interview claudia poletto

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ESSEN-TRINKEN 1 GESPRÄCH MIT CORNELIA POLETTO "Pasta nur mit Butter und Parmesan – grandios!" Die Sterne-Köchin Cornelia Poletto spricht über die Geheimnisse der einfachen Küche VON Enrique G de la G | 27. Mai 2010 - 09:16 Uhr ZEIT ONLINE: Frau Poletto, unser Autor Matthias Kalle hält im aktuellen ZEITmagazin ein Plädoyer für die Pizza Margherita , die ursprünglichste und einfachste Pizza. Mögen Sie sie auch? Cornelia Poletto: Die Pizza Margherita ist für mich Süditalien, Freude und gute Laune. Sie steht für das Pure, für Natürlichkeit. Ich bin ein großer Fan der Einfachheit in der Küche. Einfachheit ist nicht gleich Fastfood oder schnelle fade Küche, ganz im Gegenteil. Deshalb bin ich auch ein großer Fan italienischen Essens. Im Grunde dekonstruieren wir heute in der Hochküche solche einfachen Gerichte und überlegen, wie wir sie anschließend noch spannender auf den Teller bringen. ZEIT ONLINE: Welches einfache Essen ist Ihr liebstes? Poletto: Meine Tochter ist ein großer Pastafan, und ich bin es auch. Spaghetti mit Tomatensauce und ein bisschen Parmesan oder Büffelmozarella, ein bisschen Basilikum, mehr brauche ich nicht. Selbst eine Pasta nur mit Butter und Parmesan – grandios! ZEIT ONLINE: Warum essen viele Leute trotzdem lieber Hamburger? Poletto: Weil sie in Familien leben, in denen nicht mehr selbst gekocht wird und sie keine Kindheitserinnerungen an gutes Essen haben. Man muss das Glück haben, als Kind mit kochenden Omas groß geworden zu sein. ZEIT ONLINE: Ein Hamburger ist eigentlich ja auch ein ziemlich einfaches Gericht. Aber dieses klassische Fastfood mögen Sie nicht so? Poletto: Fastfood ist für mich Frittengeruch, altes Öl, das ist die Küche, die mich träge und müde macht. Fastfood ist sehr fetthaltig, es ist industriell gefertigt, und es enthält Geschmacksverstärker. Wir müssen den Leuten klarmachen, dass es eine einfache, schnelle Küche gibt, die Geschmack hat. ZEIT ONLINE: In Ihren Kochbüchern – und auch im ZEITmagazin – stellen Sie solche Gerichte vor . Wo, außer in Italien, gibt es noch überzeugende einfache Küche? Poletto: Egal wo Sie auf der Welt hinkommen, die ursprüngliche Küche war immer einfach. Auch die französische, die auch immer als kompliziert dargestellt wird, ist nicht von Anfang an kompliziert gewesen. Wenn Sie dagegen in sehr arme Länder reisen, finden

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ZEIT ONLINE: Ein Hamburger ist eigentlich ja auch ein ziemlich einfaches Gericht. Aber dieses klassische Fastfood mögen Sie nicht so? Poletto: Fastfood ist für mich Frittengeruch, altes Öl, das ist die Küche, die mich träge und müde macht. Fastfood ist sehr fetthaltig, es ist industriell gefertigt, und es enthält Geschmacksverstärker. Wir müssen den Leuten klarmachen, dass es eine einfache, schnelle Küche gibt, die Geschmack hat. GESPRÄCH MIT CORNELIA POLETTO 1

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Page 1: Interview Claudia Poletto

ESSEN-TRINKEN

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G E S P R Ä C H M I T C O R N E L I A P O L E T T O

"Pasta nur mit Butter und Parmesan –grandios!"Die Sterne-Köchin Cornelia Poletto spricht über die Geheimnisseder einfachen KücheVON Enrique G de la G | 27. Mai 2010 - 09:16 Uhr

ZEIT ONLINE: Frau Poletto, unser Autor Matthias Kalle hält im aktuellen ZEITmagazin

ein Plädoyer für die Pizza Margherita , die ursprünglichste und einfachste Pizza. Mögen Sie

sie auch?

Cornelia Poletto: Die Pizza Margherita ist für mich Süditalien, Freude und gute Laune.

Sie steht für das Pure, für Natürlichkeit. Ich bin ein großer Fan der Einfachheit in der

Küche. Einfachheit ist nicht gleich Fastfood oder schnelle fade Küche, ganz im Gegenteil.

