humanistischer zionismus

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    Steinerschler und der Palstinakonflikt

    Von Hans-Jrgen Bracker

    Ende des 19. Jahrhunderts entstand im Judentum eine Rckkehrbewegung in dasGelobte Land. Der Beitrag von Hans-Jrgen Bracker zeichnet ein differenziertes Bilddes Zionismus, in dem auch zwei Steiner-Schler eine Rolle spielten.

    Unter Zionismus versteht man die politische Ideologie, die sich seit dem Ende des 19.Jahrhunderts die jdische Besiedelung Palstinas zum Ziel setzte, das damalshauptschlich von Arabern bewohnt war und unter trkischer Herrschaft stand. Die

    meisten Zionisten kamen aus Osteuropa. Mit dem 1. Zionistischen Kongress in Basel kames 1897 zu einer ersten weithin wahrgenommenen ffentlichen Manifestation derzionistischen Bewegung in Mitteleuropa. Hier war sie zwar alles andere als eineMassenbewegung, mit dem Wiener Boulevard-Autor und Journalisten Theodor Herzlverfgte sie aber ber eine medienwirksame und charismatische Leitfigur. Herzls Bcher(der Roman Altneuland und die Programmschrift Der Judenstaat, 1896) riefen zum einenBegeisterung bei einem Teil der Leser hervor, erregten aber mehrheitlich - auch undgerade unter jdischen Autoren - heftigen Widerspruch. Herzl hatte eine Reihe vonVorgngern, u.a. den Linkshegelianer und zeitweise mit Karl Marx verbundenen MosesHess (Rom und Jerusalem, 1862), den Odessaer Arzt Leon Pinsker (Autoemanzipation,1882) und den Schriftsteller Nathan Birnbaum (Pseudonym Mathias Acher), der denBegriff Zionismus prgte. Anhnger hatte der Zionismus hauptschlich in Osteuropa,insbesondere im russischen Zarenreich, wo es seit 1881 immer wieder und immer fterzu blutigen Pogromen gegen die rechtlich ohnehin schon benachteiligte jdischeBevlkerung kam. Zu dieser Zeit begann die systematische Auswanderungosteuropischer Juden nach Palstina (1. Alija, 1882-1894).

    Aber auch viele osteuropische Juden flohen nach Mitteleuropa (und weit mehr nochnach Amerika), wo sie durch ihr Erscheinungsbild schnell zur Zielscheibe vonDiskriminierung wurden. Ihre Not kann durchaus mit der Situation heutigerKriegsflchtlinge und Asylbewerber in den Wohlstandslndern verglichen werden. DieSichtbarkeit des ostjdischen Elends auf den Straen europischer Metropolen trug mit

    dazu bei, dass der zionistische Gedanke auch im teilweise gutsituierten und assimiliertenjdischen Brgertum Sympathie gewann. Man wollte sich solidarisieren. Fr sich selbstdachte man deshalb aber noch lange nicht an die Alija, die Auswanderung nachPalstina.

    Nationalismus versus KulturimpulsUnter west- und mitteleuropisch gebildeten Juden herrschten damals teilweise genauso

    wie in ihrer Umgebung durchaus diffuse Vorstellungen darber, was denn eigentlich dasJudentum ausmache. Auch bei ihnen lebten antisemitische Klischees, man wusste eseinfach nicht besser, man interessierte sich auch gar nicht so sehr dafr. Im Zeitalter des

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    Imperialismus und des nationalen Chauvinismus definierten sich viele west- undmitteleuropische Juden national als Staatsangehrige ihres jeweiligen Heimatlandes;der Unterschied zu den nichtjdischen Mitbrgern lag lediglich in der Religion - sodachte und wnschte man es sich zumindest. Doch zur gleichen Zeit erhob deraufkeimende rassistische Nationalgedanke, der die Nationalitt als etwas Blutsmigesansieht, zunehmend sein Haupt (1879, im Jahr des Sturzes der Geister der Finsternis 1

    auf die Erde, wurde der Begriff Antisemitismus als Synonym fr Judenfeindschaft oder-hass geprgt) und der hoffnungsvolle - heute wrde man sagen: multikulturelle - Traumder assimilierten Juden Europas vom toleranten und aufgeklrten Miteinander derjdischen und nichtjdischen Brger der europischen Staaten verlor bald jedeGrundlage. Deutliche antisemitische Tendenzen (Schnerer und Lueger in Wien, Stckerund Treitschke in Berlin) wurden oftmals - gerade auch im aufgeklrten jdischenBrgertum - bagatellisiert bzw. ignoriert. Das idealisierte Bild der humanistischeneuropischen Kultur verstellte vielen den Blick fr die Realitt. Nur wenige west- undmitteleuropische Juden nahmen die drohenden Entwicklungsmglichkeiten ernst;zumeist waren dies sozial sensible Naturen, hufig sozialistisch orientiert, die an der Notdes osteuropischen Judentums aufwachten und sich dafr zu engagieren begannen,

