ig farben und wwii

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  • 04.01.14 Geschichte der IG Farben: Der Konzern, der Hitler den Weltkrieg ermglichte - Industrie - Unternehmen - Handelsblatt

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    Die riesige Werksanlage der IG Farben am Rheinufer in Ludwigshafen Anfang der1930er-Jahre.

    Dsseldorf. Der abgemagerte jdische Hftling bricht unter der Last der Holzplanke zusammen. Bevor er sichaufrappeln kann, ist der SS-Wachposten bei ihm und drischt ihm den Gewehrkolben an den Kopf. Immer wieder.Ein anderer Hftling, der britische Soldat Avey, will ihm helfen. Doch er bemerkt den SS-Mann nicht, der sich vonhinten nhert und ihm mit der Pistole hart ins Gesicht schlgt. Avey wird spter ein Auge verlieren und nieerfahren, wer der Jude war, dem er helfen wollte.

    So sah das Leben und Sterben aus in der Fabrik der IG Farben in Auschwitz und es gab noch weitausschlimmere Vorflle. Es ist der Konzern, der den Zweiten Weltkrieg mglich machte und von dem heute nochBayer, BASF und Wacker als eigenstndige Firmen brig sind. Deutschland htte den Krieg ohne diesynthetischen Materialien der IG Farben nicht lange durchgestanden, schreibt Diarmuid Jeffreys in seinemgerade auf Deutsch erschienenen Buch Weltkonzern und Kriegskartell. Der britische Journalist hat in einerenormen Fleiarbeit Tausende Dokumente durchgesehen und so die Geschichte der IG Farben nachvollzogen,wie es bisher noch nie getan wurde.

    GESCHICHTE DER IG FARBEN

    Der Konzern, der Hitler den Weltkrieg ermglichte

    Die IG Farben hat in den Weltkriegen grausame Dinge getan. Jetzt gibt es neue Erkenntnisse ber daszerstrerische Werk von Bayer, BASF und Co und wie die Verantwortlichen sich noch Jahre nach dem Kriegfeierten.

    von Thorsten Giersch

    28.07.2011, 10:50 Uhr

    Die Geschichte der IG Farben

    1856: Der Anfang

    Der Ursprung der IG Farben liegt in der Osterwoche des Jahres 1856 ironischerweise in London: Dem ChemiestudentenWilliam Henry Perkin experimentiert in seiner Dachzimmerwohnung an einem Verfahren, Chinin synthetisch herzustellen.Dabei erfindet er zufllig rotes Pulver. Ihm ist es gelungen, eines der begehrtesten Produkte des Frbehandwerksherzustellen: Purpur. Auf dieser Entdeckung fut der sptere Aufstieg der deutschen Chemie-Industrie.

    1870er-Jahre: Deutsche Chemiefirmen fhren

    1899: Erfindung von Aspirin

    1910: Das Haber-Bosch-Verfahren

    1915: Massenproduktion von Salpetersure

    1916: Zwangsarbeiter fr BASF

    1925: Grndung IG Farben

    1929: Die Weltwirtschaftskrise

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    Es ist die Geschichte eines Megakonzerns, der in Friedenszeiten den Liberalismus liebte, sich aber im Kriegrasant in den Dienst des Staates und der Armee stellte und in beiden Fllen prchtig verdiente. Das Beispiel IGFarben ist auch heute noch von hchster Relevanz, weil es zeigt, welch dramatische Folgen es haben kann,wenn sich Unternehmen und Politik zu nahe kommen.

    Und es ist auch die Geschichte von Firmenlenkern, die fr den Profit die Ermordung von ZehntausendenMenschen duldeten ja sogar anordneten. Sie wurden als Kriegsverbrecher verurteilt. Als sie aber wegen guterFhrung schon nach zwei Jahren das Gefngnis verlieen, stand die Limousine schon bereit. Sie alle bekamenwieder gute Jobs und trafen sich im Februar 1959 zu einem glanzvollen Wiedersehensbankett mit viel Wein unterguter Laune.

