juni 2021, wien energie raum planung

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ENERGIE RAUM PLANUNG JUNI 2021, WIEN ENERGIERAUMPLANUNG - EIN ZENTRALER FAKTOR ZUM GELINGEN DER ENERGIEWENDE Herausgegeben von Rudolf Giffinger, Marn Berger, Kurt Weninger und Sibylla Zech

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Page 1: JUNI 2021, WIEN ENERGIE RAUM PLANUNG

ENERGIE

RAUM

PLANUNG

JUNI 2021 WIEN

ENERGIERAUMPLANUNG - EIN ZENTRALER FAKTOR ZUM

GELINGEN DER ENERGIEWENDE

Herausgegeben von

Rudolf Giffinger Martin Berger Kurt Weninger und Sibylla Zech

Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende

Herausgegeben von Rudolf Giffinger Martin Berger Kurt Weninger

Sibylla Zech

Institut fuumlr Raumplanung TU Wien

Wien Oumlsterreich Juni 2021

Herausgegeben von Rudolf Giffinger Martin Berger Kurt Weninger Sibylla Zech

Die Beitraumlge kamen entweder auf Basis eines Vortrags bei der Fachkonferenz zum Thema bdquoEnergie-raumplanung ndash Herausforderungen Loumlsungen und Next Levelldquo oder durch gezielte Einladung von Kol-leginnen und Kollegen mit entsprechender Expertise zustande Alle eingelangten Beitraumlge wurden ei-nem offenen und teilweise mehrfachen Review-Prozess durch die Herausgeber-in und weitere Exper-tinnen und Experten unterzogen

Publiziert im ReposiTUm der TU Wien Open Access Publication Creative Commons mdash Attribution 40 International mdash CC BY 40 DOI 1034726808

Layout von Text und Abbildungen Dipl-Ing Clemens Beyer BSc Pia Carolin Rickel Mag Hannah Schetl

Abbildungen Cover Die Abbildungen sind Public Domain Bilder der Pixabay GmbH und duumlrfen dementsprechend freundli-cherweise ohne Genehmigung genutzt und frei bearbeitet werden

copy 2021 Institut fuumlr Raumplanung TU Wien Karlsgasse 11 und 13 1040 Wien Oumlsterreich

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Inhalt VORWORT 4

RUDOLF GIFFINGER MARTIN BERGER KURT WENINGER SIBYLLA ZECH

ENERGIE UND KLIMASCHUTZ IN HOHEITLICHEN PLANUNGSPROZESSEN BERUumlCKSICHTIGEN ndash BEDARF ANWENDUNGSFAumlLLE UND LOumlSUNGSANSAumlTZE AUS DER PRAXIS 5

ALEXANDER REHBOGEN UND HELMUT STRASSER

DAS SACHBEREICHSKONZEPT ENERGIE IN DER STEIERMARK EIN BUumlNDEL AUS RECHTLICHER VERANKERUNG FACHLICHEN GRUNDLAGEN FUNDIERTER BERATUNG UND FINANZIELLER FOumlRDERUNG

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LORE ABART-HERISZT DIETER PREIszlig UND MICHAEL REDIK

ENERGIERAUMPLAumlNE ndash EIN MEILENSTEIN AM WEG ZUR NACHHALTIGEN ENERGIEZUKUNFT WIENS 28

SUSANNA ERKER ANDREA KINSPERGER HERBERT HEMIS UND BERND VOGL

ENERGIERAUMPLANUNG DAS OumlSTERREICHISCHE INSTRUMENTARIUM IM IST UND SOLL 38

HARTMUT DUMKE UND STEFAN GEIER

DATENLANDSCHAFT DER ENERGIERAUMPLANUNG ndash EINE STANDORTBESTIMMUNG 48

ROBERT KALASEK UND FLORIAN PUumlHRINGER

DAS ENERGIEMOSAIK AUSTRIA EINE ENERGIE- UND TREIBHAUSGASDATENBANK FUumlR ALLE OumlSTERREICHISCHEN STAumlDTE UND GEMEINDEN 62

LORE ABART-HERISZT

INSTITUTIONELLE GESTALTUNG VON ENERGIERAUMPLANERISCHEN POLITIKEN DAS FALLBEISPIEL DER NIEDERLAumlNDISCHEN WINDKRAFTZONIERUNG 73

PIA NABIELEK

ELEKTROMOBILITAumlT INTEGRATION VON ELEKTROMOBILITAumlT IN DIE VERKEHRSPLANUNG ndash WELCHE ANPASSUNGEN UNSERER WERKZEUGE BRAUCHEN WIR 83

MARTIN KAGERBAUER

ANSAumlTZE FUumlR DIE MOBILITAumlTS- UND ENERGIEWENDE IM STAumlDTISCHEN GUumlTERVERKEHR 99

BERT LEERKAMP

NEUE WEGE IN DER ENERGIERAUMPLANUNG 110

GERNOT STOumlGLEHNER

DIE DEUTSCHE ENERGIEWENDE ZWISCHEN WIRTSCHAFTS- UND KLIMAZIELEN ndash EINE GEOGRAPHISCHE PERSPEKTIVE 119

BRITTA KLAGGE

10 JAHRE FORSCHUNG UND LEHRE ZUR ENERGIERAUMPLANUNG AM INSTITUT FUumlR RAUMPLANUNG AN DER TU WIEN ERFAHRUNGEN UND AUSBLICK 130

HARTMUT DUMKE RUDOLF GIFFINGER UND KURT WENINGER

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Vorwort

Rudolf Giffinger Martin Berger Kurt Weninger Sibylla Zech

Klimaschutz und Erreichen der Klimaziele stellen angesichts des Klimawandels zentrale Herausforde-rungen fuumlr Politik Gesellschaft und Wirtschaft dar Bisherige Bemuumlhungen in Oumlsterreich aber auch auf Ebene der EU zum verringerten Energieverbrauch zum Umstieg auf erneuerbare Energiequellen oder zur Reduktion von Emissionen sind unterschiedlich erfolgreich Offenbar reichen sie aber ange-sichts der weiter steigenden Emissionen und ihrer Auswirkungen auf den Temperaturanstieg (als trei-bende Kraft des Klimawandels) nicht aus der globalen Klimakrise effektiv entgegenzuwirken wie entsprechende Indikatoren und Analysen zur Entwicklung auf verschiedenen Ebenen zeigen

Blicken wir auf die Situation in Oumlsterreich dann ist leicht erkennbar dass Maszlignahmen zur Reduktion des Energieverbrauchs vor allem in der Verkehrs- und Siedlungsentwicklung bislang nicht ausrei-chend erfolgreich sind Eine Energiewende ndash im Sinne der Reduktion des Energiebedarfs sowie des Umstiegs auf erneuerbare Energiequellen ndash ist daher unerlaumlsslich

Raumplanung ndash zumeist verstanden als eine querschnittsorientierte Materie zur Steuerung der raumlum-lichen Nutzung und Entwicklung ndash kommt damit ein groszliger Stellenwert zu Es geht um den Umbau der Siedlungsstrukturen und der Verkehrssysteme um das Senken des Energieverbrauchs sowie um den Umstieg auf dezentral genutzte erneuerbare Energieressourcen Angesichts vielfaumlltiger neuer Aufgaben und Anforderungen erscheint es daher notwendig den Beitrag der Raumplanung zur Ener-giewende nicht nur als zusaumltzliche Aufgabe zu sehen sondern zu ergruumlnden welche neuartige Ener-gieraumplanung es braucht und welche neuen Ansaumltze ihre Effektivitaumlt verbessern koumlnnen

Diesen Herausforderungen widmet sich diese Publikation

Ausgehend von einer Tagung zum Thema Energieraumplanung ndash Herausforderungen Loumlsungen und Next Level konnten eine Reihe interessanter Beitraumlge gewonnen werden Sie kennzeichnen einerseits aktuelle Anforderungen und Erfahrungen zur Energieraumplanung und diskutieren andererseits An-saumltze und Aktivitaumlten bezuumlglich der derzeitigen Ausbildung zur Energieraumplanung in der Studien-richtung Raumplanung an der TU Wien

Nicht zuletzt ist zu betonen dass diese Publikation nicht ohne Unterstuumltzung des Review-Prozesses sowie beim Korrigieren und Gestalten der Beitraumlge zustande gekommen waumlre Herzlichen Dank hier-fuumlr Unser Dank gilt last but not least insbesondere den Kolleginnen und Kollegen an Universitaumlten sowie an verschiedenen Forschungs- und Planungsinstitutionen in Deutschland und Oumlsterreich fuumlr ihre kompetenten und wertvollen Beitraumlge

Die Herausgeberin und die Herausgeber

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Energie und Klimaschutz in hoheitlichen Planungsprozessen beruumlcksich-tigen ndash Bedarf Anwendungsfaumllle und Loumlsungsansaumltze aus der Praxis

Alexander Rehbogen (1) und Helmut Strasser (2)

DOI 1034726807

(1) Mag MBA SIR ndash Salzburger Institut fuumlr Raumordnung und Wohnen Fachbereich Energie

(2) Dipl-Ing SIR ndash Salzburger Institut fuumlr Raumordnung und Wohnen Fachbereich Energie

Abstract

Die Themen Energiewende und Klimaschutz sind heute als oumlffentliches Interesse etabliert und erheben sich damit auch in der Raumplanung aus dem bisherigen Schattendasein Energieraumplanung hat in den letzten beiden Jahren groszlige Entwicklungsspruumlnge gemacht und ist in der Praxis angekommen Erste Bundeslaumlnder haben effektive Schritte zur Beruumlcksichtigung von energie- und klimaschutzbezo-genen Fragestellungen in hoheitlichen Planungsprozessen gesetzt In Wien der Steiermark und Salz-burg gibt es heute etablierte Prozesse welche in der Praxis erfolgreich exekutiert werden Datenbereitstellung Datenhosting Datenverarbeitung Informationsaufbereitung und -bereitstellung Qualitaumltssicherung sowie die Schaffung des rechtlichen Rahmens stellen die maszliggeblichen Grundlagen dar Aufgrund der Kompetenzenverteilung und der notwendigen Ressourcen kommt den Bundeslaumln-dern als Institutionen eine Schluumlsselrolle zu um die Integration des neuen Materienkomplexes in be-stehende Prozesse der Raumplanung in der Praxis bewerkstelligen zu koumlnnen Nach der Etablierung erster Prozesse zur Beruumlcksichtigung energie- und klimaschutzbezogener Inhalte in der Raumplanung muss es in den naumlchsten Schritten darum gehen die Instrumente konsequent weiterzuentwickeln zu verbessern und thematisch zu vertiefen eine eindeutige Rechtssicherheit fuumlr die Umsetzung zu schaffen und diese in der Praxis sicherzustellen sowie die nuumltzlichen Erfahrungen auf weitere Bundeslaumlnder zu skalieren

Schluumlsselbegriffe

Energieplanung kommunale Waumlrmeplanung Energieraumplanung Klimaschutz Energiewende Waumlr-mewende Rehbogen A Strasser H (2021) Energie und Klimaschutz in hoheitlichen Planungsprozessen beruumlcksichtigen ndash Bedarf An-wendungsfaumllle und Loumlsungsansaumltze aus der Praxis In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumpla-nung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S5-17

Rehbogen Strasser (2021) Energie und Klimaschutz in hoheitlichen Planungsprozessen beruumlcksichtigen ndash Bedarf Anwen-dungsfaumllle und Loumlsungsansaumltze in der Praxis DOI 1034726807

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Inhalt Einleitung 7

These 1 Energie- und klimaschutzbezogene Inhalte sollten im Kontext der Raumplanung Beruumlcksichtigung finden 7

These 2 Drei Bereiche sind fuumlr die Beruumlcksichtigung energiebezogener Fragestellungen in der Raumplanung maszliggeblich Siedlungsstruktur und Gebaumludebestand Energieversorgungsinfrastruktur und die Nutzung lokaler erneuerbarer Ressourcen 8

These 3 Energiebezogene Inhalte sollen und koumlnnen direkt an bestehende Prozesse der Raumplanung anknuumlpfen 9

These 4 Die erforderliche Information zur Umsetzung von Raumlumlicher Energieplanung muss und kann standardisiert und effizient bereitgestellt werden 11

These 5 Notwendige Datengrundlagen in moumlglichst feiner Granularitaumlt und hoher Aktualitaumlt sind unter Beruumlcksichtigung des Datenschutzes verfuumlgbar zu machen 12

These 6 Den Bundeslaumlndern kommt eine Schluumlsselrolle in der Implementierung von raumlumlicher Energieplanung zu 13

Schlussfolgerungen Ausblick 15

Literatur 15

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Einleitung

Die Beruumlcksichtigung von Energie in formellen und informellen Planungsprozessen (von der oumlrtlichen Entwicklungsplanung uumlber staumldtebauliche Wettbewerbe und baubehoumlrdliche Verfahren bis zur Infra-strukturplanung) ist seit vielen Jahren wichtiges Thema in den nationalen Klimaschutzbestrebungen Bereits bei der Entwicklung des bdquoe5-Programms fuumlr energieeffiziente Gemeindenldquo (vgl Onlinequelle e5) vor mehr als 20 Jahren wurde der Raumordnung auf kommunaler Ebene eine groszlige Bedeutung beigemessen Waumlhrend aber seither in zahlreichen anderen klimaschutzrelevanten Handlungsfeldern einer Gemeinde wirksame Instrumente eingesetzt und hunderte Maszlignahmen und best-practices um-gesetzt wurden war lange Zeit relativ unklar wie die Raumordnung konkret zur Erreichung der Klima-schutzziele beitragen kann Zum einen ist die Ursache dafuumlr in den Vorgaben der Raumordnungsgesetze der Bundeslaumlnder zu su-chen die diesbezuumlglich nur sehr vage formuliert sind und wenig Spielraum zulassen Zum anderen aber gestaltete sich auch die Bewertung von Aktivitaumlten und Maszlignahmen von Gemeinden aufgrund fehlen-der Qualitaumltsmaszligstaumlbe und Beurteilungskriterien als schwierig Inzwischen haben sich aus den verschiedenen Bestrebungen und als Ergebnis der Kooperation mehre-rer Bundeslaumlnder unter anderem im Zuge von zwei OumlREK-Partnerschaften (vgl Onlinequelle OumlREK) An-saumltze konkretisiert und erste Schritte zu einer verbindlicheren Verankerung von Klimaschutzaspekten in den hoheitlichen Planungsprozessen wurden gesetzt Ausgehend von sechs Thesen wird in diesem Beitrag versucht einen moumlglichen Weg zu einer verbind-lichen Beruumlcksichtigung des Klimaschutzes in der Raumplanung aufzuzeigen und diesen auf Basis prak-tischer Beispiele darzustellen

These 1 Energie- und klimaschutzbezogene Inhalte sollten im Kontext der Raum-planung Beruumlcksichtigung finden

Raumordnung ist fuumlr die zweckentsprechende raumlumliche Verteilung von Anlagen und Einrichtungen im Sinne des oumlffentlichen Interesses verantwortlich (vgl Mair 2012 S 1) Spaumltestens seit der Etablierung von Klimaschutz als oumlffentliches Interesse (vgl Europaumlisches Parlament 2019 und entsprechende ver-bindliche Zielsetzungen auf allen politischen Ebenen) muumlssten Energie und Klimaschutz in der Raum-ordnung als zusaumltzlicher Materienkomplex eine entsprechende Beruumlcksichtigung finden Dem wird in einer zunehmenden Zahl von Raumordnungsgesetzen (vgl StROG2010 sect 3 (2) z 2i SROG 2009 sect2 (2) z4 BO fuumlr Wien 1930 sect1 Abs2 z4 VGRP 1996 sect 11 (1) bzw sect 28 TROG 2016 sect1 (2i)) Rechnung getragen Klimaschutz ist hier jeweils in den Grundsaumltzen und Zielen sowie teilweise in den Anforderungen vor allem zur Entwicklungsplanung verankert Die Verbindlichkeit variiert dabei zwi-schen Kann- und Muss-Bestimmungen

Aus der Praxis

Konkrete Schritte zur Erhoumlhung der Verbindlichkeit Praumlzisierung der Inhalte und Nutzung von weiteren hoheitlichen Steuerungsinstrumenten wurden in den letzten Jahren vor allem in Wien der Steiermark und Salzburg vorangetrieben Hier gibt es bereits konkrete Anhaltspunkte und Anforderungen die in der Praxis beruumlcksichtigt werden

In der Steiermark sind einerseits ein moumlglicher Anschlusszwang fuumlr Fernwaumlrme in-nerhalb lufthygienischer Sanierungsgebiete (vgl StROG sect22 (9)) der in Graz bereits umgesetzt wurde sowie eine Landes-Foumlrderung fuumlr Aktivitaumlten im Bereich Raumlumli-cher Energieplanung (insbesondere die Erstellung von Sachbereichskonzepten fuumlr Energie (ebd sect21 (3)) zu erwaumlhnen

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In Wien wurde mit der Novelle der BO fuumlr Wien 2018 (LGBI 201869) eine Verord-nungsermaumlchtigung fuumlr sogenannte Energieraumplaumlne geschaffen Gemaumlszlig sect 2b BO fuumlr Wien kann fuumlr Teile des Stadtgebietes ein Energieraumplan als Verordnung er-lassen werden In den festgelegten Gebieten sind fuumlr Heizungs- und Warmwasser-bereitungsanlagen in Neubauten nur hocheffiziente Fernwaumlrme oder andere hoch-effiziente alternative Systeme (sect 118 Abs 3 BO fuumlr Wien) zulaumlssig Diese Verordnun-gen werden bezirksweise erarbeitet Die ersten drei Energieraumplaumlne wurden be-reits beschlossen und traten mit 23102020 in Kraft

In Salzburg gibt es seit der letzten Novellierung des SROG mit 112018 Anforderun-gen hinsichtlich Darstellung der energiebezogenen Inhalte in den Bestandsanalysen (vgl SROG sect 24 (1) z2) bzw betreffend der Aussagen zur angestrebten Energiever-sorgung (vgl ebd sect25 (2) z5) in den raumlumlichen Entwicklungskonzepten (fortan bdquoREKldquo) Die Qualitaumltssicherung erfolgt im Rahmen des Amtshilfeverfahrens durch das fachlich zustaumlndige Referat 404 Energiewirtschaft und -beratung des Amtes der Salzburger Landesregierung und ist mit einem kostenlosen Informationsservice fuumlr die Gemeinden verknuumlpft

Die Beruumlcksichtigung energie- und klimaschutzbezogener Fragen ist in einigen Bundeslaumlndern bereits moumlglich oder sogar gefordert Die Umsetzung hat sich in den letzten zwei Jahren mit konkreten An-wendungen etabliert

These 2 Drei Bereiche sind fuumlr die Beruumlcksichtigung energiebezogener Fragestel-lungen in der Raumplanung maszliggeblich Siedlungsstruktur und Gebaumludebestand Energieversorgungsinfrastruktur und die Nutzung lokaler erneuerbarer Ressour-cen

Zahlreiche Studien belegen dass raumordnungsrelevante Festlegungen maszliggeblich zum Klimaschutz beitragen Eine Untersuchung von bestehenden Siedlungen ergab einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Bebauungsdichte und Primaumlrenergieverbrauch (vgl Ott 2008 S 5) Ebenso ist der Motorisie-rungsgrad bei houmlherer Besiedlungsdichte geringer (VCOuml 2019) Die Bebauungsdichte ist daruumlber hinaus ausschlaggebend fuumlr die Versorgungsinfrastrukturen Die Moumlglichkeit zum wirtschaftlichen Betrieb von netzgebundener Waumlrmeversorgung die als Schluumlssel fuumlr die Energiewende im Bereich der Waumlrme gesehen wird (vgl Maaszlig et al 2015) ist direkt von kompak-ten und nutzungsgemischten Siedlungsstrukturen abhaumlngig Durch Vorzieheffekte kann die Fern-waumlrme maszliggeblich zum Tausch fossiler Heizsysteme beitragen Das politische Ziel des Phase-Outs fos-siler Energietraumlger wird durch das Verbot des Einbaus von Oumllkesseln im Neubau (vgl OumlKEVG 2019) bereits aktiv forciert Fuumlr den Bereich der Gasversorgung muumlssen im Hinblick auf eine Erreichung der Klimaschutzziele aumlhnliche Maszlignahmen folgen (vgl Oumlsterreichische Bundesregierung 2020 S 110) Sie werden aktuell in der Entwicklung einer oumlsterreichischen Waumlrmestrategie (vgl Onlinequelle BMLRT) diskutiert und sind als Ziele in einigen Bundeslaumlndern bereits verankert (vgl Land Salzburg 2015 S 10) Die Forcierung von Fernwaumlrme (aus erneuerbaren Energiequellen) auch uumlber Instrumente der Raum-ordnung genauso wie der kuumlnftige Umgang mit bestehenden Gasinfrastrukturen erheben sich zu raum-ordnungsrelevanten Fragestellungen Mit der Frage der Energieversorgungsinfrastruktur verbunden ist die Nutzung lokaler erneuerbarer Energiequellen Das Beispiel Salzburg in dem die Zahl der Biomasse-Waumlrmenetze die Zahl der Gemein-den uumlbersteigt verdeutlicht die Kompatibilitaumlt von nachhaltiger Energie- und Wirtschaftspolitik indem die lokale Biomasse sinnvoll in nachhaltiger netzgebundener Waumlrmeversorgung in Wert gesetzt wird Synonym koumlnnen auch lokale Abwaumlrmepotenziale aus Gewerbe und Industrie erst uumlber Waumlrmenetze

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nutzbar gemacht werden Neben der Nutzung lokaler Ressourcen ist auch die Nutzung von Raum fuumlr die Energieerzeugung zu reflektieren Die Energiewende benoumltigt zusaumltzliche Flaumlchen fuumlr die Energie-gewinnung aus nachhaltigen Quellen Niederoumlsterreich und die Steiermark zeigen hier mit den Wind-energie-Eignungsflaumlchen strukturierte Ansaumltze fuumlr flaumlchendeckende Loumlsungen Eine weitere raumord-nungsrelevante Diskussion im Kontext der Raumnutzung betrifft die Freiflaumlchenanlagen fuumlr die Solar-energiegewinnung (Solarthermie oder Photovoltaik) Zuletzt kommt der hoheitlichen Planung im Kon-text der erneuerbaren Potenziale auch eine koordinierende Rolle zu wenn es darum geht die gegen-seitige negative Beeinflussung von Erd- oder Grundwasserwaumlrmepumpen zu vermeiden Aus den Ausfuumlhrungen lassen sich drei Bereiche ableiten in denen die Beruumlcksichtigung energiebezo-gener Inhalte in der Raumplanung eine besondere Relevanz aufweist Die zukunftsfaumlhige Raument-wicklung und Siedlungsstruktur die planvolle Entwicklung der Energieversorgungsinfrastruktur und die Nutzung der verfuumlgbaren erneuerbaren Energiepotenziale

Abb 1 3x3 Energie im REK eigene Abbildung

These 3 Energiebezogene Inhalte sollen und koumlnnen direkt an bestehende Pro-zesse der Raumplanung anknuumlpfen

In weiterer Folge stellt sich die Frage wie diese Inhalte in den betreffenden Prozessen und Instrumen-ten der Raumordnung beruumlcksichtigt werden koumlnnen Da die betreffenden Rechtsmaterien Raumord-nung und Baurecht im verfassungsmaumlszligigen Kompetenzbereich der Laumlnder liegen unterscheiden sich die Rahmenbedingungen zwischen den einzelnen Bundeslaumlndern (vgl auch These 1) Eine detaillierte Darstellung (fuumlr eine Uumlbersicht sei auf MadnerParapatics 2016 verwiesen) und Reflexion wuumlrden den Rahmen dieses Beitrags sprengen weshalb an dieser Stelle primaumlr die strukturellen Aspekte in den Vordergrund geruumlckt werden sollen In Anlehnung an das Vorreiterland Schweiz gehen wir davon aus dass die dargestellten Inhalte direkt an bestehende Raumplanungsprozesse anknuumlpfen koumlnnen Das bedeutet dass fuumlr die Beruumlcksichti-gung energiebezogener Inhalte in der hoheitlichen Planung keine neuen Prozesse entwickelt werden

Effiziente Infrastruktur bull Bestehende nachhaltige Energieinfrastruktur (va Fernwaumlrmenetze) beachten

und Nutzung staumlrken bull Bei Standortentwicklungen Potenziale fuumlr die Errichtung nachhaltiger Energie-

infrastruktur beachten und Ausbau von Gasinfrastruktur vermeidenbull Gegenseitige negative Beeinflussung von Infrastruktur (Umgebungswaumlrmenutzung)

vermeiden

Optimale Nutzung von lokalen Ressourcen bull Bestehende Potenziale (insbesondere Sonne Biomasse Wind

Wasser Umgebungswaumlrme) maximal nutzenbull Verschwendung lokaler Energiepotenziale (va Abwaumlrme Industrie

Gewerbe Reinhaltung) vermeiden bull Importe von Energie minimieren - lokale Wertschoumlpfung maximieren

Zukunftsfaumlhige Raumentwicklungbull KompaktheitBebauungsdichte und Nutzungmischung forcieren und damit

- den durch die Mobilitaumlt induzierten Energiebedarf reduzieren- die Energieeffizienz der Gebaumlude erhoumlhen- eine nachhaltige netzgebundene Waumlrmeversorgung ermoumlglichen

bull Alle Entwicklungen in der Peripherie vermeiden

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muumlssen Vielmehr geht es darum die relevanten Raumplanungsprozesse zu identifizieren in denen die Beruumlcksichtigung von Energie und Klimaschutz sowohl sinnvoll als auch rechtlich und kompetenz-maumlszligig moumlglich ist In weiterer Folge wird vorgeschlagen die Be- und Erarbeitung der energie- und kli-maschutzbezogenen Inhalte bei den jeweils kompetenten Stellen zu belassen (Amtshilfeverfahren) und Wege zur direkten Einbindung in den bestehenden Prozessen zu identifizieren und implementie-ren

Aus der Praxis

In Wien wird im Zuge des baubehoumlrdlichen Verfahrens durch die zustaumlndige Be-houmlrde gepruumlft ob das entsprechende Bauvorhaben innerhalb eines Gebietes des Energieraumplans liegt Wenn dies zutrifft sind fuumlr die Versorgung mit Raumwaumlrme oder Warmwasser keine fossilen Energietraumlger zulaumlssig und die Alternativenpruuml-fung entfaumlllt Auszligerhalb der Gebiete gelten die allgemeinen Anforderungen fuumlr Neu-bauten wo im Falle einer geplanten fossilen Waumlrmeversorgung (Gas) eine Alterna-tivenpruumlfung durchzufuumlhren ist

Im Bundesland Salzburg werden im Zuge des Amtshilfeverfahrens seit 2019 alle ein-gereichten Raumlumlichen Entwicklungskonzepte in allen Verfahrensstufen fundierten fachdienstlichen Stellungnahmen von Seiten des Referats 404 Energiewirtschaft und -beratung des Amtes der Salzburger Landesregierung unterzogen Als Basis fuumlr die Beurteilung dienen profunde Analysen (siehe These 4) Darauf aufbauend bietet das Referat auszligerdem eine direkte und kostenfreie Unterstuumltzung bei der Entwick-lung der Inhalte uumlber die Bereitstellung von Analysen und Praumlsenztermine zur Dis-kussion der energie- und klimaschutzbezogenen Inhalte

Im Rahmen der nationalen Vorzeigeregion Energie des Klima- und Energiefonds GREEN ENERGY LAB bdquoSpatial Energy Planning for Energy Transitionldquo (fortan GEL SEP Onlinequelle GEL SEP) wurden die folgenden drei Planungsebenen als relevant identifiziert (siehe Abb 2)

Abb 2 Relevante Planungsebenen zur Beruumlcksichtigung energie- und klimaschutzbezogener Inhalte

Fuumlr diese wird nun an konkreten Implementierungen zur Beruumlcksichtigung energie- und klimaschutz-bezogener Fragestellungen in den drei beteiligten Bundeslaumlndern Salzburg Steiermark und Wien in Abhaumlngigkeit der jeweiligen rechtlichen Rahmen und bestehenden Verwaltungsstrukturen gearbeitet Zu beachten ist dabei der Zusammenhang zwischen den Planungsebenen Ziel jeder Aktivitaumlt im Be-reich Raumlumlicher Energieplanung ist es Planungsentscheidungen in Richtung einer houmlheren Klimaver-traumlglichkeit zu verbessern d h eine Oumlkologisierung im konkreten Bauprojekt zu erwirken Verbindli-

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che Vorgaben beispielsweise uumlber die Bebauungsplanung sind (selbst im Falle des Vorliegens entspre-chender rechtlicher Ermaumlchtigungen) von einer entsprechenden Zielsetzung auf der uumlbergeordneten Ebene abhaumlngig Die Formulierung entsprechender Ziele in der oumlrtlichen Entwicklungsplanung wird damit zur Basis fuumlr die Umsetzung in den Einzelprojekten Des Weiteren koumlnnen auch hier allgemein die Zielsetzung auf Landesebene (z B Formulierung von Grundsaumltzen im ROG) und politische Ziele auf Gemeindeebene notwendige Bedingungen sein um die Themen in den Entwicklungskonzepten ent-sprechend adressieren und festlegen zu koumlnnen Insgesamt ist die Beruumlcksichtigung energiebezogener Inhalte in der Raumplanung noch Neuland Es bedarf der Entwicklung neuer Rollen und der sensiblen Anpassung von bestehenden Prozessen inklu-sive der dafuumlr mitunter notwendigen Genese der rechtlichen Rahmenbedingungen Erste Implemen-tierungen in der Praxis zeigen wie energie- und klimaschutzbezogene Fragestellungen in bestehenden Raumplanungsprozessen effektiv und effizient beruumlcksichtigt werden koumlnnen

These 4 Die erforderliche Information zur Umsetzung von Raumlumlicher Energiepla-nung muss und kann standardisiert und effizient bereitgestellt werden

Die Integration eines neuen Materienkomplexes fordert einerseits die Entwicklung und Verfuumlgbarkeit der entsprechenden Kompetenzen Durch die in These 3 vorgeschlagene Rollenteilung und Auslage-rung der energiebezogenen Informationsaufbereitung und Qualitaumltssicherung an die fachlich zustaumln-digen Verwaltungseinheiten kann dieser Herausforderung entgegengetreten werden Andererseits im-plizieren die neuen Aufgaben fuumlr beide Seiten und insbesondere fuumlr Letztere in jedem Fall einen zu-saumltzlichen Aufwand Die Schaffung neuer Planstellen in Landes- oder Gemeindeverwaltung ist gerade in der Anfangsphase schwer darzustellen Spaumltestens bei kleineren Staumldten oder gar Gemeinden muumls-sen die neuen Aufgaben zwangslaumlufig zu einer kompetenz- und ressourcenmaumlszligigen Uumlberforderung fuumlhren Um eine Chance auf die Beruumlcksichtigung der neuen Inhalte zu haben sind demzufolge einer-seits der Aufwand und andererseits die notwendige Kompetenz so weit wie moumlglich zu reduzieren Die Bereitstellung der notwendigen Informationen fuumlr die Staumldte und Gemeinden erscheint vor diesem Hintergrund als notwendig Eine umfassende Praumlzisierung und Standardisierung der zu beruumlcksichti-genden Inhalte ermoumlglicht eine effiziente Bearbeitung welche durch moderne Informationssysteme gestuumltzt werden kann Zu erwaumlhnen sind in diesem Kontext die uumlber die LandesGIS verfuumlgbaren ener-giebezogenen Informationen (vor allem Solar- und Windpotenziale aber auch weiterfuumlhrende Infor-mationen wie Umgebungswaumlrmepotenziale Energienetzdaten Energieerzeugungsanlagen Waumlrme-netzpotenziale und bis hin zur Verortung von Musterprojekten (vgl z B Onlinequellen ViennaGIS und SAGIS) welche einige Bundeslaumlnder in den letzten Jahren schrittweise aufgebaut haben Eine Standar-disierung der darzustellenden Inhalte bringt daruumlber hinaus weitere Vorteile mit sich Einerseits wird dadurch eine strukturierte Schulung der betroffenen Akteure (primaumlr Baubehoumlrden und Ortsplaner) ermoumlglicht Andererseits wird fuumlr die pruumlfbehoumlrdlichen Verfahren die notwendige Vergleichbarkeit und Gleichbehandlung sichergestellt

Aus der Praxis

Das Land Steiermark hat mit dem Leitfaden zum Sachbereichskonzept Energie (Ab-art-HerisztStoumlglehner 2019) einen Standard fuumlr die Beruumlcksichtigung energiebezo-gener Inhalte in der oumlrtlichen Entwicklungsplanung geschaffen und zur Nutzung umfassend geschult

Im Projekt GEL SEP (Onlinequelle GEL SEP) gehen die Bundeslaumlnder Steiermark Wien und Salzburg den naumlchsten Schritt und entwickeln fuumlr definierte Planungspro-zesse (primaumlr in den Bereichen Entwicklungsplanung und Projekt-Arealentwick-lung) automatisiert generierte Berichte und Analysen Diese konzentrieren sich vor-

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erst auf den im Hinblick auf die induzierten Emissionen und die vorhandenen ord-nungspolitischen Instrumente relevantesten Sektor Waumlrme Als Ergebnis des Pro-jektes werden Mitte 2021 insgesamt zehn verschiedene automatisierte Analysedo-kumente fuumlr Anwendungen in allen drei Planungsebenen in allen drei Bundeslaumln-dern verfuumlgbar und uumlber die LandesGIS abrufbar sein Mobilitaumlt und Strom sollen in einem naumlchsten Schritt in die entwickelten Strukturen integriert werden

Auf dieser Basis der Arbeit des Projektes erhalten Salzburger Gemeinden bereits seit 2020 in Prozessen zur Erstellung von REKs umfassende standardisierte Be-standsanalysen welche alle notwendigen Informationen zur Beruumlcksichtigung ener-giebezogener Inhalte in den REKs enthalten Das Service wird durch das Referat 404 Energiewirtschaft und -beratung des Amtes der Salzburger Landesregierung kostenfrei zur Verfuumlgung gestellt Mit der Schaffung dieser Basis konnten die Anfor-derungen zur Darstellung energie- und klimaschutzbezogener Inhalte in den REKs schrittweise erhoumlht werden

These 5 Notwendige Datengrundlagen in moumlglichst feiner Granularitaumlt und hoher Aktualitaumlt sind unter Beruumlcksichtigung des Datenschutzes verfuumlgbar zu machen

Die Erstellung der Analysen setzt die Verfuumlgbarkeit der notwendigen Daten und Informationen voraus In Bezug auf die Bereitstellung der Daten wurde bisher primaumlr der Weg der anlassbezogenen Datenak-quise beschritten Dieser Weg wird auch in Deutschland begangen wo beispielsweise in Schleswig-Holstein das Gesetz zur Energiewende und Klimaschutz eine Verfuumlgung zur Datenuumlbermittlung von Seiten Schornsteinfegern oumlffentlichen Stellen und Energieversorgungsunternehmen umfasst (vgl Ge-setz zur Energiewende und zum Klimaschutz 2017 sect7 (2)) Aumlhnliche Vorgangsweisen gibt es in Ham-burg Bayern und Baden-Wuumlrttemberg (in Vorbereitung) In Abhaumlngigkeit von der Breite und Tiefe der Analysen wird eine hohe Zahl an Datenquellen benoumltigt Die Vollstaumlndigkeit Richtigkeit und Aktualitaumlt der Datenquellen sind dabei ausschlaggebend fuumlr die Qualitaumlt der Analysen Entsprechend ist eine exakte Kenntnis dieser Parameter fuumlr alle verwendeten Datenquellen unabdingbar In Abhaumlngigkeit der raumlumlichen Granularitaumlt der Daten sind raumlumlich kon-kretere oder weniger konkrete Aussagen moumlglich Im Lichte der jeweils angestrebten Aussage und raumsachlichen Festlegung ist eine Reflexion der notwendigen und verfuumlgbaren Datenqualitaumlt anzu-stellen Mit dem Energiemosaik Oumlsterreich (Onlinequelle Energiemosaik) gibt es seit 2019 eine Darstellung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen fuumlr alle oumlsterreichischen Gemeinden Als Datenbasis werden dafuumlr primaumlr statistische Daten herangezogen und auf Gemeindeebene disaggregiert Diese erlauben grobe Aussagen auf Gemeindeebene fuumlr eine erste Einschaumltzung Strategische Richtungsent-scheidungen beispielsweise zur Eignung von Siedlungsgebieten unter Beruumlcksichtigung von Waumlrme-versorgung und Mobilitaumltsbedarf koumlnnen sich daraus nach Pruumlfung der Plausibilitaumlt uumlber Realdaten und ndashwissen ableiten lassen Die Reichweite ist gleichzeitig mit der Granularitaumlt und Datenqualitaumlt be-grenzt Fuumlr Festlegungen (beispielsweise zu Vorranggebieten fuumlr die netzgebundene Waumlrmeversor-gung) oder Planungsentscheidungen auf Arealebene werden feinere Granularitaumlten (gebaumlude- bzw grundstuumlcksgenau gegebenenfalls ha-Raster) und houmlhere Aussagegenauigkeiten benoumltigt als durch statistische Daten ableitbar waumlren Je houmlher die Qualitaumlt Granularitaumlt und Zahl der verfuumlgbaren Daten desto breiter wird die Eignung als Planungsgrundlage Das Projekt Enerspired Cities (Onlinequelle Enerspired Cities) hat fuumlr die Darstel-lung der wichtigsten energiebezogenen Informationen (Energieversorgungsinfrastruktur Energiebe-darfe und erneuerbare Energiepotenziale vgl These 2) eine dreistellige Anzahl an notwendigen Da-tenquellen identifiziert und diese einzeln bewertet und katalogisiert Die verfuumlgbaren und nutzbaren

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Datenquellen unterscheiden sich dabei aufgrund der abweichenden Verwaltungsstrukturen teilweise deutlich zwischen den Bundeslaumlndern Fuumlr die Nutzung dieser Daten zu Planungszwecken sind auch im Falle der Verfuumlgbarkeit in ausreichen-der Qualitaumlt weitere Herausforderungen gegeben Im Sinne einer laufend aktuellen Datenbasis sind kontinuierliche Updates und die entsprechenden Uumlbergabepunkte sicherzustellen Eine relevante Huumlrde stellt schlussendlich der Datenschutz dar Spaumltestens mit der DSGVO ist fuumlr Daten mit Personen-bezug ein umfassendes Datenschutzmanagement inklusive Zugriffssteuerung erforderlich

Aus der Praxis

Das Datenmanagement ndash allen voran die Katalogisierung und das Aufbereiten von Metadaten - bildet eine zentrale Grundlage zur Nutzung der Daten und ist zudem Basis fuumlr das Datenschutzmanagement In der Implementierung des Waumlrmeatlas in den Bundeslaumlndern Wien Steiermark und Salzburg werden unter anderem Daten mit Personenbezug verwendet Die Nutzung der personenbezogenen Daten ist fuumlr die definierten Planungsprozesse (siehe These 3) in den Gemeinden teilweise (ab-haumlngig vom konkreten Prozess sowie Bundesland) rechtlich gedeckt In der Umset-zung ist sicherzustellen dass die Daten nur von jenen Stellen verarbeitet und ge-nutzt werden welche dazu rechtlich legitimiert sind Da groszlige Teile der Datenquel-len in Haumlnden der Bundeslaumlnder liegen und die Darstellung uumlber die Landes-GIS er-folgen soll kommt den Aumlmtern der Landesregierungen als gemeinsame Verant-wortliche mit den Gemeinden eine wichtige Rolle beim Datenhosting und der Da-tenverarbeitung zu

These 6 Den Bundeslaumlndern kommt eine Schluumlsselrolle in der Implementierung von raumlumlicher Energieplanung zu

Abb 3 Schluumlsselrollen der Bundeslaumlnder bei der Implementierung raumlumlicher Energieplanung

Die letzte These leitet sich als Fazit aus den vorangegangenen Thesen ab Aus Sicht der Autoren kommt in der Beruumlcksichtigung energiebezogener Fragestellungen in hoheitlichen Planungsprozessen den Bundeslaumlndern eine Schluumlsselrolle zu Die Aufgaben lassen sich wie folgt zusammenfassen

Datenbereitstellung

Datenhosting und -verarbeitung inklusive Datenschutzmanagement

Informationsaufbereitung und -bereitstellung

Rechtsrahmen

Qualitaumltssicherung

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(1) Datenbereitstellung Viele der benoumltigten Daten liegen in der Hand der Landesverwaltungen Die langfristige Bereitstellung die Sicherstellung und Erhoumlhung von Aktualitaumlt und Qualitaumlt sowie die Harmonisierung der Adresser-kennung tragen maszliggeblich zur Schaffung verlaumlsslicher Planungsgrundlagen bei Gleichzeitig muss si-chergestellt werden dass energierelevante Datengrundlagen im Verantwortungsbereich der Gemein-den (z B AGWR digitale Katastermappe fuumlr Gebaumlude) aktuell gehalten werden (2) Datenhosting und -verarbeitung inklusive Datenschutzmanagement Neben den landesinternen Daten sind auch externe Datenquellen zu verarbeiten Dafuumlr benoumltigt es eine verantwortliche Stelle welche Datensicherheit und Datenschutz gewaumlhrleistet und uumlber die ent-sprechenden Infrastrukturen verfuumlgt Die Verarbeitung von Daten und das Einbinden in entsprechende Modelle (oder Entwickeln von Modellen) um Fragestellungen zu beantworten ist Teil der Grundlagen-forschung Die Erfuumlllung dieser Aufgaben ist aufgrund der notwendigen Kompetenzen und Ressourcen Gemeinden und Ortsplanern nicht zumutbar und wuumlrde daruumlber hinaus eine Vergleichbarkeit unter-minieren Mit der Umsetzung uumlber die Landesregierungen als gemeinsame Verantwortliche kann ma-ximale Effizienz Sicherheit und Standardisierung gewaumlhrleistet werden Gleichzeitig erscheint eine Uumlbertragung auf Bundesebene aufgrund der groszligen Heterogenitaumlt der Da-tenquellen zwischen den einzelnen Bundeslaumlndern der fehlenden Kompetenzen sowohl in der Daten-haltung als auch in den Zustaumlndigkeiten im Planungsbereich sowie der reduzierten Moumlglichkeit zur Qualitaumltssicherung und -verbesserung der Daten als nicht zielfuumlhrend (3) Informationsaufbereitung und -bereitstellung Die Landes-GIS sind optimal fuumlr die Informationsbereitstellung geeignet Sie koumlnnen direkt auf die im Rahmen der Landesverwaltungen gewarteten Daten (vgl Punkt 2) zugreifen Die Landes-GIS erlauben ein Benutzermanagement mit Klassifizierung der Zugriffsrechte und eine Teilung in oumlffentliche und eingeschraumlnkte Karten und ermoumlglichen damit die Bereitstellung weniger sensibler Daten (va erneu-erbare Energiepotenziale) an eine breite Oumlffentlichkeit Gleichzeitig besteht die Moumlglichkeit der einge-schraumlnkten Bereitstellung von Informationen fuumlr Gemeinden inklusive Spiegelung der relevanten Kar-ten in den Gemeinde-GIS uumlber verfuumlgbare Schnittstellen In diesem Sinne sind die Landes-GIS in vielen Faumlllen die direkte Grundlage fuumlr die Raumplanungsprozesse Zuletzt ist auch die Bereitstellung auto-matisierter Analysen uumlber die Landes-GIS moumlglich (4) Rechtsrahmen Die fuumlr die Beruumlcksichtigung energiebezogener Inhalte in hoheitlichen Planungsprozessen wichtigsten Gesetzesmaterien sind das Raumordnungsrecht und das Baurecht Beide befinden sich im Kompetenz-bereich der Bundeslaumlnder Der in einigen Bundeslaumlndern begonnene Trend der Ermaumlchtigung bzw Verpflichtung zur Beruumlcksichtigung von energie- und klimaschutzbezogenen Fragestellungen vor allem in der Entwicklungsplanung birgt das Potenzial zur Verbreitung auf andere Bundeslaumlnder und zur Ver-tiefung sowie Praumlzisierung der adressierten Inhalte Gleichzeitig ist es wichtig dass die Bruumlcke zum Baurecht geschaffen wird Die Ermaumlchtigung zu energiebezogenen Festlegungen im Bebauungsplan ist eine wichtige Grundlage um die Exekutierung der in der Entwicklungsplanung formulierten Ziele zu ermoumlglichen Neben den direkt relevanten Rechtsmaterien gibt es weitere mit indirekter Relevanz Darunter fallen beispielsweise die Bereitstellungsverpflichtung Definition der Qualitaumltsanforderung und die Nutzungsermaumlchtigung fuumlr die benoumltigten Daten oder die Verbindung der Instrumente der Raumordnung mit weiteren hoheitlichen Steuerungsinstrumenten (z B Wohnbaufoumlrderung Energie-foumlrderung Beratung Bewusstseinsbildung)

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(5) Qualitaumltssicherung Der Erfolg der Aktivitaumlten raumlumlicher Energieplanung haumlngt von einer effektiven Umsetzung ab - alle Vorhaben sind nur so gut wie sie auch konsequent und qualitaumltsvoll umgesetzt werden und somit zu einer signifikanten und moumlglichst raschen Reduktion des CO2-Ausstoszliges beitragen Qualitaumltssicherung beginnt bei den genutzten Datengrundlagen und der Informationsaufbereitung Als fuumlr die Raumord-nung verantwortliche Pruumlfbehoumlrde nehmen die Bundeslaumlnder daruumlber hinaus auch im Verfahren selbst im Hinblick auf die Qualitaumltssicherung eine Schluumlsselrolle ein Schlussendlich koumlnnen nur sie sicherstel-len dass die sachlichen Erkenntnisse der energieraumlumlichen Analysen in der praktischen Umsetzung in den Gemeinden auch Beruumlcksichtigung finden

Aus der Praxis

Die Bundeslaumlnder Wien Steiermark und Salzburg haben in den letzten Jahren so-wohl im Hinblick auf die rechtlichen Grundlagen als auch im Hinblick auf die Bereit-stellung der Informationen viele wichtige Grundlagen geschaffen Dabei werden je-weils Ansaumltze verfolgt in denen die Landesregierungen die Verantwortung fuumlr die Beruumlcksichtigung energie- und klimaschutzbezogener Fragestellungen aktiv wahr-nehmen Der Entwicklung der Anforderungen steht jeweils ein direktes Service fuumlr die Gemeinden (in Form von Informationsbereitstellung Beratung Schulung und Foumlrderung) gegenuumlber

Schlussfolgerungen Ausblick Die Themen Energiewende und Klimaschutz sind heute als oumlffentliches Interesse etabliert und erheben sich damit auch in der Raumplanung aus dem bisherigen Schattendasein Energieraumplanung hat in den letzten beiden Jahren groszlige Entwicklungsspruumlnge gemacht und ist in der Praxis angekommen Erste Bundeslaumlnder haben effektive Schritte zur Beruumlcksichtigung von energie- und klimaschutzbezo-genen Fragestellungen in hoheitlichen Planungsprozessen gesetzt In Wien der Steiermark und Salz-burg gibt es heute etablierte Prozesse die in der Praxis erfolgreich exekutiert werden Datenbereitstellung Datenhosting Datenverarbeitung Informationsaufbereitung und -bereitstellung Qualitaumltssicherung sowie die Schaffung des rechtlichen Rahmens stellen die maszliggeblichen Grundlagen dar Aufgrund der Kompetenzenverteilung und der notwendigen Ressourcen kommt den Bundeslaumln-dern als Institutionen eine Schluumlsselrolle zu um die Integration des neuen Materienkomplexes in be-stehende Prozesse der Raumplanung in der Praxis bewerkstelligen zu koumlnnen Nach der Etablierung erster Prozesse zur Beruumlcksichtigung energie- und klimaschutzbezogener Inhalte in der Raumplanung muss es in den naumlchsten Schritten darum gehen die Instrumente konsequent weiterzuentwickeln zu verbessern und thematisch zu vertiefen eine eindeutige Rechtssicherheit fuumlr die Umsetzung zu schaffen und diese in der Praxis sicherzustellen sowie die nuumltzlichen Erfahrungen auf weitere Bundeslaumlnder zu skalieren

Literatur

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Maaszlig C Sandrock M Schaeffer R (2015) Fernwaumlrme 30 Strategien fuumlr eine zukunftsorientierte Fernwaumlrmepolitik Hamburg HIR ndash Hamburg Institut Research gGmbH httpswwwhamburg-insti-tutcomimagespdfstudien15021920Fernwrme203_0apdf (letzter Zugriff 24092020)

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Gesetzesquellen

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Tiroler RaumordnungsgesetzTROG 2016 LGBl Nr 1012016 idF LGBl Nr 512020 httpswwwrisbkagvatGeltendeFassungwxeAbfrage=LrTampGesetzesnummer=20000647

Vorarlberger Gesetz uumlber die RaumplanungVGRP 1996 LGBlNr 391996 idF LGBlNr 192020 httpswwwrisbkagvatGeltendeFassungwxeAbfrage=LrVbgampGesetzesnummer=20000653

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Onlinequellen

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e5-Energieeffiziente Gemeinden (wwwe5-gemeindenat)

Enco2Web (httpsprojekteffgatprojekt2808525)

Energiemosaik (httpswwwenergiemosaikatintro)

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Energieraumplaumlne (Klimaschutzgebiete) der Stadt Wien (httpswwwwiengvatstadtentwick-lungenergieerp)

Enerspired Cities (wwwenerspiredcity)

GREEN ENERGY LAB Spatial Energy Planning for Energy Transition (wwwwaermeplanungat)

OumlREK (httpswwwoerokgvatraumthemenenergieraumplanung)

SAGIS (httpswwwsalzburggvatsagismobilesagisonline)

ViennaGIS (httpswwwwiengvatumweltgutpublic)

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Das Sachbereichskonzept Energie in der Steiermark Ein Buumlndel aus rechtlicher Verankerung fachlichen Grundlagen fundierter Beratung und finanzieller Foumlrderung

Lore Abart-Heriszt (1) Dieter Preiszlig (2) und Michael Redik (3)

DOI 10347261021

(1) Dipl-Ing Dr Institut fuumlr Raumplanung Umweltplanung und Bodenordnung (IRUB) Department fuumlr Raum Landschaft und Infrastruktur (RALI) Universitaumlt fuumlr Bodenkultur (BOKU) Wien

(2) Dipl-Ing Amt der Steiermaumlrkischen Landesregierung Abteilung 15 ndash Energie Wohnbau Technik Referat fuumlr Energietechnik und Klimaschutz

(3) Dipl-Ing Amt der Steiermaumlrkischen Landesregierung Abteilung 13 ndash Umwelt und Raumordnung Referat fuumlr Bau- und Raumordnung

Abstract

Die energieraumplanerischen Standortraumlume kennzeichnen innerhalb von Gemeinden Siedlungsge-biete die als besonders energieeffizient und klimafreundlich gelten Identifiziert werden einerseits Standortraumlume fuumlr Fernwaumlrmeversorgung unter Beruumlcksichtigung von Waumlrmebedarfs- und Bebau-ungsdichten Andererseits werden Standortraumlume fuumlr klimafreundliche Mobilitaumlt identifiziert die auf-grund ihrer Nutzungsmischung und -dichte sowie ihrer oumlV-Guumlte uumlber optimale Rahmenbedingungen fuumlr den Fuszlig- und Radverkehr sowie den oumlffentlichen Verkehr verfuumlgen Die Uumlberlagerung der Stand-ortraumlume fuumlr Fernwaumlrmeversorgung mit den Standortraumlumen fuumlr klimafreundliche Mobilitaumlt kenn-zeichnet jene Siedlungsgebiete innerhalb von Gemeinden auf die mit den Instrumenten der oumlrtlichen Raumplanung die kuumlnftige bauliche Entwicklung gelenkt werden soll Diese Flaumlchen stehen im Allge-meinen auch im Fokus der Strategien zur Innenentwicklung Die energieraumplanerischen Standort-raumlume bilden vornehmlich eine Grundlage fuumlr das Oumlrtliche Entwicklungskonzept aber auch fuumlr den Flaumlchenwidmungsplan sowie den Bebauungsplan Sie gehen in den raumordnungspolitischen Mei-nungsbildungsprozess ein in dem uumlber die kuumlnftige raumlumliche Entwicklung einer Gemeinde entschie-den wird

