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Umbruch in der Automobilzuliefer industrieStandortoptimierung und Sourcing
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© 2014 Deloitte & Touche GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Stand 03/2014
Umbruch in der Automobilzuliefer industrieStandortoptimierung und Sourcing
Inhaltsverzeichnis
5 Executive Summary
6 Gegenwärtiger Stand der Automobil industrie: Boom or Bust?6 Steigender Bedarf und Diversifizierung der OEMs6 Entwicklung der absatzstärksten OEMs7 Fahrzeugbedarf der Schwellenländer8 Dynamik der Segmente – Margendruck mit inbegriffen9 Weltweite Wachstumsraten der Fahrzeugsegmente10 Regionale Unterschiede der Segmente11 Die wachsende Bedeutung der Niedriglohnländer14 Wachsender Wettbewerbsdruck durch Plattformstrategien15 Darstellung der global vertretenen Fahrzeugplattformen15 Entwicklung hin zur verstärkten Gleichteilestrategie16 Schlussfolgerung
17 Erwartungen der OEMs und Tier-1 an ihre Lieferantenbasis17 Lieferantenreduzierung17 Dual Sourcing/Multi Sourcing17 Lokalisierung/Local Sourcing beim Dual/Multi Sourcing17 Globale Ausschreibungen/Global Sourcing trotz steigender Logistikkosten18 Aussagen der Tier-1-Lieferanten zum Global Sourcing
23 Kernpunkte der Standortentscheidung in der Zulieferindustrie23 Motive für die Produktionsverlagerung23 Lohnkosten25 Energiekosten26 Marktchancen26 Logistik/Lieferzeit27 Wechselkurse27 Gesetzliche, steuerliche bzw. staatliche Vorteile28 Optionen bei der Produktionsverlagerung28 Greenfield Approach31 Brownfield Approach31 Übernahme (M&A)32 Joint Venture/Strategische Kooperation32 Herausforderungen bei der Produktionsverlagerung im M&A-Kontext
4
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Greenfield Investments 2012–2016 (indikativ) 5
Abbildung 2: Entwicklung der absatzstärksten OEMs 6
Abbildung 3: Entwicklung des weltweiten Fahrzeugbedarfs 7
Abbildung 4: Segment-/Fahrzeugbeispiele 8
Abbildung 5: Weltweite Produktionsvolumina (in Mio.) nach Segmenten 9
Abbildung 6: Indizierte Entwicklung des weltweiten Produktionsvolumens nach Fahrzeugsegmenten 9
Abbildung 7: Die regionale Entwicklung der Fahrzeugsegmente im Vergleich 10
Abbildung 8: Anteil an verkauften Fahrzeugen – Niedriglohnland (NLL) vs. Hochlohnland (HLL) 11
Abbildung 9: Regionale Produktion 12
Abbildung 10: Anteil der deutschen Fahrzeugprodution in % der jeweiligen OEMs 13
Abbildung 11: Plattform-/Fahrzeugbeispiel (2012/2013) 14
Abbildung 12: Plattform-, Modul- und Baukastenstrategien 15
Abbildung 13: Tier-1-Lieferantenbefragung zur historischen Konsolidierung 18 der Lieferantenbasis 2005–2012
Abbildung 14: Tier-1-Lieferantenbefragung zur Konsolidierung der Lieferantenbasis bis 2016 18
Abbildung 15: Tier-1-Lieferanten zur Verfolgung einer Dual-Sourcing Strategie 19
Abbildung 16: Tier-1-Lieferanten nach der Verfolgung einer globalen Sourcing-Strategie 19
Abbildung 17: Maßnahmen der Zulieferer von Tier-1-Lieferanten zur Verbesserung der Einkaufspreise 19
Abbildung 18: Ergebnis zur Umfrage der Tier-1-Lieferanten nach Anforderung ihrer Zulieferer an 20 lokalen Standorten für den „Preferred Supplier“-Status
Abbildung 19: Ergebnis zur Umfrage der Tier-1-Lieferanten nach Hauptgründen für bisherige 20 Standortentscheidungen
Abbildung 20: Durchschnittsranking der wichtigsten Standortkriterien 21
Abbildung 21: Standortranking bis 2015 der Tier-1-Zulieferer 21
Abbildung 22: Standortranking ab 2015 der Tier-1-Zulieferer 22
Abbildung 23: Arbeitskosten ausgewählter Länder im verarbeitenden Gewerbe im Jahr 2012 23
Abbildung 24: Lohnstückkosten im verarbeitenden Gewerbe ausgewählter Länder im Jahr 2012 24 (Index: Deutschland)
Abbildung 25: Strompreise für Industriekunden in ausgewählten europäischen Ländern nach 25 Verbrauchsmenge im Jahr 2012
Abbildung 26: Gesamtbesteuerung selektierter Länder im Jahr 2013 auf einen Blick 27
Abbildung 27: Greenfield Investments in der Automobilindustrie ab 2014 29
Abbildung 28: Greenfield Investments – Top-5-OEMs vs. total OEMs (indikativ) 29
Abbildung 29: Greenfield Investments der Zulieferer (indikativ) 30
Abbildung 30: Top-20-Transaktionen in der Automobilindustrie 2011–2013 31
Umbruch in der Automobilzulieferindustrie: Standortoptimierung und Sourcing 5
Executive Summary
Die weltweite Automobilindustrie befindet sich in einem strukturellen Wandel, welcher insbesondere von der dynamischen Konjunktur des asiatischen Auto-mobilmarkts geprägt ist. Um von dieser Dynamik zu profitieren, müssen sowohl deutsche Hersteller als auch Zulieferer in Zeiten eines stagnierenden westlichen europäischen Marktes ihre Internationalisierung in die wachstumsreichen Märkte mehr denn je vorantreiben. Diese strategische Notwendigkeit besteht in erster Linie, um im globalen Kontext weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben und auch zukünftig entscheidende Wettbe-werbsvorteile generieren zu können.
So konnte schon über die vergangenen Jahre hinweg die systematische Produktionsverlagerung deutscher und anderer internationaler Original Equipment Manufactur-ers (OEMs) in Schwellenländer wie bspw. China, Brasilien oder auch Russland beobachtet werden. Aufgrund dessen folgten den OEMs vermehrt auch die internati-onalen Zulieferunternehmen, um an Aufschwung und profitableren Standortbedingungen teilzuhaben. Diese Verlagerung kann jedoch nicht als vollendet angesehen werden, da zum einen nicht alle Tier-Schichten glei-chermaßen daran teilnahmen und zum anderen immer weitere Verlagerungen zu erwarten sind, um neue Märkte zu erschließen.
So sollen innerhalb der nächsten vier Jahre weltweit rund 62 neue OEM-Produktionsstätten und 32 neue Zulieferproduktionsstätten entstehen, worunter China der expansivste Produktionsstandort ist, unmittelbar gefolgt von Brasilien und Thailand (s. Abb. 1).
Durch Änderungen der Sourcing-Strategien der OEMs zu Global Quoting und Local Sourcing wird erwartet, dass zunehmend mehr Zulieferer und weitere Tier-Schichten den OEMs folgen werden. Durch den extremen Preis-druck, dem der Großteil der Zulieferer durch Preiseinge-ständnisse gegenüber den OEMs ausgesetzt ist, ist eine Standortverlagerung ohnehin unausweichlich.
Abb. 1 – Greenfield Investments 2012–2016 (indikativ)
Anzahl neuer Standorte
Von 2012 bis 2016 OEMs Zulieferer
China 32 15
Brasilien 7 -
Thailand 6 -
Indonesien 5 1
Mexiko 4 -
Ungarn 3 1
Russland 2 3
Rumänien 1 4
Andere 2 8
Total 62 32
Quelle: IHS Automotive, Deloitte-Analyse
6
Gegenwärtiger Stand der Automobilindustrie: Boom or Bust?
Steigender Bedarf und Diversifizierung der OEMsSchon früh wurde die automobile Mobilität als Luxusgut angesehen, welches in den Industrienationen mittler-weile zu einer Notwendigkeit avanciert ist. Insbesondere bedingt durch demo grafische Veränderungen und die fortschreitende Urbanisierung kommt der Mobilität nach wie vor eine wachsende Bedeutung zu. Ob Luxus oder Notwendigkeit, die Automobilindustrie hatte in der Vergangenheit einen rapiden Produktionszuwachs zu realisieren, der zuletzt fast ausschließlich vom steigenden Bedarf in Schwellen- und Entwicklungsländern angetrie-ben wurde.
Entwicklung der absatzstärksten OEMsNach der Konsolidierung der Automobilhersteller in Europa und Nordamerika der letzten Jahre findet derzeit weltweit eine Diversifikation des OEM-Markts statt. Die bekannten Hersteller führender Industrienationen bleiben zunächst als Marktführer bestehen, werden jedoch auf mittelfristige Sicht immer mehr Konkurrenz von Anbietern aus den aufstrebenden Ländern in Asien (insbesondere aus China) bekommen – sowohl auf lokaler als auch auf internationaler Ebene. So weist die Entwicklung der absatzstärksten OEMs (vgl. Abb. 2) einen global generell positiven Absatztrend auf, wobei in 2012 ca. 140% der Absatzmenge von 2002 umgesetzt wurden und bis 2018 ein Anstieg auf ca. 179% prog-nostiziert wird.
Die Verteilung dieser Absatzsteigerung ist weit gestreut. Einerseits lagen die großen nordamerikanischen Her-steller (Fiat/Chrysler zusammengefasst) in 2012 weit unter dem noch in 2002 erreichten Absatzvolumen und werden dieses voraussichtlich auch erst wieder im Zeitfenster 2016 bis 2018 erreichen. Andererseits stei-gerte Hyundai/Kia den Absatz bis 2012 auf bis zu 255% des 2002er Niveaus. Es wird erwartet, dass sich dieser Trend auch in die Zukunft mit Zuwächsen auf ca. 297% des Indexwertes von 2002 fortsetzt. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Entwicklung der Kategorie „Andere“, die sowohl die deutschen Premiumhersteller
Durch die zunehmende Nachfrage aus Schwellenländern sowie neue Konkurrenten wird der Wettbewerbsdruck in der Automobilindustrie signifikant zunehmen.
Quelle: IHS Automotive, Deloitte-Analyse
Fiat/ChryslerToyota Ford General MotorsTotal Renault/NissanHyundai/Kia Volkswagen Andere
0%
50%
100%
150%
200%
250%
300%
2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018
Abb. 2 – Entwicklung der absatzstärksten OEMs
Umbruch in der Automobilzulieferindustrie: Standortoptimierung und Sourcing 7
als auch die neu aufkommende Konkurrenz aus den Schwellenländern berücksichtigt. Der Marktanteil dieser Kategorie betrug im Jahr 2002 noch 32,8%, wuchs bis 2012 auf 37,7% und wird für 2018 auf 40,5% prognos-tiziert.
Die Marktanteile einzelner OEMs innerhalb dieser Kate-gorie geben Aufschluss über das sich ändernde Wett-bewerbsumfeld. Die noch im Jahr 2002 acht größten OEMs (laut Absatz) hielten ursprünglich einen Markt-anteil von 67,5%, der bis 2012 kontinuierlich bis auf 54,2% sank und sich erwartungsgemäß bis 2018 auf bis zu 51,4% verringern wird.
Dieser Trend hat seinen Ursprung bei OEMs aus Schwel-lenländern, die sich bis jetzt – nach Absatzzahlen zu urteilen – schon so weit etabliert haben, dass sie die Hälfte der Top 20 ausmachen. Die Zahl der OEMs stieg von 2002 bis 2012 von 76 auf 86, ein Niveau, welches auch in Zukunft als vorherrschend erwartet wird. Die Anzahl der OEMs mit einem Jahresabsatz von mehr als 1000 Fahrzeugen stieg von 55 in 2002 auf 68 in 2012 und wird erwartungsgemäß bis 2018 bis auf 72 wachsen.
Fahrzeugbedarf der SchwellenländerDer regionale Wandel im weltweiten Bedarf an Fahrzeu-gen hat OEMs schon über die letzten Jahre beschäftigt und wird dies auch in Zukunft in verstärktem Maße tun. Anhand von Daten von IHS Automotive illustriert Abbil-dung 3 die verstärkte regionale Verschiebung der „Light Vehicle“-Verkäufe (PKW und leichte Nutzfahrzeuge) hin zu den Schwellenländern. Während der Automobil absatz über die letzten Jahre in Asien, Afrika/Mittlerem Osten und in Südamerika mit CAGRs von 8,0%, 3,8% und 5,9% (2002 bis 2012) zulegte, schrumpfte der Absatz aller anderen Regionen (mit Ausnahme der osteuropäi-schen Region) durchschnittlich um 1,3% pro Jahr.
