht einmal vorübergehend verlassen. Auf dem Bahnhof wurden sie nach Waffen, Munition, Sprengstoff, Gift, Devisen und Schmuck untersucht. Der Haigerlocher Bürgermeister ließ von den 110 Personen weisungsgemäß 258,65 DM abnehmen und überwies diese an das Finanzamt Sigmaringen. Um 12.07 Uhr fuhr der Zug in Richtung Eyach, wo die Wagen auf die Reichsbahn überstellt und über Tübin-gen nach Stuttgart weiterbefördert wurden, wo sie um 16.26 Uhr ankamen und zum Nordbahnhof weitergeleitet wurden. Im Lager auf dem Killesberg mußten die rund 1000 Juden, die inzwischen zusammengekommen waren, bis zur Abfahrt am 1. Dezember warten. Dann verließ der Deportationszug Stuttgart in Richtung Riga, wo er am 4. Dezember ankam. Die meisten Juden starben dort in den Lagern oder wurden schon nach kurzer Zeit ermordet.

Paul Sauer: Die Schicksale der jüdischen Bürger Baden-Württem-bergs während der nationalsozialistischen Verfolgungszeit 1933-1945. Stuttgart 1968. Karl Werner Steim: Juden in Haigerloch. Photos von Paul Weber. Haigerloch [1987]. Karl Werner Steim: Die Synagoge in Haigerloch. Haigerloch 1988. Manuel Werner: Die Juden in Hechingen als religiöse Gemeinde. In: Zeitschrift für hohenzollerische Geschichte 20/21 (1984-1985) S. 103-213 und 49-169.

WALTER KEMPE

Ochsenbach und seine Vergangenheit (Fortsetzung)

Soldaten Napoleons

Napoleon rekrutierte seine Armee, mit der er 1808 nach Spanien zog, auch aus unserer Gegend. Vom »Schreiner-Lorenz« in Bachhaupten hörten wir, daß er als Soldat dieser Armee in spanische Gefangenschaft geriet und 1811 wieder zu Hause war16 .

Aus Ochsenbach war Josef Halder dabei. Er wurde 1794 geboren. Sein Beruf war Zimmermann. Halder diente als Bursche des Hauptmanns von Kohl aus Sigmaringen, angeb-lich zunächst in Frankreich. Dann soll er nach (oder in) Spanien geflohen sein und sich von Mai bis September 1816 nach seinem Heimatort durchgeschlagen haben. Er hielt sich zunächst in der Kapelle in Ochsenbach versteckt, die 2 m von seinem Elternhaus entfernt war. Wohin er sich dann wandte, ist unbekannt. An Fastnacht 1817 kam er verkleidet zurück und tanzte auf einem Faschingsvergnügen in Ochsenbach. Im »Hirschen« war dort als Wirt der Fürstl. Fürstenbergische

Oberförster Hug. Trotz seiner Verkleidung hat er den Josef erkannt. Die Aufzeichnungen über Josef Halders Erlebnisse während seiner Soldatenzeit, besonders während des Kriegs-jahres 1812, hat nach Pfarrer Schupp, sein Enkel, August Halder in Linz-Aach 1922 zusammengefaßt17.

Der Grundbesitz in Ochsenbach während der Lehensherr-schaft

Nach dem Ausverkauf der Liegenschaften des Adels, der im 13. Jahrhundert begann, teilten sich bis 1637 eine ganze Reihe einflußreicher Lehensherren den Grundbesitz in Ochsen-bach. Nur wenige Einwohner, neben einigen Bürgern der beiden Reichsstädte, hatten noch Eigenbesitz. Es werden erwähnt: Haus Habsburg (Österreich); die Klöster Beuron, Salem, Wald und Weingarten sowie d. Spital Uberlingen und verschiedene kirchliche Einrichtungen in Überlingen.

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Nach dem 30jährigen Krieg, bis Anfang des 19. Jahrhunderts, finden wir in Ochsenbach an Lehensherren, außer dem Hause Habsburg, der Herrschaft in Heiligenberg und den beiden Spitälern in Uberlingen und Pfullendorf, verschiedene Kolle-gialstifte und Kirchenpfründe, wie auch die von Burgweiler und Denkingen. Ferner war die Pfleg Kl. Königsbronn vertreten.

Über das 19. Jahrhundert hinaus ist dann das Haus Fürsten-berg, als Fürstl. Standesherrschaft, noch Besitzerin einer Reihe von Liegenschaften in Ochsenbach.

Die Zehntscheuer

Den Herren über Ochsenbach gehörte auch die Zehnt-scheuer, in die die Naturalabgaben der Untertanen einge-bracht wurden, vermutlich schon in der Salemer Zeit. 1758 wird sie dann als Eigentum der Gnädigsten Herrschaft Hoch-fürstlich-Fürstenberg beschrieben.

»Zehntscheuer samt Einfahrt, liegt einerseits an Johann Reichles Lehen, das der Fabric (kirchlichen Vermögensver-waltung) zu Überlingen gehört, andererseits an Philipp Bolls zu Benzenberg (ehem. bei Ruschweiler) herrschaftl. (fürsten-bergischem) Lehensacker, vorne auf die Gemeindestraße.«

1867 erscheint die Zehntscheuer im Feuerversicherungsbuch auf dem Grundstück des Bürgermeisters Konrad Bosch. Nach der Flurkarte von 1874 stand hier zu der Zeit außer der Scheuer kein weiteres Gebäude. Erst 1893 wurde noch ein Wohnhaus errichtet.