    Jeffreys beginnt die Geschichte der IG Farben rund 70 Jahre vor ihrer Grndung, was ein groer Gewinn fr denLeser ist. Der erfhrt nicht nur im Detail, was es mit den chemischen Entwicklungen auf sich hat, sondern auchalles ber die Geschichte der Produkte und den Aufstieg der deutschen Firmen.

    Die Grndung der IG Farben

    Januar 1933: Hitler wird Reichskanzler

    Mrz 1933: Die IG Farben kollaboriert

    Dezember 1933: Der Benzinvertrag

    Mai 1938: Tschechoslowakei

    September 1939: Sieg ber Polen

    Juni 1940: Rache an Frankreich

    April 1941: Fabrik in Auschwitz

    Juni 1941: Menschenmaterial

    September 1941: Zyklon B

    Juni 1942: Das eigene KZ

    Mai 1944: Der Bombenhagel

    Januar 1945: Auschwitz verlassen

    April 1945: Werke eingenommen

    August 1947: Der Prozess beginnt

    1951: Die neue Zukunft

    1952: Liquidation der IG Farben

    2003: Die Insolvenz

    Die Protagonisten

    Friedrich Engelhorn

    1821 als viertes Kind einer Bauernfamilie geboren, grndete Engelhorn 1848 sein erstes Unternehmen. 1860 wendete ersich ab von der Kohlegasproduktion, hin zu den Farbstoffen. 1865 versorgten ihn Investoren mit genug Kapital, um einegroe Fabrik zu bauen. Der am besten geeignete Standort war Ludwigshafen. So entstand die Badische Anilin- undSodafabrik (BASF).

    August Wilhelm von Hofmann

    Carl Duisberg

    Carl Rumpff

    Fritz Haber

    Carl Bosch

    Walter Rathenau

    Alfred Krupp

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    Ein Portrt der Grndervter der IG Farben: Carl Bosch (vorne links) und CarlDuisberg (vorne rechts) im Vordergrund.

    Dabei geht es auch um die Rolle der Konzerne fr das Selbstverstndnis des deutschen Volkes. 1873 war dasneue, wirtschaftlich ungemein anpassungsfhige Deutschland eine Macht, mit der gerechnet werden musste.

    Bis zum Ersten Weltkrieg hatte sich die Chemiebranche aus der Tagespolitik weitgehend herausgehalten.Natrlich wrde Lobbyarbeit gemacht gerade im Ausland. Aber insgesamt hielten es die Unternehmen mitLiberalismus und freiem Handel.

    Doch der Krieg vernderte alles. Die Rohstofflage war dermaen schwierig, dass sich die Reichsfhrung an dieChemiekonzerne wandte. Es ging vor allem um Sprengstoffe - und nicht zuletzt um Giftgas. Die klgsten Kpfewie Fritz Haber (brigens ein Jude) und Carl Bosch wurden rekrutiert. Geld bekamen die Konzerne genug undauch billige Arbeitskrfte: Rund 60.000 belgische Zwangsarbeiter forderte Bayer-Chef Carl Duisberg 1916 an,wir Buchautor Jeffreys herausfand.

    Umso schwieriger war die Situation fr die Unternehmen nach dem Krieg. Die Produktion musste auf zivileProdukte umgestellt werden, zudem war der Patentschutz fr viele Produkte von den Firmen der Alliierten faktischausgehhlt worden. Es begannen zhe Verhandlungen und ein mhsamer Wiederaufbau. Zudem bemhten sichvor allem die USA, die besten Kpfe der Branche abzuwerben.

    Doch es gelang den groen Firmen, sich zu erholen und wieder zum Machtfaktor zu werden. So musste GustavStresemann, Reichskanzler der Weimarer Republik, erklren: Ohne die IG und die Kohle knnte ich keineAuenpolitik machen.

