ida schillen, sicherung des öffentlichen eigentums

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Schluss mit der Plünderung des öffentlichen Eigentums Sicherung des öffentlichen Eigentums Programmatischer Anspruch und linke Anforderungen an die politi- sche Praxis 1. Was heißt öffentliches Eigentum?

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Sicherung des öffentlichen EigentumsProgrammatischer Anspruch und linke Anforderungen an die politische Praxis Vortrag zur Veranstaltung "Schluss mit der Plünderung des öffentlichen Eigentums" der AKL MV

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Page 1: Ida Schillen, Sicherung des öffentlichen Eigentums

Schluss mit der Plünderung des öffentlichen EigentumsVortrag auf der Veranstaltung der Landesarbeitsgemeinschaft Antikapital istische Linke

Mecklenburg-Vorpommern am 5.3.2011 im Jugendfreizeitzentrum Rostock Reutershagen

Ida Schi l lenSicherung des öffentlichen EigentumsProgrammatischer Anspruch und linke Anforderungen an die politi-sche Praxis1. Was heißt öffentliches Eigentum?

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird unter dem öffentlichen Eigentumalles gefasst, was sich (noch) im Eigentum des Staates bzw. der Gebiets-körperschaften Bundesländer, Kommunen und Landkreise befindet ein-schließlich der öffentlichen Unternehmen und Beteiligungen. Beispielesind Schulen, Kitas, Kulturbauten, Krankenhäuser, Gas-, Wasser- undStromversorgung, ÖPNV, Straßen, Müllentsorgung, Konzessionsrechte.Im planerischen Sprachgebrauch spricht man auch von der technischenund sozialen Infrastruktur eines Gemeinwesens, die aus dem öffentli-chen Haushalt, also im wesentlichen aus dem Steueraufkommen, finan-ziert wird.Darüber hinaus werden auch die natürlichen Ressourcen, die sog. Ge-meingüter, als öffentliches Eigentum verstanden. Zu den Gemeingüterngehören Wasser, Sonne, Luft und Wind, der Grund und Boden, Wald,die Meere, Seen, Berge, Flüsse, Niederschlag, die Landschaft, die Bo-denschätze, wilde Tiere, das Weltall, das kulturelle Erbe, die Spracheetc. Es handelt sich um Güter, die von ihrem Ursprung her nicht eigen-tumsfähig sind, weil sie entweder nicht durch Menschenhand geschaf-fen wurden, da sie natürlichen Ursprungs sind, oder ihre Entstehungnicht einzelnen Menschen zuzuordnen ist, wie z.B. die Sprache. Ge-meingüter gehören demnach allen oder niemandem, auch nicht demStaat. Der Staat bzw. die jeweilige regionale Gemeinschaft hat dabei dieAufgabe, die Güter zu verwalten und im Interesse der Allgemeinheitden Gebrauch der Güter zu regeln.Der Begriff der „Allmende“ verweist auf die urspüngliche Bedeutungder Gemeingüter. Die Allmende bezeichnet eine Form der Bewirtschaf-tung eines Gemeingutes durch eine Gemeinschaft nach bestimmten Re-geln. Die Regeln sind darauf ausgerichtet, alle Mitglieder der jeweiligenGemeinschaft gleichermaßen gerecht an dem Nutzen des Gemeinguteszu beteiligen. Bekannt und heute noch teilweise vorhanden ist die Be-wirtschaftung von Almwiesen in den Alpen nach dem Prinzip der All-mende. Interessant ist, dass sich das deutsche Wort Gemeindeethymologisch von Allmende ableitet und die englische Bezeichnung

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der Allmende commons heißt, was wiederum auf den BegriffKommuneverweist. Tatsächlich ist es auch eine der Kernaufgaben von Gemeindenbzw. Kommunen, das öffentliche Eigentum und die Gemeingüter zu be-wirtschaften und dabei auf die „Harmonisierung des Gemeinwesens“ zuachten, wie es in der Kommunalverfassung von Mecklenburg-Vorpom-mern formuliert ist.Beim öffentlichen Eigentum handelt sich also um natürliche Ressour-cen, um Sachen, Rechte und Dienstleistungen, die von staatlichen Stel-len geschaffen oder verwaltet werden und die für die Sicherung derLebensgrundlagen und die Organisation des Daseins als erforderlich er-achtet werden. Die dem Staat dabei zukommende Rolle wird als Da-seinsvorsorge bezeichnet.