Dieses Grundstück, früher Ortsstraße 25, gehörte ab 1893 Fridolin Götz und ist seitdem im Familienbesitz. Heute wird es unter Falkenstraße 8 geführt.

Das Handwerk in Ochsenbach

Neben den Landwirten treffen wir in Ochsenbach nach dem 30jährigen Krieg auch verschiedene Handwerker: Tischler und Schreiner, Küfer, Wagner und Zimmerleute, Schmiede, Schlosser, Schuster, Sattler, Weber, Schneider, Maurer und Maler.

Die Feuerwehr

Nicht zu vergessen sei an dieser Stelle die freiwillige Feuer-wehr. Sie ist vereint mit der Burgweiler Wehr. Ihr Spritzen-haus Falkenstraße 20 = Flst. Nr. 1933, hatte vor 1925 die Nr. 32. Im Feuerversicherungsbuch von 1867 wird es als Spitzenremise geführt. Eigentümer ist heute Burgweiler, die Gemeinde.

Die Wein-Taverne

Als 1454 Junker Cunrat Schorpp von Freudenberg und seine Frau Elsbeth von Magenbuch den größten Teil ihres Besitzes verkauften, kam auch das »Wintäffer«, das Wein-Gasthaus, zu Unterochsenbach an Salem. Wer damals Wirt war, ist nicht bekannt. 1495 könnte es Ulrich Scherer von Ochsenbach gewesen sein. Er saß auf dem als österreichisches Mannlehen bezeichneten Gut, zu dem das Gasthaus gehörte. Hier wohnte auch im Jahre 1617 »der Scherer«18. Schon 1597 scheinen auch die Leute aus den umliegenden Ortschaften, wie von Waldbeuren und von Denkingen, die Taferne gern besucht zu haben. Neben fröhlichen Stunden gab es wohl hin und wieder Gelegenheit zu streiten. So verlor der Matthis Hornstein von Denkingen damals sein Auge bei einem Streit im Gaststall des Wirtshauses. Schuld daran war die Walpurga Bürckhofferin aus Waldbeuren. 1713 führte die Gaststätte Johann Keller als Kalbbauer. Hier erfahren wir, daß das Gebäude damals in einem guten bauli-chen Zustand war. Es bestand aus zwei Stuben, einem Hausgang, einer Tenne, einem Stall und einem Gaststall. Um 1758 besaßen Fidelis Keller und sein Weib »auf beiderteil und

lebenslang zu Afterlehen« den Hof und das Gut zu Ochsen-bach. Über die Besitzverhältnisse geben uns der Urbar von 1758 des Hochfürstlich-Fürstenbergischen Amtes Burgwei-ler und ähnliche Quellen Auskunft. Lehenherr des öster-reichischen Mannlehens war das Haus Habsburg - Öster-reich, Lehenträger, schon mindestens seit 1631, die Familie von Hafner, deren Sitz Pfullendorf und Bittelschieß war. Sie stammte einige Generationen zuvor aus dem Hause Grem-iich. (Anna Gremiich - Fenker. Das Lehengut wurde nicht selbst bewirtschaftet, sondern als Unter- oder Afterlehen jeweils auf Lebzeiten an Dritte abgegeben. Diese betrieben als Halbbauern meist auch das Gasthaus, so wie Fidelis Keller. Joseph Antoni Hafner und sein Bruder Joseph Leodegar Hafner versuchten, nach Archivunterlagen19, wegen Geld-schwierigkeiten 1751 das als Freigut bezeichnete Lehen zu verkaufen. Verhandlungsbasis: 2030 Gulden. Ob der Verkauf zustandekam, geht aus den verfügbaren Akten nicht hervor. Das Urbar berichtet: Hafner meinte, er hätte 1748 noch die Rechte für die Taverne und für den »Feilkauf« (Lebensmittel-oder Gemischtwarenhandel), die mit dem Hof verknüpft waren. Es stellte sich jedoch heraus, daß diese unter seinen Vorfahren bereits abgelaufen waren und der jeweilige Besit-zer von der Herrschaft in Heiligenberg, die diese Rechte vergab, nur noch den einfachen Weinausschank bewilligt bekam.

Als Wirt saß um 1817 der Fürstl. Fürstenbergische Oberför-ster Hug auf dem Anwesen, dann Ignaz Hug. Wir erfuhren, daß er auch Faschingsfeste mit Tanz veranstaltete. Das Gast-haus erhielt den eingetragenen Namen »Zum Hirsch«. Die ehemalige Haus-Nr. 4 ist heute Falkenstraße 27. Weitere Wirte sind uns bekannt: Thomas Heilig, dann Xaver Heilig und Anton Rutger. 1871 war Anton Freudigmann Hirschwirt, 1891 sein Sohn Anton und 1892 Johann Michel. 1898 übernahm der Hirschwirt Arthur Schatz. Seine Frau Josefine war eine geb. Michel. Bei der Eingemeindung Ochsenbachs nach Burgweiler im Jahre 1924 gehörte der »Hirsch« ebenfalls einem Arthur Schatz. Eigentümerin wird 1949 die Witwe Albertine Schatz genannt. Ab 1953 führte Maria Schatz, später als verehelichte Stocker, den elterlichen Betrieb der »Realgastwirtschaft«, bis der Gasthof 1974 seine Tore schloß.