Konkret bedeutet dies, dass im Jahr 2002 42,3 Mio. der weltweit 56,6 Mio. Fahrzeuge in Westeuropa, Nord-amerika und Japan verkauft wurden (74,7%), was in den nachfolgenden Jahren bis einschließlich 2012 kon-tinuierlich auf 46,1% der weltweit 79,5 Mio. verkauften Fahrzeuge in diesen Regionen zurückging. Bis 2018 wird erwartet, dass sich der Anteil der verkauften Fahrzeuge in diesen Regionen (mit Ausnahme von Nordamerika) auf bis zu 39,5% verringert und dadurch die Regionen Asien, Süd- und Zentralamerika sowie Osteuropa die höchsten Zuwachsraten verbuchen werden.
Die historischen Wachstumstreiber des Automobilmarkts in Asien waren China und Indien, die im Jahr 2002 rund 46,7% des asiatischen Marktes (exkl. Japan) ausmachten und bis 2012 auf einen Anteil von 77,2% wuchsen; dieser Anteil soll bis 2018 weiter auf 81,4% steigen, wobei zukünftig für Indien eine höhere Wachstumsrate als für China erwartet wird. Andere asiatische Länder wie z.B. Indonesien und Thailand, die ebenfalls über den betrachteten Zeitraum moderate Wachstumsraten aufweisen, sind im Vergleich zu China und Indien (34,6 Mio. Fahrzeuge in 2018) deutlich kleinere Absatzmärkte (3,0 Mio. Fahrzeuge in 2018).
Die Botschaft dieser Entwicklung für westeuropäische OEMs ist somit eindeutig: Die Expansion aus den „alten Märkten“ heraus in die „Schwellenländer“ wird auch weiterhin ein Kernthema sein.
Quelle: IHS Automotive, Deloitte-Analyse
Andere Nordamerika AsienOsteuropa Afrika/Mittl. OstenSüdamerika
WesteuropaJapan
0%
20%
40%
60%
80%
100%
20182015201220072002
34,4%
19,6%21,6%27,2%
21,6%
1,4% 0,8%0,8%1,2% 0,9%
3,1% 5,0%4,9%5,3% 5,1%3,7%4,6%
28,6%
14,1%
10,1%
7,1%
41,5%
4,5%
15,0%
6,5%6,9%5,8%
15,3%
39,4%
5,2%
6,1%
24,2%
7,5%
20,6%
7,8%7,3%6,4%
16,5%
35,6%
6,6%
Abb. 3 – Entwicklung des weltweiten Fahrzeugbedarfs
8
Dynamik der Segmente – Margendruck mit inbe-griffenMit der Verschiebung der Absatzmengen kommt auch eine Verschiebung der von den Kunden präferierten Produkte und somit der Fahrzeugproduktion einher. So verlangen weiter fort schreitende Urbanisierung und stetig steigende Spritkosten diverse veränderte und teils neue Fahrzeugtypen als noch vor wenigen Jahren. Abbildung 4 illustriert die allgemein üblichen Automobil-typ- bzw. -segmentbezeichnungen anhand von Beispiel-fahrzeugen.
Segment A
Segment B
Segment C
Segment D
Segment E
Segment F
Segment HVAN
VW Lupo/Up! Ford Ka Renault Twingo Smart Fortwo Toyota Aygo Fiat 500/Panda
VW Polo Ford Fiesta Renault Clio BMW Mini Toyota Yaris Fiat Punto
VW Golf Ford Focus Renault Megane BMW 1er Toyota Corolla Fiat Linea
VW Passat Ford Mondeo BMW 3er MB C-Klasse Toyota Camry Dodge Ram
Audi A6-A8 Nissan Maxima BMW 5er-7er MB E-Klasse Lexus RX Chrysler 300
Bentley Ford GT Rolls Royce MB SLS Lexus LF-A Ferrari 458
VW Crafter Ford Transit MB Sprinter Hino Dutro Fiat Daily
Abb. 4 – Segment/Fahrzeug BeispieleAbb. 4 – Segment-/Fahrzeugbeispiele
Quelle: Deloitte-Analyse
Umbruch in der Automobilzulieferindustrie: Standortoptimierung und Sourcing 9
Weltweite Wachstumsraten der FahrzeugsegmenteDer generell positive Volumentrend der Vergangen-heit bzw. der prognostizierte Zuwachs in der Zukunft (ersichtlich anhand Abb. 5), ist durch sich voneinander getrennt ent wickelnde Fahrzeugsegmente bestimmt.
Im C-Segment, wurden im Jahr 2002 noch 16,7 Mio. Fahrzeuge produziert, gefolgt von 19,4 Mio. im D-Segment, 8,4 Mio. im B-Segment, 6,5 Mio. im E/F-Segment und 5,2 Mio. im A-Segment. Die nachfolgende Entwicklung dieser Segmente ist jedoch durchaus unter-schiedlich. Während das E/F Premiumsegment zwischen 2002 und 2012 signifikant rückläufige Produktionszahlen aufwies (CAGR: -1,5%), stieg die Produktion im Premium-segment D lediglich um ein durchschnittliches Wachstum von 0,1%. Alle anderen Segmente (A, B und C) hingegen wiesen einen durchschnittlichen jährlichen Anstieg von 4,9% bis 5,5% auf. Zwar wird erwartet, dass sich alle Segmente bis 2018 positiv entwickeln, das stärkere Wachstum wird jedoch weiterhin den A/B/C-Segmenten vorbehalten sein. So werden sich, wie in Abbildung 6 gezeigt, die Mengenverhältnisse der Segmente in der Zukunft signifikant ändern.
Quelle: IHS Automotive, Deloitte-Analyse
A B D HVANE/FC
0
20
40
60
80
100
120
20182015201220072002
5,2 11,410,47,2 9,98,4
16,7
19,4
6,5
20,5
38,8
22,3
6,3
17,3
35,2
21,2
5,8
12,6
23,4
19,5
6,2
15,1
29,6
19,8
5,4
1,0
2,2
2,0
1,5
1,7
Total 57,1
Total 101,5
Total 91,8
Total 70,6
Total 81,5
Abb. 5 – Weltweite Produktionsvolumina (in Mio.) nach Segmenten
Quelle: IHS Automotive, Deloitte-Analyse
Prod
uktio
nsvo
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ert
2002
= 1
00
B C HVAN A D E/F
0
50
100
150
200
250
2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018
Abb. 6 – Indizierte Entwicklung des weltweiten Produktionsvolumens nach Fahrzeugsegmenten
10
In Abbildung 6 wird einmal mehr deutlich, dass trotz steigender Gesamtproduktionszahlen der Premium-segmente deren Marktanteil am Produktmix der durch-schnittlichen OEMs stark abnehmen wird. Die Gewinner dieser Umstrukturierung sind die Produkte der A/B/C-Segmente, welche Produkte umfassen, die sich stärker über den Preis differenzieren und dadurch die jeweiligen OEMs unter Margendruck setzen können – dies gilt insbesondere für die stark an Bedeutung zunehmenden Segmente A und B. Zudem sind die in diesen Segmenten angesiedelten Fahrzeuge zu einem Großteil entweder von OEMs aus Schwellenländern oder in solchen pro-duziert. Dieser Margendruck wird durch Preisnachlässe an die vorgelagerten Stufen der Wertschöpfungskette durchgereicht und durch Standardisierung sowie Skalen-effekte erzwungen. Das Resultat ist die steigende Not-wendigkeit der Zulieferer, entweder Preise nach unten anzupassen und Plattformzulieferer zu werden oder aber das Risiko einzugehen, ganze Plattformgeschäfte zu verlieren.
Regionale Unterschiede der SegmenteDer Trend zu A/B/C-Segment-Fahrzeugen ist weltweit zu sehen, jedoch in manchen Regionen weitaus mehr aus-geprägt als in anderen (vgl. Abb. 7). So entwickelte sich der Anteil dieser Segmente an der Gesamtproduktion in Europa von 2002 bis 2012 von 66,0% auf 71,0% und soll bis 2018 auf 73,6% ansteigen.
Der Anteil von A/B/C-Segmenten an der japanischen/koreanischen Produktion entwickelte sich von 2002 bis 2012 zunächst mit 58,6% auf 70,2% steigend. Bis 2018 wird allerdings wieder mit einem leichten Rückgang auf 68,8% gerechnet.
In den USA, traditionell geprägt durch die Nachfrage nach größeren Fahrzeugen, stieg die Produktion von A/B/C-Segmentfahrzeugen von 26,5% in 2002 auf 35,3% in 2012. Es wird erwartet, dass sich dieser Trend bis 2018 fortsetzt und der Anteil bis dahin auf 38,7% steigt. Den größten Zuwachs verzeichnete hier historisch
Quelle: IHS Automotive, Deloitte-Analyse
A B C D E/F HVAN
Europa China Japan/Korea Nordamerika
0%
20%
40%
60%
80%
100%
201820122002201820122002201820122002201820122002
6%
25%
35%
22%
11%
6%
26%
39%
16%
12%
6%
29%
40%
15%
11%
29%
10%
15%
27%
3%
17%
16%
13%
44%
18%
3%7%
11%
14%
48%
18%
3%6%
16%
13%
29%
32%
8%
2% 2% 2%
18%
16%
36%
23%
6%
18%
14%
36%
24%
6%
1%
26%
55%
19%
1%
32%
3%
54%
11%
5%
34%
50%
10%
Abb. 7 – Die regionale Entwicklung der Fahrzeugsegmente im Vergleich
Umbruch in der Automobilzulieferindustrie: Standortoptimierung und Sourcing 11
das B-Segment, welches auch zukünftig signifikantes Wachstum, getrieben von der globalen Ressourcenver-knappung, erleben soll.
Auf dem chinesischen Markt stieg die Produktion der A/B/C-Segmente von 53,6% in 2002 auf 72,1% in 2012. Am stärksten wuchs dort das B/C-Segment, welches sich von 2002 bis 2012 mehr als verdoppelte. Zukünftig wird auch hier ein weiterer leichter Anstieg bis 2018 erwartet.
Die wachsende Bedeutung der NiedriglohnländerDie bereits angesprochene Verschiebung der Produkti-onsvolumina lässt sich auch auf Länder ebene verdeutli-chen. So verlagern OEMs Produktionsstandorte nicht nur auf Basis der Verschiebung der jeweiligen Endmärkte,
sondern auch, um gezielt Produktionskosten zu sparen. Diese Einsparungen werden zum größten Teil durch geringere Löhne in den Entwicklungs- und Schwellenlän-dern realisiert.
Als Hochlohnländer („High Cost Countries“ (HCC)) werden traditionell sowohl die entwickelte n Indus-trienationen Nordamerikas und Europas als auch Japan gezählt, während die Entwicklungs- und Schwellenlän-der Asiens, Osteuropas und Südamerikas den Niedrig-lohnländern („Low Cost Countries“ (LCC)) zugeordnet werden. Wie aus Abbildung 8 ersichtlich, verlagerten die OEMs zwischen 2002 und 2012 ihre Produktionsvo-lumina signifikant in die Niedriglohnländer und planen, dies auch in Zukunft weiter voranzutreiben.
Quelle: IHS Automotive, Deloitte-Analyse
HLL NLL
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0%
20%
40%
60%
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100%
20232018201520122002
27,7%
72,3%
31,9%
68,1%65,2%
34,8%
57,3%
42,7%
62,7%
37,3%
Abb. 8 – Anteil an verkauften Fahrzeugen – Niedriglohnland (NLL) vs. Hochlohnland (HLL)
12
Diese Verschiebung der Produktionsvolumina ist im Wesentlichen auf zwei Strategien zurückzuführen, nämlich einerseits dem Endkunden zu folgen sowie andererseits Kosten einzusparen. Alternativ könnte man die einzelnen Länder in Export- und Importnationen unterteilen, was die Komponente „Netto-Exporte“ außen vor ließe. Abbildung 9 illustriert jeweils die Export-/Import nationen 2012 sowie die für 2018 erwar-teten Export- und Importländer.
Die drei größten Exportnationen 2012 waren Japan (4,2 Mio.), Südkorea (3,0 Mio.) und Deutschland (2,2 Mio.) mit kombinierten Nettoexporten von 9,5 Mio. Fahrzeugen; 2002 betrugen die Netto exporte noch 7,1 Mio., wobei Japan 4,1 Mio. Fahrzeuge exportierte, Südkorea 1,5 Mio. und Deutschland 1,6 Mio. Dieses Bild soll sich bis 2018 dahingehend wandeln, dass Japan nach Schätzung von IHS rund 3,0 Mio. Fahrzeuge, Südkorea 3,1 Mio. und Deutschland 2,4 Mio. Fahr-zeuge exportieren werden. Bemerkenswert ist in dieser Hinsicht, dass Deutschland als drittgrößte Export nation voraussichtlich in 2018 erstmals von Mexiko mit 2,7 Mio. Fahrzeugen abgelöst werden soll.