Schluumlsselbegriffe

Energieeffiziente Siedlungsstrukturen energieraumplanerische Standortraumlume oumlrtliche (Energie-) Raumplanung Abart-Heriszt L Preiszlig D Redik M (2021) Das Sachbereichskonzept Energie in der Steiermark Ein Buumlndel aus rechtlicher Verankerung fachlichen Grundlagen fundierter Beratung und finanzieller Foumlrderung In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S18-27

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Inhalt Rahmenbedingungen des Landes fuumlr die Energieraumplanung in der Steiermark 20

Energie- und Treibhausgasdatenbanken und die Ausweisung energieraumplanerischer Standortraumlume 21

Kommunale Energie- und Treibhausgasdatenbank 21

Rasterbasierte Energie- und Treibhausgasdatenbank 22

Energieraumplanerische Standortraumlume 22

Klimaschutz und das Foumlrderungsprogramm zur Energieraumplanung in der Steiermark 25

Schlussbemerkung 26

Literatur 27

Abart-Heriszt Preiszlig Redik (2021) Das Sachbereichskonzept Energie in der Steiermark Ein Buumlndel aus rechtlicher Veranke-rung fachlichen Grundlagen fundierter Beratung und finanzieller Foumlrderung DOI 10347261021

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Rahmenbedingungen des Landes fuumlr die Energieraumplanung in der Steiermark

Das energiepolitische Engagement der steiermaumlrkischen Raumplanung hat lange Tradition Schon seit Jahrzehnten ist den Verantwortlichen in der Steiermark der Raumbezug energierelevanter Aspekte bewusst Bereits im Landesentwicklungsprogramm 1977 hat sich das Land Steiermark mit dem Thema Energie befasst Die Erstellung eines Sachprogramms fuumlr den Themenbereich Rohstoff- und Energie-versorgung wurde vorgesehen und im Jahr 1984 (allerdings als unverbindliches Konzept) umgesetzt In der zweiten Haumllfte der 1980er-Jahre wurden die energetischen Potenziale der Planungsregionen (im Wesentlichen war das die Bezirksebene) als Grundlage fuumlr die regionalen Entwicklungsprogramme der ersten Generation erfasst rechtlich verbindliche Vorgaben wurden daraus aber nicht abgeleitet Einen weiteren Anlass sich mit dem Thema Energie auseinanderzusetzen bot im Jahr 1993 das Entwick-lungsprogramm fuumlr die Reinhaltung der Luft Darin wurden lufthygienische Sanierungsgebiete abge-grenzt und fuumlr den Grazer Zentralraum Moumlglichkeiten zur Festlegung von verpflichtenden Fernwaumlrme-anschlussbereichen eroumlffnet eine Umsetzung erfolgte aber nur in Teilbereichen der Landeshauptstadt Graz Seit den 1990er Jahren richtete sich das Hauptaugenmerk auf zahlreiche Standortpruumlfungen bzw -planungen fuumlr Energieerzeugungsanlagen (Kleinwasserkraft Photovoltaik Windparks Biomasse) zu-letzt muumlndeten diese Arbeiten in die Novelle des Entwicklungsprogramms fuumlr den Sachbereich Wind-energie (2019) Mit bdquoEnergieraumplanungldquo im Sinne der Definition der OumlROK (bdquoEnergieraumplanung ist jener integrale Bestandteil der Raumplanung der sich mit den raumlumlichen Dimensionen von Energieverbrauch und Energieversorgung umfassend beschaumlftigtldquo) befasste sich das EU-Projekt SPECIAL (Spatial planning and energy for communities in all landscapes) an dem sich das Land Steiermark beteiligte (2013-2016) Als Umsetzungsmaszlignahme dieses EU-Projekts wurde das Institut fuumlr Raumplanung Umweltplanung und Bodenordnung der Universitaumlt fuumlr Bodenkultur Wien (BOKU) damit beauftragt sogenannte bdquoSach-bereichskonzepte Energieldquo (SKE) fuumlr zwei Fallbeispielgemeinden sowie einen Leitfaden fuumlr die Entwick-lung solcher SKEs in der Steiermark zu erarbeiten Basierend auf den Erfahrungen in diesem Pilotpro-jekt beauftragte das Land Steiermark anschlieszligend die BOKU mit der Bereitstellung einer kommunalen und rasterbasierten Energie- und Treibhausgasdatenbank einschlieszliglich der flaumlchendeckenden Aus-weisung energieraumplanerischer Standortraumlume nach einer einheitlichen Methodik fuumlr alle 287 Ge-meinden in der Steiermark (vgl Kap 2) Die umfangreichen Datensaumltze wurden den Gemeinden kos-tenlos in digitaler Form zur Verfuumlgung gestellt und dienen steiermarkweit als Grundlage fuumlr die Erar-beitung von SKEs In diesem Rahmen wurde auch der Leitfaden adaptiert (bdquoDas Sachbereichskonzept Energie ndash ein Beitrag zum Oumlrtlichen Entwicklungskonzept Leitfaden Version 20ldquo) Er soll Akteure in der oumlrtlichen Raumplanung dabei unterstuumltzen auf Basis der Datenbanken und Standortraumlume plane-rische Strategien zu erarbeiten die in Festlegungen fuumlr eine energie- und klimaoptimierte raumlumliche Entwicklung muumlnden Im Vordergrund der Betrachtungen stehen dabei Aspekte der Waumlrmeversorgung und der Mobilitaumlt Aufgrund der Bestimmungen des Steiermaumlrkischen Raumordnungsgesetzes 2010 (StROG 2010) bildet das SKE nicht nur eine unerlaumlssliche Planungsgrundlage fuumlr die Beruumlcksichtigung von Energiewende und Klimaschutz in der oumlrtlichen Raumplanung Vielmehr ist ein Energiekonzept als (vorwiegend) fa-kultatives Sachbereichskonzept zum oumlrtlichen Entwicklungskonzept (OumlEK) im StROG explizit verankert (vgl dazu sect 21 (3)) Diese Bestimmung ist im Vergleich zu den gesetzlichen Regelungen in anderen Bundeslaumlndern bemerkenswert und eroumlffnet die Moumlglichkeit wesentliche Inhalte des SKE im OumlEK der Gemeinde verbindlich festzulegen Mit dem SKE wird demnach das zentrale strategische Planungs-instrument auf kommunaler Ebene um energieraumplanerische Aspekte ergaumlnzt Energie- und klima-relevante Aussagen erhalten durch die Integration in den fachuumlbergreifenden Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozess sowie durch den Verordnungscharakter des OumlEK besondere Bedeutung Die

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rechtliche Verankerung energieraumplanerischer Bestimmungen im OumlEK ist gemeinsam mit der Wahr-nehmung von einschlaumlgigen Weiterbildungsangeboten seitens der kommunalen Akteure die zentrale Voraussetzung fuumlr die Ausschuumlttung von Mitteln aus dem Oumlkofonds Steiermark Uumlber diesen Fonds ist es gelungen eine finanzielle Unterstuumltzung fuumlr Gemeinden bei der Erstellung und Umsetzung der SKEs aufzustellen (vgl Klimaschutz und das Foumlrderungsprogramm zur Energieraumplanung in der Steier-mark)

Energie- und Treibhausgasdatenbanken und die Ausweisung energieraumplaneri-scher Standortraumlume Fuumlr eine vorausschauende Planung wie im Falle des OumlEK bzw des SKE ist die genaue Kenntnis und Analyse der Ausgangssituation unabdingbar Das SKE basiert daher einerseits auf einer raumlumlich und sachlich hoch aufgeloumlsten energie- und mobilitaumltsrelevanten Bestands- und Potenzialanalyse die so-wohl auf Gemeindeebene als auch im 250-m-Raster erfolgt (kommunale und rasterbasierte Energie- und Treibhausgasdatenbank) Andererseits bilden die energieraumplanerischen Standortraumlume eine unerlaumlssliche Grundlage fuumlr die Entwicklung von Strategien zugunsten energie- und klimaeffizienter Raum- und Siedlungsstrukturen im Rahmen des SKE Der Leitfaden bdquoDas Sachbereichskonzept Energieldquo unterstuumltzt die kommunalen Akteure allen voran die oumlrtlichen Raumplaner bei der Analyse und Inter-pretation der umfangreichen Datensaumltze

Kommunale Energie- und Treibhausgasdatenbank

Fuumlr die Entwicklung kommunaler Strategien zur Energiewende und zum Klimaschutz ist eine profunde Charakterisierung der Gemeinde im Hinblick auf Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen im Status quo (Eroumlffnungsbilanz) ebenso unerlaumlsslich wie die Darstellung der energetischen Potenziale der Gemeinde

Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen der Gemeinde

Im Hinblick auf den Energieverbrauch und die Treibhausgasemissionen auf Gemeindeebene stuumltzt sich das SKE auf das bdquoEnergiemosaik Austrialdquo Diese Datenbank bildet den Energieverbrauch und die damit verbundenen Treibhausgasemissionen fuumlr alle oumlsterreichischen Staumldte und Gemeinden ab und bietet damit umfangreiche energie- und klimarelevante Entscheidungsgrundlagen auf Gemeindeebene Das Energiemosaik Austria steht seit Jaumlnner 2020 unter wwwenergiemosaikat mit interaktiven Karten umfangreichen Tabellen und weiterfuumlhrenden Diagrammen zur Verfuumlgung (Abart-Heriszt et al 2019a und 2019b) Die Ergebnisse des Energiemosaiks Austria wurden fuumlr die steiermaumlrkischen Gemeinden in einer sepa-raten Datenbank abgelegt (kommunale Energie- und Treibhausgasdatenbank Steiermark) die uumlber eine eigens entwickelte Excel-Abfrageoberflaumlche zugaumlnglich ist (Abart-Heriszt et al 2020) Sie wurde den Gemeinden in der Steiermark schon im Sommer 2018 vorweg zur Verfuumlgung gestellt und im Winter 2020 auf den aktuellen Stand des Energiemosaiks Austria gebracht

Energetische Potenziale der Gemeinde

In der kommunalen Energie- und Treibhausgasdatenbank Steiermark werden nicht nur die im Energie-mosaik Austria getroffenen Aussagen zum Energieverbrauch und zu den Treibhausgasemissionen be-reitgestellt sondern auch energetische Potenziale der Gemeinden dokumentiert Dabei steht die Dar-stellung thermischer Potenziale mit teilweise hoher Ortsgebundenheit als Grundlage fuumlr die Entwick-lung von Strategien zur Waumlrmeversorgung im Vordergrund der Betrachtungen Besondere Bedeutung kommt hierbei Effizienzpotenzialen zu Der Energieverbrauch und damit das Ausmaszlig der Treibhausgasemissionen koumlnnen durch Maszlignahmen zur Steigerung der Energieeffizienz erheblich vermindert werden Dies gilt auch fuumlr den Waumlrmebedarf von Siedlungen der mittel- bis lang-fristig durch die energetische Sanierung der bestehenden Bausubstanz verringert werden kann In der

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kommunalen Energie- und Treibhausgasdatenbank Steiermark werden die Energieeffizienzpotenziale fuumlr die Wohngebaumlude ausgewiesen In diesem Rahmen wird (ebenso wie im Status quo) auf bereits erfolgte energetische Sanierungen der Gebaumlude grundsaumltzlich Bedacht genommen wobei angesichts unzureichender Datengrundlagen keine gemeindespezifische oder inneroumlrtliche Differenzierung der bisherigen Sanierungstaumltigkeit erfolgt Fuumlr die Ermittlung der kuumlnftigen Energieeffizienzpotenziale wer-den unterschiedliche Gebaumludekategorien und Bauperioden in ihrer raumlumlichen Verteilung beruumlcksich-tigt Im Hinblick auf die Verminderung der Treibhausgasemissionen spielen die sogenannten Substitutions-potenziale eine besondere Rolle Sie beschreiben in welchem Ausmaszlig fossile Energie zum Einsatz kommt die durch erneuerbare Energie substituiert werden kann In der kommunalen Energie- und Treibhausgasdatenbank Steiermark ist der fossile Anteil am Waumlrmebedarf dargestellt Die erneuerbaren Energiepotenziale sind vielseitig In der kommunalen Energie- und Treibhausgasda-tenbank Steiermark werden die Abwaumlrmepotenziale aus industriell-gewerblicher Produktion und aus Einrichtungen der technischen Infrastruktur sowie (gebaumludeintegrierte) Solarwaumlrmepotenziale Bio-masse- und Biogaspotenziale ausgewiesen

Rasterbasierte Energie- und Treibhausgasdatenbank

Waumlhrend Aussagen auf Gemeindeebene eine wichtige Referenz fuumlr die Formulierung kommunaler Strategien fuumlr die Energiewende und den Klimaschutz darstellen erweist sich fuumlr Festlegungen der oumlrtlichen Raumplanung eine inneroumlrtliche Differenzierung als erforderlich Aus diesem Grund wurde eine landesweite rasterbasierte Energie- und Treibhausgasdatenbank entwickelt die im digitalen At-las Steiermark abrufbar ist (wwwgisstmkgvat)

Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen im 250-m-Raster

Fuumlr die rasterbasierte Energie- und Treibhausgasdatenbank erfolgt die Ermittlung von Energiever-brauch und Treibhausgasemissionen der Wohnnutzung und der wirtschaftlichen Nutzungen flaumlchen-deckend in einem 250-m-Raster in Analogie zur Modellierung auf Gemeindeebene Die statistische Da-tenbasis beruht auf einer Sonderauswertung der Gebaumlude- und Wohnungszaumlhlung sowie der Arbeits-staumlttenzaumlhlung im 250-m-Raster seitens der Statistik Austria wobei aufgrund von Datenschutzbestim-mungen einzelne Angaben (unterhalb gewisser Schwellenwerte) unterdruumlckt werden Im Allgemeinen stehen demnach im Raster dieselben Strukturdaten (70 Parameter zu Wohnflaumlchen und Beschaumlftigten) in derselben sachlichen Differenzierung zur Verfuumlgung und kommen dieselben Energiekennzahlen und Emissionsfaktoren zur Anwendung wie auf Gemeindeebene Fuumlr jede Rasterzelle werden Energiever-brauch und Treibhausgasemissionen als Summe aller Produkte von Strukturdaten und Energiekenn-zahlen bzw unter Heranziehung energietraumlgerspezifischer Emissionsfaktoren ermittelt wobei auf die Berechnung von Waumlrmebedarf und Waumlrmebedarfsdichten ein Hauptaugenmerk gelegt wird

Energetische Potenziale im 250-m-Raster

Ergaumlnzend zu den Angaben zum Energieverbrauch und zu den Treibhausgasemissionen werden in der rasterbasierten Energie- und Treibhausgasdatenbank auch die Effizienz- und Solarwaumlrmepotenziale (analog zur Darstellung auf Gemeindeebene) ausgewiesen

Energieraumplanerische Standortraumlume

Die rasterbasierten Daten bilden eine wesentliche Grundlage fuumlr die landesweite Identifikation der energieraumplanerischen Standortraumlume die ebenfalls im digitalen Atlas Steiermark oumlffentlich zur Verfuumlgung stehen (wwwgisstmkgvat) Entsprechend der thematischen Schwerpunktsetzung im SKE werden Standortraumlume fuumlr Fernwaumlrmeversorgung und klimafreundliche Mobilitaumlt ausgewiesen

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Standortraumlume fuumlr Fernwaumlrmeversorgung

Im Vordergrund der Betrachtungen stehen Uumlberlegungen zur Verfolgung raumlumlich differenzierter Stra-tegien zur Waumlrmeversorgung und zur Konzentration der kuumlnftigen Siedlungsentwicklung auf Standort-raumlume die mit Fernwaumlrme versorgt werden koumlnnen wobei dies nur im Falle der Nutzung uumlberwiegend erneuerbarer Energietraumlger hocheffizienter Kraft-Waumlrme-Kopplungs-Anlagen oder bedeutender Ab-waumlrmepotenziale forciert werden soll Waumlrmenetze haben den Vorteil dass sie im Hinblick auf dendie eingesetzten Energietraumlger sehr flexibel sind und dass sie die Volatilitaumlt der erneuerbaren Energietrauml-ger (vornehmlich der Solar- und Windenergie) ausgleichen koumlnnen Sie eignen sich daher besonders fuumlr den mittel- bis langfristig erforderlichen Ausstieg aus der fossilen bzw den zunehmenden Einsatz erneuerbarer Energie in der Waumlrmebereitstellung

Kriterien fuumlr die Ausweisung von Standortraumlumen fuumlr Fernwaumlrmeversorgung sind die im 250-m-Raster ermittelte Waumlrmebedarfsdichte und die im Flaumlchenwidmungsplan jeweils ausgewiesene maximal zu-laumlssige Geschoszligflaumlchenzahl als Maszligzahl fuumlr die Bebauungsdichte Damit wird der Uumlberlegung Rech-nung getragen dass eine hohe Effizienz und Wirtschaftlichkeit der investitionskostenintensiven Fern-waumlrmeversorgung nur bei kurzen Transportwegen mit minimalen Waumlrmeverlusten gewaumlhrleistet sind Optionen fuumlr die Fernwaumlrmeversorgung muumlssen demnach in einem engen Zusammenhang mit einer angemessenen Bebauungsdichte einer ausgewogenen Mischung verschiedener Nutzungen mit zeit-lich variierender Waumlrmenachfrage und mit den Standorten von Groszligabnehmern betrachtet werden Letztere spiegeln sich im Allgemeinen in hohen Waumlrmebedarfsdichten wider werden damit auch in den energieraumplanerischen Standortraumlumen sichtbar und koumlnnen im Sachbereichskonzept Energie in Kenntnis der oumlrtlichen Gegebenheiten besonders beruumlcksichtigt werden

Je houmlher die genannten Dichten sind (vgl Abb 1) desto eher eignen sich Siedlungsgebiete fuumlr die Versorgung mit Waumlrme- (und allenfalls auch Kaumllte-) netzen ndash selbst im Falle einer Verringerung des Waumlrmebedarfs durch die fortschreitende ener-getische Sanierung im Gebaumludebestand

Abb 1 Standortraumlume fuumlr Fernwaumlrmeversorgung Quelle eigene Darstellung

Standortraumlume fuumlr klimafreundliche Mobilitaumlt

Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Lenkung der kuumlnftigen raumlumlichen Entwicklung jener Sied-lungsgebiete die sich besonders fuumlr eine energiesparende und klimafreundliche Mobilitaumlt eignen Im Rahmen der Ausweisung von Standortraumlumen fuumlr klimafreundliche Mobilitaumlt werden die Nutzungsin-tensitaumlt von Standorten und die Guumlteklassen des oumlffentlichen Verkehrs beruumlcksichtigt Fuumlr die Beurteilung der Nutzungsintensitaumlt von Standorten kommt ein eigens fuumlr das SKE entwickeltes Modell zur Anwendung das die Nutzungsvielfalt und Nutzungsdichte von Siedlungsstrukturen abbil-det Das Modell traumlgt der Uumlberlegung Rechnung dass eine kompakte Siedlungsstruktur mit einer aus-gewogenen Nutzungsmischung und angemessenen Dichten die besten raumlumlichen Voraussetzungen fuumlr kurze Wege und einen hohen Anteil des Fuszlig- und Radverkehrs schafft Auszligerdem wird dem Um-stand Rechnung getragen dass Standorte mit houmlheren Nutzungsintensitaumlten Synergiepotenziale eroumlff-nen und die Verknuumlpfung von Wegen zu Wegeketten (Erfuumlllung mehrerer Wegezwecke) erlaubt und

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dadurch attraktiver sind Die Ermittlung der Nutzungsintensitaumlt beruht auf den Strukturdaten im 250-m-Raster (Einwohner und Beschaumlftigte bzw Arbeitsstaumltten im Dienstleistungssektor) Die Angaben zur OumlV-Guumlteklasse basieren auf der im Rahmen der OumlROK-Partnerschaft Raumordnung und Verkehr erarbeiteten Studie bdquoBedienungsqualitaumlt und Erschlieszligungsguumlte im oumlffentlichen Verkehrldquo (OumlROK 2017) die Daten wurden von der AustriaTech GmbH zur Verfuumlgung gestellt Die Studie nimmt sowohl auf die Qualitaumlt des oumlffentlichen Verkehrsangebotes als auch auf die Erreichbarkeit von Halte-stellen Bezug Demnach beruumlcksichtigt die Festlegung der OumlV-Guumlteklasse eines Standortes einerseits die Haltestellenkategorie die aus der Art des Verkehrsmittels sowie der Bedienungshaumlufigkeit (reprauml-sentiert durch die werktaumlglichen Kursintervalle) resultiert Andererseits flieszligen fuumlnf verschiedene Dis-tanzklassen zur Haltestelle (Fuszligwege bis maximal 1250 m Realdistanz) in die Beurteilung der OumlV-Guuml-teklasse eines Standortes ein Insgesamt werden in dieser Studie sieben OumlV-Guumlteklassen abgegrenzt Mikro-OumlV-Systeme sind in den OumlV-Guumlteklassen nicht abgebildet

Je houmlher die Nutzungsin-tensitaumlt und die Attrakti-vitaumlt der OumlV-Erschlieszligung sind (vgl Abb 2) desto eher eignen sich Sied-lungsgebiete fuumlr eine Verlagerung von Ver-kehrsleistungen des mo-torisierten Individualver-kehrs auf den Fuszlig- und Radverkehr sowie auf den oumlffentlichen Verkehr und damit fuumlr eine klima-freundliche Mobilitaumlt

Abb 2 Standortraumlume fuumlr klimafreundliche Mobilitaumlt Quelle eigene Darstellung

Synthese Uumlberlagerung der energieraumplanerischen Standortraumlume

Die eingehende Analyse bzw Uumlberlagerung der Standortraumlume fuumlr Fernwaumlrmeversorgung und fuumlr kli-mafreundliche Mobilitaumlt erlaubt jene Standorte innerhalb einer Gemeinde zu identifizieren die so-wohl hinsichtlich der Waumlrmeversorgung als auch der Mobilitaumlt energie- und klimaoptimierte Rahmen-bedingungen aufweisen Es sind dies im Allgemeinen kompakte nutzungsgemischte Siedlungsstruktu-ren mit maszligvoller Dichte der Bebauung die sich an den Erfordernissen des Fuszlig- und Radverkehrs so-

wie an attraktiven oumlffent-lichen Verkehrsangebo-ten orientieren Insofern bieten sie gute Voraus-setzungen fuumlr die Fern-waumlrmeversorgung (vor-nehmlich aus erneuerba-ren Energietraumlgern oder Abwaumlrme) sowie fuumlr die Nutzung des Umweltver-bundes aus Zu-Fuszlig-Ge-hen Radfahren und oumlf-fentlichem Verkehr (vgl Abb 3)

Abb 3 Uumlberlagerung der energieraumplanerischen Standortraumlume Quelle eigene Darstellung

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Die Strategien der Energieraumplanung zielen darauf ab diesen Standortraumlumen kuumlnftig eine hohe Prioritaumlt in der Siedlungsentwicklung einzuraumlumen Daraus sind unter Beruumlcksichtigung der besonde-ren oumlrtlichen Gegebenheiten sowie vor dem Hintergrund der aktuellen demographischen und wirt-schaftlichen Entwicklung vor Ort entsprechende Schlussfolgerungen fuumlr raumrelevante Festlegungen bzw im Hinblick auf die Lagegunst oder -ungunst bisher in Erwaumlgung gezogener Siedlungsentwick-lungspotenziale zu ziehen Dabei praumlzisiert der Leitfaden bdquoDas Sachbereichskonzept Energieldquo die sied-lungsstrukturellen Rahmenbedingungen und zeigt Anhaltspunkte fuumlr die planungsrechtliche Umset-zung energieraumplanerischer Strategien auf

Klimaschutz und das Foumlrderungsprogramm zur Energieraumplanung in der Steiermark

Der uumlberwiegende Teil der Treibhausgasemissionen ndash in der Steiermark sind es rund 85 ndash entsteht durch die Umwandlung fossiler Brennstoffe in Energie Der Sektor Verkehr und der Gebaumludebereich verursachen insgesamt 34 bzw ndash einschlieszliglich der indirekten Emissionen bei der Bereitstellung von Fernwaumlrme und Strom fuumlr die Gebaumlude ndash uumlber 40 der steirischen Treibhausgasemissionen (Klimabe-richt Steiermark 2019) Soll das international vereinbarte Ziel die Klimaerwaumlrmung im globalen Mittel mit maximal 2degC zu be-grenzen erreicht werden ist rasches Handeln auf allen Ebenen der Gesellschaft zur Verringerung der Treibhausgasemissionen erforderlich Daher wurde mit der integrierten Klima- und Energiestrategie Steiermark 2030 ein strategischer Rahmen geschaffen der zukunftsweisende Handlungsoptionen auf Bundeslandebene darlegt Die Raumplanung wird dort als zentrales strategisches Instrument fuumlr den Klimaschutz und die Versor-gung mit Energie auf kommunaler Ebene mit der Begruumlndung angefuumlhrt dass kompakte Siedlungs-strukturen die Voraussetzung fuumlr eine klimaoptimierte Energieversorgung sowie attraktive klima-freundliche Mobilitaumltsangebote sind Als Schwerpunktziel wurde bdquoDie Energieraumplanung als integ-rierender Bestandteil der Raumplanung entwickelnldquo definiert Darauf basierend wurde im Aktionsplan zur Klima- und Energiestrategie die Maszlignahme bdquoDas Sachbereichskonzept Energie in Gemeinden stra-tegisch verankernldquo beschlossen Eine zentrale Rolle spielen dabei die Raumplanerinnen und Raumpla-ner die als Multiplikatoren in den Gemeinden fungieren Das Sachbereichskonzept Energie unterscheidet sich dabei wesentlich von den Energiekonzepten die in der Vergangenheit erarbeitet wurden Sie hatten naumlmlich den entscheidenden Nachteil dass sie nicht in den Instrumenten der oumlrtlichen Raumplanung verankert wurden Sie haben deshalb in das Denken der fuumlr die Raumplanung Verantwortlichen kaum Eingang gefunden womit die Umsetzung so gut wie verspielt war Die Aussagen des SKE werden hingegen in das oumlrtliche Entwicklungskonzept der Gemeinde integriert Um das neue Instrument des SKE in die Umsetzung zu bringen wurde von den mit Raumplanung und Energie betrauten Stellen in den Abteilungen des Landes gemeinsam ein Foumlrderungsprogramm aus dem Oumlkofonds Steiermark aufgesetzt Die eingereichten Foumlrderungsansuchen werden von einer Jury ndash bestehend aus wissenschaftlichen Vertretern den betroffenen Landesdienststellen sowie dem Buumlro der zustaumlndigen Landesraumltin ndash vor Erteilung einer Foumlrderungszusage gepruumlft Dabei ist die Ausschrei-bung modular gestaltet Das erste Modul zielt auf die Foumlrderung von Planungsleistungen entsprechend dem Leitfaden bdquoDas Sachbereichskonzept Energieldquo ab um Klimaschutz- und Energieaspekte uumlber das SKE in die Instrumente der oumlrtlichen Raumplanung einzuarbeiten wobei die Raumplaner diesen Pro-zess in den Gemeinden organisieren Zusaumltzlich zum raumordnungsrechtlich verbindlichen Stake-

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holderprozess kann auch eine aktive Buumlrgerbeteiligung finanziell unterstuumltzt werden um eine Identi-fikation aller Betroffenen mit dem SKE zu schaffen und mit einer offenen und sachlichen Informations-politik die notwendige Transparenz im Planungsprozess zu gewaumlhrleisten Interessenskonflikten ist da-bei bestmoumlglich zu begegnen und sie sind sofern moumlglich waumlhrend der Erarbeitungszeit beizulegen Aufbauend auf der Entwicklung des SKE koumlnnen uumlber zwei weitere Module vornehmlich Machbarkeits-studien und Detailplanungen sowie die Vorbereitung und Ausschreibung von Umsetzungsvorhaben gefoumlrdert werden Fuumlr die Inanspruchnahme einer Foumlrderung ist auch die Wahrnehmung spezieller Schulungs- und Bera-tungsangebote durch die jeweilige Gemeinde und die Ortsplaner verpflichtend Diese Veranstaltungen wurden vom Land Steiermark gemeinsam mit der BOKU angeboten An den Schulungen bzw Beratun-gen nahmen Vertreterinnen und Vertreter aus uumlber siebzig Gemeinden teil In der Haumllfte der Gemein-den wird aktuell aktiv an den SKEs gearbeitet Bereits angekuumlndigt und auch in der Klima- und Energie-strategie festgehalten ist eine zukuumlnftige gesetzliche Verpflichtung im steirischen Raumordnungsge-setz zur Erarbeitung der SKEs Mit einer solch konsistenten Vorgehensweise nimmt die Steiermark eine Vorreiterrolle in Oumlsterreich ein

Schlussbemerkung Eine verstaumlrkte Beruumlcksichtigung der Raumrelevanz von Energiewende und Klimaschutz in Strategien zur raumlumlichen Entwicklung von Gemeinden zeigt angesichts der Langlebigkeit der baulichen Struktu-ren der Verkehrs- und Leitungsinfrastruktur sowie der sozialen Infrastruktur (einschlieszliglich weiterer Daseinsvorsorgeeinrichtungen) mittel- bis langfristig Wirkung Vorausschauend und fruumlhzeitig muumlssen daher Uumlberlegungen zur erneuerbaren Energieversorgung und Optionen fuumlr eine klimafreundliche Mo-bilitaumlt in die Planung insbesondere in das oumlrtliche Entwicklungskonzept einflieszligen Auf der Ebene des Flaumlchenwidmungsplanes sind diese Vorgaben im Hinblick auf eine energiebewusste bauliche Entwick-lung zu praumlzisieren Fuumlr die Bebauungsplanung ist ein integrierender Ansatz wichtig der Bebauungs- Energie- Verkehrs- und Gruumlnraumkonzept aufeinander abstimmt bdquoLeistbares Wohnenldquo darf in dieser Hinsicht nicht mit bdquoBillig bauenldquo gleichgesetzt werden Die planerischen Festlegungen zur Auswahl von Standorten fuumlr die Siedlungsentwicklung und zur Ausgestaltung der baulichen Entwicklung an diesen Standorten sollen begleitet werden von weiterfuumlhrenden Uumlberlegungen beispielsweise zur Gestaltung der oumlffentlichen Verkehrsinfrastruktur oder zur Entwicklung von Fernwaumlrmenetzen Auf der projekt-planerischen Ebene die jedoch nicht Gegenstand des SKE ist koumlnnen die Aussagen zu den Standort-raumlumen vertieft und dafuumlr allenfalls weitere Datenquellen beruumlcksichtigt werden (beispielsweise die Heizungsdatenbank die Energieausweisdatenbank das Gebaumlude- und Wohnungsregister) Dadurch kann sichergestellt werden dass eine vorausschauende raumlumliche Entwicklung von einem oumlkonomi-schen und effizienten Umgang mit der Energieinfrastruktur begleitet wird und Energieversorgungssys-teme nicht am Rande der Wirtschaftlichkeit betrieben werden muumlssen Es braucht daher eine Entflech-tung und Ordnung der Energieinfrastruktur wobei der Fernwaumlrmeversorgung aus erneuerbaren Quel-len oder Abwaumlrme Vorrang einzuraumlumen ist Damit besteht der laumlngerfristige Nutzen raumrelevanter Strategien zugunsten der Energiewende und des Klimaschutzes in einer Abkehr von der flaumlchenhaften Ausdehnung der Siedlungsgebiete und von baulichen Entwicklungstendenzen an den Siedlungsraumlndern bzw in Siedlungssplittern zugunsten kom-pakter angemessen dichter und nutzungsgemischter Siedlungsstrukturen Diese Strategien der Innen-entwicklung bieten nicht nur optimale raumlumliche Rahmenbedingungen fuumlr die leitungsgebundene Waumlrmeversorgung und die klimafreundliche Mobilitaumlt sondern wirken sich auch positiv auf einen sorg-samen Umgang mit Grund und Boden und die Sicherung hochwertiger land- und forstwirtschaftlicher Flaumlchen aus Angesichts der Multifunktionalitaumlt dieser Flaumlchen ist die mit der Innenentwicklung der

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Siedlungsgebiete einhergehende Verringerung des Siedlungsdrucks auf den Freiraum auch aus ande-ren Gruumlnden (Nahrungsmittelproduktion Hochwasserschutz Ressourcensicherung Erholungsfunk-tion langfristige Flaumlchenvorhaltung) jedenfalls zu begruumlszligen Strategien zur Innenentwicklung tragen zur Staumlrkung zentral gelegener multifunktionaler Standorte und zur Minimierung der Kosten bzw des Einsatzes oumlffentlicher Finanzmittel fuumlr die Errichtung die Instandhaltung und den Betrieb sozialer und technischer Infrastrukturen bei Sie gewaumlhrleisten die wirtschaftliche Tragfaumlhigkeit und eine hohe Attraktivitaumlt von Dienstleistungseinrichtungen bzw oumlffent-lichen Verkehrsangeboten und damit die Versorgbarkeit bzw Versorgungssicherheit der Bevoumllkerung Sie stellen gute Erreichbarkeitsverhaumlltnisse fuumlr nicht-motorisierte Verkehrsteilnehmer und die Abde-ckung der Mobilitaumltsbeduumlrfnisse aller Bevoumllkerungsgruppen sicher Angesichts der Kuumlrze der Wege und der alternativen Angebote zur motorisierten Mobilitaumlt sind erhebliche Erleichterungen im Alltag die Folge In diesem Sinne leisten energie- und klimaoptimierte Siedlungsstrukturen laumlngerfristig nicht nur einen Beitrag zur Energiewende und zum Klimaschutz sondern tragen auch zur Attraktivierung von Ortszentren und zur Aufwertung der Wohn- und Wohnumfeldqualitaumlt und damit zur Verbesserung der Lebensqualitaumlt der Bevoumllkerung bei Auszligerdem steckt in den Infrastrukturen und Gebaumluden von ange-messen dichten und funktionsgemischten Siedlungsstrukturen nur ein geringes Maszlig an grauer Energie fuumlr deren Errichtung Instandhaltung und Betrieb Diese Gebiete sind demnach auch unter diesem Ge-sichtspunkt ressourcen- und klimaschonend

Literatur Abart-Heriszt L Erker S Reichel S Schoumlndorfer H Weinke E Lang S (2019a) Energiemosaik Austria Oumlsterreichweite Visualisierung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen auf Ge-meindeebene EnCO2Web FFG BMVIT Stadt der Zukunft Wien Salzburg Lizenz CC BY-NC-SA 30 AT vgl wwwenergiemosaikat

Abart-Heriszt L Erker S Stoeglehner G (2019b) The Energy Mosaic Austria ndash a Nationwide Energy and Greenhouse Gas Inventory on Municipal Level as Action Field of Integrated Spatial and Energy Planning In ENERGIES 12 (16) 3065

Abart-Heriszt L Erker S Stoumlglehner G (2020) ERPS ndash Kommunale Energie- und Treibhausgasda-tenbank Steiermark einschlieszliglich ERPS-Abfrageoberflaumlche Version 20 Im Auftrag der Steiermaumlrki-schen Landesregierung Abteilungen 13 15 und 17 Graz Wien Datensatz Abart-Heriszt L und Er-ker S (2019) Energiemosaik Austria Lizenz CC BY-NC-SA 30 AT

Digitaler Atlas Steiermark (o J) Rasterbasierte Energie- und Treibhausgasdatenbank sowie energie-raumplanerische Standortraumlume vgl httpsgisstmkgvatatlas (Planung und KatasterSachbe-reichsplanung Energie)

bdquoDas Sachbereichskonzept Energie ndash Ein Beitrag zum Oumlrtlichen Entwicklungskonzept Leitfaden Ver-sion 20ldquo (2019) vgl httpswwwverwaltungsteiermarkatcmsdoku-mente12663031_1443818266a64edd420190125_Leitfaden_20pdf

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Energieraumplaumlne ndash ein Meilenstein am Weg zur nachhaltigen Energie-zukunft Wiens

Susanna Erker (1) Andrea Kinsperger (2) Herbert Hemis (3) und Bernd Vogl (4)

DOI 10347261022

(1) Dipl-Ing Dipl-Ing Drnattechn Magistrat der Stadt Wien Magistratsabteilung 20 ndash Energieplanung ORCID 0000-0001-7076-846X

(2) Dipl-Ing Magistrat der Stadt Wien Magistratsabteilung 20 ndash Energieplanung

(3) Dipl-Ing Magistrat der Stadt Wien Magistratsabteilung 20 ndash Energieplanung

(4) Mag Magistrat der Stadt Wien Leiter der Magistratsabteilung 20 ndash Energieplanung

Abstract

Die Energieraumplanung ruumlckt Fragen nach unserem Energiebedarf den erneuerbaren Energiepoten-zialen und der Energieinfrastruktur in den Fokus der Stadtplanung Ziel ist die Schaffung von standort- und klimagerechten Energieversorgungsloumlsungen Mit der Verordnung von Energieraumplaumlnen kommt die Stadt Wien diesem Ziel einen groszligen Schritt naumlher Neubauten die sich innerhalb ausgewiesener Klimaschutz-Gebiete befinden duumlrfen aus-schlieszliglich mit hocheffizienten alternativen Energiesystemen zur Aufbereitung von Raumwaumlrme und Warmwasser versorgt werden Dazu zaumlhlen unter anderem Systeme wie die Wiener Fernwaumlrme oder Waumlrmepumpen Im Umkehrschluss sind Oumll- oder Erdgasheizungen verboten Neben der Einsparung von Treibhausgasen im Sinne des Klimaschutzes werden mit dem Instrument der Energieraumplaumlne doppelte Infrastrukturen - dh Fernwaumlrme- und Gasnetze - entflochten und da-mit volkswirtschaftliche Kosten reduziert Schlieszliglich erhoumlht die raumlumliche Steuerung von Versor-gungsoptionen die Planungssicherheit fuumlr Investierende Stadtentwicklung und Energieversorgungsun-ternehmen

Schluumlsselbegriffe

Energieraumplanung Verordnung von Energieraumplaumlnen Energiewende Bauordnung Wien Klima-schutz Erker S Kinsperger A Hemis H Vogl B (2021) Energieraumplaumlne ndash ein Meilenstein am Weg zur nachhaltigen Energiezu-kunft Wiens In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelin-gen der Energiewende Wien reposiTUm S28-37

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Inhalt Einleitung 30

Wo stehen wir 30

Die Waumlrmewende 31

Erdgas und Fernwaumlrme im Waumlrmesektor 31

Wo wollen wir hin 31

Die Energieraumplaumlne ndash ein neues Planungsinstrument fuumlr die Waumlrmewende 33

Die Abgrenzung der Klimaschutz-Gebiete 34

Der Prozess hinter den Energieraumplaumlnen 35

Die Auswirkungen der Energieraumplaumlne 35

Wie geht es weiter 35

Literatur 37

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Einleitung

Fuumlr die Smart City Wien ist Klimaschutz eine vordringliche Aufgabe Dabei ist klar dass zur Erreichung der ambitionierten und notwendigen Klimaziele ein umfassendes Set an Maszlignahmen zur Reduktion der klimaschaumldlichen Treibhausgase benoumltigt wird Unserem staumldtischen Energiesystem kommt hier eine entscheidende Rolle zu Ziel ist die Schaffung eines krisensicheren klimavertraumlglichen und erneu-erbaren Energiesystems das fuumlr alle Wienerinnen und Wiener leistbar bleibt Um dies zu bewerkstel-ligen muumlssen wir weniger Energie verbrauchen die Energieinfrastruktur optimieren den Energiebe-darf mit erneuerbarer Energie und Abwaumlrme decken und den Einsatz von innovativen Energieloumlsungen vorantreiben Alles in allem braucht die sogenannte Energiewende eine tiefgreifende und systemati-sche Umstellung der bestehenden Energieversorgung Am Weg zur nachhaltigen Energiezukunft Wiens ist es noumltig aktuelle Trends und Entwicklungen mit zu beruumlcksichtigen Dazu zaumlhlt beispielsweise das Bevoumllkerungswachstum Im kommenden Jahrzehnt wird Wien auf zwei Millionen Einwohnerinnen und Einwohner anwachsen (MA 23 2019) Daraus re-sultiert nicht nur ein erhoumlhter Bedarf an Wohnraum und Arbeitsplaumltzen sondern auch an Energie so-wie der dazu noumltigen Infrastruktur Ebenso werden die Auswirkungen des Klimawandels immer spuumlr-barer Maszlignahmen zur Klimawandelanpassung ndash etwa das Kuumlhlen von Gebaumluden im Sommer ndash werden in Zukunft an Bedeutung gewinnen Der nachhaltige und klimagerechte Umbau unserer Stadt ist daher untrennbar mit der Neugestaltung unseres Energiesystems verbunden Dies spiegelt sich auch im 2019 erschienenen bdquoSTEP 2025 ndash Fachkonzept Energieraumplanungrdquo wider das einen wichtigen Schritt zur Dekarbonisierung der Stadt Wien setzt Darin wird Energieraumplanung als die Verschraumlnkung von Raum- und Energieplanung definiert und als neue Kompetenz der Stadtpla-nung etabliert (MA 20 2019a) Die Wiener Energieraumplanung soll unter anderem dabei helfen den Einsatz leitungsgebundener Infrastruktur vorausschauend zu planen und erneuerbare Energiequellen sowie Abwaumlrme innerhalb des Stadtgebiets koordiniert nutzbar zu machen Es geht um das Ausrollen von innovativen Loumlsungen auf das gesamte Stadtgebiet vom Neubau zum Bestand von der netzge-bundenen zur dezentralen Versorgung vom Quartier zum Gebaumlude Schlieszliglich bietet Energieraum-planung die Chance mit Hilfe des Raumordnungs- und Baurechts einen noch deutlicheren Beitrag zum Klimaschutz und zur Energiewende zu leisten homogene Voraussetzungen zu schaffen und damit Pla-nungssicherheit zu gewaumlhrleisten Doch welche konkreten Schritte sind zu setzen um das Potenzial der Energieraumplanung voll entfalten zu koumlnnen Hierzu bedarf es eines naumlheren Blickes auf unseren derzeitigen Umgang mit Energie

Wo stehen wir Wien leistet bereits heute einen wichtigen Beitrag zur eigenen Energieversorgung Derzeit werden rund 18 des staumldtischen Energiebedarfs durch eine Kombination aus Muumlllverbrennung Kraft-Waumlrme-Kopplung Windkraft Solarenergie bioge-nen Brennstoffen Wasserkraft und Umgebungs-waumlrme von der Stadt selbst bereitgestellt (MA 20 2019b) Der Groszligteil unseres Bedarfs wird jedoch durch Importe von Erdgas Oumll und Strom gedeckt Unter Beruumlcksichtigung des weiterhin hohen Anteils an fossiler Energie in unserem System erweist sich ein Bereich als besonders relevant wenn es um Fra-gen wie Energiewende oder Klimaschutz geht der Waumlrmesektor (vgl Abb 1)

Abb 1 Der Endenergieverbrauch nach Anwendungen in Wien Quelle MA 20 2019b eigene Darstellung

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Die Waumlrmewende

Die Haumllfte und damit der Groszligteil unseres jaumlhrlichen Endenergieverbrauchs in Wien kann dem Waumlr-mebedarf zugeordnet werden Darunter fallen die Bereitstellung von Raumwaumlrme Warmwasser Kuumlh-lenergie sowie die Dampferzeugung und die Prozesswaumlrme die etwa bei der industriellen Fertigung benoumltigt werden Der Groszligteil dieses Waumlrmebedarfs wird mittels fossiler Energie gedeckt insbeson-dere wenn der fossile Energieeinsatz im Fernwaumlrmebereich mitberuumlcksichtigt wird (Statistik Austria 2020 MA 20 2019b) Die angestrebte Reduktion des fossilen Anteils im Waumlrmesektor ist planungs- und kostenintensiv da damit eine Umstellung von der Waumlrmeproduktion und -speicherung bis zur -verteilung einhergeht Besonders relevant ist dabei der Bedarf an niedertemperierter Waumlrme also kurz gesagt die Energie die wir zum Heizen und zur Aufbereitung von Warmwasser benoumltigen Die beiden wichtigsten Sekto-ren die diese Form der Waumlrme fast zur Gaumlnze beanspruchen sind die privaten Haushalte sowie die oumlffentlichen und privaten Dienstleistungen (Statistik Austria 2020) Der Bedarf an Raumwaumlrme und Warmwasser verteilt sich dabei uumlber das gesamte Stadtgebiet Anders als hochtemperierte Waumlrme mit mehreren hundert Grad die beispielsweise punktuell im produzierenden Bereich beansprucht wird muss die Umstellung der Heiz- und Warmwasserversorgung groszligflaumlchig gedacht werden Doch wieviel muss tatsaumlchlich umgestellt werden

Erdgas und Fernwaumlrme im Waumlrmesektor

Mit Erdgas dem derzeit wichtigsten Brennstoff im Wiener Waumlrmesektor wird rund die Haumllfte der knapp eine Million Wohnungen in Wien beheizt bzw mit warmem Wasser versorgt (Statistik Austria 2013 Statistik Austria 2014) Dabei haben sich zwei Technologien zur Erdgasnutzung etabliert die Gas-Zentralheizung fuumlr ganze Gebaumlude und die Gas-Therme (bdquoEtagenheizungrdquo) in einzelnen Wohnun-gen Neben Erdgas konnte sich die Fernwaumlrme als zweiter groszliger Player am Waumlrmemarkt etablieren Das heutige Fernwaumlrmenetz umfasst insgesamt mehr als 1200 km und ist damit eines der groumlszligten in Eu-ropa Mit Fernwaumlrme werden in Wien rund ein Drittel aller Haushalte und 60 des Dienstleistungsbe-reichs versorgt (MA 20 2019b Wien Energie 2019 Statistik Austria 2020) Dabei stammt die produ-zierte Fernwaumlrme zu rund einem Viertel aus den Muumlllverbrennungsanlagen Floumltzersteig Spittelau Sim-meringer Haide und Pfaffenau sowie dem Wald-Biomasse-Kraftwerk in Simmering Rund drei Viertel liefern Kraft-Waumlrme-Kopplungs-Anlagen und Abwaumlrmequellen Zur Spitzenlastabdeckung kommen erdgasbetriebene Heiszligwasserkessel und seit Neuestem ein Waumlrmegroszligspeicher E-Heizer sowie Waumlr-mepumpen zum Einsatz (Wien Energie 2020)

Wo wollen wir hin In der vom Wiener Gemeinderat beschlossenen bdquoSmart-City-Wien-Rahmenstrategie 2019 bis 2050ldquo wurde verankert dass der Endenergieverbrauch fuumlr Heizen Kuumlhlen und Warmwasser in Gebaumluden um ein Prozent pro Kopf und Jahr sowie die damit verbundenen CO2-Emissionen um zwei Prozent pro Kopf und Jahr sinken sollen Das Ziel bezieht sich auf die Wiener Treibhausgasemissionen auszligerhalb des EU-Emissionshandels Die angesetzten Werte beruumlcksichtigen dabei sowohl das starke Bevoumllkerungs-wachstum in der Stadt Wien als auch die damit verbundenen niedrigen Emissionen des Neubausektors (Magistrat der Stadt Wien 2019) Diese bereits ambitionierten Zielsetzungen sollen im Jahr 2021 nach-geschaumlrft werden Im aktuellen Koalitionsprogramm wurde Wiens Klimaneutralitaumlt bis 2040 verankert Damit muss das Klimaschutzziel fuumlr 2040 auf netto null Treibhausgase angepasst werden (Koalitions-programm 2020) Eine Erreichung dieses Ziels ist allerdings nur dann moumlglich wenn sowohl der Gebaumludesanierung als auch dem Tausch von bestehenden fossilen Heizsystemen durch hocheffiziente alternative Heizsys-

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teme ndash also Fernwaumlrme oder dezentrale erneuerbare Loumlsungen - hohe Prioritaumlt eingeraumlumt wird Dar-uumlber hinaus dient es der Zielerreichung wenn nicht nur im Gebaumludebestand Maszlignahmen gesetzt wer-den Auch in Neubauten muss dafuumlr Sorge getragen werden dass hocheffiziente alternative Heizsys-teme zum Einsatz kommen Erst dann ruumlckt die in Abb 2 skizzierte Reduktion des Energiebedarfs sowie die Umstellung auf eine erneuerbare emissionsarme Versorgung bis 2040 in greifbare Naumlhe

Abb 2 Moumlgliche Entwicklungen des Endenergieverbrauchs bis 2040 in Wien Quelle Abschaumltzungen des Magistrats der Stadt Wien gem SCWR Stand April 2021 (Annahme Strom- und Fernwaumlrmeerzeugung aus fossilen Abfaumlllen auf aktuellem Niveau restliche Erzeugung und Importe vollstaumlndig erneuerbar) und der Wien Energie 2020b eigene Darstellung

Neben Maszlignahmen auf Seiten der Energieabnahme werden auch konkrete Ziele auf der Produktions-seite formuliert Beispielsweise strebt die Wien Energie GmbH als groumlszligte Fernwaumlrmeversorgerin in Wien eine Diversifizierung und Dekarbonisierung der Erzeugungsstruktur der Fernwaumlrme an Bis 2030 sollen nicht mehr wie bislang 20 sondern 40 der Fernwaumlrme aus erneuerbaren Quellen bezogen werden (Wien Energie 2020a Wien Energie 2020b) Eine zentrale Rolle spielt hierbei die Integration von Abwaumlrmequellen auf niedrigem Temperaturniveau die durch Groszligwaumlrmepumpen auf die ge-wuumlnschte Versorgungstemperatur des Primaumlr- bzw Sekundaumlrnetzes gehoben wird Dazu zaumlhlt bei-spielsweise Abwaumlrme aus Industrieprozessen aber auch aus dem Donauwasser dem Grundwasser dem Abwasser oder dem Erdreich Da sowohl die Stadt als auch die Stadtwerke an einer schrittweisen Dekarbonisierung der Fernwaumlrmeerzeugungsstruktur arbeiten ist die oben angefuumlhrte Entflechtung der leitungsgebundenen Energieinfrastruktur und Erhoumlhung der Anschlussdichte zugunsten der Fern-waumlrme ein sinnvoller und wichtiger Schritt Denn durch den jahrelangen Ausbau von zwei leitungsge-bundenen Netzen innerhalb des Stadtgebiets haben sich Gebaumlude Straszligenzuumlge oder Netzbereiche entwickelt in denen Erdgas und Fernwaumlrme parallel angeboten werden Fuumlr beide Netze ergeben sich daraus unbefriedigende Anschlussgrade und insgesamt houmlhere volkswirtschaftliche Kosten Die Ent-flechtung dieser Netze zugunsten umweltfreundlicher Nah- und Fernwaumlrme wird daher als wesentli-cher Schritt in Richtung einer erfolgreichen Waumlrmewende gesehen Flankiert wird diese Maszlignahme durch die zunehmende Nutzung von dezentralen Loumlsungen wie Waumlr-mepumpen um in Lagen ohne Rohrleitungsinfrastruktur eine umweltfreundliche und kostenguumlnstige Waumlrme- und Kaumllteversorgung mittels Anergienetzen oder nicht netzgebundenen Einzelloumlsungen si-cherstellen zu koumlnnen Dies funktioniert beispielsweise mit Hilfe von Erdsonden die dem Erdreich im Winter Waumlrme entziehen um damit Wohnungen zu heizen oder Duschwasser zu erwaumlrmen Im Som-mer wird die uumlberschuumlssige Waumlrme aus den Gebaumluden in die Erdsonden eingeleitet und die Tempera-tur des Untergrunds regeneriert Durch die Moumlglichkeit zu heizen und zu kuumlhlen steigen der Nutzwert und die Zukunftstauglichkeit des versorgten Gebaumludes deutlich an Solche Einzelsysteme auf Basis er-neuerbarer Energietraumlger sind mittlerweile oumlkonomisch vergleichbar und konkurrenzfaumlhig mit einer