Die kirchlichen Verhältnisse

Wohin Ochsenbach pfarrlirch gehörte, lesen wir in einem alten Pfullendorfer Protokoll von 1557: »Ochsenbach ist ein Dorf, gehört dem Kloster Salmanschweil (Salem) zu und thaud (tot) und lebendig in die Pfarr geen Denkingen, usgenommen die zway oberen Heuser im Dorff, die dieser Zeit Lenz Held und Marx Thum innehaben. Die gehören geen Burckweiler in die Pfarr.« Die kirchliche Zugehörigkeit Ochsenbachs ist somit weitge-hend mit der Geschichte der »Pfarr Denkingen« verknüpft. Diese »Pfarr Denkingen« war mindestens seit 1347 Filial der Pfarrei Pfullendorf. Sie wird im Liber taxationis (Steuerbuch) von 1353 ausdrücklich als Filial erwähnt. Denkingen besaß jedoch eine eigene Kirche, in der ein Helfer an Sonn- und Feiertagen Gottesdienst hielt.

Die Patronatsrechte über die große Pfarrei Pfullendorf gehör-ten bis 1347 König Karl IV. und dem Reich. Dann erhielt sie Kloster Königsbronn, das in Pfullendorf vertreten war. Dieses Patronat bzw. der Kirchensatz wurde 1577 an die Stadt Pfullendorf abgetreten. Laut einer Stiftungsurkunde ging dann 1730 bei der Errichtung eines ständigen Vicariats in Denkingen mit eigenem Geistlichen, das Patronat über dieses Vicariat auf den Magistrat der Reichsstadt Überlingen über. Hierbei wurden Ochsenbach (außer 2 Höfen) und Freuden-berg bei den Orten der Kirchengemeinde Denkingen wieder namentlich aufgeführt. Einige Jahre danach wurde aus dem

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Vicariat eine selbständige Pfarrei. Um 1804 übernahm Groß-herzog Karl Friedrich von Baden das Patronat der Denkinger Kirche. Er präsentierte 1804 Martin Hug aus Überlingen als Pfarrer für diese Kirche.

Die Kapelle Unserer Lieben Frau

Ochsenbach selbst hat nur eine kleine eigene Kapelle, die wohl seit ihrer Errichtung in erster Linie zur örtlichen Privatandacht diente und in Urkunden wenig erwähnt wurde. Wöchentlich finden hier noch Rosenkranzgebete mit der Mesnerin statt und jährlich Maiandachten. Die Kapelle liegt mitten im Dorf, dort wo die Straße nach Oberochsenbach-Zoznegg beginnt. Das Gebäude trug früher die Haus Nr. 11, heute Falkenstraße 15.

Wer das kleine Gotteshaus gestiftet und erbaut hat, wissen wir nicht. Vermutlich waren es Einwohner des Ortes. Im Handbuch der Erzdiözese Freiburg von 1939 ist als Baujahr 1721 angeben. Eigentum und Bepflanzung Gemeinde Burg-weiler.

Im Urbar von 1758 finden wir dann folgendes.

Anmerkungen 16 Kempe, W., Von der Musik Salems bis zur Volksmusik in Ostrach,

Heimatgeschichtliche Beilage des Mitteilungsblattes der Gemeinde Ostrach, Nr. 2/1990, S. 6

17 Schupp, Johann, Die ehemalige Freie Reichsstadt Pfullendorf und ihre Geschlechter, S. 114, Nr. 3685, Halder, August (bzw. Josef) und S. 282, Nr. 8941

»Unser Lieben Frauen Capel oder dessen Fabric (Vermö-gensverwaltung) hat alda nachstehende Stück und Gueter: Das Cäpele liegt einerseits an Bartholome Strassers eigen Haus, andererseits und stößt vorne an die Gemeinde Dorf-straßen, hinten auf des Joseph Mörle herrschaftl. Lehen Baindt. Dieses Kirchle hat die Gemeinde mit allem Notwen-digen zu erhalten.

Ackerfeldt: Ein Acker an »Hochäckern«, liegt einerseits an des Joseph Morles herrschaftl. Lehenacker, stößt unten auf das Bächle.

Daraus gibt Jacob Pfaff nach Osch (je nach Bebauung) Veesen (Dinkel) oder Hafer. . .«

Hieraus ersehen wir, daß die Kapelle der Jungfrau Maria geweiht war und daß neben der baulichen Erhaltung durch die Gemeinde, zum laufenden Unterhalt der Ertrag eines zur Kapelle gehörigen »Kirchäckerle« im Gewann Hochäcker zur Verfügung stand.

Eine gründliche Renovierung in neuerer Zeit fand 1977 unter aktiver Beteiligung der Einwohner statt.

