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Die Besten der Besten Bettina Hintze
mbauen, erweitern, aufstocken
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STEFAN HIENDL UND REGINA SCHINEIS, HIENDL_SCHINEIS ARCHITEKTENPARTNERSCHAFT
M Unser Ansatz war es, respektvoll mit dem Bestand umzugehen, Strukturen freizulegen und durch minimale Eingriffe neue Nutzungen zu ermöglichen. %%
AUSZEICHNUNG
ALT UND NEU DIALOG Sanierung und Umbau eines denkmalgeschützten Stadthauses in Passau
Mit seiner schlanken, hoch aufragenden Silhouette und der
strahlend weißen Putzfassade ist das Haus in der Lederergasse
heute wieder ein besonderer Blickfang im historischen Hand
werkerviertel der Stadt Passau. Es bildet den Auftakt einer
Häuserzeile am Inn und gehört zu den wenigen frei stehenden
Gebäuden der Altstadt. Auf Stichen um 1800 wird es erstmals
dargestellt, seine Ursprünge gehen bis auf das 15. Jahrhun
dert zurück.
Als das Architektenpaar Regina Schineis und Stefan Hiendl
das denkmalgeschützte Objekt von der Vorbesitzerin erwarb,
war es stark renovierungsbedürftig und bautechnisch völlig
überholt: Gut 50 Jahre hatte die alte Dame in einer Wohnung
im Obergeschoss gelebt, mindestens ebenso lange hatten hier
keine nennenswerten Modernisierungen stattgefunden. Fünf
weitere kleine Wohneinheiten, alle ohne Bäder, waren an Stu
denten vermietet.
Mit Respekt vor dem Bestand und minimalen Eingriffen in
die Substanz sanierten die Architekten den maroden Bau und
verwandelten ihn in ein zeitgemäßes Wohn- und Arbeitsdomizil.
Den kleinteiligen Grundriss haben sie bewusst beibehalten:
Im Erdgeschoss - heute ihr Architekturatelier - verbanden sie
die bestehenden Wohnungen lediglich mit schmalen Durch
gängen. »Die alten Strukturen bleiben spürbar, um den Kern
des Treppenhauses entstehen fließende Raumsequenzen:
Man durchschreitet einen Raum nach dem anderen und erlebt
die alten Anordnungen nun mit neuer Nutzung«, erläutert
Regina Schineis. Die umfassenden und zum Teil stark flie
henden Außenwände sind reinweiß, alle Innenwände zum
Treppenhaus mattschwarz gestrichen, sodass sie auch optisch
hinter die raumbegrenzenden Außenmauern zurücktreten.
Zwei ehemals zugemauerte Fenster auf der Ost- und Westseite
wurden freigelegt und versorgen das Büro mit mehr Licht,
Luft und neuen Ausblicken. Stimmig in ihren Proportionen
wirkt auch die Nordfassade auf der Seite zum Inn: Die Öffnun
gen wurden auf ihre historische Größe erweitert, ein störender
Schuppenanbau entfernt.
Über das ganze Haus waren Fenster unterschiedlichsten Alters
verteilt. In Eigenleistung arbeiteten die Architekten die Kasten
fenster auf und ergänzten sie an drei Gebäudeseiten um eine
weitere Schicht mit sogenannten Passauer Fenstern, deren
Flügel bündig in der Fassade sitzen und nach außen aufschla-
RECHTS: Die Straßenfront des denkmalgeschützten Hauses
mit seinem charakteristischen geschweiften Blendgiebel
und den Fensterfaschen wurde instandgesetzt. Die Fassade
an der Eingangsseite im Westen spielt mit unterschiedlichen
Öffnungen und Fensterformaten aus allen Zeiten.
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gen - eine ebenso effiziente wie unkonventionelle Art der
Dreifachverglasung. Auch die alten Holzböden, die sich unter
PVC- und Teppichbelägen verbargen, wurden liebevoll restau
riert und ergänzt, vorhandene Türen und Türstöcke wieder her
gerichtet.
Der Grundriss blieb auch im Obergeschoss nahezu unverändert:
Ein Durchbruch fasst die beiden kleinen Wohnungen zu einer
größeren zusammen. Öffnungen in den Trennwänden sorgen für
fließende Übergänge und Durchblicke zwischen Küche, Essplatz
und Wohnraum. Im Westen tritt ein kleiner, dezent gestalteter
Balkon vor die Fassade, ohne die klaren Konturen des Hauses
zu stören.
Die größten Veränderungen fanden im Schlafbereich in der
obersten Etage statt: Der stark durchhängende Dachstuhl
wurde entfernt und durch eine Konstruktion aus Dreiecks
rahmen ersetzt, die ihre gesamte Last auf die Außenwände
abtragen. Im Innern entstand ein offener, stützenfreier Raum,
der von einer schützenden Schale aus Weißtannenholz um
schlossen wird. Das Dach erhielt eine neue Deckung aus dunk
len Biberschwanzziegeln, die in starkem Kontrast zur hellen
Putzfassade stehen. Von allen Bausünden vergangener Jahre
befreit, tritt die markante, skulpturale Form des Hauses nun
wieder deutlich hervor - und ist ein sichtlicher Gewinn für
das Stadtbild.
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OBEN LINKS: Warme Farben und alte Holzdielenböden
sorgen im Wohnbereich im Obergeschoss für gemütliches
Flair. Die Fenstertür führt auf den neuen Westbalkon, der
die Wohnfläche um einen luftigen Aussichtsposten erweitert.