    Dass es soweit kam, war vor allem BASF-Chef Carl Bosch und Bayer-Chef Duisberg zu verdanken. Vor allemBosch, 13 Jahre jnger als sein Kollege, hatte in dieser Phase ein glnzendes Nschen fr die sich bietendenChancen. Und dazu gehrte auch der Zusammenschluss der Konzerne.

    Dank Duisbergs Hartnckigkeit kam es am 2. Dezember 1925 zum Bndnis, wenig spter folgte die offizielleFusion von BASF, Bayer, Hchst, Agfa und anderen. Nun lag es an Bosch, einem stillen, bescheidenen Mann, die

    Probleme der IG Farben bei der Grndung

    Die Voraussetzungen

    Im Prinzip gab es eine lange Positivliste: Alle Unternehmen der IG Farben kamen aus demselben Industriezweig und hattenalte Rivalitten aufgegeben. Die Eiferschteleien schienen weitgehend aus dem Weg gerumt zu sein. Die Grenvorteilesollten zu geringeren Kosten bei der Produktion fhren.

    Der Koloss in Zahlen

    Guter Wille reicht nicht

    Vorstnde und die Fusion

    Traditionen

    Gewerkschaften

    Fachwissen

    Organisation

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    Teile des Konglomerates zusammenzufhren. Der 52-Jhrige hatte eine schwere Aufgabe:

    Carl Bosch war kein groartiger Unternehmer, aber ein Stratege mit Weitsicht. Er lste die wesentlichenProbleme und die IG Farben wuchs und wuchs. Er erkannte frher als viele, dass sich die Weltwirtschaft zu sehrvom l abhngig gemacht hatte und setzte auf das deutsche Fachwissen im Bereich der Hydrierung wasspter im Zweiten Weltkrieg noch eine besonders wichtige Rolle spielen sollte.

    Derweil waren die Verbindungen zur Politik in der mittleren Phase der Weimarer Republik wieder deutlich lockerergeworden. Die IG Farben untersttzte die Partei, die einen am ehesten in Ruhe arbeiten lie. Natrlich war dabeiwichtig, dass die deutsche Politik gute Beziehungen mit den frheren Kriegsgegnern unterhielt dasExportgeschft war schlielich sehr wichtig.

    Hitler helfen oder nicht?

    Umso heftiger trafen der Brsencrash 1929 und die folgende Weltwirtschaftskrise die IG Farben - fast die Hlfteder Belegschaft musste gehen. Politisch war die Zeit fr die Nationalsozialisten gekommen. Whrend andereIndustrielle wie Fritz Thyssen, Friedrich Flick, Robert Bosch oder Hugo Stinnes die Nazis schon frhzeitiguntersttzten, hielt sich die IG Farben lange zurck. Carl Bosch ging stets politische Verpflichtungen erst dannein, wenn es unbedingt ntig war.

    DEUTSCHLANDS EHEMALIGER CHEMIERIESE

    Die Geschichte der IG Farben in Bildern

    Die riesige Werksanlage der IG Farben am Rheinufer in Ludwigshafen Anfang der1930er-Jahre.

    Foto: BASF Unternehmensarchiv

    Die IG Farben hat den Aufstieg der NSDAP bis hin zur Ernennung von Adolf Hitler zum Reichskanzler am 30.Januar 1933 wachsam und mit einer gewissen Missbilligung verfolgt. Die extremistische Rhetorik der

    Protagonisten Teil 2

    Jdische Manager der IG Farben

    Mit der Machtbernahme Hitlers 1933 gerieten die jdischen Manager im Fhrungszirkel der IG Farben in den Fokus derPolitik: Zu ihnen gehrten Arthur von Weinberg, Kurt Oppenheim, Max Warbrug, Alfred Merton, Otto von MendelssohnBartholdy und Ernst von Simson. Die Nationalsozialisten behaupteten, ihre Anwesenheit sei ein klarer Beweis dafr, dassder Konzern der Verschwrung des internationalen Finanzjudentums angehre.