Deshalb bin ich auch ein großer Fan italienischen Essens. Im Grunde dekonstruieren wir

heute in der Hochküche solche einfachen Gerichte und überlegen, wie wir sie anschließend

noch spannender auf den Teller bringen.

ZEIT ONLINE: Welches einfache Essen ist Ihr liebstes?

Poletto: Meine Tochter ist ein großer Pastafan, und ich bin es auch. Spaghetti mit

Tomatensauce und ein bisschen Parmesan oder Büffelmozarella, ein bisschen Basilikum,

mehr brauche ich nicht. Selbst eine Pasta nur mit Butter und Parmesan – grandios!

ZEIT ONLINE: Warum essen viele Leute trotzdem lieber Hamburger?

Poletto: Weil sie in Familien leben, in denen nicht mehr selbst gekocht wird und sie keine

Kindheitserinnerungen an gutes Essen haben. Man muss das Glück haben, als Kind mit

kochenden Omas groß geworden zu sein.

ZEIT ONLINE: Ein Hamburger ist eigentlich ja auch ein ziemlich einfaches Gericht. Aber

dieses klassische Fastfood mögen Sie nicht so?

Poletto: Fastfood ist für mich Frittengeruch, altes Öl, das ist die Küche, die mich träge

und müde macht. Fastfood ist sehr fetthaltig, es ist industriell gefertigt, und es enthält

Geschmacksverstärker. Wir müssen den Leuten klarmachen, dass es eine einfache, schnelle

Küche gibt, die Geschmack hat.

ZEIT ONLINE: In Ihren Kochbüchern – und auch im ZEITmagazin – stellen Sie solche

Gerichte vor . Wo, außer in Italien, gibt es noch überzeugende einfache Küche?

Poletto: Egal wo Sie auf der Welt hinkommen, die ursprüngliche Küche war immer

einfach. Auch die französische, die auch immer als kompliziert dargestellt wird, ist nicht

von Anfang an kompliziert gewesen. Wenn Sie dagegen in sehr arme Länder reisen, finden

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Sie häufig eine Küche, die in ihrem ursprünglichen Zustand stehen geblieben ist, weil es

da keine anderen Möglichkeiten gab. Wir sind in Europa so verwöhnt, weil wir nicht so

dringend satt werden müssen. Uns soll Essen eben auch glücklich machen.

ZEIT ONLINE: Unser Leben scheint stets komplizierter zu werden, unser alltägliches

Essen jedoch wird einfacher. Die Bio-Bewegung sehnt sich geradezu nach einer Rückkehr

zu einem vorindustriellen Zustand.

Poletto: Ich finde die Bio-Bewegung wunderbar. Man kennt wieder den Bauernhof, von

dem die Äpfel kommen, man ist befreundet mit dem Fischhändler. Den Leuten ist endlich

aufgefallen, dass manche industriell gefertigte Grundnahrungsmittel gar nicht essbar sind,

wie die Brötchen von mancher Großbäcker-Kette. Ich kann auch einen Glitzi-Schwamm

nehmen und mit Marmelade bestreichen, der schmeckt genauso.

ZEIT ONLINE: In den USA gibt es die Bewegung der Locavores – das sind Leute, die

nur essen, was aus der Umgebung kommt. Viele bauen Obst und Gemüse aus ökologischen

Gründen sogar selbst zu Hhause an und halten Geflügel im Garten. Sollten wir das denen

nachmachen?

Poletto: Diese Bewegung ist toll! Ich hätte gerne zwei Hühner und meine eigenen Eier und

würde mein eigenes Gemüse züchten, aber leider wohne ich in einer Altbauwohnung und

habe nur einen kleinen Balkon. Weil es vielen anderen Leuten in Deutschland auch so geht,

wird dieser Trend wohl hier schwer umzusetzen sein.

ZEIT ONLINE: Finden Sie, Ihr Anliegen der guten einfachen Küche erhält mittlerweile

genug Aufmerksamkeit?

Poletto: Als ich vorige Woche aus dem Urlaub zurückkam und Die ZEIT vor meiner Tür

lag, fand ich es wunderbar zu lesen, dass Der Mythos vom guten Essen es auf die erste

Seite geschafft hatte. Das hilft, die Leute ein bisschen wachzurütteln.

Das Gespräch führte Enrique G de la G

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