Demgegenüber waren die drei größten Nettoimporteure 2012 die USA (4,4 Mio.), Australien (0,9 Mio.) und Italien (0,9 Mio.) mit kombinierten Nettoimporten von 6,1 Mio. Fahrzeugen; 2002 betrugen die Nettoimporte hier noch 6,4 Mio., von denen 4,8 Mio. auf die USA, 0,5 Mio. auf Australien und 1,2 Mio. auf Italien fielen. Bis 2018 wird dies voraussichtlich auf einem ähnlichen Level (rund 6,4 Mio. kombiniert) beibehalten werden, sodass die USA schätzungsweise 4,3 Mio., Australien 1,0 Mio. und Italien 1,1 Mio. Fahrzeuge importieren werden.
Die Verschiebung von OEM-Produktionsstätten in Nied-riglohnländer ist anhand der hellgrün markierten Länder ersichtlich. Während Länder wie Deutschland, Japan, und Mexiko traditionell Nettoexporteure sind, kamen in jüngerer Vergangenheit sowohl die osteuropäischen Länder als auch die Türkei, Indien, Thailand, Kanada und Argentinien dazu. In 2012 waren die größten osteuro-päischen Nettoexporteure Tschechien, Slowakei, Polen und Rumänien mit 2,8 Mio. produzierten Fahrzeugen, wovon 2,2 Mio. exportiert wurden. Diese Entwicklung wird sich voraussichtlich weiter fortsetzen, sodass bis
Quelle: IHS Automotive, Deloitte-Analyse
Top-3-Importnationen 2012 und 2018
Andere Importnationen
Top-3-Exportnationen 2012 und 2018
Andere Exportnationen 2012 und 2018
Neue Exportnationen 2018
Abb. 9 – Regionale Produktion
Umbruch in der Automobilzulieferindustrie: Standortoptimierung und Sourcing 13
2018 jährlich 3,4 Mio. Fahrzeuge in diesen Ländern pro-duziert werden, von denen 2,5 Mio. exportiert werden sollen. Bis 2018 wird außerdem erwartet, dass weitere asiatische Nationen zu Nettoexporteuren avancieren werden. Da alle diese Länder als Niedriglohnländer gelten, ist ersichtlich, dass OEMs nicht nur lokal pro-duzieren wollen, sondern auch ihre Produktionsstätten entsprechend der relativen Attraktivität ihrer jeweiligen Produktionskosten auswählen.
In Anbetracht dieser Produktionsverschiebung und der zuvor erörterten regionalen Diversifizierung wird deutlich, dass auch die traditionell in Deutschland pro-duzierenden und in die Welt exportierenden deutschen OEMs ebenfalls in Richtung der Wachstumsmärkte streben werden, um weiterhin konkurrenzfähig bleiben zu können. Abbildung 10 vermittelt einen detaillierteren Einblick in den deutschen Fertigungsmarkt, wonach dieser Trend bereits vor einigen Jahren begonnen hat und sich seitens der OEMs wohl auch in Zukunft fortset-zen wird.
Die deutsche Fertigung von BMW, Daimler und VW betrug im Jahre 2002 noch 69%, 72% und 37% der jeweiligen OEM-Gesamtproduktion und verringerte sich innerhalb von zehn Jahren auf 58%, 68% bzw. 26%. Viele Indizien sprechen dafür, dass sich diese Verlage-rung von 2012 auf 2015 weiter beschleunigt, wobei die deutsche Produktion der drei OEMs in den Jahren vergleichbar bleiben wird und lediglich zusätzliches Pro-duktionsvolumen in Ländern wie China, Indien, Brasilien und den USA generiert wird.
Bei General Motors (GM) sind leichte Verlagerungsvor-gänge aufgrund der Wachstumsentwicklung in anderen Märkten erkennbar, für Ford soll nach Modellausläufen zwischen 2012 und 2015 der Anteil der deutschen Pro-duktion erneut ansteigen.
In Zukunft wird von weiteren signifikanten Produktions-zuwächsen in Indien, Spanien, Russland, Mexiko und China ausgegangen, um dem Bedürfnis der Menschen nach lokaler Mobilität gerecht zu werden und gleichzei-tig am Wachstum der Regionen zu partizipieren.
Quelle: IHS Automotive, Deloitte-Analyse
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OEM
s (L
inie
n)
Ges
amtp
rodu
ktio
n in
DE
vs.
glob
ale
Ges
amtp
rodu
ktio
n (B
alke
n)
Daimler BMW VW Ford GM
0%
2%
4%
6%
8%
10%
201820152012200720020%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
Abb. 10 – Anteil der deutschen Fahrzeugproduktion in % der jeweiligen OEMs
14
Wachsender Wettbewerbsdruck durch Plattform-strategienViele OEMs verfolgen in ihrer Produktion eine soge-nannte Plattformstrategie, wobei VW durch Plattformen wie MQB (Modularer Querbaukasten), PQ25/35 und
MLB (Modularer Längsbaukasten) der absatzstärkste Produzent ist. Die absatzstärkste Plattform in 2012 war VWs PQ35 mit 3,5 Mio. Fahrzeugen, auf welcher Golf, Jetta, Passat, Touran und Tiguan bzw. deren baugleiche Modelle Skodas, Seats und Audis basieren.
PQ34 / PQ35 /MQB (A/B)
330N / MC-M / NGA-C
J2-J3 / HD / HD2
LC / PB / PB2
X64 / Plattform C /CMP1
CS / C-5 / C-6
GM3000 / Global Delta D2XX
SF-R
B2 / B2E
VW Golf VW Tiguan VW Passat Skoda Octavia
Toyota Corolla Toyota Camry Toyota RAV4 Toyota Prius
Hyundai Elantra Hyundai Avante Kia Sportage Hyundai i30
Hyundai Accent Hyundai i20 Kia Rio Kia Soul
Renault Megane Nissan Qashqai Renault Scenic Nissan X-Trail
Honda Civic Honda CR-V Acura RDX Honda Step Wagon
Chevrolet Cruze Opel Astra Buick Excelle Chevrolet Equinox
Wuling Sunshine Wuling Hongguang Wuling Ronggunag FAW Fushida
Ford Fiesta Ford Ka Ford Ecosport Ford B-Max
PQ34
1.665.340
330N
1.212.300
J2-J3
577.722
LC
312.287
X64 / Pltf. C
825.921
CS
1.091.875
GM3000
845.402
SF-R
149.368
B2
605.805
PQ35
3.455.533
MC-M
2.884.913
HD
2.427.622
PB
1.751.223
Pltf. C
1.675.567
C-5
1.567.454
Gl. Delta
1.444.850
SF-R
1.429.585
B2 / B2E
1.314.306
MQB (A/B)
4.717.805
NGA-C / MC-M
2.997.720
HD /HD2
3.170.568
PB2
2.236.161
CMP1 / Pltf C
2.470.750
CCA
2.070.609
Gl. Delta
2.733.320
SF-R
1.856.610
B2E
1.772.588
Abb. 11 – Plattform-/Fahrzeugbeispiel (2012/2013) Produktionsvolumen
2002 2012 2018
Abb. 11 – Segment-/Fahrzeugbeispiele
Quelle: Deloitte-Analyse
Umbruch in der Automobilzulieferindustrie: Standortoptimierung und Sourcing 15
Darstellung der global vertretenen Fahrzeugplatt-formenIn der Automobilindustrie ist die Produktion stark geprägt von Plattformen bzw. standardisierten Archi-tekturen. Plattformen bieten den OEMs die Möglichkeit, diverse Fahrzeugmodelle auf einer technischen Basis zu fertigen. Diese gemeinsame technische Basis (Archi-tektur) erlaubt eine effizientere und kostengünstigere Produktion sowie die Senkung der Materialkosten durch Bündelung von Einkaufsmengen der Gleichteile. In Abbildung 11 sind die volumenstärksten Plattformen, deren historische Volumina sowie deren prognostizierte Volumina für das Jahr 2018 dargestellt. Diese Übersicht zeigt, wie die Plattformen über die Jahre gewachsen sind und weiterhin noch zulegen werden. Die Steige-rung der Stückzahlen beinhaltet jedoch in erster Linie die Konsoliderung von Plattformen sowie auch die Erweiterung der Plattformen um neue und substituierte Modelle. Am Beispiel Renault-Nissan lässt sich diese Entwicklung verdeutlichen, denn ursprünglich war die Plattform X64 ohne Nissan-Modelle und erst mit der Ein-führung der Plattform C kamen diese hinzu. Im nächsten
Schritt wird Renault-Nissan mit der Plattform CMF1 (Common Module Family 1) weitere Modelle konsoli-dieren bzw. erweitern. Hierbei verfolgt Renault-Nissan eine ähnliche Strategie wie der Volkswagen-Konzern, bei dem Plattformen zusätzlich über modulare Baukästen konsolidiert werden.
Entwicklung hin zur verstärkten GleichteilestrategieDer Trend der Plattformstrategie setzt sich fort und wird in Zukunft weiter verstärkt mittels globaler Allianzen/Kooperationen zwischen den OEMs wie etwa im Fall von Daimler und Renault-Nissan, BMW und PSA, Toyota und PSA sowie zahlreicher chinesischer Autobauer mit verschiedenen Herstellern weltweit. Der steigende Wettbewerbsdruck, maßgeblich beeinflusst durch neue bzw. gestärkte asiatische Hersteller sowie den rasanten Marktzuwachs aus den BRIC-Staaten, erfordert weitere kostensenkende Maßnahmen in der Automobilproduk-tion. Hierzu haben die OEMs schon in der Vergangen-heit mit Entwicklungsallianzen reagiert, insbesondere bei der Fertigung von Motoren im Kleinwagensektor.
Quelle: IHS Automotive, Deloitte-Analyse
Plattformstrategie
Synergien innerhalb nureiner Fahrzeugklasse
Synergien teilweisefahrzeugklassenübergreifend
Synergien vollständigfahrzeugklassenübergreifend
Modulstrategie Baukastenstrategie
Karosserieform
C
B
A
A0
A00Fahr
zeug
klas
sen
Karosserieform Karosserieform
Abb. 12 – Plattform-, Modul- und Baukastenstrategien
16
Diese voranschreitende Steigerung der Zusammenarbeit und Modularisierung wirkt sich direkt auf die Zulieferer innerhalb der Wertschöpfungskette aus. Modularisie-rung im Baukastenprinzip bedeutet im weiteren Sinne eine fahrzeugklassen- sowie plattformübergreifende Gleichteilestrategie. Es muss in diesem Kontext hervor-gehoben werden, dass die Gleichteile sich auf die Teile ohne kundenspezifischen Differenzierungscharakter kon-zentrieren. Ein passendes Beispiel der falschen Nutzung eines Baukastenprinzips stellt der Jaguar X-Type (Baujahr 2001–2009) dar, der sich verstärkt des Teilespektrums der Ford-Unterklasse bediente. Im Gegensatz hierzu kann die Volkswagen-Gruppe mit ihrer Plattformstrate-gie im positiven Sinne beispielhaft erwähnt werden. Die neuen Plattformen MQB (Modularer Querbaukasten) und MLB (Modularer Längsbaukasten) zeigen eine Über-schneidung der Plattformen bei gewissen Fahrzeugklas-sen aufgrund der Preisunterschiede. Zur Differenzierung der Marken innerhalb der Fahrzeugklassen kann sich Volkswagen durch die modulare Baukastenstrategie aus den jeweilig angrenzenden Plattform-Baukästen bedienen, ohne aufwendige individuelle Lösungen zu benötigen.
Neben zahlreichen weiteren direkten Vorteilen bei den Automobilherstellern führt diese Entwicklung zur weiteren Bündelung von Einkaufsaktivitäten und somit zur Erhöhung der Bestellmengen gleicher Bauteile. Aus der Anhebung der Stückzahlen erwarten Hersteller entsprechende Preisnachlässe bei ihren Zulieferern. Die Zulieferer sind gezwungen, sich den gestiegenen Wett-bewerbsbedingungen anzupassen. Ursprünglich führte dieser Prozess zur Kapazitätssteigerung bei ausgewähl-ten Zulieferern, gefördert durch die voranschreitende Globalisierung. Die Finanzkrise 2008 erforderte dann, mit Einbruch der Nachfrage, eine Konsolidierung, vor allem bei dem noch stark fragmentierten Tier-2- und 3-Zulieferern, die in den nächsten Jahren diese Konsoli-dierung werden fortführen müssen.
Zulieferer werden anhand einer Vielzahl von Kriterien bewertet und nominiert. Im Rahmen einer solchen Auswahl wird nach wie vor viel Wert auf das Preisni-veau als Kernkriterium gelegt, jedoch sind mittlerweile auch andere Faktoren auf der Prioritätenliste in ihrer Wichtigkeit nachgerückt. Trotz bester Preise können diese neuen Anforderungen daher zu K.O.-Kriterien werden. Außer Preis und Qualität sind zunehmend auch Standort, finanzielle Stabilität und Entwicklungskompe-tenz von Bedeutung.
