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36 49. Jahrgang 2004, Nr. 6 INTERVIEW STEUERN · REGELN Im Gespräch mit Dr. Boris Linschitz Der Name verpflichtet Volker Dolch brachte 1987 den ersten portablen Rech- ner mit TFT-Display auf den Markt. Der Name steht seit- dem für Laptops und Lunch- boxes fürs Grobe. In diesem kleinen aber umso an- spruchsvolleren Segment ist Dolch Computer Systems seit über zehn Jahren Markt- führer laut VDC mit heute über 44 % Marktanteil. Aber was ist morgen? Darü- ber sprachen wir mit dem Geschäftsführer Dr. Boris Linschitz. Der Name Dolch steht für ruggedized PCs und entsprechendes Know-how. Gibt es spezifische Merkmale, auf die man achten sollte? Mit Sicherheit gibt es die. Das sind meis- tens der Schutz gegen Feuchtigkeit und Staub. Diese Maßnahmen sind leicht zu erkennen, weniger offensichtlich sind dagegen die inneren Werte, der Schutz gegen Schock und Vibration. Entschei- dend bei der Auswahl ist jedoch immer das spätere Anwendungsfeld. Wird der PC im Freien eingesetzt, ist IP54 sinnvoll. Im Vergleich zu IP52 ist der Rechner dann rundum abgedichtet, nicht nur gegen Regen von oben oder von der Seite. Vom Zahlenwert zwar kaum ein Unterschied, bei den Anforderungen und dem Auf- wand jedoch ein wesentlich größerer. Und die mechanische Stabilität? Hier ist es wichtig, nach dem MIL-Stan- dard 810 zu schauen. Das ist eine Samm- lung verschiedener Tests für Vibration, Schock und Temperatur. Aber Vorsicht: MIL sagt nur, wie etwas gemessen wird. Ein Fall-Test nach MIL kann daher ebenso aus 100 cm Höhe oder auch nur aus 5 cm sein. Hier hilft nur ein kritischer Blick ins Datenblatt. Und Beltronic und Digital-Logic unter- stützen Sie dabei, die Standfestigkeit der Dolch-Computer zu realisieren? Natürlich können wir selbst für die Standfestigkeit unserer Geräte sorgen. Ebenso haben wir eigene Produktions- standorte in Freemont und Fallbrook mit rund 250 Mitarbeitern. In Deutschland produzieren wir jedoch nicht selbst, son- dern arbeiten mit der Firma Beltronic zu- sammen. Sie übernehmen für uns teil- weise Entwicklungsaufgaben und pro- duzieren exklusiv für uns. Was fertigt die Schweizer Digital-Logic? Mit Digital-Logic kooperieren wir bei unserer kompakten Industrie-PC-Reihe VersaPAC. Die lüfterlosen In-Vehicle-PCs haben wir vor rund zwei Jahren ge- meinsam entwickelt. Hier kaufen wir praktisch ein nach unserer Spezifikation entwickeltes und gefertigtes Gerät. Im Gegensatz dazu stellen wir mit Beltronic gemeinsam die Rechner-Serie MilPAC her. Hier liefern wir jedoch die meisten Komponenten, während Beltronic für die Mechanik und die Entwicklung von Sonderelektronik verantwortlich ist und unsere Teile assembliert. Viele unserer Kunden sehen in uns mehr einen Partner als den reinen Lieferanten

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Page 1: Im Gespräch mit Dr. Boris Linschitz Der Name verpflichtet · seines Defekts und die im Computer ge-speicherten Daten und Informationen. Im Büro gibt der Rechner nie seinen Geist

36 49. Jahrgang 2004, Nr. 6

INTERVIEWSTEUERN · REGELN

Im Gespräch mit Dr. Boris Linschitz

Der Name verpflichtet Volker Dolch brachte 1987 den ersten portablen Rech-ner mit TFT-Display auf den Markt. Der Name steht seit-dem für Laptops und Lunch-boxes fürs Grobe. In diesem kleinen aber umso an-spruchsvolleren Segment ist Dolch Computer Systems seit über zehn Jahren Markt-führer laut VDC mit heute über 44 % Marktanteil. Aber was ist morgen? Darü-ber sprachen wir mit dem Geschäftsführer Dr. Boris Linschitz.