    Friedrich Bergius

    Adolf Hitler und seine Wnsche

    Hermann Schmitz

    Carl Krauch

    Fritz ter Meer

    Otto Ambros

    Heinrich Himmler

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    Nationalsozialisten beunruhigte die Fhrungsebene sehr. Zudem waren viele Wissenschaftler und auchAufsichtsratsmitglieder der IG Farben Juden. Die Nationalsozialisten behaupteten, ihre Anwesenheit sei ein klarerBeweis dafr, dass der Konzern der Verschwrung des internationalen Finanzjudentums angehre.

    Duisberg versuchte, die Wogen frhzeitig zu gltten, gewann das Wohlwollen der Nazis aber weniger mit gutenWorten als mit den Mglichkeiten, die das Unternehmen bot. Auch Bosch wollte Hitler vor allem mit demBenzinprojekt berzeugen. Das gelang, schlielich schob Hitler die Niederlage im Ersten Weltkrieg in erster Linieauf die Rohstoffknappheit. Danach kritisierten die Nazis zwar weiterhin den Einfluss von Juden auf die deutscheIndustrie, nannte die IG Farben aber nicht mehr.

    Ende Januar 1933, als Hitler die Macht so gut wie inne hatte, traf dann auch Carl Bosch seine Entscheidung: Am27. Februar zahlte die IG Farben 1,9 Milliarden Reichsmark auf das Konto der NSDAP ein mehr als die anderenUnternehmen. Hitler hatte die Konzerne erpresst. Nur so schien ein Brgerkrieg abzuwenden zu sein. Nun konnteHitler seinen Propagandafeldzug mhelos finanzieren.

    Der Alltag mit den Nazis

    Es folgten weitere Zahlungen: Insgesamt lie die IG Farben der NSDAP 1933 4,3 Millionen Reichsmarkzukommen. Aber Bosch wusste, was er dafr bekommen wrde: Hitler rettete sein Projekt zur synthetischenHerstellung von Treibstoff. Jeffreys schreibt: In weniger als einem Jahr wrde man einen Vertrag von wahrhaftfaustischen Dimensionen unterschreiben. Damit meinte er den Vertrag ber einer Absatzgarantie von 350.000Tonnen synthetischem Benzin zum einem Mindestpreis, der der IG Farben vor einem Verlust von rund 300Millionen Reichsmark bewahrte.

    Kein Wunder, dass sich der Konzern anpasste und kollaborierte. Carl Bosch war kein Antisemit, konnte abernicht verhindern, dass immer mehr Juden sein Unternehmen verlassen mussten. Ihm tat es weh, all die gutenWissenschaftler gehen zu sehen. Unter ihnen war auch Fritz Haber. Im Ersten Weltkrieg hat der Patriot nochGiftgas fr die Armee entwickelt, nun wurde er obwohl inzwischen zum Christentum konvertiert vertrieben.

    Bei einem Treffen sprach Bosch Hitler auf die Judenfrage an: Wenn immer mehr jdische Wissenschaftler zurEmigration gezwungen werden, knnte die deutsche Physik und Chemie um 100 Jahre zurckgeworfen werden.Hitler bekam einen Wutausbruch und schrie, dass Bosch keine Ahnung von Politik habe und Deutschland wennntig 100 Jahre lang ohne Physik und Chemie arbeiten knne. Von da an war Bosch persona non grata in HitlersKreisen.

    Die beiden trafen auch deshalb nie wieder zusammen, weil Bosch nicht das tat, was viele andere Industriellenach solchen Wutausbrchen Hitlers taten: eine Vershnung anzustreben. Er war sich sicher, dass Hitler densynthetischen Treibstoff weiterhin haben wolle und setzt im Stillen die Untersttzung fr jdische Wissenschaftlerfort. Das ging so weit, dass er den Exilanten heimlich Entschdigungen zahlte und beschaffte einigen gute Postenbei Unternehmen der IG in bersee.