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Gasversorgung Das zeigen sowohl Praxiserfahrungen aus dem Wohn- und Schulbau ndash z B die Muumlhl-grundgasse oder der Bildungscampus Seestadt Aspern Nord ndash als auch ein von der Energieplanung der Stadt Wien beauftragtes Gutachten (Treberspurg amp Partner 2019) Im Falle einer Gesamtkostenbe-trachtung uumlber 20 Jahre hinweg oder unter Beruumlcksichtigung der Kuumlhlmoumlglichkeiten durch Waumlrme-pumpen an heiszligen Sommertagen sind derartige Systeme bereits heute kostenguumlnstiger als der Einsatz von Gasthermen Gerade in weniger dichten Gebieten der Stadt die sich kaum fuumlr eine Fernwaumlrme-versorgung oder andere Netzloumlsungen eignen wird kuumlnftig mit einer Ausweitung von dezentralen Ein-zelloumlsungen gerechnet

Die Energieraumplaumlne ndash ein neues Planungsinstrument fuumlr die Waumlrmewende

Um die Waumlrmewende erfolgreich umsetzen zu koumlnnen braucht es Weitblick und klare Vorgaben Der derzeit noch von Gas dominierte Gebaumludebereich ist dabei ein zentraler Hebel Eben hier knuumlpft die Novelle der Bauordnung fuumlr Wien 2018 an Mit den sogenannten Energieraumplaumlnen nach sect 2b der Bauordnung fuumlr Wien wurde ein neues Instrument geschaffen das den Einsatz von Energietraumlgern fuumlr die Bereitstellung von Raumwaumlrme und Warmwasser bei Neubauten gezielt und nachhaltig steuert Die Energieraumplaumlne sind Verordnungen Sie aumlhneln den sektoralen Raumordnungsprogrammen in anderen Bundeslaumlndern wie etwa der Windkraftnutzung in Niederoumlsterreich Die Planungsebene ent-spricht damit der uumlberoumlrtlichen Raumplanung die gesamtstaumldtisch zu betrachten ist Mit Hilfe der Energieraumplaumlne koumlnnen sogenannte Klimaschutz-Gebiete festgesetzt werden in denen fossile Energietraumlger zur Raumwaumlrme- und Warmwasserbereitstellung im Neubaubereich weitestge-hend verboten sind Stattdessen wird eine nachhaltige Waumlrmeversorgung auf Basis von hocheffizien-ten alternativen Systemen vorgeschrieben Dazu zaumlhlen nach sect 118 Abs 3 der Bauordnung fuumlr Wien

bull dezentrale Energieversorgungssysteme auf der Grundlage von Energie aus erneuerbaren Quel-len

bull Kraft-Waumlrme-Kopplungs-Anlagen bull Fern-Nahwaumlrme oder Fern-Nahkaumllte insbesondere wenn sie ganz oder teilweise auf Energie

aus erneuerbaren Quellen beruht oder aus hocheffizienten Kraft-Waumlrme-Kopplungs-Anlagen stammt und

bull Waumlrmepumpen

Energieraumplaumlne koumlnnen dann fuumlr ein Gebiet erlassen werden wenn in diesem Gebiet bereits eine Fernwaumlrmeinfrastruktur als hocheffizientes alternatives System oder ausreichend technische Kapazi-taumlt fuumlr eine Erweiterung der Fernwaumlrmeinfrastruktur verfuumlgbar ist Zudem muss zumindest ein weite-res hocheffizientes alternatives System realisierbar sein Damit bleibt die Wahlfreiheit bestehen ledig-lich klimaschaumldliche fossile Energietraumlger sind fuumlr die Waumlrmeversorgung Geschichte Die Novelle der Bauordnung fuumlr Wien stellt dabei keine radikale Neuerung sondern vielmehr eine Ver-schaumlrfung der bisherigen Fassung dar Bislang war die Ausstattung von Neubauten mit hocheffizienten alternativen Energiesystem bereits verpflichtend Wenn die Errichtung eines entsprechenden Energie-systems aus wirtschaftlichen oder technischen Gruumlnden jedoch nicht moumlglich war konnte im Einzelfall die Verpflichtung weitestgehend entfallen Nur die Versorgung mit mindestens 20 erneuerbarer Energie fuumlr Warmwasser- Raumwaumlrme- oder Stromversorgung musste sichergestellt werden In den durch die Energieraumplaumlne ausgewiesenen Klimaschutz-Gebieten sind solche Ausnahmen kuumlnftig nicht mehr zulaumlssig Klimafreundliche Systeme werden zum neuen Standard ndash ein Meilenstein fuumlr die Klimazukunft

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Die Abgrenzung der Klimaschutz-Gebiete

Im Zuge der Erarbeitung der gegenstaumlndlichen Verordnungen wurden jene Bereiche als Klimaschutz-Gebiete ausgewiesen in denen Fernwaumlrme und zumindest ein weiteres hocheffizientes Energiesystem eingesetzt werden koumlnnen Damit bildet hocheffizient alternativ gefuumlhrte Fernwaumlrme die Grundlage der Gebietsabgrenzung Darunter fallen im Sinne der Energieraumplaumlne jene Netze deren Energie zu-mindest zu 80 aus Kraft-Waumlrme-Kopplungs-Anlagen undoder aus Abwaumlrme undoder aus erneuer-baren Energien (Umgebungswaumlrme Biomasse etc) stammt Die Fernwaumlrme der Wien Energie GmbH entspricht derzeit als einziges Netz diesen Kriterien Um die bestehende hocheffizient alternativ gefuumlhrte Netzinfrastruktur der Wien Energie mit ihren Ka-pazitaumlten bestmoumlglich ausnuumltzen zu koumlnnen wurde das Erweiterungs- und Verdichtungspotenzial des Netzes untersucht Dazu wurden technisch-oumlkonomische Analysen erstellt und gutachterlich uumlber-pruumlft Im Falle der technischen Bewertung waren Restriktionen des bestehenden Netzes von zentraler Bedeutung Darunter fallen moumlgliche Komplikationen die sich aufgrund der Verlegeart bzw der Di-mension von Leitungen sowie der beschraumlnkten Leistungsfaumlhigkeit der Gebietsumformer- und Uumlber-gabestationen ergeben koumlnnen Anschlieszligend wurden die Kosten eines moumlglichen Anschlusses unter-sucht Darunter fallen jene Kosten die beim Energieversorger und Netzbetreiber entstehen wie Inves-titionskosten im Zusammenhang mit dem Anschluss eines Gebaumludes an das Waumlrmenetz oder laufende Kosten im Zusammenhang mit der Erzeugung und dem Transport der Waumlrme Wenn durch die Ertraumlge aus dem Waumlrmeverkauf die angefuumlhrten Kosten gedeckt werden koumlnnen faumlllt die wirtschaftliche Be-wertung positiv aus Ein positives Ergebnis der technisch-oumlkonomischen Bewertung resultiert in einer Erweiterung bzw Verdichtung der derzeitigen hocheffizient alternativ gefuumlhrten Fernwaumlrmeversorgungsbereiche In ei-nem abschlieszligenden Schritt wurde ermittelt ob in den ausgewiesenen Zonen zumindest ein weiteres hocheffizientes alternatives System neben der Fernwaumlrme betrieben werden kann Dies wurde gut-achterlich untersucht und fuumlr alle Gebiete bestaumltigt Das Ergebnis dieser stufenweisen Vorgehensweise sind die Energieraumplaumlne und die darin parzellenscharf ausgewiesenen Klimaschutz-Gebiete

Abb 3 Orangedruck eines Wiener Energieraumplans Wien Ottakring Quelle MA 20 2020

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Wie in Abb 3 ersichtlich werden die Klimaschutz-Gebiete bezirksweise erlassen Gemeinsam mit den Bezirken Leopoldstadt und Neubau wurde der Energieraumplan Ottakring im Juni 2020 vom Wiener Gemeinderat beschlossen Im September 2020 folgten die Bezirke Landstraszlige Josefstadt Alsergrund Waumlhring und Doumlbling Die uumlbrigen 15 Wiener Gemeindebezirke sollen in den kommenden Monaten beschlossen werden

Der Prozess hinter den Energieraumplaumlnen

Das Verfahren zur Erstellung der Energieraumplaumlne und den darin kenntlich gemachten Klimaschutz-Gebieten orientiert sich am Ablauf zur Erarbeitung der Flaumlchenwidmungs- und Bebauungsplaumlne Im Rahmen der Vorentwurfsphase werden Grundlagen aufbereitet und die Ergebnisse stadtintern reflek-tiert Auf dieser Basis wird ein Entwurf erarbeitet der einer oumlffentlichen Auflage unterzogen wird Et-waige Stellungnahmen werden aufgenommen und gegebenenfalls in die Energieraumplaumlne eingear-beitet Anschlieszligend werden die Verordnungen von der Europaumlischen Kommission mittels Notifizie-rung bestaumltigt Weder von Seiten der Europaumlischen Kommission aus anderen Mitgliedstaaten noch von Unternehmen kamen diesbezuumlglich bislang Einwaumlnde Das Fehlen eines solchen Einwandes kann als richtungsweisend im Sinne des Klimaschutzes interpretiert werden Klimaschutz wird damit uumlber den Schutz des Binnenmarktes fuumlr fossile Heizungen gestellt Schlieszliglich gelangen die Energieraum-plaumlne in den Wiener Gemeinderat und erlangen drei Monate nach Kundmachung ihre Guumlltigkeit

Die Auswirkungen der Energieraumplaumlne

Etwa acht von zehn Neubauten in Wien befinden sich kuumlnftig in einem Klimaschutz-Gebiet Die Stadt Wien rechnet mit etwa 8000 neuen Wohneinheiten innerhalb dieser Gebiete pro Jahr Durch die Vor-schreibung hocheffizienter alternativer Systeme fuumlr Raumwaumlrme und Warmwasser haben die Klima-schutz-Gebiete daher direkten Einfluss auf die staumldtische Treibhausgasbilanz Das geplante Monitoring der Energieraumplaumlne wird zeigen wie wirksam diese Maszlignahme bezuumlglich des staumldtischen Treib-hausgasbudgets ist Daruumlber hinaus hemmen die gegenstaumlndlichen Verordnungen den parallelen Leitungsausbau in Neu-baugebieten etwa von Gas und Fernwaumlrme Damit werden eine leistbare Waumlrmeversorgung fuumlr End-kundinnen und Endkunden sichergestellt und Planungssicherheit fuumlr Investorinnen und Investoren ge-schaffen Ausnahmen ergeben sich lediglich im Falle von Industrie- und Gewerbegebieten wenn diese einen Gasanschluss fuumlr ihre Produktionsprozesse benoumltigen Im Bereich der bestehenden Gebaumludestruktur kann durch die gegenstaumlndlichen Verordnungen kurz- bis mittelfristig keine Entflechtung der doppelten Rohrleitungsinfrastruktur erreicht werden Um das zu bewirken muumlssten auch entsprechende Regelungen fuumlr die Umstellung von fossilen Heizungsanla-gen in Bestandsbauten ergriffen werden Trotzdem soll durch Anschluumlsse von Neubauten die Fern-waumlrme-Anschlussdichte in der Bestandsstadt erhoumlht werden Das unterstuumltzt den kosteneffizienten Betrieb und traumlgt zur Leistbarkeit der Energieversorgung bei Schlieszliglich ruumlstet sich die Stadt Wien durch die vermehrte Nutzung von erneuerbarer Energie fuumlr die Zukunft und wird damit europaweit Vorreiterin denn mit gruumlner Energie aus der Region wird Wien unabhaumlngiger von Erdgasimporten aus dem Ausland

Wie geht es weiter

Mit den Energieraumplaumlnen setzt Wien einen wichtigen Meilenstein fuumlr eine krisensichere und erneu-erbare Energiezukunft Im Sommer 2020 begann mit der Verordnung der ersten acht Klimaschutz-Ge-biete der Ausstieg aus der fossilen Gasversorgung von Neubauten Aber was ist mit dem Gebaumludebe-stand

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Die Dekarbonisierung von Bestandsbauten ist die logische Folge der aktuellen Energieraumplaumlne und wurde auch im aktuellen Koalitionsuumlbereinkommen verankert Dabei wird es wichtig sein auf die Aus-gangslage des Bestands einzugehen (z B Sanierungszustand Nutzung bauliche Dichte etc) und vor diesem Hintergrund die unterschiedlichen Moumlglichkeiten eines Energietraumlgerwechsels zu beleuchten Nach derzeitiger Sicht lassen sich grob folgende Versorgungsoptionen unterscheiden

bull Fernwaumlrme wird auch im Gebaumludebestand eine wichtige Rolle fuumlr die Raumwaumlrme- und Warm-wasserversorgung spielen Einerseits koumlnnten jene Gebaumlude kuumlnftig mit Fernwaumlrme versorgt werden die bereits heute uumlber einen Fernwaumlrmeanschluss verfuumlgen aber nur teilweise oder gar nicht mit Fernwaumlrme versorgt werden Andererseits koumlnnten auch jene Gebaumlude ange-schlossen werden die in unmittelbarer Naumlhe zu einer bestehenden Fernwaumlrmeleitung bzw in einem Fernwaumlrmeausbaugebiet mit ausreichender Kapazitaumlt liegen Sinnvolle Loumlsungen zur Gebaumludekuumlhlung im Sommer muumlssen zusaumltzlich etabliert werden Ebenso wird die Sanierung der Bestandsstadt eine wichtige Rolle spielen um den Waumlrmebedarf zu senken und damit noch mehr Wienerinnen und Wiener mit kuumlnftig fossilfreier Fernwaumlrme versorgen zu koumlnnen

bull In den fuumlr die Fernwaumlrme ungeeigneten Lagen koumlnnten die uumlbrigen hocheffizienten alternati-ven Energiesysteme gemaumlszlig sect 118 (3) Bauordnung fuumlr Wien zum Einsatz kommen Bereits heute zeichnen sich umfangreiche Potenziale an vor Ort verfuumlgbarer Erdwaumlrme ab die sowohl den Bedarf an Waumlrme als auch an Kaumllte in weiten Teilen des Stadtgebiets decken koumlnnten Die Versorgung einzelner Gebaumlude kann dabei dezentral die Versorgung mehrerer Gebaumlude mit-tels innovativer Nahwaumlrmenetze erfolgen

bull Schlieszliglich wird es Gebiete geben in denen nur bedingt hocheffiziente alternative Waumlrmever-sorgungssysteme realisiert werden koumlnnen Dazu zaumlhlen etwa Industriegebiete die hochtem-perierte Waumlrme fuumlr industrielle oder gewerbliche Prozesse benoumltigen Ebenso wird es Ge-baumlude geben die beispielsweise aufgrund des Denkmal- oder Ensembleschutzes nur einge-schraumlnkt saniert oder aus technischen Gruumlnden nur schwer nachgeruumlstet werden koumlnnen Fuumlr diese Faumllle koumlnnte aus derzeitiger Sicht bdquogruumlnes Gasldquo eine Moumlglichkeit zur Waumlrmebereitstel-lung bieten Dabei muumlssen das Potenzial die Verfuumlgbarkeit und die Transportfaumlhigkeit von bdquogruumlnem Gasldquo im Auge behalten werden um eine langfristige Versorgung gewaumlhrleisten zu koumlnnen

Neben der schrittweisen Umstellung auf eine erneuerbare Energieversorgung darf die Steigerung der Energieeffizienz nicht auszliger Acht gelassen werden Darunter faumlllt beispielsweise die thermische Ge-baumludesanierung mit der der Waumlrme- und Kuumlhlbedarf gesenkt und damit eine erneuerbare Versorgung unterstuumltzt werden kann Erst durch die Verschneidung beider Handlungsfelder kann ein nachhaltiges Energiesystem entstehen Naumlhere Informationen dazu finden sich im SEP ndash Staumldtisches Energieeffizi-enz-Programm 2030 (MA 20 2019c) und in der Energierahmenstrategie 2030 fuumlr Wien (Stadt Wien 2016) Als Energieplanungsabteilung der Stadt Wien versuchen wir den hier skizzierten Weg zu verfolgen und die Entwicklungen im Energiesektor in geregelte Bahnen zu lenken Dabei gilt es flexibel und system-offen zu bleiben um bestmoumlglich auf die bevorstehenden Systemaumlnderungen eingehen zu koumlnnen Nur so kann die Energieraumplanung als neue Kompetenz der Stadtplanung zur Entfaltung kommen und immer deutlicher in der gebauten Stadt wirksam werden Je mehr neue und bestehende Objekte mit klimaschonender Energieversorgung entstehen desto sichtbarer und spuumlrbarer wird der Klima-schutz fuumlr alle Die kommenden Jahrzehnte werden jedenfalls einige Umbruumlche bereithalten die die Stadt Wien bereits heute als Chance versteht um bestmoumlgliche Loumlsungen fuumlr ihre Bewohnerinnen und Bewohner vorzubereiten

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Literatur

Koalitionsprogramm (2020) Die Fortschrittskoalition fuumlr Wien Wien httpswwwwiengvatpoli-tik-verwaltungpdfkoalitionsabkommenpdf (letzter Zugriff 15122020)

Magistrat der Stadt Wien (2019) Smart-City-Wien-Rahmenstrategie 2019ndash2050 Wien httpswwwwiengvatstadtentwicklungstudienpdfb008551pdf (letzter Zugriff 07092020)

MA 20 (2019a) STEP 2025 Fachkonzept Energieraumplanung Werkstattbericht 182 Wien httpswwwwiengvatstadtentwicklungenergiepdffachkonzept-energieraumplanungpdf (letz-ter Zugriff 07092020)

MA 20 (2019b) Energievoraus Energiebericht der Stadt Wien Daten 2017 Berichtsjahr 2019 Wien httpswwwwiengvatstadtentwicklungenergiepdfenergiebericht2019pdf (letzter Zugriff 07092020)

MA 20 (2019c) SEP2030 Staumldtisches Energieeffizienzprogramm Wien httpswwwwiengvatstadtentwicklungenergiepdfsep2030pdf (letzter Zugriff 07092020)

MA 20 (2020) Energieraumplan fuumlr den 16 Wiener Gemeindebezirk Verordnung Wien httpswwwwiengvatstadtentwicklungenergieerppdfplan-erp-1160pdf (letzter Zugriff 07092020)

MA 23 (2019) Statistisches Jahrbuch der Stadt Wien 2019 httpswwwwiengvatstatis-tikpdfjahrbuch-2019pdf (letzter Zugriff 07092020)

Stadt Wien ndash Arbeitsgruppe der Geschaumlftsgruppe ndash Stadtentwicklung Verkehr Klimaschutz Energie-planung und BuumlrgerInnenbeteiligung sowie der Geschaumlftsgruppe Umwelt und Wiener Stadtwerke (2016) Energierahmenstrategie 2030 httpswwwwiengvatstadtentwicklungenergiepdfener-gierahmenstrategie-2030pdf (letzter Zugriff 07092020)

Statistik Austria (2013) Census 2011 - Gebaumlude- und Wohnungszaumlhlung Ergebnisse zu Gebaumluden und Wohnungen aus der Registerzaumlhlung 2011 httpwwwstatistikatweb_deservicespublikatio-nen7indexhtmlincludePage=detailedViewampsectionName=WohnenamppubId=674 (letzter Zugriff 07092020)

Statistik Austria (2014) Gebaumlude- und Wohnungszaumlhlung Hauptergebnisse Wien httpwwwstatis-tikatweb_deservicespublikationen7indexhtmlincludePage=detailedViewampsectionName=Woh-nenamppubId=126 (letzter Zugriff 07092020)

Statistik Austria (2020) Nutzenergieanalyse 2018 EEV 1993 bis 2018 nach ET und Nutzenergiekate-gorien fuumlr Wien (Detailinformation) httpswwwstatistikatweb_destatistikenenergie_um-welt_innovation_mobilitaetenergie_und_umweltenergienutzenergieanalyseindexhtml (letzter Zugriff 07092020)

Treberspurg amp Partner (2019) Wirtschaftlichkeitsvergleich unterschiedlicher Heizungs- und Warm-wasserbereitungsanlagen Technisches Gutachten zur Novelle der BO f Wien 2018 (sect 2b Energie-raumplaumlne) Wien

Wien Energie (2019) Wiener heizen derzeit doppelt so viel wie im Vorjahr Presseaussendung httpswwwotsatpresseaussendungOTS_20190516_OTS0025wiener-heizen-derzeit-doppelt-so-viel-wie-im-vorjahr (letzter Zugriff 07092020)

Wien Energie (2020a) Geschaumlftsbericht 2019 httpswwwwienenergieatwp-contentuplo-ads202006wienenergie_geschaeftsverlauf2019_350450pdf (letzter Zugriff 07092020)

Wien Energie (2020b) Studie zur Dekarbonisierung Wiens 2050 Unsere Vision fuumlr ein CO2-freies Wien Position Wien Energie httpspositionenwienenergieatbeitraegedecarb-studie (letzter Zugriff 07092020)

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Energieraumplanung Das oumlsterreichische Instrumentarium im IST und SOLL

Hartmut Dumke (1) und Stefan Geier (2)

DOI 10347261023

(1) UnivAss Dipl-Ing Drtechn Forschungsbereich Regionalplanung und Regionalentwicklung Institut fuumlr Raumplanung TU Wien ORCID 0000-0002-8111-9083

(2) Dipl-Ing Institut fuumlr Raumplanung Umweltplanung und Bodenordnung (IRUB) Department fuumlr Raum Landschaft und Architektur Universitaumlt fuumlr Bodenkultur (BOKU) Wien

Abstract

In einer bundeslanduumlbergreifenden Konsensdefinition wurde Energieraumplanung (ERP) 2014 als bdquoTeil der Raumplanung der sich umfassend [hellip] mit Energiebedarf und -gewinnungldquo beschaumlftigt definiert Seither sind zahlreiche Erfolgsgeschichten in den 9 Handlungsfeldern der ERP gelungen aber die Frage wie der bdquoNext Levelldquo im Sinne der Energiewende und der Klimawandelanpassung erreicht werden kann ist offen Dazu systematisiert der vorliegende Artikel zunaumlchst das Instrumentarium im IST Zu-stand nach Raumbezuumlgen und Wirkungsweisen Dieser Befund zeigt insbesondere bei der Verbindlich-keit und Wiederholbarkeit deutliche Schwaumlchen in der bdquoMatrixldquo der Steuerungsinstrumente deshalb werden 6 neue Handlungsfelder vorgeschlagen die dem kuumlnftigen Anspruch der ERP moumlglicherweise besser gerecht werden koumlnnten Das Fazit schlieszligt mit einem Appell fuumlr mehr Lenkungsverantwortung bei den Bundeslaumlndern und den Energieversorgungsunternehmen und definiert die SOLL-ERP als bdquoneueldquo Disziplin die mehr andere Disziplinen als bisher enthaumllt u a natuumlrlich auch die Raumplanung

Schluumlsselbegriffe

Energieraumplanung ERP Steuerungsinstrumente Energiewende Dumke H Geier S (2021) Energieraumplanung Das oumlsterreichische Instrumentarium im IST und SOLL In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S38-47

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Inhalt Einleitung 40

Erfolgsgeschichten 41

Instrumente der (E)RP 42

Fazit 44

Literatur 46

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Einleitung

Die bisher einzige bundeslanduumlbergreifende Konsens-Definition aus 2014 lautet wie folgt (Stoumlglehner et al 2014 S 12) bdquoEnergieraumplanung ist jener integrale Bestandteil der Raumplanung der sich mit den raumlumlichen Dimensionen von Energieverbrauch und Energieversorgung umfassend beschaumlftigtldquo Damit erscheint einerseits in der OumlROK-Definition aus 2014 die Beruumlcksichtigung komplexer integrier-ter wirkmaumlchtiger Handlungsfelder der ERP abgedeckt Andererseits war diese Definition von einem die Bundeslaumlnder uumlbergreifenden Konsens motiviert der Raumplanung keine Verantwortung fuumlr kom-plexe Steuerungsaufgaben der ERP zuzumuten fuumlr die ihr Instrumentarium derzeit nicht gebaut ist Zu diesen komplexen Steuerungsaufgaben gehoumlrt u a die integrierte Beruumlcksichtigung der Ziele Ener-giesparen Steigerung der Versorgungsanteile aus erneuerbaren und CO2-armen Gewinnungsformen und Entwicklung der Siedlungsstrukturen zu Gunsten umweltfreundlicher Verkehrsmittel Aber nicht alle dieser Ziele koumlnnen nur mit Raumplanungsinstrumenten unterstuumltzt bzw erreicht werden Der vorliegende Artikel diskutiert demzufolge das IST und SOLL zum Instrumentarium der oumlsterreichi-schen Energieraumplanung (ERP) Im Sinne der ERP-Konferenz die am 20 und 21022020 an der TU Wien stattfand (TU Wien Institut fuumlr Raumplanung 2020) geht es dabei insbesondere um einen Be-fund zu Wirkungsweisen und -staumlrken die benoumltigt werden um von vielen Teil-Erfolgen der ERP zum bdquoNext Levelrdquo zu gelangen bdquoNext Levelrdquo wuumlrde dabei bedeuten dass bereits umgesetzte Erfolgsgeschichten der Energieraumpla-nung (vgl Tab 1) kuumlnftig deutlich haumlufiger schneller und unkomplizierter als bisher umgesetzt werden koumlnnen Neben diesen Reflexionen diskutiert dieser Beitrag somit ob die aktuell konsensuale Defini-tion der ERP zu diesem Anspruch eines deutlichen bdquoUpscalingsrdquo passt und auch die Anspruumlche der Mi-tigation und Adaptation im Klimaschutz bedienen kann

Abb 1 ERP im IST als Teilmenge von Raumplanung Quelle eigene Darstellung

Nach der benannten Definition von ERP kann diese als Teilmenge von RP (neben anderen wie Ver-kehrsplanung Gruumlnraumplanung Tourismusplanung etc) betrachtet werden Der vorliegende Artikel diskutiert daher ob dieses bislang vorherrschende Verstaumlndnis im IST (ERP ist als Element in der Raum-planung enthalten) dem Next Level der ERP im SOLL uumlberhaupt gerecht werden kann Zunaumlchst werden bestehende Erfolgsgeschichten (ERP IST) aufgezeigt danach werden die Steuerungsinstrumente mit Energierelevanz diskutiert und auch bdquoalterdquo und bdquoneuerdquo Handlungsfelder der Energieraumplanung ge-listet Im Fazit wird zusammenfassend aus diesen Erkenntnissen ein ERP SOLL inclusive einer anderen bdquoMengenlehreldquo entworfen

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Erfolgsgeschichten

Exemplarisch fuumlr bdquoErfolgsgeschichtenrdquo listet Tab 1 umgesetzte Praxisbeispiele auf der Quartiers- und Siedlungsebene die aufgrund Ihrer integrierten Zugaumlnge nach Ansicht der Autoren das Branding bdquoEner-gieraumplanungrdquo wirklich verdienen weil sie integriert Umsetzungen in mindestens vier aus den neun Handlungsfeldern der ERP realisiert haben

Lage Umsetzungen Instrumentarium ERP-Handlungsfelder gemaumlszlig OumlROK 2014

Energiezonenplanung Freistadt Oberoumlsterreich

Festlegung von Vorrang- und Ausbaugebieten fuumlr Fernwaumlrme raumlumliche Ent-wicklung nach den Prinzi-pien Funktionsmischung raumlumliche Dichte und Kom-paktheit in den Vorrangflauml-chen

Energiezonenplan 3 4 5 6 7 8

Siedlung bdquoRosa Zukunftrdquo Salzburg

Neubausiedlung Passiv-hausstandard Erdwaumlrme + Fotovoltaik + Solarthermie E-Car-Sharing Smart-Grid-Evaluierung

Gefoumlrdertes Leuchtturm-projekt der Smart-Grids-Modellregion Salzburg Wohnbaufoumlrderung

4 6 7 8 9

Smart Block Geblergasse (Wien)

Thermische Sanierung im Bestand Geothermie + So-larthermie Energiebedarfs- und verbrauchsmonitoring Mobilitaumlts- und Freiraum-konzept

FFG-Forschungsfoumlrderung Smart-City-Rahmenstrate-gie THEWOSAN-Foumlrderung

4 6 7 8 9

Zell am See ndash Sonnengarten Limberg (Salzburg)

Neubau-Quartiersentwick-lung nach den bdquoklimaaktiv-Standards fuumlr Siedlungen und Quartiererdquo Energie- Mobilitaumlts- und Partizipati-onskonzept

klimaaktiv-Standards fuumlr Siedlungen und Quartiere klimaaktiv-Gold-Standard fuumlr die Gebaumlude

3 4 5 6

Tab 1 Oumlsterreichische bdquoErfolgsgeschichtenrdquo erfolgreich umgesetzter Energieraumplanung

Neun Handlungsfelder

1) Freihaltung von geeigneten Raumlumen zur Gewinnung Speicherung und Verteilung erneuer-barer Energien von konflikttraumlchtigen Nutzungen einschlieszliglich Erhaltung von Pufferflauml-chen

2) Freigabe von geeigneten Raumlumen zur Gewinnung Speicherung und Verteilung erneuerba-rer Energien

3) Bereitstellung von Planungsgrundlagen und Planungsmethoden fuumlr oumlrtliche und uumlberoumlrtli-che Energie- und Mobilitaumltskonzepte

4) Wahrnehmung der Rolle als Plattform zum Interessenausgleich 5) Staumlrkung von Zentralitaumlt und kurzen Wegen 6) Anstreben von Dichte und Funktionsmischung 7) Innen- vor Auszligenentwicklung 8) Abstimmung von Nutzungsentwicklung und Mobilitaumltsangebot (im Umweltverbund) 9) Optimierung und Attraktivierung ungenutzter Energiepotenziale

Quelle eigene Darstellung neun Handlungsfelder nach (Stoumlglehner et al 2014)

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Instrumente der (E)RP

In der Unterscheidung zwischen Raumplanung und Energieraumplanung stellt sich uumlberhaupt die Frage was denn eigentlich keine Energieraumplanung ist Wichtiger als eine solche philosophische De-batte ist fuumlr die Planungspraxis im IST und SOLL aber ein systematischer Zugang Was gibt es uumlberall was nicht In Tab 2 wird diese Systematisierung von Steuerungsinstrumenten mit Energierelevanz nach dem Raumbezug und der Wirkungsweise versucht Das erhebt keinen Anspruch auf Vollstaumlndig-keit fasst aber sowohl Steuerungsansaumltze zusammen die in allen Bundeslaumlndern vorkommen als auch manche die (Stand 2020) nur in einzelnen Bundeslaumlndern vorkommen Letztere sind mit Bundesland-Kuumlrzeln markiert Die sechs Spalten der Wirkungsweisen und -arten (direkt undoder indirekt) basieren urspruumlnglich auf dem Systemansatz von Klaus Selle (Selle 2005) und wurden seit 2013 im Zuge des Forschungsprojektes ENUR (und nachfolgenden auch in anderen Forschungsprojekten am Institut fuumlr Raumplanung) um die Unterscheidung nach raumlumlichen Wirkungsebenen ergaumlnzt Die Indirekten haumlufig zeitig bdquolangsamenrdquo Ansaumltze definieren dabei den Rahmen in dem die bdquoschnellenrdquo direkt raumwirksamen Ansaumltze sich bewegen koumlnnen Die Zuordnung der Instrumente entspricht ausschlieszliglich der Auffassung der Auto-ren und koumlnnte aus anderen Perspektiven heraus unterschiedlich ausfallen eine interdisziplinaumlr kon-sensierte Version waumlre fuumlr sich ein interessantes Projekt und ein wichtiger bdquoMeilensteinrdquo der ERP im SOLL Anmerkung In Gebieten welche in Wien von Energieraumplaumlnen erfasst sind wird per Verordnung die Wahl des Heizungs- und Warmwasserbereitungssystems von Neubauten beschraumlnkt Bestandsge-baumlude sind davon nicht beruumlhrt Fuumlr Neubauten sind zur Beheizung und Warmwasserbereitung die innerhalb eines Energieraumplanes (MA 20 Energieplanung Wien 2020) errichtet werden nur mehr eines der bdquohocheffizienten alternativen Systemeldquo gemaumlszlig Wiener Bauordnung sect 118 Absatz 3 (Wien 2020) erlaubt Energieraumplaumlne koumlnnen in allen Bundeslaumlndern auszliger Wien grundsaumltzlich der regio-nalen Ebene zugeordnet werden aber in Wien entspricht dies eher der Quartiers- oder Siedlungs-ebene Neben der Unterscheidung nach Raumbezug und Wirkungsweise ist es aber auch wichtig die Entste-hung all dieser Steuerungsinstrumente im IST zu systematisieren Wie ist die Verbindlichkeit besichert wer war bei der Entwicklung eines Instrumentes (nicht) beteiligt und wie ist die bdquoDatenlandschaftrdquo aufgestellt an die die Energieraumplanung hohe Anspruumlche hat Die folgende Einschaumltzung gibt einen Uumlberblick wo die ERP 2020 nach Ansicht der Autoren steht

1 Energieversorger und Netzbetreiber fehlen bisher noch weitgehend als BeteiligteMitgestal-ter

2 Die regionale Ebene verfuumlgt uumlber zu wenige verbindliche Steuerungsansaumltze die uumlber die lo-kalen Ebenen (vor allem auf die Gebaumludeebene aber auch pro Siedlung und Gemeinde) wir-ken

3 Erst wenige Bundeslaumlnder verfuumlgen uumlber eine konsistent und frei zugaumlngliche Datenbasis die kleinraumlumige Aussagen und Entscheidungen ermoumlglicht

4 Die rechtsverbindlichen Instrumente Flaumlchenwidmungs- und Bebauungsplan adressieren die Energierelevanz implizit aber nicht explizit

5 Andere verbindliche Instrumente wie die Bauordnungen bdquowirkenrdquo im Sinne der Energieraum-planung vor allem am einzelnen Gebaumlude weniger in Gebaumludeensembles auf der Quartiers- und Siedlungsebene

6 Auch auf Quartiers- und Siedlungsebene fehlt es nicht an Steuerungsansaumltzen aber Ihre bdquoWirk-machtrdquo hat im Sinne der Energieraumplanung bisher noch zu wenig Serialitaumlt erlangt Analy-sen die sich der Erklaumlrung der fehlenden Serialitaumlt widmen stehen noch aus

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Raumbezug Wirkungsweise und Raumwirksamkeit (indirekt und direkt raumveraumlndernd)

Bundesland Raum- ordnungs- und Raum- planungs- gesetze

Bauordnungen OIB-Richtlinien

Landesenergie-konzepte (Energie Zukunft

Mobilitaumlt Klimaschutz) Waumlrmeatlas (Stmk W S)

Foumlrderungen Wohnbau Sanierungen Produktion erneuerbarer

Energien Sachbereichskonzept Energie

(Stmk)

Windkraft-Sachpro-

gramme und -konzepte

(K NOuml OOuml Stmk)

PV Konzepte (K B)

Region Regionale Energiekon-zepte Smart Regions- und Mobilitaumlts- konzepte Klima- und

Energiemodell-regionskon-

zepte LEADER-Konzepte

Entwicklung von Regional-entwickungs-managements

und Interessens-verbaumlnden

Stadt Gemeinde

Oumlrtliche Entwicklungs-

konzepte Masterplaumlne

Stadt- entwicklungs-

plaumlne Sachbereichs-

konzept Energie (Stmk)

Energie- und Klimakonzept

(NOuml)

Kommunale Energieleitbilder und -konzepte e5-Gemeinden-

Konzepte

Waumlrmenetz-betrieb

Energiegewin-nung

Flaumlchenwid-mungsplaumlne Bebauungs-

plaumlne

Mobilitaumlts-zentralen Beratungs-

stellen Gebietsbe-treuungen

(W)

Quartier Siedlung Gebaumlude- ensembles

Energieraum-plaumlne (W)

Energiekon-zepte sanfte Stadterneue-

rung (W) Energieraum-planerische

Standortraumlume (Stmk)

Waumlrmeatlas (S)

Vertraumlge Public-Private Partnerships Bodenfonds Steuer- und

Einspeisereg-lements der

Erneuerbare-Energie-

Gewinnung

Investoren- wettbe-werbe

Nutzungs- beitraumlge

Grundstuumlcks-aufschlieszligun-gen Bauland-umlegungen

staumldtebau- liche Vertraumlge

ERP- Simulations-

und Berechnungs-

tools Entwicklungs-

gesell- schaften

Sanfte Stadt-erneuerung

(W)

Einzelne Gebaumlude

Beratungs- angebote

(Miete und Eigentum)

Zertifi- zierungs- systeme

Eigentuumlmer-vertraumlge und -beschluumlsse

regulativ (indirekt)

kommunikativ bewusstseins-

bildend (indirekt)

finanzierend (indirekt)

markt- aktivierend

(direkt)

standort- entwickelnd

(direkt)

Prozesse steuernd

(direkt und oder indirekt)

Tab 2 Steuerungsinstrumente mit Energierelevanz nach raumlumlichen Beschluss- und Wirkungsebenen und Wirkungswei-sen Bundesland-Kuumlrzel Stmk = Steiermark W = Wien S = Salzburg K = Kaumlrnten B = Burgenland NOuml = Niederoumlsterreich Quelle Eigene Darstellung und Erweiterung 2021 nach Department fuumlr Raumplanung 2013 und Weninger 2017 Die Tabelle erhebt keinen Anspruch auf Vollstaumlndigkeit

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Die bisher beschriebenen Befunde zum Stand der Energieraumplanung im IST lassen ein Bild entste-hen wie die Energieraumplanung im SOLL beschaffen sein koumlnnte Einen neuen Vorschlag dieser bdquoMengenlehrerdquo schlaumlgt die Abb 5 (vgl Fazit) vor Im Sinne der ERP im SOLL geht es um die folgenden zusaumltzlichen Handlungsfelder

bull Infrastrukturplanung und -koordination in Richtung Dekarbonisierung bull sektoruumlbergreifende Planungs- und Entscheidungsprozesse bull Erhebung von erneuerbaren Energiepotenzialen inkl Abwaumlrme bull Waumlrmebedarfsprognosen und -planung mit Hilfe von Waumlrmekatastern (ISTSOLL) bull sektoruumlbergreifende Datengrundlagen bull regionale- und kleinraumlumige Mobilitaumltsmodelle

Diese sechs neuen Handlungsfelder stehen zwar im Kontext der bisherigen neun Handlungsfelder aus der OumlROK Definition 2014 konkretisieren aber in der Akteurinnen- und Akteurslandschaft und auch raumlumlich differenzierender wie der bdquoNext Levelrdquo der Energieraumplanung Fahrt aufnehmen koumlnnte Die sektorenuumlbergreifenden Expertisen und Grundlagen der Raum- und Energieplanung flieszligen noch nicht in gemeinsame integrierte Planungen ein Um strategische raumlumliche Ziele aufgrund von Ener-giequellen und -senken und Infrastruktur zu bdquoerreichenrdquo muumlssen sektoruumlbergreifende Planungs- und Entscheidungsgrundlagen sowie eine gemeinsame Datenbasis geschaffen werden Christoph Schrem-mer fordert dazu die bdquofachlich zielbezogene Integration von Siedlungsentwicklung und Energiesektorldquo um moderne Infrastruktur nachhaltige Mobilitaumlt und hohe Lebensqualitaumlt erreichen zu koumlnnen In sol-chen Prozessen waumlre dabei kuumlnftig in erheblich staumlrkerem Ausmaszlig eine staumlrkere Formalisierung der Zustaumlndigkeiten und Verantwortlichkeiten anzustreben - wer hat fuumlr welches Kooperationsprodukt auf welcher raumlumlichen Ebene die Hauptverantwortung wer bdquonurrdquo eine Mitarbeitsverantwortung Liegt derzeit moumlglicherweise noch deutlich zu viel Verantwortung auf der kommunalen Ebene und deutlich zu wenig auf der regionalen- und der Bundeslandebene Tab 3 bietet anhand von Plan- und Koopera-tionsprodukten zur Energieraumplanung einen Vorschlag zum kuumlnftigen ERP-SOLL

Fazit

Der vorliegende Beitrag argumentiert dass die ERP im IST uumlber ein vielseitiges und vielartiges Instru-mentarium verfuumlgt Trotzdem gibt es bisher erst wenige ERP-Erfolgsgeschichten Deshalb braucht es wenn der bdquoNext Levelrdquo im ERP-SOLL konkret werden soll eine problemfokussierte Wirkungsanalyse Wie sind die ERP-Erfolge kuumlnftig einfacher haumlufiger und seriell wiederholbarer moumlglich Die Gestaltung eines nachhaltigen Energiesystems kann aufgrund der Komplexitaumlt und Langfristigkeit dieser Aufga-benstellung offenbar nicht durch Einzelentscheidungen entstehen Diese interdisziplinaumlre Denkweise bringt die Raumplanung schon bislang in die Energieplanung ein Die Wirkungen von bestehenden ERP-Instrumenten sind somit bisher vorwiegend fuumlr die Klimawandelanpassung (bdquoAdaptationrdquo) geeignet der Klimaschutz durch Mitigation wird demgegenuumlber allerdings eine ERP im SOLL brauchen Energieraumplanung ernst nehmen wuumlrde im SOLL bedeuten die dafuumlr notwendigen Planungs- und Entscheidungsprozesse grundlegend neu zu gestalten Dies bedeutet dass Akteurinnen- und Akteurs-gruppen miteinander sprechen sollen die das bisher noch nicht getan haben um gemeinsam Koope-rationsprodukte und Plaumlne auf allen raumlumlichen Ebenen beschlieszligen zu koumlnnen Gemeinden insbe-sondere kleine und finanzschwache duumlrfen nicht laumlnger mit den Aufgaben der Energieraumplanung uumlberfordert werden aber dazu braucht es eine deutliche Staumlrkung der Lenkungsverantwortung auf regionaler- und Bundeslandebene Auch muss die Landesplanungsebene nicht die kommunale Ebene deutlich haumlufiger und intensiver als bisher an der Verbesserung der bdquoDatenlandschaftrdquo arbeiten und dabei auch die Energieversorgungsunternehmen staumlrker in die Pflicht nehmen Dies ist sehr wohl unter

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Einhaltung des Datenschutzes moumlglich Plan- und Rasterkartenprodukte aus anderen Laumlndern bewei-sen es

Kooperationsprodukt Inhalte der Kooperationsprodukte Bundesland Region Gemeinden

Potenzialkarten Biomasse und Bio-gas Windkraft Solarthermie Pho-tovoltaik Wasserkraft Abwaumlrme Geothermie

Flaumlchen im bebauten und unbebauten Raum die ein zusaumltzlich (zum bereits aktiven Potenzial) moumlgliches erneuer-bares Energiepotenzial enthalten

X (X) (X)

Status quo des Energiesystems Kraftwerke (Leistungen und Ener-giemengen pro Jahr) Lage und Zu-stand leitungsgebundener Energie-infrastrukturen (insbesondere Strom Waumlrme Gas)

Uumlbersicht systemrelevanter interkom-munal bedeutsamer Anlagen Bei der Leitungsinfrastruktur braucht es die Ko-operation mit den Energieversorgungs-unternehmen

X (X)

Potenzialstudie bdquoVirtuelles regiona-les Kraftwerkldquo

Auf Basis der zeitlich vorgelagerten Po-tenzialkarten Ausschluss- und Eig-nungskriterien fuumlr erneuerbare Ener-giepotenziale auf regionaler Ebene in-klusive einfacher Abschaumltzung des Selbstversorgungsgrades im IST und SOLL

X (X)

Regionaler Energieraumplan mit IST- und SOLL-Inhalten zur Energie-nachfrage Anteil der erneuerbaren Energieversorgung und Mobilitaumlts-aspekten

Grenzen energieraumlumlicher Typologien auf regionaler Ebene (Siedlungs- und Landschaftsteile) Vorschlaumlge fuumlr quar-tiersgenaue bdquoUntertypenldquo Eignungs- und oder Ausschlussgebiete fuumlr Ener-gietraumlger oder Heizsysteme mit Fokus auf leitungsgebundenen Energietrauml-gern

X (X)

Potenzialkarten Geothermie Solar-energie Einsparungen beim Heiz-waumlrmebedarf Potenzial fuumlr thermi-sche Sanierungen Nachverdich-tungspotenzial

Raumlumliche und zeitliche Entwicklungs-prioritaumlten Fokus auf Bestandskonver-sion

(X) X

Kooperationsvertrag zur Priorisie-rung der Umsetzungs- und Maszlig-nahmenschritte inklusive bdquoWar-tungsdesignldquo des regionalen Ener-gieraumplanes

Agreement uumlber Finanzierung Ziele und Monitoring der energieraumplane-rischen Kooperation

(X) X (X)

Bewertung der Auswirkungen des regionalen Energieraumplans auf die Energiestrategie des Bundeslan-des und auf die Ziele internationa-ler Klimaschutzvereinbarungen

Kriterien-Set (etwa CO2-Emissionen) zur Uumlberpruumlfung der Policy-Wirksamkeit

X

Tab 3 Kooperationsprodukte und Rollen in der bdquoNext Levelrdquo ERP SOLL Die Rolle von Bundesland Region und Gemeinde wird unterschieden in X = Federfuumlhrung und Hauptverantwortung (X) = Kontrolle Mitarbeit Quelle eigene Bearbeitung nach (Dumke 2017)

Diese erweiterte Lenkungsverantwortung auf Bundeslandebene muss auch mit Instrumenten ausge-stattet werden welche ausgehend von den oben genannten Kooperationsprodukten (z B regionale Potenzialkarten und Eignungszonen) eine raumlumlich differenzierte Steuerung mit mehr Verbindlichkeit als bisher ermoumlglicht

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Dafuumlr muss auch ein bisher in Oumlsterreich noch voumlllig fehlendes bdquoGegenstromprinziprdquo der Behoumlrdenver-bindlichkeit nach Schweizer Vorbild (Kanton Basel 2010) fuumlr Planinhalte und Grundlagendaten im In-formationsfluss zwischen QuartierenSiedlungen Gemeinden Regionen Bundeslaumlndern und dem Staat erarbeitet werden Im Schweizer Gegenstromprinzip werden Daten- und Planinhalte sowohl bdquotop downrdquo als auch bdquobottom uprdquo abgeglichen und die Inhalte sind auch in beide Richtungen behoumlrdenver-bindlich Sollte sich dieses bdquoGegenstromprinziprdquo in Oumlsterreich etablieren koumlnnte ergaumlnzend auch zu-saumltzlich der horizontale Informationsfluss zwischen Quartieren und Siedlungen verbessert werden Die in Tab 3 genannten Kooperationsprodukte sollten als gemeinsame Grundlagen fuumlr die unter-schiedlichen raumlumlichen Ebenen aber auch sektoruumlbergreifend frei verfuumlgbar sein Die Palette dieser Instrumente kann von Foumlrderungen (Wohnbaufoumlrderung ausgerichtet auf den oumlffentlichen Verkehr) bis hin zu Zonen fuumlr Anschlusspflicht oder Ausschlusszonen fuumlr bestimmte Energietraumlger gehen In einer SOLL-ERP-Akteurinnen- und Akteurslandkarte (vgl nebenstehende Abb) muumlssen sich deutlich mehr Disziplinen als bisher wiederfinden koumlnnen Am Instrumentarium der Energieraumplanung bis-her klar unterrepraumlsentierte Rollen sind etwa die Energieversorgungsunternehmen die Netzbetreiber die Landwirtschaft und der Umweltschutz Abschlieszligend zeigt die folgende Grafik die ERP im SOLL Die erheblichen Unterschiede zur Abb 1 (ERP-IST) sind nicht zu uumlbersehen

Abb 2 ERP SOLL Quelle eigene Darstellung

Literatur

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Dumke Geier (2021) Energieraumplanung Das oumlsterreichische Instrumentarium im IST und SOLL DOI 10347261023

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Kanton Basel (2010) Kantonaler Richtplan Online verfuumlgbar unter httpwwwmobilitaetbschthe-menundprojektegesamtplanungrichtplanhtm (letzter Zugriff 08102013)

MA 20 (Energieplanung) Wien (2020) Klimaschutz-Gebiete - Energieraumplaumlne fuumlr Wien Online ver-fuumlgbar unter httpswwwwiengvatstadtentwicklungenergieerpindexhtml (letzter Zugriff 03122020)

Schremmer Christoph (2020) 50 Jahre Raumplanung an der TU Wien Zukunftsperspektiven der Raumplanung in Oumlsterreich In Thomas Dillinger Michael Getzner Arthur Kanonier und Sibylla Zech (Hrsg) 50 Jahre Raumplanung an der TU Wien Studieren ndash Lehren ndash Forschen 1 Auflage Wien NWV Verlag (Jahrbuumlcher des Instituts fuumlr Raumplanung der TU Wien Band No 82020) S 408ndash426

Selle Klaus (2005) Planen Steuern Entwickeln Uumlber den Beitrag oumlffentlicher Akteure zur Entwick-lung von Stadt und Land Dortmund Dortmunder Vertrieb fuumlr Bau- und Planungsliteratur

Stoumlglehner Gernot Neugebauer Georg Erker Susanna (2014) OumlREK-Partnerschaft Energieraumpla-nung Ergebnispapier der ExpertInnen Unter Mitarbeit von Gernot Stoumlglehner Susanna Erkner und Georg Neugebauer Online verfuumlgbar unter httpwwwoerokgvatfileadminBilder2Reiter-Raum_u_Region1OEREKOEREK_2011PS_EnergieraumplanungErgebnispapier_Energieraumpla-nung_2014-06pdf (letzter Zugriff 15122014)

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Weninger Kurt (2017) Erneuerbare Energie in der Raumplanung Raumordnungsrechtliche und -fachliche Aspekte erneuerbarer Energie in Oumlsterreich Wien Online verfuumlgbar unter httpreposi-tumtuwienacatobvutwhsdownloadpdf1721602originalFilename=true (letzter Zugriff 20062017)

Wiener Stadtentwicklungs- Stadtplanungs- und Baugesetzbuch (Bauordnung fuumlr Wien ndash BO fuumlr Wien) idF LGBl Nr 612020 Online verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatGeltendeFas-sungwxeAbfrage=LrWampGesetzesnummer=20000006 (letzter Zugriff 14122020)

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Datenlandschaft der Energieraumplanung ndash eine Standortbestimmung

Robert Kalasek (1) und Florian Puumlhringer (2)

DOI 10347261024

(1) Senior Scientist Dipl-Ing Forschungsbereich Stadt- und Regionalforschung Institut fuumlr Raumplanung TU Wien

(2) UnivAss Dipl-Ing Forschungsbereich Stadt- und Regionalforschung Institut fuumlr Raumplanung TU Wien

Abstract

Raumlumliche differenzierte und treffsichere Entscheidungen im Bereich der Energieraumplanung benouml-tigen als Fundament inhaltlich adaumlquate und raumlumlich hoch aufgeloumlste Informationsgrundlagen Die Anforderungen an den Detaillierungsgrad haumlngen von der Maszligstabsebene des Taumltigkeitsfeldes ab Auf Basis der Erfahrungen aus mehreren Forschungsprojekten werden die Anspruumlche an Datengrundlagen und Datenqualitaumlt der unterschiedlichen Akteure im Prozess von der (Energie-)Raumplanung uumlber den Bau bis zum Betrieb von Gebaumluden reflektiert Ein Schwerpunkt liegt dabei auch auf dem Aspekt des Informationsaustausches zwischen den unterschiedlichen Themenfeldern und Rollen der im Prozess auftretenden Akteuren wie der oumlffentlichen Verwaltung oder Unternehmen aus dem privaten Sektor Dabei wird die Bedeutung des themenspezifischen Detaillierungsgrades der raumlumlichen Granularitaumlt sowie der Aktualitaumlt der Informationsgrundlagen deutlich Die Anforderungen einer evidenzbasierten und effektiven Energieraumplanung an die Datenqualitaumlt werden als hoch eingeschaumltzt waumlhrend die derzeit bestehende Verfuumlgbarkeit und Qualitaumlt aktueller Daten sehr kritisch beurteilt wird

Schluumlsselbegriffe

Datengrundlagen Datenqualitaumlt Informationsaustausch Raumlumliche Analyse

Kalasek R Puumlhringer F (2021) Datenlandschaft der Energieraumplanung ndash eine Standortbestimmung In Giffinger R Ber-ger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S48-61

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Inhalt Energieraumplanung braucht Information 50