18 StA Sigmaringen, Schupp, Johann, Ordner »Namen aus Pfullen-dorfer Urkunden und Mannlehenbuch, Nr. 510 Schärer (Scherer), Ulrich von Ochsenbach

19 Groner, J o s e f , Die Chroniken der Stadt Pfullendorf, 1982, S. 114

OTTO H. BECKER

Eine Quelle zum Nikolausbrauchtum im Obervogteiamt Trochtelfingen

Unsere Kenntnisse über das reiche und auch vielschichtige Brauchtum unserer Heimat in der Neuzeit beruhen, da erzählende Quellen, wie beispielsweise Chroniken oder Annalen, gewöhnlich fehlen, vornehmlich auf den Règle-ments, mit denen die Obrigkeit damals das Leben und auch das Zusammenleben ihrer Untertanen zu normieren suchte. Man denke hier vor allem an die Kleiderordnungen, an die zahlreichen Verordnungen zur Einschränkung bzw. zur Abschaffung der Fastnachtsbräuche, der Gastereien, der Kirchweih-, Hochzeits- und Tauffeiern oder des Glücks-spiels und des Schenkens und schließlich an deren Durchset-zung seitens der Obrigkeit.

Die Fürstl. Fürstenbergische Regierung in Donaueschingen suchte denn auch, wie wir aus einem Erlaß vom 22. Novem-ber 1786 an das Obervogteiamt Trochtelfingen erfahren, die Geschenke für die Kinder am Nikolaustag zu reglementieren. In dem Schriftstück heißt es: »Schon von uralten Zeiten her herschet in den diesseitig Fürstlichen Landen der Mißbrauch, daß man den Kindern an St. Nicolai Tag offt sehr übertrie-bene Geschenke macht, wo eine beträchtliche Sum[m]ae Gelts für nichtswehrte Kinderspiele, unnötiger Dinge ver-schwendet wird. Wie man nun diesen Mißbrauch nicht länger mehr zu dulden gedencket, so wird Fürst[lich]em Amt der gnädige Auftrag gemacht, gehorsamsten Vorschlag und Gut-hachten an Händen zu geben, wie und durch was für kräfftige Mittel man die Abstellung derselben in Zukunfft und auf nächstes Jahr erzielen könnte.«

Über die Geschenke am St. Nikolaustag berichtete das Fürstl. Fürstenbergische Obervogteiamt mit Schreiben vom 2. Dezember 1786: »In diesseitigem Obervogtey-Amts-Bezirk sind derley Geschenke eben nicht kostspielig, und bestehen meistens in Brod, Apfel, Birnen, Nüssen und ande-

ren Neschereyen, die die Kinder von ihren Altern u[nd] Tauf-Pathen zu erhalten pfleegen.« Hinsichtlich des geplanten Verbots der Nikolausgeschenke äußerte das Obervogteiamt Trochtelfingen die Überzeugung, daß das »Landvolk« von diesem Brauch nur durch Strafen abzubringen sei, gab hierzu aber folgendes zu bedenken: »Wie hart aber eine solche Straf-Erkenntniß [=Strafbe-schluß], wenn zum Beyspiel ein wohlhäbiger Tauf-Pathe seinem armen Tausch-Kinde etwa ein Stückchen Kleid zum St. Niklaus-Geschenk machen sollte, den Unterthan[e]n auf-fallen würde, müssen Wir dem g[nä]d[i]gen Ermessen Ewer [Excellenz] selbst gehorsamst anheimstellen.« Das Obervogteiamt schlug deshalb vor: »In dieser Betrach-thung halten Wir gehorsamst unzihlsetzlich ^unmaßgeb-lich] dafür, daß die St. Niklaus-Geschenke Überhaupts eben nicht abzustellen, sondern höchstens etwa dahin einzu-schränken wären, daß ausser gewöhnlich[en] Esswaaren u[nd] nützlichen Kleider-Stücken alle übrigen bloß den Luxum begünstigende, oder denen Kindern nur augenblickli-che Vergnügungen gewährende eben so kostbar als unnütze Tändeleyen bey den St. Niklaus-Geschenken unter schwerer Strafe unterbleiben sollen.« Ob die Initiative zur Einschränkung oder gar zur Abschaf-fung der Nikolausgeschenke weiterverfolgt wurde oder im Sande verlaufen ist, darüber schweigt die vorliegende Quelle. Dessen ungeachtet blieb der »Klosentag« hierzulande bis ins 19. Jahrhundert das größte Fest der Kinder und der heran-wachsenden Jugend.

Quellen- und Literaturnachweis:

StA Sigmaringen Ho 172 (Herrschaft Trochtelfingen) NVA I 10.847 Josef Mühlebach: Vom winterlichen Brauchtum auf dem Lande. In: Hohenzollerische Heimat 21 (1971), S. 114f.