SchlussfolgerungBedingt durch die prognostizierte Volumenentwicklung bei der Fahrzeugherstellung, die regionale Verschiebung der Produktions- und Absatzmengen, den steigenden Margendruck durch Mix-Verschiebungen der Segmente als auch durch immer weiter vorangetriebene Gleichtei-lestrategien werden Zulieferer der OEMs auch weiterhin einem enormen Preisdruck ausgesetzt sein. Die Erwar-tung der OEMs gegenüber ihren Zulieferern wird auch in Zukunft die der Kooperation sein, welches ggf. eine Produktionsverlagerung gemeinsam mit dem jeweiligen OEM bedeutet. Während die meisten Tier-1-Zulieferer diesen Pfad bereits mehrfach beschritten haben, werden zukünftig möglicherweise auch weitere Tiers mit einbe-zogen werden.
Umbruch in der Automobilzulieferindustrie: Standortoptimierung und Sourcing 17
Erwartungen der OEMs und Tier1 an ihre Lieferantenbasis
Tier-1- und Tier-2-Lieferanten werden maßgeblich von den OEM-Strategien beeinflusst. Dabei haben verschie-dene Maßnahmen einen immensen Einfluss auf die Aus-richtung der Produk tions standortstrategie.
LieferantenreduzierungIn den letzten Jahren hat der strategische Einkauf der OEMs primär eine Reduzierung der Zulieferbasis verfolgt bzw. sich auf den Einkauf von einbaufertigen Funkti-onsgruppen konzentriert. Dadurch konnten die Anzahl der Zulieferteile verringert und die Anzahl der Direktlie-feranten (Tier-1-Lieferanten) deutlich reduziert werden. Dieser Wandel hatte zur Folge, dass nun diese System-/Modullieferanten für die Entwicklung, Koordination und Disposi tion der Produktion bzw. der Vormontage sowie die Qualitätssicherung in der Wertschöpfung mitverant-wortlich gemacht wurden. Durch die Verlagerung der Wertschöpfung von den OEMs zu den Tier-1-Lieferanten werden Produktionskostenreduzierungen bei den Sys-temlieferanten erreicht, da diese mehrere OEMs mit den gleichen oder bauähnlichen Systemen beliefern können und aufgrund von Skaleneffekten über Produktions-kostenvorteile gegenüber den Abnehmern verfügen. Durch die Spezialisierung auf ein Modul bzw. System verfügen sie über ein besseres Produkt-Know-how und sind daher in der Lage, Produktivitätssteigerungen direkt umzusetzen. Allerdings steigt dadurch das Risiko für die Tier-1-Lieferanten bei der Übernahme der Entwicklungs-, Gewährleistungs- und Investitionsrisiken, weshalb diese eine gewisse Kapitalstärke und einen globalen Footprint benötigen. Diese Reduzierung der Tier-1-Lieferanten schürt natürlich die Übernahmekämpfe zwischen diesen. Dabei werden nicht allein um des Umsatzes willen Unternehmen hinzugekauft, sondern auch, um durch die Zukäufe Kernkompetenzen zu stärken oder so zu erweitern, dass sich daraus für die OEMs ein Mehrnut-zen generieren lässt. Ford Europa bedient sich dieses Trends, um bereits während der Planungsphase die Anzahl der benötigten Zulieferer von 1.500 auf ca. 800 zu reduzieren.
Dual Sourcing/Multi SourcingBeim Dual/Multi Sourcing wird ein Beschaffungsobjekt von zwei oder mehreren Lieferanten bezogen, die mit-einander im Wettbewerb stehen. Dabei erhalten die Lieferanten mit den günstigeren Konditionen oftmals eine höhere Belieferungsrate, wodurch die Versor-gungssicherheit des Unternehmens sichergestellt sowie der Wettbewerb zwischen den Lieferanten gefördert werden.
Lokalisierung/Local Sourcing beim Dual/Multi SourcingDurch steigende Logistikkosten, Kundenanforderungen und lokale Regularien wird an einigen Standorten, z.B. in Brasilien, Russland, Indien und Malaysia, das Local Sourcing wieder ein wichtiger Bestandteil in der Beschaf-fungsstrategie von OEMs. Dadurch verlagern Tier-1- und -2-Lieferanten Fertigungsstandorte in die Lieferanten-parks von OEMs bzw. in unmittelbare Nähe dieser. Aller-dings werden dabei die Tier-1- und -2-Lieferanten mit einer sehr begrenzten Lieferantenbasis, eingeschränkten Möglichkeiten der Preisverhandlung durch geringen Wettbewerb und geringer technischer Expertise der Belegschaft konfrontiert. Die Belegschaft weist oftmals keine ausreichende Erfahrung in der Automobilindustrie und den damit verbundenen Prozessen auf. Dadurch ist für die Tier-1- und -2-Lieferanten eine lokale Lieferan-tenentwicklung unvermeidbar. Sie sichert dem Supplier u.a. eine flexible Lieferantenbeziehung und durch die lokale Nähe kann die Beschaffungslogistik produktions-synchron gestaltet werden. Des Weiteren ist ein lokaler Produktionsstandort bei diversen Auftragsvergaben an eine lokale Fertigung geknüpft.
Globale Ausschreibungen/Global Sourcing trotz steigender LogistikkostenBeim Global Sourcing werden in erster Linie die Kos-tenvorteile von Ländern mit günstigen Arbeitslöhnen genutzt. Allerdings bietet diese Vorgehensweise keine kurzen Reaktionszeiten, um die Produktion an kurzfris-tige Engpässe oder Überkapazitäten anzupassen.
OEM und Tier1 erwarten bei ihren ALieferanten eine globale Standortstrategie bei gleichbleibender Qualität.
18
Aussagen der Tier-1-Lieferanten zum Global SourcingBei einer Datenerhebung aus einer Umfrage bei Tier-1- und -2-Lieferanten verfolgte mit ca. 62% die Mehrheit der Befragten eine Konsolidierung der Lieferantenbasis; jedoch zeigt sich diese Konsolidierung auf einem ver-hältnismäßig niedrigen Niveau. Nur 38% der befragten Unternehmen verzeichneten in den vergangenen Jahren eine Erhöhung der Lieferantenbasis.
Die Erhöhungen der Lieferantenbasis in der Vergangen-heit (2005–2012) wurden mit folgenden Entwicklungen begründet:
• Neue Produkte• Wachstum in neuen Regionen• Fehlende lokale Lieferanten• Lieferantenaufbau an Fertigungsstandorten• Aufbau der Lieferantenbasis in den Schwellenländern• Wachstum in Asien und USA
Die meisten dieser Gründe lassen sich unter einer lokalen Lieferantenstruktur mit entsprechend erforder-lichem Qualitätsniveau zusammenfassen. Diese Anfor-derung der OEMs an Tier-1-Lieferanten sowie auch der Tier-1-Lieferanten an Tier-2- und -3-Zulieferer ist ein Kernthema innerhalb der Automobilindustrie.
Die Mehrheit (ca. 85,7%) der befragten Tier-1-Lieferan-ten erwartet eine weitere generelle Konsolidierung der Tier-2- und -3-Lieferanten (s. Abb. 14). Diese Entwick-lung wird auch im Zusammenhang mit der verstärkten Gleichteilestrategie der OEMs in Verbindung gebracht, die OEM-spezifische Lieferanten benachteiligt. Der Großteil der Befragten (ca. 52,4%) prognostiziert jedoch eine eher beschränkte Konsolidierung basierend auf dieser Strategie.
In diesem Zusammenhang sind auch die Umfrage-Ergebnisse zur Verfolgung einer Dual-Sourcing-Strategie zu sehen, da 71,4% der Befragten für die größten Auf-wandskategorien eine Dual-Sourcing-Strategie ansetzen sowie weitere 19% für alle Aufwandskategorien. Dieses Ergebnis erklärt zum Teil die beschränkte Konsolidie-rungserwartung (s. Abb. 15).
Quelle: Deloitte-Analyse
Verringerung bis 10%
Verringerung bis 20%
Verringerung bis 30%
Erhöhung
28,6%
38,1%
14,3%
19,0%
Abb. 13 – Tier-1-Lieferantenbefragung zur historischen Konsolidierung der Lieferantenbasis 2005–2012
Quelle: Deloitte-Analyse
Ja, erhebliche
Ja, aber beschränkte
Nein
33,3%
14,3%
52,4%
Abb. 14 – Tier-1-Lieferantenbefragung zur Konsolidierung der Lieferantenbasis bis 2016
Umbruch in der Automobilzulieferindustrie: Standortoptimierung und Sourcing 19
Zusätzlich geben 52,4% der Befragten an, dass sie für große Projekte bzw. Programme eine Global-Sourcing- Strategie verfolgen, in der global für benötigte Mate-rialien und Dienstleistungen angefragt wird. Weitere 38% der Befragten verfolgen diese Strategie für alle Projekte bzw. Programme. Hinzu kann man auch 4,8% der Befragten zählen, welche diese Strategie in naher Zukunft umsetzen wollen (s. Abb. 16).
Die Mehrheit der Befragten gibt an, dass die Maßnah-men zur Verbesserung der Einkaufspreise ihrer Zulieferer hauptsächlich aus Low-Cost-Country-Standortverla-gerungen (27,6% der Befragten) sowie einer Steige-rung der Produktionseffizienz (25,9% der Befragten) stammen. Die Zuliefererthematik „Rohstoffkosten“ spielt in diesem Zusammenhang auch eine große Rolle im Hinblick auf die Absorbierung der Rohkostenanstiege bzw. das Hedging zur Absicherung gegen Rohstoffpreis-anstiege. Insgesamt deuten die Daten auf einen Fokus der Maßnahmen im Bereich der stärker kontrollierbaren Fertigungskosten hin (s. Abb. 17).
Quelle: Deloitte-Analyse
Nein, nicht geplant
Nein, geplant
Ja, für die größten Aufwandskategorien
Ja, für fast alle Aufwandskategorien
19,0%
71,4%
4,8%4,8%
Abb. 15 – Tier-1-Lieferanten zum Thema der Verfolgung einer Dual-Sourcing-Strategie
Quelle: Deloitte-Analyse
Nein, nicht geplant
Nein, zukünftig geplant
Ja, für die größten Programme/Aufwandskategorien
Ja, für alle Programme/Aufwandskategorien
38,0%
52,4%
4,8%4,8%
Abb. 16 – Tier-1-Lieferanten befragt zu ihrer Verfolgung einer globalen Sourcing-Strategie
Quelle: Deloitte-Analyse
Produktionseffizienzen
Verhandlungen des Einkaufs
Standardisierung & Value Engineering
LCC-Standortverschiebungen
Rohstoffkostenanstiege teilweise absorbiert
Hedging
8,6%
12,1%
12,1%
27,6%13,7%
25,9%
Abb. 17 – Maßnahmen der Zulieferer von Tier-1-Lieferanten zur Verbesserung der Einkaufspreise
20
Laut der Umfrage der Tier-1-Zulieferer deutet eine Mehrheit der Befragten mit ca. 52,4% an, dass zur Bewahrung des „Preferred Supplier“-Status ihre direkten Zulieferer aufgefordert sind, einen Standort in unmittel-barer Nähe der lokalen Fertigung aufzubauen oder sich alternativ in nahegelegenen Zuliefererparks lokal anzu-siedeln. Die übrigen 47,6% sehen keine Notwendigkeit in der lokalen Standorterschließung ihrer Zulieferer zur Bewahrung des „Preferred Supplier“-Status (s. Abb. 18).
Die Erwartungen der Tier-1-Zulieferer an ihre Lieferanten für lokale Standorte deckt sich in gewisser Weise mit einem der Hauptgründe der bisherigen Standortent-scheidung der Tier-1-Lieferanten, der „Erwartung dem Kunden zu folgen“. Die Themen Preisdruck und Margen-verbesserung sowie Zugang zu Rohstoffen und Logistik mit Just In Sequence (JIS) sind unmittelbar mit Maßnah-men zur Kostensenkung in Verbindung zu setzen (s. Abb. 19).
Im Durchschnitt bewerteten die befragten Tier-1- Ein-kaufsmanager die Betriebskosten als wichtigstes Standort-kriterium, gefolgt vom Zugang zu Kunden. Infrastruktur und Verfügbarkeit von erfahrenem/qualifiziertem Personal sind maßgebliche Faktoren bei der Standortentscheidung. Indirekte Vorteile aus steuerlichen Gründen und Subventi-onen sowie weitere länderspezifische Risiken spielen laut Umfrage eine eher untergeordnete Rolle bei der Standort-frage (s. Abb. 20).
Bei der Standortfrage bewerteten die befragten Ein-kaufsmanager der Tier-1-Lieferanten die vorgegebenen Standorte nach der Attraktivität bis 2015 und gaben hierbei China als klaren Favoriten an. In Asien wurden Thailand und Russland stark bewertet sowie in Europa Rumänien. Diese Ergebnisse decken sich auch weitestge-hend mit den Entwicklungen bei den Greenfield Invest-ments (Neuaufbau eines Standortes), welche als eine der Optionen bei Produktionsverlagerungen nachfolgend in Kapitel 4 erläutert werden (s. Abb. 21).