    Carl Bosch wurde nie NSDAP-Mitglied, erfllte als Chef der IG Farben aber zahlreiche Wnsche des Regimes.Das sei eben ein unglckliches Nebenprodukt unternehmerischer Zweckmigkeit.

    IG Farben: Der neue Alltag mit den Nazis

    Loyalitt

    Fr die Nazis waren individuelle Loyalittsbeweise einzelner Manager viel weniger wichtig als die Kooperation desGesamtunternehmens. Dementsprechend wurde auch Carl Boschs Distanz zur NSDAP ignoriert.

    Die US-Kunden

    Hitlergru

    Betriebszeitungen

    Luftschutzbungen

    Tierversuche verboten

    Juden entlassen

    Werbung im Ausland

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    Wie die IG Farben vom Krieg profitierte

    Kriegsmaterialien

    Sptestens ab 1936 richtete sich die IF Farben angetrieben durch die hohen Subventionszahlen des Reiches immermehr auf Rstung aus. Dazu gehrten Nitrate fr Sprengstoffe, Treibstoff, Metalle, Buna (Gummisparte) und Plastik.

    Giftgas

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    Mit der Zeit gewhnten sich die Manager der IG Farben aber an die Nazis. Nicht zuletzt stimmte auch die Bilanz:Ende 1933 war die Belegschaft um 15 Prozent angewachsen, viele Kredite waren abbezahlt und der Gewinn um32 Prozent gestiegen. Es war wieder Ruhe in Deutschland eingekehrt. Auch wenn es eher eine Friedhofsruhewar, kam die Stabilitt den Geschftsleuten wertvoll vor.

    Wie die IG Farben vom Krieg profitierte

    In den folgenden Jahren bekam die Chemiebranche und die bestand zum Groteil aus der IG Farben denLwenanteil der ausgeschriebenen Subventionen. Zwischen 1936 und 1939 stammten rund 40 Prozent desUmsatzes aus fnf Produktionsbereichen, die direkt durch den sogenannten Vierjahresplan der Reichsregierungfinanziert wurden: Nitrate fr Sprengstoffe, Treibstoff, Metalle, Buna (Gummisparte) und Plastik. Die IG Farbenversorgte Deutschland im Gegenzug mit allem, was es fr einen Krieg brauchte.

    Dazu gehrten auch Giftgase, was durchaus erstaunlich war. Schlielich war der Schaden durch die Giftgas-Produktion im Ersten Weltkrieg enorm gewesen. Dennoch entwickelte der Konzern fr die Nazis ab 1936Senfgas und wenig spter zwei noch gefhrlichere Stoffe: Tabun und Sarin.

    Ein Bomber der US-Luftwaffe 1944 ber Ludwigshafen und Oppau.

    Das mit Abstand dunkelste Kapitel der Geschichte der IG Farben war die Buna-Fabrik in Auschwitz. Hier solltesynthetischer Kautschuk hergestellt werden. Natrlich war die Nhe zum Konzentrationslager kein Zufall: Die IGFarben brauchte Sklaven, also ersetzbare Zwangsarbeiter, fr den Bau der Werkes.

    Als Gegenleistung lieferte der Konzern einen entscheidenden Beitrag zum Ausbau des KZs in eine industrialisierteMordmaschine, in der eineinhalb Millionen Menschen starben. Jeffreys zitiert einen berlebenden: Kapos mitwilden Augen zogen ihren blutbesudelten Weg durch Scharen von Hftlingen, whrend SS-Mnner, wie Cowboysim Fernsehen, aus der Hfte heraus schossen. Kleine Gruppen stiller Mnner suchten sich ihren Weg zwischenLeichen hindurch, die sie nicht sehen wollten, fhrten Messungen durch und machten sich Notizen.

    Aus Sicht des Autoren ist es absolut klar, dass die Fhrung der IG Farben von all dem wusste. Vor allem weil dieIG Farben ab 1942 auf dem Komplex ein eigenes KZ errichtete.