OBEN: In der oberen Etage wurden zwei Wohnungen zu
einem fließenden Raumkontinuum zusammengefasst.
Wandöffnungen lassen durchgehende Sichtachsen entstehen
und die kleinen Räume optisch größer wirken.
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LINKS AUSSEN: Wie ein schmaler Schacht
wirkt das stimmungsvoll beleuchtete innen
legende Treppenhaus. Es führt zu den
Schlafräumen im neu ausgebauten Dach
geschoss.
LINKS: Ein besonderer Blickfang ist die
Küchenzeile mit Fronten aus unbehandelten
Bronzeplatten. Das Oberflächenmaterial hat
sich im Alltag bestens bewährt: Als Kupfer
legierung ist es nicht nur antiseptisch,
sondern bekommt im Lauf der Jahre auch
eine schöne Patina.
LINKS UNTEN AUSSEN: Die alte Holz
treppe, die zur Wohnung im Obergeschoss
führt, wurde restauriert und ist nun ganz
in Schwarz gehalten. Auch die massive
Hauseingangstür aus Eichenholz erhielt
eine farblich passende Lackierung.
LINKS UNTEN: Die monochrome Farbge
bung macht aus dem WC im Erdgeschoss
einen kabinettartigen Raum, der wie aus
einem Guss erscheint.
UNTEN: Im Erdgeschoss wurden zwei ehema
lige Wohnungen zu einem Architekturatelier
zusammengefasst. Die kleinen Räume gehen
offen ineinander über, die alten Strukturen
bleiben dennoch spür- und ablesbar.
GANZ UNTEN: Alle Außenmauern sind weiß,
die Wände zum Treppenhaus hingegen matt
schwarz gestrichen. Die kleinen äußeren
Lüftungsflügel der Kastenfenster sind eben
falls dunkel abgesetzt.
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OBEN: Unter dem neuen Dachstuhl aus Dreiecksbindern, der
seine gesamte Last auf die Außenwände abträgt, entstand ein
stützenfreier Raum. Er wird durch maßgefertigte Einbauten
gegliedert - wie hier der Kindertrakt mit Alkoven und Hochbett
LINKS: Im Anschluss an den Elternbereich schieben sich Bad
und Ankleide unter die Schräge. Sämtliche Deckenverklei
dungen sind ebenso wie der Dielenboden aus unbehandeltem
Weißtannenholz.
RECHTS OBEN: Auch der bislang vernachlässigte Garten auf
der Innseite wurde neu angelegt. Die Laube dient als wind-
und wettergeschützter Freisitz- und bietet eine fantastische
Aussicht auf die gegenüberliegende Altstadt.
RECHTS BEIDE: Im Westen wurde der Zugangsbereich mit
Steg zum Inn neu gestaltet. Büro und Wohnung werden von
hier aus über getrennte Eingänge erschlossen. Mit seiner
Ostfassade orientiert sich der Altbau auf den Kirchenvorplatz
von St. Gertraud.
UMBAUMASSNAHMEN GEBÄUDEDATEN
• Denkmalgerechte Sanierung und Umbau unter
Beibehaltung der kleinteil igen Grundriss-Struktur,
• Dachausbau mit hochwärmegedämmtem Holz
dachstuhl aus Dreiecksrahmen,
• Wiederherstellen der historischen Walm- und
Blendgiebel,
• Sanierung der Nordfassade, Abbruch des
Schuppens zugunsten einer Terrasse,
• Neugestaltung des Eingangsbereichs mit Steg
zum Inn,
• Balkon vor dem Wohnraum,
• Restaurieren und Aufarbeiten von Holzböden,
Türen, Türstöcken, Fenstern,
• Verbesserung der Dämmwerte der alten Kasten
fenster durch Einbau zusätzlicher nach außen
aufschlagender Flügel,
• Erneuerung von Installationen und Haustechnik,
Einbau eines Mini-Heizkraftwerks.
Grundstücksgröße: 367 m2
Wohnfläche vorher/nachher: 214 m2 /148 m2
Zusätzliche Nutzfläche vorher/nachher:
30 m2 /178 m2 (Büro)
Anzahl der Bewohner: 4
Bauweise: Mauerwerk (Bestand); neuer Dachstuhl
aus Dreiecksbindern mit Holzfaserdämmung
Baukosten je m2 Wohn- und Nutzfläche: 1.288 Euro
Baukosten gesamt: 420 .000 Euro
Energiekonzept: Mini-Heizkraftwerk mit Stirlingmotor
Baujahr Bestand: 15. Jahrhundert (Teilbereich),
18. Jahrhundert
Fertigstellung Umbau: 2014
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Querschnitt
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Lage pian
Längsschnitt
RECHTS: Das Einzeldenkmal liegt in der Altstadt am Ufer
des Inns. Mit dem Umbau wurde das Haus wieder auf
seine klaren Konturen zurückgeführt. Das Dach erhielt
eine Deckung aus dunklen Biberschwanzziegeln, die einen
starken Kontrast zur hellen Putzfassade bilden.
RECHTS AUSSEN: Vor dem Umbau war das Haus in sechs
kleine Wohnungen aufgeteilt und sichtlich sanierungsbe
dürftig. Ein eingeschossiger Schuppen auf der Nordseite
verbaute den direkten Ausgang in den Garten.
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•
Obergeschoss
• Terrasse
Werkstatt/ Abstellen
Seh afen
Zimmer i
Dachgeschoss
Untergeschoss
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Erdgeschoss
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