Datengrundlagen und Datenqualitaumlt 51

Anspruumlche an Datenqualitaumlt 52

Informationen zum Energieverbrauch 54

Gebaumlude- und Wohnungsdaten 55

Energieausweis als Informationssubstitut 56

Daten zur Energieinfrastruktur 57

Informationsaustausch 57

Rolle der oumlffentlichen Verwaltung (Administration) 58

Rolle von Unternehmen aus dem privaten Sektor 59

Fazit 59

Literatur 60

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Energieraumplanung braucht Information

Energieraumplanung verknuumlpft traditionelle Raumplanung (im Sinn von Regional- Stadt- und Ortspla-nung) mit Energieplanung (vgl Magistratsabteilung 20 2019) Nach dem Verstaumlndnis der Oumlsterreichi-sche Raumordnungskonferenz (2019) ist damit jene Herangehensweise gemeint mit deren Hilfe Ge-meinden Ziele zur Energieeinsparung Kostensenkung und Reduktion von Emissionen verfolgen Zur Staumlrkung nachhaltiger Entwicklung basiert sie daher notwendigerweise auf dem Wissen uumlber die raumlum-lichen Dimensionen von Energieverbrauch- und -gewinnung Angesichts der Notwendigkeit wirksame Strategien zur Energiewende bereits kurzfristig zu implementieren bedarf es raumlumlich differenzierter und treffsicherer Entscheidungen im Rahmen des Planungsprozesses Deren Fundament muumlssen in-haltlich adaumlquate raumlumlich hoch aufgeloumlste und aktuelle Informationsgrundlagen bilden Im folgenden Beitrag greifen wir auf Erfahrungen aus dem im Jahr 2020 am Forschungsbereich Stadt- und Regionalforschung (Institut fuumlr Raumplanung TU Wien) bearbeiteten und abgeschlossenen For-schungsprojekt bdquoPlanen-Bauen-Managen Digitalisierung in der Stadtplanung ndash von der Raumplanung bis zur Digitalisierung im Bauwesen (PBM_integrativ)ldquo im Auftrag des Bundesministeriums fuumlr Verkehr Infrastruktur und Technologie (2019) auf (Giffinger amp Brugger 2019) In dessen Rahmen wurden vor dem Hintergrund der Vielfalt institutioneller Regelungen und Verfahren die Prozesse im thematischen Bogen von der strategischen Raumplanung uumlber Gebaumludeentwurf und -ausfuumlhrung bis zur Nut-zungBetrieb von Gebaumluden (inklusive Erhaltung und Sanierung) beleuchtet Ziel des Auftraggebers war es zukuumlnftige Forschungsbedarfe zu identifizieren bzw einzugrenzen Zahlreiche Expertinnen- und Experteninterviews mit unterschiedlichen Akteuren des genannten Prozesses bilden einen zent-ralen methodischen Baustein des Projekts Innerhalb der Interviews wurden verschiedene thematische Aspekte aus dem breiten und vielschichtigen Themenfeld des Projektes angesprochen - in diesem Bei-trag greifen wir auf die Ergebnisse zu den Interview-Schwerpunkten bdquoDatengrundlagenldquo und bdquoDaten-austauschldquo zuruumlck In der Folge beschraumlnken wir uns zum einen auf den ersten Prozessabschnitt die Planung ndash im Sinn von Raumplanung und Energieraumplanung ndash und zum anderen auf den Aspekt der Raumwaumlrme in Wohngebaumluden Letzteres vor allem deshalb weil dieser Aspekt sowohl hinsichtlich der oumlffentlichen Wahrnehmung im Zusammenhang mit bdquoEnergieverbrauchldquo und damit auch Klimaschutz bereits als re-levantes Handlungsfeld verankert ist (vgl Abb 1) aber auch weil das thematische Segment der bdquoRaumwaumlrmeldquo in Bezug auf die aktuell zur Verfuumlgung stehende Informationsbasis eine Sonderstellung einnimmt Gegenuumlber anderen Sparten des Energiebedarfs aus dem Bereich bdquogebaute Umweltldquo ist die Ausgangslage hinsichtlich Verfuumlgbarkeit und Qualitaumlt der Daten noch vergleichsweise guumlnstig Inwie-weit die Daten fuumlr Planungsaufgaben hinreichend geeignet sind wird in der Folge diskutiert

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Abb 1 Energie in Oumlsterreich 2018 ndash Zahlen Daten Fakten Quelle Bundesministerium fuumlr Nachhaltigkeit und Tourismus 2018 e-control ndash Umweltthemen ndash Energieverbrauch der Haushalte httpswwwe-controlatkonsumentenenergie-spa-renthema-energieverbrauch

Datengrundlagen und Datenqualitaumlt

Die Ergebnisse der Interviews im Projekt PBM bestaumltigen die Vielfalt an Inhalten und Quellen die aus unterschiedlichen disziplin-spezifischen Perspektiven unter dem Begriff bdquoDatengrundlageldquo zusammen-gefasst werden Alle Interviewpartner aus den verschiedenen Taumltigkeitsfeldern innerhalb des Prozes-ses von der Raumplanung uumlber das Bauen bis hin zum Betrieb und zur Nachnutzung wurde um Nen-nung relevanter Datengrundlagen und Datenquellen gebeten Im Bereich der Raumplanung wurden hier die meisten bzw unterschiedlichsten Datenquellen genannt wobei ein groszliger Teil davon als Open Government Data (OGD) frei zugaumlnglich ist Die Datenquellen und Datengrundlagen AGWR (Adress- Gebaumlude- und Wohnungsregister) DKM (Digitale Katastralmappe) Energieausweis sowie Informatio-nen zum Energieverbrauch wurden von Akteurinnen aus mehreren Bereichen des Prozesses genannt (z B sowohl von Personen aus der Raumplanung als auch aus der Bauwirtschaft) Diese haumlufig als re-levant bezeichneten Datenquellen werden auch im Rahmen dieses Artikels noch naumlher beleuchtet In der Auswertung der Interviews zeigte sich auch dass ndash mit Ausnahme von Informationen zum Ener-gieverbrauch ndash de facto kein Datensatz bzw keine Datenquelle von Akteuren aus allen drei Bereichen des Prozesses genannt wurde Die wenigsten Uumlberschneidungen mit anderen Bereichen gab es bei Nennungen von Personen aus dem Bereich Betrieb

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Anspruumlche an Datenqualitaumlt

Innerhalb der Raumplanung haumlngen die Anspruumlche hinsichtlich des raumlumlichen und inhaltlichen Detail-lierungsgrades sicher von der Maszligstabsebene des Taumltigkeitsfeldes ab die von der Bundeslandebene bis in den einzelnen Ortsteil reichen kann Generell bestehen aber vor allem in Bezug auf die zentralen Datenbestaumlnde zum Gebaumludebestand zur Nutzungsverteilung und den Energiebedarfen sowie zu ge-gebenenfalls bestehenden planerischen Vorgaben und Regelungen hohe Anforderungen an Aktualitaumlt Konsistenz und Vollstaumlndigkeit Der uumlberwiegende Teil der im Bereich der Raumplanung genannten Datenquellen wird im Rahmen hoheitlicher Aufgaben erstellt wobei im Zuge der Datenerfassung- und Aufbereitung in der Regel der Anspruch besteht die Datenbestaumlnde in moumlglichst vielen und moumlglichst unterschiedlichen Anwen-dungsfeldern nutzen zu koumlnnen Dennoch gilt aus Anwendersicht folgende Forderung die einer der PBM-Interviewpartner knapp und praumlzise auf den Punkt gebracht hat der Anspruch an Daten muss jeweils lauten bdquoFit for Purposeldquo Aus eigener Erfahrung sowie aus den Ergebnissen der PBM-Interviews laumlsst sich ein Datenset ableiten das den Kern eines Datenbestands fuumlr die Energieraumplanung bildet Dieser Basisbestand muss so-wohl die Energienachfrage als auch die Angebotssituation raumlumlich differenziert abbilden wobei die Abbildung in regelmaumlszligigen und angemessen kurzen Abstaumlnden zu erfolgen hat Letzteres bildet einer-seits die Voraussetzung dafuumlr Trends identifizieren zu koumlnnen und andererseits die Grundlage fuumlr Wirksamkeitsanalysen von Maszlignahmen bzw Maszlignahmenbuumlndeln Aufgrund des Aufwands den raumlumlich hochaufloumlsende und gleichzeitig inhaltlich differenzierte Erfas-sungskonzepte mit sich bringen ist es daher notwendig die Aufmerksamkeit auf die relevantesten Einflussfaktoren bzw Determinanten des bdquoEnergieverbrauchsldquo zu buumlndeln Am Beispiel des vergleichsweise einfach abzubildenden Heizenergiebedarfs von Wohngebaumluden las-sen sich die Anforderungen an die Datenbasis anschaulich darstellen Auf der (Energie-)Nachfrageseite sind jedenfalls die folgenden Informationen erforderlich

bull Gebaumludespezifische Informationen zu Merkmalen mit erheblichem Einfluss auf den Energie-bedarf wie thermische Eigenschaften der Gebaumludehuumllle Nutzungsverteilung und -intensitaumlt (Alterswohnsitz vs Studierenden-WG Hauptwohnsitz vs Nebenwohnsitz) etc

bull Eigenschaften der gebaumludeinternen Waumlrmebereitstellungsinfrastruktur wie Art Ausstattung und Alter der Waumlrmebereitstellungssysteme Energietraumlger bzw Energietraumlgermix

bull Veraumlnderungspotenziale von Gebaumludeeigenschaften und Anlagen wie Sanierungsstatus und daraus ableitbare Sparpotenziale durch Sanierungen einen zeitgemaumlszligen Standard moumlgliche aktivierbare Potenziale durch Nutzungsaumlnderungen und Nachverdichtungspotenziale

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Abb 2 Modellergebnis Heiz-waumlrmebedarf auf der Grund-lage von Gebaumludeform Bau-periode und Klima fuumlr ausge-waumlhlte Bebauungsstrukturen in Wien Quelle Brus T und Kalasek R (2020)

Zur Abbildung der (Energie-)Angebotsseite werden zumindest zu folgenden Bereichen Grundlagenda-ten benoumltigt

bull bestehende Versorgungssysteme-strukturen Erdgas Fernwaumlrme Nahwaumlrme Anergienetze individuelle Versorgung (mit Heizoumll Holz Pellets etc)

bull Angebotspotenziale alternativer Energietraumlger und -infrastrukturen lokaleregionale alterna-tive Energietraumlger Vernetzungspotenziale (Kapazitaumltsreserven der Netzinfrastruktur Waumlrme-bedarfsdichten etc)

Abb 3 Angebotspotenziale ErdwaumlrmesondenModellierung potenzieller Bohrlochstandorte zur Abschaumltzung des Erdwaumlr-mepotentials im Rahmen der Anergie-Studie Anergie Urban Links Potenzialflaumlchen fuumlr Bohrungen rechts Ausschnitt Mo-dellierung Bohrlochverteilung Quelle Brus T und Kalasek R (2020)

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Informationen zum Energieverbrauch

Unter Daten zum bdquoEnergieverbrauchldquo werden hier jene Informationen verstanden die den tatsaumlchli-chen Bedarf der Nachfrageseite (der sogenannte bdquoVerbraucherldquo) in seiner kleinraumlumigen Verteilung abbilden Es ist also jene Energiemenge die am Uumlbergabepunkt abgenommen und genutzt wird Der bdquoEnergieverbrauchldquo wurde (als einziger Datenbestand) im Projekt PBM von Interviewpartnern aus allen drei abgefragten Bereichen Raumplanung Bauen und Betrieb explizit als hoch relevante Kenn-groumlszlige fuumlr Planungsaufgaben auf unterschiedlichen Maszligstabsebenen angesprochen In den Interviews wurde allerdings nicht thematisiert ob die von Haushalten und Unternehmen tatsaumlchlich bdquokonsu-mierteldquo Energiemenge ein aussagekraumlftiger Indikator fuumlr den jeweils bestehenden Bedarf ist oder sein kann Der gemessene bdquoEnergieverbrauchldquo z B im Bereich Raumwaumlrme enthaumllt Faktoren die nicht in unmit-telbarem Zusammenhang mit bauphysikalischen Gebaumludeeigenschaften und Systemeigenschaften der Waumlrmebereitstellungstechnologien stehen und die damit den eigentlichen jeweils gebaumludespezifi-schen Energiebedarf quasi uumlberlagern Ganz besonders gilt das fuumlr jene Anteile am Energieverbrauch fuumlr Raumwaumlrme die auf den Einfluss von Witterungsbedingungen (z B mildestrenge Winter) oder Unterschiede im Nutzerverhalten (z B individuelles Temperaturempfinden lebenszyklusabhaumlngige Verhaltensmuster etc) zuruumlckzufuumlhren sind Auch fuumlr den Strombedarf laumlsst sich ein aumlhnliches Bild zeichnen wobei neben Faktoren wie der Haushaltsgroumlszlige oder des genutzten Energietraumlgers fuumlr Nah-rungszubereitung (Strom vs Gas) auch hier das individuelle Verhalten von zentraler Bedeutung ist Damit die Energieraumplanung aussagekraumlftige treffsichere Planungsgrundlagen erarbeiten und letzt-lich auch Strategien entwickeln kann bedarf es entsprechend differenzierter Informationsgrundlagen Die raumbezogenen Statistiken zum Energiebedarf muumlssen daher die angesprochenen Ebenen Gebaumlu-demerkmale Standortbedingungen und Verhalten klar unterscheiden Detaillierte Daten zum bdquoEnergieverbrauchldquo auf Objekt-Adressebene stehen den Energieanbietern un-ternehmensintern in all jenen Faumlllen zur Verfuumlgung in denen leitungsgebundene Versorgungssysteme zum Einsatz kommen Eine Veroumlffentlichung derartiger im Fall von Gebaumluden mit Wohnnutzung letzt-lich eindeutig personenbezogenen Detailinformationen im Sinn von Open Data ist aber aus Gruumlnden des Schutzes der Privatsphaumlre (im Sinne Richtlinie 9546EWG des Europaumlischen Parlamentes und des Rates vom 24 Oktober 1995 zum Schutz natuumlrlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezoge-ner Daten und zum freien Datenverkehr) in diesem Detaillierungsgrad nicht moumlglich Der Bezug zur Privatsphaumlre laumlsst sich an folgendem Beispiel veranschaulichen Anhand gegebenenfalls auf Gebaumlude-ebene veroumlffentlichter Heizwaumlrmebedarfsdaten lieszlige sich ndash die noumltige fachliche Qualifikation voraus-gesetzt ndash anhand spezifischer Referenzwerte der Beitrag von Heiztechnologie und thermischen Gebaumlu-demerkmalen in seiner Groumlszligenordnung relativ treffsicher abschaumltzen Abweichungen von diesem Wert lieszligen sich folglich im konkreten Fall auf das Nutzerverhalten zuruumlckfuumlhren Im Fall von Ein- und (kleinen) Mehrfamiliengebaumluden bestuumlnde also ein unmittelbarer Bezug zu konkreten Personen Sehr wohl denkbar ist die Veroumlffentlichung entsprechender Daten allerdings in aggregierter Form auf einem Niveau das eine datenschutzkonforme Granularitaumlt garantiert In Raumlumen mit niedriger Bebau-ungsdichte waumlren vor diesem Hintergrund ausgedehntere raumlumlich-statistische Einheiten zu definie-ren als in solchen mit hohen Dichtewerten Nach dem Kenntnisstand der Verfasser und der Auswertung der PBM-Interviews werden allerdings derzeit Veroumlffentlichungen zum Energiebedarf auf kleinraumlumiger Ebene von den Energiebetreibern mit dem Hinweis auf Datenschutz undoder Betriebsgeheimnisse weitestgehend verweigert

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Gebaumlude- und Wohnungsdaten

Das gemaumlszlig GWR-Gesetz (Bundesgesetz uumlber das Gebaumlude- und Wohnungsregister) von der Bundes-anstalt fuumlr Statistik Oumlsterreich (Statistik Austria) zu fuumlhrenden bdquoAdress- Gebaumlude- und Wohnungsre-gister (AGWR II)ldquo ist jene bundesweite Datenbank in der gebaumludebezogene Daten in einheitlicher und strukturierter Form erfasst werden Zu den im Zusammenhang mit Fragen des Energiebedarfs relevan-ten Schluumlsselinformationen in der Datenbank zaumlhlen Merkmale wie Gebaumludealter Nutzflaumlche und Ge-schoszliganzahl sowie die Art der Beheizung und der Warmwasseraufbereitung Weiters sind Angaben zu Nutzungsart und Nutzungsintensitaumlt (z B Anzahl Hauptwohnsitze) von Gebaumluden und Nutzungsein-heiten Teil des umfangreichen Merkmalskatalogs Neben einer Reihe anderer Informationen enthaumllt dieses Register also grundsaumltzlich die im Rahmen der Energieraumplanung wesentlichen Gebaumlude- und Wohnungsmerkmale In den PBM-Interviews wird allerdings deutliche Kritik an der Vollstaumlndigkeit der Plausibilitaumlt und der Aktualitaumlt dieses fuumlr Energiethemen so bedeutenden Datenbestands laut Diese Kritik wird auch von Interviewpartnerinnen im Projekt artikuliert die in der staumldtischen Verwaltung beschaumlftigt sind Das ist insofern von Interesse als die Daten lt GWR-Gesetz durch bdquoBeschaffung bei den Gemeindenldquo (sect 4 (1) GWR-Gesetz) erhoben werden und die Verantwortung fuumlr die Daten und deren Qualitaumlt daher zu einem guten Teil eben bei den Staumldten und Gemeinden selbst liegt Nachdem der AGWR II zurzeit allerdings weder valide flaumlchendeckend verfuumlgbare Aussagen zu ther-mischen Eigenschaften der Gebaumludehuumllle noch belastbare Daten zu Heizsystem und Energietraumlger ent-haumllt und daruumlber hinaus auch Sanierungsstatus und -historie nicht dokumentiert besteht gerade bei jenen Merkmalen die hinsichtlich Energiebedarf besonders relevant sind eine eklatante Luumlcke im in-haltlichen Spektrum systematisch erfasster Daten Zur Verdeutlichung dieser Aussage Das Einspa-rungspotenzial durch thermische Sanierungsmaszlignahmen erreicht je nach Ausgangssituation und Maszlig-nahmenbuumlndel bis uumlber 50 wobei die houmlchsten Werte bei Gebaumluden in den Perioden zwischen 1950 und 1980 erreicht werden Abhaumlngig von der Altersstruktur der Gebaumlude besteht ohne die konkrete Kenntnis uumlber den aktuellen Zustand der Gebaumludehuumllle auf Gebaumludeebene daher erhebliche Unsicher-heit bzgl moumlglicher Sparpotenziale auf Stadtteil- oder Quartiersebene und zwar in einem Ausmaszlig das gerade bei Fragen der wirtschaftlichen Zweckmaumlszligigkeit von Investitionen in Nah- oder Fernwaumlr-meinfrastruktur entscheidend sein kann Vor diesem Hintergrund ist die Frage zu stellen ob ndash angesichts der aktuell bestehenden Maumlngel des AGWR II ndash benutzergenerierte Ansaumltze der Datenerhebung Abhilfe schaffen koumlnnen bzw koumlnnten Die Idee wirkt im Lichte der Erfolgsgeschichte benutzergenerierter Datenbestaumlnde wie OpenStreetMap verlockend schlieszliglich stellt die Community lokales Know-How in erheblichem Umfang und unentgelt-lich zur Verfuumlgung Dennoch ist aus unserer Sicht Vorsicht geboten Gebietskoumlrperschaften und andere Koumlrperschaften oumlffentlichen Rechts nutzen Daten sowohl im Rahmen ihrer hoheitlichen als auch ihrer privatwirtschaft-lichen Aufgaben Daher waumlre jedenfalls aus rechtlicher Sicht zu klaumlren inwieweit benutzergenerierte Inhalte die formalen und qualitativen Anforderungen an Geoinformation grundsaumltzlich erfuumlllen koumln-nen Wie Hiltgartner et al bereits 2004 in ihrer Studie zu Rechtsvorschriften fuumlr Geodaten in Oumlsterreich ausfuumlhrlich darstellen werden in diesem Zusammenhang Haftungsfragen und damit sensible Themen beruumlhrt Insbesondere dort wo die Erfassung und Fuumlhrung von Geodatenbestaumlnden spezielle Faumlhig-keiten erfordern sind je nach Kontext unterschiedliche Aspekte der Amtshaftung Produkthaftung und Gewaumlhrleistung von Bedeutung Beispielsweise ist die Vermessung und digitale Dokumentation eines Grenzkatasters ohne entsprechend befugte Fachkraumlfte kaum vorstellbar da mit diesem Katasterwerk umfangreiche dingliche Rechte verknuumlpft sind Ob und inwiefern die Anforderungen an eine Gebaumlude-dokumentation wie sie der AGWR II darstellt aumlhnlich hoch sind ist offen Nach Ansicht der Autoren

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sprechen allerdings zwei Argumente dafuumlr derartige Datensammlungen auch weiterhin unter staatli-cher Obhut zu erfassen zum einen weil fuumlr die systematische Erfassung von Gebaumluden anhand der deutlich mehr als 100 Erhebungskategorien des AGWR ein hohes Maszlig an Fachwissen erforderlich ist zum anderen weil mit zunehmender Implementierung von Instrumenten der Energieraumplanung auch entsprechende unmittelbare Folgen fuumlr Eigentuumlmer undoder Nutzer zu erwarten sind Objektiv bestehende oder subjektiv wahrgenommene Eingriffe in die Moumlglichkeiten der Nutzung des Privatei-gentums werden jedenfalls das Problem der Haftung im Fall von tatsaumlchlichen oder vermeintlichen Datenfehlern aufwerfen

Energieausweis als Informationssubstitut

An dieser Stelle ist auch der Energieausweis (gemaumlszlig Energieausweis-Vorlage-Gesetz (EAVG)) sowie die Energieausweisdatenbank (EADB) (Statistik Austria 2020) zu nennen Letztere ist bzw sollte laut GWR-Gesetz Teil des AGWR-II-Datenbestands sein Der Energieausweis enthaumllt neben den zentralen Aussagen zu gebaumludespezifischen Energiekennzahlen wie Heizwaumlrme- und Warmwasserbedarf auch weitere wichtige gebaumludebezogene Informationen Dazu gehoumlren den Verbrauch bestimmende Parameter wie die charakteristische Laumlnge (lc)1 Angaben zu den thermischen Eigenschaften der Gebaumludehuumllle aber auch Details zur genutzten Waumlrmebereit-stellungstechnologie (Waumlrmebereitstellungs-Waumlrmeabgabesystem Energietraumlger Warmwasserbe-reitstellung) Angesichts der im vorangegangenen Abschnitt zum AGWR II beschriebenen Defizite wird der Energie-ausweis haumlufig als Quasi-Substitut fuumlr die dort fehlende bzw unzulaumlngliche Informationsbasis zu den Gebaumludemerkmalen bzw fuumlr die in der Regel fehlenden realen Verbrauchszahlen betrachtet Diese Anforderung kann bdquoder Energieausweisldquo aus einer Reihe von Gruumlnden nicht erfuumlllen Laut EAVG ist ein aktueller Energieausweis im Zuge der (Neu-)Vermietung der Verpachtung und des Verkaufs eines Gebaumludes oder Nutzungsobjektes vorzulegen Der Energieausweis-Datenbestand waumlchst folglich in genau jenem Ausmaszlig in dem die genannten Anlaumlsse tatsaumlchlich auftreten umge-kehrt formuliert Ein Zeithorizont innerhalb dessen der Datenbestand zumindest weitgehend flaumlchen-deckend erfasst sein wird ist nicht absehbar Die in raumlumlich-statistischem Sinn nicht repraumlsentativen Daten der Energieausweisdatenbank koumlnnten daher im guumlnstigsten Fall als Datenbasis fuumlr die Entwick-lung bzgl Validierung typologischer Ansaumltze genutzt werden Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Beitrags wurden die Energieausweise in einigen Bundeslaumlndern mit jeweils unterschiedlichen Datenbankloumlsungen verwaltet in anderen Bundeslaumlndern fehlt eine zentrale Erfassung nach wie vor ganz Der vorgesehene Abgleich der Datenbanken der Laumlnder mit der EADB der Statistik Austria ist zwar grundsaumltzlich seit laumlngerer Zeit geregelt wird aber immer noch nicht systematisch durchgefuumlhrt (Amann et al 2020 Austrian Energy Agency 2020) Eine zentrale und be-zuumlglich qualitativer Anforderungen weitestgehend homogene Datenbasis mit den Inhalten der Ener-gieausweise fehlt also derzeit und ist bis auf Weiteres auch nicht in Sicht Angesichts der auch in Fachdiskussionen haumlufig genannten Erwartungen hinsichtlich der Treffsicher-heit und Aussagekraft des Energieausweises ist festzuhalten dass es sich bei den konkreten Aussagen zum Energiebedarf im Energieausweis in aller Regel um Ergebnisse eines Berechnungsmodells handelt Neben den Modellergebnissen zu den unterschiedlichen energetischen Kennwerten gilt das Interesse den bereits mehrfach angesprochenen gebaumludespezifischen Eigenschaften Diese werden im Zuge der Erstellung des Energieausweises allerdings vielfach nicht vor Ort im Detail erfasst sondern auf der Grundlage eines bautypologischen Ansatzes angenommen

1 Die charakteristische Laumlnge (lc) wird als Verhaumlltnis von Gebaumludevolumen (V) und Gebaumludeoberflaumlche (A) berechnet (i e der

Kehrwert des AV-Verhaumlltnisses) und ist ein Maszlig fuumlr die Kompaktheit eines Gebaumludes Letztere ist fuumlr das von der Gebaumlu-deform bestimmte Ausmaszlig der Energieabstrahlung von Bedeutung

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Daten zur Energieinfrastruktur

Digitale Leitungsdokumentationen ndash sogenannte Leitungskataster ndash bestehen in zahlreichen Gemein-den Oumlsterreichs in unterschiedlicher Qualitaumlt und Aktualitaumlt Sie repraumlsentieren in ihrer raumlumlichen Abdeckung und Topologie die bestehenden Angebotsstrukturen leitungsgebundener Energietraumlger und dokumentieren damit z B im Bereich der Raumwaumlrme oumlsterreichischer Haushalte die Infrastruk-tur von etwa 47 aller fuumlr Raumwaumlrme eingesetzten Energietraumlger In aller Regel sind Netzbetreiber fuumlr Auf-Ausbau und Erhaltung der Netzinfrastruktur verantwortlich und uumlberlassen der planenden Verwaltung in unterschiedlichem Umfang und zu unterschiedlichen Be-dingungen planungsrelevante Daten In vielen Faumlllen sind diese Netzbetreiber ausgegliederte Unter-nehmen mit substanziellen Beteiligungen der oumlffentlichen Hand Leitungsdokumentationen wurden zwar in den Interviews des Projekts PBM explizit als wesentliche Planungsgrundlage genannt allerdings ohne dabei auf konkrete inhaltliche und qualitative Anforde-rungen naumlher einzugehen Angesichts der Bedeutung der Energieinfrastruktur fuumlr das gesamte Hand-lungsfeld der raumbezogenen Planung ndash von der strategischen Planung auf Stadt- bzw Stadtteilebene bis zur Detailplanung im Quartier ndash muss das uumlberraschen Schlieszliglich gilt es ndash aumlhnlich wie das z B in ZuumlrichSchweiz bereits erfolgreich vorgelebt wird (vgl Energie360 2020) ndash auf der Grundlage valider Fakten Gebietstypen auszuweisen die sich durch ihr Infrastrukturangebot (z B Gas vs Fernwaumlrme) bzw durch Vorgaben hinsichtlich zulaumlssiger Technologien oder Verpflichtungen zur Nutzung von Tech-nologien mit festgelegten Verbrauchs-Emissionslimits auszeichnen Dabei ist bereits absehbar dass vermehrt dezentrale Ansaumltze der Energieversorgung in diese bdquoZonierungldquo einbezogen werden muumlssen zum einen aufgrund der zunehmenden raumlumlichen Verflechtungen zwischen Energieangebot und Energienachfrage unter anderem durch die Installation von sogenannten Distributed Energy Resources in Verbraucherhaushalten (Stichwort bdquoProsumerldquo) (vgl Beestermoumlller 2017 Karg et al 2014 p 32) und zum anderen aufgrund der deutlich geringeren Krisenanfaumllligkeit derartiger Konzepte (Stichwort bdquoResilienzldquo) (vgl Fulterer amp Leusbrock 2018) Ohne solide Datenbasis zur bestehenden Infrastruktur die jedenfalls neben der Leitungsdokumenta-tion auch die Dokumentation bestehender Kapazitaumlten und anderer in der Regel technischer Engpass-faktoren umfassen muss werden derartige Vorhaben nur schwer umzusetzen sein Aktuell ist fuumlr die planende Verwaltung wenn uumlberhaupt meist nur eine rudimentaumlre Leitungsdokumentation im Sinn einer Verortung von Netzelementen zugaumlnglich Auf deren Grundlage lassen sich zwar Aussagen zu bestehenden und potenziellen Versorgungsbereichen ableiten Versorgungspotenziale im Sinn raumlum-lich differenzierter Aussagen uumlber das Ausmaszlig lokal bereitstellbarer Energiemengen beduumlrfen aber der Information uumlber Kapazitaumltsreserven und Engpaumlsse im bestehenden Netz sowie uumlber realisierbare Netzausbau-Szenarien Der breiten Oumlffentlichkeit koumlnnen Daten uumlber den Verlauf und insbesondere die Eigenschaften lei-tungsgebundener Infrastruktur aufgrund von deren Einstufung als bdquokritische Infrastrukturldquo im Sinne der EU-Richtlinie 2008114EG nicht zur Verfuumlgung gestellt werden Insgesamt faumlllt aber auf dass von den Betreibern unter Verweis auf Datenschutz undoder Betriebsgeheimnis in vielen Faumlllen selbst der oumlffentlichen Verwaltung qualitativ hochwertige und aktuelle Daten nicht zur Verfuumlgung gestellt wer-den und damit neben den angesprochenen qualitativen Maumlngeln auch die grundsaumltzliche Verfuumlgbar-keit ein Problem darstellt

Informationsaustausch

Neben der Verfuumlgbarkeit und Qualitaumlt von Daten bestimmt ein weiterer Gesichtspunkt deren Nutzbar-keit jener des Datenaustausches und der Datendistribution Waumlhrend in den vorigen Abschnitten die konkreten Inhalte essentieller Datengrundlagen fuumlr die Energieraumplanung beleuchtet wurden liegt der Fokus in der Folge auf der Betrachtung der Akteure sowie auf aktuellen Entwicklungen im Zusam-menhang mit Datenweitergabe und Datenaustausch

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Rolle der oumlffentlichen Verwaltung (Administration)

In den vergangenen Jahren vollzogen sowohl einige oumlffentliche Verwaltungen sowie teilweise auch ausgegliederte Unternehmen bezuumlglich der Veroumlffentlichung raumbezogener Daten einen deutlichen Kurswechsel Dieser ist vor allem durch den Uumlbergang vom Konzept der finanziellen Verwertung der Datenbestaumlnde hin zur deren oumlffentlicher Bereitstellung gekennzeichnet Damit wird die lange gelebte Praxis fuumlr die Abgabe von Daten sowie fuumlr deren Nutzung ndash sowohl anderen Verwaltungseinheiten als auch externen UnternehmenInstitutionen ndash Entgelt zu verrechnen sukzessive aufgegeben Kern die-ses unter dem Begriff Open Government Data (OGD) zusammengefassten Konzeptes ist die Veroumlffent-lichung von Daten die im Verantwortungsbereich der oumlffentlichen Verwaltung erfasst und verwaltet werden in allgemein zugaumlnglicher und maschinenlesbarer Form ohne die Verrechnung jeder Art von Gebuumlhren (Digitales Wien 2020 Kalasek amp Weninger 2015) Hintergrund der sich stetig ausbreitenden Initiative ist die Auffassung Information sei ein wertvoller Produktionsfaktor dessen Verfuumlgbarkeit und Zugaumlnglichkeit im Rahmen der voranschreitenden Digitalisierung eine Schluumlsselrolle zukommt Innerhalb Oumlsterreichs ist die Stadt Wien auf diesem Gebiet sicher unter den Vorreitern zu finden Am OGD-Konzept der Stadt Wien ist insbesondere interessant dass die Moumlglichkeit den Aufwand fuumlr den Vertrieb der Daten deutlich zu reduzieren sehr fruumlh erkannt wurde Im Zuge der Reorganisation der Infrastruktur rund um die Abgabe von Daten wurden die dafuumlr notwendigen Prozesse als Distributi-onsaufgabe identifiziert und diese in der Folge in Form eines zentralen bdquoDistributionsdienstesldquo imple-mentiert Gleichzeitig wurde der Grundsatz bdquoopen by defaultldquo fuumlr saumlmtliche (nicht klassifizierten) Daten der Stadt Wien verankert und daran anschlieszligend die fuumlr die Bereitstellung der Daten auf OGD-Platt-formen notwendigen Strukturen auf der Ebene der jeweiligen Fachabteilungen etabliert Insgesamt konnte laut Aussagen der Stadtverwaltung der Gesamtaufwand fuumlr den Vertrieb von Daten deutlich reduziert und gleichzeitig die Nutzungsintensitaumlt auf ein Vielfaches gesteigert werden (vgl Lutz 2020) Naheliegenderweise wurden im Rahmen der Interviews im Projekt PBM konkrete Datenbestaumlnde aus dem OGD-Angebotsbuumlndel sowohl von Vertretern der planenden Verwaltung als auch von Planungs-buumlros explizit als fuumlr den eigenen Wirkungsbereich relevante Datengrundlagen genannt Groszlige Teile dieses Buumlndels sind Basisdaten im Sinn von fachspezifischen Grundlagendaten zu jenen raumlumlichen Voraussetzungen die fuumlr die Energieraumplanung von Interesse sind Und es sind eben diese Daten die uumlber Distributionskanaumlle wie sie oben am Beispiel der Stadt Wien angesprochen wurden der All-gemeinheit einfach zur Verfuumlgung gestellt werden koumlnnen Obwohl der beschriebene Trend zu Open Data-Strategien auf allen Ebenen oumlffentlicher Verwaltung an der Zahl der entsprechenden Veroumlffentlichen auf Open Data Oumlsterreich (wwwdatagvat) zu erkennen ist (vgl Lutz 2020) existieren nach wie vor einige Sektoren in denen Daten nicht veroumlffentlicht bzw ausschlieszliglich gegen Entgelt abgegeben werden Zu den auch fuumlr die Energieraumplanung relevanten und prominentesten Beispielen zaumlhlen die Datenbestaumlnde der (ebenfalls in den PBM-Interviews ge-nannten) Digitalen Katastralmappe (DKM) und ein groszliger Teil der soziodemographischen Daten des Bundesamts fuumlr Statistik (Statistik Austria) auf der raumlumlichen Ebene der Gemeinden und darunter (z B Zaumlhlsprengel Raster 250 x 250m) Etablierte und eingespielte Loumlsungen fuumlr den Datenaustausch bestehen allerdings dort wo Daten von Institutionen der oumlffentlichen Verwaltung an Gebietskoumlrperschaften und Koumlrperschaften oumlffentlichen Rechts abgeben werden ndash und zwar insbesondere dann wenn beide hoheitliche Aufgaben wahrneh-men Diese Regelungen werden auch dort wirksam wo oumlffentliche Verwaltungen privatwirtschaftliche Unternehmen damit beauftragen im Planungsprozess mitzuwirken Gerade im thematischen Feld der Energieraumplanung ist diese Konstellation im Rahmen der Erarbeitung von Grundlagen und der Vor-bereitung konkreter Strategiepapiere und Plandokumente haumlufig Den Auftragnehmern werden die vorhandenen Daten dabei auf der Grundlage umfangreicher und komplexer zeitlich befristeter Nut-zungsvereinbarungen zur Verfuumlgung gestellt

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Rolle von Unternehmen aus dem privaten Sektor

Bei den Unternehmen handelt es sich haumlufig um ausgegliederte ehemalige Einheiten der oumlffentlichen Verwaltung oder Unternehmen aus dem Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung Der Datenaustausch zwischen den so definierten Unternehmen und der oumlffentlichen Verwaltung unterliegt den strikten Normen bestehender Datenschutzbestimmungen Diese Regelungen werden wie bereits erwaumlhnt entsprechend haumlufig von den Unternehmen als Hintergrund fuumlr die Weigerung planungsrelevante Da-ten aus der Hand zu geben angefuumlhrt Streng genommen handelt es sich allerdings in diesem Fall we-niger um Datenaustausch als vielmehr um Informationstransfer Der Transfer von Daten solcher Un-ternehmen zur oumlffentlichen Verwaltung betrifft primaumlr jene Basisinformation die zur Besorgung der planmaumlszligigen Gestaltung des Raums im Rahmen der Hoheitsverwaltung notwendig ist Informationen die im Zuge der Erledigung dieser Aufgabe fuumlr die Bewertung und Beruumlcksichtigung wirtschaftlicher sozialer gesundheitlicher und kultureller Beduumlrfnisse der Bevoumllkerung maszliggeblich sind haben diese Bedeutung grundsaumltzlich unabhaumlngig von der Rechtsform des Unternehmensder Institution dasdie die Datenbestaumlnde aufbaut und fuumlhrt Gerade eine evidenzbasierte Energieraumplanung ist klar ab-haumlngig von belastbaren Fakten zu jenen Faktoren die starken Einfluss auf den raumlumlich variierenden Bedarf haben Insofern ist der Transfer planungsrelevanter Daten aus dem Bereich ausgegliederter Unternehmen eine wesentliche Voraussetzung fuumlr die vorausschauende und nachhaltige Veraumlnderung der Angebots- und Nachfragestrukturen In diesem Zusammenhang ist eine konkrete Initiative in der Stadt Salzburg zu nennen der sogenannte bdquoDatenaustauschvertragldquo der zwischen dem Energieversorger Salzburg AG (uumlberwiegend im Eigentum des Landes Salzburg und der Stadt Salzburg) die Bedingungen der wechselseitigen Weitergabe jeweils planungsrelevanter Daten regelt Aus Sicht der Autoren waumlre ein deutlich houmlheres Maszlig an Transparenz in diesem Zusammenhang zu begruumlszligen ndash nicht zuletzt deshalb weil von prominenten und erfolgrei-chen Beispielen immer auch eine entsprechende Wirkung auf weitere Initiativen zu erwarten ist

Fazit Aus den Interviews im Rahmen des Projektes PBM geht insbesondere die Bedeutung des themenspe-zifischen Detaillierungsgrades der raumlumliche Granularitaumlt und der Aktualitaumlt der Datengrundlagen klar hervor Mit anderen Worten Die Anforderungen einer evidenzbasierten und effektiven Energieraum-planung an die Datenqualitaumlt werden als hoch eingeschaumltzt waumlhrend die derzeit bestehende Verfuumlg-barkeit und Qualitaumlt aktueller Daten sehr kritisch beurteilt wird In juumlngster Zeit wurden in zahlreichen Forschungsinitiativen ebenso zahlreiche Ansaumltze zur Abschaumlt-zung des Energiebedarfs im Themenfeld WohnenWohngebaumlude entwickelt Die Notwendigkeit kom-plexe Methoden fuumlr diese Fragestellung zu entwickeln ergibt sich primaumlr aus dem Mangel an konkre-ten empirischen Daten zu den Determinanten des Energiebedarfs auf disaggregierter Ebene (Gebaumlude Gebaumludegruppen Gemeinden) Ohne hier auf methodische Staumlrken und Schwaumlchen der angesproche-nen AnsaumltzeArbeiten im Detail einzugehen verdeutlicht jedes weitere derartige Projekt das Problem es besteht weiterhin Bedarf an belastbaren Daten Die bdquobewaumlhrteldquo Praxis mangelnde raumlumliche Differenzierung durch die Umlegung von Merkmalen von houmlheren raumlumlichen Aggregationsebenen auf niederrangige Ebenen zu beheben liefert keine entspre-chende Datenbasis Die Ergebnisse dieser Ansaumltze sind in hohem Maszlig von den im Zuge der Umlegung zu treffenden Annahmen abhaumlngig und beruhen aufgrund des bestehenden Informationsdefizits im inhaltlichen und raumlumlichen Detail haumlufig auf Durchschnittswerten Wenn beispielsweise nur in wenigen Ausnahmefaumlllen fuumlr die vor 2000 errichteten Bestandsgebaumlude valide Information uumlber die thermischen Eigenschaften der Gebaumludehuumllle und die eingesetzte Heiztechnologie zur Verfuumlgung steht liegt der Unschaumlrfebereich moumlglicher Modellergebnisse in der Groumlszligenordnung des Energiebedarfs eines zeitgemaumlszlig sanierten Gebaumludes Diese Unschaumlrfe ist auf der

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Grundlage gaumlngiger Schaumltzverfahren nicht zu beheben ndash und zwar primaumlr deshalb weil in der Vergan-genheit keine raumlumlich differenzierte Erfassung von Sanierungsaktiviaumlten erfolgt ist Letztlich wird die Grundlage fuumlr jede kleinraumlumig differenzierte Strategie im Zusammenhang mit dem Energiebedarf und der Aktivierung von Reduktionspotenzialen aus einer Kombination aus flaumlchende-ckend erfassten gebaumludebezogenen Eigenschaften und realen Verbrauchsdaten bestehen muumlssen Auf dieser Grundlage kann

bull der Zusammenhang zwischen Gebaumludeeigenschaften und Energiebedarf in statistischem Sinn bewertet

bull der Einfluss nicht gebaumludebezogener Einflussfaktoren in seiner Groumlszligenordnung festgemacht bull und auf dieser Grundlage eine treffsichere Gebaumludetypologie entwickelt oder bestehende

typologische Ansaumltze verfeinert werden

Dieser Informationsgewinn in Bezug auf die Qualitaumlt und die raumlumliche Differenzierung der Ver-brauchsschaumltzung ist eine unverzichtbare Voraussetzung fuumlr aktuell anstehende Konzepte zur Energie-wende um lokal eingebettete Angebots- und Nachfrageverflechtungen zu optimieren

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Das Energiemosaik Austria Eine Energie- und Treibhausgasdatenbank fuumlr alle oumlsterreichischen Staumldte und Gemeinden

Lore Abart-Heriszt (1)

DOI 10347261025

(1) Dipl-Ing Dr Institut fuumlr Raumplanung Umweltplanung und Bodenordnung (IRUB) Department fuumlr Raum Landschaft und Infrastruktur (RALI) Universitaumlt fuumlr Bodenkultur (BOKU) Wien

Abstract

Das Energiemosaik Austria ist eine Energie- und Treibhausgasdatenbank fuumlr alle oumlsterreichischen Staumldte und Gemeinden Die Datenbank beruht auf einem flaumlchendeckenden Modell zur Ermittlung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen das bei der Gesamtheit der raumgebundenen Nut-zungen (Wohnen Land- und Forstwirtschaft Industrie und Gewerbe sowie Dienstleistungen) ansetzt und auch die damit verbundenen Mobilitaumltsbeduumlrfnisse beruumlcksichtigt In der Datenbank sind dem-nach alle Verbraucher von Energie und alle Verursacher von Treibhausgasemissionen gleichwertig ab-gebildet Die Angaben zum Energieverbrauch werden konsequent nach Verwendungszwecken und Energietraumlgern differenziert Die gemeinsame statistische Datenbasis die standardisierte Modellierung und die einheitliche Darstel-lung der Ergebnisse gewaumlhrleisten die Vergleichbarkeit unter den rund 2100 Gemeinden Die Gesamt-schau des Energiemosaiks Austria - in allen oumlsterreichischen Gemeinden werden alle Verbraucher von Energie beruumlcksichtigt - stellt sicher dass sich der oumlsterreichweite Energieverbrauch in den kommuna-len Datensaumltzen des Energiemosaiks Austria widerspiegelt Das Energiemosaik Austria ist auf einer ei-genen Webseite (wwwenergiemosaikat) verfuumlgbar

Schluumlsselbegriffe

Oumlsterreichweite Datenbank kommunaler Energieverbrauch kommunale Treibhausgasemissionen Webseite Abart-Heriszt L (2021) Das Energiemosaik Austria Eine Energie- und Treibhausgasdatenbank fuumlr alle oumlsterreichischen Staumldte und Gemeinden In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S62-72

Abart-Heriszt (2021) Das Energiemosaik Austria Eine Energie- und Treibhausgasdatenbank fuumlr alle oumlsterreichischen Staumldte und Gemeinden DOI 10347261025

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Inhalt Die Entwicklung einer strategischen Datenbank als Aufgabenfeld der Energieraumplanung 64

Statistische Datenbasis 64

Strukturdaten Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen 65

Nutzungen Verwendungszwecke und Energietraumlger 65

Raumlumliche Parameter Energiekennzahlen und Emissionsfaktoren 66

Modellierung des Energieverbrauches und der Treibhausgasemissionen 67

Energieverbrauch in Oumlsterreich 69

Treibhausgasemissionen in Oumlsterreich 70

Schlussfolgerungen 71

Literatur 71

Abart-Heriszt (2021) Das Energiemosaik Austria Eine Energie- und Treibhausgasdatenbank fuumlr alle oumlsterreichischen Staumldte und Gemeinden DOI 10347261025

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Die Entwicklung einer strategischen Datenbank als Aufgabenfeld der Energie-raumplanung

Die Gemeinden sind wichtige Akteure im Hinblick auf die Entwicklung von Strategien zur Verringerung des Energieverbrauches und der Treibhausgasemissionen Als Grundlage dafuumlr sind Kenntnisse hin-sichtlich der Ausgangslage unerlaumlsslich Auf kommunaler Ebene standen in Oumlsterreich bislang jedoch weder statistische Daten zum Energieverbrauch zur Verfuumlgung noch lagen Angaben zu den Treibhaus-gasemissionen vor Um diese Luumlcke zu schlieszligen wurde eine Methode zur Modellierung von Energie-verbrauch und Treibhausgasemissionen auf Gemeindeebene entwickelt und im Rahmen eines von der FFG (Oumlsterreichischen Forschungsfoumlrderungsgesellschaft) gefoumlrderten Projektes oumlsterreichweit umge-setzt (Abart-Heriszt et al 2019a und 2019b BMK 2020) Mit dem sogenannten bdquoEnergiemosaik Austrialdquo stehen allen oumlsterreichischen Staumldten und Gemeinden energie- und klimarelevante Entscheidungsgrundlagen und eine Referenz fuumlr die Formulierung kuumlnfti-ger Strategien zur Energiewende und zum Klimaschutz zur Verfuumlgung Dabei gewaumlhrleisten die gemein-same statistische Datenbasis die standardisierte Modellierung und die einheitliche Darstellung der Ergebnisse die Vergleichbarkeit unter den Gemeinden Das Energiemosaik erlaubt die Aggregation der gemeindespezifischen Ergebnisse und deren Abfrage auch auf uumlbergeordneter insbesondere regiona-ler Ebene (zB KEM- KLAR- und Leader-Regionen) Das Energiemosaik Austria stellt eine kommunale Energie- und Treibhausgasdatenbank dar die unter wwwenergiemosaikat mit interaktiven Karten umfangreichen Tabellen und weiterfuumlhrenden Dia-grammen oumlffentlich zur Verfuumlgung steht Das Energiemosaik bietet einen umfangreichen Einblick in den Energieverbrauch und in die Treibhausgasemissionen auf der Ebene der Gemeinden und versetzt damit die Akteure in der lokalen Politik Verwaltung Wirtschaft und Zivilgesellschaft in die Lage dem betraumlchtlichen Handlungsbedarf zur Verringerung des Klimawandels mit energie- und klimapolitischen Strategien zu begegnen Das Energiemosaik Austria unterstuumltzt die Energiewende und den Klimaschutz insofern als es dem wachsenden Anspruch Rechnung traumlgt energie- und klimapolitische Strategien um die raumlumliche Di-mension zu erweitern Dieser sogenannte bdquospatial turnldquo unterstreicht die zentrale Bedeutung von Land und Raum in der Energie- und Klimapolitik Dabei werden die raumlumlichen Rahmenbedingungen d h energie- und klimaoptimierte Raum- und Siedlungsstrukturen als Schluumlsselgroumlszligen fuumlr den Umstieg auf erneuerbare Energietraumlger sowie fuumlr die Etablierung einer umweltfreundlichen Mobilitaumlt und damit fuumlr eine maszliggebliche Verringerung der Treibhausgasemissionen erachtet

Statistische Datenbasis Das Energiemosaik Austria stellt ein quantitatives Modell dar das ausschlieszliglich auf Daten der amtli-chen Statistik beruht und unabhaumlngig von benutzerdefinierten Eingaben oder von Messergebnissen ist Das Energiemosaik stuumltzt sich auf oumlsterreichweit verfuumlgbare konsistente Datensaumltze fuumlr alle Ver-brauchergruppen sowie auf die Mobilitaumltserhebung Oumlsterreich unterwegs (vgl Tab 1)

Registerzaumlhlung 2011 Gebaumlude- und Wohnungszaumlhlung Registerzaumlhlung 2011 Arbeitsstaumlttenzaumlhlung Registerzaumlhlung 2011 PersonenPendlerzaumlhlung Agrarstrukturerhebung 2010Uumlberblick landwirtschaftliche Kulturflaumlchen nach Flaumlchenart Nutzenergieanalyse 2011 (Stand 2018) Energetischer Endverbrauch nach Bundeslaumlndern Energiegesamtrechnung Oumlsterreich 2011 Bundesforschungszentrum fuumlr Wald (BFW) Waldkarte (Stand 2019) BMVIT 2016 Oumlsterreich unterwegs 20132014 BMVIT 2017 Bericht aus Energie- und Umweltforschung 392017 Zweiter Oumlsterreichischer Baukulturreport 2011 Umweltbundesamt CO2-Rechner (Stand 2011)

Tab 1 Datengrundlagen fuumlr das Energiemosaik Austria Eigene Darstellung

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Strukturdaten Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen

Im Energiemosaik Austria sind umfassende Angaben zum Energieverbrauch und zu den damit verbun-denen Treibhausgasemissionen der Gemeinden gemeinsam mit den zugrundeliegenden Strukturdaten abgelegt Die Strukturdaten umfassen umfangreiche Datensaumltze zur Charakterisierung der raumlumlichen Struktu-ren in den einzelnen Gemeinden Sie geben demnach detailliert Auskunft uumlber die wesentlichen Merk-male der raumgebundenen Nutzungen sowie der Mobilitaumltsbeduumlrfnisse die mit diesen Nutzungen ver-bunden sind Der Energieverbrauch bezieht sich auf den energetischen Endverbrauch in Megawattstunden (MWh) also auf jene Energiemenge die bei den Verbrauchern nach Umwandlung und Transport ankommt und fuumlr den Einsatz in Anlagen der Verbraucher zur Verfuumlgung steht Die modellierten Werte bilden Jahres-werte ab (MWha) und beziehen sich vornehmlich auf den Ist-Zustand mit Datengrundlagen aus dem Jahr 2011 (ergaumlnzt um Datensaumltze aus den Jahren 2010 20132014 2017 und 2019) Daruumlber hinaus wird eine Vision fuumlr das Jahr 2050 entwickelt die sich mit der oumlsterreichweiten Verringerung der Treib-hausgasemissionen um rund 80 Prozent auseinandersetzt Die Treibhausgasemissionen umfassen die CO2-Emissionen die bei Verbrennungsvorgaumlngen entste-hen diese decken in Oumlsterreich rund 85 aller Treibhausgasemissionen ab (UBA 2019) Beruumlcksichtigt werden direkte und indirekte Emissionen dh sowohl jene Emissionen die unmittelbar am Ort der Energienutzung entstehen als auch jene Emissionen die zusaumltzlich bei der Bereitstellung der Energie-traumlger anfallen und die Auswirkungen vorgelagerter Prozessketten beruumlcksichtigen Jene Treibhaus-gasemissionen die bei der Erzeugung von Strom und Fernwaumlrme entstehen finden demnach als indi-rekte Emissionen im Energiemosaik Beruumlcksichtigung Sie werden den jeweiligen Gemeinden bzw Nut-zungen in dem Maszlige zugeordnet in dem Strom und Fernwaumlrme zum Einsatz kommt Die Treibhaus-gasemissionen (Stand 2011) werden in Tonnen CO2-Aumlquivalent pro Jahr (t CO2-Aumlquiva) angegeben