Der Name Dolch steht für ruggedized PCs und entsprechendes Know-how. Gibt es spezifische Merkmale, auf die man achten sollte? Mit Sicherheit gibt es die. Das sind meis-tens der Schutz gegen Feuchtigkeit und Staub. Diese Maßnahmen sind leicht zu erkennen, weniger offensichtlich sind dagegen die inneren Werte, der Schutz gegen Schock und Vibration. Entschei-dend bei der Auswahl ist jedoch immer das spätere Anwendungsfeld. Wird der

PC im Freien eingesetzt, ist IP54 sinnvoll. Im Vergleich zu IP52 ist der Rechner dann rundum abgedichtet, nicht nur gegen Regen von oben oder von der Seite. Vom Zahlenwert zwar kaum ein Unterschied, bei den Anforderungen und dem Auf-wand jedoch ein wesentlich größerer. Und die mechanische Stabilität? Hier ist es wichtig, nach dem MIL-Stan-dard 810 zu schauen. Das ist eine Samm-lung verschiedener Tests für Vibration,

Schock und Temperatur. Aber Vorsicht: MIL sagt nur, wie etwas gemessen wird. Ein Fall-Test nach MIL kann daher ebenso aus 100 cm Höhe oder auch nur aus 5 cm sein. Hier hilft nur ein kritischer Blick ins Datenblatt. Und Beltronic und Digital-Logic unter-stützen Sie dabei, die Standfestigkeit der Dolch-Computer zu realisieren? Natürlich können wir selbst für die Standfestigkeit unserer Geräte sorgen. Ebenso haben wir eigene Produktions-standorte in Freemont und Fallbrook mit rund 250 Mitarbeitern. In Deutschland produzieren wir jedoch nicht selbst, son-dern arbeiten mit der Firma Beltronic zu-sammen. Sie übernehmen für uns teil-weise Entwicklungsaufgaben und pro-duzieren exklusiv für uns. Was fertigt die Schweizer Digital-Logic? Mit Digital-Logic kooperieren wir bei unserer kompakten Industrie-PC-Reihe VersaPAC. Die lüfterlosen In-Vehicle-PCs haben wir vor rund zwei Jahren ge -meinsam entwickelt. Hier kaufen wir praktisch ein nach unserer Spezifikation entwickeltes und gefertigtes Gerät. Im Gegensatz dazu stellen wir mit Beltronic gemeinsam die Rechner-Serie MilPAC her. Hier liefern wir jedoch die meisten Komponenten, während Beltronic für die Mechanik und die Entwicklung von Sonderelektronik verantwortlich ist und unsere Teile assembliert.

Viele unserer Kunden sehen in uns mehr einen Partner als den reinen Lieferanten

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Wie oft begegnet Ihnen das Argument, dass ein normaler Laptop nur ein Drittel eines Dolch-Geräts kostet. Geht einer kaputt, hat man noch zwei. Sehr viele unserer heutigen Kunden rechnen anfangs genau so, nur, die Rech-nung ist falsch. Das Problem ist nicht das kaputte Gerät, sondern der Zeitpunkt seines Defekts und die im Computer ge-speicherten Daten und Informationen. Im Büro gibt der Rechner nie seinen Geist auf, sondern wenn es brennt – also auf der Baustelle oder auf dem Weg dorthin. Kann ein Techniker im Ausland-einsatz eine Anlage deswegen tagelang nicht reparieren, ist das wesentlich teu-rer als ein Dolch-Computer. Und bleibt ein Jumbojet wegen eines defekten Ser-vice-Rechners eine Stunde länger als ge-plant am Boden, sind mindestens 20 FieldPACs fällig. Wie viele Kunden bezahlen denn zuerst Lehrgeld? Einige, aber das ist ein zyklischer Prozess. Viele machen es zunächst richtig und set-zen robuste Rechner ein. Nach einigen Jahren – er hält ja einiges aus – ist das Ge-rät dann zerkratzt, funktioniert aber noch. Viele hätten gerne einen neuen Laptop, müssen das Dolch-Gerät aber erst abschreiben. Als nächstes kaufen ei-nige dann ein Standard-Gerät, kommen aber nach sechs Monaten zurück, weil sie schon zwei Office-Laptops zerschlis-sen haben. Diesen Lernprozess durchlau-fen einige. Diese gewissermaßen geläu-terten Kunden sehe ich am liebsten, denn dann gibt es keine Diskussionen über den Preis. Aber auch wir müssen unsere Preise scharf kalkulieren. Sie haben vor knapp zwei Jahren ein mobiles Display herausgebracht. Was ist denn daraus geworden?

Wir haben 2001 eine strategische Part-nerschaft mit Panasonic geschlossen, dessen logische Weiterentwicklung das heutige PDI ist, ein robustes mobiles Dis-play. Und was ist das Besondere daran? Mobi-le Panels gibt es doch viele. Bei der ersten OEM-Version von 2002 gab es nur die Möglichkeit, mit einem einzigen Rechner Point-to-Point zu kom-munizieren. Mehr ging nicht, keine wei-teren Geräte, keine Einbindung von Fremdherstellern oder nur in Verbin-dung mit bestimmten Betriebssystemen. In der heutigen Dolch-eigenen Entwick-lung gibt es keine Einschränkungen mehr. Man kann mit jedem beliebigen Betriebssystem arbeiten wie Linux, Unix oder Windows... ...für das der entsprechende Treiber zur Verfügung steht. Natürlich, aber wir können bei der Be-triebssystemanpassung schnell auf kun-denspezifische Anforderungen reagie-ren. Das PDI darf man nicht mit anderen Konzepten verwechseln, die einen kom-pletten Rechnerkern haben. Beim PDI läuft die Applikation nicht auf dem mo-bilen Client, sondern nach wie vor auf dem eigentlichen Rechner. Wir setzen hier auf Remote VNC, Virtual Network Computing. Das ermöglicht uns, über Acess Points jede beliebige Hardware mit dem PDI zu erreichen. Neben Wire-

