i n h a l t - awo · 2017. 12. 1. · i n h a l t seite mitarbeiterinnen und mitarbeiter 2...
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I n h a l t
Seite
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 2 Jahresrückblick 2012 3
Fachartikel
Was im Leben wirklich zählt - Wie Eltern 7 glaubwürdig Kindern Werte vermitteln können
„Kinderflüstern“ - heilsame Botschaften für 13 das schlafende Kind
Das Jahr in Zahlen 18 Angebotstafel der Erziehungsberatung 25 Der ZEF–Förderverein e.V. 26 Beitrittserklärung
Pressespiegel 27
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Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Leitung: Carsten Bromann Dipl. Psychologe Psychologischer Psychotherapeut (Appr.) Systemischer Familientherapeut
Paartherapeut Elternkursleiter, Entwicklungspsychologischer Berater für Eltern von Säuglingen und Kleinkindern Familienmediator
TherapeutInnen und BeraterInnen:
Alois Kerklau Pädagoge M.A.
Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut (Appr.) Verhaltenstherapeut (DGVT)
Familientherapeut Paartherapeut
Mediator (AHS)
Kathrin Brettschneider Dipl.-Pädagogin
Gestalttherapeutin SAFE-Mentorin
Roswitha Kiel Dipl. Sozialpädagogin Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin (Appr.) Systemische Familientherapeutin
Peter Laveaux Dipl.-Psychologe
Familientherapeut Paartherapeut
Psychoanalytisch-interaktioneller Gruppentherapeut Sekretariat: Silke Pascheka
Verwaltungsangestellte
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Jahresrückblick 2012
1. Einleitung
Im Jahr 2012 wurden 366 Fälle im Bereich der Erziehungsberatung beraten. Diese Anzahl
ist nahezu identisch mit den Anmeldungen der Vorjahre.
Im Jahr 2012 fiel auf, dass die Anzahl der Mediationen erheblich angestiegen ist. 42
Mediationsfälle wurden bearbeitet. Das entspricht 11 % aller Beratungsfälle. Im Vergleich
dazu betrug der Anteil der Mediationen 2008 nur 3 % aller Fälle. Damit hat sich innerhalb
einer kurzen Zeitspanne ein neuer Schwerpunkt herausgebildet, der sich durch das neue
Familienverfahrensgesetz (FamFG) und durch die intensive Zusammenarbeit mit dem
Seesener Familiengericht und dem Jugendamt erklärt.
2012 wurde eine Kundenbefragung bezüglich der Zufriedenheit mit dem Service der
Beratungsstelle durchgeführt. Aus den zahlreichen positiven Rückmeldungen konnten wir
ablesen, was vielen Klienten jetzt schon gut gefällt und worauf wir in Zukunft achten sollten,
dass wir es beibehalten. So haben sich viele Klienten sehr positiv über die schnelle
Terminvergabe für ein Erstgespräch gefreut. Die Wartezeiten für ein erstes Gespräch sind in
unserer Beratungsstelle sehr kurz (vgl. Statistik Wartezeit bis zum 1. Gespräch). 98 % aller
Klienten bekommen innerhalb von 1 Monat eine Beratung, 74 % aller Anfragen erhalten
sogar innerhalb von 14 Tagen einen Erstgesprächstermin.
In 2 Fällen fanden die Klienten allerdings die Wartezeit zu lang, so dass wir die Gründe für
längere Wartezeiten (mehr als 3 Wochen) gesondert erhoben haben. Die Auswertung der 6-
wöchigen Erhebung erbrachte das Ergebnis, dass es bei 50 % der längeren Wartezeiten an
den Klienten lag und zu 50 % darin begründet war, dass die Klienten zu einem bestimmten
Berater wollten und dieser spezielle Berater erst nach 3 Wochen einen Termin anbieten
konnte oder es tatsächlich einen Engpass wegen erhöhter Anfrage in einem Monat gab. Auf
diese wenigen Ausnahmen einer längeren Wartezeit werden wir in Zukunft noch flexibler
reagieren, denn viele Ratsuchende, die sich in einer Beratungsstelle anmelden, erleben
einen hohen Leidensdruck und benötigen schnell ein erstes Klärungsgespräch. Weitere
Veränderungsanregungen wie z.B. Fachzeitschriften im Wartebereich, Getränke im
Wartezimmer haben wir gerne aufgegriffen. Mit der Erfüllung anderer Wünsche wie z.B.
Süßigkeiten für die Kinder waren wir zurückhaltender.
2. Fachliche Entwicklungen
Erfreulicherweise konnte das begonnene Entwicklungscheckprojekt für Seesener
Kindertagesstätten (SEEM 0-3) auch im Jahr 2012 fortgesetzt werden. Im letzten Jahr
wurde der Kreis der teilnehmenden Kindertagesstätten der Stadt Seesen erweitert um die
Kindertagesstätten in Rhüden und Münchehof sowie um die Elterninitiativen in Bornhausen,
Ildehausen und Bilderlahe. In allen Einrichtungen wurde allen Eltern von 3-jährigen Kindern
angeboten, dass die Beratungsstelle einen Entwicklungscheck bezüglich der
Entwicklungsbereiche soziale Entwicklung, Fein- und Grobmotorik, Sprachentwicklung und
kognitive Entwicklung durchführt. 93 Kinder wurden im letzten Jahr untersucht. Die
Beteiligungsquote der Eltern war wie bereits im Vorjahr mit 88 % sehr hoch. Wir sind sehr
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zufrieden, dass dieses Angebot auf ein großes Interesse gestoßen ist und zeigt, dass Eltern
ihre Kinder schon früh unterstützen wollen.
Im Jahr 2011 wurde im ZEF eine Fortbildungsveranstaltung zur Methodik des
„Kinderflüsterns“ durchgeführt, an dem alle Mitarbeiter teilgenommen haben. Im Jahr 2012
wurde diese hypno-systemische Methodik in etlichen Fällen erfolgreich eingesetzt. In einem
Fachartikel in diesem Jahresbericht wird diese Methodik und die Anwendung an
Fallbeispielen anschaulich erläutert.