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JOSEF SCHULER

Junginger Dorfgeschichten - Abschied

Se hand Schdial- und Dischfüeß dreht fier d Schreiner, Weallhelzer und Veschbrbrittle fier d Hausierer, dazwisched nei amol a schees Schbinnrädle fier a Ausschdeier, aber Faßhahna macha, des ischd iehra Broterwerb gsei. I-ma Ländle, mo sovill Moschd und Wei drunka wuud, ka ma it gnueg davo macha. D Red isch vo da Dreher oder Drechsler. Um d Johrhundertwende hand bei aus no a Dutzed des schee Handweark betrieba, drunter au dr Josef Winter im Gässle dun, dea ma aber nuu da »Schaa« ghoaßa hot. Froged me it, mohear dear Übernama kunt, i wass es ist. Glei neabed dr Hausdier hot r sei gleis Wearkschdättle ghett, mo außer dr graußa holzerna Drehbaak grad no a Kanona-Öfele Platz ghett hot. S mues it leicht gsei sei, des Mords-Schungrad mit dreatta in Gang z-halta, denn Motora hots domols no lang koanne gea. A Reagadäg oder im Winter, wenn ei-gschaffed gsei isch, sind d Nochber und Kamerada z Schduba komma. Se sind anand uff da Füeß rumdabbed, hand s Öfele in Brand ghalta und s Fiedla dra gwermd. Se hand Raibergschichtle vrzehlt, hand d Leit ausgmached, mitenand Schbrüch glopfed und iehren Schbaß ghett. So send se elter woara mitenand, und ama scheena Dag hot dr Schaa sein Drehschdahl numgleit und da letschda Schnaufer dau. Seine Freind sind draureg gsei und hand gschbeirt, daß se a Schdickle Hoamed vrlaura hand.

Domols hots no koa Leichahalla gea. S ischd Brauch gsei, da ma bei Dauda Dag und Naacht Wach helt, solang se im Haus lieged. Ehrasach, daß dia Manna a Nachtwach iberneammed. Am Obed kommd se anandernoo zum Kondoliera und zum »Weihwasser-gee«. Se weand iid Schdubakammer gfiert, mo dr Josef e seim Bett dinna zwisched Bluama und Keeza uffbohrt ischd, wia wenn r schlofa dät. Ma geit Weihwasser

und wuud vo daused Gedanka iberfalla - »Herr gieb iehm de ebig Ruah«.

Nohear sitzed se no-m alta Herarkomma um da Schduba-Disch uud beatted da Rausagranz. Langsam entschdoht drno bei-ma Glas Moschd a leise Underhalting, daß dear schtill Schläfer neabeddann it gschdert wuud. Se schwätzed vom Dauda und vom Schtearba und weand it begreifa, daß a vrtrauter Mensch, kaum daß r d Auga zua hot, oam frend wuud, daß man a Angschd, a Scheu voar em-a Dauda hot. Dear mo deann i dr Kammer leit, ischd bi Gott doch ällaweil no iehra alter Schbezel, dr Schaa.

Ma waßt doch, a Dauder duet warn nunz maih, do mues ma eher de Leabega fircha. D Naacht isch lang, aber des Problem lott se nimme laus. Und dr Moschd schwätzt au aweng mit. Pletzleg mached oar da aberwitzige Voarschlag: »Wear goht num und zuht da Josef a-dr Naas?« De andera Ane-Dosser sind zmol heall wach, i-d Seel nei vrschrocka. Oar schwätzt gar vo Leichaschänding. A Andrer deekt: »Vielleicht kennt ma sich uff dia Art amol freimacha vo deara Angschd voar da Dauda.« Kuzum, schließleg sind alle dabei, koar will se ausschließa und als Feigling gealta. Mo dr Eeschd da Josef a-dr Naas zuht, moad ma grad, dear schittle a-wing da Kopf, als obr saga wett: »lehr alte Sempel, wa ischd ui doo wiedr eigfalla?«

Während dia Manna, oar um da andera aas Bett dritt, weand se zmol eanschd, fäschd feierleg. Se merked, des isch koa Muetprob, koa Jux maih. Jeder schbeirt innerleg, jetz hand se uff iehre Art entgülteg Abschied gnumma vo iehrem Kame-rada, em Schaa.

(Um 1920)

OTTO HELLSTERN ( f )

Geschichte der fürstlich-hohenzollerischen Domäne Glatt-Oberhof (Fortsetzung)

1797 Am 27. Januar freute sich der junge Hofmayer über die Geburt eines Stammhalters. (Familien-Chronik Glatt.) Den glücklichen Vater Martin Traub nannte man im Glatterischen Volksmund »dr Hofmathe«. Diese Übernamensbezeichnung übertrug sich auf alle Nach-kommen bis in die heutige Zeit. 5 Generationen später wird also diese Nennung als Beinamen örtlich noch angewandt.

1798 Am 8.Juli brachte die 38jährige Hofmaierin Priska Treßel Zwillinge zur Welt. Beide Kinder verstarben wenige Tage nach der Geburt. Die nicht mehr ganz junge Mutter konnte sich von den Geburtsfolgen und dem Verlust ihrer Kinder nicht mehr erholen, sie starb am 8. August 1798 um V2 9 Uhr auf dem Oberhof an der Wassersucht. Der Witwer, Martin Traub, heiratete 1798 am 29. Ok-tober die 41jährige Jungfrau Apollonia Bach von Glatt. In dieser Ehe wurden keine Kinder geboren. (Familien-Chronik Glatt.)

1800 Am 11. Juli »ist das herrschaftliche Wohnhaus des Verwalters Martin Traub auf dem Oberhof durch eine Feuersbrunst bis auf die Grundmauern zerstört worden.« (Pfarrarchiv Glatt, S. 158.)

Noch unter der Herrschaft Muri wurde das abge-brannte Maierhaus wieder aufgebaut, welches bis zum heutigen Tag erhalten blieb.