Quelle: Deloitte-Analyse
Ja, alle Lieferanten
Ja, nur direkte Lieferanten
Nein
4,8%
47,6%
47,6%
Abb. 18 – Ergebnis zur Umfrage der Tier-1-Lieferanten nach Anforderungen ihrer Zulieferer an lokalen Standorten für den „Preferred Supplier”-Status
Quelle: Deloitte-Analyse
Preisdruck der OEMs/höheren Tiers
Erwartung, dem Kunden zu folgen
Margenverbesserung
Zugang zu Rohstoffen
Andere
18,6%
2,3%4,7%
37,2%
37,2%
Abb. 19 – Ergebnis der Umfrage der Tier-1-Lieferanten nach Hauptgründen für bisherige Standortentscheidungen
Umbruch in der Automobilzulieferindustrie: Standortoptimierung und Sourcing 21
(Skala von 1 bis 7 mit 1 als wichtigstes Kriterium und 7 als unwichtigstes Kriterium)Quelle: Deloitte-Analyse
Durchschnittsranking
0 1 2 3 4 5 6 7
Länderspezifische Risiken
Subventionen
Steuerliche Vorteile
Bestehende Lieferantenbasis
Verfügbarkeit von erfahrenem Personal
Infrastruktur
Zugang zu Kunden
Betriebskosten
2,2
3,5
3,6
4,7
6,4
4,3
5,4
1,7
Abb. 20 – Durchschnittsranking der wichtigsten Standortkriterien
(Punkterechnung = 10 Punkte für Rang 1 je Befragtem, 5 Punkte für Rang 2 je Befragtem und 2 Punkte für Rang 3 je Befragtem)Quelle: Deloitte-Analyse
0 20 6040
Punkte
80 100
0 20 40 60 80 100
Moldavien
Philippinen
Serbien
Türkei
Indonesien
Marokko
Andere
Vietnam
Mexiko
Rumänien
Indien
Russland
Thailand
China 84
53
24
12
10
60
50
15
10
6
5
31
4
5
Abb. 21 – Standortranking bis 2015 der Tier-1-Zulieferer
22
Mit Blick in die Zukunft ab 2015 sahen die befragten Tier-1-Manager Russland als attraktivsten Standort, gefolgt von Südafrika und Indien. China wird ebenfalls weiterhin als ein attraktiver Standort gesehen. In Europa erwartet ein großer Teil der Tier-1-Manager eine positive Entwicklung bei der Ukraine sowie in Asien bei Indone-sien. Insgesamt sind die BRIC-Staaten mit der Ausnahme von Brasilien mittelfristig sowie langfristig die attraktivs-ten Standorte aus Sicht der befragten Tier-1-Lieferanten (s. Abb. 22).
(Punkterechnung = 10 Punkte für Rang 1 je Befragtem, 5 Punkte für Rang 2 je Befragtem und 2 Punkte für Rang 3 je Befragtem)Quelle: Deloitte-Analyse
0 20 6040
Punkte
80 100
0 10 20 30 40 50
Marokko
Ägypten
Serbien
Vietnam
Andere
Philippinen
Mazedonien
Rumänien
Indonesien
Ukraine
Mexiko
China
Indien
Südafrika
Russland 45
30
20
19
15
5
40
22
20
18
14
12
20
10
14
Abb. 22 – Standortranking ab 2015 der Tier-1-Zulieferer
Umbruch in der Automobilzulieferindustrie: Standortoptimierung und Sourcing 23
Kernpunkte der Standortentscheidungin der Zulieferindustrie
Motive für die ProduktionsverlagerungEs gibt eine Vielzahl von Motiven für eine Produkti-onsverlagerung (auch als „Offshoring“ bezeichnet), die meist von immer schärferem Wettbewerb und den daher voranzutreibenden Kosteneinsparungen geprägt ist. Diese Einsparungen beziehen sich auf alle ökono-mischen Aspekte eines Betriebes wie z.B. auf Arbeits-kosten, infrastrukturelle Fragen (u.a. Transport- und Beschaffungskosten), Energiekosten etc. Jedoch ist zu beachten, dass die Motive aktuell und in Zukunft immer stärker mit neuen Chancen einhergehen, wie z.B. der direkten Nähe zum Kunden in aufstrebenden Märkten, um vom dortigen Wachstum zu profitieren.
LohnkostenDer Faktor Lohnkosten wird auch branchenübergreifend oft als ausschlaggebendes Argument zur Produktions-verlagerung angegeben. In der Vergangenheit hat eine große Welle an Verlagerungen aufgrund des Lohnkos-tenfaktors stattgefunden. Die Datenerhebungen von 43
Ländern zu Arbeitskosten je Arbeitnehmerstunde vom Institut der Deutschen Wirtschaftsforschung (IW) in Köln zeigt die teilweise gravierenden Unterschiede zwischen den internationalen Arbeitskosten (s. Abb. 23).
Quelle: IW Köln (IW-Trends 2012)
0 20 6040
Arbeitskosten je geleistete Stunde in EUR
80 100
0 10 20 30 40 50 60
Philippinen
Bulgarien
China
Türkei
Russland
Polen
Ungarn
Brasilien
Tschech. Rep.
Südkorea
Spanien
GB
USA
Italien
Japan
Frankreich
Deutschland
Belgien
Schweiz
Norwegen 57,85
36,98
27,48
25,14
17,11
3,97
5,17
5,87
2,86
1,82
41,91
46,55
36,77
25,87
22,41
10,15
7,65
29,56
6,65
8,73
Abb. 23 – Arbeitskosten ausgewählter Länder im verarbeitenden Gewerbe im Jahr 2012
Maßgebliche Kriterien zur Standortentscheidung wie z.B. die Kundennähe, das Lohnkostenniveau, aber auch die Energiekosten sind anhand weiterer Kernpunkte wie Qualifikation und Produktivität im Gesamtüberblick zu betrachten.
24
In 2012 sind demnach die Norweger mit 57,85 EUR/h Spitzenreiter bei den Arbeitskosten, während die Philippinen mit 1,82 EUR/h die niedrigsten Arbeits-kosten aufweisen. Zum Vergleich: Deutschland gehört mit 36,98 EUR/h zum oberen Spitzenfeld, die USA mit 25,87 EUR/h bewegt sich im Mittelfeld und China mit 3,97 EUR/h schließt sich dem Bereich der niedrigsten Arbeitskosten an.
Für die Aussagekraft dieser Daten müssen auch Wechselkurseffekte und Personalzusatzkosten (z.B. Bonuszahlungen) berücksichtigt werden. Des Weiteren kann dieser kostenbasierte Standortvergleich ohne weitere Zusammenhänge zu falschen Schlussfolge-rungen führen. Länder am Ende des Rankings wie die Philippinnen, Moldawien, Georgien und die Ukraine müssten theoretisch mit den niedrigsten Arbeitskosten je Arbeitnehmerstunde hinsichtlich der Produktionsver-lagerung somit eine Spitzenposition einnehmen. In der Praxis stehen diesen aber noch andere entscheidende Einflussfaktoren gegenüber wie z.B. die Verfügbarkeit
qualifizierten Personals, die Infrastruktur oder die recht-lichen und politischen Rahmenbedingungen des jeweili-gen Landes, sodass Entscheidungen nicht zwangsläufig zugunsten dieser Länder führen.
Ferner gibt es weitere Kriterien, welche in diesem Zusammenhang ebenfalls hinzugezogen werden müssen. Im Hinblick auf weitere Lohnkosten-Kriterien muss die Produktivität analysiert werden, welche im direkten Verhältnis zu den jeweiligen Lohnkosten zu sehen ist. Hierzu werden allgemein Lohnstückkosten in Betracht gezogen. Auf Ebene der Volkswirtschaften verschiedener Standorte werden die Arbeitskosten pro Kopf (verarbeitendes Gewerbe) zur Brutto wertschöpfung pro Erwerbstätigem (verarbeitendes Gewerbe) ins Ver-hältnis gesetzt. Diese Kennzahlen sind durch nicht völlig einheitliche Strukturen (Erwerbstätige beinhalten etwa auch Selbstständige und Schwarzarbeit ist per Definition statistisch nicht erfasst) leicht verzerrt, werden jedoch zur näherungsweisen Bewertung herangezogen.
Quelle: IW Köln (IW-Trends 2013)
0 20 6040
Lohnstückkosten: Verhältnis von Arbeitskosten je Beschäftigtenstunde in Euro zur Produktivität; Produktivität: Bruttowertschöpfung je geleistete Stunde
80 100
0% 20% 40% 60% 80% 100% 120%
LettlandLitauen
PolenUngarn
Slowakische Rep.Griechenland
USASpanienPortugal
Tschechische Rep.Estland
SchwedenJapan
KanadaNiederlande
ÖsterreichDurchschnittDeutschland
SlowenienNorwegen
FinnlandDänemark
BelgienFrankreich
ItalienUK 120%
108%
92%92%
90%90%
73%74%74%75%
66%53%
111%
118%115%
100%
114%
107%
91%
90%91%
88%
85%
102%
81%
86%
Abb. 24 – Lohnstückkosten im verarbeitenden Gewerbe ausgewählter Länder im Jahr 2012 (Index: Deutschland)
Umbruch in der Automobilzulieferindustrie: Standortoptimierung und Sourcing 25
So verdeutlicht Abbildung 24, dass Deutschland im Jahr 2012 mit seinem Lohnstückkostenniveau 8% über dem Durchschnitt gegenüber den Konkurrenzländern lag und insgesamt unter allen betrachteten Ländern den neunt-schlechtesten Platz belegt. Lediglich EU-Länder wie UK, Frankreich, Belgien, Dänemark und Italien schnitten noch schlechter ab, wobei UK die mit Abstand höchsten Lohnstückkosten verzeichnete. Überraschenderweise haben die USA (mit 19% weniger) und Japan (mit 10% weniger) im direkten Vergleich mit Deutschland deutlich niedrigere Lohnstückkosten.
Sollten sich zukünftig die Lohnforderungen der Gewerk-schaften höher gestalten als der eigentliche Produktions-zuwachs, so würde dies zwangsläufig zu höheren Lohn-stückkosten führen und somit die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland negativ beeinflussen.
EnergiekostenEnergie ist ein wesentlicher Bestandteil für die Standort-bestimmung und nach dem Personal der zweitgrößte Kostenfaktor in der Automobilindustrie. Viele Autokom-ponenten benötigen u.a. Teile aus der Gussfertigung, der Umformtechnik, dem Kunststoff-Spritzguss, der Beschichtungstechnik sowie der Zerspanungstechnik. Trotz weitreichender Fortschritte gehören diese Prozesse insbesondere im Eisen- und Nichteisenmetallerzeugnis zu den energieintensivsten Fertigungsprozessen. Laut Datenerhebung des Statistischen Bundesamts ergeben sich im Durchschnitt ca. 6–7% der Energiekosten vom Bruttoproduktionswert dieses Industriezweigs. Aktuell werden energieintensive Industrien (ab 10 GW) in Deutschland zwar preislich entlastet, jedoch reichen diese Entlastungen im Schnitt nicht aus, um das Energie-kostenniveau vieler anderer Länder zu erreichen, wie in Abbildung 25 illustriert.
Notiz: Die Statistik zeigt die Höhe der Strompreise für Industriekunden in ausgewählten europäischen Ländern nach Verbrauchsmenge im Jahr 2012. Im Jahr 2012 bezahlten italienische Industriekunden mit einem jährlichen Stromverbrauch zwischen 20.000 bis 70.000 Megawattstunden rund 12,4 Cent pro kWh Strom.Quelle: Statista, Eurostat
€-Cent pro Kilowattstunde
500 MW–2.000 MW 20.000 MW–70.000 MW
0 5 10 15 20
Bulgarien
Finnland
Schweden
Rumänien
Frankreich
Polen
Slowenien
Belgien
Spanien
Portugal
Tschechische Republik
Vereinigtes Königreich
Deutschland
Slowakei
Ungarn
Italien12,39
9,44
9,36
5,84
6,27
6,75
7,25
5,64
11,09
10,93
10,00
10,40
8,76
7,75
7,74
8,03
17,90
10,39
11,44
7,55
8,09
8,33
9,66
6,94
10,60
13,16
11,47
12,77
12,11
9,48
9,17
10,76
Abb. 25 – Strompreise für Industriekunden in ausgewählten europäischen Ländern nach Verbrauchsmenge im Jahr 2012
26
So gehörten im Jahr 2012 die Energiekosten in Deutsch-land mit zu den höchsten Europas. Berücksichtigt man zudem die Daten der International Energy Agency (IEA) und des Bundesverband der Energie- und Wasserwirt-schaft e.V., Berlin (BDEW), bildeten die Industriestrom-kosten 2012 in Deutschland sogar die dritthöchsten auf globaler Ebene.