Auf Grund der guten Erfahrungen mit diesem Workshop wurde 2012 erneut eine
Fachveranstaltung im September 2012 im ZEF organisiert, die ebenfalls für externe Kollegen
von Erziehungsberatungsstellen geöffnet war. Alfons Aichinger hat in einem Workshop mit
dem Titel „Hörst Du das kleine Nashorn weinen?“ seinen Arbeitsansatz des
Kinderpsychodramas bei Trennungs- und Scheidungskonflikten vorgestellt. An Hand von
Fallbeispielen und Rollenspielen wurde anschaulich demonstriert, auf welche Weise Berater
mit Kindern und Jugendlichen mit kreativen Mitteln ihre eigenen Persönlichkeitsanteile und
die Anteile der beiden Eltern ausdrücken können. Auf diese Weise sollen Kinder und
Jugendliche darin unterstützt werden, emotional einen Zugang zu beiden Eltern zu behalten,
was bei strittigen Eltern für die Kinder eine große Herausforderung darstellt.
2012 wurde die Nutzung interner Ressourcen der 4 Familienberatungsstellen des AWO-
Bezirksverbands Braunschweig weiter genutzt, in dem Mitarbeiter des ZEF zwei interne
Fachtage besuchten. Beim ersten Fachtag „Paarberatung – leicht gemacht“ im ZEF
wurden paartherapeutische Methoden der Genogrammarbeit mit Paaren und der
Skulpturarbeit kennen gelernt. Bei der Genogrammarbeit mit Paaren werden die zentralen
inneren Verletzungen der beiden Partner, die diese in ihren Ursprungsfamilien erlebt haben,
herausgearbeitet. Paare geraten häufig auf Grund ihrer jeweiligen inneren Verletzungen in
schwierige Konfliktsituationen. Das Erkennen, aus welcher inneren Not heraus der Partner
so reagiert wie er reagiert, hilft den Paaren gut, ein neues Verständnis füreinander zu
entwickeln. Bei der Paarskulpturarbeit wird der zentrale Konflikt des Paares von ihnen in
einer Skulptur im Raum dargestellt. Ausgehend von dieser Verkörperung der Paardynamik
wird sehr gut deutlich, wie die Partner sich fühlen, was sie sich an Veränderungen wünschen
und ersehnen und worin die ersten Lösungsschritte zu einer veränderten Partnerbeziehung
bestehen können.
Der zweite AWO-interne Fachtag „Kaiserschnittentbindung – Wirkungen und
therapeutische Arbeitsansätze für Mütter und Kinder“ fand in Wolfenbüttel statt. Auf
dieser Fortbildung wurde der Zusammenhang zwischen traumatischem Geburtserleben und
der Entwicklung von Kindern und der Beziehung zu ihren Eltern deutlich. In der
Erziehungsberatungsarbeit tritt nicht selten erst viele Jahre verspätet das ungelöste Trauma
einer schwierigen Geburt zu Tage und erklärt manche Entwicklungsschwierigkeiten von
Kindern.
3. Öffentlichkeitsarbeit
Die Beratungsstelle hat sich an dem Kinder- und Jugendschutztag des Landkreises
Goslar beteiligt und einen Vortrag mit dem Titel „Wege aus der Brüllfalle“ durchgeführt. Ziel
dieses Angebotes von Kathrin Brettschneider war es, Eltern andere als „gewalttätige“
Erziehungsmethoden zu vermitteln.
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Im ZEF wurden zwei spannende Vorträge angeboten:
Thomas Künne referierte im Frühjahr zum Thema „Begabung und Begabungsförderung
bei Kindern im Vorschul- und Grundschulalter“. Der Dipl. Psychologe des
Niedersächsischen Instituts für frühkindliche Bildung und Entwicklung machte das
Zusammenwirken von Begabung und Motivation für den Schulerfolg deutlich. Durch
zahlreiche Studien konnte nachgewiesen werden, dass emotionale Aspekte des Lernens für
das Zeigen von Leistung mindestens genauso wichtig sind, wie die kognitive
Grundbegabung von Kindern (IQ).
Dr. Henrik Uebel hielt im Herbst im ZEF einen Vortrag zum Thema „ADHS – Von A wie
Aufmerksam bis S wie Schwer zu bewegen, etwas zu tun, was er nicht will oder sie
nicht interessiert“. Dr. Uebel, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Ernst-August-
Universität Göttingen berichtete von den neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu
Ursachen dieser für Eltern von betroffenen Kindern sehr belastenden Erkrankung. Neben
den Ursachen wurden insbesondere Wege der Therapie und der Erziehung dieser Kinder
deutlich aufgezeigt.
In der Grundschule Rhüden hat Carsten Bromann vom ZEF einen Vortrag auf Einladung des
Rhüdener Elternvereins zum gewünschten Thema „Was im Leben wirklich zählt – Wie
Eltern Kindern glaubhaft Werte vermitteln können“ gehalten. Der sehr gut besuchte
Vortrag macht deutlich, dass Eltern sehr an diesem Thema interessiert sind. In einem
Fachartikel in diesem Jahresbericht können die wesentlichen Inhalte des Vortrages
nachvollzogen werden.
Peter Laveaux hat in einer gesonderten Diagnostiksprechstunde Eltern eine Untersuchung
zum Leistungsvermögen ihrer Kinder angeboten (siehe Presseartikel).
4. Kooperationsengagement
Das ZEF hat die bewährten Kooperationen – offene Sprechstunden in den drei Seesener
Kindertagesstätten und Sprechstunden bei Elternsprechtagen in der Grundschule Rhüden -
weitergeführt.
Im Jahr 2012 haben Vernetzungsgespräche mit dem Jugendamt und dem Familiengericht
sowie mit der Beratungslehrerin des Jacobsongymnasiums stattgefunden.