Nutzungen Verwendungszwecke und Energietraumlger

Das Modell zur Ermittlung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen verfolgt einen pla-nungsbezogenen Ansatz und geht davon aus dass sich der Energieverbrauch und die damit verbunde-nen Treibhausgasemissionen auf raumlumliche Strukturen zuruumlckfuumlhren lassen Daher setzt das Ener-giemosaik Austria bei der Gesamtheit der raumgebundenen Nutzungen an (Wohnnutzung Land- und Forstwirtschaft Industrie und Gewerbe Dienstleistungen) und beruumlcksichtigt auch die damit einher-gehenden Mobilitaumltsbeduumlrfnisse Somit finden alle Verbraucher von Energie und alle Verursacher von Treibhausgasemissionen gleichwertig Eingang in das Modell Die Modellierung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen erfolgt dabei nicht nur nach Nut-zungen sondern auch nach Verwendungszwecken und Energietraumlgern differenziert Unter den Ver-wendungszwecken werden verschiedene Aktivitaumlten gebuumlndelt fuumlr die Energie genutzt wird fuumlr die Abdeckung des Waumlrmebedarfs als Prozessenergie oder zur Sicherstellung von Transportleistungen Der Verwendungszweck Waumlrme umfasst die Beheizung von Raumlumen und die Bereitung von Warmwas-ser Die Prozessenergie die vornehmlich Prozesswaumlrme und Antriebsenergie umfasst dient dem Be-trieb industriell-gewerblicher Produktionsanlagen sowie von Anlagen und Geraumlten im Dienstleistungs-sektor aber auch von Haushaltsgeraumlten und Geraumlten der Buumlro- und Unterhaltungselektronik sowie der Beleuchtung Der Transport beschreibt den Antrieb von Fahrzeugen zur Abdeckung der Mobilitaumltsbe-duumlrfnisse sowie zur Abwicklung des Baustellen- Werks- und Wirtschaftsverkehrs Im Zuge der Modellierung werden acht verschiedene Energietraumlger beruumlcksichtigt Kohle Oumll (ein-schlieszliglich Benzin und Diesel) Gas Strom und Fernwaumlrme (unter Beachtung ihrer Bereitstellung aus einem Mix von fossilen und erneuerbaren Energietraumlgern) Biomasse brennbare Abfaumllle und Umge-bungswaumlrme

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Raumlumliche Parameter Energiekennzahlen und Emissionsfaktoren

Im Energiemosaik Austria kommen die in Tab 2 dargelegten Parameter zum Einsatz um die Nutzungs- und Mobilitaumltsstrukturen der Gemeinden umfassend abzubilden

Wohnnutzung Quadratmeter Wohnnutzflaumlche nach Gebaumludekategorie Bauperiode sowie Wohnsitzart (Haupt- und Nebenwohnsitze)

32 Parameter

Land- und Forst-wirtschaft

Hektar Kulturflaumlche der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung 4 Parameter

Industrie und Ge-werbe

Beschaumlftigte in der Arbeitsstaumltte nach Branchen gemaumlszlig der OumlNACE-Klassifi-kation der Wirtschaftstaumltigkeiten

27 Parameter

Dienstleistungen Beschaumlftigte in der Arbeitsstaumltte nach Branchen gemaumlszlig der OumlNACE-Klassifi-kation der Wirtschaftstaumltigkeiten

12 Parameter

Mobilitaumlt Verkehrsleistungen (zuruumlckgelegte Kilometer) des Personen- und Guumlterver-kehrs

17 Parameter

Tab 2 Raumlumliche Parameter im Energiemosaik Austria Eigene Darstellung

Die Datensaumltze liegen oumlsterreichweit in einheitlicher Struktur und Qualitaumlt vor bzw werden fuumlr die Mobilitaumlt basierend auf einem eigens entwickelten Verkehrsmodell fuumlr alle Gemeinden nach einer ein-heitlichen Systematik ermittelt Die Datenbasis gewaumlhrleistet eine profunde energie- und klimarele-vante Charakterisierung der Gemeinden hinsichtlich ihrer Nutzungs- und Mobilitaumltsstrukturen und stellt damit eine zuverlaumlssige Grundlage fuumlr die Modellierung des Energieverbrauches und der Treib-hausgasemissionen auf kommunaler Ebene dar Die Vielzahl von Parametern stellt sicher dass sich allfaumlllige Unterschiede zwischen tatsaumlchlichen und modellierten Werten fuumlr die einzelnen Parameter im Rahmen der Aggregation auf Gemeindeebene ausgleichen koumlnnen Die detaillierte Beschreibung der raumgebundenen Nutzungen auf Gemeindeebene gewaumlhrleistet dass sich die Modellierung des Energieverbrauches und der damit einhergehenden Treibhausgasemis-sionen bestmoumlglich an die jeweils besondere Situation auf Gemeindeebene annaumlhert Die umfangrei-chen Angaben zu den Strukturdaten im Energiemosaik erlauben den Energieverbrauch und die Treib-hausgasemissionen unter Beruumlcksichtigung der zugrundeliegenden raumlumlichen Strukturen zu diskutie-ren Die Beruumlcksichtigung dieser raumlumlich hoch aufgeloumlsten Daten im Energiemosaik ist ein Hauptau-genmerk von Bottom-Up-Ansaumltzen Zur Ermittlung des kommunalen Energieverbrauches (vgl Abb 1) werden die Parameter zur Beschrei-bung der Nutzungs- und Mobilitaumltsstrukturen mit spezifischen Energiekennzahlen multipliziert (z B Megawattstunde Energie je Beschaumlftigten) Dabei gewaumlhrleistet die Vielzahl der Parameter den Einsatz moumlglichst spezifischer und praumlziser Energiekennzahlen und damit minimale Abweichungen der tat-saumlchlichen Werte von der jeweiligen Energiekennzahl im Modell Die Ermittlung der Energiekennzah-len beruht im Energiemosaik auf einem Top-Down-Ansatz Die Energiekennzahlen werden vornehm-lich aus der Nutzenergieanalyse der Statistik Austria sowie den Analysen zur Mobilitaumltserhebung Oumls-terreich unterwegs (BMVIT 2017) abgeleitet Dieses Vorgehen hat zwar den Nachteil dass besondere Variationen der raumgebundenen Nutzungen Details des individuellen Verhaltens oder spezifische Technologien und Innovationen in den einzelnen Gemeinden nicht vollumfaumlnglich in den Energiekenn-zahlen abgebildet werden koumlnnen Hingegen besteht der groszlige Vorteil dieser Methode darin dass die Ergebnisse fuumlr die einzelnen Gemeinden mit den Datensaumltzen auf der Ebene der Bundeslaumlnder konsis-tent sind Werden die kommunalen Werte aggregiert resultieren die Werte auf Landesebene Daruumlber hinaus stellt das Energiemosaik nicht nur eine vollstaumlndige und konsistente Modellierung sicher son-dern kann mit dem Einsatz der solcherart ermittelten Energiekennzahlen die von Jahr zu Jahr zu ver-zeichnenden witterungsbedingten und konjunkturellen Schwankungen des Energieverbrauches aus-gleichen Die Energiekennzahlen sind nach Verwendungszwecken (Waumlrme Prozesse und Transport) sowie nach acht Energietraumlgern differenziert Auf der Webseite werden die erneuerbaren und fossilen Energietraumlger jeweils zusammengefasst

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Unter Beruumlcksichtigung von energietraumlgerspezifischen Faktoren fuumlr die Treibhausgasemissionen (Ton-nen CO2-Aumlquivalent je Megawattstunde eingesetzter Energie entsprechend dem CO2-Rechner des Um-weltbundesamtes) werden die kommunalen Treibhausgasemissionen berechnet (vgl Abb 1)

Abb 1 Modell zur Ermittlung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen im Energiemosaik Austria (nach Abart-Heriszt et al 2019b)

Modellierung des Energieverbrauches und der Treibhausgasemissionen

Wohnnutzung

Die Modellierung des Energieverbrauches und der Treibhausgasemissionen fuumlr die Wohnnutzung ba-siert im Energiemosaik Austria auf dem Ausmaszlig der Wohnnutzflaumlchen und erfolgt aufgrund des unter-schiedlichen Heizwaumlrmebedarfs differenziert nach Gebaumludekategorien Bauperioden und Wohnsitzart (wobei auf der Webseite Haupt- und Nebenwohnsitze zusammengefasst werden) Damit wird dem hohen Stellenwert Rechnung getragen den der Waumlrmebedarf in der Wohnnutzung hat

Wirtschaftliche Nutzungen

Fuumlr die Land- und Forstwirtschaft erfolgt die Modellierung von Energieverbrauch und Treibhausgas-emissionen aufgrund unterschiedlich energieintensiver Bewirtschaftung differenziert nach Kulturar-ten Die Land- und Forstwirtschaft ist grundsaumltzlich ein nicht zu vernachlaumlssigender Emittent von Treib-hausgasen Besondere Bedeutung kommt dabei allerdings den Emissionen von Lachgas und Methan zu die aus der Bewirtschaftung landwirtschaftlich genutzter Flaumlchen und aus der Viehhaltung stam-men In das Energiemosaik finden hingegen nur die vergleichsweise geringen CO2-Emissionen aus Ver-brennungsvorgaumlngen (zB Wirtschaftsverkehr) Eingang Unter Industrie und Gewerbe wird im Energiemosaik die Erzeugung von Sachguumltern einschlieszliglich der Branchen Bau und Bergbau zusammengefasst Angesichts der Vielfalt unterschiedlicher Produktions-verfahren weisen der spezifische Energieverbrauch und die Treibhausgasemissionen von Industrie und Gewerbe eine groszlige Schwankungsbreite auf Diesem Umstand wird durch die Beruumlcksichtigung von uumlber 25 Branchen des produzierenden Sektors einschlieszliglich Bau und Bergbau bestmoumlglich Rechnung getragen Auf der Webseite werden die Branchen entsprechend der OumlNACE-Klassifikation der Wirt-schaftstaumltigkeiten zusammengefasst Allerdings kann auch innerhalb einer Branche der Energiever-brauch in Abhaumlngigkeit von den spezifischen Prozessen betraumlchtlich schwanken Dazu kommt dass

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sich nicht an allen industriell-gewerblichen Standorten tatsaumlchlich Produktionsstaumltten befinden son-dern teilweise reine Managementfunktionen erfuumlllt werden Diese Gegebenheiten koumlnnen mangels oumlsterreichweit verfuumlgbarer Informationen nicht beruumlcksichtigt werden und in Einzelfaumlllen zu Fehlein-schaumltzungen des Energieverbrauches und der damit einhergehenden Treibhausgasemissionen von In-dustrie und Gewerbe fuumlhren In Industrie und Gewerbe wird Energie vornehmlich als Prozessenergie fuumlr den Betrieb von Produktionsanlagen eingesetzt waumlhrend der Energieverbrauch fuumlr Waumlrme und Transport (Baustellen- und Werksverkehr) eine vergleichsweise geringe Rolle spielt Die Dienstleistungen umfassen zwoumllf verschiedene Branchen der privaten und oumlffentlichen Dienstleis-tungserbringung (z B Geschaumlfte Gaststaumltten Schulen Krankenhaumluser Banken Aumlmter hellip) Die Unter-schiede zwischen den verschiedenen Dienstleistungsbranchen sind hinsichtlich des Energieverbrau-ches im Allgemeinen gering Die Branchen werden auf der Webseite weitgehend OumlNACE-konform zu-sammengefasst Die Energie wird im Dienstleistungssektor etwa zur Haumllfte fuumlr die Waumlrmebereitstel-lung benoumltigt der restliche Energieverbrauch entfaumlllt zu etwa gleichen Teilen auf Prozesse und Trans-port

Mobilitaumlt

Der Energieverbrauch der Mobilitaumlt und die damit verbundenen Treibhausgasemissionen haumlngen so-wohl von der Weglaumlnge als auch von den genutzten Verkehrsmitteln ab Diese Merkmale sind in Oumls-terreich sehr unterschiedlich ausgepraumlgt und haumlngen wesentlich von den raumlumlichen Rahmenbedin-gungen wie etwa der Kompaktheit der Raum- und Siedlungsstrukturen sowie der Nutzungsmischung ab Im Energiemosaik Austria wird ein besonderes Augenmerk auf die Vernetzung der unterschiedlichen Standorte von Wohnungen Arbeitsplaumltzen Bildungs- Handels- Gesundheits- Sozial- und Freizeitein-richtungen etc gelegt die unter dem Begriff der Alltagsmobilitaumlt zusammengefasst wird Die Model-lierung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen der Alltagsmobilitaumlt beruht auf umfangrei-chen statistischen Daten zu den Pendlern (differenziert nach Wohn- Arbeits- bzw Schulort und Pen-deltyp sowie Pendeldistanzen) ergaumlnzt um Aussagen und Analysen aus der Mobilitaumltserhebung Oumlster-reich unterwegs (BMVIT 2016 und BMVIT 2017) betreffend die Bedeutung verschiedener Wegezwecke sowie gemeindetypenspezifischer Modal-Splits Darauf basierend werden Verkehrsleistungen model-liert wobei die Zuordnung der Verkehrsleistungen zu den Gemeinden auf einem nutzungsbezogenen Ansatz beruht Daher wird jede Gemeinde als Wohnort als Arbeits- und Schulort als Standort kunden-orientierter Dienstleistungen (z B Handel) sowie als Produktionsstandort betrachtet Die Verkehrs-leistungen der Alltagsmobilitaumlt werden im Allgemeinen jeweils dem Zielort eines Weges abhaumlngig vom Wegezweck und damit den in Tab 3 genannten Kategorien zugeordnet

Haushaltsmobilitaumlt Alle Wege zu den Wohnsitzen und die meisten Verkehrsleistungen in der Freizeit wer-den dem Wohnort zugeordnet

Beschaumlftigtenmobilitaumlt Die Wege der Beschaumlftigten und Schuumller zur Arbeit bzw zur Ausbildung werden der Standortgemeinde der Arbeitsstaumltte bzw Schule zugeordnet

Kundenmobilitaumlt Die Wege der Kunden zu Dienstleistungseinrichtungen werden den Standorten dieser Einrichtungen zugeordnet

Tab 3 Kategorien der Alltagsmobilitaumlt im Energiemosaik Austria Eigene Darstellung

Zudem werden sowohl inlaumlndische Urlaubs- und Geschaumlftsreisen als auch der Transport von land- und forstwirtschaftlichen sowie industriell-gewerblichen Guumltern im Inland beruumlcksichtigt Die Zuordnung zu den Gemeinden erfolgt nach dem Wohnort (Urlaubsreisen) dem Arbeitsort (Geschaumlftsreisen) und dem Standort der Produktionsstaumltten (Guumlterverkehr) Auf der Webseite werden unterschiedliche We-gezwecke und Verkehrsmittel zusammengefasst

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Energieverbrauch in Oumlsterreich

In Abb 2 wird die absolute Houmlhe des Energieverbrauches insgesamt in den einzelnen Gemeinden Oumls-terreichs dargestellt Im Allgemeinen weisen Gemeinden mit einer hohen Einwohnerzahl und einer Vielzahl von wirtschaftlichen Aktivitaumlten begleitet von einem hohen Verkehrsaufkommen einen houmlhe-ren Energieverbrauch auf als kleinere Gemeinden Dieser enge Zusammenhang erklaumlrt aber nur einen Teil der Unterschiede zwischen den Gemeinden Daneben hat die Nutzungsmischung einen erhebli-chen Einfluss auf die Houmlhe und insbesondere die Struktur des Energieverbrauches denn in den einzel-nen Gemeinden koumlnnen unterschiedliche Verbrauchergruppen die Energie fuumlr unterschiedliche Zwe-cke einsetzen Gleich groszlige Gemeinden koumlnnen demnach unterschiedlich hohen Energieverbrauch aufweisen wenn sie durch unterschiedliche raumlumliche Strukturen gekennzeichnet sind Daher nimmt Abbildung 2 bewusst auf die absolute Houmlhe des Energieverbrauches Bezug und stellt nicht Dichtewerte (etwa pro Kopf oder pro Flaumlcheneinheit) dar Denn darin waumlre die Komplexitaumlt der Nutzungsstrukturen sowie der raumlumlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den einzelnen Gemeinden nicht abgebildet Vielmehr lassen sich unterschiedliche Muster des Energieverbrauches bzw unterschiedli-che Typen von Gemeinden in Abhaumlngigkeit vom Beitrag der einzelnen raumgebundenen Nutzungen zum Energieverbrauch identifizieren Im Energiemosaik Austria wird zwischen Gemeinden die vorran-gig Wohnfunktion uumlbernehmen Wohngemeinden mit betrieblicher Funktion funktionsgemischten bzw dienstleistungsorientierten Gemeinden sowie Gemeinden mit industriell-gewerblicher Produk-tion unterschieden Diese Kenntnis uumlber die Bedeutung der einzelnen Verbrauchergruppen ist eine unabdingbare Voraussetzung fuumlr die Formulierung maszliggeschneiderter energiepolitischer Strategien

Abb 2 Kommunaler Energieverbrauch (2011) Quelle wwwenergiemosaikat

Werden die im Energiemosaik ausgewiesenen Angaben uumlber alle Gemeinden Oumlsterreichs summiert resultiert ein Energieverbrauch in der Houmlhe von rund 278 Mio MWh (Stand 2011) Dieser Wert stimmt weitgehend mit der Nutzenergieanalyse fuumlr Oumlsterreich (Statistik Austria 2018) uumlberein Der gesamte Energieverbrauch Oumlsterreichs spiegelt sich demnach in den Datensaumltzen aller rund 2100 oumlsterreichi-schen Staumldte und Gemeinden (ergaumlnzt um die 23 Wiener Stadtbezirke) wider Das Energiemosaik Aus-tria stellt daher eine Energie- und Treibhausgasdatenbank dar die weder eine generelle Uumlber- noch eine Unterschaumltzung des Energieverbrauchs aufweist Diese Konsistenz der Modellierung uumlber ver-schiedene raumlumliche Ebenen hinweg ist eine besondere Staumlrke des Energiemosaiks Geringfuumlgige Abweichungen des Energiemosaiks von der Nutzenergieanalyse resultieren insbesondere aus dem Umstand dass im Falle der Mobilitaumlt im Energiemosaik ein von der Nutzenergieanalyse grund-

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saumltzlich abweichender Ansatz verfolgt wird Waumlhrend die Nutzenergieanalyse auf dem Ausmaszlig an ab-gesetzten Treibstoffen in Oumlsterreich basiert (und damit auch den Kraftstoffexport ins Ausland beinhal-tet) orientiert sich das Energiemosaik an den gemeindespezifischen Nutzungen und den dadurch ver-ursachten Verkehrsleistungen (vgl Kap 6) Dadurch ist keine unmittelbare Vergleichbarkeit des Ener-gieverbrauches mit der amtlichen Statistik gegeben Hingegen stimmt fuumlr die im Energiemosaik mo-dellierten Verkehrsleistungen der Alltagsmobilitaumlt die Summe uumlber alle oumlsterreichischen Gemeinden mit den diesbezuumlglichen Ergebnissen der Mobilitaumltserhebung Oumlsterreich unterwegs uumlberein Waumlhrend demnach weder eine generelle Uumlber- noch eine Unterschaumltzung des Energieverbrauches und der damit einhergehenden Treibhausgasemissionen erfolgt koumlnnen fuumlr einzelne Gemeinden oder ein-zelne Parameter Ungenauigkeiten auftreten die insbesondere auf die moumlgliche Unschaumlrfe einiger Energiekennzahlen zuruumlckzufuumlhren ist Dies trifft vornehmlich auf ausgewaumlhlte Standorte energiein-tensiver industriell-gewerblicher Produktionsanlagen zu

Treibhausgasemissionen in Oumlsterreich

Abb 3 zeigt die absolute Houmlhe der Treibhausgasemissionen insgesamt fuumlr die einzelnen oumlsterreichi-schen Gemeinden Demnach werden in Oumlsterreich Treibhausgasemissionen aus Verbrennungsvorgaumln-gen in der Houmlhe von rund 70 Mio t CO2-Aumlquivalent ausgewiesen (Stand 2011) Die im Energiemosaik Austria getroffenen Aussagen zu den Treibhausgasemissionen decken sich nicht mit den Ergebnissen der oumlsterreichischen Luftschadstoffinventur (UBA 2018) Dies liegt einerseits daran dass im Energie-mosaik konsequent direkte und indirekte Treibhausgasemissionen beruumlcksichtigt werden wohingegen dies auf die Schadstoffinventur nicht zutrifft Andererseits beschraumlnken sich die Aussagen des Energie-mosaiks auf die Treibhausgasemissionen aus dem Energieverbrauch waumlhrend die Schadstoffinventur auch die prozessbedingten Emissionen von Treibhausgasen (z B bei der Verfluumlssigung von Schlacke in der Metallindustrie) sowie die Emissionen aus der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung (Lachgas oder Methan) beruumlcksichtigt

Abb 3 Kommunale Treibhausgasemissionen (2011) Quelle wwwenergiemosaikat

Allerdings wird im Rahmen der Luftschadstoffinventur fuumlr die Treibhausgasemissionen der Mobilitaumlt auch eine alternative Berechnung vorgenommen (bdquoSecond Estimateldquo) Sie beruht nicht auf der Nutz-energieanalyse und auf dem Absatz von Treibstoffen sondern auf einem detaillierten Modell zur Ab-bildung der Straszligenverkehrsleistungen in den einzelnen Bundeslaumlndern Die im Rahmen der Second-Estimate-Berechnung angegebene Houmlhe der Treibhausgasemissionen in den oumlsterreichischen Bundes-laumlndern stimmt mit den Werten des Energiemosaiks uumlberein

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Im Energiemosaik wird fuumlr die Treibhausgasemissionen auch eine Vision fuumlr das Jahr 2050 und damit eine moumlgliche Option aufgezeigt wie unter Beruumlcksichtigung der raumlumlichen Dynamik mit Strategien zur Vermeidung des Energieverbrauches zur Erhoumlhung der Energieeffizienz und zum verstaumlrkten Ein-satz erneuerbarer Energie eine rund 80ige Verringerung der Treibhausgasemissionen gegenuumlber 1990 erreicht werden koumlnnte

Schlussfolgerungen

Das Energiemosaik Austria bildet eine Orientierungshilfe fuumlr die Entwicklung von Strategien zur Ener-giewende und zum Klimaschutz auf lokaler und regionaler Ebene Die Ergebnisse der Modellierung stellen insbesondere angesichts der Vollstaumlndigkeit und der Multisektoralitaumlt des Energiemosaiks eine gute Grundlage fuumlr politische und strategische Entscheidungsprozesse dar Dabei traumlgt die konse-quente Zuordnung des Energieverbrauches und der Treibhausgasemissionen zu den wichtigsten Ver-brauchergruppen (Haushalte Wirtschaft Mobilitaumlt) dem Verursacherprinzip Rechnung und erlaubt eine zielgerichtete Entwicklung von energie- und klimarelevanten Strategien Die einheitliche Struktur und Qualitaumlt der Eingangsdaten sowie die standardisierte Modellierung gewaumlhrleisten eine gemein-same und vergleichbare Ausgangsbasis fuumlr alle Gemeinden und Regionen Daruumlber hinaus koumlnnen uumlbergeordnete Planungsebenen (Laumlnder Bund EU) von dem Wissen um die moumlglichen Beitraumlge un-terschiedlicher raumlumlicher Strukturen in Zentren Kleinstaumldten suburbanen und laumlndlichen Gemeinden zu den uumlbergeordneten klima- und energiebezogenen Strategien profitieren Das Energiemosaik Austria stellt nicht nur eine unerlaumlssliche strategische Planungs- und Entschei-dungsgrundlage fuumlr Akteure aus Politik und Verwaltung Wissenschaft und Praxis sowie Planung und Wirtschaft dar Die Einsatzgebiete des Energiemosaiks reichen dabei von der Erarbeitung von Energie-konzepten und Klimaschutzstrategien die Infrastrukturentwicklung die Raumplanung die Erstellung integrierter Mobilitaumltskonzepte bis zur Regionalentwicklung Daruumlber hinaus traumlgt das Energiemosaik auch zur Sensibilisierung von Akteuren mit energie- klima- raum- umwelt- und mobilitaumltsrelevanten Agenden sowie der interessierten (Fach-)Oumlffentlichkeit bei Schlieszliglich beguumlnstigt das Energiemosaik die Einleitung von Lernprozessen uumlber die Anliegen des Klimaschutzes sowie die raumlumliche Dimension der Energiewende

Literatur Abart-Heriszt L Erker S Reichel S Schoumlndorfer H Weinke E Lang S (2019a) Energiemosaik Austria Oumlsterreichweite Modellierung und webbasierte Visualisierung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen auf Gemeindeebene EnCO2Web FFG BMVIT Stadt der Zukunft Wien Salzburg Lizenz CC BY-NC-SA 30 AT Vgl wwwenergiemosaikat (letzter Zugriff 18122020)

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BMK 2020 (Hrsg) Abart-Heriszt L Erker S Reichel S Schoumlndorfer H Weinke E Lang S (2020) Oumlsterreichweite Modellierung und webbasierte Visualisierung von Energieverbrauch und Treibhaus-gasemissionen auf Gemeindeebene Energiemosaik Austria Berichte aus Energie- und Umweltfor-schung 432020 Bundesministerium fuumlr Klimaschutz Umwelt Energie Mobilitaumlt Innovation und Technologie Wien

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laumlndischen Landesregierung Amt der Niederoumlsterreichischen Landesregierung Amt der Steiermaumlrki-schen Landesregierung Amt der Tiroler Landesregierung Bundesministerium fuumlr Verkehr Innovation und Technologie Wien

BMVIT (Hrsg 2017) Mair am Tinkhof O Strasser H Prinz T Herbst S Schuster M Tomschy R Figl H Fellner M Ploszlig M Roszligkopf T Richt- und Zielwerte fuumlr Siedlungen zur integralen Bewer-tung der Klimavertraumlglichkeit von Gebaumluden und Mobilitaumltsinfrastruktur in Neubausiedlungen Be-richte aus Energie- und Umweltforschung 392017 Bundesministerium fuumlr Verkehr Innovation und Technologie Wien

Statistik Austria (2018) Nutzenergieanalyse fuumlr die neun oumlsterreichischen Bundeslaumlnder 2011 Ver-fuumlgbar online httpwwwstatistikatweb_destatistikenenergie_umwelt_innovation_mobilitaet energie_ und_umweltenergienutzenergieanalyseindexhtml (letzter Zugriff 13012019)

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UBA (Umweltbundesamt 2019) Klimaschutzbericht 2019 Umweltbundesamt Wien

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Institutionelle Gestaltung von energieraumplanerischen Politiken Das Fallbeispiel der niederlaumlndischen Windkraftzonierung

Pia Nabielek (1)

DOI 10347261026

(1) Dipl-Ing Dr PBL Netherlands Environmental Assessment Agency Department of Integral Environmental Policy Analysis

Abstract

Aktiv gestaltete Innovation im institutionellen Bereich gilt als eine wesentliche Voraussetzung fuumlr eine erfolgreiche Energiewende Heutige gesellschaftliche Routinen sollen aufgebrochen und durch Prakti-ken ersetzt werden die nachhaltiger sind und deshalb wert sind nachgeahmt und institutionalisiert zu werden Dieser Beitrag geht der Frage nach inwiefern Energieraumplanung zielgerichtet und bewusst neue Institutionen einfuumlhren kann und ob damit tatsaumlchlich langfristig nachhaltigere Rahmenbedin-gungen geschaffen werden In planungstheoretischer Literatur wird institutionelle Gestaltung als ein wichtiger Bereich der Raumplanung hervorgehoben Damit gemeint ist das Veraumlndern und Einfuumlhren von allgemeinen Werten und Normen ndash Regelungen Praktiken und Sichtweisen ndash die die Interaktion eines breiten Spektrums von Akteurinnen und Akteuren strukturieren In diesem Beitrag wird institu-tionelle Gestaltung am Beispiel der Windkraftzonierung untersucht Anhand des Praxisbeispiels des niederlaumlndischen Strukturplans fuumlr Onshore-Windkraftanlagen wird aufgezeigt inwiefern die raumlum-lich-geografische Abgrenzung von Gebieten fuumlr nachhaltige Energiegewinnung zur Entwicklung von neuen Institutionen gefuumlhrt hat und welche Pfad-Abhaumlngigkeiten dies mit sich bringt

Schluumlsselbegriffe

Raumordnung Energiewende Institutionelle Gestaltung Institutionalisierungsprozesse Niederlaumlndi-sche Windkraftpolitik Nabielek P (2021) Institutionelle Gestaltung von energieraumplanerischen Politiken Das Fallbeispiel der niederlaumlndischen Windkraftzonierung In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S73-82

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Inhalt Einleitung 75

Institutionelle Gestaltung 76

Das Fallbeispiel des niederlaumlndischen Strukturplans fuumlr Onshore-Windkraftanlagen 77

Schlussfolgerungen 81

Danksagung 81

Literatur 81

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Einleitung

Bei der Entwicklung von Planungspolitiken fuumlr den Ausbau der erneuerbaren Energiegewinnung dreht sich vieles um Institutionen Institutionen formen die Rahmenbedingungen in denen Planungspolitiken fuumlr nachhaltige Energie entworfen und umgesetzt werden koumlnnen Sie sorgen fuumlr eine normative Ori-entierungshilfe bei der Suche nach Loumlsungen fuumlr konkrete Probleme und legitimieren die strategische Ausrichtung die eine Planungspolitik einschlaumlgt Tatsaumlchlich wird die Ignoranz von institutionellen As-pekten bei groszligen politischen Themen wie dem Klimawandel und der damit zusammenhaumlngenden Energiewende im zunehmenden Maszlige ein Problem (Healey 2018) Lange hat man sich auf instrumen-telle Herausforderungen konzentriert waumlhrend die zugrundeliegenden allgemeinguumlltigen Normen und Verhaltensweisen die die Wirkungsweise von technischen Loumlsungen beeinflussen oft im Dunkeln bleiben Institutionen sind bdquosets of public norms that condition the interaction between subjectsldquo (Salet 2018 S 1) Zu diesen allgemeinen Normen gehoumlren sowohl gesetzliche als informelle Regelungen soziale Muster und Verhaltensregeln und organisatorische Einheiten die als selbstverstaumlndlich angesehen werden Fuumlr die Energieraumplanung sind Institutionen aus zwei Gruumlnden interessant Zum einem wer-den durch Institutionen viele offene Fragen geregelt die mit der Akzeptanz von Energieloumlsungen zu-sammenhaumlngen Was gibt Parteien das Recht zu handeln Welche Handlungsoptionen gibt es Welche Kontrollmechanismen gibt es Zum anderen gibt es das Problem der institutionellen Traumlgheit (Salet 2018) ndash Institutionen haben im dynamischen Kontext in der Nachhaltigkeitspolitik den fuumlrchterlichen Ruf unsere Handlungsoptionen wesentlich einzuschraumlnken ndash es sind Gewohnheiten und Weisheiten die sich in der Vergangenheit bewahrheitet haben und durchwirken bis in die Gegenwart Wenn Institutionen nicht mehr als zeitgemaumlszlig aufgefasst werden kommt der Prozess des institutionel-len Wandels ins Bild In der planungstheoretischen Literatur wird das Erhalten Veraumlndern und Neuer-schaffen von institutionellen Strukturen als ein wesentlicher Aufgabenbereich der Raumplanung gese-hen Alexander (2005) hat die Moumlglichkeiten untersucht in der Planung institutionell zu denken und zu handeln Er stellt fest bdquoinstitutions are a critical aspect of everything planners doldquo (Alexander 2005 S 210) Wenn die Raumplanung im Kontext der Energiewende das Ziel hat um einen fundamentalen Wandel zu erreichen dann muumlssen Institutionen ein wichtiger Teil des raumplanerischen Handelns sein Dies weil es nur zwei Wege gibt um Gesellschaften zu aumlndern den Menschen selbst zu veraumlndern oder Institutionen zu veraumlndern (Alexander 2005) Diese Sichtweise wird untermauert durch die Per-spektive einer sbquoengagiertenlsquo klimafreundlichen Politik die die Anfechtung von gaumlngigen Werten in Kauf nimmt (Lowndes amp Roberts 2013) Im folgenden Teil dieses Artikels wird das Konzept der institutionellen Gestaltung aufgegriffen und angewendet auf die energieraumplanerische Praxis Zu diesem Zweck wird auf die strategische Arbeit der EU zuruumlckgegriffen die in letzten 10 Jahren gezielt den Ausbau der Windkraft vorangetrieben hat Im Rahmen des europaumlischen Klima- und Energiepaket 2020 hat die Raumplanung die wichtige Rolle uumlbernommen ausreichend Standorte fuumlr die Errichtung von Groszliganlagen zu sichern In vielen Laumlndern Europas wurde dabei auf ein gaumlngiges und wirkungsstarkes Instrument zuruumlckgegriffen das Instru-ment der Zonierung Die Ausweisung von Windkraftzonen kann aus langfristiger Sicht eine Reihe von unerwuumlnschten Nebeneffekten haben (Nabielek 2020 Evers et al 2019 Cowell 2010) Anhand des Fallbeispiels der niederlaumlndischen Raumplanungspolitik fuumlr groszligmaszligstaumlbliche Windkraftanlagen geht dieser Beitrag der folgenden Frage nach Inwiefern kann die Einfuumlhrung von Windkraftzonen als ein Akt der institutionellen Gestaltung gesehen werden und welche Implikationen hat dies fuumlr die Pla-nungspraxis Das Konzept der institutionellen Gestaltung entlehne ich aus Literatur uumlber institutionelle Theorie und Planungstheorie Der Teilbereich des bdquoinstitutionellen Unternehmertumsldquo (Di Maggio 1988) ist dabei besonders relevant da dieser die prozessorientierte Seite von bdquoAgencyldquo untersucht d h die Kapazitaumlt von Akteuren um selbststaumlndig (unabhaumlngig von ihrem Umfeld) zu handeln

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Institutionelle Gestaltung

Der Begriff der institutionellen Gestaltung wird in einem Teilbereich der institutionellen Theorie auf-gearbeitet der sich mit strukturellen Veraumlnderungsprozessen und dem Einfluss von sbquoAgencylsquo beschaumlf-tigt Dieser Teilbereich hinterfragt die Denkweise dass Institutionen sich grundsaumltzlich durch sbquoschock-artige Einfluumlsse von auszligenlsquo veraumlndern (Van Doren et al 2020 Leca et al 2008) und unterstreicht den Einfluss des sozialen Handelns auf Institutionen bdquoAkteure koumlnnen steuern was institutionell ist und was nicht Institutionen brauchen Anerkennung Wartung und Innovation um zu uumlberlebenldquo (Salet 2018) Diese Denkrichtung unterstreicht die Bedeutung von Institutionen als Konstrukte des mensch-lichen Handelns und ermoumlglicht damit neue Forschungswege die Erklaumlrungen liefern fuumlr eine Art der institutionellen Innovation die sich von innen heraus entwickelt D h durch soziale Interaktion und die bewusste Entscheidung von Akteurinnen und Akteuren um bdquoanders als die gaumlngige Normldquo zu han-deln Dies muumlssen nicht unbedingt groszlige und einschneidende Gesten sein sondern auch geringfuumlgige Anpassungen oder schrittweise eingefuumlhrte strategische Handlungen koumlnnen institutionelle Transfor-mation ausloumlsen (Lowndes amp Roberts 2013) DiMaggio (1988) hat dabei das Konzept des bdquoinstitutionellen Unternehmertumsldquo eingefuumlhrt Dieses Unternehmertum besteht aus hochgradig organsierten AkteurInnen mit ausreichenden Ressourcen die aufgrund bestimmter Interessen zur Entstehung von neuen Institutionen beitragen Unternehme-risch-institutionelle Akteurinnen und Akteure verfuumlgen uumlber ausreichende Kapazitaumlten oder Befaumlhi-gungen um eigenstaumlndig denken und handeln zu koumlnnen (Van Doren et al 2020) Das Konzept des einflussreichen politischen Unternehmertums das sich uumlber Grenzen und Werte hinwegsetzt bringt allerdings auch ein klassisches wissenschaftliches Dilemma mit sich Inwiefern koumlnnen Akteure Institu-tionen bewusst transformieren wenn sie gleichzeitig und unbewusst durch bestehende Institutionen beeinflusst werden Lowndes und Roberts (2013 S 185-186) bezeichnen dies als das Paradox der in-stitutionellen Gestaltung bdquoGestaltung im Sinne von ergebnisorientierter Planung ist zum Scheitern ver-urteilt [] die Ergebnisse von bewussten Bemuumlhungen um Institutionen zu reformieren lassen oft zu wuumlnschen uumlbrigldquo (S 185) Aus der Perspektive von Lowndes und Roberts existieren bdquoalteldquo und bdquoneueldquo Institutionen nebeneinander ndash neu geschaffene Institutionen sind instabil und Innovationsprozesse schwer zu kontrollieren weil sie den Einschraumlnkungen bestehender politischer Machtverhaumlltnisse un-terworfen sind Goodin (1996) spricht sogar von dem bdquoMythosldquo des bewussten und zielgerichteten Gestaltens Aus seiner Sicht sollte der Fokus auf die indirekten Mechanismen liegen die zu institutio-neller Transformation beitragen Diese Perspektive unterstreicht dass institutionelle Innovation eben auch unbewusst und indirekt stattfinden kann d h neben unternehmerisch-institutionellen Bemuuml-hungen gibt es auch Nebeneffekte und (un)beabsichtigte Folgehandlungen von verschiedensten Akt-euren die dazu beitragen um Institutionen zu gestalten und reproduzieren (Van Doren et al 2020) Im Gegensatz zur institutionellen Theorie ist die Planungstheorie optimistischer was die bewusst her-beigefuumlhrte institutionelle Veraumlnderung betrifft Der Begriff der institutionellen Gestaltung ist eng ver-bunden mit dem Aufkommen der institutionell gerichteten und kommunikativen Planungstheorie (Healey 1997) Alexander (2005) definiert institutionelle Gestaltung als bdquodas zielgerichtete und be-wusste Erschaffen von Gesetzen Praktiken und organisatorischen Strukturen die soziales Handeln [] sowohl unterstuumltzen als auch einschraumlnkenldquo (Alexander 2005 S 213) Inspiriert unter anderem von Habermasrsquo bdquoTheorie des kommunikativen Handelnsldquo beschaumlftigten sich Planungstheoretiker zuneh-mend mit Fragestellungen die die Gestaltung des Planungsprozesses betreffen (Healey 1997 Fischer amp Forester 1993 Innes 2017 zitiert in Evers et al 2019) Es geht nicht mehr um den Abstracten Begriff des Ordnens von bdquoRaumldquo (im Sinne einer technischen Aufgabe) sondern um das (Selbst-)Regieren von bdquoOrtenldquo (Evers et al 2019) Dies hatte zur Folge dass die Gestaltung diverser Governance-Praktiken immer mehr ins Blickfeld der Forschung im Planungsbereich geruumlckt ist und damit auch die Frage der dahinterliegenden bdquoinstitutionellen Dynamikldquo (Healey 2018) Staumlrker noch institutionelle Gestaltung

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scheint aus dieser Sichtweise quasi automatisch einherzugehen mit planerischer Aktivitaumlt Innes (1995 S 40 zitiert in Alexander 2005) beispielsweise schreibt bdquoPlanning is institutional designldquo Um die institutionelle Dynamik besser zu verstehen die hinter dem Kommunikations- und Entschei-dungsprozess einer Planungspolitik steckt ist es laut Scharpf (1997) notwendig die Akteurskonstella-tionen besser zu verstehen die aufgrund von Interessen und Machtverhaumlltnissen auf die Entwicklung von Institutionen einwirken Diese Sichtweise deckt sich weitgehend mit dem durch DiMaggio einge-fuumlhrten Konzept des institutionellen Unternehmertums aber auch der Lowndes und Roberts Sicht-weise des eingeschraumlnkten Gestaltens Da die unternehmerisch-institutionellen Akteure Institutionen selten alleine veraumlndern koumlnnen muumlssen diese typischerweise Verbuumlndete mobilisieren (Leca et al 2009) d h sie entwickeln Allianzen und Kooperationen um ihre strategischen Interessen durchzu-setzen Diese Kooperationen und Allianzen oder bdquoinstitutional-agent interactionsldquo (Alexander 2005) sind das Basismaterial der institutionellen Gestaltung Die Werkzeuge von institutioneller Gestaltung sind dann die vielfaumlltigen Strategien die strategische Kooperationen und Allianzen ermoumlglichen Van Doren et al (2020) praumlsentieren auf der Basis eines Literatur-Reviews eine Palette von moumlglichen Stra-tegien diese reichen von politischer Aktion (z B Mobilisieren von Interessensgruppen) zu technischen Konsultationen (uumlber Kosten und Gewinne) und kommunikativen Strategien (z B Diskurs)

Das Fallbeispiel des niederlaumlndischen Strukturplans fuumlr Onshore-Windkraftanla-gen

Anhand dieses kurzen Einblicks in institutionellen Gestaltung aus der Sicht der Planungstheorie und institutionellen Theorie versuche ich im Folgenden zu demonstrieren welchen Wissensbeitrag diese Sichtweise im Rahmen der Evaluierung von energieraumplanerischen Instrumenten liefern kann In-nerhalb der letzten 15 Jahre wurde Windkraft in vielen Laumlndern Europas zu einer der groumlszligten infra-strukturellen Aufgabenstellungen und es entstanden neue Planungspolitiken durch welche die zuneh-menden Interessenskonflikte geschlichtet werden sollten (Szarka et al 2012) In diesen Strategien wur-den neue Arten von sbquoGrenzenlsquo und Zielwerten fuumlr die Windenergie eingefuumlhrt Abgrenzung von Gebie-ten Abgrenzung von Verantwortlichkeiten und die Festlegung quantitativer Ziele (Nabielek 2020 E-vers et al 2019) Eine bestimmte Planungsherangehensweise wird dabei als besonders effektiv erach-tet Zonierung Zonierung bietet Windkraftentwicklern die Sicherheit dass (Groszlig-)Projekte in be-stimmten Gebieten fortgesetzt werden koumlnnen gleichzeitig wird die Entwicklung in anderen Gebieten untersagt Diese Zonierungsstrategien koumlnnen sowohl Ausschluss- als auch Eignungsgebiete auswei-sen und wird daher passenderweise auch bezeichnet als negative bzw positive Zonierung (Nabielek 2020) Der juridische Status dieser Zonen kann je nach Land und Region variieren Eine Gemeinsamkeit dieser Zonierungsstrategien ist die Annahme dass es sich bei positiven Zonen um konfliktarme Gebiete handelt D h dass diese Gebiete einen sozialen Konsensus darstellen wo Windkraftanlagen akzepta-bel sind und wo nicht Hier ist es durchaus uumlblich um Standortentscheidungen ohne aktive Miteinbe-ziehung derjenigen zu treffen deren Lebensumfeld direkt davon betroffen ist Cowell (2010) zum Bei-spiel untersuchte in Wales wie technische Verfahren Zonierungsentscheidungen in der Raumplanung dominieren Er stellte fest dass die Gebietsauswahl in der Regel von unabhaumlngigen Beratern getroffen wird oft ohne Konsultation mit lokalen Interessensgruppen Es wurde als zu problematisch empfun-den um Stakeholder in den Planungsprozess miteinzubeziehen (Cowell 2010 S 224)

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Abb 1 Die 11 Windkraftzonen des SvWOL 2014 in den Niederlanden Quelle PBL 2019

Auch in den Niederlanden entscheidet man sich fuumlr die Ausweisung von Eignungszonen und verfolgt damit einen landesweit einheitlichen und positiven Zonierungsansatz Das Land ist klein und dicht be-siedelt und Zonierung schafft Klarheit Im Jahr 2014 wird der SvWOL-Strukturplan fuumlr Onshore-Wind-kraftanlagen von der niederlaumlndischen Regierung verabschiedet Im SvWOL werden landesweit elf Ge-biete ausgewiesen die fuumlr die groszligmaszligstaumlbliche Windkraftentwicklung vorgesehen sind Der Richtwert fuumlr Groszliganlagen die in diesen Gebieten errichtet werden koumlnnen ist eine installierte Leistung von mindestens 100 Megawatt (IenM amp EZ 2014) Dies entspricht einem Windpark von rund 30 modernen Windturbinen Durch die zuumlgige und kompakte Aufstellung solcher groszligen Windparks in SvWOL Zonen sollte die Umsetzung von einem Groszligteil der nationalen Windkraftziele (insgesamt 6000 Megawatt fuumlr Onshore-Anlagen) gesichert werden Fuumlr die Auswahl der SvWOL-Gebiete wurde ein eigenes Landschafts-Narrativ entwickelt das argumen-tiert warum diese Gebiete fuumlr die Errichtung von groszligen Windkraftanlagen besonders gut geeignet sind zum Beispiel wegen des weitlaumlufigen und industriellen Charakters der Landschaft oder wegen ihren geschichtlichen Bezug zu Energiegewinnung bzw chancenreichen Zukunft als bdquoEnergieland-schaftldquo Diese Landschaftsnarrativ fuumlhrt geht davon aus dass durch die Buumlndelung von Windkraft in grossen Industriegebieten wie zum Beispiel der Hafen von Rotterdam und in einige wenige landwirt-schaftliche Gebiete wichtige kulturhistorische Landschaften und Naturgebiete erhalten werden Das durch ein Expertenteam sorgfaumlltig ausgearbeitete Landschaftskonzept soll fuumlr eine breite Unterstuumlt-zung von Buumlrgerinnen und Buumlrgern sorgen die durch den SvWOL von maszliggeblichen Veraumlnderungen in ihrem Lebensumfeld betroffen sind

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Abb 2 Unternehmerisch-institutionelle Akteure und Kooperationen im Rahmen des SvWOL 2014 Quelle Nabielek 2020

Die Gebietsabgrenzungen des SvWOL sind das Ergebnis eines komplexen zweijaumlhrigen Entscheidungs-prozesses zwischen nationalen und provinzialen Behoumlrden unter der Mitwirkung von diversen uumlberre-gionalen Interessensgemeinschaften hauptsaumlchlich in Bereich von Naturschutz Windkraftentwicklung und Landschaftsschutz Die obenstehende Grafik zeigt am Beispiel der Provinz Suumldholland einen Uumlber-blick welche Kooperationsstrukturen im Planungsprozess des SvWOL stattgefunden haben Auffallend ist dass Allianzen zwischen institutionell-unternehmerischen Akteuren in der SvWOL-Arena stark auf der nationalen Steuerungsebene vertreten sind (Ministerien Beratungsagenturen und diverse Lob-byorganisationen) waumlhrend es insgesamt wenig Abstimmungsmechanismen gab mit lokalen Parteien (Buumlrger Grundbesitzer Unternehmer lokale Politik und Behoumlrden) Eine zweite Auffaumllligkeit ist die enge Zusammenarbeit zwischen Raumplanungs- und Energieplanungsbehoumlrden Der SvWOL war das erste landesweite politische Instrument die diese zwei Perspektiven vereint bisher waren nationale Raumordnungspolitik und Energiepolitik naumlmlich grundsaumltzlich getrennt (Evers et al 2019) Die strate-gische Entscheidung lokale Parteien bei Zonierungsentscheidungen nur auf ein Mindestmaszlig reduziert

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zu beteiligen hat viele Gruumlnde zum Beispiel Zeitdruck die Orientierung auf technische Entscheidungs-kriterien und die Bewahrung von politischer Neutralitaumlt in einem konfliktreichen Thema (Nabielek 2020) Die gesetzlichen Rahmenbedingungen fuumlr die Entwicklung und Planung von Groszliganlagen sorgen dafuumlr dass lokale Parteien im Konfliktfall das Nachsehen haben Durch das RCR Landeskoordinations-gesetz fuumlr Groszligprojekte unterliegen Windkraftanlagen mit einem Umfang von mehr als 100 Megawatt installierter Leistung der Entscheidungskompetenz des zustaumlndigen Ministers fuumlr Energiepolitik (Dutch Electricity Act 1998) Im Jahr 2019 fuumlnf Jahre nach der Einfuumlhrung des SvWOL zeigt sich dass trotz Landschaftsstrategie Windrafteignungszonen und weitreichende Planungskompetenzen von nationalen und provinzialen Behoumlrden die erwartete Beschleunigung in der Windkraftentwicklung vorerst nicht eingetreten ist Aus institutioneller Sicht koumlnnen wir einige wichtige Nebeneffekte feststellen die die Wirksamkeit der nie-derlaumlndischen Planungspolitik fuumlr den Windkraftausbau wesentlich beeinflusst haben Erstens faumlllt auf dass trotz Zonierung die Genehmigung von Groszligprojekten in den jeweiligen Zonen ein langwieriger und schwieriger Prozess geblieben ist Die Wirkungsweise des strategisch eingesetz-ten bdquoLandscape Narrativeldquo wiederum variiert je nach Region und Gebiet Da landschaftliche Werte (als kulturelle Institutionen) bdquoin the eye of the beholderldquo bestimmt werden bedeutet dies einen gewissen Relativismus es ist dann auch notwendig den bdquobeholderldquo in die Planung einzubeziehen (Wolsink 2017) Durch die Gestaltung des Planungsprozesses und die gesetzlichen Rahmenbedingen hatten Gemein-den insgesamt wenig Spielraum um die Planung und Umsetzung von Groszliganlagen aktiv zu beeinflus-sen Lokale Behoumlrden sind aber wichtige Vertreter von Bewohnerinnen und Bewohnern in der Naumlhe der geplanten Anlagen In einigen SvWOL-Gebieten zum Beispiel in der Provinz Drenthe hatte die Top-down-Politik des SvWOL groszlige Konsequenzen fuumlr die lokale Wahrnehmung (bdquoWir die Lokalen gegen die Regierenden in Den Haagldquo) und fuumlhrte zu einer starken Polarisierung der lokalen Bevoumllkerung ndash trotz der Tatsache dass die dort aktiven Windkraftentwickler lokale Unternehmer waren Die RCR Regelung die erst ab einer Groszliganlage von minimal 100 Megawatt installierter Leistung zum Einsatz kommt hatte wiederum groszlige Konsequenzen fuumlr den Umgang von Windkraftentwicklern mit lokalen Behoumlrden So war es Windkraftentwicklern moumlglich um durch Zusammenfuumlgen von Projekt-anfragen in Anmerkung zu kommen fuumlr das (prioritaumlre) RCR-Verfahren Hierdurch konnten Einzelpro-jekte die auf lokaler Ebene ein hohes Konfliktpotenzial hatten durch strategisches Zusammenlegen auf houmlherer Ebene doch noch durchgesetzt werden (Evers et al 2019) Im Laufe der Zeit entwickelten etliche SvWOL-Gebiete ein Eigenleben sie wurden zu Institutionen (Na-bielek 2020) Auch dies hatte Nebeneffekte denn es handelt sich um unbeabsichtigte indirekte Me-chanismen der Institutionalisierung Im guumlnstigen Fall haben sich innerhalb der festgelegten Zonen neue langfristige Kooperationsstrukturen und Projektallianzen gebildet Ein gutes Vorbild ist die SvWOL-Zone bdquoEnergieinsel Goeree-Overflakkeeldquo in der Provinz Suumldholland die es geschafft hat aus der Windkraft einen deutlichen Mehrwert fuumlr die lokale Bevoumllkerung zu kreieren Andersseits entstand durch das Instrument der Zonierung auch die langfristige Erwartungshaltung dass jene Gebiete die nicht zoniert sind auch frei von Windkraftanlagen bleiben Suumldholland hatte mit dieser Erwartungs-haltung bereits zu kaumlmpfen In dieser Provinz entstand im Zuge der Implementation des SvWOL die Notwendigkeit um zusaumltzlicher Flaumlchen fuumlr die Windkraftnutzung zu sichern Die Suche nach weiteren bdquoakzeptierten Standortenldquo erwies sich als sehr schwierig Wenn Positivzonierung als ein Instrument der institutionellen Gestaltung etabliert und gefestigt ist ist es umso schwieriger den Status der Ge-biete auszligerhalb dieser Zonen zu veraumlndern Im dynamischen Kontext der Energiewende koumlnnte Zoni-erung den Uumlbergang zu neuen und chancenreicheren Planungspraktiken wesentlich behindern