    Als sich die Niederlage Deutschlands abzeichnete, war die IG Farben lngst eines der wichtigsten Ziele derAlliierten. Frankreich, Grobritannien und die USA hatten schon 1944 Kommissionen gebildet, die sich mit demKonzern vertraut machten. Den Kampftruppen folgten auf dem Fu Wissenschaftler, die die Technologie desKonzerns fr die jeweilige Besatzungsmacht sichern sollten.

    Sie fanden die Fhrungskrfte und Wissenschaftler des Konzerns und berredeten sie, versteckte Dokumenteauszuhndigen. Es kam sogar zu Ausgrabungen in Wldern, wo man Ordner verscharrt hatte. Es ging denAlliierten aber auch darum, Deutschland zu entmonopolisieren: Nie wieder sollte eine so groe Produktivkraftunter einem Dach angehuft werden, wie es bei der IG Farben der Fall war.

    Soldatenausrstung

    sterreich und Tschechoslowakei

    Polen

    Frankreich

    Der Rest Europas

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    Was die Geschichte der IG Farben lehrt

    Bei der Aufteilung der IG Farben spielten regionale Kriterien die wesentliche Rolle. Leverkusen und dieSatellitenfirmen, die in der britischen Zone lagen, wurden eine Einheit. Ludwigshafen und Oppau lagen in derfranzsischen Zone und die alten Werke von Hoechst rund um Frankreich in der US-Zone. Die Werke im Ostenwurden entsprechend von der sowjetischen Planwirtschaft absorbiert.

    Der Kalte Krieg warf seine Schatten voraus und die westlichen Alliierten hatten kein Interesse, einenIndustriezweig zu zerschlagen, der Deutschland helfen sollte, um zum Bollwerk gegen die kommunistischeExpansion zu werden. Dies verwendet Jeffreys auch als Begrndung fr die recht milden Strafen, die die 23 vorGericht gestellten Fhrungskrfte der IG Farben bekamen. Dabei war der Prozess mehr als jeder anderegeeignet, der Menschheit zu vermitteln, welche entscheidende Rolle die Wirtschaft am Ausbruch des ZweitenWeltkrieges hatte.

    Unterm Strich ist Jeffreys eine hchst lesenswerte historische Studie gelungen es muss eine auerordentlicheFleiarbeit gewesen sein, die Informationen aus all den verschiedenen Quellen zusammen zu suchen. Allerdingsgibt es einige Schnheitsfehler: Zum einen stimmt die Behauptung nicht, dass es 1918 eine KapitulationDeutschlands gab. Und Hindenburg starb nicht 1935, sondern 1934.

    Noch viel schwerer wiegt aber die Subjektivitt, mit der Jeffreys den Prozess gegen die 23 IG-Farben-Vertreterbegleitet. In der Tat fielen die Urteile auch nach objektivem Ermessen milde aus. Aber Jeffreys verlsst in diesenPassagen die Ebene des Historikers und stellt sich so deutlich auf Seiten der Anklage, wie es sich in einersolchen Studie nicht gehrt. Da mag man ihm moralisch zustimmen wie man will.

    Die Geschichte der IG Farben ist eine Pflichtlektre und hochaktuell. Denn sie zeigt, wie dramatisch die Folgensein knnen, wenn Staat und Wirtschaft zu sehr verschmelzen und voneinander abhngig sind. Politische Motiveund Gewinnstreben drfen nicht miteinander verknpft werden so die klare Botschaft. Oder wie es Jeffreysausdrckt: Die Geschichte der IG Farben lehrt uns viel ber die Schwchen der Menschheit und darber, wie einVolk seine Seele aufgab.

    Bibliografie:

    Diarmuid Jeffreys

    Weltkonzern und Kriegskartell. Der zerstrerische Werk der IG Farben

    Karl Blessing Verlag, Mnchen 2011

    687 Seiten

    2013 Handelsblatt GmbH - ein Unternehmen der Verlagsgruppe Handelsblatt GmbH & Co. KG

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