Das ZEF war 2012 darüber hinaus in folgenden Arbeitskreisen tätig:
- Präventionsrat der Stadt Seesen
- Bündnis für Familie Seesen: AK Beratung, Bildung, Auskunft
- AK Frühe Hilfen Seesen
- AK Elterliche Sorge Landkreis Goslar
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- AK Kinder- und Jugendpsychiatrie im Sozialpsychiatrischen Verbund des
Landkreises Goslar
- AWO-Schwangerschaftsberatungsstellen Niedersachsen
- Landesarbeitsgemeinschaft der Erziehungsberatungsstellen Niedersachsen
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Was im Leben wirklich zählt – Wie Eltern glaubwürdig Kindern Werte
vermitteln können
Die Vermittlung von Werten an Kindern ist eine wichtige Erziehungsaufgabe von Eltern. Dies
ist in einer Gesellschaft, in der es immer weniger einen Wertekonsens gibt, nicht einfach. Für
Kinder wird dies immer wichtiger, um sich in einer immer komplexeren, globalisierten Welt
zurechtzufinden.
Eltern scheinen sich der großen Bedeutung dieses Themas bewusst zu sein. Das kann man
daran ablesen, dass es bei Google 3.620.000 Einträge zum Suchwort „Werte in der
Erziehung“ und sogar 8.190.000 zum Suchbegriff „Werte in der Familie“ gibt. In der Politik
findet das Thema immer mehr Beachtung. Das Land Brandenburg hat beispielsweise ein
„Bündnis für Werte in der Erziehung“ gegründet, bei dem sich alle gesellschaftlichen
Gruppen mit dem Thema befassen.
Wie wirkt Erziehung?
Wenn man verstehen will, wie Kindern Werte vermittelt werden können, ist es hilfreich zu
wissen, auf welche Weise Erziehung am besten wirkt. Die „Pyramide der Einflussnahme“ in
der Erziehung macht deutlich, dass die größte Wirkung in der Erziehung über das Modell-
lernen erreicht wird. Kinder lernen in erheblichem Maße durch das, was sie bei den
Erwachsenen sehen. Der zweitstärkste Wirkfaktor ist die Eltern-Kind-Beziehung. Bei einer
guten Beziehung nehmen Kinder das, was die Eltern ihnen vermitteln wollen, in einem
wesentlich größeren Maße an als bei einer schlechten Beziehung. Deshalb kann man allen
Eltern raten, viel Engagement in eine gute Beziehung zu ihrem Kind zu investieren. An dritter
Stelle der Pyramide der Einflussnahme steht die Wirkung von hilfreichen Erziehungs-
methoden. Kinder lernen beispielsweise sehr gut aus natürlichen Konsequenzen und nicht
so sehr durch Bestrafungen.
Werteerziehung ist immer persönlich
Welche Werte an Kinder weitergegeben werden, ist von Familie zu Familie und von Elternteil
zu Elternteil sehr unterschiedlich. Worin sich die eigenen Werte begründen, ist sehr stark von
der eigenen biografischen Erfahrung abhängig.
Ein Beispiel aus der Beratungspraxis kann dies verdeutlichen: Eine Mutter kommt in die
Beratung, da ihr 17-jähriger Jugendlicher permanent krank ist und sich nicht so richtig ins
Leben hinaus traut. Bei Gesprächen mit der Mutter über ihre Erziehungswerte wird deutlich,
dass sie einen wesentlichen Leitsatz lebt: „Ich will immer für mein Kind da sein“. Dieser Satz
hat sich als Gegenmodell zu dem entwickelt, was sie in ihrer Kindheit erlebt hat, nämlich,
dass ihre Eltern nicht genügend Zeit für sie hatten und sie sich sehr vernachlässigt gefühlt
hat. Sie wollte eine „bessere Mutter“ im Vergleich zu ihrer eigenen Mutter sein und hat
dadurch ihrem Sohn zu viel Verantwortung abgenommen. Erst durch das Erkennen dieser
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inneren Dynamik konnte die Mutter ihren Sohn loslassen und ihm mehr zutrauen, was dieser
auch schnell umgesetzt hat.
Forschung der Erziehungswissenschaft zur Werteerziehung
Die erziehungswissenschaftliche Forschung zur Werteerziehung hat eine interessante
Entwicklung in der Veränderung der Werte bei deutschen Eltern in den letzten 30 Jahren
festgestellt. Die folgende Tabelle veranschaulicht die Entwicklung der Top Five der Werte,
die sich bei einer Befragung von Eltern in Deutschland über ihre wichtigsten Werte in den
Jahren 1982, 1996 und 2010 ergaben:
Werterangliste 1982 Werterangliste 1996 Werterangliste 2010
1. Selbstvertrauen 1. Selbstvertrauen 1. Ehrlichkeit
2. Selbstständigkeit 2. Selbstständigkeit 2. Verlässlichkeit
3. Lebensfreude 3. Ehrlichkeit 3. Hilfsbereitschaft
4. Ehrlichkeit 4. Lebensfreude 4. Selbstvertrauen
5. Aufgeschlossenheit 5. Kontaktfähigkeit 5. Selbstständigkeit
Auffällig an dieser Entwicklung ist, dass die Werte sich seit Mitte der 90-er Jahre deutlich
verändert haben. In den Befragungen 1982 und 1996 standen selbstbezogene Werte im
Vordergrund. Eltern wünschen sich, dass sich ihre Kinder zu starken Persönlichkeiten
entwickeln. Da es oftmals so ist, dass sich Eltern für ihre Kinder das besonders wünschen,
was sie selbst vermisst haben, könnte man daraus folgern, dass diese Eltern in ihrer eigenen
Entwicklung nicht hinreichend Selbstbewusstsein ausgebildet haben. Hinter diesen Werten
könnte sich allerdings auch verbergen, dass Eltern in diesen Jahren dachten, dass man
diese Werte besonders braucht, um gut in unserer Gesellschaft zu bestehen.
Die Werterangliste 2010 wird von sozialen Werten angeführt. Die Werte Ehrlichkeit,
Verlässlichkeit und Hilfsbereitschaft sind für die Eltern dieser Generation von besonderer
Wichtigkeit. Bemerken diese Eltern bei sich bei den sozialen Werten ein Defizit in ihrer
Erziehung? Fällt Ihnen auf, dass ihre Kinder in diesem Bereich eher Nachholbedarf haben?
Oder denken diese Eltern, dass soziale Werte besonders nötig sind, um sich in unserer
Gesellschaft zu behaupten oder dass diese Werte heute zu kurz kommen?