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Schlussfolgerungen

Dieser Beitrag verknuumlpft das theoretische Konzept der institutionellen Gestaltung mit dem energie-raumplanerischen Instrument der Windkraftzonierung und versucht Antworten zu finden auf die Frage Inwiefern kann die Einfuumlhrung von Windkraftzonen gesehen werden als ein Akt der institutio-nellen Gestaltung und welche Implikationen hat dies fuumlr die Planungspraxis Um diese Frage zu beant-worten wurden einige wichtige Komponenten der institutionellen Gestaltung im planungstheoreti-schen Diskurs hervorgehoben institutionelles Unternehmertum Kooperationen und Allianzen und in-stitutionelle Veraumlnderungsstrategien Das Fallbeispiel des SvWOL (Strukturplan fuumlr groszligmaszligstaumlbliche Windkraftentwicklung) zeigt Zonie-rung ist institutionelle Gestaltung Die wesentlichen Bestandteile sind (1) die Entwicklung eines Land-schafts-Narrativs um einen gemeinsamen Referenzrahmen fuumlr Energie- und Landschaftsinteressen (kommunikative Veraumlnderungsstrategie) zu schaffen (2) strategische Allianzen und Kooperationen auf nationalem Niveau wodurch die Zusammenarbeit von Raum- und Energieplanung mittlerweile selbst-verstaumlndlich geworden ist und (3) die Entstehung einer neuen institutionellen Unternehmerschaft in-nerhalb der Windkraftzone Goeree-Overflakkee Manche Institutionen wurden allerdings auch unbe-wusst erschaffen z B die Interpretationen uumlber den genauen Status von Gebieten auszligerhalb der Windkraft-Eignungsgebiete Dieser Komponente und den daraus entstandenen Pfad-Abhaumlngigkeiten sollte mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden Zusammengefasst kann gesagt werden dass die institutionelle Perspektive neue Erkenntnisse und For-schungswege im energieraumplanerischen Kontext bietet Wenn es die Mission der Forschung ist die Planungspraxis zu unterstuumltzen dann ist eine kritische Reflexion auf die institutionelle Gestaltung von energieraumplanerischen Politiken dringend noumltig Energieraumplanung als ein junger und dynami-scher Aufgabenbereich der Raumplanung schafft guumlnstige Konditionen fuumlr aktiv gestaltete Institutio-nen Aber es muss auch das Bewusstsein geschaffen werden dass Planer die Handlungsoptionen ha-ben zum institutionellen Wandel beizutragen und gleichzeitig Faumlhigkeit besitzen zu hinterfragen wel-che Strategien dabei angewendet werden sollten

Danksagung David Evers und Joost Tennekes fuumlr die Zusammenarbeit im Rahmen der PBL Publikation bdquoWind-op-land lessen en ervaringen Een reflectie op de implementatie van windenergie vanuit een ruimtelijk perspectiefrdquo (2019)

Literatur

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Elektromobilitaumlt Integration von Elektromobilitaumlt in die Verkehrspla-nung ndash welche Anpassungen unserer Werkzeuge brauchen wir

Martin Kagerbauer (1)

DOI 10347261027

(1) Dr-Ing Institut fuumlr Verkehrswesen (IfV) Karlsruher Institut fuumlr Technologie (KIT)

Abstract

Die Integration von Elektromobilitaumlt in die Verkehrsplanung und im Speziellen in Verkehrserhebungen und Verkehrsnachfragemodellierung kann mit einigen Anpassungen und der Verwendung von agen-tenbasierten Modellen gut durchgefuumlhrt werden Dabei sind die Charakteristika der NutzendenBesit-zenden von elektrisch betriebenen Fahrzeugen die Eigenschaften der Elektrofahrzeuge va hinsicht-lich Reichweite und die zusaumltzliche Beruumlcksichtigung der Ladevorgaumlnge bzw Ladeinfrastruktur zu be-ruumlcksichtigen Zur Abbildung der Ladevorgaumlnge sind Erhebungs- und Modellierungszeitraumlume notwen-dig die einen so langen Zeitraum umfassen so dass hinreichend viele Ladevorgaumlnge und somit eine Fahrleistung jenseits der Reichweiten vorhanden sind Nur so koumlnnen Variationen im Verkehrsverhal-ten und bei Ladestrategien beruumlcksichtigt werden

Schluumlsselbegriffe

Erhebung agentenbasierte Nachfragemodellierung integrierte Planung Kagerbauer M (2021) Elektromobilitaumlt Integration von Elektromobilitaumlt in die Verkehrsplanung ndash welche Anpassungen unse-rer Werkzeuge brauchen wir In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S83-98

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Inhalt Ausgangslage 85

Definition 86

Anforderungen der Elektromobilitaumlt an die Planungswerkzeuge 87

Anpassung der Planungswerkzeuge 91

Erhebung 91

Modellierung 92

Schlussfolgerung 96

Literatur 96

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Ausgangslage

Elektromobilitaumlt im Personenverkehr loumlst grundsaumltzlich nicht die Verkehrsprobleme in unseren Staumld-ten Selbst wenn Elektrofahrzeuge kleiner waumlren als konventionelle Fahrzeuge beispielsweise der Elektro-Smart oder sich das Fahrverhalten mit Elektro-Pkw hinsichtlich Beschleunigung und Brems-vorgaumlngen veraumlndert handelt es sich immer noch um einen Pkw der Platz benoumltigt und aumlhnlich wie ein konventioneller Privat-Pkw genutzt wird Durch den Elektroantrieb werden jedoch die Emissionen durch das Fahrzeug reduziert beispielsweise hinsichtlich CO2 NOx und im niedrigen Geschwindigkeits-bereich auch Laumlrm Elektro-Pkw sind somit lokal emissionsfrei Die grundsaumltzliche Umweltfreundlich-keit der Elektromobilitaumlt haumlngt jedoch maszliggeblich vom Strommix ab Im 1 Quartal des Jahres 2020 kamen 548 des Stroms in Deutschland aus erneuerbaren Energien (vgl Abb 1)

Abb 1 Nettostromerzeugung zur oumlffentlichen Stromversorgung in Deutschland im ersten Quartal 20201 Quelle Burger 2020

Uumlber die letzten Jahre ist in Deutschland der Anteil an regenerativem Strom wie Abb 2 zeigt massiv gestiegen so dass Elektromobilitaumlt zunehmend umweltfreundlicher wird

1 Die Grafik zeigt die Nettostromerzeugung aus Kraftwerken zur oumlffentlichen Stromversorgung Das ist der Strommix der

tatsaumlchlich aus der Steckdose kommt Die Erzeugung aus Kraftwerken von bdquoBetrieben im verarbeitenden Gewerbe sowie im Bergbau und in der Gewinnung von Steinen und Erdenldquo dh die industrielle Erzeugung fuumlr den Eigenverbrauch ist bei dieser Darstellung nicht beruumlcksichtigt

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Abb 2 Entwicklung der Nettostromerzeugung zur oumlffentlichen Stromversorgung in Deutschland im ersten Quartal von 2015 bis 20202 Quelle Burger 2020 Grundsaumltzlich ist Elektromobilitaumlt also eine umweltfreundlichere Art der Mobilitaumlt im Vergleich zu kon-ventionellen Fahrzeugen vor allem mit Blick auf den Betrieb der Fahrzeuge Wegen steigender Zulas-sungszahlen der Elektrofahrzeuge ist es sinnvoll diese neben den konventionellen Fahrzeugen in kuumlnf-tigen Planungsprozessen gesondert zu beruumlcksichtigen da deren Restriktionen hinsichtlich Reichwei-ten und Ladevorgaumlngen die Verkehrsnachfrage aber auch das Verkehrsangebot (Verfuumlgbarkeit und (Lade-)Infrastruktur) beeinflussen

Definition

Eine Million Elektrofahrzeuge (gemeint waren Pkw) sollten bis zum Jahr 2020 in Deutschland zugelas-sen sein Dieses Ziel wurde im Jahr 2009 von der Bundesregierung im Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilitaumlt (Die Bundesregierung 2009) festgelegt Das Ziel wurde nicht erreicht Im Jahr 2020 waren zum Stand 01012020 136617 Elektro-Pkw 102175 Plug-In-Hybrid-Pkw und 437208 weitere Hybrid-Pkw zugelassen Laut Definition in Deutschland umfasst Elektromobilitaumlt im Sinne der Bundes-regierung nicht nur reine Elektro-Pkw sondern bdquoall jene Fahrzeuge die von einem Elektromotor ange-trieben werden und ihre Energie uumlberwiegend aus dem Stromnetz beziehen also extern aufladbar sind Mit umfasst sind damit auch solche Fahrzeuge die zum Zwecke einer groumlszligeren Reichweite neben einem Elektro- auch uumlber einen Verbrennungsmotor verfuumlgen etwa Plug-In Hybridfahrzeuge (PHEV) und Elektrofahrzeuge mit sogenannten Range Extendern (REEV) Wichtig ist vor allem dass diese Fahr-zeuge extern uumlber das Stromnetz aufgeladen werden koumlnnenldquo (BMU 2017) Nach dieser Zaumlhlart sind zum 01012020 238792 Elektro-Pkw in Deutschland von insgesamt 477 Millionen Pkw also rund 05 zugelassen Diese Steigerungstendenzen an elektromobilen Pkw sind in den meisten Laumlndern der Welt festzustel-len Wie Abbildung 3 zeigt steigen die Bestandsentwicklungen der Elektroautos auch weltweit an Vor allem in China sind die Zuwaumlchse an Elektro-Pkw sehr hoch

2 Siehe Fuszlignote davor

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Abb 3 Bestandsentwicklung von Elektro-Pkw (weltweit und in ausgewaumlhlten Laumlndern in den Jahren 2012 bis 2019) Quelle Statista 2020b

Obwohl die Reichweite der Elektro-Fahrzeuge mit zunehmender technischer Entwicklung steigt ist sie immer noch eine wichtige Charakteristik fuumlr die Akzeptanz und die Nutzung der Elektromobilitaumlt Ak-tuell reicht die Spanne der Reichweite bei Elektrofahrzeugen (BEV) von ca 450 kmBatterieladung bei einem Tesla (Model X 100D) bis zu ca 110 kmBatterieladung bei einem Smart (Modell fortwo coupeacute EQ prime) (ADAC 2020) Maszliggeblich haumlngt die Reichweite von der Groumlszlige der Batterie in den Fahrzeu-gen ab Neben den hohen Anschaffungskosten sind die Restriktionen in der Reichweite und der Mangel an Ladeinfrastruktur (LIS) die Haupthemmnisse der Elektromobilitaumlt (Kagerbauer und Heilig 2013 Gnann et al 2017) So gilt es fuumlr Verkehrsplanungszwecke in der Erhebung und Prognose des Verkehrs in Verbindung mit Elektromobilitaumlt zum einen die technischen Leistungsfaumlhigkeiten der Fahrzeuge und zum anderen die Entscheidungen hinsichtlich der Ziel- und Verkehrsmittelwahl unter diesen Rahmen-bedingungen zu beruumlcksichtigten (FGSV 2018) Dann kann das Verkehrsverhalten der Menschen all-umfassend abgebildet und modelliert werden Daruumlber hinaus ist es sinnvoll die Verfuumlgbarkeit der Ladeinfrastruktur mit zu betrachten Eine Integration der Elektromobilitaumlt in die Verkehrsplanungspro-zesse ist heute und vor allem kuumlnftig notwendig um bedarfsgerechte Infrastruktur planen zu koumlnnen und Finanzmittel beim Aufbau der Ladeinfrastrukturnetze sinnvoll einzusetzen

Anforderungen der Elektromobilitaumlt an die Planungswerkzeuge Der Besitz von Elektrofahrzeugen im Privatgebrauch unterscheidet sich im Vergleich zum Besitz von konventionellen Fahrzeugen vor allem in industrialisierten Laumlndern dass die konventionellen Fahr-zeuge nahezu allen Bevoumllkerungsschichten gleichermaszligen zur Verfuumlgung stehen Gerade die soge-nannten bdquoinnovatorsldquo und bdquoearly adoptersldquo also Personen die nach der Diffusionsforschung sehr fruumlh neue Technologien annehmen sind Gruppen die sich von der Allgemeinheit unterscheiden Vor allem hinsichtlich der Soziodemografie eines houmlheren oumlkonomischen Status und deswegen auch hinsichtlich des Verkehrsverhaltens da mit zunehmendem zur Verfuumlgung stehenden Einkommen das Verkehrsauf-kommen steigt Abb 4 zeigt systematisch die Verteilung der Personengruppen

205380 422870845210

1398050

2156800

3410340

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China USA Japan Deutschland

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Abb 4 Verbrauchergruppen bei der Einfuumlhrung von neuen Technologien (blau) und Marktanteil (gelb) Quelle Rogers 2010

Wie bei vielen neuen Technologien hat sich ebenfalls beim Besitz der Elektro-Pkw herausgestellt dass eher junge Maumlnner mit gutem oumlkonomischen Status Erstanwender der Elektromobilitaumlt waren (Ploumltz et al 2017 Ploumltz et al 2013) Da die Elektromobilitaumlt noch einen geringen Anteil an den Gesamt-Pkw hat (vgl Definition) sind die Charakteristika und das Mobilitaumltsverhalten dieser Besitzenden der Elektro-Fahrzeuge auch ein wesentlicher Aspekt der in der Verkehrsplanung beruumlcksichtigt werden sollte In den Hochlaufszenarien fuumlr Elektromobilitaumlt wurden die Entwicklung z B in Form von Anzahl an Elektro-Fahrzeugen nach Jahren und die Charakteristika der Besitzenden abgeschaumltzt und beruumlck-sichtigt Im Laufe der naumlchsten Jahrzehnte sofern sich die Elektromobilitaumlt zu einem Massenmarkt entwickelt werden Besitzende uumlber alle Bevoumllkerungsschichten hinweg verteilt sein so dass diese Un-terschiede in Soziodemografie und Struktur nicht mehr so ausgepraumlgt sein werden Allerdings kann das je nach gesetzlichen Rahmenbedingungen (Foumlrderung) Verfuumlgbarkeit von verschiedenen (kostenguumlns-tigeren) Modellen und Sensibilisierung der Bevoumllkerung fuumlr umweltfreundliche Pkw-Mobilitaumlt noch et-was dauern Da uumlbliche Planungshorizonte in 10 bis 15 Jahren liegen ist es sinnvoll diese Rahmenbe-dingungen zu beruumlcksichtigen Ein weiterer Grund die Nutzergruppe der Elektromobilitaumlt gesondert zu betrachten ist dass die Betriebskosten fuumlr Elektrofahrzeuge wegen der Strompreise guumlnstiger sind im Vergleich zu konventionellen Fahrzeugen Dadurch werden E-Fahrzeuge unter Umstaumlnden auch haumlufi-ger genutzt Die Fahrleistungen der Elektrofahrzeuge koumlnnen somit tendenziell houmlher sein Dies ist aber in Relation zu den Reichweiten zu betrachten

Folge fuumlr Verkehrsplanungswerkzeuge Integration von Elektro-Pkw-Besitz und die Charakteristika der Nutzenden (z B Soziodemographie oumlkonomischer Status)

In den aktuellen Zulassungszahlen der Elektro-Pkw in Deutschland sieht man auch dass ca 60 in das Fahrzeugsegment bdquoKleinldquo (=Mini Kleinwagen Kompaktklasse) und 25 in das Fahrzeugsegment bdquoGroszligldquo (Oberklasse SUV Sport Gelaumlndewagen) fallen (Statista 2020a) Diese unterschiedlichen Fahr-zeugsegmente haben unterschiedliche Charakteristika Kleinfahrzeuge werden eher als Zweit- oder Drittwagen genutzt mit kleiner Reichweite und haumlufiger Nutzung fuumlr kurze Strecken Die Groszligfahr-zeuge haben eine groszlige Reichweite (z B Tesla- oder Porsche-Fahrzeuge mit ca 400 km) und werden eher fuumlr alle auch weite Fahrten genutzt Diese unterschiedlichen Nutzungen und Charakteristika spie-len fuumlr die Verkehrsnachfrage eine wesentliche Rolle da je nach zur Verfuumlgung stehendem Fahrzeug unterschiedliche Nutzungsmoumlglichkeiten vorhanden sind Eine Diversifizierung der Fahrzeugkatego-rien in Bezug auf Elektromobilitaumlt ist daher sinnvoll Zudem gibt es mit neuen Fahrzeugansaumltzen wie PedelecsE-Bikes neue Moumlglichkeiten Wege zuruumlckzulegen die in verschiedenen Modi wirken Auch hier spielt die Elektromobilitaumlt eine Rolle die in den Planungen zu beruumlcksichtigen ist

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Folge fuumlr Verkehrsplanungswerkzeuge Integration von Eigenschaften der Elektro-Pkw (Fahrzeugart Groumlszlige des Akkus Reichweite)

Grundsaumltzlich unterscheiden sich die Elektrofahrzeuge von konventionellen Fahrzeugen hinsichtlich der Reichweite und der Dauer der Ladevorgaumlnge Waumlhrend auszliger bei speziellen Erhebungen zu Ver-brauch und Fahrleistung (Chlond et al 2009) die Tankvorgaumlnge in der Verkehrsplanung keine groszlige Rolle spielen haben die Ladevorgaumlnge bei der Elektromobilitaumlt ein groumlszligere Bedeutung da das Laden eine groumlszligere Zeitdauer einnimmt und besser geplant werden sollte als das Tanken das innerhalb we-niger Minuten durchgefuumlhrt wird Grundsaumltzlich gibt es zwei Ladearten

bull Normalladen (AC-Laden) Ausschlieszliglich uumlber Wechselstrom in Ladeleistungsbereichen zwischen 37 kW (einphasige) uumlber 11 bzw 22 kW bis zu max 43 kW (dreiphasig)

bull Schnellladen (DC-Laden) Ausschlieszliglich uumlber Gleichstrom mit einer Ladeleistung von bis zu 170 kW

Abhaumlngig von dem Ladestand (SOC state of charge) sowie von der Spezifikation des Akkus dauert eine Ladung eines 30-kW-Akkus mit 37 kW ca 8 Stunden (h) mit 11 kW ca 15 h und mit 170 kW ca 15 bis 30 Minuten Je nach Umfeldsituation (Temperatur Streckenprofil etc) kann damit eine Strecke von ca 150 km zuruumlckgelegt werden Diese unterschiedlichen Ladeeigenschaften haben auch Auswirkun-gen auf den Einsatz der Ladungen Waumlhrend Normalladen geeignet ist fuumlr Situationen in denen das Fahrzeug sowieso steht z B zu Hause nachts oder waumlhrend der Arbeit ist das Schnellladen fuumlr kurze Zwischenstopps z B bei einer Fernreise an Autobahnen geeignet Dazwischen sind alle Variationen denkbar Im Vergleich zum konventionellen Tanken dauert das Laden laumlnger und das Angebot an LIS ist zumindest zu heutiger Zeit noch nicht so dicht so dass die Information uumlber die Existenz und Ver-fuumlgbarkeit von LIS eine groszlige Rolle spielt Mit Hilfe von IKT (Informations- und Kommunikations-Tech-nologie) stehen die Charakteristiken und Verfuumlgbarkeiten von LIS beispielsweise durch Apps und an-deren digitalen Plattformen zur Verfuumlgung Beispiele hierfuumlr sind e-stationsde chargemapcom goin-gelectricde lemnetorg u v a

Folge fuumlr Verkehrsplanungswerkzeuge Integration von Ladeinfrastruktur mit deren Eigenschaften (Kenngroumlszligen Ladedauer Verortung)

Wegen der Reichweiterestriktionen der E-Fahrzeuge kann auch veraumlndertes Verkehrsverhalten der Nutzenden eine Folge sein Falls beispielsweise aufgrund eines aktuell niedrigen SOC eines E-Pkw ei-nige Ziele nicht mehr erreicht werden koumlnnen stehen den Nutzenden verschiedenen alternative Hand-lungsweisen zur Verfuumlgung Erstens kann der Weg auf einen anderen Zeitpunkt oder Tag verschoben werden wenn die Reichweite ausreicht Zweitens kann ein anderes Ziel zur Durchfuumlhrung der Aktivitaumlt gewaumlhlt werden bei dem die Reichweite noch ausreicht oder drittens kann ein anderes Verkehrsmittel fuumlr den Weg gewaumlhlt werden Die beiden letztgenannten Faumllle koumlnnen auch eintreten sofern die Reich-weite auch bei voller Ladung nicht ausreicht Im Verkehrsnachfragemodellierungsprozess bedeutet dies einen Eingriff in die Module VerkehrsentstehungAktivitaumltenwahl Zielwahl undoder Verkehrs-mittelwahl Die Restriktionen der Elektromobilitaumlt und das veraumlnderte Verhalten koumlnnen somit Aus-wirkungen auf die Wahlentscheidungen haben

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Folge fuumlr Verkehrsplanungswerkzeuge Aktivitaumlten- Ziel- und Verkehrsmittelwahl-modelle sind hinsichtlich des Verkehrsverhaltens mit Elektromobilitaumlt anzupassen

Im Alltagsverkehr treten Ereignisse von weiten Fahrten nur selten auf Pkw werden gewoumlhnlich in Deutschland im Mittel an wenigen Tagen uumlber 100 km benutzt (im Jahr 2012 waren es 13 Tage (Streit et al 2014)) Sofern nur ein zufaumllliger Tag im Jahr beruumlcksichtigt wird fahren rund 90 der Fahrzeuge in Deutschland unter 100 km Sofern das ganze Jahr betrachtet wird fahren nur rund 10 der Fahr-zeuge in Deutschland immer unter 100 km Bei der Betrachtung einer Woche sind es 75 bei 8 Wo-chen 30 Das hat zur Folge dass bei Fernfahrten in der Regel ein laumlngerer Betrachtungszeitraum fuumlr Aussagen zu Reich- bzw Fahrtweiten notwendig ist (vgl Abb 5)

Abb 5 Verteilung der maximalen Fahrleistung pro Pkw und Tag fuumlr verschiedene Betrachtungszeitraumlume Quelle Streit et al 2014

Diese Aussage gilt aber nicht nur fuumlr Fernfahrten sondern auch fuumlr Fahrten im Alltagsverkehr da die E-Pkw in der Regel nicht jeden Tag geladen werden und deshalb die Fahrtweiten uumlber mehrere Tage addiert werden muumlssen um die Ladevorgaumlnge Lademengen und Restreichweiten realistisch abzubil-den

Folge fuumlr Verkehrsplanungswerkzeuge Fuumlr die Elektromobilitaumlt sind laumlngere Unter-suchungszeitraumlume notwendig

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Anpassung der Planungswerkzeuge

Eine Umsetzung dieser dargestellten Folgen der Elektromobilitaumlt fuumlr die Verkehrsnachfrageplanung beinhaltet die Anpassungen von Erhebungen und Modellen

Erhebung

Um geeignete Daten als Grundlage fuumlr die Modellierung zu erhalten sind die Erhebungen dahingehend anzupassen dass zuruumlckgelegte Entfernungen mit elektrisch betriebenen Fahrzeugen uumlber einen laumln-geren Zeitraum erhoben werden koumlnnen Laumlngere Zeitraumlume sind hier mindestens eine Woche wegen der Laderhythmen besser noch vier bis acht Wochen3 Optimal ist Wege mit elektrisch betriebenen Pkw zu erheben um so die Ladevorgaumlnge zu ermitteln Wegen der relativ geringen Menge an Elektro-fahrzeugen heutzutage kann die Stichprobengewinnung schwierig sein Hier koumlnnen auch Analogie-schluumlsse mit konventionellen Fahrzeugen helfen indem Fahrtweiten mit den Reichweiten in Beziehung gesetzt werden um Ladevorgaumlnge zu berechnen Voraussetzung dafuumlr ist dass die Fahrtweiten mit konventionellen Fahrzeugen analog den elektrischen Fahrzeugen angenommen werden (Chlond et al) Das Verkehrsaufkommen als Anzahl der durchgefuumlhrten Fahrten zu bestimmten Zwecken mit und ohne Elektromobilitaumlt wird in diesem Fall als gleich vorausgesetzt Hilfreich fuumlr die Modellierung ist zudem wenn zu der Aufzeichnung der Fahrtweiten mit den Fahrzeugen auch Informationen zu den Fahrenden (z B welche Person eines Haushalts faumlhrt) bekannt sind da beispielsweise eine agenten-basierte Modellierung von den Einzelpersonen (Agenten) ausgeht Die Aufzeichnungen der gefahrenen Wegestrecken mit den Fahrzeugen koumlnnen uumlber Fragebogen oder Listen geschehen oder technisch uumlber ein Tracking der Fahrzeuge beispielsweise uumlber GPSApps etc Oft sind hier zusaumltzliche Angaben z B uumlber Wegezwecke Besetzungsgrad etc sinnvoll Vor allem am Anfang stehende Neuerungen auch bei neuen Mobilitaumltsformen haben die Eigenschaft dass Menschen mit spezifischen Charakteristika diese nutzen Dabei ist es fuumlr die Modellierung des Besitzes von Elektrofahrzeugen wichtig diese Charakteristika der Nutzenden zu kennen um den Zu-sammenhang zwischen Mobilitaumltsverhalten und Nutzung von neuen Mobilitaumltsformen gut abbilden zu koumlnnen (Chlond et al 2012) Beispiele fuumlr die Charakteristika sind soziodemografische Eigenschaften (Alter Erwerbsstatus Einkommen) oder auch raumlumliche (Wohnen im Ballungsraum oder im laumlndlichen Bereich) oder mobilitaumltsbezogene Verhaltensweisen (regelmaumlszligiges Pendeln) Diese Charakteristika der Elektromobilitaumltsnutzenden koumlnnen uumlber Befragungen der Fahrzeugnutzenden erhalten werden Dies haumlngt jedoch davon ab wie weit verbreitet die Technik ist und ob ein guter Zugang zu den Elektromo-bilitaumltsnutzenden moumlglich ist Bei der Elektromobilitaumlt befindet man sich derzeit an Grenze hinsichtlich der Besitzquoten (vgl Abb 3) um Menschen mittels Revealed-Preference-Befragungen (RP-Befragun-gen)4 nach dem realisierten Verhalten zu befragen Zu Beginn der technischen Entwicklung oder auch noch im Markthochlauf koumlnnen derartige Daten zudem uumlber Befragungen der beabsichtigten Nutzung oder des Kaufs von Elektromobilitaumlt erhalten werden Dies ist vor allem auch dann sinnvoll wenn In-formationen zum kuumlnftigen Besitz von Elektromobilitaumlt fuumlr Prognosen notwendig sind (Ploumltz et al 2017) Bei konventionellen Fahrzeugen sind diese Informationen meist uumlber Statistiken oder bereits bestehende Erhebungen verfuumlgbar Bei der Elektromobilitaumlt sind dieses Daten nur sehr spaumlrlich vor-handen Im Vergleich zur bisherigen Fahrzeugnutzung mit konventionellen Pkw sind bei der Elektromobilitaumlt die Ladevorgaumlnge und die Rahmenbedingungen des Ladens ein neuer Aspekt Hier handelt es sich um

3 Das MOP (Deutsches Mobilitaumltspanel) fuumlhrt z B die Erhebung zu Fahrleistungen und Tankvorgaumlngen uumlber acht Wochen

durch 4 Revealed-Preference-Befragungen (RP-Befragungen) erheben ein bereits durchgefuumlhrtes Verhalten Es werden z B retro-

spektiv durchgefuumlhrte Wege berichtet

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den Zeitpunkt der Ladung (z B wenn der Akku leer ist wenn sich eine Lademoumlglichkeit bietet waumlhrend der Durchfuumlhrung einer bestimmten Aktivitaumlt oder nur nachts) Die Erhebung dieser Situationen oder der Praumlferenzen zur Ladung der Fahrzeuge kann zum einen durch die Erhebung der Ladevorgaumlnge von Elektrofahrzeugen selbst erfolgen Dies erfordert aber das Vorhandensein von genuumlgend Fallbeispielen in der Praxis analog zum E-Fahrzeug-Besitz Zum anderen koumlnnen diese Informationen mit Stated-Preference-Befragungen (SP-Befragungen)5 erhoben werden In diesen Befragungen werden potenzi-elle Situationen durchgespielt in welchen die Testpersonen entscheiden wann und wie lange sie la-den Fragestellungen waumlren ab welchem SOC Fahrzeuge geladen werden oder bei welchen Situatio-nen (zu Hause am Arbeitsplatz oder beim Einkaufen) Diese Daten ermoumlglichen es in Verbindung mit Eigenschaften der Elektrofahrzeuge und der Nutzenden Ladestrategien abzuleiten und in Modelle zu integrieren (Hilgert et al 2016) Elektromobilitaumlt hat durch Reichweitenrestriktion und Verfuumlgbarkeit der Fahrzeuge fuumlr bestimmte Wege Auswirkungen auf die Ziel- und Verkehrsmittelwahl Grundsaumltzlich koumlnnen die Wahlmodelle so aufgebaut sein dass sie Ziel- und Verkehrsmittel unabhaumlngig voneinander und sukzessiv modellieren Die notwendige Datengrundlage dazu stammt meist aus RP-Befragungen wie beispielsweise Reisezei-ten und die zugespielten Reisezeiten der nicht gewaumlhlten Alternativen Die Alternativen koumlnnen auch aus SP-Befragungen stammen Bei der Elektromobilitaumlt haumlngt die Wahl der Ziele und Verkehrsmittel jedoch enger zusammen als bei konventionellen Verkehrsmitteln da die Reichweiten und SOC der Fahrzeuge sowohl die moumlglichen Weglaumlngen als auch das Infragekommen des Verkehrsmittels E-Fahr-zeug beeinflussen Zum Beispiel koumlnnte eine Person einen Weg zum Einkaufen in einem 40 km ent-fernten Moumlbelhaus mit einer Restreichweite eines E-Fahrzeuges von 30 km nicht mehr mit diesem Fahrzeug zuruumlcklegen Alternativ koumlnnte die Person ein anderes Verkehrsmittel waumlhlen oder zu einem naumlher gelegenen Moumlbelhaus fahren Um diese Zusammenhaumlnge zwischen Reichweite Ladezustand sowie Ziel- und Verkehrsmittelwahl zu erheben bietet sich ein Choice-Experiment in einer SP-Befra-gung an Dabei werden den Testpersonen verschiedene Auswahlmoumlglichkeiten vorgeschlagen aus de-nen sie sich fuumlr eine Alternative entscheiden Durch die vorgeschlagenen Alternativen stehen auch die nicht gewaumlhlten Alternativen zur Verfuumlgung Diese Daten koumlnnen dann zu einer Modellschaumltzung fuumlr die kombinierte Ziel- und Verkehrsmittelwahl verwendet werden (Kagerbauer und Heilig 2013 Heilig et al 2017b)

Modellierung

Die beschriebenen Datengrundlagen aus den an Elektromobilitaumltsanforderungen angepassten Erhe-bungen erlauben es statistische Modelle zu schaumltzen die in die Verkehrsnachfragemodellierung inte-griert werden koumlnnen Die Abbildung von Ladevorgaumlngen und den Ladezustand der E-Fahrzeuge setzt voraus dass die Fahrzeuge einzeln betrachtet und deren Eigenschaften individuell veraumlndert werden koumlnnen Hier bietet sich die Umsetzung der Nachfragemodellierung in einer agentenbasierten Simula-tion an die in diesen Ausfuumlhrungen am Beispiel der am KIT-IfV entwickelten Software mobiTopp dar-gestellt wird In agentenbasierten Modellen werden Personen als Agenten die diese repraumlsentieren abgebildet Die Agenten haben Eigenschaften (zB Alter Geschlecht Erwerbsstatus) und weitere Charakteristika (z B Zeitkarte fuumlr OumlV oder Pkw-Besitz) Zur Abbildung der Elektromobilitaumlt und der Integration von Reich-weiten und Fahrzeugeigenschaften werden die Fahrzeuge ebenfalls als Agenten (Fahrzeug-Agenten) modelliert Die Fahrzeug-Agenten sind Personen bzw Haushalten zugeordnet und haben ebenfalls Ei-genschaften (Antriebsart oder Reichweite) Diese Eigenschaften werden in der Simulation der Wege hinsichtlich der Verfuumlgbarkeit fuumlr bestimmte Einsatzbereiche beruumlcksichtigt und fortgeschrieben Das

5 Stated-Preference-Befragungen (SP-Befragungen) sind Befragungen in hypothetischen Maumlrkten bzw Situationen

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bedeutet wenn mit einem Elektro-Fahrzeug eine bestimmte Strecke zuruumlckgelegt wird reduziert sich dementsprechend die Reichweite Das Verkehrsnachfrageverhalten der Personen-Agenten liegt den Bewegungen der Fahrzeug-Agenten zu Grunde Die Zuordnung der E-Fahrzeuge zu Haushalten erfolgt in mobiTopp mit Hilfe eines Logit-Modells basierend auf Erhebungs- bzw Statistikdaten zum Besitz oder kuumlnftigen Besitzquoten der Fahrzeuge bzw- E-Fahrzeuge Somit koumlnnen auch in Prognosen Wir-kungen kuumlnftiger Durchdringungsquoten mit Elektromobilitaumlt berechnet werden Abb 6 zeigt beispiel-haft das Ergebnis einer Modellierung des E-Fahrzeugbesitzes in der Region Stuttgart fuumlr das Jahr 2030 Zudem unterscheidet mobiTopp verschiedene Fahrzeugtypen derzeit werden meist drei Klassen (klein mittel und groszlig) verwendet die in den Fahrzeugeigenschaften z B hinsichtlich Batteriekapazi-taumlt und Reichweite variieren koumlnnen

Abb 6 Verteilung der E-Fahrzeuge in der Region Stuttgart 2030 Quelle Projekt eVerkehrsraum Stuttgart

Um bei den Fahrzeug-Agenten mit Elektroantrieb die gesamten Ladevorgaumlnge zu modellieren werden neben der Entladung durch Fahrleistung auch die Ladevorgaumlnge der Fahrzeuge integriert Zu diesem Zweck wird die Ladeinfrastruktur (LIS) in Form von Ladeorten mit Ladepunkten abgebildet (Gnann et al 2017) Die Ladepunkte sind die eigentlichen Lademoumlglichkeiten Es koumlnnen mehrere Ladepunkte an einem Ladeort sein Die Ladepunkte haben ebenfalls Eigenschaften wie beispielsweise die Ladeleis-tung Somit ist es moumlglich sowohl Normal-LIS als auch Schnellladeinfrastrukturen (vgl Definition) zu beruumlcksichtigen (Soylu et al 2018a) Die Ladepunkte werden entweder nach aktuellen Gegebenheiten oder kuumlnftigen Ausbauszenarien im Raum angeordnet und in das Modell integriert Sofern sich ein E-Fahrzeug-Agent in der Simulation in der Naumlhe eines Ladeortes befindet dieser nicht durch andere E-Fahrzeug-Agenten belegt ist und die Ladestrategie des E-Fahrzeugs einen Ladevorgang ermoumlglichtbe-noumltigt kann das E-Fahrzeug geladen werden Dabei wird die Ladeleistung der LIS der aktuelle SOC des Fahrzeugs und die Akkukapazitaumlt sowie die Standzeit der E-Fahrzeuge beruumlcksichtigt Durch die minu-tenfeinen Simulationsschritte in mobiTopp koumlnnen alle Ladevorgaumlnge und Ladestaumlnde der Fahrzeuge aber auch der Energiebedarf der LIS ermittelt werden

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Da die meisten taumlglichen Fahrtweiten mit konventionellen Fahrzeugen aber auch mit E-Fahrzeugen unter der Reichweite der E-Fahrzeuge liegen (vgl Abb 5) ist es analog zur Erhebung sinnvoll bzw notwendig in der Modellierung einen laumlngeren Zeitraum zu betrachten um Ladevorgaumlnge und Lade-bedarf auf mikroskopischer Basis abzubilden Nur so ist es moumlglich reale Fahrtweiten und Fahrleistun-gen mit der LIS in Bezug zu setzen da oft wegen geringer Fahrleistung uumlber mehrere Tage nicht gela-den werden muss und Ladestrategien erst uumlber einen laumlngeren Zeitraum abgebildet werden koumlnnen Da mit zunehmendem Simulationszeitraum auch die Anforderungen an Hardware Speicherplatz und Berechnungsdauer steigen ist hier ein sinnvoller Zeitraum zu waumlhlen der lang genug ist um Ladevor-gaumlnge zu erfassen und kurz genug ist um nicht zu hohe Anforderungen an die Simulationsrahmenbe-dingungen zu erzeugen Es hat sich gezeigt dass der Simulationszeitraum von einer Woche ausreicht um beiden Forderungen gerecht zu werden Fast alle E-Fahrzeuge in einer Simulation innerhalb einer Woche laden mindestens einmal und die Rechenzeiten und Speicherbedarfe sind akzeptabel Abb 7 zeigt als Beispiel den aktuellen Ladebedarf auf Grund von Ladevorgaumlngen der E-Fahrzeuge zu einem bestimmten Zeitpunkt (Montag um 828 Uhr) in der Region Stuttgart auf Verkehrszellenbasis Je groumlszliger die blauen Kreise desto houmlher ist der Energiebedarf in der Zelle

Abb 7 Lademenge je Ladeort in der Region Stuttgart Quelle Projekt eVerkehrsraum Stuttgart (Kagerbauer und Heilig 2013)

Grundlage zur Abbildung der Ladevorgaumlnge sind die modellierten Wege der Personen-Agenten E-Fahr-zeuge dienen wie andere Verkehrsmittel dazu Personen-Agenten von einer Quelle zu einem Zielort fuumlr eine Aktivitaumlt fortzubewegen (Wegezweck) Auf Basis von Aktivitaumltsbeduumlrfnissen der Personen-Agenten und der Attraktivitaumlt zur Befriedigung dieser Beduumlrfnisse am Zielort werden die Relation des Weges (von wo nach wo) und die verwendeten Verkehrsmittel bestimmt Insbesondere wenn die Reichweitenrestriktionen am Beginn der technischen Entwicklung noch groszlig sind ist in der Elektromo-bilitaumlt die Beruumlcksichtigung der Reichweiten von E-Fahrzeugen notwendig Daher ist es sinnvoll eine

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Ziel- und Verkehrsmittelwahl kombiniert durchzufuumlhren da Reichweitenrestriktionen bei einem Ver-kehrsmittel die Ziele beeinflussen koumlnnen oder Ziele die Wahl von Verkehrsmitteln (beispielsweise wird im Choice-Set der Verkehrsmittel kein E-Fahrzeug mehr ausgewaumlhlt wenn mit der aktuellen Rest-reichweite das Ziel nicht mehr erreicht werden kann) Abb 8 zeigt den Ablauf einer Schaumltzung eines kombinierten Ziel- und Verkehrsmittelwahlmodells auf Basis einer SP- und RP-Befragung (Ortuacutezar und Willumsen 2011) die im Projekt eVerkehrsraum Stuttgart durchgefuumlhrt wurde (Kagerbauer und Heilig 2013) Mit einem Nested-Logit-Modell wird eine kombinierte Ziel- und Verkehrsmittelwahl je Zielzelle und Verkehrsmittel erstellt Zuerst werden in Ebene 1 die Parameter der Nutzenfunktion der Verkehrs-mittel geschaumltzt Zur kombinierten Schaumltzung dient ein Nested-Logit-Modell in der Ebene Z Dabei sind die Verkehrsmittel jeweils ein eigenes Nest Datengrundlage kann dabei die RP- oder SP-Befragung sein Danach werden die Parameter fuumlr die Zielwahl geschaumltzt indem im Nested-Logit-Modell die Log-Summe der Nutzen aus Ebene 1 bei der Schaumltzung der Parameter der Ebene 2 beruumlcksichtigt wird In der Nutzenfunktion der Zielwahl sind die Anzahl der Gelegenheiten die Anzahl der Ladestationen die Zeit und die Entfernung der jeweiligen Zielzelle enthalten um diese in die Modelle integrieren und abbilden zu koumlnnen Im Modell (unterer Teil der Grafik) wird dann die so ermittelte Nutzenfunktion mit den geschaumltzten Parametern angewendet Somit koumlnnen bei nicht ausreichenden Restreichweiten nur relevante Entscheidungsmoumlglichkeiten beruumlcksichtigt werden so dass nur erreichbare Ziele und nutzbare Verkehrsmittel in den Wahlentscheidungen enthalten sind Es ist moumlglich bei Restreichwei-tenrestriktionen die Wahl von naumlheren Zielen oder anderen Verkehrsmitteln in einem Modellschritt zu beruumlcksichtigen

Abb 8 Beispiel fuumlr ein kombiniertes Ziel- und Verkehrsmittelwahlmodell Quelle Projekt eVerkehrsraum Stuttgart (Kager-bauer und Heilig 2013)

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Mit diesem Vorgehen koumlnnen sowohl moumlgliche Veraumlnderungen durch Elektromobilitaumlt im Verkehrs-verhalten abgebildet (Heilig et al 2017a) als auch die vorhandene oder benoumltigte Ladeinfrastruktur bewertet werden (Heilig et al 2018)

Schlussfolgerung Die Integration von Elektromobilitaumlt in die Verkehrsplanung und im Speziellen in Verkehrserhebungen und Verkehrsnachfragemodellierung kann mit einigen Anpassungen und der Verwendung von Model-len die auf Agentenebene fuumlr Personen und Fahrzeuge arbeiten gut durchgefuumlhrt werden Besonde-res Augenmerk ist auf die Abbildung der Charakteristika der Nutzenden oder Besitzenden von elektrisch betriebenen Fahrzeugen die Eigenschaften der Elektrofahrzeuge vor allem hinsichtlich Reichweite und die zusaumltzliche Beruumlcksichtigung der Ladevorgaumlnge bzw Ladeinfrastruktur zu legen Die Wechselwirkungen zwischen Ziel- und Verkehrsmittelwahl sowie Reichweiten der Fahrzeuge koumln-nen in der Verkehrsnachfragemodellierung mit kombinierten Ziel- und Verkehrsmittelwahlmodellen abgebildet werden Zur sinnvollen Abbildung der Ladevorgaumlnge sollten laumlngere Erhebungs- und Mo-dellierungszeitraumlume angesetzt werden um Variationen im Verkehrsverhalten und Ladestrategien er-fassen zu koumlnnen Diese sollten mindestens eine Woche betragen ndash besser noch laumlnger Im Vergleich zu Tankvorgaumlngen mit konventionellen Fahrzeugen die aufgrund der kurzen Dauer oft nicht oder nur mit einer kurzen Einkaufsaktivitaumlt zum Zwecke des Tankens abgebildet werden setzt das Laden voraus dass die Ladevorgaumlnge waumlhrend einer Aktivitaumlt der Personen durchgefuumlhrt werden und sonst keinen weiteren Einschraumlnkungen unterliegt so dass diese Ladevorgaumlnge nicht explizit in den Aktivitaumltenplaumlnen der Agenten hinterlegt werden muumlssen Allerdings ist es notwendig die Verfuumlg-barkeiten der Ladeinfrastrukturen mit zu betrachten Zu uumlberlegen waumlre ob bei Schnellladevorgaumlngen die je nach Ladebedarf in der Groumlszligenordnung von 5 bis ca 20 Minuten liegen eine zusaumltzliche Aktivitaumlt bdquoLadenldquo in die Aktivitaumltenplaumlne der Personen-Agenten zu integrieren ist Theoretisch ist das moumlglich allerdings ist dies vor dem Hintergrund des Aufwands der Integration und des Nutzens zu entscheiden Da diese Schnellladevorgaumlnge meist fuumlr Langstreckenfahrten noumltig waumlren kann angenommen werden dass der Ladeprozess einer kurzen Pause innerhalb einer Langstrecke entspricht und die Wirkungen auf das Verkehrsverhalten vernachlaumlssigbar sind Fuumlr eine detaillierte und (minuten-)genaue Abbildung des Energiebedarfs aufgrund von Elektromobili-taumlt ist es in der Regel notwendig genaue Modelle zu haben um Prognosen erstellen zu koumlnnen Zur Bewertung und Abschaumltzung der LIS auf einer abstrakteren Ebene ist es auch moumlglich nicht detailliert die Verkehrsnachfrage zu modellieren sondern Abschaumltzungen anhand von Mittelwerten und Vertei-lung der Fahrzeugnutzung und Quelle-Ziel-Relationen sowie der Struktur des Planungsraums durchzu-fuumlhren Moumlgliche Ansaumltze sind der Literatur zu entnehmen (Soylu et al 2018a Ploumltz et al 2016 Soylu et al 2018b)

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Ansaumltze fuumlr die Mobilitaumlts- und Energiewende im staumldtischen Guumlterver-kehr

Bert Leerkamp (1)

DOI 10347261028

(1) Prof Dr-Ing Leiter des Lehr- und Forschungsgebietes Guumlterverkehrsplanung und Transportlogistik Bergische Universitaumlt Wuppertal Fakultaumlt fuumlr Architektur und Bauingenieurwesen

Abstract

Derzeit verfolgte Buumlndelungsstrategien im staumldtischen Wirtschaftsverkehr schoumlpfen das Potenzial ei-ner gebietsbezogenen Fahrleistungseinsparung und der damit verbundenen Reduktion negativer Um-weltwirkungen nicht aus Die aktive Mitwirkung des Handels und der privaten Endverbraucher kann eine weitgehende gebietsbezogene Buumlndelung von KEP- und Stuumlckgutsendungen bewirken Das ko-operative Logistikkonzept ABC Incharge in Duumlsseldorf zeigt beispielhaft dass ein solcher Ansatz unter den derzeitigen Rahmenbedingungen wirtschaftlich tragfaumlhig sein kann Den Kommunen stehen dem-gegenuumlber nur wenige Instrumente zur Verfuumlgung um Buumlndelungskonzepte zu initiieren Von starken Markteingriffen durch die Vergabe von Gebietskonzessionen in Anlehnung an die Abfallwirtschaft wird dennoch abgeraten Die Beschleunigung der Energiewende im staumldtischen Guumlterverkehr wird damit umso dringlicher Die Kommunen sollten Niedrig- und Nullemissionszonen planen und mit angemes-sener Vorlaufzeit umsetzen um die Flottenerneuerung im Nutzfahrzeugsektor zu forcieren Ein ausrei-chendes Logistikflaumlchenangebot in den Kernstaumldten ist ein Beitrag um gebietsbezogene Buumlndelung wirtschaftlich zu ermoumlglichen und steigenden Reichweitenanforderungen der Lieferfahrzeuge zu be-gegnen Komplementaumlr dazu muss das kommunale Mittelspannungsstromnetz schnell ausgebaut werden Current Sustainable Urban Logistic Plans (SULP) focus on reorganising last mile delivery by using micro depots and cargo bikes Consolidation ist a key for successful concepts both in economic and ecologic terms Local planning authorities often focus on area-based consolidation for the inner city and densely populated urban areas while logistic service providers (LSP) focus on optimising delivery in their indi-vidual catchment area While only few governmental instruments are available to force area-based consolidation strategies cooperation between LSP and local commerce is an option to generate sub-stantial effects on reduction of distance driven emissions and retention time of light and heavy trucks in the inner city An ongoing project in Duumlsseldorf shows how the segments general cargo and parcel (CEP) can be consolidated Zero Emission Zones and comparable measures can support cooperation between the economic agents

Schluumlsselbegriffe

Letzte Meile gebietsbezogene Buumlndelung Stadtlogistik KEP Stuumlckgut Leerkamp B (2021) Ansaumltze fuumlr die Mobilitaumlts- und Energiewende im staumldtischen Guumlterverkehr In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S99-109

Leerkamp (2021) Ansaumltze fuumlr die Mobilitaumlts- und Energiewende im staumldtischen Guumlterverkehr DOI 10347261028

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Inhalt Ausgangslage 101

Herausforderungen fuumlr eine gebietsbezogene Buumlndelung 101

Ansaumltze einer gebietsbezogenen Buumlndelung im Bereich der Einzelhandels- und Endkundenversorgung 103

Beispiele fuumlr sektorale gebietsbezogene Buumlndelung (KEP-Logistik) 103

Beispiel fuumlr sektorale kooperative gebietsbezogene Buumlndelung (Stuumlckgutlogistik) 103

Beispiel fuumlr kooperative gebietsbezogene Buumlndelung (Integration von KEP- und Stuumlckgut) 104

Gebietsspediteur Ansatz fuumlr eine regulatorische Gestaltung 105

Initiierung gebietsbezogener Buumlndelungskonzepte durch die Kommunen 105

Steuerung der Energiewende im staumldtischen Lieferverkehr 107

Sicherung von Logistikflaumlchen in der Stadt als Voraussetzung fuumlr Buumlndelung 108

Literatur 109

Leerkamp (2021) Ansaumltze fuumlr die Mobilitaumlts- und Energiewende im staumldtischen Guumlterverkehr DOI 10347261028

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Ausgangslage

Der Guumlterverkehr in der Stadt findet nach zahlreichen gescheiterten Versuchen einer zielorientierten Beeinflussung durch die Raum- und Verkehrsplanung in den 1990er bis 2000er Jahren wieder starke Beachtung Zahlreiche aktuelle Forschungs- und Demonstrationsvorhaben in den D-A-CH-Laumlndern1 be-fassen sich insbesondere mit dem Straszligenguumlterverkehr auf der bdquoletzten Meileldquo Die stark zunehmen-den Kurier- Express- und Paketdienste (KEP) stehen dabei oft im Fokus Die Zunahme des Online-Han-dels waumlhrend der andauernden Corona-Pandemie hat sowohl das Paketaufkommen als auch die oumlf-fentliche Wahrnehmung und den damit verbundenen Lieferverkehr nochmals erhoumlht (vgl BIEK 2020 Handelsverband Oumlsterreich 2020 LeimstollWoumllfe 2020) Herausforderungen einer zielorientierten Gestaltung des staumldtischen Guumlterverkehrs sind aus kommu-naler Sicht Laumlrm- und Luftschadstoffemissionen Verkehrssicherheitsdefizite und Nutzungskonflikte im oumlffentlichen Straszligenraum Aus unternehmerischer Sicht stehen die Kosten und die Servicequalitaumlt der Logistikdienstleistungen im Vordergrund Der vorliegende Beitrag greift die gebietsbezogene Buumlnde-lung als zentralen Optimierungsansatz auf und diskutiert moumlgliche Loumlsungen Anschlieszligend wird kurz auf die Foumlrderung der Energiewende im staumldtischen Guumlterverkehr eingegangen

Herausforderungen fuumlr eine gebietsbezogene Buumlndelung

Kommunale Verkehrsentwicklungsplaumlne Wirtschaftsverkehrskonzepte Green City Plans Luftreinhal-teplaumlne und aumlhnliche Planwerke2 zielen darauf ab die Emissionen des Ver- und Entsorgungsverkehrs in der Stadt zu reduzieren bestehende Konflikte zwischen den Anspruumlchen an die Nutzung des oumlffent-lichen Raumes zu loumlsen und technische Innovationen fuumlr eine Verbesserung der Stadtvertraumlglichkeit Sicherheit und Effizienz der logistischen Prozesse zu nutzen Die Handlungskonzepte konzentrieren sich teilweise auf die Umstellung auf lokal emissionsfreie Antriebe im staumldtischen Lieferverkehr (Bei-trag zur sogenannten bdquoEnergiewende im Verkehrldquo3) Teilweise soll daruumlber hinausgehend eine bdquoMobi-litaumltswendeldquo erreicht werden welche durch die Einsparung von Fahrleistungen und Praumlsenzzeiten des motorisierten Lieferverkehrs in der (inneren) Stadt gekennzeichnet ist4 Dann stehen gebietsbezogene Buumlndelungsstrategien im Zentrum der Handlungsansaumltze Sie erfordern die Veraumlnderung logistischer Prozesse und damit ein aktives Mitwirken der Wirtschaftsakteure Die Herausforderung besteht darin mit den Instrumenten die im originaumlren Zustaumlndigkeitsbereich der Kommunen liegen das bdquoSystem Stadtlogistikldquo so anzuregen dass die Wirtschaftsakteure Loumlsungen finden und umsetzen welche Fahr-leistungen von Nutzfahrzeugen gebietsbezogen reduzieren und so zur Bewaumlltigung straszligenraumlumlicher Konflikte und umweltbezogener Unvertraumlglichkeiten beitragen In der Regel 0+ werden die bdquoInnen-stadtldquo oder bdquoKernstadtldquo mit ihrem Einzelhandelszentrum und den umliegenden gemischt genutzten Buumlro- und Wohngebieten sowie zum Teil die Stadtteilzentren als Planungsraumlume fuumlr die Stadtlogistik deklariert Aus kommunaler Sicht ist dies begruumlndet weil hohe Nutzungsdichten oft enge Straszligen-raumlume ein hoher Parkdruck und hohe Gestaltungsanspruumlche an den oumlffentlichen Raum Konflikte aus-loumlsen sodass Nutzungsbeschraumlnkungen grundsaumltzlich mit den Regelungen des Verkehrs- und Umwelt-rechts gerechtfertigt werden koumlnnen Dazu zaumlhlen u a zeitliche Beschraumlnkungen der Zufahrt zu Ge-