    dass es (in Palstina) eine vor antisemitischen bergriffen sichere Heimat fr alle Judengeben sollte. Zu diesen Wenigen gehrten auch zwei Persnlichkeiten, in deren Lebendie Anthroposophie eine hervorragende Rolle spielte.

    Humanistischer ZionismusDer Zionismus stellte sich um 1900 als ein komplett heterogenes Phnomen dar. DieFrage, ob (und wo) es zu einem Judenstaat kommen sollte, oder ob es beim Zionismusum einen kulturellen Erneuerungsimpuls fr das Judentum ging, der sein geistiges und

    physisches Zentrum in Jerusalem (der namengebende Zionsberg stand als pars pro totofr Jerusalem und Palstina) haben sollte, war dabei heftig umstritten. Wortfhrer derletzteren Ansicht war der aus der Ukraine stammende Ascher Ginzberg (1856-1927), dersich Achad Haam (einer aus dem Volke) nannte. Eine im Heiligen Land erneuertejdische Kultur sollte in seiner Idee vom Kulturzionismus das weiterhin bestehendeDiasporajudentum geistig regenerieren. Fr die Bildung eines solchen kulturellenZentrums war keine jdische Bevlkerungsmehrheit in Palstina notwendig, eineStaatsgrndung war in diesem Konzept nicht vorgesehen. Eine andere Strmungdagegen, die ihre Wurzeln in der jdischen Arbeiterbewegung Russlands (bzw. russischPolens) hatte, strebte sehr wohl einen starken - und sozialistischen - Staat an. DieserStrmung gehrten auch die Grnderfiguren Israels an wie David Ben-Gurion, Golda Meir

    und andere. Konnte diese Strmung als links gelten, so hatte sie in den nationalistischausgerichteten Revisionisten (so genannt wegen der angestrebten Wiederherstellungdes jdischen Reiches in seinen antiken Grenzen) Wladimir Jabotinskys ihren Gegenpart.Dieser betonte im Rckgriff auf den bereits 1904 gestorbenen Herzl einseitig dennationalstaatlichen Charakter der Palstinasiedlung. Das Erbe dieser Richtung desZionismus, die auch terroristische Aktionen zulie, lebt in Israel im Likud-Block weiter.Eine kleine, aber nicht unbedeutende Strmung im Zionismus, die sich stark an IdeenAchad Haams und an die mehr auf sittliche Vervollkommnung des Einzelnen gerichteteAnschauung A. D. Gordons anlehnte, knnte man als den Prager, denmitteleuropischen oder humanistischen Zionismus bezeichnen. Im Mittelpunktdieser Richtung stand Martin Buber, der vor allem in der zionistischen PragerStudentenverbindung Bar Kochba Mitstreiter fand.

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    Rudolf Steiners ZionismuskritikNach dem 1. Basler Zionistenkongress schrieb Rudolf Steiner einen Artikel 2 , in dem ervon derOhnmacht des Antisemitismus sprach und gleichzeitig die herzlosenZionistenfhrer Herzl und Nordau, die aus einer Kinderei [dem Antisemitismus] einewelthistorische Strmung machten, fr viel schlimmer als die ungefhrlichenAntisemiten hielt. Diese Einschtzung entsprach seiner Grundhaltung, die in der

    vollstndigen Assimilation, also im Aufgehen des Judentums in der europischen Kultur,ein Ideal sah. Dabei muss man bedenken, dass Steiner generell die allmhlicheberwindung und Auflsung von Stammes-, Volks-, Nationen- und Rasse-grenzenvertrat. In diesem Kontext ist seine Zionismuskritik nachvollziehbar, wenngleich derTonfall seines damaligen Artikels nicht eben der sachlichste war. Kurze Zeit spterrevidierte er brigens seine Ansicht ber den Antisemitismus, den er dann eine Zeitlangsogar aktiv bekmpfte. Sein Urteil ber den Zionismus schien das aber nichtanzufechten. 1921 wurde sein Zionismus-Aufsatz von 1897 - allerdings ohne dass SteinersZustimmung eingeholt worden war - in der Zeitschrift Dreigliederung des sozialenOrganismus wieder abgedruckt. Ernst Mller, ein Wiener Zionist und Anthroposoph,schrieb daraufhin an Steiner einen Brief, der nahelegt, dass Steiner sein Urteil von 1897