2. Wie sieht die Realität aus?In den letzten Jahrzehnten hat es einen massiven Raubbau an den Ge-meingütern und dem öffentlichen Eigentum gegeben. Nach der Wendein den 90er Jahren steigerte sich eine aggressive Privatisierungs- undLiberalisierungspolitik in einem bisher nicht dagewesenen Ausmaß. Inunheilvoller Allianz zwischen politischen Entscheidungsträgern und pri-vaten Unternehmen und Lobbyisten wurde eine Selbstbedienungskettein Gang gesetzt, die in großem Maßstab eine Enteignung der Natur, desVolkes und des Sozialstaates darstellt. Einher ging dieser Prozess mit ei-ner Rufschädigung staatlicher Betriebe und des gesamten öffentlichenDienstes. Dabei wurde die Staatswirtschaft der DDR als Kronzeugin an-geführt und die Treuhandgesellschaft trug als scheinbar unvermeidlicheKonsequenz das Volkseigentum der DDR zu Markte. Staatliche Indus-triebetriebe, die Werften, in großem Ausmaß Immobilien, Grund undBoden wurden an Private verscherbelt.Wirtschaftsberatungsgesellschaften schossen aus dem Boden und erleb-ten einen ungeheuren Boom. Die Chefs der Größten von ihnen gingenin den Landes- und Bundesregierungen ein und aus. Privat geht vorStaat, war die Devise. Flankiert wurde der Prozess durch eine Steuer-senkungs- und Subventionspolitik, die die öffentlichen Kassen entleerteund private Unternehmenskassen auffüllte. Vom örtlichen Schwimmbadüber die kommunalen Wohnungen, die Wasserversorgung bis hin zumGesundheitswesen und zur Altersvorsorge, - alle öffentlichen Güter undLeistungen wurden zur Disposition gestellt und ganz oder teilweise pri-vatisiert. Ein gigantischer Stellenabbau im öffentlichen Dienst und dieVerlagerung von Arbeitsplätzen in niedrigere Haustarif- und Dumping-lohnbereiche war die Folge. Die diesem Prozess zugrunde gelegten sog.Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen wurden und werden von privaten Fi-nanz- und Wirtschaftsberatern erstellt, die vorgeben, die private Lösungsei für die Kommune oder den Staat die günstigste oder sparsamste Va-riante. Private Rechtsberater erstellen komplizierte und umfassende Ver-tragswerke, die der Öffentlichkeit und teilweise sogar den Parlamentenvorenthalten, auf jeden Fall in geheimer Sitzung behandelt werden. EineMehrheit von ahnungslosen oder korrupten Politiker/innen stimmt dem

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zu, hebt die Hand für diese Form der Enteignung des Staates durch pri-vate Unternehmen und beraubt sich zudem selbst des künftigen politi-schen Einflusses. Die Demokratie bleibt auf der Strecke.

3. Was will die Linke?Programmatische Kernpunkte der Linken sind die Stärkung des Sozial-staates und die Umkehr des Privatisierungsprozesses durch Rekommu-nalisierung und die Stärkung der öffentlichen Daseinsvorsorge. Über dieWASG und in entscheidendem Maße Oskar Lafontaine wurde die Fragedes öffentlichen Eigentums in die politische Agenda der neu gegründe-ten Partie DIE LINKE eingebracht. Dabei konnte eine zunehmend pri-vatisierungskritische Stimmung in der Bevölkerung, den Gewerk-schaften und in zahlreichen politischen Initiativen, u.a.attac, aufge-griffen und verstärkt werden. In Umfragen plädieren etwa 70 Prozentder Bevölkerung für die Energieversorgung in öffentlicher Hand. Insbe-sondere nach dem in geheimen Absprachen zwischen der Bundesregie-rung und den Stromkonzernen ausgehandelten Atomdeal über dieVerlängerung der AKW Laufzeiten hat sich die öffentliche Meinung ge-gen eine profitgetriebene privat organisierte Stromversorgung gefestigt.Mit dem vorliegenden Entwurf für ein Grundsatzprogramm der LIN-KEN werden die Kriterien für den Umgang mit der Daseinsvorsorgedeutlich benannt. Diese Positionen finden sich auch in den linken Wahl-programmen aufLandes- und kommunaler Ebene.

Zusammenfassend geht es dabei um sieben Forderungen:I. Die Daseinsvorsorge gehört in die öffentliche Hand.

II. Die öffentlichen Güter müssen ohne Profitorientierung verwaltet undbewirtschaftet werden.

III. Die Bewirtschaftung muss in öffentlich-rechtlicher Form erfolgen.

IV. Alle Verträge mit (privaten) Dritten sind offen zu legen, die Preiskal-kulationen und Geldströme sind transparent darzustellen.