1 D-A-CH-Laumlnder Deutschland Oumlsterreich und Schweiz 2 Fuumlr eine aktuelle Zusammenstellung und Beispiele siehe Aichinger et al 2020 3 Ein aktuelles Beispiel ist das Elektromobilitaumltskonzept fuumlr die Stadt Wuppertal (Kirsch et al 2019) 4 Aktuelle Beispiele sind das bdquoGuumlterverkehrskonzept fuumlr den Kanton Basel-Stadtldquo (Holthaus et al 2016) sowie das zzt noch

in Bearbeitung befindliche bdquoGuumlterkehrs- und Logistikkonzept fuumlr die Stadt Zuumlrichldquo (Leerkamp et al 2020)

Leerkamp (2021) Ansaumltze fuumlr die Mobilitaumlts- und Energiewende im staumldtischen Guumlterverkehr DOI 10347261028

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schaumlften in Fuszliggaumlngerzonen (Lieferzeitfenster) Beschraumlnkungen des zulaumlssigen Gesamtgewichtes o-der Emissionsbeschraumlnkungen5 Folgerichtig zielen Stadtlogistikkonzepte auf eine gebietsbezogene Buumlndelung von Guumlterstroumlmen zwecks Reduzierung von Fahrzeugstroumlmen ab Die Tourenplanung der Logistikdienstleister ist demgegenuumlber auf den durch die Depotstandorte defi-nierten Distributionsraum und hier auf eine Optimierung der Fahrzeugeinsatzzeiten und der Fahrleis-tungen unter Einhaltung vielfaumlltiger Restriktionen und logistischer Serviceanforderungen bei geringst-moumlglichen Kosten ausgerichtet Zu den Restriktionen gehoumlren u a Lieferzeitfenster in Fuszliggaumlngerbe-reichen die es erfordern mit mehreren Fahrzeugen gleichzeitig in das Zustellgebiet hineinzufahren um alle Ziele innerhalb des vorgegebenen Zeitfensters zu erreichen Anschlieszligend wird die Ausliefe-rung in nicht zufahrtbeschraumlnkten Bereichen fortgesetzt Im Ergebnis ist die Tourenplanung zwar res-sourceneffizient aber nutzt die auf die Innenstadt bezogenen Buumlndelungspotenziale nicht aus und er-zeugt dort bdquounnoumltigen Verkehrldquo Terminsendungen mit festem Zustellzeitpunkt Stoumlrungen des Ver-kehrsablaufes auf dem Weg in das Zustellgebiet Innenstadt fehlende Abstellmoumlglichkeiten fuumlr die Lie-ferfahrzeuge im Straszligenraum und ein hoher Anteil persoumlnlicher Zustellungen (verbunden mit Fehlver-suchen und Mehrfachanfahrten) reduzieren die Effizienz des Fahrzeug- und Personaleinsatzes Sie sind komplementaumlre Ausgangspunkte fuumlr umfassende Loumlsungsansaumltze ersetzen aber nicht die Strategie der gebietsbezogenen Buumlndelung Als kontraproduktiv erweist sich in diesem Zusammenhang die Veraumlnderung der logistischen Standort-strukturen fuumlr die Versorgung der Staumldte Unter dem Begriff bdquoLogistics Sprawlldquo (siehe FaumlmigHesse 2011) werden Tendenzen zur Verlagerung von Logistikknoten aus der inneren Stadt in den aumluszligeren Bereich der Verdichtungsraumlume subsummiert Tedesco (Tedesco 2020) analysiert fuumlr den Groszligraum Zuumlrich dass insbesondere Lagerstandorte zwischen 1995 und 2012 dieser Verlagerungstendenz unter-lagen Aktuell kann in einigen Groszligstaumldten beobachtet werden dass Wohnbauflaumlchen fehlen um den Zuzug in die Staumldte aufzufangen Hinzu kommt die Flaumlchenkonkurrenz durch das Buumlrogewerbe sodass es zu einer neuen Herausforderung der Stadtentwicklung wird die fuumlr die Versorgung der Stadt benouml-tigten Umschlag- und Lagerflaumlchen in der bdquoinnerenldquo Stadt planungsrechtlich zu sichern und eine zweck-entsprechende Nutzung zu gewaumlhrleisten Das ist eine wesentliche Voraussetzung fuumlr die Buumlndelung von Guumlterstroumlmen zur Auslieferung auf der bdquoletzten Meileldquo und damit verbundene Kooperationen zwi-schen den an der Lieferkette beteiligten Logistikern Wird diese letzte Meile laumlnger

bull so sinkt der wirtschaftliche Nutzen des zusaumltzlichen Umschlags weil Kooperation dann sinnvoll ist wenn spezialisierte Dienstleister im Auslieferungsverkehr mittels besonders geeigneter Fahrzeuge und Fachpersonal mit guter Ortskenntnis effizienter arbeiten koumln-nen und

bull diese Fahrzeuge bei laumlnger werdenden Fahrtstrecken zwischen Umschlagpunkt und City nicht allein fuumlr den Zustellprozess optimiert werden koumlnnen (dies gilt insbesondere fuumlr den Lastenradeinsatz)

Der Einzelhandel in den Innenstaumldten muss zudem im Wettbewerb mit dem Online-Handel neuen Ser-viceanforderungen seiner Kunden gerecht werden Dazu gehoumlrt insbesondere eine sehr hohe Verfuumlg-barkeit eines sehr breiten Warenangebotes und eine sehr kurzfristige Bereitstellung der nachgefragten Waren im Ladengeschaumlft oder beim Kunden zuhause Im Wareneingang des Einzelhandels nehmen daher die Anzahl der Sendungen und der unterschiedlichen Zusteller zu waumlhrend die Sendungsgroumlszligen 5 In Deutschland ist dies die sog bdquoUmweltzoneldquo die die zulaumlssigen Schadstoffemissionen von Fahrzeugen in abgrenzbaren

Gebieten regelt und derzeit vier Schadstoffklassen unterscheidet (bdquokeineldquo rot gelb gruumln) Eine Verschaumlrfung der Emissi-onsgrenzen wird in Deutschland diskutiert (bdquoblaue Plaketteldquo) um die kuumlnftige Wirksamkeit von Umweltzonen angesichts fortschreitender Antriebstechnik zu gewaumlhrleisten

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sinken Durch Lieferzeitfenster beschraumlnkte Warenannahmezeiten werden als Wettbewerbsnachteil betrachtet waumlhrend gleichzeitig die Zustellung vor der Ladenoumlffnung meist abgelehnt wird In der Folge steigen die Zustellfrequenz und der Logistikaufwand beim Einzelhandel (Annahme Kontrolle Auspacken Regalpflege Ruumlckfuumlhrung von Verpackung) also Aufgaben die parallel zur Kundenbera-tung bewaumlltigt werden muumlssen Gebietsbezogene bzw auf ein Ladengeschaumlft bezogene Buumlndelungs-ansaumltze erfordern daher eine Mitwirkung des Handels dessen zentrale Moumlglichkeit zur Einflussnahme die Bestimmung des Lieferziels ist

Ansaumltze einer gebietsbezogenen Buumlndelung im Bereich der Einzelhandels- und Endkundenversorgung

Die aktuell diskutierten und teilweise erprobten gebietsbezogenen Buumlndelungsansaumltze koumlnnen durch zwei Merkmale unterschieden werden

bull Beteiligte Logistiksektoren Wird im Konsumgutbereich nur die Stuumlckgutlogistik oder nur die Paket-Logistik betrachtet oder werden beide Logistiksektoren in der Buumlndelungsstra-tegie zusammengefuumlhrt

bull Kooperation Findet die gebietsbezogene Buumlndelung unternehmensintern statt oder gibt es eine Kooperation von Unternehmen

Beispiele fuumlr sektorale gebietsbezogene Buumlndelung (KEP-Logistik)

Gebietsbezogene Buumlndelungskonzepte im Sektor bdquoKEP-Logistikldquo werden derzeit nur als unternehmens-interne Loumlsungen umgesetzt Ein weithin bekanntes Beispiel ist der Einsatz von mobilen Umschlag-punkten in Form von Wechselbruumlcken am Rande eines Innenstadtgebietes in Hamburg durch die Firma UPS (vgl Beecken 2017) Aus dem am fruumlhen Morgen abgestellten Wechselbehaumllter der fuumlr die In-nenstadt vorkommissionierte Sendungen beinhaltet werden die Pakete im Tagesverlauf zu Fuszlig oder mit dem Lastenrad zugestellt Das Berliner Stadtlogistik-Projekt Komodo6 ist ebenfalls den sektoralen Loumlsungsansaumltzen ohne Kooperation zuzuordnen da die beteiligten KEP-Dienstleister auf einer von der Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft mbH (BEHALA) bereitgestellten Umschlagflaumlche nebenei-nander agieren jedoch weder in der Nutzung ihrer Umschlagflaumlchen noch in der Zustellung kooperie-ren Mit dem Lastenradeinsatz und der Zustellung zu Fuszlig wird eine ganztaumlgige Zustellung in Fuszliggaumlngerbe-reichen moumlglich Lastenraumlder erhalten gegebenenfalls Ausnahmegenehmigungen fuumlr die ansonsten auch fuumlr den Radverkehr gesperrten Bereiche Im Hinblick auf die Logistikkosten stehen dem zusaumltzli-chen Umschlag und der Beschaffung von Lastenraumldern Einsparungen im Betrieb von motorisierten Zu-stellfahrzeugen sowie die Moumlglichkeit des Einsatzes von Zustellpersonal ohne Berufskraftfahrerquali-fikation gegenuumlber

Beispiel fuumlr sektorale kooperative gebietsbezogene Buumlndelung (Stuumlckgutlogistik)

Kooperative Buumlndelungsstrategien im Logistiksektor bdquoStuumlckgutlogistikldquo wurden u a in Basel beobach-tet (Holthaus et al 2016) Durch die teilweise schwierige Erreichbarkeit baulich enger Altstadtquar-tiere und das resultierende Erfordernis sehr guter Ortskenntnis spezialisierter Fahrzeuge und geeig-neter Speditionsstandorte haben sich dort vier Logistiker herausgebildet welche die Innenstadt taumlglich mit Stuumlckguumltern versorgen Sie uumlbernehmen auf der bdquoletzten Meileldquo die Transportauftraumlge von Logis-tikern die nicht regelmaumlszligig Ziele in der Innenstadt ansteuern

6 Komodo bdquoKooperative Nutzung von Mikro-Depots durch die Kurier- Express- Paket-Branche fuumlr den nachhaltigen Einsatz

von Lastenraumldern in Berlinldquo (wwwkomodoberlin)

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Beispiel fuumlr kooperative gebietsbezogene Buumlndelung (Integration von KEP- und Stuumlckgut)

Eine rein unternehmerisch initiierte gebietsbezogene Buumlndelung die Stuumlckgut und KEP-Sendungen integriert wird aktuell in Duumlsseldorf betrieben Dort kooperieren rund 150 Einzelhandelsbetriebe und Buumlrostandorte in der Kernstadt (bdquoEmpfaumlngerldquo) mit dem Logistiker ABC-Logistik in dem Projekt ABC Incharge Die Empfaumlnger geben als Lieferadresse das Umschlaglager von ABC im nahe gelegenen Rheinhafen an Dort werden die von Stuumlckgut- und KEP-Logistikern angelieferten Sendungen fuumlr die teilnehmenden Einzelhandelsbetriebe und Buumlrostandorte neu kommissioniert Im Ergebnis wird jeder Empfaumlnger durch ein Fahrzeug von ABC Incharge gebuumlndelt angefahren anstatt durch mehrere unter-schiedliche Anlieferer (vgl Abb 1) Seit 2019 wird im Rahmen eines durch Mittel des Nationalen Rad-verkehrsplans (Foumlrdergeber deutsches Bundesministerium fuumlr Verkehr und digitale Infrastruktur BMVI) gefoumlrderten Vorhabens der Einsatz von Lastenraumldern getestet7 Neben der Reduzierung des Auf-wandes fuumlr die Warenannahme Eingangskontrolle etc koumlnnen die teilnehmenden Empfaumlnger zusaumltz-liche logistische Dienstleistungen im Bereich Warehousing in Anspruch nehmen und ihren Online-Han-del uumlber das ABC Incharge Lager abwickeln Sie tragen im Gegenzug die Kosten der gebuumlndelten Zu-stellung zu ihrem Ladengeschaumlft und gegebenenfalls fuumlr weitere logistische Dienstleistungen Online beim stationaumlren Haumlndler oder im Laden gekaufte Produkte werden am ABC Incharge Lager fuumlr den Kundenversand vorbereitet und zugestellt sodass der Transport in das Ladengeschaumlft und die Zustel-lung ab Ladengeschaumlft zum Kunden entfaumlllt Dadurch werden zusaumltzliche Fahrten in die bzw aus der Innenstadt eingespart und die Sendungen erreichen die Kunden schneller Neben der Buumlndelung von Sendungen an den Handel bedient das Incharge-Konzept mit demselben Prinzip auch die Paketzustel-lung zu privaten Endkunden die sich ihre Sendungen an ihren Arbeitsplatz schicken lassen moumlchten Kooperationspartner des Logistikers ist in diesem Falle der Arbeitgeber der seinen Beschaumlftigten die Zustellung privater Sendungen an die Arbeitsstelle ermoumlglicht

Abb 1 Prinzip-skizze der ge-bietsbezogenen Buumlndelung durch Kooperation zwi-schen Empfaumlnger und Logistiker Quelle Eigene Darstellung

7 Projekt LOOP bdquoLogistische Optimierung der Einzelhandelsbelieferungldquo Kooperationsvorhaben der Fa ABC Logistik und der

Bergischen Universitaumlt Wuppertal (laufend)

Leerkamp (2021) Ansaumltze fuumlr die Mobilitaumlts- und Energiewende im staumldtischen Guumlterverkehr DOI 10347261028

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Gebietsspediteur Ansatz fuumlr eine regulatorische Gestaltung

Das vielfach diskutierte aber nach Kenntnis des Autors bislang in der Stadtlogistik nicht erfolgreich umgesetzte Konzessionsmodell lehnt sich an die Regulierung der kommunalen Entsorgungswirtschaft an Ein oder mehrere Konzessionsnehmer erhalten das ausschlieszligliche Recht eine bestimmte logisti-sche Dienstleistung (hier Entsorgung von Hausabfaumlllen) in einem Gebiet zu erbringen Der Konzessi-onsgeber (Stadt) regelt stellvertretend fuumlr die Nutznieszliger (Haushalte) mit dem Leistungserbringer (Ab-fallwirtschaftsbetrieb) die zu erbringende Leistung (u a Haumlufigkeit der Leerung der Muumllltonnen) und den Preis Grundlage der Konzessionsvergabe kann eine Ausschreibung der Leistungen sein Die Uumlbertragung dieses Modells auf die Versorgung des Handels und der privaten Endverbraucher er-scheint auf den ersten Blick erfolgversprechend da aus dem Logistikmarkt heraus derzeit kaum wirk-same gebietsbezogene Buumlndelungskonzepte fuumlr Innenstaumldte entstehen Rechtlich erscheint das Mo-dell moumlglich wenngleich es einen erheblichen Eingriff in den Logistikmarkt darstellt Die Geschaumlftsmo-delle neuer technologischer Konzepte fuumlr die Versorgung der Staumldte mittels unterirdischer Foumlrdersys-teme8 implizieren offenbar ein derartiges ausschlieszligliches Recht der Versorgung von Innenstaumldten Die Erstellungs- Betriebs- und Unterhaltungskosten einer vollstaumlndig neu zu errichtenden unterirdischen Verteilinfrastruktur koumlnnten im Wettbewerb mit Logistiksystemen die auf eine weitgehend kosten-freie oberirdische Verkehrsinfrastruktur in den Staumldten zugreifen koumlnnen vermutlich nur schwer er-wirtschaftet werden Problematisch ist u a die mit dem Konzessionsmodell einhergehende vertragliche Festlegung der lo-gistischen Dienstleistung und die Kontrolle der Leistungserbringung durch den Konzessionsgeber Stadt Individuelle Loumlsungen die sich im Markt etabliert und bewaumlhrt haben wuumlrden durch generali-sierte Leistungen abgeloumlst und die Stadtverwaltung muumlsste die Aufgabe der Leistungskontrolle und gegebenenfalls Sanktionierung ausuumlben Dafuumlr fehlt den Kommunen zurzeit jede fachliche Grundlage Technische und organisatorische Innovationen die derzeit im Wettbewerb entwickelt und erprobt werden wuumlrden vermutlich in einem Konzessionsmodell unterbleiben

Initiierung gebietsbezogener Buumlndelungskonzepte durch die Kommunen Die Kommunen haben wie oben bereits erwaumlhnt nur ein sehr eingeschraumlnktes Repertoire regulatori-scher und infrastruktureller Instrumente um eine gebietsbezogene Buumlndelung von Warenstroumlmen an-zuregen Der direkte Eingriff in den Markt mittels Konzessionsvergabe erscheint zwar vordergruumlndig reizvoll ist jedoch nicht zu empfehlen Die Bereitstellung von kleinen Umschlag- und Lagerflaumlchen (Mikro-Depots) in hochverdichteten Innen-stadtlagen seitens der Stadt ist ein wichtiger Impuls fuumlr eine gebietsbezogene Buumlndelung in der KEP-Logistik Folgerichtig sind Investitionskosten fuumlr kooperativ genutzte Mikro-Depots Gegenstand oumlffent-licher Foumlrderprogramme geworden9 Um die weithin bestehende Flaumlchenknappheit in geeigneten La-gen10 zu uumlberwinden wird von Aichinger et al (2020) vorgeschlagen kleine Logistikflaumlchen fuumlr die In-nenstadtversorgung bauplanungsrechtlich als bdquoGemeinbedarfsflaumlche fuumlr Logistikldquo auszuweisen und dadurch dem Wettbewerb mit anderen Nutzungen zu entziehen Es fehlen aber noch Konzepte und Erfahrungen wie derartige Umschlagpunkte diskriminierungsfrei nutzbar gemacht werden koumlnnen Hier kommen Betreibermodelle mit wettbewerblicher Vergabe in Betracht

8 Z B Cargo sous terrain (Schweiz) oder Cargo Cab (Deutschland) 9 Vgl Foumlrderrichtlinie Staumldtische Logistik des deutschen BMVI vom 05072019 10 Siehe Nitsch L (2020) Flaumlchenanforderungen alternativer Zustellkonzepte fuumlr Pakete in Wohn- und Mischgebieten Ba-

chelor-Thesis am Lehrstuhl fuumlr Guumlterverkehrsplanung und Transportlogistik der Bergischen Universitaumlt Wuppertal Wupper-tal

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Das Buumlndelungspotenzial in der innerstaumldtischen Paketlogistik kann mit derartigen Infrastrukturanrei-zen jedoch nicht vollstaumlndig ausgeschoumlpft werden weil horizontale Kooperationen von der KEP-Lo-gistikbranche regelmaumlszligig abgelehnt werden Mehr als ein bdquoNebeneinanderldquo gleichartiger logistischer Prozesse uumlber den Knoten Mikro-Depot kann so kaum initiiert werden (siehe Beispiel Komodo in Ber-lin) In der Stuumlckgutlogistik ist Kooperation dagegen eine etablierte Handlungsstrategie Durch ambitio-nierte Grenzwerte fuumlr Luftschadstoffe und Laumlrm in sensiblen Kernstadtbereichen kann der Einsatz spe-zialisierter Fahrzeuge im Verteilverkehr (mit batterieelektrischem oder Hybridantrieb sowie besonde-rer Laumlrmminderung bei Antrieb Reifen und Ladeeinrichtungen) wirtschaftlich sinnvoll werden und die Energiewende im Nutzfahrzeugverkehr gefoumlrdert werden Als Nebeneffekt ist eine Zunahme der emp-faumlngerbezogenen Buumlndelung zu erwarten Einzelne Spediteure werden sich auf die Innenstadtbeliefe-rung spezialisieren und die entsprechenden Fahrzeuge vorhalten sodass sich am Markt Gebietsspedi-teure ausbilden ohne dass ein Eingriff seitens der Kommunen erforderlich waumlre Nahezu ausgeschoumlpft werden koumlnnen die gebietsbezogenen Buumlndelungspotenziale wenn die privaten und gewerblichen Empfaumlnger von KEP- und Stuumlckgutsendungen an der Reorganisation der staumldtischen Versorgung aktiv mitwirken Das erwaumlhnte Beispiel aus Duumlsseldorf zeigt dass derartige Loumlsungen heute bereits am Markt etabliert werden koumlnnen Im Rahmen einer transformativ ausgerichteten For-schung sollten die erforderlichen Rahmenbedingungen weiter erkundet werden um das derzeit noch wesentliche Hemmnis fuumlr eine aktive Beteiligung des Handels ndash die heute uumlbliche bdquoFrei-Haus-Zustel-lungldquo ndash auszuraumlumen11 Die fehlende Kostentransparenz ist auch ein wesentliches Hemmnis fuumlr die aktive Mitwirkung privater Endverbraucher an der gebietsbezogenen Sendungsbuumlndelung Die Kosten der Zustellung an die Haus-tuumlr werden bei Online-Geschaumlften entweder nicht ausgewiesen oder sind unabhaumlngig vom Zustellort (Haustuumlr oder PaketshopPaketstation) Auszligerdem fehlt den Konsumenten meist die Moumlglichkeit durch die Auswahl eines KEP-Logistikers bei der Bestellung auf die Buumlndelung einzuwirken Die Kommunen haben keine direkte Einwirkungsmoumlglichkeit auf diese Preisgestaltung Sie koumlnnen mit Pull-Maszlignahmen steuern indem sie in den Wohngebieten und Geschaumlftszentren an gut zugaumlnglichen und stark frequentierten Punkten (u a OumlPNV-Knoten) den Bau von Paketstationen ermoumlglichen so-dass es fuumlr die Empfaumlnger bequemer wird ihre Sendungen dort abzuholen als zu riskieren zuhause nicht angetroffen zu werden Komplementaumlr weisen einige europaumlische Staumldte in ihren Innenstadtla-gen groumlszligere autoverkehrsfreie Bereiche aus in die der Lieferverkehr gegebenenfalls nur zeitlich be-grenzt einfahren darf Dadurch wird ebenfalls die Buumlndelung auf zentrale Zustellpunkte wie Mikro-Depots oder PaketshopsPaketstationen gefoumlrdert

11 Im Rahmen des o g NRVP-Vorhabens LOOP wird derzeit untersucht ob und ggf wie das Duumlsseldorfer Kooperationsmodell

von ABC Incharge auf Wuppertal uumlbertragen werden koumlnnte

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Steuerung der Energiewende im staumldtischen Lieferverkehr

Wenn die Einsparung von Verkehrsleistungen im staumldtischen Lieferverkehr weiterhin unter ihren the-oretischen Moumlglichkeiten bleibt weil die Potenziale einer gebietsbezogenen Sendungsbuumlndelung nicht ausgeschoumlpft werden (koumlnnen) dann erfaumlhrt die Energiewende eine entsprechend houmlhere Dringlich-keit Die Umstellung des Lieferverkehrs auf lokal emissionsfreie Fahrzeuge kommt aus Sicht des Autors allerdings langsamer voran als es moumlglich und geboten waumlre Die Ausweisung von kommunalen Niedrig- und Nullemissionszonen mit ausreichendem zeitlichen Vor-lauf (vgl Aichinger et al 2020) wuumlrde den im Lieferverkehr taumltigen Unternehmen Planungssicherheit fuumlr die Fahrzeugbeschaffung geben und die Fahrzeughersteller koumlnnten eine entsprechende Fahr-zeugnachfrage erwarten Als Hemmnis fuumlr ein solches Vorgehen wirkt in Deutschland die fehlende Rechtssicherheit Vorreiter-Kommunen die derartige Zonenkonzepte einfuumlhren wollten muumlssten der-zeit individuelle Loumlsungen fuumlr die Identifizierung und Kontrolle der einfahrtberechtigten Fahrzeuge er-arbeiten (bdquolokale blaue Plaketteldquo) Wesentlich sinnvoller waumlre eine Fortschreibung des bestehenden bundesgesetzlichen Rahmens der Umweltzonenregelung die ihre Lenkungswirkung verloren hat weil die aktuelle Fahrzeugflotte die Anforderungen fuumlr die sogenannte bdquogruumlne Plaketteldquo fast vollstaumlndig erfuumlllt In den Niederlanden hat die Staatsregierung einen solchen Rechtsrahmen inklusive der Beschil-derung zwischenzeitlich geschaffen (vgl Langenberg 2019) Eine Auswertung des Datensatzes der Erhebung bdquoKraftfahrzeugverkehr in Deutschland 2010ldquo (Wer-muth et al 2012) zeigt dass schon heute die meisten Touren im staumldtischen und regionalen Sammel- und Verteilverkehr durch batterieelektrisch betriebene Fahrzeuge bewaumlltigt werden koumlnnen In Abbil-dung 2 sind Tourlaumlngenverteilungen fuumlr die relevanten Fahrzeugsegmente dargestellt Rund 80 der Touren leichter Nutzfahrzeuge (LNF bis 35 t zulaumlssige Gesamtmasse) erfordern Reichweiten von max 120 km Schwere Nutzfahrzeuge (SNF) mit einer zulaumlssigen Gesamtmasse (zulGM) von 75 t bis 18 t werden auf Touren eingesetzt die zu 80 Reichweiten von bis zu rund 240-280 km erfordern12 Eine Gegenuumlberstellung der batterieelektrischen Reichweiten beispielhafter Nutzfahrzeuge (vgl Aichinger 2020 S 77) zeigt dass schon heute Fahrzeuge am Markt angeboten werden die uumlber maxi-male Reichweiten verfuumlgen um diese Anforderungen zu erfuumlllen Insbesondere die Nutzfahrzeugflotte der Klasse mit 35 t bis 75 t zulGM die in Deutschland ein mittleres Alter von 95 Jahren13 aufweist verspricht hohe Emissionsreduktionen durch den Wechsel auf batterieelektrisch betriebene Fahr-zeuge

12 Die daruumlberhinausgehenden Tourlaumlngen des Fahrzeugsegmentes bis 12 t zulGM sind wahrscheinlich mit der zum Erhe-

bungszeitpunkt guumlltigen Untergrenze des zulaumlssigen Gesamtgewichtes fuumlr die Mautpflicht im deutschen Autobahnnetz zu begruumlnden Dadurch wurden voruumlbergehend zahlreiche Nutzfahrzeuge mit 1199 t zulGM im Fernverkehr eingesetzt und erreichten entsprechend hohe Fahrtweiten

13 Eigene Berechnung auf Grundlage von KBA 2020

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Abb 2 Tourlaumlngenverteilung der relevanten Fahrzeugsegmente im Verteil- und Sammelverkehr (auszliger KEP-Fahrten) Daten-grundlage KiD 2010 eigene Auswertung Die kommunale Flaumlchennutzungsplanung und die Regionalplanung sollten trotz weiterhin erwartbarer Steigerungen der Leistungsfaumlhigkeit und der Reichweiten batterieelektrischer Antriebe darauf hinwir-ken dass Logistikflaumlchen fuumlr die Versorgung der Kernstaumldte nicht aus der Stadt verdraumlngt und dadurch die Fahrtweiten im Lieferverkehr weiter erhoumlht werden (siehe unten) Damit kann ein Beitrag dazu geleistet werden dass die technischen Anforderungen an die Elektrifizierung des staumldtischen Guumlter-verkehrs nicht weiter steigen Komplementaumlr muumlssen Gewerbegebiete an das Mittelspannungsnetz angeschlossen werden um die kuumlnftig steigende elektrische Leistungsaufnahme bei Ladevorgaumlngen zu bewaumlltigen Das von der Fahrzeugindustrie gegenuumlber Batteriewechselsystemen bevorzugte Schnell-laden stellt eine Herausforderung fuumlr die Netzsicherheit der kommunalen Verteilnetze dar

Sicherung von Logistikflaumlchen in der Stadt als Voraussetzung fuumlr Buumlndelung Logistiknutzungen sind im Wettbewerb um innerstaumldtische Grundstuumlcke gegenuumlber Wohnen und Buuml-ronutzungen in der Regel unterlegen weil sie nicht erwuumlnscht sind durch das oumlrtliche Baurecht aus-geschlossen werden oder weil sie die Grunderwerbskosten nicht wirtschaftlich tragen koumlnnen bdquoZur Versorgung der Stadt notwendigeldquo Logistikflaumlchen benoumltigen daher unter Umstaumlnden eine baurechtli-che Sicherung im Rahmen der Bauleitplanung Aichinger et al (2020) schlagen fuumlr das deutsche Bau-recht die Einfuumlhrung einer Gebietskategorie bdquoGemeinbedarfsflaumlche Logistikldquo vor Die schweizerische Staumldtekonferenz Mobilitaumlt empfiehlt eine obligatorische Logistikplanung fuumlr die Quartiersebene (Staumld-tekonferenz Mobilitaumlt 2019) Fuumlr die Nutzung als Mikro-Depot in der innerstaumldtischen Paketlogistik liegen Layout-Entwuumlrfe von kleinen Umschlagflaumlchen vor die die wesentlichen funktionalen und bau-lichen Merkmale detailliert beschreiben (IHK 2019) Beispiele fuumlr die Nutzung oumlffentlicher oder priva-ter aber oumlffentlich zugaumlnglicher Flaumlchen im Rahmen der innerstaumldtischen Logistik sind mittlerweile zahlreich vorhanden In Wien wird z B die temporaumlre Nutzung von Betriebsflaumlchen des oumlffentlichen Nahverkehrs erprobt um den Umschlag auf Lastenraumlder zu ermoumlglichen (siehe wwwremihubat)

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Neue Wege in der Energieraumplanung

Gernot Stoumlglehner (1)

DOI 10347261029

(1) UnivProf Dr Institut fuumlr Raumplanung Umweltplanung und Bodenordnung (IRUB) Department fuumlr Raum Landschaft und Architektur Universitaumlt fuumlr Bodenkultur (BOKU) Wien

Abstract

Die Energiewende zu schaffen ist nicht nur gesellschaftlicher Imperativ sondern auch eine Mammut-aufgabe die gemessen an der Groumlszlige der Aufgabe in relativ kurzer Zeit von sehr vielen Politikbereichen und Stakeholdern umzusetzen ist Daher ist eine strategische Herangehensweise bedeutend Wesent-liche Beitraumlge zur Strategiebildung und Strategieumsetzung kann Energieraumplanung leisten In die-sem Beitrag wird diskutiert worin strategische Aspekte der Energieraumplanung liegen in einer stra-tegischen Datenbasis fuumlr die Energiewende in einer Planungsmethodik zur Schaffung von raumlumlichen Voraussetzungen fuumlr Energieeffizienz und der Nutzung erneuerbarer Energien in institutionellen Rah-menbedingungen fuumlr eine gelingende Umsetzung und in der Unterstuumltzung von Sektorkopplung als wichtiges Element der Energiewende Da ein wesentlicher Teil von Strategiebildung gesellschaftliche Lernprozesse sind schlieszligt der Beitrag mit Uumlberlegungen zur Didaktik der Energieraumplanung und zeigt moumlgliche Beitraumlge der Energieraumplanung zur Energiewende auf

Schluumlsselbegriffe

Energieraumplanung Klimaschutz Energiewende Strategie Stoumlglehner G (2021) Neue Wege in der Energieraumplanung In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Ener-gieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S110-118

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Inhalt Ausgangslage 112

Strategie in der Energieraumplanung 113

Strategische Datenbasis 113

Planungsmethodik 114

Institutionelle Rahmenbedingungen 115

Sektorkopplung als neue Herausforderung fuumlr die Energieraumplanung 115

Didaktik der Energieraumplanung 116

Fazit 116

Literatur 117

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Ausgangslage

Die Energiewende ist aus Klimaschutzgruumlnden nicht nur zwingend umzusetzen sie ist auch mit erheb-lichen Herausforderungen verbunden Diese erwachsen nicht zuletzt aus der Raum- und Siedlungsent-wicklung und der damit verbundenen Mobilitaumlt Waumlhrend die Gesamttreibhausgasemissionen in Oumls-terreich seit 1990 dem Basisjahr des Kyoto-Protokolls leicht gestiegen sind (UBA 2019) und eine sub-stanzielle strukturelle Trendwende abseits von Konjunkturschwankungen nach wie vor nicht zu erken-nen ist ruumlckt der Zeitpunkt der Null-Emissionsziele schon recht nahe Ein wesentlicher Treiber sind raumlumliche Entwicklungen die damit verbundenen Bauten und Anlagen sowie die Art und Weise wie der Raum von Menschen und Unternehmen angeeignet wird Um die Groumlszlige des Problems zu verdeut-lichen wird auf die Baulandreserven in Oumlsterreich verwiesen Diese sind so hoch dass bei Erfuumlllung des 25-Hektar-Bodenschutzziels der Nachhaltigkeitsstrategie 2002 (BMLFUW 2002) und des aktuellen Regierungsprogramms (Die neue Volkspartei amp Die Gruumlnen 2020) ndash das bedeutet dass die taumlgliche zusaumltzliche Flaumlcheninanspruchnahme fuumlr Bauland und Infrastruktur von derzeit ca 13 ha (UBA 2002) auf 25 ha begrenzt werden soll ndash Baulandreserven bis 2100 vorhanden sind (Neugebauer 2020) Es duumlrfte daher in den naumlchsten 80 () Jahren kein Quadratmeter Bauland mehr gewidmet werden ohne an anderer Stelle ruumlckgewidmet zu werden Auch daran erkennt man dass aus Sicht der Raumplanung massive Eingriffe notwendig sein werden um Nachhaltigkeitsziele zu erfuumlllen Mit dieser Flaumlcheninan-spruchnahme geht ein Steigen des Energieverbrauchs einher der insbesondere in den Bereichen graue Energie Waumlrme und Mobilitaumlt auch Treibhausgaswirksamkeit entfaltet Es sind zwar die Treibhaus-gasemissionen im Gebaumludesektor trotz der regen Bautaumltigkeit ruumlcklaumlufig allerdings wird dies durch Zunahme der Treibhausgasemissionen im Verkehr (ca 72 plus seit 1990 dem Basisjahr des Kyoto-Protokolls) sodass seit 1990 die Treibhausgasemissionen insgesamt um knapp 5 gestiegen sind Vor diesem Hintergrund gewinnt Energieraumplanung als bdquojener integrale Bestandteil der Raumpla-nung der sich mit den raumlumlichen Dimensionen von Energieverbrauch und Energieversorgung umfas-send beschaumlftigtldquo (Stoumlglehner et al 2014 S 26) rasant an Bedeutung Die raumlumliche Dimension des Energieverbrauchs bedeutet im Wesentlichen energieeffiziente Raum- und Siedlungsstrukturen zu schaffen die sich durch Funktionsmischung maszligvolle Dichte Kompaktheit Innenentwicklung und die Beruumlcksichtigung von entsprechenden Lagekriterien und energetischen Aspekten wie Topographie und Exposition bei der Standortwahl auszeichnen Damit uumlberdeckt sich Energieraumplanung mit den Ge-staltungsprinzipien diverser Leitbilder einer nachhaltigen Raumentwicklung und wirkt auf den Energie-bedarf von Wirtschaft und Gesellschaft Die raumlumliche Dimension der Energieversorgung umfasst Be-darfsfragen nach Energieversorgungsanlagen (Energiegewinnung -verteilung und -speicherung) die Standortsicherung einschlieszliglich der Vermeidung von Nutzungskonflikten sowie die Ressourcensiche-rung Dies betrifft insbesondere die Freihaltung von zusammenhaumlngenden Landschaftsteilen fuumlr die Energiegewinnung z B Vorrangflaumlchen fuumlr Windkraftanlagen Energieeffiziente Raum- und Siedlungs-strukturen die gleichzeitig eine flaumlchensparende Bauland- und Infrastrukturentwicklung ermoumlglichen unterstuumltzen dieses Ziel Gleichzeitig koumlnnen leitungsgebundene Energieversorgungssysteme besser in diesen Strukturen betrieben werden da Funktionsmischung zur zeitlichen Vergleichmaumlszligigung des Be-darfs im Tagesverlauf und Dichte zu mehr Effizienz von Versorgungsanlagen fuumlhren (Stoeglehner et al 2016) Ergaumlnzung der Planungsziele und -grundsaumltze stufenweise Integration von raumlumlichen Energie- bzw Mobilitaumltskonzepten energieoptimierte und integrierte Flaumlchenwidmungs- und Bebauungsplanung Entwickeln und Anwenden von standardisierten Methoden zur Energieraumplanung Bodenpolitik und Baulandmobilisierung Energieplanung uumlbergeordneter Infrastruktur

Abb 1 Prioritaumlre Handlungsempfehlungen laut OumlROK-Partnerschaft (Auszug Stoumlglehner et al 2014)

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Die OumlREK-Partnerschaft Energieraumplanung I hat daher verschiedene Handlungsempfehlungen un-terbreitet um die raumlumlichen Dimensionen von Energieverbrauch und Energieversorgung in die Raum-planung zu integrieren (vgl Abb 1) Die derzeitig im Amt befindliche Bundesregierung hat in ihrem Regierungsuumlbereinkommen das Thema Energieraumplanung sowohl in Bezug auf den Klimaschutz als auch den Bodenschutz mit Blick auf eine zukunftsfaumlhige Raumordnung aufgenommen bdquoRaumplanerische Aspekte des Klimaschutzes sollen durch eine (auf den derzeit schon bestehenden Bundeskompetenzen basierende) gesetzliche Regelung zur Fachplanungskompetenz des Bundes geregelt werdenldquo (Die neue Volkspartei amp Die Gruumlnen 2020 S 74 104) Vor diesem Hintergrund widmet sich dieser Beitrag in weiterer Folge Moumlglichkeiten mit strategischen Zugaumlngen Energieraumplanung umzusetzen und diskutiert diese anhand von Beispielen aus der For-schung des Instituts fuumlr Raumplanung Umweltplanung und Bodenordnung der Universitaumlt fuumlr Boden-kultur Wien (IRUB)

Strategie in der Energieraumplanung Mit Strategie in der Raumplanung und damit auch in der Energieraumplanung ist grundsaumltzlich die Orientierung an Leitbildern Visionen und Zielen der Blick auf die Gesamtsicht und nicht auf die Details das Denken in Planungsvarianten sowohl in Bezug auf Ziele als auch die daraus abzuleitenden Maszlig-nahmen sowie die Organisation des Planungsprozesses als gesellschaftlicher Lernprozess (Stoumlglehner 2020a) Bezuumlglich der Auffassung von Planen als Lernprozess ist es interessant sich mit didaktischen Fragen zu beschaumlftigen Wird die Wissenstreppe (North et al 2016) dafuumlr herangezogen gilt es im Sinne eines strategischen Wissensmanagements Prozesse der Energieraumplanung so zu gestalten dass Planungsakteurinnen und -akteure aufbauend auf entsprechenden Daten und deren Vernetzung zu einem kompetenten d h zu einem wissensbasierten zielgerichteten und richtigem Handeln kom-men koumlnnen Dafuumlr sind (1) eine strategische Datenbasis (2) entsprechende Planungsmethoden und (3) institutionelle Rahmenbedingungen notwendig wie in weiterer Folge an zwei Beispielen erlaumlutert wird

Strategische Datenbasis

Eine strategische Datenbasis stellt eine wissenschaftlich pruumlfbare Sachebene im Planungsprozess dar Vielfach bestehen Wahrnehmungen auf der Sachebene die mit wissenschaftlich pruumlfbaren Sachver-halten nicht in Einklang zu bringen sind aber massiv handlungsleitend wirken Ein Beispiel waumlren ver-zerrte Wahrnehmungen des fossilen Energieanteils in der Energieversorgung Wenn Akteurinnen den fossilen Energieanteil unterschaumltzen koumlnnen sie notwendige Maszlignahmen als nicht relevant einstufen Diese Einschaumltzung kann selbst bei Akteuren die auf der Werteebene die Energiewende hoch gewich-ten dazu fuumlhren dass notwendige Maszlignahmen fuumlr die Energiewende nicht gesetzt werden (Erker et al 2017) Eine strategische Wissensbasis hilft hier Klarheit auf der Sachebene herzustellen indem nicht nur Basisdaten bereitgestellt werden sondern indem diese auch mit einer Datenanalyse (zur Kenn-zeichnung von Potentialen oder Restriktionen) verbunden werden Damit stellt eine strategische Da-tenbasis strategisch relevantes Wissen fruumlh im Planungsprozess zur Verfuumlgung sodass auch Lernen auf der Wertebene das Verhandeln von Interessen zwischen Akteurinnen und Akteuren sowie das Erken-nen von Planungsfolgen unterstuumltzt wird (Stoeglehner 2020b)

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Ein Beispiel fuumlr eine derartige strategische Datenbasis waumlre das Energiemosaik Oumlsterreich (wwwener-giemosaikat Abart-Heriszt et al 2020) Hier werden Energie- und Treibhausgasbilanzen frei verfuumlgbar im Netz bereitgestellt sodass ein faktenbasierter Einstieg in das Energiethema erleichtert wird So kann die Zielformulierung und das Identifizieren von Handlungsfeldern fuumlr kommunale und regionale Energiestrategien unterstuumltzt werden Einen Schritt weiter geht die Datenbasis fuumlr die Energieraumplanung in der Steiermark die in ein ent-sprechendes Gesamtkonzept eingebunden ist Die Datenbasis besteht zum einen aus Informationen die dem Energiemosaik Oumlsterreich allerdings in feinerer raumlumlicher Aufloumlsung im 250-m-Raster ent-sprechen und mit Abschaumltzungen uumlber energetische Potenziale ergaumlnzt sind Zum anderen werden flauml-chenhafte Auswertungen des Datenbestandes angeboten indem Standortraumlume fuumlr Fernwaumlrmever-sorgung und energiesparende Mobilitaumlt bereitgestellt werden Wie mit diesen Informationen umge-gangen werden kann wurde in einem entsprechenden Planungsleitfaden dargestellt

Abb 2 Standortraumlume fuumlr Fernwaumlrmeversorgung (links) und klimafreundli-che energiesparende Mo-bilitaumlt (rechts) Quelle Ab-art-Heriszt und Stoumlglehner 2019

Planungsmethodik

In der Steiermark wurde eine Planungsmethodik gemeinsam mit Fallbeispielen entwickelt wie die energieraumplanerischen Analysen d h die Energie- und Treibhausgasbilanzen die Potenzialanalysen und die vom IRUB abgegrenzten Standortraumlume fuumlr Fernwaumlrmeversorgung und energiesparende Mo-bilitaumlt in das oumlrtliche Entwicklungskonzept integriert werden koumlnnen (Abart-Heriszt und Stoumlglehner 2019) Dabei wird das Hauptaugenmerk auf die planerische Abwaumlgung zwischen Aspekten der Ener-gieraumplanung und allen weiteren Aspekten der oumlrtlichen Raumplanung gelegt Durch die Standort-raumlume wurde eine Moumlglichkeit geschaffen jene Ortsteile mit einer ausreichend hohen Nutzungsinten-sitaumlt und Nutzungsdichte zu identifizieren die fuumlr Fernwaumlrmeversorgung und energiesparende Mobi-litaumltsformen im Umweltverbund geeignet sind Es werden klare Hinweise gegeben wohin die kuumlnftige Siedlungsentwicklung im Zeichen von Klima-schutz und Energiewende gelenkt werden soll Dies ist durch die Abgrenzungsmethodik der Standort-raumlume gewaumlhrleistet gemaumlszlig der nach funktionsgemischten maszligvoll dichten raumlumlichen Strukturen gesucht wird in denen zum einen Mindestverbrauchsdichten fuumlr leitungsgebundene Energie als auch kurze Wege zwischen den einzelnen Raumfunktionen erzielt werden sollen Nicht zuletzt ermoumlglichen die Standortraumlume zu erkennen wo Innenentwicklung prioritaumlr stattfinden soll und wie damit der uumlberbordenden Flaumlcheninanspruchnahme fuumlr Bauland und Infrastruktur Vorschub geleistet werden kann Damit sind die Voraussetzungen gegeben dass Lernen im Planungsprozess sowohl auf der Sachebene als auch auf der Wertebene unterstuumltzt wird Auf der Sachebene werden potenzielle Wis-sensluumlcken sowie Luumlcken zwischen wissenschaftlich pruumlfbarer und wahrgenommener Sachebene ge-schlossen Auf der Wertebene koumlnnen die Unterstuumltzung von Klimaschutz und Energiewende profund mit weiteren oumlffentlichen Interessen und Entwicklungsperspektiven abgewogen werden

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Institutionelle Rahmenbedingungen

Grundsaumltzlich koumlnnen vier Pfade staatlichen Handelns angewendet werden um Strategien wie jene der Energieraumplanung ganzheitlich umzusetzen (1) rechtliche Rahmenbedingungen (2) finanzielle Anreize (3) oumlffentliche Investitionen sowie (4) Bewusstseinsbildung Am Beispiel der Steiermark kann dargestellt werden dass fast alle Optionen fuumlr die Umsetzung der Energieraumplanung genutzt wer-den

(1) Im rechtlichen Rahmen des Steiermaumlrkischen Raumordnungsgesetzes ist die Erstellung von er-gaumlnzenden Sachbereichskonzepten zum oumlrtlichen Entwicklungskonzept vorgesehen Dieser rechtliche Rahmen wird mit der Initiative Energieraumplanung in der Steiermark mit Leben erfuumlllt

(2) Als finanziellen Anreiz hat das Land Steiermark ein Foumlrderprogramm aufgelegt mit dem die Gemeinden dabei unterstuumltzt werden Sachbereichskonzepte Energie im Rahmen des oumlrtli-chen Entwicklungskonzeptes zu erstellen Planungsziele festzulegen und die Abstimmung von Siedlungsentwicklung und Festlegungen zur Energieraumplanung umzusetzen Auszahlungs-bedingung fuumlr die Foumlrderung ist die Integration in die Verordnung zum oumlrtlichen Entwicklungs-konzept binnen 24 Monaten ab Foumlrderzusage

(3) Wenn ein Sachbereichskonzept Energie vorliegt kann im Rahmen des Foumlrderprogramms auch um die Unterstuumltzung von oumlffentlichen Investitionen in die Energieinfrastruktur angesucht werden Daruumlber hinaus sollen die Festlegungen zur Energieraumplanung auch auf Investitio-nen von Privaten und Kommunen wirken da jene Bereiche dargestellt werden die einen wirt-schaftlichen Betrieb leitungsgebundener Energieinfrastruktur und ein houmlheres Maszlig an Mobi-litaumlt im Umweltverbund erwarten lassen

(4) Bewusstseinsbildung wird zum einen durch die schon angesprochene Datenbasis und den Pla-nungsleitfaden zum anderen durch ein Schulungsprogramm fuumlr Ortsplanerinnen und Gemein-devertreterinnen das stark nachgefragt wurde deutlich gestaumlrkt Zudem haben fast alle in der Steiermark taumltigen Ortsplaner sowie Vertreter von ca einem Drittel aller steiermaumlrkischen Ge-meinden an den Veranstaltungen teilgenommen

Diese Beispiele zeigen dass der anspruchsvolle strategische Zugang zur Energieraumplanung durchaus mit Leben erfuumlllt werden kann wenn eine strategische Datenbasis und eine entsprechende Planungs-methodik angeboten werden deren Anwendung in einen institutionellen Rahmen eingebettet ist der alle Aspekte staatlichen Handelns abdeckt

Sektorkopplung als neue Herausforderung fuumlr die Energieraumplanung

Ein wesentlicher Grund warum ich die Auseinandersetzung mit leitungsgebundenen Energietraumlgern auch in Zukunft fuumlr notwendig erachte ist das Thema der Sektorkopplung Unter diesem Titel sollen Systemloumlsungen fuumlr die Verbindung verschiedener Infrastrukturen Technologien und Dienstleistun-gen fuumlr die Kopplung von Elektrizitaumlt Waumlrme und Mobilitaumlt sowie fuumlr die Integration von volatilen erneuerbaren Energietraumlgern wie Sonne und Wind angeboten werden (BMNT BMVIT 2018) Ein ener-gieraumplanerischer Beitrag zur Unterstuumltzung von Sektorkopplung ist das hochaufgeloumlste raum-zeit-liche Modellieren von Energieverbrauch und lokal verfuumlgbaren Energieversorgungspotenzialen bei dem Nutzungsintensitaumlt (Funktionsmischung und Dichte) und die Integration verschiedener erneuer-barer Energietraumlger zur Ermittlung von Sektorkopplungspotenzialen sowie Netz- bzw Speicherbedarf herangezogen werden (Ramirez-Camargo amp Stoeglehner 2018) Bei Photovoltaik (PV) werden Energie-gewinnungspotenziale auf Dachflaumlchen im 1-m-Raster unter Beruumlcksichtigung des ortsspezifischen me-teorologischen Normjahres mit dem lokal aufgrund der Nutzungsstruktur vorhandenen Energiever-brauch in 1-Stunden-Betrachtungen im Jahresverlauf uumlberlagert

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Werden diese Betrachtungen uumlber ganze Kommunen angestellt kommt man z B zum Ergebnis dass bei voller Ausnutzung der Dachflaumlchen mit PV sehr wahrscheinlich Uumlberschuumlsse in der Stromproduk-tion erzielt werden koumlnnen jedoch nur etwa ein Drittel des gewonnenen Stroms am jeweiligen Ort und zur jeweiligen Zeit unmittelbar benoumltigt werden Zwei Drittel stellen damit das Sektorkopplungs-potenzial dar z B in Power-to-HeatCold- bzw Power-to-Chemicals-Loumlsungen bzw benoumltigen stati-onaumlre oder mobile Speicher insbesondere zur Bereitstellung von Strom fuumlr elektrische Fahrzeuge Je geringer der Anteil des PV-Stroms am Jahresstrombedarf ist desto houmlher steigt der Anteil der Eigen-bedarfsdeckung Mit diesen Ergebnissen koumlnnen jenseits der Jahresbilanz in hoher raumlumlicher und zeitlicher Aufloumlsung realistische Szenarien als strategische Entscheidungsgrundlage fuumlr Energieraumplanung und lokale bzw regionale Energiestrategien erstellt werden Die raumlumliche und zeitliche Betrachtung ermoumlglicht damit einen weiteren Qualitaumltssprung in der Energieraumplanung