    nicht mehr unverndert vertrat: Aufgrund der Andeutungen, die Sie mir persnlichmehrfach ber diesen Gegenstand gemacht haben, scheint es mir klar, dass [Ihre 1897]niedergelegten Anschauungen ber die Persnlichkeit Herzls sowie ber die zionistischeBewegung [...] zum groen Teile nicht heute die Ihrigen sind. 3

    Ernst Mller - Zionist und Anthroposoph

    Der in Mhren geborene und aufgewachsene Ernst Mller (1880-1954) war bereits alsSchler publizistisch in populren (nichtzionistischen) jdischen Zeitungen fr denZionismus eingetreten, hatte 1897 zum ersten Male (in Brnn) Herzl gehrt, lernte 1900

    in Wien den nur zwei Jahre lteren Buber kennen und schrieb seit diesem Jahrregelmig fr das kurzzeitig von Buber redigierte zionistische Zentralorgan Die Welt. Imgleichen Jahr kam es auch zu einer persnlichen Begegnung mit Herzl, dem Mllerspublizistische Ttigkeit nicht entgangen war. 22-jhrig bernahm Mller die Redaktionder kurz zuvor begrndeten zionistischen Jugendzeitschrift Unsere Hoffnung. Zu dieserZeit war er auch bereits dem damals erst 19-jhrigen Prager Studenten Hugo Bergmann(1883-1975) begegnet, einem Klassenkameraden und Freund von Franz Kafka, der spterPhilosophieprofessor und Rektor der Hebrischen Universitt in Jerusalem wurde. 1911sollten sie sich unverhofft bei Rudolf Steiners Prager Vortrgen wieder begegnen.

    Noch aber waren beide der Anthroposophie nicht entscheidend begegnet. Mller war

    einer der allerersten Westjuden, die nach Palstina gingen, und ist den meistenbedeutenden zionistischen Politikern persnlich begegnet. Er hatte zwar schon frh (um1904) von Steiner gehrt, zu einer tieferen Berhrung kam es aber erst 1909, nachdemer zwischenzeitlich in Palstina als Lehrer am gerade neugegrndeten HebrischenGymnasium in Jaffa und an der landwirtschaftlichen Schule Kirjath Sepher gewirkt hatte;vor seiner Alija hatte er 1907 am 8. Zionistischen Kongress in Den Haag teilgenommen.Zudem war er als bersetzer neuhebrischer zionistischer Autoren ttig (Achad Haam,Ch. N. Bialik). Das Ende seiner Palstinazeit und die Rckkehr nach Wien 1909 hattenverschiedene uere Grnde. ber Mllers inneren Weg habe ich bereits anderenortsberichtet. 4 Auch als Anthroposoph blieb er Zeit seines Lebens ein Verfechter desPrager-Zionismus.

    In Wien versuchte er, Anthroposophie und Dreigliederung an zionistisch orientierte jungeMenschen heranzubringen; 1922 brachte er Steiner whrend des (anthroposophischen)Wiener West-Ost-Kongresses mit Hermann Kadisch, einem der frhesten und engsten

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    Mitarbeiter Herzls, zu einem Gesprch zusammen. In einem unverffentlichtenautobiographischen Manuskript berichtet Mller, dass Steiner in diesem Gesprch dieIdee der Grndung eines jdischen Nationalstaats in Palstina aus dem Grunde ablehnte,dass er, Steiner, als Nichtjude ja von einer solchen ausgeschlossen sei. 5 Diese Auffassungentspricht Steiners multinationaler Staatsauffassung, wie sie u.a. in seinen Memorandenvon 1917 niedergelegt ist. Wie aus einem anderen Brief Mllers an Steiner hervorgeht,

    bemhte er sich auch um eine bersetzung von Steiners Dreigliederungsschrift (DieKernpunkte der sozialen Frage...) ins Neuhebrische, hatte auch einen bersetzer an derHand, das Projekt kam aber nicht zustande. Palstina - das war Mllers berzeugung -bot sich als Anwendungsgebiet fr die Dreigliederung bestens an. 1917 hatte zwarGrobritannien, dem der Vlkerbund 1919 das Mandat ber das vordem osmanischeTerritorium bertragen hatte, der zionistischen Bewegung eine Garantie fr dieErrichtung einer ffentlich-rechtlichen Heimsttte in Palstina gegeben (Balfour-Erklrung), das hie aber noch nicht, dass es zu einem jdischen Nationalstaat kommenmusste. Denkbar war eben auch ein bi-nationales Gemeinwesen, und dafr wollte sichMller mit der Verbreitung von Steiners Schrift einsetzen.