V. Die Preisgestaltung muss sozial, gerecht und ökologisch erfolgen.(Politische Preise)

VI. Die Bewirtschaftung der Güter muss ökologisch und nachhaltig,auch für künftige Generationen nutzbar sein.

VII. Die öffentliche Kontrolle muss über die Parlamente unter Einbezie-hung der Beschäftigten und Nutzer/innen erfolgen UND für die Bevöl-kerung öffentlich nachvollziehbar sein.

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Vorzüge der öffentlichen BewirtschaftungAuch in linken Diskussionen wird zuweilen in Frage gestellt, ob es dennwirklich notwendig sei, dass die Rechtsform öffentlich sein müsse, esreiche doch aus, wenn der Staat der 100-prozentige Gesellschafter einesBetriebes sei, der dann in privatrechtlicher Form einer GmbH oder AGmöglicherweise besser geführt werden könne. Hierzu ist zunächst zu sa-gen, dass es bisher keinen Beleg, keine Untersuchung und kein For-schungsergebnis gibt, dass die Aussage belegen könnte, dass dieprivat-rechtliche Organisation eines Betriebes besser sei als die öffent-lich-rechtliche. Eine privatrechtliche Gesellschaft ist nach den kaufmän-nischen Regularien an einer ständigen Erhöhung der Einnahmen ausden auf Märkten angebotenen Leistungen und darüber hinaus auf dieGewinnmaximierung orientiert. Die öffentlich-rechtliche Organisations-form einschließlich der Kameralistik als öffentliches Haushalts- undRechnungswesen ist auf die ursprüngliche Funktion des Staates orien-tiert, der die auf das Gemeinwohl orientierten Aufgaben vorrangig ausSteuern finanziert.Die politischen Forderungen, die die Linke erhebt, können aufgrund dergegebenen kapitalistischen Marktbedingungen nur in öffentlich-rechtli-cher Form realisiert werden. Hierzu zählen

- nachhaltige Bewirtschaftung der Güter der Daseinsvorsorge ohne Pro-fitdruck und ohne Abwälzen der Kosten und Risiken auf die Zukunft

- soziale Gerechtigkeit durch die Möglichkeit einer politischen Preisge-staltung, kostenlose Angebote, z. B. in der Bildung und Kultur, sozialeund ökologische Preisgestaltung bei z.B. Gas, Wasser, Strom und ÖP-NV

- Beschäftigungssicherung und tarifgerechte Entlohnung im Öffentli-chen Dienst einschließlich der öffentlichen Betriebe

- Versorgungssicherheit durch langfristige Verantwortung

- Orientierung vorrangig an Nutzer/inneninteressen

- Keine Erpressbarkeit durch private Unternehmen, z.B. durch das fakti-sche Stromoligopol und bei der Wahrnehmung gesetzlicher Pflichtauf-gaben vor allem im sozialen Bereich

Die exorbitante Kostenexplosion in den sozialen, jugend-, gesundheits-und pflegebezogenen Bereichen ist vor allem der Privatisierung derWohlfahrtspflege geschuldet, in Westdeutschland schon seit vielen Jahr-zehnten praktiziert. Nach der Wende erfolgte auch in Ostdeutschland ei-ne rasante Privatisierung im Sozialbereich, von den Kitas bis zuKrankenhäusern. Zunehmend wird in kritischen Kreisen von Wohl-fahrtskonzernen und der Jagd auf Kopfgelder gesprochen. Über die

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Auslagerung sozialer Aufgaben an sog. freie, das heißt private, Trägerder Wohlfahrtspflege und Jugendhilfe ist es zu zwei problematischenBegleiterscheinungen gekommen.

1 . Die Träger sind nicht nur maßgeblich am Aushandeln der Kostensät-ze pro Betreuungsfall beteiligt. Sie können den Staat mit eigenen Kos-tensätzen dort erpressen, wo es um gesetzlich vorgeschriebeneLeistungen geht, die der Staat selbst nicht mehr anbietet.

2. Die Existenz und das Wohlergehen der Träger hängen von der Anzahlund Bedürftigkeit der Fälle ab. Das heißt, je größer die Anzahl der Kin-der und pflegebedürftigen und stationär zu behandelnden Menschen, umso höher die Einnahmen in den Kassen der privaten Träger.