Die Soziologen sprechen in jedem Fall davon, dass die „Zeit der Ichlinge“ vorbei ist und eine
Zeit beginnt, bei der Sozialkompetenz eine größere Bedeutung gewinnt.
Heidelberger Forscher fassten verschiedene Erziehungswerte zu Wertetypen zusammen
und ermittelten das Ausmaß dieser Typen in Deutschland in den Jahren 2006-2010.
Dabei wird unterschieden zwischen den Typen:
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1. „Wertkonservative Materialisten“: Damit sind Eltern gemeint, die besonderen Wert
auf Tugenden wie z.B. Höflichkeit, gute Manieren, Fleiß sowie auf Wohlstand und
Sicherheit legen.
2. „Macher“-Eltern hingegen ist es wichtig, dass ihre Kinder sich gut darstellen,
präsentieren und anderen gegenüber sich gut durchsetzen können.
3. „Sozialidealistische“ Eltern erwarten von ihren Kindern, dass sie soziale
Eigenschaften, wie z.B. gute Kommunikationsfähigkeiten ausbilden. Diesen Eltern
sind Freundschaften, Familie und Liebe wichtige Lebensbereiche.
4. Eltern, die als „Unauffällige Konventionalisten“ zusammengefasst wurden,
hingegen wünschen sich für ihre Kinder, dass es ihnen gut geht und sie nicht
auffallen sollen.
5. Die Gruppe der „Moderaten Hedonisten“ schätzen Lebensfreude, Optimismus und
Glücklichsein als die höchsten Werte ein.
Folgende Graphik verdeutlicht die Verteilung der Typen unter deutschen Eltern:
Macher
Materialisten
Konventionalisten
Sozialidealisten
Hedonisten
Im Vergleich mit den beiden untersuchten europäischen Ländern Polen und Finnland fällt
auf, dass es in Deutschland mehr „Macher“-Eltern gibt (31 % zu 28 % Durchschnitt). In Polen
ist der am häufigsten vertretene Wertetyp der Typ der „Wertkonservativen Materialisten“,
während in Finnland viele Eltern „sozialidealistische“ Werte bevorzugen (20 % zu 14 %
Durchschnitt).
Weiterhin untersuchten die Forscher, ob sich eine soziale Orientierung bei den Werten auch
direkt auf die Eltern-Kind-Beziehung auswirkt. Sie fanden heraus, dass die Eltern, die soziale
Werte präferieren, eine empathischere und trotzdem auf Selbstständigkeit und Grenzen
achtende Beziehung zu ihren Kindern aufbauen, als Eltern, denen andere Werte wichtiger
sind.
Was Familien trägt
Jesper Juul, ein dänischer Familientherapeut und Erziehungsberater hat ein viel beachtetes
Buch mit dem Titel „Was Familien trägt – Werte in Erziehung und Partnerschaft“
geschrieben, das 2012 in Deutschland in der 6. Auflage erschienen ist.
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Er legt den Eltern insbesondere 5 Werthaltungen ans Herz, die sie ihren Kindern vermitteln
sollten:
1. Gleichwürdigkeit
Gleichwürdigkeit meint dabei, dass sich Eltern und Kinder grundsätzlich „von gleichem
Wert“ oder mit demselben Respekt gegenüber der persönlichen Würde und Integrität des
Anderen begegnen sollten, da dies die Beziehung zueinander sehr stark fördert.
Gleichwürdigkeit sollte allerdings nicht mit Gleichheit verwechselt werden, bei der die
Eltern ihre verantwortliche Rolle den Kindern gegenüber nicht wahrnehmen.
2. Integrität
Unter Integrität wird eine Haltung beschrieben, bei der Menschen in Übereinstimmung
mit ihren eigenen Werten leben und ihre eigenen Bedürfnisse und Grenzen und die der
anderen beachten.
3. Authentizität
Authentizität definiert Jesper Juul als Echtheit und Glaubwürdigkeit. Bei authentischen
Eltern erleben Kinder eine Übereinstimmung zwischen dem inneren Erleben der Eltern
und ihrem Ausdruck.
4. Verantwortung
Jemand der sich verantwortlich zeigt, setzt sich für sich im gleichen Maße ein
(Eigenverantwortung) wie für andere. Er begreift sich als jemand, der die Ursache ist für
das, was ihm passiert, erlangt dadurch ein Selbstwirksamkeitsgefühl und bildet nicht so
schnell eine „Opferhaltung“ aus.
5. Gemeinschaft
Das Bedürfnis nach Zugehörigkeit ist ein elementares Bedürfnis von Menschen und sollte
nach Juul daher von Eltern unbedingt an ihre Kinder vermittelt werden.
Wie können Eltern Kindern konkret Werte vermitteln?
Eltern vermitteln ihren Kindern in erster Linie dadurch Werte, dass sie sie ihnen
glaubhaft vorleben. Eltern sollten sich dabei bewusst sein, welche Werte ihnen warum
besonders wichtig sind und woran ihre Kinder dies erkennen können. In der
Elternberatung ist dabei folgendes Arbeitsblatt hilfreich:
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Welcher Wert ist
Ihnen besonders
wichtig?
Auf Grund welcher
Lebenserfahrung ist
Ihnen dieser Wert so
wichtig?
Wie haben Ihre
Eltern sich zu
diesem Wert
verhalten?
Woran kann Ihr
Kind erkennen,
dass Ihnen dieser
Wert wichtig ist?
Eltern können außerdem jede soziale Konfliktsituation ihrer Kinder als Lernsituation für
die Kinder nutzen, um ihnen Werte zu vermitteln. Angenommen ein 10-jähriger Junge
kommt von der Schule nach Hause und beklagt sich, dass es eine Prügelei auf dem
Schulhof gegeben hat. Diesen Anlass können Eltern nutzen, um mit ihrem Kind ins
Gespräch zu kommen. Es empfiehlt sich dabei folgendermaßen vorzugehen:
1. Schritt: Selbstwahrnehmung fördern
Das Kind wird danach gefragt, wie es sich vor, während und nach dem Streit gefühlt hat.