    Das AraberproblemMllers Freund Hugo Bergmann hatte bereits 1911 in der von Mller redigiertenzionistischen Zeitschrift Palstina gemahnt, dass es durch die jdische Siedlung inPalstina nicht zu einer Verdrngung, Benachteiligung oder Unterdrckung der dortbereits lebenden Araber kommen drfe. Es gelte, gerechte soziale und konomischeStrukturen aufzubauen. Bergman spricht vom unselige[n] Irrtum, dass Palstina einleeres Land ist... und verweist auf die bestehende betrchtliche nichtjdischeEinwanderung, vor allem christlicher Libanesen, auf den zunehmenden Judenhass unter

    den Arabern, sowie auf problematische Formen des Landerwerbs durch Juden inPalstina. Er gipfelt in der Frage: Lsst sich eine halbe Million Menschen expropiieren?und beantwortet sie, indem er zustimmend Jizchak Epstein zitiert: Wir wollenniemanden verdrngen. 6 Diese Position wurde innerhalb der zionistischen Bewegungallerdings nur von einer Minderheit vertreten, zu der auch Mller gehrte, der im Juli1921 in der von Nahum Goldman redigierten Zeitschrift Freie zionistische Blttergleichfalls einen entsprechenden Artikel Zur Araberfrage publizierte. Zu dieserMinderheit zhlten vor allem Martin Buber, Bergman und die stark von diesen beidengeprgten Prager Bar Kochbaner, darunter Persnlichkeiten wie der Journalist RobertWeltsch (1919-38 Chefredakteur der wichtigsten deutschen zionistischen Zeitung, derBerliner Jdischen Rundschau) und der Historiker Hans Kohn (einer der ersten

    Nationalismustheoretiker), die zeitweise wichtige Positionen in der zionistischenBewegung innehatten.

    Hugo Bergman und der Brith ShalomHugo Bergman ist der sehr angesehene Zionist, mit dem ich befreundet war, denRudolf Steiner in seinem Vortrag vom 8. Mai 1924 (GA 353) erwhnt. 7 Bergman war1919/20 in London Sekretr der Kulturabteilung der Zionistischen Organisation undwanderte 1920 nach Palstina ein, wo er die Hebrew National and University Library

    aufzubauen hatte. Im Umkreis der am 1. April 1925 gegrndeten Universitt bildete sichdann 1925/26 der Brith Shalom (Friedensbund), der sich fr ein bi-nationales Palstinaeinsetzte, aber letztlich gegen die herrschenden Richtungen innerhalb des Zionismus

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    nicht ankam. Die Zentrale der damals von Chaim Weizman geleiteten ZionistischenOrganisation war berdies in London und weit von den Palstinensern (so nannte mandamals die jdischen Palstinasiedler!) entfernt; der Bund - der 1942 als Ichud(Einheit) wieder auflebte - blieb immer ein Auenseiter. Zu seinen wichtigstenMitgliedern zhlten auer den Genannten der aus Berlin stammende KabbalaforscherGershom Scholem, der aus Magdeburg stammende Leiter des landwirtschaftlichen

    Siedlungswerks Arthur Ruppin, der amerikanische Grndungsprsident der UniversittJudah Leon Magnes, spter auch der Pdagoge Ernst Simon und Martin Buber. 8Bergmann hatte Steiner 1919, in der Hochzeit der Dreigliederungsbewegung, in derSchweiz gesprochen und besprach Steiners Aufsatzsammlung In Ausfhrung derDreigliederung des sozialen Organismus aus dem Jahre 1921 sofort nach Erscheinen inder hebrischsprachigen zionistischen Zeitschrift Maabarot. In Bergmans Tagebchernist darber hinaus ein Streitgesprch mit Buber nachzulesen, das damit endete, dassBuber das Verdienstvolle von Steiners [Dreigliederungs-] Gedanken [betonte].