Jenseits der jeweiligen satzungsmäßigen gemeinnützigen Ziele der Trä-ger arbeiten diese faktisch einnahmeorientiert. Diese Praxis ist kontra-produktiv zu sozialpolitischen Zielen, die vor allem auf die Präventionvon Notlagen und die möglichst schnelle und nachhaltige Bewältigungvon Problem ausgerichtet sind. Da im sozialen Bereich stets unmittelbarMenschen betroffen sind, ist es hier um so wichtiger, wieder zu einer öf-fentlichen und kontrollierbaren Aufgabenwahrnehmung zurück zu kom-men, bei der auf Einnahme- und Gewinnorientierung verzichtet wirdund ausschließlich das Wohl der Menschen im Vordergrund steht.

4. Welche Hürden gibt es bei der Rekommunalisierung?Bei der praktischen Umsetzung der Rekommunalisierung von Leistun-gen der Daseinsvorsorge kommt es zu folgenden typischen Problemen.

Unterlagen werden geheim gehalten - Lösung: Offenlegung durchset-zenDie erste Hürde ist häufig die Tatsache, dass vorhandene Privatisie-rungsverträge und Finanzierungszusammenhänge, zugrunde gelegte Be-rechnungen, Anlagen und Nebenvereinbarungen nicht öffentlichzugänglich sind. Selbst für Mitglieder der jeweils entscheidenden Parla-mente oder Stadtvertretungen ist es schwer, an die Unterlagen heran zukommen. Oft sind die Unterlagen in den Verwaltungen verstreut, teil-weise unvollständig, es gibt keine zentrale Zuständigkeit (mehr) undden Abgeordneten wird erstmal verwehrt, sich Kopien anzufertigen, umin Ruhe die Unterlagen zu studieren und sich auch fachliche Expertisezu holen. Abgeordnete sollten sich nicht abspeisen lassen. Sie haben dasRecht, alle Unterlagen der Verwaltung einzusehen und sich dazu eineMeinung zu bilden. Selbstverständlich haben sie auch das Recht, sichexternen Rat einzuholen. Sollte es sich tatsächlich um datenschutzrele-vante Dokumente handeln, was erstmal von Verwaltungsseite nach zuweisen wäre, könnten sie und etwaige externe Berater eine entsprechen-

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de Verschwiegenheitserklärung unterschreiben. Notfalls könnte das In-formationsrecht bzw. die Offenlegung von Dokumenten gerichtlichdurchgesetzt werden, mit entsprechender medialer Begleitung. Oftreicht die Androhung einer einstweiligen Anordnung vor Gericht schonaus, um die gewünschten Unterlagen zu erhalten. Um diese Art der Aus-einandersetzung zu vermeiden, sollten eindeutige rechtliche Grundlagenin Kommunalverfassungen oder anderen Gesetzen geschaffen werden,z.B. durch eine Pflicht zur Offenlegung aller Verträge und Vereinbarun-gen zwischen behördlichen Stellen und (privaten) Dritten, so wie derParteivorstand DIE LINKE es in seinem Beschluss vom 25.9.2010 zumVerbot von Geheimverträgen fordert.

Kein Geld - Lösung: RekommunalisierungsfondsEines der Totschlagargumente, die auch schon bei Privatisierungen vor-gebracht werden, ist das Argument, dass die Kommune hochverschuldetsei und kein Geld für die Rekommunalisierung von Betrieben und Leis-tungen da sei. Sofern Kommunen überhaupt noch kreditwürdig seien,würde die Inanspruchnahme dazu führen, dass die jeweiligen Gebührenerhöht werden müssten. Als Beispiel wird die Stadt Potsdam angeführt,die nach der Rekommunlisierung der Wasserversorgung die Gebührendrastisch erhöhte, so dass die VerbraucherInnen in doppelter Weise ge-beutelt wurden, sowohl durch die Privatisierung als auch durch die Ent-privatisierung. Bei allen Kostenargumenten ist zunächst sorgfältigdarzulegen, welche Kosten überhaupt gerechtfertigt sind und ob undwelche Rücknahme- und Verfahrensvarianten es gibt. Der Rückkauf-preis darf nicht auf die Verbraucherpreise umgelegt werden. Dies ist ei-ne wesentliche Prämisse. Um diese einzuhalten, sollte einRekommunalisierungsfonds auf kommunaler oder Landesebene durch-gesetzt werden. Die Zuwendungen aus diesem Fonds könnten wie nichtrückzahlbare Subventionen gehandhabt werden oder wenn dies nichtdurchsetzbar ist, sollten langfristige und zinslose Rückzahlungsmodali-täten vereinbart werden. In der Öffentlichkeitsarbeit ist es sinnvoll, ent-sprechende Vergleiche parat zu haben, z.B. nicht rückzahlbareSubventionen von 5-Sternehotels mit 50 Mio Euro-Beträgen wie für dasYachthafenhotel Hohe Düne in Warnemünde.