Anmerkung: Am nördlichen Hausgiebel unter dem Erdgeschoß befindet sich der Eingang zum Keller. Im Sandstein-Türensturz (über der Tür) ist als Jahreszahl anno 1775 eingemeißelt. Wahrscheinlich ist zu der Zeit das Maierwohngebäude neu gebaut oder erneuert worden. Mit Sicherheit kann man annehmen, daß der Keller und die Grundmauern beim Brand erhalten blieben und das neue Wohnhaus wieder darauf erbaut wurde.

1802/ »Martin zuvor sein Vater Christian Traub«. 1803 (Kirchenrechnungsvermerk, Pfarrarchiv Glatt.)

1803 Die Säkularisation (Verweltlichung) brachte für Glatt den Herrschaftswechsel. Nach dem Reichsdeputationshauptschluß vom 25. Fe-bruar 1803 erhielt der Fürst v. Hohenzollern-Sigma-ringen die gesamte Murische Klosterherrschaft Glatt (ausgenommen Dürrenmettstetten) zugesprochen. Am 2. September 1803 ließ sich Fürst Anton v.Ho-henzollern-Sigmaringen in Glatt huldigen.

Der Oberhof wurde nach dem Wechsel in eine fürstl. hohenzollerische Pachtdomäne umgewandelt.

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Der bisherige Verwalter, Martin Traub, blieb aber vorerst noch als besoldeter Maier auf dem Hof. Er war finanziell nicht in der Lage, den herrschaftlichen Vieh-bestand, die Schafhaltung und die gesamten Gerät-schaften des Hofes käuflich zu übernehmen. (FAS, verschiedene Niederschriften des Rentamtes Sigmaringen.)

1809 Am 4. Dezember kaufte der Hofmaier Martin Traub von dem Taglöhner Joseph Traub, Glatt im Gießen Nr. 66, einen Acker. (Akte Rathaus Glatt.)

Anmerkung: Traub versuchte, sein eigenes Bauerngüt-le in Glatt aufzustocken, um nach dem voraussehbaren Abgang vom Oberhof eine bäuerliche Existenzgrund-lage zu haben.

1812/ Oberhofmaier Martin Traub ist im örtlichen Brandka-1813 taster als Eigentümer von »Althofmayers Haus« mit

einer freistehenden Scheuer im Täle Nr. 27 und 28 ausgewiesen.

ADOLF VEES

Exkursion des Hohenzollerischen Geschichtsvereins am 21. 9. 1991

Das große Lautertal, von Kennern und Liebhabern der Schwäbischen Alb als landschaftliches Kleinod gepriesen, Ziel einer Tagesexkursion des Hohenzollerischen Geschichtsvereins mit 50 Teilnehmern aus Sigmaringen und Hechingen, verbirgt mehr als ein liebliches Tal mit Wiesen und großen Buchen. Hinter den Namen der Orte Offenhau-sen, Buttenhausen und Grafeneck verbergen sich spätmittel-alterliche Geschichte Württembergs und Unrecht und Grauen des 20. Jahrhunderts.

Die Geschichtsfreunde kamen von Sigmaringen und Hechin-gen über Gammertingen in den kleinen Ort Offenhausen. Heute zur Gemeinde Gomadingen gehörig und Pferdefreun-den gut bekannt als Fohlenaufzuchtstation des Haupt- und Landgestüts Marbach. Das Vergnügen, die Fohlenherde der halb- und eineinhalbjährigen Hengste auf weitläufigen Kop-peln zu sehen, wie sie Menschenkindern gleich, neugierig und verspielt, den Besuchern entgegentreten, wurde erhöht durch das Erlebnis der weiten Alblandschaft mit ihren großen Weiden und Wäldern. Und noch in dem seit ein paar Jahren eingerichteten Gestütsmuseum umfängt den Besucher fest-tägliche Laune, wenn er die herrschaftlichen Kutschen, das prächtige Zaumzeug, kunstvoll bestickte Schabracken und die Bilder so berühmter Pferde wie Bairactar sieht, der 1817 als erster Vollblutaraber nach Württemberg kam und die weltberühmte Araber-Zucht der württembergischen Könige begründete. Und doch merkt der Besucher schnell, daß er nicht in einem gewöhnlichen Museum ist, er findet sich wieder in einem hohen Hallenraum, mit schmalen aufwärts-strebenden Fenstern, die teilweise noch steinernes Maßwerk zeigen. Es ist die ehemalige Kirche St. Maria Gnadenzell des 1535 aufgehobenen Dominikanerinnenklosters Offenhausen. Im Obergeschoß des Museums, das der Besucher als die Ebene der Klosterfrauen erkennt, die über eine noch ange-deutete Wendeltreppe aus dem heute verschwundenen Kon-ventsgebäude in die Kirche traten, ist auch eine kleine Doku-mentation dem vergangenen Kloster gewidmet. Die Span-nung zwischen dem Stolz auf schöne Pferde und der ausge-triebenen Frömmigkeit der Klosterfrauen will nicht von dem