Dieser wirtschaftliche Nachteil hängt im Wesentlichen von mehreren Faktoren ab: Zum einen fließen die im Vergleich zu anderen Ländern hohen staatlichen Belas-tungen in die Stromkosten mit ein und zum anderen sind es allgemeine Kosten für die Stromerzeugung (u.a. durch gesetzliche Auflagen).
Die staatlichen Belastungen, die sich aus der Strom-steuer, der Konzessionsabgabe, der EEG-Umlage, der KWK-Umlage und den Netznutzungsentgeltgebühren zusammensetzen, haben sich insbesondere im Zuge des von der deutschen Bundesregierung beschlossenen Atomausstieges im Jahre 2011 signifikant erhöht. Eine wesentliche Belastung stellt dabei die EEG-Umlage dar, die etwa vor der Energiewende in 2010 noch bei 2,047 ct/kWh lag und sich nach der Energiewende im Jahr 2012 bei 3,592 ct/kWh befand. Somit machte die EEG-Umlage 2012 nahezu ein Drittel der gesamten Strom-kosten für energieintensive Industrieunternehmen aus. Aktuell wurde die EEG-Umlage 2013 um fast 50% auf 5,28 ct/kWh erhöht – Tendenz steigend. Um im Kontext des globalen Wettbewerbs die Industrieunternehmen von steigenden EEG-Umlagen zu entlasten, wurden bestimmte Kriterien für die Befreiung erlassen, sodass mögliche Zusatzkosten hieraus kaum anfallen. Jedoch mahnte VDA-Präsident Matthias Wissmann vor Kurzem, dass „die meisten Unternehmen aus der Autoindustrie nicht von der EEG-Umlage befreit sind und somit den vollen Satz entrichten müssen“.
Allgemeine Energiekosten wie die Beschaffung der benötigten Brennstoffe (z.B. Gas, Öl, Kohle) für die Stromerzeugung werden auch aufgrund gesetzlicher CO2-Auflagen der EU zusätzlich erhöht.
Deshalb überrascht es wenig, dass Länder wie bspw. die USA oder die BRIC-Staaten mit ihren teils hohen staatli-chen Subventionen, weniger strengen Auflagen, ausrei-chend vorhandenen Rohstoffen und der großen Zahl an betriebenen Atomkraftwerken das Strompreis niveau in Deutschland und Europa insgesamt deutlich unterbieten. Bedingt durch die neue Sonderrolle im Atomausstieg
kommt auf Deutschland noch die Erschwernis hinzu, die Versorgungssicherheit und die Stromqualität auf dem bisherigen Niveau aufrechterhalten zu müssen, um die reibungslose Industrieproduktion zu gewährleisten.
Neben dem Strompreis sind viele Industriebetriebe aber auch von der Gaspreisentwicklung abhängig, insbe-sondere in der Produktion der Automobilindustrie. So verteuerten sich 2012 nach Daten von Eurostat/VIK die Industriegaspreise europaweit zum Vorjahr um 0,27 ct/kWh, d.h. mit einer europaweiten Preisstei-gerungsrate von durchschnittlich 9,8%. Die deutsche Industrie, die ebenfalls von der Gaspreissteigerung betroffen ist, nahm dabei den siebtteuersten Platz mit 3,43 ct/kWh im europaweiten Vergleich ein. Den höchsten Industriegaspreis hielt Schweden mit 4,67 ct/kWh, Großbritannien mit 2,46 ct/kWh den niedrigsten.
Es wird zukünftig von einem weiter steigenden Indus-triegaspreis ausgegangen, der am Industriestandort Deutschland eine gravierende Herausforderung neben der Strompreisentwicklung darstellt. Dies gilt insbeson-dere auch im Hinblick auf den internationalen Stand-ortwettbewerb, da z.B. die USA durch eine innovative Fördermethode Gas im eigenen Land günstiger beziehen können, sodass dort ein Preisverfall zu beobachten und weiter zu erwarten ist.
MarktchancenNach Lohn-/Energiekosten werden Produktionsverlage-rungen häufig auch mit der Chance der strategischen Erweiterung der Zielmärkte gesehen. Hauptsächlich werden hierbei die Länder mit einem großen Bevöl-kerungsanteil betrachtet wie etwa die BRIC-Staaten, Mexiko, die Türkei, Thailand und Polen.
Logistik/LieferzeitAufgrund der Produktionsverlagerung sowohl von OEMs als auch der großen Tier-1-Lieferanten nach Osteuropa und Asien ergeben sich im direkten Vergleich bei vielen kleineren Tier-1- und den meisten Tier-2- und -3-Lieferan-ten ohne entsprechende Standortverlagerung eine relativ längere Lieferzeit sowie höhere Logistikkosten. Gerade bei A- und B-Komponenten mit hohem Gewicht bzw. großen Dimensionen erscheinen diese Nachteile offen-sichtlich. In diesem Zusammenhang muss man aber auch die externe Lohnbearbeitung berücksichtigen. Hierzu zählen etwa die Lackierung, Beschichtung, Zerspanung und das Härten von schweren Guss- bzw. Schmiedeteilen durch externe Dienstleister mit entfernteren Standorten.
Umbruch in der Automobilzulieferindustrie: Standortoptimierung und Sourcing 27
WechselkurseDer Wechselkurs einer Währung ist beeinflusst durch die Produktivität und das relative Preisniveau eines Währungsraums und spiegelt somit u.a. die Wettbe-werbsfähigkeit einer Nation wider. So wertet norma-lerweise bei einem produktiven und nicht inflationären Land die inländische Währung auf, ausgelöst durch eine verstärkte Nachfrage ausländischer Investoren. Dieser Mechanismus bewirkt u.a., dass eine höhere Kaufkraft im Ausland entsteht. Umgekehrt wertet die inländische Währung bei einem unproduktiven/inflationären Land ab, um hierdurch das Defizit der geringen Wettbe-werbsfähigkeit auszugleichen und somit die verstärkte Nachfrage ausländischer Investoren anzuregen. Dies bewirkt etwa, dass ein Standort über den Wechselkurs attraktiver wird und somit zu einer verbesserten Wettbe-werbsfähigkeit verhelfen kann.
In Bezug etwa auf ein europäisches Zulieferunterneh-men bedeutet dies, dass seitens eines europäischen Exporteurs ein Interesse an einem niedrigen EUR/USD-Wechselkurs besteht, um somit für einen US-Importeur (d.h. zum Beispiel ein OEM-Bezieher eines bestimmten Produkts) vergleichsweise preisgünstige Produkte und Dienstleistungen anbieten zu können. Mit anderen Worten begünstigt der starke US-Dollar den euro-päischen Export gegenüber einem schwachen Euro, während ein starker Euro gegenüber einem schwachen US-Dollar den europäischen Export schwächt. Gleiches gilt auch für Exporte nach China, da der chinesische Yuan an den US-Dollar gekoppelt ist.
Diese Interdependenzen spielen eine entscheidende Rolle, zumal für Exporteure angesichts ungünstiger Wechselkurse grundsätzlich die Gefahr besteht, Wett-bewerbsvorteile durch sinkende Marktanteile oder Gewinnmargen zu verlieren.
Profitabler gestaltet sich die Situation, wenn eine Produktionsverlagerung bspw. eines deutschen Zulie-ferunternehmens in ein Land mit einer relativ niedrig bewerteten Währung erfolgt (Aktuelle Beispiele: USA, China, Japan). Hierbei können die deutschen Zulieferun-ternehmen vom niedrigen Wechselkurs und somit von der stärkeren Inlandsnachfrage profitieren.
Gesetzliche, steuerliche bzw. staatliche VorteileIn den zwei vergangenen Jahrzehnten haben öffentliche Förderungsmaßnahmen für die Wirtschaft in den strate-gischen Standortplanungsüberlegungen von Unterneh-men einen immer höheren Stellenwert eingenommen. Durch das Globalisierungsphänomen, welches seit den 1990ern kontinuierlich bis heute fortgeschritten ist, wird zunehmend wegen des steigenden internationalen Wettbewerbsdrucks ein Kostenvorteil darin gesehen, steuerliche Vorteile in Verbindung mit besseren gesetzli-chen Rahmenbedingungen und staatlichen Förderungen weltweit wahrzunehmen.
Laut Daten der Weltbank (s. Abb. 26) gehörten Deutsch-land und die USA im Jahr 2013 mit einer Gesamtbe-steuerung von 49,4% und 46,3% weltweit zum oberen Drittel. Obwohl die BRIC-Staaten zum Teil eine deutlich
Abb. 26 – Gesamtbesteuerung selektierter Länder im Jahr 2013 auf einen Blick
2013
LandGesamt-
besteuerungUnternehmens-
besteuerungLohn-
besteuerungSonstige
Besteuerungen Weltranking
Brasilien 68,3% 24,9% 39,6% 3,8% 159
Russland 50,7% 8,0% 36,7% 6,1% 56
Indien 62,8% 24,4% 20,7% 17,8% 158
China 63,7% 6,2% 49,6% 7,9% 120
Südafrika 30,1% 21,9% 4,1% 4,2% 24
UK 34,0% 21,6% 10,6% 1,7% 14
Deutschland 49,4% 23,0% 21,8% 4,6% 89
USA 46,3% 27,9% 9,9% 8,4% 64
Mexiko 53,7% 24,1% 28,2% 1,4% 118
Japan 49,7% 27,2% 17,9% 4,5% 140
Quelle: World Bank GroupWeitere Quellen: http://www.bem-ev.de/forderungen-im-europaischen-vergleich/
28
höhere Gesamtquote auswiesen, verzeichnen Russland und China die geringsten Unternehmensgewinnbesteu-erungen.
Einflüsse auf die allgemeine Besteuerung sind in Form staatlicher Förderprogramme und sonstiger Subventio-nen/Vergünstigungen zu berücksichtigen. Nur so können zusätzliche Anreize geschaffen werden, um eine solide Wettbewerbsform aufrechtzuerhalten bzw. ein Land wettbewerbsfähig zu gestalten.
Die Elektromobilität ist einer der staatlich geförderten Trends, dem sowohl in Forschung und Entwicklung als auch in der Nachfragestimulierung der Automobilindu-strie Chinas, Japans und der USA eine große Bedeutung zukommt. So erhält nach Angaben des Bundesverban-des eMobilität e.V. zum Bespiel ein Käufer eines Elekt-romobils in den USA eine direkte staatliche finanzielle Förderung in Höhe von ca. 4.500 EUR, in China von ca. 7.000 EUR sowie in Japan von ca. 10.000 EUR. Deutsch-land hingegen hat bisher kaum monetäre Anreize zum Kauf eines Elektromobils geschaffen, sondern lediglich den Förderungsfokus auf die entsprechende Forschung und Entwicklung gesetzt. Nachteilig kommt für Deutsch-land noch hinzu, dass mit der Dienst- und Firmenwagen-besteuerung kein wesentlicher Anreiz zur Anschaffung eines Elektrofahrzeugs existiert.
Ähnlich wie in China, Japan und den USA sieht es bei den europäischen Nachbarstaaten Deutschlands wie z.B. Frankreich, Großbritannien oder Dänemark aus, bei denen zusätzlich zur F&E-Förderung ein Nachfrageanreiz nach Elektromobilität entweder durch eine Prämienzah-lung oder durch einen Steuernachlass geschaffen wird.
Allgemein muss festgehalten werden, dass staatliche Förderprogramme mit Sonderwirtschaftszonen und sonstigen Vergünstigungen zwar einen zusätzlichen Anreiz bieten, jedoch letztendlich keinen ausschlagge-benden Faktor für eine Standortentscheidung darstellen, da sie oft an wirtschaftlich unvorteilhafte Konditionen gebunden sind.
Optionen bei der ProduktionsverlagerungNachdem bisher die Motive einer Produktionsverlage-rung betrachtet wurden, soll im Folgenden der Schwer-punkt auf deren strategischen Umsetzungsmöglichkeiten liegen. Hierunter ist in erster Linie zu verstehen, dass das Management eines Unternehmens Überlegungen anstellt, inwiefern eine Produktionsverlagerung durch die Errichtung einer komplett neuen Produktions stätte im Ausland geschehen soll, ob man sich einer vorhande-nen Infrastruktur bedient oder sich über eine klassische M&A-Transaktion in einen bestehenden Produktionspro-zess integriert.
Greenfield ApproachBei diesem Investitionsansatz sind zunächst keinerlei bauliche Anlagen vorhanden. Diese und ggf. benötigte Infrastruktur wie etwa Straßenanbindung, Parkplätze, Energiezuleitung etc. müssen zunächst errichtet bzw. erschlossen werden. Dadurch kann bei der Projekt-planung sehr flexibel auf die notwendigen Gebäu-deanforderungen eingegangen werden und es kann bereits in der Planungsphase eine mögliche Erweiterung berücksichtigt werden. Allerdings müssen je nach vor-handener Infrastruktur hohe Investitionen in selbige getätigt werden, wodurch Risiken insbesondere in der Investitionsplanung und der zeitlichen Projektpla-nung (z.B. durch Baugenehmigungen etc.) entstehen. Weitere Vorteile bei einem Greenfield Investment sind ein optimiertes Produktions-Layout sowie ein moderner Effizienzgrad von Gebäudestruktur und -technik. Ein prominentes Beispiel für Greenfield Investments ist das Daimler-Kecskemet-Werk in Ungarn mit über 1 Mrd. EUR Investitionswert.