Kinder äußern dann häufig Gefühle von Angst, Hilflosigkeit oder Ärger. Alle diese
Gefühle sind O.K.. Danach sollten die Kinder befragt werden, was sie getan haben, um
diese oft unangenehmen Gefühle zu verändern? Kinder beschreiben dann häufig, dass
sie sich gewehrt haben oder weggelaufen sind. Für die Kinder ist es wichtig zu
verstehen, dass ihre Reaktionen Lösungsversuche sind, eigene Gefühle zu verändern.
2. Schritt: Empathie fördern
Häufig erleben Kinder soziale Konflikte so, dass sie auf Angriffe von anderen Kindern
reagieren. Die Anderen haben meistens einen Streit angefangen. Kinder unterstellen
anderen Kindern, die aus ihrer Sicht den Streit begonnen haben i.d.R. „schlechte“
Absichten. Im Gespräch mit den Kindern ist es wichtig, dass sie die Absichten ihrer
sozialen Partner verstehen und ihnen erst einmal „gute Absichten“ unterstellen. Eine
solche gute Absicht könnte sein, dass der Junge, der angefangen hat zu raufen, vielleicht
mit diesem Kind spielen wollte.
3. Schritt: Lösungen suchen
Wenn man gute Absichten unterstellt, ergeben sich andere Lösungen, als wenn man bei
der Hypothese der schlechten Motive bleibt. Angenommen, der andere Junge wollte mit
dir spielen und du hast eigentlich auch Lust, mit ihm zu spielen, dann könntest du ihn ja
zu Beginn der Pause zum Spielen mit einladen. Das können die Kinder ausprobieren,
bevor sie vielleicht einer anderen Hypothese folgen: Angenommen der andere Junge
wollte dich wirklich ärgern, wie könntest du dich dann schützen, damit der Streit nicht
eskaliert zwischen euch.
In einer solchen sozialen Konfliktsituation mit diesem beschriebenen Umgang werden
viele Werte indirekt vermittelt. Kinder können z.B. lernen:
- Die eigenen Gefühle sind immer O.K.. Der Versuch, die eigenen Gefühle zu
verändern, führt allerdings manchmal zu keinen guten Lösungen.
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- Menschen reagieren immer auf Grund von Motiven. Wenn man gute Absichten
unterstellt, führt dies oftmals zu friedlicheren Lösungen, als wenn man schlechte
Motive annimmt.
- Konflikte können gewaltfrei gelöst werden.
- Jede Konfliktsituation ist eine Lerngelegenheit
Das Interesse von heutigen Eltern an dem Thema, wie sie ihren Kindern Werte vermitteln
können, wächst. Das ist eine gute Voraussetzung, dass es gelingt, dass eine Generation
von sozialen und selbstbewussten Kindern heranwächst, die den Satz von Sokrates
„Wer das Gute kennt, handelt danach“
verinnerlicht hat.
Literatur:
Ahne, Verena (2012) – „…Eltern sein dagegen sehr“ aus: Gehirn und Geist 4/2012 S. 14-
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Horsch, Ursula/ Roth, Julia (2012) – „Orientierung fürs Leben“ aus: Gehirn und Geist
4/2012 S. 22-28
Juul, Jesper (2012) – „Was Familien trägt –Werte in Erziehung und Partnerschaft“; Beltz
Verlag; Weinheim
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„Kinderflüstern“, heilsame Botschaften für das schlafende Kind
Viele Eltern kommen erst dann in unsere Beratungsstelle, wenn sie mit all ihren „Ideen“ am
Ende sind. Sie haben schon alles ausprobiert, was sie aus ihren eigenen Erfahrungen
kennen. Auch die Anregungen von Freunden und Familie haben sie schon zu verfolgen
versucht, haben Tipps und Vorschläge aus Kita, Schule und den Medien mehr oder weniger
erfolgreich umgesetzt und erhoffen sich nun, dass die Beratung in unserer Einrichtung
endlich zur Lösung aller Probleme führt. Diese Erwartungshaltung unserer oftmals im
Erstkontakt verzweifelten Eltern kann von uns Beratern/Therapeuten zwar nicht bei jeder
Problematik sofort befriedigt werden, jedoch findet sich in unserem multidisziplinären Team
nach der Erstellung der Eingangsdiagnostik erfahrungsgemäß eine sinnvolle
Therapiemethode, die im Gesamtprozess der Veränderung zu ersten positiven Ergebnissen
führt.
Das „Kinderflüstern“, dass wir uns im Rahmen der Fortbildung bei Hans Berwanger haben
aneignen können, ist eine hypnosystemische Methode, die unser Spektrum an guten
Lösungen für Eltern und Kinder sinnvoll ergänzt. Hans Berwanger hat diese einfach
erscheinende und in der Durchführung hochwertige Methode in seiner hypnotherapeutischen
Arbeitsweise aus Elementen der Bindungstheorie, der Traumatherapie und aus der
Familienaufstellungsarbeit entwickelt. In der einfühlsamen, wertschätzenden und auch
humorvollen Begegnung mit den ratsuchenden Eltern, soll hierbei etwas Neues in den
Familienalltag eingebaut werden. Dieses „Neue“ soll bewirken, dass die Eltern aus der
innerfamiliären Stressfalle aussteigen, indem sie das bisherige Stressmuster in der Eltern-
Kind-Interaktion überwinden und dem Nachwuchs vermitteln, dass es von seinen Eltern
bedingungslos geliebt wird.
Um die Eltern für diese Methode zu ermutigen und somit einen lösungsorientierten Prozess
zu initiieren, bedarf es einiger Erklärungen vorweg:
Neuere neurophysiologische Untersuchungen belegen die Wirksamkeit hypnothera-
peutischer Vorgehensweisen. Herr Berwanger hat im Rahmen seiner Fortbildung uns
Fachleute angeregt, den Eltern mit Hilfe eines „Modells“ das menschliche Gehirn grob zu
erklären. Dabei ist insbesondere zu betonen, dass das limbische System als Verortung
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emotionaler Grunderfahrungen nur schwer über verstandesorientierte Erklärungen erreichbar
ist. Hinzu kommt, dass unter Stress unser logisches Denken nahezu unmöglich ist.