Wegfall der Quersubvention -Lösung: Finanzierung über den öffentlichen HaushaltIn vielen Kommunen werden Privatisierungen damit begründet, dassdamit unter Ausnutzung von Steuervorteilen andere Bereiche finanziertwerden könnten. Ein häufiges Beispiel ist die Finanzierung des ÖPNVaus den Gewinnen der Stadtwerke. Für Bürgermeister und Stadtvertre-tungen ist es ein probates Mittel, kostenträchtige aber einnahmeschwa-che Infrastruktur, u.a. auch Schwimmbäder und Kultureinrichtungen, inprivat-rechtliche Holdings zu verlagern, um sich eines Haushalts- und

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Stellenplanproblems zu entledigen. Diese Verlagerung ist nichts weiterals ein für die Öffentlichkeit nicht mehr kontrollierbarer Schattenhaus-halt. Bei den vermeintlichen Steuervorteilen wird übersehen, dass beiPrivatbetrieben zunächst einmal Steuern, nämlich die Umsatz- und Kör-perschaftssteuer, anfallen, die die Kommunen nicht zu zahlen haben. Inder Regel wird eine differenzierte Gesamtrechnung nicht gemacht unddie Finanzierungs- und Steuervorteile werden nicht nachgewiesen.Gleichwohl werden Gebühren und Preise für die VerbraucherInnen er-höht. Auch bei dieser Hürde empfiehlt es sich, genauer hinzusehen unddie jeweiligen Einnahmen und Ausgaben transparent darzustellen. Oft-mals kehren sich anfängliche Vorteile, die der Privatisierungsentschei-dung dienlich waren, im Laufe der Zeit in Nachteile um. DieFinanzierung aller Holdingbereiche über den öffentlichen Haushalt istauf jeden Fall die transparente Alternative. Abgesehen davon sind z.B.für den ÖPNV auch andere Alternativen denkbar, wie z. B. eine Ver-kehrsabgabe aller steuerzahlenden Einwohner/innen und die damit fi-nanzierte Ausreichung eines kostenlosen Jahrestickets für Alle.

Vetternwirtschaft - Lösung: Geldströme darstellenDie Durchsetzung von Privatisierungen erfolgt in aller Regel auf derBasis eines Beziehungsgeflechts und bestehender oder neu geschaffenerAbhängigkeiten bis hin zur Korruption. In dem Film „Water makes Mo-ney“ wird dieses System anschaulich anhand der Wasserprivatisierungin Frankreich dargestellt. Auf kommunaler Ebene gibt es gewachsenefamiliäre und persönliche Verflechtungen, die relativ leicht überschau-bar sind. Auf Landes-, Bundes oder europäischer Ebene schafft eine Ar-mada von Lobbyisten die jeweiligen Voraussetzungen für dasentscheidende Abstimmungsverhalten der Abgeordneten sowie im Vor-feld das gefällige Agieren von Verwaltungsbeamten. Zuweilen kann ei-ne Rekommunalisierung auch daran scheitern, weil damit dasSponsoring des allseits beliebten Fussballclubs entfallen würde. Daherist es zwingend erforderlich, eine Analyse aller Beteiligten zu erarbeitenund sämtliche Geldströme darzustellen. Sofern sich für ein Gemeinwe-sen gewünschte Finanzierungsnotwendigkeiten z. B. für den Fussball-oder Theaterclub ergeben, sollten diese über ein demokratisches Verfah-ren entschieden und über den öffentlichen Haushalt transparent reali-siert werden. Letztendlich sollte offensiv damit geworben werden, dassbei kommunaler Bewirtschaftung regionale Arbeitsplätze und Aufträgegeschaffen und gesichert werden.Dies sind nur einige Beispiele von möglichen Hürden. Es wird deutlich,dass eine Rekommunalisierung einer sorgfältigen Vorbereitung und ei-ner gehörigen Portion politischer Hartnäckigkeit bedarf. Allerdings isterkennbar, an Stuttgart 21 und anderen Projekten, dass immer mehrMenschen eine Zäsur fordern und das Gemeinwohl bei der Bewirtschaf-tung der Gemeingüter und der Sicherung der Lebensgrundlagen rekla-mieren. Hier kann DIE LINKE positiv anknüpfen.