Zum Tode von Georg Bensch

Am 2. Dezember 1991 starb, kurz nach seinem 70. Geburtstag, Verleger Georg Bensch. Nach dem Stu-dium von Romanistik, Geschichte, Philosophie und Nationalökonomie in Tübingen, trat er 1951 in M. Liehners Hofbuchdruckerei ein. Viele Jahre hat er für die Lokalausgabe der »Schwäbischen Zeitung« in Sigmaringen gearbeitet. 1967 hat er den Jan Thorbecke Verlag übernommen und zu einem Verlag für Landeskunde und Ge-schichtswissenschaft von internationaler Bedeutung entwickelt. Neben einer fast unglaublichen Fülle von wissenschaftlichen Publikationen hat Bensch Literatur und Kunst aus Oberschwaben gefördert; es seien nur Namen wie Maria Beig und Dr. Otto Beck genannt. Jeden seiner rund 1200 Buchtitel kannte er genau. Für die Autoren seines Verlages war er jederzeit zu spre-chen, fast immer wußte er Rat in schwierigen Fragen. Geboren am 25. November 1921 in Ratibor, blieb Bensch seiner schlesischen Heimat stets verbunden. Er wurde Geschäftsführer des 1732 in Breslau gegründe-ten Bergstadtverlages, als dieser sich in großer Not befand. Zur Trauerfeier am 6. Dezember hatten sich Freunde, Geschäftspartner, Autoren und Mitarbeiter versam-melt. Professor Dr. Dr. Johannes Duft, Stiftsbibliothe-kar von St. Gallen, würdigte nicht nur die menschli-chen Qualitäten von Georg Bensch, er bezeichnete ihn als den Idealtyp eines Verlegers. Georg Bensch war über Jahrzehnte mit der »Hohen-zollerischen Heimat« und dem Hohenzollerischen Geschichtsverein verbunden. Schon seit 25 Jahren wird die »Zeitschrift für Hohenzollerische Geschich-te« von der Druckerei Liehner hergestellt. Als 1969/70 eine kritische Situation für die »Hohenzollerische Heimat« entstanden war, hat Herr Bensch die weitere Herausgabe unserer Zeitschrift ermöglicht. Bei vielen Versammlungen des Hohenzollerischen Geschichts-vereins war er anwesend, immer bereit zur Hilfe mit Rat und Tat. In seinem Verlag betreute er die Arbeiten zur Landeskunde Hohenzollerns. Dadurch, daß diese jährlich im Verlagsverzeichnis erscheinen, sind sie immer für die Öffentlichkeit präsent. Dankbar neh-men wir Abschied von Georg Bensch, er hat ein Werk hinterlassen, das für viele von Wert und Bedeutung ist.

Dr. Herbert Burkarth

Besucher weichen. Für einen nüchternen Protestanten Alt-Württembergs, als der sich der Museumsführer ausweist, scheint hier kein Problem zu liegen.

Jüngste Geschichte und nicht nachlassende Nachdenklichkeit fingen die Geschichtsfreunde in Buttenhausen und Grafeneck ein.

Buttenhausen als Ort der Reichsfreiherren von Liebenstein hatte seit 1755 jüdische Menschen als Schutzjuden aufgenom-men, ganz wie wir es von den Zollerngrafen in Hechingen und Haigerloch kennen. Aus dem kleinen Ort Buttenhausen war bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts ein mehrheitlich jüdisches Dorf geworden mit Synagoge, Badehaus, Juden-friedhof und einer von Kommerzienrat Lehmann Bernheimer gestifteten staatlichen Realschule. Die Nationalsozialisten haben alles zerstört. Am Platz der Synagoge liegt ein Gedenk-stein, von Gras umwachsen, und wo vielleicht einst das Vorlesepult des Vorbeters stand, steht eine Stele, den sieben-armigen Leuchter eingeritzt. Nur auf dem am Rand des

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Verlag: Hohenzollerischer Geschichtsverein Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen

M 3828 F

Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt.

Dorfes schön gelegenen jüdischen Friedhof ist die bedeu-tende Vergangenheit der jüdischen Gemeinde erkennbar. Zahllose Grabsteine zeigen die Namen der jüdischen Men-schen, auffallend gut leserlich, mit frischer Steinfarbe getönt, die Lebensarbeit von Walter Ott, eines Buttenhauser Bürgers, der seit über 30 Jahren diesen Friedhof um Gottes Lohn pflegt und der von den Verstorbenen, Verschleppten und Ermorde-ten als von Freunden spricht, der den Uberlebenden, die aus aller Welt nach Buttenhausen kommen, die Gräber ihrer Vorfahren zeigt.

Und noch einmal tauchen die Geschichtsfreunde in das dunkle Kapitel des Nationalsozialismus ein, als sie auf Schloß Grafeneck vom Leiter der Samariterstiftung, die dort seit 1928 ein Heim für behinderte Menschen unterhält, über die

Tötungsaktion der Nazis des Jahres 1940 aufgeklärt werden, der über 10000 Menschen zum Opfer gefallen sind. Das Grauen ist buchstäblich handgreiflich, als die Bilder der Tötungsbaracke auf dem Tageslichtprojektor erscheinen, in der Tag für Tag Kranke und Behinderte aus Sigmaringen, Stetten im Remstal, Zwiefalten, Liebenau und vielen anderen Orten ermordet wurden. Die schöne Gedenkstätte, die seit kurzem auf dem Bergrücken steht, mahnt und spendet auch Trost. Sie weist auf die Abgründe im Menschen hin und auf seine Fähigkeit zu trauern.