    Zeitweilig stand mit dem Brith Shalom auch Nahum Goldman, der langjhrigePrsident des World Jewish Congress und der zionistischen Weltorganisation, in

    Verbindung, obgleich er die Idee des bi-nationalen Staates prinzipiell ablehnte. 9 Erkannte einige der Brith Shalom-Mitglieder, war sogar mit manchen befreundet undsetzte sich gleichfalls fr eine Politik der Verstndigung mit den Palstinensern ein, bliebjedoch immer ein Verfechter der Zweistaatlichkeit. Goldman schrieb 1976 in seinerkritischen Bilanz des Zionismus unter dem Titel Israel mu umdenken!: Der Irrtum [...],die Erbsnde des Zionismus war, das [palstinensische] Problem nicht rechtzeitig erkanntund die Tatsache bersehen zu haben, dass anderthalb Millionen Palstinenser zustzlichzu den Juden in Palstina lebten. 10

    Hugo Bergman, der diesen Irrtum von Anfang an erkannt hatte, war jedoch im Gegensatzzu Goldman kein Politiker, sondern ein Intellektueller, dessen menschliche undwissenschaftliche Verdienste (auch um die Anthroposophie in Israel!) nicht hoch genuggeschtzt werden knnen. Auch er kannte wie Mller viele politische Fhrer derzionistischen Bewegung, war mit manchen befreundet, und htte vielleicht auch seinepolitischen Vorstellungen als Politiker erfolgreicher vertreten knnen - doch seineAufgabe war eine andere.

    Humanistische ZukunftshoffnungDie Politik des 1995 von einem Fanatiker ermordeten Jitzchak Rabin, die 1993 zumGrundsatzabkommen von Oslo fhrte (letztlich eine Umsetzung der Ideen Goldmans),

    kann zum Teil als spter Erfolg der Ideale des humanistischen Zionismus angesehenwerden. Die Chance eines (bi-nationalen) jdisch-arabischen Miteinanders in einemgemeinsamen Staat in Palstina ist zwar seit der Staatsgrndung Israels 1948 (ein frallemal?) vertan; doch auch gegenwrtig und zuknftig im zweistaatlichenNebeneinander wird es Gelegenheit fr Israel geben, die Grundstze eineshumanistischen Zionismus zu beherzigen. Die gegenwrtige Politik hat es mit den Folgender Versumnisse und Verfehlungen in der Vergangenheit zu tun. Es ist zu hoffen, dassals Folge der gegenwrtigen Politik nicht neue Konflikte entstehen, sondern einfriedliches Zusammenleben im Heiligen Land mglich wird. Shalom - Salaam! Hans-Jrgen Bracker, geb. 1961, ist Redakteur der in Schaffhausen erscheinendenanthroposophischen Kulturzeitschrift Novalis.

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    1. Vgl. Rudolf Steiners gleichnamige Vortrge von 1917, GA 177.2. Rudolf Steiner, Die Sehnsucht der Juden nach Palstina, in Gesammelte Aufstze zurKultur- und Zeitgeschichte 1887-1901. (GA 31), Dornach 1966, S. 196 ff.

    3. Um Steiner gerecht zu werden, muss man allerdings wirklich den ganzen Artikel lesenund sich nicht mit den immer wieder zitierten Stellen begngen. Vgl. hierzu RalfSonnenberg, Rudolf Steiners Einschtzung des Zionismus und die Aktualitt des BrithShalom, in Novalis 6/2000)

    4. Hans-Jrgen Bracker, Ernst Mller. Portrt eines Mitteleuropers, in Novalis 2/3, 1994;sowie Der Einzelne und die Einheit der Menschheit, in Novalis 5/1997.

    5. Vgl. auch Steiners Vortrag am 8.5.1924 (GA 353), wo er das gleiche ausfhrt.

    6. Hugo Bergmann, Bemerkungen zur arabischen Frage, in Palstina, 1911, S. 190 ff.

    7. Zum Einfluss von Steiners Dreigliederungsideen auf den Brith Shalom vgl. wiederumRalf Sonnenberg, Rudolf Steiners Einschtzung des Zionismus und die Aktualitt desBrith Shalom, in Novalis 6/2000

    8. Zu Bergman vgl. Benjamin Ben-Zadok, Reine Idee und sittliche Tat. H.B. zumGedenken, in Die Drei 10/1984 und Gerhard Wehr, Zwischen Martin Buber und RudolfSteiner. Zu den Tagebchern und Briefen Hugo Bergmans, in Das Goetheanum 1/1986, S.10.

    9. Nahum Goldman, Mein Leben. USA, Israel, Europa. Mnchen 1981.

    10. Nahum Goldman, Israel muss umdenken. Reinbek 1976.

    (erschienen in Info3, 6/2000)