KOMPAKT

Portable Display Interface

PDI Wireless Bedienkonzept

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Das PDI basiert auf einem Baukas-tensystem, mit dem Display als Mit-telpunkt. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu allen herkömm-lichen Konzepten, bei denen der Rechner das zentrale Merkmal ist. Das Portable Display kann sowohl kabellos als auch kabelgebunden betrieben werden. Im Unterschied zu den neuesten Technologien, die Windows XP Professional als Host-Betriebssystem voraussetzen, arbei-tet das PDI mit sämtlichen Windows-Betriebssystemen sowie einigen Unix-Versionen und Linux. Das PDI ist ein Human Machine Interface (HMI) mit den Funktionalitäten An-zeige, Zeigegerät und Tastatur im ausgedockten Zustand (wireless) und mit den Funktionalitäten An-zeige und Zeigegerät im angedock-ten Zustand. Zudem kann das Gerät auch als klassischer PDA fungieren.

Wir erreichen über unser PDI alle Applika-tionen unter Windows, Linux und Unix

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less LAN ist aber auch genauso GPRS möglich oder in Zukunft UMTS. Hier sind wir völlig flexibel. Über das PDI kann der Anwender mit dem eigentlichen Rech-ner kommunizieren, der sich irgendwo im Hintergrund befindet. Das können nur einige Meter sein oder auch tausen-de von Kilometern. Wir erreichen über das Display alle Ap-plikationen. Das PDI lässt sich wie ein normales Display in die Docking-Station eines Rechners integrieren. Nimmt man es heraus, schaltet es automatisch auf VNC um. Bei Logistik-Unternehmen mit beispielsweise SAP ein enormer Vorteil. Denn wir können über diesen Terminal-modus alle Programme so ansprechen als säße man direkt am Rechner – bei SAP unter Umständen ein Mainframe. Und diese Technologie ist patentiert? Das Verfahren ist zum Patent angemel-det. Da unsere Technik 'unique' ist, bin ich mir sicher, dass es auch erteilt wird – nicht die Kommunikation, wohl aber die Art und Weise, wie ein Rechner-Display zu einem Wireless-Display wird. Das ist das Innovative.

Könnte das PDI nicht die eigenen Displays für die Maschinenvi-sualisierung verdrän-gen? Es geht genau in die von Ihnen skiz-zierte Richtung. Die meisten Maschinen werden heute au -tom a tisch gesteuert. Trotzdem werden sie immer mit einer kom-pletten Bedienein-heit ausgeliefert. Die hängt dann die meis-te Zeit über unbe-nutzt an der Maschi-ne. Gebraucht wird es doch nur zum Anfah-ren, für Einstellarbei-ten und zur Störungs-

diagnose. Mit dem PDI sind aus unserer Sicht 95 % aller HMI-Applikationen ab-zudecken. Der Bediener loggt sich dann in die jeweilige Maschine ein. Das ist ein revolutionärer Prozess, der zunehmend schneller ablaufen wird. Wo sehen Sie Dolch Computer in fünf Jahren? Dolch und insbesondere Dolch Europa möchte ich nicht mehr als reinen Distri-butor sehen, so wie wir es noch bis vor ei-nigen Jahren waren. Ich sehe uns heute und in Zukunft noch mehr als ein Tech-nologie-Center – mit Entwicklung, Pro-duktion und Support. Dass wir einige gu-te Ideen in fertige Produkte umsetzen können, haben wir in den letzten Jahren gezeigt. Dabei wollen wir natürlich un-sere führende Rolle bei ruggedized Por -tables weiter ausbauen. (ku)

Dolch Computer Systems wurde 1987 von Volker Dolch in Fremont/Kalifor-nien gegründet. Das Unternehmen hat weltweit ca. 260 Mitarbeiter und gehört zum US-amerikanischen Kon-zern Siegel-Robert Inc., der einen Jah-resumsatz von über einer 1 Mrd. S er-wirtschaftet. Die deutsche Tochterfir-ma sitzt in Ottobrunn bei München und zeichnet verantwortlich für den Vertrieb, Support und Service für

ganz Europa. Einen Namen gemacht hat sich Dolch als führender Anbieter von robusten, transportablen Per-sonal-Computern für mobile Messsys-teme und für den generellen Einsatz unter erschwerten Umweltbedingun-gen. Daneben fertigt man auch Dis-plays für extreme Einsatzbedingun-gen, wobei sich die Produktpalette nun in die Bereiche Computer (CPG) und Displays (DPG) gliedert.

Datenblatt zum PDI und PDF des Fachartikels der ersten PDI-Generation über

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Mobile Displays werden für ein Umden-ken bei der Maschinenbedienung sorgen