Ein Ausstieg aus der innerfamiliären Stressfalle kann somit nur dadurch erfolgen, dass die
Eltern damit aufhören, immer und immer wieder ihren Kindern beispielsweise zu „predigen“,
dass sie nicht so trödeln sollen, dass sie aufräumen sollen, dass sie nicht schon wieder mit
der Schwester streiten sollen u.v.m. Mit all diesen immer gleich lautenden Botschaften
erzeugen Eltern trotz guter Absichten häufig unerwünschte gegenteilige Effekte. Im
Teufelskreis des innerfamiliären Stresses kommt oftmals nicht der Inhalt der Botschaft an,
sondern das Gefühl kann sich beim Kind ausbreiten, dass es – so wie es sich verhält – nicht
in Ordnung ist. Solch ein Empfinden einer Störung auf der Beziehungsebene fördert auf
kindlicher Seite Widerstand oder auch psychosomatische Reaktionen, wie z.B.
Schlafstörungen, Einnässen, eskalierende Wut u.a.
Was können wir nun den Eltern bei solchen Anliegen raten, nachdem wir verdeutlicht haben,
dass bei innerfamiliärem Stress das logische Denken und Vermitteln nur bedingt wirkt?
An der Stelle rät Hans Berwanger, den Eltern zunächst noch etwas mehr über die heutigen
Kenntnisse aus der Schlafforschung zu erläutern. Ergebnisse dieser Forschung belegen,
dass unser Gehirn in der Tiefschlafphase (ca. 20 bis 30 Minuten nach dem Einschlafen)
weiter arbeitet. Dieses Wissen lässt sich nutzen und wird inzwischen äußerst erfolgreich in
der Hypnotherapie angewandt. Hans Berwanger rät zudem, dass wir Berater den Eltern von
der inzwischen ca. 80 %-igen Erfolgsstatistik des nächtlichen Kinderflüsterns berichten
sollten und bei Bedarf auch Beispiele aus anderen Familien mit eher noch „schlimmeren“
Situationen anführen könnten. Zum Übergang auf das konkrete Anliegen der Eltern sollten
wir „schon mal verraten“, welche heilenden Sätze diese anderen Väter und Mütter ihren
Kindern in der Tiefschlafphase zugeflüstert haben. Auflockernd kann auch noch ein „großer
Vorteil“ dieses Flüsterns heilender Sätze im Schlaf angeführt werden, nämlich der, dass die
Eltern nicht gleich eine Antwort von den Kindern bekommen. Sie können als Eltern „endlich
mal‘“ ganz in Ruhe alles hintereinander sagen bzw. flüstern und die heilenden Sätze
wiederholen.
Auf die heilende Botschaft an das Kind: „Du bist in Ordnung, so wie du bist!“ können sich
selbst stressgeplagte, Eltern gut einlassen, da sie diesen Satz ja ihren schlafenden Kindern
suggerieren sollen. Im Schlaf erleben sie ihr Kind sowieso ausschließlich liebevoll. So gelingt
auch, dass trotz täglichen Ärgers auf der Eltern-Kind-Ebene, die Väter und Mütter dem
schlafenden Kind gegenüber ihre emotionale Wärme und Nähe wieder zu spüren vermögen.
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Nebenbei bemerkt bewirkt das selbstverständlich schon eine wertvolle Veränderung des
innerfamiliären Umganges. Eltern fallen tagsüber nicht mehr so stark in ihre kommunikative
Stressfalle, weil die abendlichen Flüster-Sätze auch eigene emotionale Traumata beruhigen
oder gar entmachten können.
Gemeinsam mit den Eltern sollte im individuellen Fall erarbeitet werden, was das Kind am
meisten braucht, damit die Gefühle des Urvertrauens, der Geborgenheit und der Bindungs-
sicherheit optimal gestärkt werden können. Die Therapeuten machen Vorschläge für
heilsame, einfache Botschaften und schreiben für die Eltern all die Sätze auf, die auf deren
Zustimmung stoßen und passgenau sind. Inhaltlich sollen diese Flüster-Sätze auf folgende
Werte ausgerichtet sein:
Werte: Beispielsätze:
Bestätigung der Identität
zur Stärkung des
Selbstwertgefühls
„Schön, dass du meine Tochter/mein Sohn bist.“
„Ich bin froh, dass es dich gibt.“
„Ich bin glücklich, dass du mein Kind bist.“
„Du bist okay/in Ordnung wie du bist.“
Anerkennung des
Erlebten
„Du bist ein tapferer Junge/tapferes Mädchen.“
„Du hast viel ausgehalten.“
„Die Schmerzen sind vorbei – deine Haut ist gut.“
„Du bist ein Kind unserer (alten) Liebe, in dir achte ich meine
alte Liebe zum Papa/zur Mama.“
„Du darfst den Papa/die Mama lieb haben.“
„Du darfst werden wie der Papa (beim Jungen)/die Mama
(beim Mädchen).“
Sicherung der Zukunft „Du bist sicher und geborgen.“
„Ich bin und bleibe für dich da, so lange du mich brauchst.“
„Mama ist für dich da, Papa ist für dich da.“
Guter Schlaf, gutes
Erwachen
„Schlaf (ein und) durch die ganze Nacht, am Morgen froh und
gut erwach.“
Bevor die Eltern mit den schriftlich festgehaltenen Flüster-Sätzen und einem weiteren
Gesprächstermin nach 2 bis 3 Wochen Erprobungszeit verabschiedet werden, sollten noch
folgende Regeln besprochen werden:
- Die aufgeschriebenen Suggestionen sollten dem Kind allabendlich drei- bis viermal
zugeflüstert werden und zwar etwa 20 bis 30 Minuten nach dem Einschlafen des Kindes.
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- Das Flüstern erfolgt ohne Namensnennung, da dies ein Aufwachreiz wäre.
- Möglichst sollten dabei beide Eltern am Bett des Kindes sitzen und sich beim Flüstern in
den Atemrhythmus des Kindes einschwingen.