Abbildung 27 stellt die geplanten „Greenfield Investi-tionen“ (GI) nach IHS-Automotive-Daten ab 2014 dar und zeigt deutlich, dass die OEMs sich weiterhin stark in BRIC-Staaten engagieren, gleichzeitig jedoch ihr Augen-merk ebenfalls auf Mexiko, Ungarn, Indonesien und Thailand richten.
Um einen Einblick in die Verteilung der einzelnen OEMs auf bestimmte GI-Länder zu erhalten, wurden in Abbil-dung 28 die fünf größten OEMs ausgewählt und nach einzelnen Länder in ves titionen aufgegliedert.
Die Weltkarte verdeutlicht Chinas Schlüsselposition als eines der Länder, in denen bisherige und zukünftige Standortinvestitionen getätigt werden. So sind 32 von insgesamt 62 im Bau befindlichen/geplanten Standor-
Umbruch in der Automobilzulieferindustrie: Standortoptimierung und Sourcing 29
ten in China. Mit anderen Worten, mehr als 50% der Produktionsverlagerung aller OEMs gehen nach China. Die größte Verlagerung stellt dabei der Volkswagenkon-zern mit insgesamt acht Produktionsstätten, gefolgt von dessen OEM-Hauptwettbewerbern Toyota und Daimler mit jeweils einer Produktionsstätte dar. Zweitgrößtes GI-Land ist Brasilien mit insgesamt sieben neuen Pro-duktionsstandorten, von denen rund 43% den Top-5-
OEMs (Toyota, Renault/Nissan) entstammen. Insgesamt stammen 24 aller 62 GI-Standorte von den Top-5-OEMs, womit diese einen Anteil von 39% der Gesamtinvest-ments ausmachen. Die Botschaft hieraus ist klar – die Verlagerung der Produktionsstätten in BRIC- und Next-11-Staaten wird stärker vorangetrieben, um an deren wirtschaftlichem Aufschwung teilzuhaben.
Quelle: IHS Automotive
Länder der OEM-Standorte
Standorte der OEMs
Abb. 27 – Greenfield Investments in der Automobilindustrie ab 2014
Abb. 28 – Greenfield Investments – Top-5-OEMs vs. total OEMs (indikativ)
Anzahl neuer Standorte
Von 2012 bis 2016 VW Toyota GM Renault/Nissan Daimler Top-5-OEMs Total OEMs
China 8 1 - - 1 10 32
Brasilien - 2 - 1 - 3 7
Thailand - 1 - 1 - 2 6
Indonesien - 2 - - - 2 5
Mexiko 1 - - 1 - 2 4
Ungarn 1 - 1 - 1 3 3
Russland 1 - - - - 1 2
Rumänien - - - - - - 1
Andere - - - 1 - 1 2
Total 11 6 1 4 2 24 62
Quelle: IHS Automotive; Deloitte-Analyse
30
Abb. 29 – Greenfield Investments der Zulieferer (indikativ)
ProjektUnternehmen (Mutter) Standort Land SOP Investition Produkt/Fertigung Mitarbeiter
Denso Mexiko Silao Denso Silao Mexiko Okt 2013 $57m Heizung, Ventilation, Klimaanlage (AVAC) 400
Denso Santa Barbara Denso Sao Paulo Brasilien n/a $50m Klimaanlagensysteme, Kühlmodule, Starter und Schei-benwischer
342
Denso Indonesia Fajar Plant Denso Fajar Indonesien Feb 2014 $110m ECU (Steuergeräte), VCT- Systeme(Var. Cam Timing), Starter, Lichtmaschinen
1.300
Denso India Jhaljar Plant Denso Jhaljar Indien n/a $52m Scheibenwischermotoren, Kühlmodule 450
Denso Korea Denso n/a Korea n/a n/a n/a n/a
Bosch Werk Cluj Robert Bosch GmbH Cluj Rumänien Nov 2013 €77m Steuergeräte (Automotive Electronics) 340
Bosch Werk Blaj Robert Bosch GmbH Blaj Rumänien Juli 2013 €50m Drehzahlfühler (Chassis Systems Control) n/a
Bosch Werk Qingdao Robert Bosch GmbH Qingdao China Aug 2013 €195m Diesel-Einspritzsysteme n/a
Bosch Werk Chengdu Robert Bosch GmbH Chengdu China Aug 2013 €100m ABS (Chassis Systems Control) n/a
Bosch Werk Changsha Robert Bosch GmbH Changsha China Okt 2012 €100m Starter, Generator, Thermo-Systeme, Wischer-Systeme 5.000
Bosch Werk Nanjing Robert Bosch GmbH Nanjing China Juli 2013 €220m Aftermarket-Bremsbeläge 2.000
Bosch Werk Pecinci Robert Bosch GmbH Pecinci/Belgrad Serbien Juli 2013 €70m Electrical Drives 620
Bosch Werk Samara (Avtovaz) Robert Bosch GmbH Samara Russland Mär 2015 €40m ABS, Starter und Generatoren 500
Conti Werk Changchun Continental AG Changchun China Mär 2013 €35m Sicherheitsysteme (ABS etc.) n/a
ContiTech Werk Subotica Continental AG Subotica Serbien Juli 2013 €10m Schlauchleitungen Antriebsstrang 250
Conti Werk Kaluga Continental AG Kaluga Russland Juli 2014 €20m Motorsteuerungen n/a
Schaeffler Werk Uljanowsk Schaeffler AG Uljanowsk Russland Mär 2014 €49m Radnabenlager für Kupplungen, Motorkomponenten 450
Magna China (Powertrain) Tianjin Magna Tianjin China Aug 2013 n/a Hinterachsen und powertake off VW 400
Magna Romania (Exterior/Interior) Magna Craiova Rumänien Okt 2012 n/a Vorder- und Rückstoßstangen 100
Delphi Werk Yantai Delphi Automotive Yantai China Mär 2013 $100m Diesel-Einspritzsysteme 500
Delphi Werk Lasi Delphi Automotive Lasi Rumänien Dez 2011 €155m Diesel-Einspritzsysteme n/a
JCI Werk Chongqing Johnson Controls, Inc.
Chongqing China Jan 2012 $118m Batterieproduktion n/a
JCI Werk Tianjin Johnson Controls, Inc.
Tianjin China Mär 2014 $200m Batterieproduktion n/a
JCI Werk Changsha Johnson Controls, Inc.
Changsha China Juni 2012 n/a Interior Systems 700
JCI Werk Kecskemét Johnson Controls, Inc.
Kecskemét Ungarn Mär 2012 n/a Sitzsysteme Mercedes 200
JCI Werk Kragujerac Johnson Controls, Inc.
Kragujerac Serbien Feb 2012 €26m Sitzsysteme Fiat 500L 380
ZF Getriebewerk Gray Court ZF Friedrichshafen GmbH
Gray Court, SC USA Juli 2013 €450m 8HP- und 9HP-Automatgetriebe 1.650
Freudenberg Chengdu Werk Freudenberg SE Chengdu China Mär 2013 €5m Filterproduktion 60
Carcoustics Novaky Werk Carcoustics AG Novaky Slowakei Okt 2013 €5m Hitzeschilde 200
Carcoustics Langfang Werk Carcoustics AG Langfang China Mär 2012 n/a Akustiksysteme, Versteifungselemente n/a
Eberspächer Werk Shanghai Eberspächer AG Shanghai China Juli 2013 n/a Systeme/Komponenten Abgasnachbehandlung 90
Dräxlmaier Werk Kavadarci Dräxlmaier Kavadarci Mazedonien Juli 2012 €35m Bordnetze 1.000
Craiova Werk (Ford Supplier Park) Kirchhoff Automo-tive GmbH
Craiova Rumänien Mai 2012 €12m Karosseriestrukturteile 200
IAC Werk Bals IAC Bals Rumänien Mai 2012 FastKast Innenraumoberflächen n/a
Aisin China Yuntu City Aisin Yuntu City China Dez 2013 CNY100m Bremskraftverstärker, Scheibenbremsen 350
Aisin AW China Tianjin Aisin Tianjin China Ende 2014 $100m Automatikgetriebe 750
Aisin Seiki Foshan China Aisin Foshan China Dez 2012 JPY3,4bn Steuergeräte (ABS), Sonnendächer, Sensoren 190
Aisin Wuxi Body Aisin Wuxi China Mär 2012 JPY300m Sonnendächer (Dachsysteme) 132
Aisin Itu/Sao Paulo Brasil Aisin Itu/Sao Paulo Brasilien Aug 2012 BRL65m Stanzteile für Sitzsysteme 30
Toyota Boshoku Shengyang China Toyota Boshoku Shengyang China Juli 2016 n/a n/a n/a
Toyota Boshoku Changchun China Toyota Boshoku Changchun China Mai 2012 n/a n/a n/a
Toyota Boshoku Guangzhou China Toyota Boshoku Guangzhou China Sep 2013 $4m n/a 230
Toyota Boshoku Pilsen Toyota Boshoku Pilsen Tschechien Juli 2013 €3m n/a n/a
Karawang Werk JTEKT JTEKT Karawang Indonesien Jan 2012 n/a n/a n/a
Gurgaon Werk JTEKT Gurggaon Bawal Indien Nov 2012 n/a Wälzlager n/a
Quelle: IHS Automotive, Deloitte-Analyse
Umbruch in der Automobilzulieferindustrie: Standortoptimierung und Sourcing 31
Brownfield ApproachEin „Brownfield Approach“ bezeichnet eine Investi-tion auf einem Grundstück mit oder ohne Gebäude, welches ehemals wirtschaftlich genutzt wurde und zur Neunutzung bereitsteht. Umbau-/Neubaumaßnahmen oder Sanierungen können hierfür notwendig sein. Es bietet somit gegenüber dem „Greenfield Approach“ den Vorteil, dass Projekte aufgrund einer bereits vorhan-denen Infrastruktur oftmals schneller realisiert werden können. Nachteilig ist allerdings, dass man das Produk-tions-Layout nur eingeschränkt umgestalten kann.
Ein Praxisbeispiel lässt sich anhand der Fiat Group Auto-mobiles (FGA) illustrieren. 2008 hatte das Unterneh-men mit der serbischen Regierung einen Vertrag über die Akquisition der Zastava‘s Kragujevac-Fabrikanlage geschlossen. Der italienische Konzern plante in dieser Anlage die Produktion zweier neuer Fiat-Modelle. Der
Akquisitionswert belief sich auf insgesamt 700 Mio. EUR und wurde durch die serbische Regierung mit 200 Mio.EUR mit der Bedingung subventioniert, dass die Anlage weiterhin zu 30% in staatlichem Besitz verbleibe.
Übernahme (M&A)Aus der Übernahme eines bestehenden Unternehmens ergeben sich diverse Vorteile gegenüber dem komplet-ten Neuaufbau eines Standortes. So sind die Hauptar-gumente u.a. das bereits etablierte Unternehmen, der schnelle Marktzugang, das vorhandene qualifizierte Personal oder aber auch die vorhandene Technologie. Jedoch können gerade bei grenzüberschreitenden Trans-aktionen gewisse Schwierigkeiten auftreten, die sich z.B. in den kulturellen Unterschieden, welche zu Miss-verständnissen in der Kommunikation führen können, widerspiegeln.
Abb. 30 – Top-20-Transaktionen in der Automobilindustrie 2011–2013
Datum Bieter Zielunternehmen Transaktionswert
Stand vom Name Business Land Name Business Land Anteil von in Mio. EUR
1 12/06/2013 Apollo Tyres Ltd. Zulieferer Indien Cooper Tire & Rubber Company Zulieferer USA 100% 1.747
2 15/04/2013 Renault SA; Nissan Motor Co., Ltd. OEM Frankreich Avtovaz OAO OEM Russland 25% 887
3 26/10/2012 Delphi Automotive Plc Zulieferer USA FCI SA (Motorized Vehicles Division) Zulieferer Frankreich 100% 765
4 05/07/2012 Visteon Corporation Zulieferer USA Halla Climate Control Corporation Zulieferer Südkorea 30% 583
5 01/02/2012 Iochpe-Maxion S.A. Zulieferer Brasilien Hayes Lemmerz International, Inc. Zulieferer USA 100% 543
6 30/11/2011 Nisshinbo Holdings Inc. Zulieferer Japan TMD Friction Holdings GmbH Zulieferer Deutschland 100% 440
7 11/01/2013 Halla Climate Control Corporation Zulieferer Südkorea Visteon Corporation (Automotive Climate Business)
Zulieferer USA 100% 321
8 30/06/2011 Valeo SA Zulieferer Frankreich Niles Co., Ltd. Zulieferer Japan 100% 313
9 20/07/2011 Gestamp Automocion, S.L. Zulieferer Spanien ThyssenKrupp AS (Metal Forming Group) Zulieferer Deutschland 100% 300
10 07/01/2013 Mitsui & Co Ltd. Zulieferer Japan Gestamp Automocion Americas Companies Zulieferer Spanien 30% 300
11 18/12/2012 Liaoyuan Joyson Electronic Corp. Zulieferer China Preh GmbH Zulieferer Deutschland 100% 291
12 30/08/2011 Beijing Hainachuan Automotive Parts Co. Ltd.