Beim Abschluß der Reise galt der Dank der Geschichts-freunde dem Reiseleiter Heinrich Heberle und den beiden Vorsitzenden Dr. Schöntag und Dr. Vees für die Gestaltung des Tages, für Einführungen und Erklärungen.

Buchbesprechungen Im Land der Hohenzollern.

Rechtzeitig zur Vorstellung der Hohenzollernstraße ist das zugehörige Buch, der Text-Bildband »Im Land der Hohen-zollern«, erschienen. Die Autoren sind Uwe Kraus und Wolfgang Schaffer. Dr. phil. Uwe Kraus ist Fremdenver-kehrsreferent des Landkreises Sigmaringen und war jahrelang Organisator und Leiter von Studienreisen u. a. beim schwäbi-schen Heimatbund. Dr. phil. Wolfgang Schaffer war Kreisar-chivar von Sigmaringen und ist wissenschaftlicher Archivar und Historiker in Köln.

Kraus beschreibt in 10 Kapiteln je eine Teilstrecke der Hohenzollernstraße. Jedem Kapitel ist eine Kartenskizze beigegeben und die Sehenswürdigkeiten werden auf ausge-sucht guten Farbfotos gezeigt. Neben der Landschaft werden Kultur und Geschichte kurzweilig aber fundiert geschildert. Immer wieder sind Vorschläge für Spaziergänge oder Wande-rungen in den Text eingeschoben. Die Hohenzollernstraße führt nicht nur durch »ur-hohenzollerische« Gebiete. Die Westroute geht über Balingen und das Eyachtal über den Heuberg nach Beuron und von dort in den badischen Genie-winkel. Auch die altehrwürdige Reichsstadt Pfullendorf ist einbezogen. Am Schluß sind die angegebenen Museen mit den Öffnungszeiten zusammengefaßt.

Den zweiten Teil des Buches bildet »Die Geschichte Hohen-zollerns im Uberblick« von Wolfgang Schaffer. Trotz der

Kürze vermittelt der Text alle Informationen zur hohenzolle-rischen Geschichte in ansprechender Form. Das Geschrie-bene ist durch informative Abbildungen unterstützt. Eine historische Karte und eine Ubersicht über die verschiedenen Zweige der Familie von Zollern veranschaulichen den Text. Dieses Buch stellt ohne Zweifel eine Bereicherung der Litera-tur über Hohenzollern dar. Es ist ein bemerkenswert schöner Bildband und zudem ein Reiseführer von hohem Niveau.

»Im Land der Hohenzollern« von Uwe Kraus und Wolfgang Schaffer, 112 Seiten mit 111 Farbfojos, zehn Kartenskizzen und zwei farbigen Übersichtstafeln. DRW Verlag Leinfel-den-Echterdingen, in Kunstleinen gebunden mit farbigem Schutzumschlag, Preis 59 Mark.

Da guck na.

Ein hübsches kleines Buch mit schwäbischen Gedichten des Kinderbuchautors und Mundartdichters Manfred Mai. Die Gedichte werden begleitet von ansprechenden Farbbildern des Fotografen Norbert Schütz. Das Büchlein ist nicht nur als besinnliche Lektüre, sondern auch als immer passendes Geschenk geeignet.

Manfred Mai und Norbert Schütz, Da guck na. 48 Seiten, 22 Farbabbildungen, fester Einband, DM 14,80. Silberburg-Verlag, Stuttgart.

HOHENZOLLERISCHE HEIMAT hrsggbn. vom Hohenz. Geschichtsverein. ISSN 0018-3253 Erscheint vierteljährlich.

Die Zeitschrift »Hohenzollerische Heimat« ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will besonders die Bevölkerung in Hohenzollern und der angrenzenden Landesteile mit der Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie bringt neben fachhistorischen auch populär gehaltene Beiträge.

Bezugspreis: 8.00 DM jährlich.

Konto der »Hohenzollerischen Heimat«: 803843 Hohenz. Landesbank Sigmaringen (BLZ 65351050).

Die Autoren dieser Nummer:

Dr. Otto H. Becker Hedinger Straße 17, 7480 Sigmaringen

Emil Grupp

Panoramastraße 70, 7453 Burladingen 1

Walter Kempe Silcherstraße 11, 7965 Ostrach

Dr. Herbert Rädle Veit-Jung-Straße, 8430 Neumarkt

Josef Schuler Killertalstraße 51, 7455 Jungingen

Karl Werner Steim Wegscheiderstraße 26 7960 Riedlingen

Dr. Adolf Vees Fürstin-Eugenie-Straße 11 7450 Hechingen

Druck: M. Liehners Hofbuchdruckerei GmbH & Co., 7480 Sigmaringen, Karlstraße 10.

Schriftleitung: Dr. H. Burkarth, Eichertstraße 6, 7487 Gammertingen Telefon 07574/4407

Die mit Namen versehenen Artikel geben die persönliche Meinung der Verfasser wieder; diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge verantwortlich. Mitteilungen der Schriftlei-tung sind als solche gekennzeichnet. Manuskripte und Besprechungsexemplare werden an die Adresse des Schriftleiters er-beten. Wir bitten unsere Leser, die »Hohenzolleri-sche Heimat« weiter zu empfehlen.

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