Die Erfahrungen, die wir in unserer Beratungsstelle seit Einführung dieser Methode
gesammelt haben, sind überwiegend positiv. Eltern, die das Kinderflüstern über
mindestens zwei Wochen regelmäßig durchgeführt haben, zeigten sich in der
Nachbesprechung mit dem Ergebnis hoch zufrieden. Diese hohe Zufriedenheit der Eltern
ist nicht nur im Ergebnis begründet, sondern auch dadurch, dass die Eltern sich in ihrem
erfolgreichen „Co-Therapeuten-Verhalten“ äußerst gestärkt und wertvoll erleben. In
dieser Erlebens-Atmosphäre des therapeutischen Prozesses sind weitere innerfamiliäre
Wechsel von der Problem- zur Lösungsfokussierung eher leicht und liebevoll.
Ein Fallbeispiel dazu:
Frau M. kam mit folgendem Anliegen in unsere Beratungsstelle: Das „Einnässen“ ihres
6 ½-jährigen Sohnes, das zeitgleich mit ihrer Trennung von ihrem Mann angefangen
habe, setzte innerfamiliär einen Stress-Teufelskreis in Gang. Im Beratungsgespräch
wurden folgende Sequenzen dieses Teufelskreises deutlich:
Gefühlsebene: Verunsicherung, Enttäuschung, Selbstzweifel, Scham,
Angst, etc.
Körperliche Ebene: Verspannungen, Schwankungen des Blutdruckes,
Blasenuntersuchung, Einschlafstörungen, Magen-/
Darmbeschwerden, etc.
Handlungsebene: Vermehrte Anstrengung, erhöhte Konzentration,
Gefühlsausbrüche, Kommunikationsverschlechterung, etc.
Auf der Ebene des Erlebens schloss sich für Frau M. der Stress-Teufelskreis dadurch,
dass sie selbst sich äußerst hilflos fühlte und die fortwährenden Erwartungen von außen
(z.B. vom Vater des Jungen, von dem sie sich gerade trennte, von ihren Eltern und
Schwiegereltern, von den Lehrern des Sohnes, von anderen Eltern und Bekannten) ihr
großen Druck bereitete. In ihrem Erleben hätte derzeit Niemand gesehen, was sie alles
für den Sohn gemacht habe und dass sie selbst kaum noch Kraft, Zeit oder Mittel gehabt
habe für „nun womöglich auch noch anstehende Arzt-, Klinik-, Therapie- oder Kur-
Aufenthalte mit dem Sohn“. Sie hätte sich so sehr wünscht, dass er jetzt einfach mal
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funktionieren würde, zumindest so lange, bis sie mit dem anstehenden Umzug alles
geregelt hätte und dann wieder durchatmen könnte.
Nachdem mir Frau M. versicherte, dass eine Abklärung beim Kinderarzt ohne körperlichen
Befund bereits erfolgt war und ich eine gute Beziehung zu ihr aufgebaut hatte, lud ich sie ein,
sich mit der großen Chance des „Nächtlichen Kinderflüsterns“ anzufreunden. All die oben
dargestellten Erklärungen zu Gehirn, Tiefschlaf und Stressfalle bin ich vorab mit Frau M.
durchgegangen und habe großes Gewicht auf die eigene Entstressung beim allabendlichen
Flüstern an der Bettkante des Sohnes gelegt. Sie selbst sollte sich diese „Entschleunigung“
derzeit unbedingt gönnen und diese Minuten des Flüsterns und des Einschwingens auf den
Atemrhythmus des liebevoll schlummernden Sohnes genießen. Frau M. fand gemeinsam mit
mir passgenaue Sätze, auf die sie sich bereits in der Sitzung zu freuen schien. Folgende
Sätze wollte sie gern allabendlich zwei- bis dreimal wiederholt dem Sohn flüstern:
„Ich habe dich ganz doll lieb.“
„Es ist wunderschön, dass du mein Sohn bist.“
„Du bist genau richtig, so wie du bist.“
„Du bist ein tapferer Junge.“
„Du hast viel ausgehalten.“
„Genieße den Tag und mach es dir leicht.“
„Ich bin und bleibe für dich da.“
„Ich bin so gerne deine Mama.“
„Schlaf durch die ganze Nacht, am Morgen froh und gut erwach.“
Frau M. kam sehr positiv verändert nach drei Wochen zum nächsten Termin. Sie habe alles
so gemacht, wie besprochen und das Einnässen sei seit ca. einer Woche gar nicht mehr
aufgetreten und es sei alles sehr viel entspannter. Sie habe momentan das Gefühl, alles
richtig gemacht zu haben und ihr Sohn fühle sich in der neuen Wohnung wohl und sei auch
gern bei Papa, der nur einigen Straßen entfernt wohne. Bei erneutem „Stress“ wolle sie sich
gern wieder bei uns melden … – vorausgesetzt, das nächtliche Flüstern reiche nicht mehr
aus.
Literatur:
- Bischhoff, A., Berwanger, H. (2010): „Die Eltern-Schule“, München: Piper Verlag GmbH
- Berwanger, H. (2012): „„Babyspiel“ und „Kinderflüstern““ aus Jahrbuch für Erziehungsberatung
Bd.9: Beltz Juventa, Weinheim und Basel, Seite 194 - 208
- Hüther, G. (2005): „Biologie der Angst“, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
- Zulley, Jürgen (2005): „Mein Buch vom guten Schlaf“, München
18
Das Jahr in Zahlen
Erziehungsberatung Im Bereich der Erziehungsberatung meldeten sich 264 KlientInnen neu an (2011 = 273), 102
KlientInnen wurden aus dem Vorjahr übernommen (2011 = 102). Im Berichtszeitraum
wurden 243 Beratungen abgeschlossen (2011 = 273).