Zulieferer China Inalfa Roof Systems Group B.V. Zulieferer Niederlande 100% 252
13 24/05/2013 U-Shin Ltd. Zulieferer Japan Valeo SA (Access Mechanisms Business) Zulieferer Frankreich 100% 203
14 28/06/2012 Tenedora Nemak, SA de CV Zulieferer Mexiko JL French Automotive Castings, Inc. Zulieferer USA 100% 163
15 23/01/2012 Iochpe-Maxion S.A. Zulieferer Brasilien Grupo Galaz S.A. de C.V. Zulieferer Mexiko 100% 142
16 29/05/2013 Tokai Rubber Industries Zulieferer Japan Anvis Group AG Zulieferer Deutschland 100% 132
17 01/08/2011 Martinrea International Inc. Anchorage Capital Group, L.L.C.
Zulieferer USA Honsel AG Zulieferer Kanada, Deutsch-land
100% 130
18 01/08/2012 Varroc Group Zulieferer Indien Visteon Corporation (Lighting Division) Zulieferer USA 100% 55
19 01/06/2012 Faurecia SA Zulieferer Frankreich Automotive Components Holdings (automotive interior trim components)
Zulieferer USA 100% 43
20 24/04/2013 Denso Corporation Zulieferer Japan Pricol Components Limited Zulieferer Indien 51% 7
Quelle: Mergermarket, Bloomberg
32
Die Tabelle (Abb. 30) zeigt die 20 größten Cross-Border- Transaktionen der Automobilindustrie der vergangenen zwei Jahre. Auffällig scheint hierbei, dass nicht nur Unternehmen aus den etablierten Wirtschaftsnationen im Ausland zukaufen, sondern sich zunehmend auch Zulieferer der sogenannten BRIC-Staaten auf der Käufer-seite wiederfinden. So haben beispielsweise brasiliani-sche, chinesische und indische Unternehmen mit einem Transaktionsvolumen von ca. 3 Mrd. EUR alleine in Zulieferunternehmen in den USA, Mexiko, Deutschland und den Niederlanden investiert. Auch Japan verzeich-net mit einem Transaktionsvolumen von ca. 1 Mrd. EUR wesentliche Zukäufe, welche mit Ausnahme von Indien hauptsächlich in Europa getätigt wurden (Deutschland, Spanien und Frankreich). Dieser Trend lässt sich am Beispiel von China und Japan folgendermaßen erklären:
Im chinesischen Markt konkurrieren sehr viele kleine chinesische Automobilzulieferer mit deutlich größeren internationalen Anbietern (u.a. Bosch, Denso, Delphi oder Johnson Controls), deren Vorsprung es durch Know-how und Technik einzuholen gilt. So sind zuneh-mend Akquisitionen z.B. von Inalfa Roof System oder Preh durch chinesische Zulieferunternehmen auf dem europäischen Markt zu beobachten, mit dem Ziel, Tech-nologien und Zugänge zu Premium-OEMs zu erhalten.
Dies gilt auch in Bezug auf Japan. Japanische Zulieferer haben sich angesichts der heimischen Marktlage und im Zuge der angestrebten Unabhängigkeit von japanischen Tier-1-OEMs zunehmend außerhalb Japans engagiert. So fanden alleine in den letzten beiden Jahren viele strate-gische Übernahmen im europäischen Raum statt (TMD Friction, Anvis Group), insbesondere in Deutschland. Im Gegensatz zu chinesischen Käufern sind diese Übernah-men primär davon getrieben, den Zugang zu Kunden im Premium-OEM-Segment zu erhalten.
Angesichts dieser Bedrohung für bereits etablierte Zulieferer etwa in Deutschland ergibt sich andererseits wiederum die große Chance, durch eine Akquisition auf dem asiatischen Markt einen schnellen Zugang zu den dortigen OEMs zu erhalten und gleichzeitig von der „Umorientierung“ einheimischer Zuliefererunterneh-men ins Ausland durch aggressiven Auftritt und mittels neuester Technologie zu profitieren. Nichtsdestotrotz können auch Kooperationen mit chinesischen oder japa-nischen Automobilherstellern eine sinnvolle Alternative zur Akquisition darstellen.
Joint Venture/Strategische KooperationDie Entwicklungen in der Automobilindustrie sind geprägt von strategischen Kooperationen und Joint Ventures zur Realisation von Synergiepotenzialen ohne die Risiken assoziiert mit Fusionen und Übernahmen. Insbesondere die Segmente A, B und LCV der Klein-/Kompaktfahrzeuge sowie der leichten Nutzfahrzeuge erfordern große Anstrengungen bei den OEMs und der Zuliefererkette, um den Endkunden Innovationen auf Kostenniveau der Vorgängermodelle zu liefern. In diesem Zusammenhang ist das Joint Venture TPCA (Toyota Peugeot Citroën Automobile) zwischen Toyota und PSA erwähnenswert, welches Toyota Aygo, Citroën C1 und Peugeot 106 in der Tschechischen Republik pro-duziert. Ein weiteres Beispiel findet sich bei Fiat und PSA mit ihrer langjährigen Kooperation (seit 1978) im Bereich der leichten Nutzfahrzeuge bzw. der Produktion von Fiat Ducato, Peugeot Boxer und Citroën Jumper bei Fiat in Süditalien sowie der Fertigung von Fiat Scudo, Peugeot Expert und Citroën Jumpy bei PSA in Frankreich. In allen Fällen nutzen die Kooperationspartner die Synergien aus der gemeinsamen Forschung/Entwicklung, Einkauf und Fertigung. Natürlich gibt es auch Beispiele geschei-terter Kooperationen wie im Falle von Volkswagen/Suzuki und BMW/PSA, jedoch sind diese Entwicklungen weniger dramatisch als etwa die Auflösung einer Fusion wie im Falle von Daimler und Chrysler. Zukünftig sind weitere Kooperationen wie Daimler und Renault-Nissan sowie GM und PSA von Bedeutung, da auf diese Weise Einkäufe gebündelt werden und so die Zuliefererbasis zu stärkeren Preisnachlässen gezwungen werden wird.
Eine weitere Entwicklung in der Automobilbranche unterstützt den Trend zur Kooperation: die Entwicklung effizienterer, Ressourcen-schonender Antriebe mit der Tendenz zur Verkleinerung von Motoren, der Elektrifizie-rung sowie der Vernetzung von Fahrzeugen. In diesem Zusammenhang sind bspw. Kooperationen im Bereich der Stromversorgung bzw. Batterien stark verbreitet.
Herausforderungen bei der Produktionsverlage-rung im M&A-KontextIn der Vergangenheit wurden viele Transaktionen voll-zogen, bei denen operative Fragestellungen stark ver-nachlässigt wurden. Im Zusammenhang mit operativen Inhalten sollten in jedem Fall auch organisatorische, standortspezifische sowie F&E-Themen berücksichtigt werden.
Umbruch in der Automobilzulieferindustrie: Standortoptimierung und Sourcing 33
Nach der Konsolidierungsphase von OEMs und Tier-1 Zulieferern setzt sich diese Entwicklung wettbewerbs-bedingt nun auf der nächsten Stufe der Tier-2- und -3-Zulieferer fort. Die betroffenen Unternehmen sind meist in der Metallverarbeitung mit Fertigungsverfahren wie dem Urformen (Gießen), Umformen (Schmieden, Stanzen), der mechanischen Bearbeitung (Zerspanen), der Oberflächenbehandlung (Beschichten, Lackieren) und der Komponentenmontage angesiedelt.
Bei der Betrachtung der Fertigung als Kernpunkt der kontrollierbaren Kosten sind Themenstellungen wie Maschinenparkalter, Maschinenhersteller, Maschi-nenanlagennutzungsgrad (OEE), Umrüstungszeiten, Werkzeugkosten, Anteil an Verschrottung/Nacharbeit (Scrap/Rework), Berücksichtigung von TPM-Instandhal-tungsmaßnahmen, Flexibilität des Layouts (Maschinen-versorgung Kühlmittel, Druckluft etc.), interne Logistik (Supermarkt, FIFO), externe Logistik (externes Waren-lager, Vendor Managed Inventory), Schichtmodelle (10-,15-,18-Schichtsysteme), Gewerkschaftsvereinbarun-gen, Integration und Performance von externen Dienst-leistern von Bedeutung.
Bei der optimalen Ergänzung von Maschinen können bei gleichem Maschinentyp Einsparungen bei Ersatzteilen sowie teilweise bei benötigten Werkzeugen stattfin-den. Beispielhaft ist etwa bei Bearbeitungszentren die Spindel, welche zur Sicherung der Fertigung je Maschi-nentyp üblicherweise im Ersatzteilelager verweilt. Bei großer Anzahl an verschiedenen Maschinentypen findet sich eine Vielzahl an teuren Spindeln im Lager. Diese Situation bindet viel Geld und ist platzintensiv. Zusätzlich müssen die Mitarbeiter auf verschiedene Maschinen geschult werden und der Einkauf und die Buchhaltung haben mehr Koordinationsaufgaben.
Erzeugnisklassen-Erfolgsrechnungen ermöglichen eine erste Einschätzung der Zusammensetzung des Produkt-portfolios eines Zielunternehmens. Vorsicht ist geboten bei der Interpretation aufgrund der häufig notwendigen Gemeinkostenallokationen. Deckungsbeitragsrechnun-gen unter Berücksichtigung von direkten Einzelkosten sowie klar zuordenbaren Gemeinkosten sollten zur Analyse hinzugezogen werden. Aus den Allokationen lassen sich auch Themen erschließen wie Kostenstellen-gliederung und zentrale Umlagen für Shared Services. In gewissen Fällen können hier auch die Informationen die Realität verzerren. Steuerliche Aspekte können zu höheren bzw. niedrigeren Umlagen führen. Bei Carve-
outs können integrierte Werke mit großen internen Lie-ferbeziehungen wegen der vorhandenen Spielräume in der Transferpreisgestaltung nicht auf gegebener Umsatz-basis bewertet werden.
Ein wichtiger Aspekt in der Untersuchung eines Ziel-unternehmens sind die Entwicklungskompetenzen sowie die Fähigkeit, diese Innovationen und Designs kosteneffizient zu fertigen. In der Praxis finden sich viele Beispiele, bei denen Design und Fertigung suboptimal abgestimmt sind und infolgedessen zu Kostenineffizien-zen führen. In einigen Fällen sind es Kundenvorgaben, oft jedoch auch mangelnde Kommunikation der Ent-wicklungsingenieure, Fertigungsingenieure und Projekt-einkäufer. Diese Bedingungen müssen kein K.O.-Krite-rium bei der Auswahl eines Zielunternehmens sein. Es ist aber notwendig, die entsprechende Kenntnis dieser Her-ausforderungen vorab zu erwerben. Aus diesem Wissen kann im Zusammenhang mit einem 100-Tage-Plan auf die jeweiligen Schwerpunkte einer Übernahme und Synergiehebung eingegangen werden. Eine Übersicht der Kundenprojekte mit Status innerhalb des Produkt-Lebenszyklus besitzt Aussagekraft hinsichtlich zahlreicher operativer Themenstellungen. Hieraus können neue Projekte entsprechend besser abgestimmt werden und OEM-Auslaufprojekte entsprechend effizienter für den Aftermarket-Lebenszyklus vorbereitet werden. Laufende und angefangene Projekte (Nach C-Muster-Phase) haben schon die Investitionen und Kostenstruktur weitestgehend festgelegt und sind nur bedingt verbesserungsfähig.
Zur richtigen Einschätzung von potenziellen Zielun-ternehmen sind operative Themen grundlegend in der Erschließung von Synergie-Potenzialen. Bei vielen Transaktionen lag in der Vergangenheit der Fokus auf der Analyse der Finanzkennzahlen im Rahmen von Due- Diligence-Berichten. Diese Vorgehensweise hat sich in gewissen Fällen als nicht ausreichend erwiesen. Im Zuge dieser Erkenntnis werden öfter Berater mit entsprechen-der Industrie- und Branchenerfahrung bei einer Due Dili-gence hinzugezogen. Diese Fachleute können aufgrund ihrer Erfahrungswerte die operativen Kennzahlen identi-fizieren und durchleuchten.
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Stand 03/2014