Neuaufnahmen, Übernahmen und Abschlüsse
2011 2012
Anzahl 375 366
Neuaufnahmen 273 264
Übernahmen aus dem Vorjahr 102 102
Abgeschlossene Fälle 273 243
Klientenzahlen von 2003 bis 2012
277
252
366
247238
327
230226
296
222230
296
254
303
370
273
255
371
272272
370
266271
368
273273
375
243
264
366
0
50
100
150
200
250
300
350
400
20032004
20052006
20072008
20092010
20112012
Abschlüsse
Neuanmeldungen
Gesamtzahl
19
Regionale Verteilung
Einzugsbereich Anzahl Prozent
Seesen mit Gemeinden 276 75,4
Lutter a. Bbg. 34 9,3
Langelsheim 18 4,9
Goslar 18 4,9
Oberharz (Samtgemeinde) 12 3,3
Vienenburg 4 1,1
Bad Harzburg 3 0,8
Liebenburg 1 0,3
Braunlage 0 0
St. Andreasberg 0 0
Schul-/Betreuungsform
Anzahl Prozent Betreuung durch die Eltern 21 5,7
Krippe 5 1,4
Kindergarten/ Sprachheilkindergarten
65 17,8
Grundschule/Vorschule 105 28,7
Hauptschule 31 8,5
Realschule 43 11,7
Gymnasium 40 10,9
Sonderschulen 13 3,5
Berufs-/Fach-/Hochschule/Uni 23 6,3
Restkategorie/Sonstige 20 5,5
Gesamt 366 100
20
Alter der Klienten
Alter / Jahre Anzahl männlich
Anzahl weiblich
bis 3 12 12
3 bis 6 25 22
6 bis 9 38 33
9 bis 12 46 33
12 bis 15 33 32
15 bis 18 20 18
18 bis 21 11 11
21 bis 27 11 7
unbekannt 1 0
Gesamt 197 168
Geschwister
Geschwisterzahl 2011 2012
0 27,2 27,9
1 44,1 39,9
2 14,8 20,2
3 7,9 6,1
> 3 6,0 5,9
Anlass der Beratung (zwei Nennungen möglich)
Anzahl Prozent Schul-/Ausbildungsprobleme 90 17,5
Entwicklungsauffälligkeiten 77 15,0
Beziehungsprobleme 89 17,3
Trennung/ Scheidung der Eltern 151 29,4
Sonstige Probleme in und mit der Familie
86 16,8
Anzeichen für Misshandlung/ sexuellen Missbrauch
4 0,8
Suchtprobleme/ Straftat des Jugendlichen
5 1,0
Sonstiges 11 2,2
Gesamt 513 100
21
Symptombereiche
Prozent Störungen der Kommunikation 55,5
Störungen im Gefühlsbereich 14,3
Auffälligkeiten im Leistungsbereich 15,1
Störungen im Körperbereich 3,7
Besondere Fragestellungen 11,4
Anregung
Anregung durch Anzahl Prozent
Erziehungsberechtigte 126 34,4
Verwandte/andere Klienten 39 10,7
Kindergarten/Schule/andere Einrichtungen 77 21,0
Jugendamt/Gericht/andere Institution 65 17,8
Ärzte und Therapeuten 33 9,0
Presse 0 0
Sonstige 26 7,1
Gesamt 366 100
Initiative
Anzahl Prozent
Mutter 210 57,4
Vater 54 14,8
Eltern gemeinsam 73 20,0
Kind / Jugendliche(r) / junge(r) Erwachsene(r) selbst
18 4,9
Bekannte/Verwandte 6 1,6
soziale Dienste/Lehrer(in) 4 1,0
Sonstige 1 0,3
Gesamt 366 100
22
Wartezeit bis zum 1. Gespräch
Dauer 2011 Prozent 2012 Prozent
14 Tage 77 74
1 Monat 20 24
über 1 Monat 3 2
Wartezeit bis zur fortlaufenden Betreuung
Dauer Anzahl Prozent
14 Tage 260 71
1 Monat 87 24
über 1 Monat 19 5
Kontakthäufigkeit
2011 Prozent 2012 Prozent
bis 5 Kontakte 47 46
6 - 10 Kontakte 23 31
11 - 20 Kontakte 19 16
> 20 Kontakte 11 7
Kontakte im laufenden Jahr
2012
Gesamtzahl 2438
Beratungsdauer
2011 2011 2012 2012
Anzahl Prozent Anzahl Prozent
Kurzfristige Beratung (1 Monat) 107 39,5 95 39,3
Mittelfristige Beratung (2-6 Monate) 129 47,6 115 47,3
Langfristige Beratung (> 6 Monate) 35 12,9 32 13,4
23
Art der Beendigung/Abschlussgrund
Prozent Beendigung gemäß Hilfeplan/Beratungszielen 70
Beendigung abweichend vom Hilfeplan durch - den Sorgeberechtigten/den jungen Volljährigen
13
- die bisher betreuende Einrichtung, Pflegefamilie, Dienst 0
- den Minderjährigen 1
Adoptionspflege/Adoption 0
Abgabe an ein anderes Jugendamt wegen Zuständigkeitswechsel
0
Sonstige Gründe 2
Weiterverweisung 14
Gesamt 100
Schwangerschaftsberatung In diesen Bereich gehört die Schwangerschaftskonfliktberatung nach den §§ 5 und 6 und die
Beratung von schwangeren Frauen nach dem § 2 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes.
Bei 34 (2011 = 45) Klientinnen wurde eine Schwangerschaftskonfliktberatung durchgeführt
und 30 (2011 = 35) Klientinnen berieten wir nach § 2 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes.
Schwangerschaftskonfliktberatung
Altersgruppe 2012
unter 14 Jahre 0
14 - 17 Jahre 3
18 - 21 Jahre 5
22 - 26 Jahre 12
27 - 34 Jahre 8
35 - 39 Jahre 3
40 Jahre und älter 3
keine Angaben 0
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Allgemeine Schwangerschaftsberatung
Altersgruppe 2012
unter 14 Jahre 0
14 - 17 Jahre 1
18 - 21 Jahre 4
22 - 26 Jahre 11
27 - 34 Jahre 13
35 - 39 Jahre 0
40 Jahre und älter 1
keine Angaben 0
80 % der beratenden Frauen kommt aus dem Landkreis Goslar, 20 % aus den umliegenden
Landkreisen.
25
26
ZEF-Förderverein e.V.
Der im Jahr 1994 gegründete ZEF-Förderverein hat zum Ziel, das ZEF in seinen
Maßnahmen für Prävention, Beratung und Hilfe für Menschen in besonderen Notlagen zu
unterstützen (Satzung des Vereins). Mit dem Beitritt zum Verein können Aktivitäten finanziell,
ideel oder personell unterstützt werden.
Einladung zur Mitgliedschaft