Didaktik der Energieraumplanung

Wird das Lernen im Planungsprozess als wesentliches Strategiemerkmal fuumlr Raumplanung einschlieszlig-lich der Energieraumplanung betrachtet stellt sich die Frage der Didaktik fuumlr diese Lernprozesse Hier soll in Analogie zu didaktischen Konzepten (vgl Biggs amp Tang 2011 Gudjons amp Traub 2020 North et al 2016 Winteler 2011) einige Uumlberlegungen angestellt werden Dabei ist zu beruumlcksichtigen dass es sich bei Planungsprozessen um soziale Lernprozesse in informellen Lern- und Planungssituationen handelt an denen in erster Linie Entscheidungstraumlgerinnen und Entscheidungstraumlger die interessierte und die betroffene Oumlffentlichkeit sowie die Planerinnen und Planer beteiligt sind (Peer amp Stoeglehner 2013) Das Ergebnis der Planung ist grundsaumltzlich offen und vom Lernprozess beeinflusst Klassische Didaktikkonzepte beschaumlftigen sich mit Lernzielen Lerninhalten Lernmethoden und Lern-ergebnissen Wird diese Herangehensweise auf Energieraumplanung uumlbertragen so waumlre das Lernziel die Energiewende und den Klimaschutz voranzubringen indem die Siedlungsentwicklung mit diesen Anliegen abgestimmt wird Als Lerninhalt waumlre ein tieferes und systemisches Verstaumlndnis fuumlr Zusam-menhaumlnge von Raumplanung Klimaschutz und Energiewende zu nennen um raumplanerische Gestal-tungsmoumlglichkeiten fuumlr Energiewende und Klimaschutz nutzen zu koumlnnen und gleichzeitig zu erkennen dass diese Anliegen eine nachhaltige raumlumliche Entwicklung und mehr Lebensqualitaumlt fuumlr die Bevoumllke-rung befoumlrdern koumlnnen An Lernmethoden koumlnnen u a Kommunikation Partizipation Einsetzen von strategischen Datenbasen Planungsinstrumenten strategischen Planungsmethoden und Planungs-tools eingesetzt werden um Erkenntnisprozesse auf der Sach- und auf der Wertebene in Gang zu set-zen Schlussendlich waumlre als Lernergebnis die rechtliche Verankerung in den Plaumlnen und Programmen der uumlberoumlrtlichen und oumlrtlichen Raumplanung sowie die praktische Umsetzung von Energieraumpla-nung zu sehen

Fazit Energiewende und Klimaschutz als zentrale gesellschaftliche Herausforderungen brauchen energie-raumplanerische Unterstuumltzung da raumlumliche Strukturen die Gestaltungsmoumlglichkeiten der Energie-wende wesentlich beeinflussen Dafuumlr sind strategische Herangehensweisen notwendig die alle Ebe-nen und Handlungsoptionen staatlichen Handelns einsetzen um nicht nur schluumlssige Planungen vor-legen zu koumlnnen sondern auch deren Umsetzung zu begleiten In diesem Beitrag wurden sowohl grundsaumltzliche Uumlberlegungen vorgestellt die der derzeitigen For-schung zur Energieraumplanung am IRUB zu Grunde liegen als auch Beispiele fuumlr deren Umsetzung diskutiert Damit kann aufgezeigt werden dass Raumplanung in vielerlei Hinsicht einen wesentlichen

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Beitrag fuumlr Klimaschutz und Energiewende leisten kann Raumplanung bietet zunaumlchst rechtliche Rah-menbedingungen um Klimaschutz und Energiewende auf regionaler und lokaler Ebene implementie-ren zu koumlnnen Hier waumlre die Verbindlichkeit von klimaschutz- und energiewendeorientierten Pla-nungszielen zu erhoumlhen um diese Aspekte in der planerischen Abwaumlgung entsprechend hoch zu ge-wichten In Planungsprozessen kann Bewusstseinsbildung unmittelbar vorangetrieben werden sofern diese partizipativ gestaltet werden Daruumlber hinaus besteht das Potenzial energieraumplanerische Herangehensweisen zur Gestaltung von finanziellen Anreizsystemen und Lenkung oumlffentlicher Investi-tionen im Sinne von Klimaschutz und Energiewende anzuwenden wenn energieraumplanerische As-pekte ndash insbesondere auch Lagekriterien sowie bodenpolitische Instrumentarien ndash in die finanziellen Anreiz- und Lenkungssysteme integriert werden Damit bleibt zu hoffen dass diese Moumlglichkeiten umfassend genutzt und laufend weiterentwickelt werden

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Die deutsche Energiewende zwischen Wirtschafts- und Klimazielen ndash eine geographische Perspektive

Britta Klagge (1)

DOI 10347261030

(1) Prof Dr Geographisches Institut der Universitaumlt Bonn

Abstract

Die deutsche Energiewende wird weltweit als Erfolgsmodell fuumlr eine dezentrale Umstellung auf erneu-erbare Energien (EE) diskutiert Dabei wird oft uumlbersehen dass diese sich bisher weitgehend auf den Stromsektor beschraumlnkt hat waumlhrend die Umstellung des Waumlrme- und Verkehrssektors nur zoumlgerlich voranschreitet Weiterhin gingen steigende EE-Anteile in der Stromerzeugung lange nicht mit einer entsprechenden Reduzierung der Treibhausgasemissionen einher Der Beitrag erlaumlutert die zugrunde-liegenden Governance-Strukturen und deren Einordnung im Schnittfeld von Raumplanung Wirt-schafts- und Klimapolitik Anhand von zwei aktuelleren klima- und energiepolitischen Maszlignahmen (Klimapaket 2019 SINTEG-Modellregionen 2017-2020) wird deutlich dass der Fokus der juumlngeren deutschen Energiewendepolitik ndash wie bisher ndash vor allem auf EE als Wirtschaftsfaktor liegt wobei nun eine Ausweitung auf den Waumlrme- und Verkehrssektor angestrebt wird Aus geographischer Perspek-tive laumlsst sich konstatieren dass die Maszlignahmen zwar dezentrale bzw regionale Strukturen beruumlck-sichtigen und nutzen jedoch insbesondere zur Effizienzsteigerung und weniger um damit partizipative Strukturen zivilgesellschaftliches Engagement oder Debatten zur Nachhaltigkeit der Energiewende zu befoumlrdern

Schluumlsselbegriffe

Erneuerbare Energien (Mehrebenen-)Governance Effizienz- und Marktorientierung Klimapolitik Nachhaltigkeitsstrategien

Klagge B (2021) Die deutsche Energiewende zwischen Wirtschafts- und Klimazielen ndash eine geographische Perspektive In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung - ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energie-wende Wien reposiTUm S119-129

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Inhalt Einfuumlhrung 121

Geographien und Governance der deutschen Energiewende 121

Die deutsche Energiewende positive wirtschaftliche Effekte aber klimapolitisch (bisher) kein Erfolg 123

Aktuelle klima- bzw energiepolitische Maszlignahmen Klimapaket (2019) und SINTEG-Modellregionen (2017-2020) 124

Das Klimapaket von 2019 umfangreiches Investitionsprogramm aber klimapolitisch wenig ambitioniert 124

SINTEG 2017-2020 Foumlrderung von Modellregionen fuumlr smarte (Verteil-)Netze und flexible Maumlrkte durch Digitalisierung 125

Fazit und Ausblick 126

Literatur 127

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Einfuumlhrung

Die deutsche Energiewende also der Umbau des deutschen Energiesystems zu erneuerbaren Ener-gien befindet sich an einem kritischen Punkt Bisherige Maszlignahmen haben im Stromsektor viel er-reicht und insbesondere bei der Stromerzeugung aus Wind und Sonne sind groszlige technologische Fort-schritte verbunden mit deutlichen Kostensenkungen zu verzeichnen Dennoch bleiben mit Blick auf das gesamte Energiesystem eine Vielzahl von Herausforderungen die sich stichwortartig folgender-maszligen benennen lassen Oumlkonomische Effizienz undoder soziale Gerechtigkeit Technologieentwick-lung vor allem bei Stromspeicherung und Netzstabilitaumlt Ressourcenverbrauch bzw -effizienz sowie Flaumlchenverbrauch und -konkurrenzen Umwelt- und Klimaschutz vor allem Minderung der CO2-Emis-sionen Ausweitung auf Waumlrme- und Verkehrssektor bzw Sektorkopplung sowie nicht zuletzt die Ak-zeptanz Diese aktuellen Herausforderungen der deutschen Energiewende bewegen sich im Uumlber-schneidungsbereich technologischer soziooumlkonomischer und politisch-planerischer Entwicklungen und erfordern eine integrative Herangehensweise Im vorliegenden Beitrag wird aus Sicht der Geographie die Frage aufgeworfen wie der Next Level also die naumlchste Phase der Energiewende aussehen kann und in welche Richtung die aktuell verfolgte Po-litik weist Dazu wird zum einen die Bedeutung der regionalen Ebene sowie regionaler und zivilgesell-schaftlicher Akteure diskutiert die in der Fruumlhphase eine wichtige Rolle spielten Zum anderen werden Ausrichtung und Erfolge der Energiewende-Politik im Spannungsfeld von Wirtschafts- und Klimazielen analysiert Neben wirtschaftlichen Effekten und der Minderung von CO2-Emissionen geht es auch da-rum inwieweit bisherige und aktuelle Energiewende-Entwicklungen sowie aktuelle politische Maszlig-nahmen als nachhaltig bezeichnet werden koumlnnen Hierzu wird auf die drei in der Literatur diskutierten Nachhaltigkeitsstrategien ndash Effizienz Konsistenz und Suffizienz1 ndash Bezug genommen (Huber 2000 Pufeacute 2017 von Winterfeld 2007) Als Grundlage fuumlr die weiteren Uumlberlegungen folgen zunaumlchst Ausfuumlhrungen zum bisherigen Verlauf der Energiewende aus einer geographischen (Governance-)Perspektive und deren Einordnung im Schnittfeld von Raumplanung Wirtschafts- und Klimapolitik Anschlieszligend wird gezeigt dass die bis-herige Energiewende hinsichtlich der Minderung der CO2-Emissionen erst seit sehr kurzer Zeit erfolg-reich ist und hierfuumlr vor allem externe Entwicklungen verantwortlich sind Vor diesem Hintergrund werden das Klimapaket von 2019 sowie das SINTEG-Modellprogramm (2017-2020) als aktuelle Maszlig-nahmen der deutschen Energiewende-Politik vorgestellt und hinsichtlich ihrer wirtschafts- und klima-politischen Zielsetzungen sowie der Bedeutung von Nachhaltigkeitsstrategien diskutiert Im abschlie-szligenden Fazit werden Schlussfolgerungen zu einem moumlglichen Next Level der deutschen Energiewende gezogen

Geographien und Governance der deutschen Energiewende

Bevor wir uns der Frage nach der Zukunft zuwenden geht der Blick zuruumlck Die deutsche Energiewende hatte am Anfang eine stark dezentrale bzw regionale Dimension (Klagge amp Brocke 2013) Sie war ge-praumlgt durch eine Vielzahl kleinerer und uumlber das ganze Land verteilter Anlagen Dabei orientierten sich die Muster auch an den natuumlrlichen Gegebenheiten mit vielen Windanlagen im Norden und den meis-ten PV2-Anlagen im Suumlden (vgl hier und im Folgenden Campos Silva amp Klagge 2018) Die wichtigsten

1 Effizienz bezieht sich auf ein verbessertes Verhaumlltnis zwischen Ressourceneinsatz und Output also das Verhaumlltnis zwischen

Input und Output ndash z B durch neue wirksamere Technologien ndash zu optimieren Bei Konsistenz geht es um den Erhalt natuumlr-licher Ressourcen durch naturvertraumlgliche Prozesse und Technologien insbesondere im Sinne einer Kreislaufwirtschaft Suf-fizienz richtet sich auf einen geringeren Ressourcenverbrauch durch die Reduktion des Konsums bzw der Nachfrage

2 PV Photovoltaik

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Investoren waren zu Beginn Landwirte und Buumlrger die sich teilweise zu Buumlrgerenergiegenossenschaf-ten bzw in anderen Rechtsformen (z B GmbH amp Co KG) zusammenschlossen Damit verbunden wa-ren vielerorts zivilgesellschaftliche Energiewende- und Klimaschutz-Initiativen als weitere neue Parti-zipations- und Organisationsformen auf lokaler Ebene (Bauriedl 2016 Moss et al 2015) weit verbrei-tete Beispiele sind 100 -Erneuerbare-Energien-Regionen lokale Klimaschutzkonzepte oder Bio-Ener-giedoumlrfer Manche Stadt- und Regionalwerke gehoumlrten als lokale bzw regionale Akteure ebenfalls zu den Treibern allerdings waren diesbezuumlglich zu Beginn der Energiewende groszlige Unterschiede festzu-stellen und nur wenige Pioniere bzw Pionierregionen auszumachen (Klagge amp Brocke 2013) Inzwischen spielen groszlige Anlagen und regionsexterne Investoren eine immer wichtigere Rolle Dazu gehoumlren Projektierungsgesellschaften die vielfach mit der Energiewende gewachsen sind aber auch die lange zoumlgernden groszligen Energiekonzerne sowie viele Stadt- und Regionalwerke (Berkel 2013 Cam-pos Silva amp Klagge 2018 Greenpeace 2011) Ein wachsendes Problembewusstsein fuumlr negative Effekte von Erneuerbare-Energie-Anlagen in deren unmittelbarer Naumlhe haben allerdings Akzeptanzprobleme und Konflikte befoumlrdert und zwar vor allem dort wo vor Ort keine Teilhabe an den positiven insbe-sondere finanziellen Wirkungen besteht (Bosch 2021) Die aktuelle Energiewende-Politik traumlgt dem Rechnung indem sie einerseits auf planerischer Ebene Regeln fuumlr den Abstand von Erneuerbare-Ener-gie-Anlagen zur Wohnbebauung erwaumlgt und festsetzt sowie andererseits die Moumlglichkeiten der lokalen Teilhabe durch politisch-planerische Regelungen diskutiert werden (z B Beirat fuumlr Raumentwicklung 2015 S 10 ff BWE 2020) Jenseits lokaler Loumlsungsansaumltze verbleiben jedoch die oben genannten Her-ausforderungen die einen integrierten Ansatz erfordern der technologische mit wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aspekten verknuumlpft und dabei Fragen des Gemeinwohls sowie der Verfahrens- und Verteilungsgerechtigkeit beruumlcksichtigt Eine offene Frage ist dabei welche Bedeutung regionale und zivilgesellschaftliche Strukturen in den Governance-Strukturen der Energiewende haben sollen bzw koumlnnen Die Energiewende die in der Literatur haumlufig als soziotechnische Transition konzeptualisiert wird ist ein politisch gesteuerter Prozess (Becker amp Klagge 2017 Moss 2021 Schmid et al 2016) Politische Akteure auf unterschiedlichen Maszligstabsebenen setzen Rahmenbedingungen und Anreize innerhalb derer privatwirtschaftlich agierende ndash darunter oumlffentliche und zivilgesellschaftliche ndash Akteure den Ausbau erneuerbarer Energien umsetzen (Klagge 2013) Dieser politische Prozess bzw die Energie-wende-Politik findet im Uumlberschneidungsbereich von Umwelt- und Wirtschaftspolitik sowie Raumpla-nung statt (Abb 1) Dieses Dreieck spiegelt die in der Einleitung benannten Herausforderungen wider und verweist auf das Spannungsfeld zwischen Wirtschafts- und Klimazielen in der Energiepolitik

Abb 1 Energie als integ-ratives Politikfeld Quelle eigene Darstellung

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Die deutsche Energiewende positive wirtschaftliche Effekte aber klimapolitisch (bisher) kein Erfolg

Die deutsche Energiewende wurde weltweit als Erfolgsmodell gefeiert (Jacobsson amp Lauber 2006 Lipp 2007) Ausgehend von relativ groszligzuumlgigen Einspeiseverguumltungen und einem Einspeisevorrang ndash im Jahr 2000 im ersten Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgelegt ndash hat eine groszlige Zahl unterschied-licher Investoren in Erneuerbare-Energie-Anlagen investiert (Campos Silva amp Klagge 2018) In der Folge ist der Anteil des Stroms aus erneuerbaren Energien in Deutschland sukzessive auf inzwischen uumlber 40 gestiegen wodurch verschiedene positive wirtschaftliche Effekte erzielt wurden So sind zu-naumlchst vor allem auf lokaler und regionaler Ebene technologiespezifische Wertschoumlpfungsketten und Arbeitsplaumltze entstanden (Hirschl et al 2010) Mit dem Wachstum der Technologiemaumlrkte im In- und zunehmend im Ausland haben sich in Deutschland exportorientierte Industrien und Zulieferer insbe-sondere in der Wind- und Solarindustrie sowie in damit verbundenen Dienstleistungsbereichen ent-wickelt (Dewald 2021 Lipp 2007 Menzel 2021) In der politischen Diskussion um die Energiewende wurde diese daher vom Bundeswirtschaftsminister auch als bdquoeines der groumlszligten Modernisierungspro-jekte fuumlr den Wirtschaftsstandort Deutschlandldquo beworben (BMWi 2019a) Mit dem Fortschreiten der Energiewende wurden allerdings die kritischen Stimmen lauter Neben lo-kalen Akzeptanzproblemen und -konflikten ging es dabei um die steigenden Strompreise und die Effi-zienz der Foumlrderung durch Einspeiseverguumltungen Vor diesem Hintergrund wurde die Foumlrderung mit der EEG-Novelle von 2017 auf ein Ausschreibungsmodell umgestellt und damit ndash so die Kritiker dieser Novellierung ndash der wirtschaftlich und gesellschaftlich vorteilhafte dezentrale Ausbau ausgebremst Dies ist auch deshalb problematisch weil aufgrund von Rationalisierungs- und Verlagerungsprozessen ndash so der Niedergang der PV-Anlagen-Produktion in Deutschland bei gleichzeitigem Wachstum einer entsprechenden Industrie in China (vgl Dewald 2021) ndash industrielle Wertschoumlpfung und Arbeitsplaumltze im Bereich der erneuerbaren Energien in Deutschland stagnieren bzw bereits wieder zuruumlckgehen (vgl AEE o J) Ein weiterer grundsaumltzlicher Kritikpunkt an der deutschen Energiewende-Politik betrifft den Umgang mit Strom aus Kohle und der daraus resultierenden Entwicklung der CO2-Emissionen So wurden die mit der Energiewende verfolgten Klimaziele in Deutschland nicht erreicht da gleichzeitig mit dem Aus-bau der erneuerbaren Energien die Emissionen aus der Kohleverstromung in einigen Jahren sogar noch anstiegen (Abb 2) Aufgrund der Funktionsweise des Strommarkts (insbes Merit-Order-Effekt) hat sich am Strommarkt neben den erneuerbaren Energien vor allem der guumlnstige Strom aus der sehr schmut-zigen Braunkohle durchgesetzt Hintergrund hierfuumlr waren die lange Zeit sehr niedrigen Preise fuumlr Emissionszertifikate Erst mit deren Preisanstieg sind die CO2-Emissionen der Energiewirtschaft ab 2018 deutlich gesunken Dieser Zusammenhang verdeutlicht dass die EE-Foumlrderung und ein hoher EE-Anteil am Strommarkt allein nicht ausreichen um Klimaziele zu erreichen sondern dass es zusaumltzlich einer Sanktionierung der CO2-intensiven Stromerzeugung bedarf ndash insbesondere vor dem Hintergrund dass der vollstaumlndige Ausstieg aus der Kohleverstromung in Deutschland nach jetzigem Stand der Dinge erst bis 2038 erfolgen soll und sogar dieses spaumlte Datum noch gerichtlich angefochten wird

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Abb 2 Entwicklung der CO2-Emissionen in Deutschland nach Sektoren 1990-2019 und der Preise fuumlr EU-Emissionszertifikate 2008-2019 (bis 2010 gestaucht) Quelle DEHSt o J UBA 2020a eigene Darstellung

Trotz der juumlngsten Erfolge im Stromsektor sind die Herausforderungen zur Minderung der CO2-Emissi-onen in der Energiewirtschaft nach wie vor groszlig Denn eine umfassend verstandene Energiewende muss neben dem Strom- auch den Waumlrme- und den Verkehrssektor beruumlcksichtigen und hier sind bisher wenig Fortschritte zu verzeichnen Waumlhrend der Anteil der erneuerbaren Energien im Stromsek-tor bereits 42 betraumlgt liegt dieser im Waumlrme- und im Verkehrssektor nur bei 145 bzw 56 entsprechend ist im Jahr 2019 die Stromerzeugung fuumlr den weitaus uumlberwiegenden Teil der durch die Nutzung erneuerbarer Energien vermiedenen Treibhausgasemissionen verantwortlich (78 ) wohin-gegen Waumlrme und Verkehr lediglich 18 bzw 4 beitragen (UBA 2020b) Fuumlr die Zukunft bietet daher die Transformation des Waumlrme- und des Verkehrssektors noch groumlszligere Herausforderungen als die wei-tere Energiewende im Stromsektor Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund sind aktuelle klima- und energiepolitische Maszlignahmen breiter angelegt

Aktuelle klima- bzw energiepolitische Maszlignahmen Klimapaket (2019) und SIN-TEG-Modellregionen (2017-2020)

Als Reaktion auf die Herausforderungen der Energiewende sowie des rasch voranschreitenden Klima-wandels hat die Bundesregierung nicht nur das EEG weiterentwickelt sondern zusaumltzliche Maszlignah-men ergriffen Hierzu gehoumlren als wichtige Bausteine die SINTEG-Modellregionen und das Klimapaket die den Umbau des Energiesystems auf erneuerbare Energien beschleunigen die Entwicklung und den Einsatz von neuen Technologien und Geschaumlftsmodellen unterstuumltzen Anreize fuumlr entsprechende In-vestitionen geben und damit helfen sollen die im Klima-Abkommen von Paris (2015) zugesagten Kli-maziele zu erreichen Im Folgenden werden die beiden genannten Maszlignahmen vorgestellt und kritisch diskutiert

Das Klimapaket von 2019 umfangreiches Investitionsprogramm aber klimapolitisch wenig am-bitioniert

Unter dem Stichwort bdquoEntlasten und investierenldquo werden mit dem Klimapaket von 2019 Maszlignahmen gebuumlndelt die einen Beitrag zur Minderung des CO2-Ausstoszliges in Energiewirtschaft Industrie Gebaumlu-den Verkehr Land- und Forstwirtschaft Landnutzung und Abfallwirtschaft leisten sollen (vgl hier und

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im Folgenden Die Bundesregierung 2020) Als bdquoHerzstuumlckldquo besonders positiv hervorzuheben ist die Ein-beziehung des Waumlrme- und des Verkehrssektors in die CO2-Bepreisung in Deutschland nachdem bis-her lediglich Industrie und Stromerzeugung den Verpflichtungen des europaumlischen Emissionshandels unterlagen Allerdings ist die staatlich festgelegte Preisentwicklung mit einem Wert von zunaumlchst EUR 25- im Januar 2021 der bis 2025 auf immerhin EUR 55- ansteigt wenig ambitioniert (Janson 2019) ndash und das obwohl das Beispiel des Stromsektors bereits gezeigt hat dass nur bei einem ausreichend hohen CO2-Preis entsprechende Lenkungswirkungen zu verzeichnen sind Insgesamt zeichnet sich das Klimapaket durch einen starken Fokus auf Effizienz sowie wirtschaftliches Wachstum aus Letzteres soll durch eine Vielzahl unterschiedlicher und teilweise sehr kleinteiliger Foumlr-dermaszlignahmen fuumlr Unternehmen Kommunen und Hauseigentuumlmer angeregt und unterstuumltzt werden (BMWi 2020a) Dabei spielen Aspekte wie Reduktion des Ressourcenverbrauchs (Suffizienz) und Kreis-laufwirtschaft (Konsistenz) keine bzw eine untergeordnete Rolle Auszligerdem weisen die nicht-ver-kehrsbezogenen Maszlignahmen nur eine relativ geringe Anschlussfaumlhigkeit an regionale bzw zivilgesell-schaftliche Initiativen und Kooperationen auf

SINTEG 2017-2020 Foumlrderung von Modellregionen fuumlr smarte (Verteil-)Netze und flexible Maumlrkte durch Digitalisierung

SINTEG steht fuumlr bdquoSchaufenster intelligente Energie ndash Digitale Agenda fuumlr die Energiewendeldquo und soll fuumlnf Modellregionen die Deutschland uumlberschneidungsfrei und weitgehend vollstaumlndig abdecken (Abb 3) dabei foumlrdern technologische wirtschaftliche und rechtliche Musterloumlsungen fuumlr den Ener-giemarkt zu entwickeln (vgl hier und im Folgenden BMWi 2020b) SINTEG setzt bdquoan allen Bausteinen der Energieinfrastruktur und bei allen Akteuren an um sie mit Hilfe digitaler Technologien in einem intelligenten digitalen Energienetz zu verbindenldquo Es geht insbesondere darum die Digitalisierung fuumlr die Energiewende in Wert zu setzen und zwar durch die Nutzung dezentraler Kapazitaumlten der Strom-erzeugung und -speicherung (unter anderem virtuelle Kraftwerke) die effiziente Sektorkopplung von Strom Waumlrme und Verkehr sowie innovative Technologien und flexible Marktmechanismen fuumlr Haus-

halte und Unternehmen bei einem ho-hen Anteil erneuerbarer Energien Ziele sind dementsprechend der effiziente und sichere Netzbetrieb vor allem die effizientere Nutzung der dezentralen Netze das Heben von Effizienz- und Fle-xibilitaumltspotenzialen die Entwicklung neuer Geschaumlftsmodelle sowie das bdquoef-fiziente [hellip] und sichere [hellip] Zusammen-spiel aller Akteure im intelligenten Energienetzldquo Abb 3 SINTEG-Modellregionen Quelle BMWi 2019b eigene Darstellung

Wie bereits die Beschreibung verdeutlicht liegt der Fokus von SINTEG auf der Hebung von Effizienzpo-tenzialen sowie auf der sicheren Stromversorgung Damit werden viele der aktuellen Herausforderun-gen der fortgeschrittenen Energiewende aufgegriffen (siehe oben) Regionale Strukturen sind dabei insofern von Bedeutung als dass auf Ebene der Verteilnetze Effizienzpotenziale ausgelotet und Nut-zungsmodelle entwickelt und ausprobiert werden sollen Spannend ndash und uumlber bisherige Energie-wende-Aktivitaumlten hinausgehend ndash ist dabei das explizite Bemuumlhen um Sektorkopplung also die Ver-knuumlpfung von Strom- Waumlrme- und Verkehrssektor Dazu sollen neben technologischen Herausforde-rungen (Speicherung Power-to-X-Technologien) innovative Marktmechanismen entwickelt werden

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Neben dem starken Fokus auf Effizienz spielen bei SINTEG auch gewisse Aspekte einer Kreislaufwirt-schaft (Konsistenz) im Bereich Stromerzeugung und -speicherung eine Rolle Aus geographischer Per-spektive ist dabei die Foumlrderung regional integrierter Ansaumltze mit einem hohen Innovationspotenzial positiv hervorzuheben die allerdings auf Seite der Akteure von Netzbetreibern Stromversorgern und Industrie sowie von technologischen und marktorientierten Loumlsungen dominiert werden Dementspre-chend ist die Bedeutung zivilgesellschaftlicher Initiativen eher gering und Buumlrger werden vor allem als Marktakteure (Konsumenten bzw Prosumenten) eingebunden

Fazit und Ausblick Erneuerbare Energien haben sich in Deutschland spaumltestens seit der Jahrtausendwende zu einem zent-ralen Gegenstand der Wirtschafts- und Klimapolitik sowie der Raumplanung entwickelt Dabei haben sich Emissionszertifikate als wichtiges Instrument erwiesen deren Wirkung allerdings von ihrem Preis abhaumlngt der lange viel zu niedrig lag Die Ausweitung auf den Waumlrme- und Verkehrssektor im Rahmen des Klimapakets von 2019 ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Erreichung der deutschen Klimaziele allerdings ist auch hier die Preisfrage zentral fuumlr eine signifikante Minderung der CO2-Emis-sionen Daruumlber hinaus foumlrdert die deutsche Politik im Rahmen ihrer Technologiefoumlrderung sowie in den fuumlnf SINTEG-Modellregionen neue technologische Loumlsungen und ihre Umsetzung unter anderem in den Bereichen Speicherung Sektorkopplung und Power-to-X Die damit verbundene Verknuumlpfung und integrative Betrachtung von Strom- Waumlrme- und Verkehrssektor birgt viele Potenziale bei deren ndash auch dezentraler ndash Nutzung digitale Technologien eine zentrale Rolle spielen (sollen) Insgesamt liegt der Fokus der aktuellen Energiewende-Politik stark auf der Effizienzsteigerung und ndash wie bisher ndash erneuerbaren Energien als Wirtschaftsfaktor Neben der sicheren und bdquoleistbarenldquo Strom-versorgung geht es also um die Unterstuumltzung internationaler Wertschoumlpfungsketten sowie die Foumlrde-rung neuer Technologien und exportorientierter Unternehmen in Deutschland Klimapolitisch sind die aktuellen Maszlignahmen dagegen weniger ambitioniert weder wird Wachstum im Sinne einer Suffi-zienzstrategie in Frage gestellt noch werden Ansaumltze der Kreislaufwirtschaft im Sinne einer Konsistenz-strategie an zentraler Stelle beruumlcksichtigt Die regionale Ebene und zivilgesellschaftliche Initiativen sind nur von untergeordneter Bedeutung und dienen ndash so wie bei SINTEG ndash vor allem der Hebung von (weiteren) Effizienzpotenzialen (hier in den regionalen Verteilnetzen) und weniger einer breiten Betei-ligung von Buumlrgern und Zivilgesellschaft Aus geographischer Perspektive laumlsst sich konstatieren dass die hier diskutierten aktuellen Maszlignah-men der Energiewende-Politik zwar dezentrale bzw regionale Strukturen beruumlcksichtigen und nutzen jedoch insbesondere zur Effizienzsteigerung und weniger um damit partizipative Strukturen zivilge-sellschaftliches Engagement oder Debatten zur Nachhaltigkeit der Energiewende zu befoumlrdern Dieses Defizit kann jedoch durch einen kreativen Umgang seitens der genannten Akteure gemildert werden So koumlnnen in den gefoumlrderten Maszlignahmen und Projekten bei entsprechenden Interventionen bzw Engagements neue Formen der lokalen Koordination und Steuerung (weiter)entwickelt bzw auspro-biert werden (Becker amp Naumann 2017) Daruumlber hinaus bieten die Maszlignahmen im Allgemeinen und die konkreten Projekte vor Ort einen Anlass fuumlr Debatten uumlber die damit verfolgten Nachhaltigkeits-strategien In solchen Debatten koumlnnen gegenuumlber der zurzeit vorherrschenden Effizienz- und Markt-orientierung der deutschen Energiewende-Politik Fragen des Gemeinwohls sowie der Verteilungs- und Verfahrensgerechtigkeit staumlrker in den Vordergrund geruumlckt werden So wuumlrde der Next Level der Energiewende nicht der effizienz- und marktorientierten (Wirtschafts-)Politik uumlberlassen sondern eine Mitgestaltung durch Zivilgesellschaft und kritische regionale Akteure erreicht

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10 Jahre Forschung und Lehre zur Energieraumplanung am Institut fuumlr Raumplanung an der TU Wien Erfahrungen und Ausblick

Hartmut Dumke (1) Rudolf Giffinger (2) und Kurt Weninger (3)

DOI 10347261031

(1) UnivAss Dipl-Ing Dr techn Forschungsbereich Regionalplanung und Regionalentwicklung Institut fuumlr Raumplanung TU Wien ORCID 0000-0002-8111-9083

(2) UnivProf Magrernat Drtechn Forschungsbereich Stadt- und Regionalforschung Institut fuumlr Raumplanung TU Wien

(3) Senior Lecturer Dipl-Ing Dipl-Ing Forschungsbereich Bodenpolitik und Bodenmanagement Institut fuumlr Raumplanung TU Wien

Abstract

Nicht erst seit 10 Jahren sind die Anforderungen an die Energiewende verschaumlrft worden aber seit etwa 10 Jahren ist bdquoEnergieraumplanungldquo (ERP) ein wichtiger Forschungs- und Lehrschwerpunkt am Institut fuumlr Raumplanung der TU Wien geworden Der vorliegende Artikel zeigt dazu zunaumlchst die Kon-solidierung im Verstaumlndnis der Energieraumplanung in Oumlsterreich auf und gibt einen Uumlberblick uumlber die vielfaumlltige aber auch sehr heterogene Situation im Umgang mit dem Steuerungsinstrumentarium der Institutionalisierung und den Formen ihrer Verbindlichkeit in den Bundeslaumlndern Danach folgt ein Uumlberblick der wichtigsten Projekte und Lehraktivitaumlten zum Thema ERP seit 2011 am Institut fuumlr Raum-planung Der Artikel schlieszligt mit zwei Anforderungen zur verbesserten Wirksamkeit in Hinblick auf Ziele der Klimapolitik ndash dies vor allem aufgrund unbefriedigender Qualitaumlt und Verfuumlgbarkeit von Grundlagendaten und bislang unzureichender Serialitaumlt und Verbindlichkeit bisheriger ERP-Erfolge

Schluumlsselbegriffe

Energieraumplanung Institut fuumlr Raumplanung ERP Forschungsprojekte und -lehrveranstaltungen Modellierungen Serialitaumlt Verbindlichkeit Dumke H Giffinger R Weninger K (2021) 10 Jahre Forschung und Lehre zur Energieraumplanung am Institut fuumlr Raumpla-nung an der TU Wien Erfahrungen und Ausblick In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumpla-nung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S130-145

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Inhalt Einleitung 132

Zur (Energie-)Raumplanung in Oumlsterreich 133

Rechtlicher Rahmen 133

Konsolidierung im Verstaumlndnis 133

10 Jahre Energieraumplanung in der forschungsgeleiteten Ausbildung 135

Wichtige evidenzbasierte transformative Forschungsprojekte zur Energieraumplanung 137

Problem- und umsetzungsorientierte Lehre zur Energieraumplanung 138

Zukuumlnftige Anforderungen an die Energieraumplanung 139

Resuumlmee und Ausblick 141

Literatur 142

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Einleitung

Vor dem Hintergrund steigender Treibhausgasemissionen aber auch zunehmend klarer klimapoliti-scher Ziele stellen sich in den letzten Jahren verschaumlrfte Anforderungen zur Energiewende Dies sind insbesondere Anforderungen zur Verbesserung der Energieeffizienz (weniger Endenergieeinsatz bei gleichbleibendem Niveau der Lebensqualitaumlt) und Fragen des Umstiegs auf erneuerbare Energien Seit 2015 strebt die Europaumlische Union (Europaumlische Kommission 2015) eine Klimaunion mit dem uumlberge-ordneten Ziel an den Buumlrgern wie Buumlrgerinnen und Betrieben in den Mitgliedsstaaten sichere nach-haltige wettbewerbsfaumlhige und leistbare Energie anzubieten Zur Verminderung von Treibhausgasen (THG) empfehlen die Strategiedokumente der EU neben anderen Domaumlnen vor allem die Verbesserung der Energieeffizienz und den verstaumlrkten Einsatz erneuerbarer Energien auf Basis der Vereinbarungen von Paris (COP 21) Deren Umsetzung soll uumlber verschiedene Ansaumltze auf Ebene der EU und der einzel-nen Mitgliedstaaten erfolgen (Europaumlische Kommission 2015) Die schlieszliglich 2018 uumlberarbeitete Richtlinie von 2010 sieht zudem eine erhoumlhte Reduktion der Emissionen von mindestens 40 bis 2030 (Europaumlische Kommission 2021) vor wobei derzeit diese Ziele auf nationaler Ebene weiter praumlzisiert werden Diese Richtlinie forciert somit Energieeffizienz durch Nutzung geeigneter Technologien und Entwicklung innovativer Produkte durch verstaumlrkte Investitionen im Gebaumludesektor (insbesondere auch thermische Sanierung) (European Commission 2018) Damit im Zusammenhang steht auch das Ziel zum Umstieg und zur Erhoumlhung der Verwendung von erneuerbarer Energie die bis 2030 zumindest auf 32 steigen soll In Oumlsterreich sieht der integrierte nationale Energie- und Klimaplan die Reduktion der THG-Emissionen um 36 (gegenuumlber 2005) sowie die Erhoumlhung des Anteils erneuerbarer Energie am Bruttoendenergieverbrauch auf 46-50 und die 100ige Deckung des Stromverbrauchs aus Er-neuerbaren vor (BMNT 2019) Der Raumplanung und speziell der Energieraumplanung wird dabei eine wichtige integrale Rolle bezuumlglich Energieverbrauch und -versorgung zugemessen Raumplanung beschaumlftigt sich in Oumlsterreich schon seit langem mit Fragen der Trassenplanung zur Ener-gieversorgung und Standortsicherung zur Energieproduktion vor allem von Wasser- und Heizkraftwer-ken Diesen Aufgaben kommt sie aufgrund der verfassungsrechtlich definierten Kompetenzverteilung im Rahmen von Gemeinde- Stadt- und Regionalplanung klar nach Sie muss sich aber neben diesen Aufgaben heute mehr denn je neuen Aufgaben zur Unterstuumltzung der der Energiewende auf unter-schiedlichen Ebenen stellen Es bedarf somit vor allem einer effektiven Energieraumplanung die die Energieeffizienz im Gebaumludesektor und Siedlungsbereich sowie im Verkehrs- und Mobilitaumltsbereich forciert und den Umstieg in der Bereitstellung und Nutzung von erneuerbarer Energie voranbringt Das Institut fuumlr Raumplanung (vormals Department fuumlr Raumentwicklung Infrastruktur- und Umwelt-planung) an der TU Wien traumlgt diesen Herausforderungen seit 10 Jahren verstaumlrkt Rechnung indem es sich in Forschung und Lehre der Themen Energiepotenziale -bedarf -einsparungen und Mobilitaumlt an-nimmt Daraus entstand ein eigenstaumlndiger Ausbildungsschwerpunkt zur Energieraumplanung (ERP) In diesem Beitrag soll nun gezeigt werden wie sich ERP in Oumlsterreich im Laufe der letzten Jahre kon-solidiert und ein gemeinsames Verstaumlndnis herauskristallisiert hat Dazu werden als erstes die wich-tigsten rechtlichen Grundlagen kurz dargestellt und auf Basis verschiedener Beitraumlge und Dokumente aus den letzten Jahren das Verstaumlndnis von ERP zu einer zeitgenoumlssischen Definition verdichtet wozu auch Publikationen aus dem Institut fuumlr Raumplanung wesentlich beigetragen haben Zur Beschrei-bung zeitgenoumlssischer Fragestellungen werden die wichtigsten Schwerpunkte aus Forschung und Lehre aus dem Institut fuumlr Raumplanung aus den letzten Jahren dargestellt Darauf aufbauend werden die wichtigsten zukuumlnftigen Anforderungen an Forschung und Ausbildung zu Problemen der Energie-wende sowie Mitigation und Adaption entwickelt

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Zur (Energie-)Raumplanung in Oumlsterreich

Rechtlicher Rahmen

Gemaumlszlig der Erkenntnis des VfGH ist Raumordnung bdquokeine fuumlr sich stehende Verwaltungsmaterieldquo son-dern ein Buumlndel von Planungsbefugnissen (Verfassungsgerichtshof (VfGH) 1954) Das Raumplanungs-recht gilt somit als Querschnittsmaterie (Leitl 2006 S 106) wobei sie insofern als Landessache gilt als sie nach Art 10 bis 12 B-VG nicht explizit in die Zustaumlndigkeit des Bundes faumlllt Gemaumlszlig Art 15 B-VG faumlllt die allgemeine und integrierte Raumplanung somit den Laumlndern zu was sie sie daher von den Verwal-tungskompetenzen in Deutschland und der Schweiz klar unterscheidet Gleichzeitig durchbrechen sektorale Fachplanungskompetenzen des Bundes wie das Forstwesen der Bergbau das Eisenbahnwe-sen und das Wasserrecht diese grundsaumltzliche Zustaumlndigkeit der oumlsterreichischen Bundeslaumlnder fuumlr Raumplanung (vgl Kanonier 2013 S 24) Auszligerdem faumlllt die Vollziehung der oumlrtlichen Raumplanung nach Art 118 Abs 3 Z 9 B-VG in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden Weiters bestehen zu Aufgaben der Energieraumplanung noch eine Reihe rechtlicher Regelungen ins-besondere Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG zur Luftreinhaltung sowie Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG zur gewerbsmauml-szligigen Versorgung mit Fernwaumlrme und Gas in denen Gesetzgebung und Vollziehung sowie Installati-onsauflagen und Gebaumludestandards als Bundes- oder Landessache geregelt sind Nicht zuletzt ist als neueste rechtliche Regelung das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG 2020) zu nennen zu dem bis Ende Oktober 2020 Stellung genommen werden konnte Mit diesem Gesetz soll der Ausbau von Energie aus erneuerbaren Quellen geregelt werden und gleichzeitig verschiedene Gesetze zu weiteren erneuerba-ren Energiequellen sowie zur Energie- und Elektrizitaumltswirtschaft und zum Infrastrukturausbau geaumln-dert werden Der Beschluss war urspruumlnglich fuumlr den 112021 geplant steht aufgrund von andauern-den politischen Verhandlungen aber nach wie vor aus (DER STANDARD 2021) Das EAG 2020 (Parlament der Rep Oumlsterreich 2020) wird die Rahmenbedingungen fuumlr die Oumlkostromerzeugung weit-gehend aumlndern um in Zukunft privaten Stromerzeugern und Energiegemeinschaften Wege zur dezent-ralen Erzeugung und Nutzung zu ermoumlglichen Durch diese neuen Rahmenbedingungen soll der 100ige Umstieg auf Oumlkostrom1 bis zum Jahr 2030 ermoumlglicht werden indem die Oumlkostromproduk-tion mit zusaumltzlich ca 56 TWh um 48 gegenuumlber der derzeitigen Erzeugung vergroumlszligert wird (KPMG law 2020) Die weitaus groumlszligten Zuwaumlchse werden bei Photovoltaik (+1100 ) und bei Windkraft (+140 ) erwartet Da die Nutzung von beiden erneuerbaren Energiequellen das Mobilisieren groszliger Flaumlchen nebst neuen Standortanforderungen bringt wird rasch einsichtig dass in den naumlchsten Jahren groszlige Anforderungen an die ERP zukommen

Konsolidierung im Verstaumlndnis

Die Diskussion und Kennzeichnung was in Oumlsterreich unter Energieraumplanung zu verstehen sei hat in den letzten Jahren an Intensitaumlt zugenommen und an Praumlzision gewonnen Die Oumlsterreichische Raumordnungskonferenz OumlROK versteht unter Energieraumplanung

bdquoDie Herangehensweise mit der Gemeinden ihre Energie- und Klimazukunft nach-haltig positiv gestalten koumlnnen Das groszlige Ziel dabei ist Energie zu sparen Kosten zu senken und drastisch weniger CO2 auszustoszligenldquo (Oumlsterreichische Raumordnungskonferenz 2019)

1 Gemessen in rechnerischer Gesamtjahresbilanz haumllt Oumlsterreich aktuell bei einem erneuerbar gewonnenen Stromanteil (va

Wasserkraft) von 77 (BMK 2020) Dies ist zwar ein Spitzenwert im europaumlischen Vergleich es sollte dabei aber nicht vergessen werden dass die Energiebedarfe fuumlr Waumlrme und Mobilitaumlt etwa fuumlnf Mal so hoch sind als die fuumlr Elektrizitaumlt - bei gleichzeitig noch erheblich niedrigerem erneuerbaren Energie-Anteil

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Die Taumltigkeitsschwerpunkte liegen auf den drei Themen Energie Mobilitaumlt und Siedlungen also auf dem Umstieg auf erneuerbare Energiequellen auf kompakten Siedlungen mit bdquokurzen Wegenldquo im Sied-lungsgefuumlge (Stadt Region umweltfreundliche Verkehrsverbuumlnden) sowie auf verkuumlrzten Weglaumlngen und Lieferstrecken zwischen Produktion und Konsum von Energie Damit soll insbesondere das Ziel 11

(nachhaltige resiliente Staumldte und Gemeinschaften) der Sustainable Development Goals SDGs (United Nations 2015) unterstuumltzt werden Die Oumlsterreichische Raumordnungskonferenz OumlROK2 als ko-ordinierende Stelle zwischen Fachministerien und den ver-schiedenen Planungsebenen in Oumlsterreich (EU ndash Bund ndash Laumln-der ndash Gemeinden) etablierte die sogenannte Energiepart-nerschaft auf regionaler und lokaler Ebene Damit will die OumlROK strategische Ziele zur Energieeinsparung sowie zum Umstieg aus dem Potentialdreieck Mobilitaumlt - Siedlung ndash Energie forcieren

Abb 1 Das Potenzialdreieck bdquoMobilitaumlt-Siedlung-Energieldquo Quelle Oumls-terreichische Raumordnungskonferenz 2019

Das Umweltbundesamt UBA sieht fuumlr die Energieraumplanung einen neuen Instrumentenmix in den Bereichen Flaumlchenausweisung -recycling Oumlkologisierung des Finanzausgleichs sowie einer Nutzungs-steuer (Umweltbundesamt Oumlsterreich 2020) Deutlich umfassender als die doch sehr heterogenen Auffassungen von Energieraumplanung der Bun-deslaumlnder sind die Definitionen aus der wissenschaftlichen Sicht der Raumplanung Das Institut fuumlr Raumplanung Umweltplanung und Bodenordnung IRUB an der Universitaumlt fuumlr Bodenkultur Wien ver-steht dementsprechend Energieraumplanung

bdquoals Teilgebiet der Raumplanung mit den raumlumlichen Dimensionen von Energiever-brauch und Energieversorgung Sie ist ein wesentlicher Bestandteil zur Erfuumlllung der internationalen Klimaschutzziele Als Pendant zur Energieeffizienz von Gebaumluden gibt es auch energieeffiziente Raum- und Siedlungsstrukturen die sich durch Funk-tionsmischung maszligvolle Dichte kurze Wege und Kompaktheit auszeichnen Raumlum-liche Dimensionen der Energieversorgung liegen in der Standortsicherung von Ener-giegewinnungs- -verteilungs- und -speicheranlagen Daruumlber hinaus sind Flaumlchen fuumlr die Bereitstellung erneuerbarer Ressourcen zu sichern Dies ist unter moumlglichster Vermeidung von Landnutzungskonflikten vorausschauend zu planenldquo (Institut fuumlr Raumplanung Umweltplanung und Bodenordnung (IRUB) 2012)

Am Institut fuumlr Raumplanung an der TU Wien sieht Hartmut Dumke in seiner Dissertation fuumlr die Ener-gieraumplanung sehr heterogene Anforderungen - ausgehend vom sehr groszligen Konfliktpotenzial un-ter sich aumlndernden Bedingungen sowie der Vielfalt an Themen (Waumlrme Elektrizitaumlt Mobilitaumlt) Er de-finiert Energieraumplanung als ein integratives Bemuumlhen um die drei Zieldimensionen energietechni-sche Sanierung von Gebaumluden Erhoumlhung des Anteils erneuerbarer Energie und Senken des Energiebe-darfs im Siedlungsgefuumlge (Dumke 2017 S 21ndash22)

2 In Oumlsterreich ist Raumplanung (siehe dazu naumlchstes Kapitel bdquorechtliche Grundlagenldquo) in der Kompetenz der Bundeslaumlnder

Motivation fuumlr die Gruumlndung OumlROK war ua trotz dieser Tatsache einen bundeslanduumlbergreifenden Diskurs in der Raum-planung und Raumordnung zu ermoumlglichen

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Diese Denkweise haben mittlerweile auch strategische Konzepte auf Bundesebene aufgenommen al-lerdings verbunden mit dem Appell dass die Verankerung im Steuerungsinstrumentarium noch groszlig-teils aussteht

bdquoEine uumlberregional koordinierte und vorausschauende Energieraumplanung vor al-lem in Hinblick auf groszlige Infrastrukturprojekte fuumlhrt zu einer Reduktion des Kon-fliktpotenzials und dadurch zu einer houmlheren Akzeptanz in der Bevoumllkerung [ hellip] Dabei koumlnnen moderne integrierte Energiekonzepte in der Raumplanung zur Ent-scheidungsfindung bei Flaumlchenwidmung der Investition in Infrastruktur sowie Vergabe von Foumlrderungen wie der Wohnbaufoumlrderung eingesetzt werden Wichtig ist auch die Verankerung der Energieraumplanung in den Raumordnungsgesetzen bzw den Bauordnungen der Bundeslaumlnder wofuumlr es bereits erfolgreiche Beispiele gibtldquo (BMNT 2019)

Fasst man diese Perspektiven unter Beruumlcksichtigung der Einwaumlnde und Anforderungen einer Reihe von befragten Experten und Expertinnen an die ERP zusammen dann kann sie folgendermaszligen fuumlr die Planung in Oumlsterreich gekennzeichnet werden (vgl Giffinger et al 2020 S 9)

Energieraumplanung ist als zunehmend eigenstaumlndiges Teilgebiet der Raumpla-nung zu betrachten die unter Beruumlcksichtigung der raumlumlichen Dimensionen darauf abzielt Klimaziele zu unterstuumltzen Dies erfolgt durch Steuerungsansaumltze welche helfen den Energieverbrauch zu reduzieren und Energieversorgung und -bereitstel-lung unter Einsatz moderner Technologien dezentral und nachhaltig zu gestalten Wichtigste drei Zieldimensionen sind Energieeinsparung unter Beibehaltung der Versorgungssicherheit Umstieg und Steigerung des erneuerbaren Energieanteils am Gesamtbedarf und eine Veraumlnderung der Mobilitaumltsentwicklung auf Basis kom-pakter Siedlungen und umweltfreundlicher Mobilitaumltssysteme Angesichts der be-nannten Ziele zaumlhlen (1) das Flaumlchenmanagement zur Reduktion des Flaumlchenver-brauchs (2) die Bereitstellung von Flaumlchen zur Produktion und Nutzung erneuerba-rer Energieressourcen und (3) die Sicherung neuer Trassen zur Energie-Versorgung zu den Hauptaufgaben der Energieraumplanung Energieraumplanung bedarf an-gesichts der territorial spezifischen Rechtsbedingungen (international-national-fouml-deral-kommunal) eines integrierten Ansatzes zur Unterstuumltzung von Transformati-onsprozessen in einer Mehr-Ebenen Perspektive

International ist das Konzept bdquoEnergieraumplanungldquo mittlerweile als bdquoIntegrated spatial and energy planningldquo bekannt geworden und wurde von Oumlsterreich aus in die globale Fachwelt verbreitet Auch wenn der englische Begriff nicht dieselbe Kraft hat wie das deutsche Wort bdquoEnergieraumplanungldquo ist die Synergie zwischen den SDGs und den neun Handlungsfeldern der Energieraumplanung thematisch offensichtlich und wurde mittlerweile auch schluumlssig argumentiert (Stoumlglehner 2020)

10 Jahre Energieraumplanung in der forschungsgeleiteten Ausbildung

In der nun 50-jaumlhrigen Geschichte der Studienrichtung Raumplanung an der TU Wien ist das Thema Raumplanung ndash Energiebedarf ndash Ressourcenverbrauch seit jeher mehr oder weniger explizit in den Forschungs- und Ausbildungsschwerpunkten beruumlcksichtigt worden Einen guten Uumlberblick zur Ent-wicklung und Sichtweisen bieten hierzu die vielfaumlltigen Beitraumlge aus den Forschungsbereichen des In-stituts fuumlr Raumplanung (siehe Dillinger et al (2020) zu einzelnen Thematiken)

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Eine sogenannte Anschubfinanzierung durch die TU Wien fuumlhrte zu einer uumlber mehrere Forschungsbe-reiche koordinierten Beschaumlftigung zu Fragen der Energieraumplanung im Rahmen des Projekts ENUR ndash Energie im urbanen Raum 2012 bis 2014 (Department fuumlr Raumplanung 2013) Wichtige Ergebnisse des Projektes waren Analysen und Modellierungen des Energiebedarfs in den Bereichen WaumlrmeKuumlh-len und Mobilitaumlt in unterschiedlichen Raumbezuumlgen Rebound-Effekte bei Energieeinsparungen Governance-Analysen zur Energieraumplanung sowie Visualisierung von Energiekennzahlen in der oumlrt-lichen Planung Die Forschungsaktivitaumlten brachten eine Reihe von spezifischen Grundlagen wie fol-gende Abbildungen beispielhaft veranschaulichen3

Abb 2 Projekt ENUR Oumlsterreichweites Ras-termodell (250 x 250 m) zum Heizwaumlrmebe-darf in kWh pro Jahr und Einwohner und Ein-wohnerinnen Quelle Department fuumlr Raum-planung 2013

Abb 3 Projekt ENUR Gebaumludegenaue 3D-Modellierung von Energiekennzahl-Werten in Feldkirch Vorarlberg Quelle Department fuumlr Raumplanung 2013

Abb 4 Projekt ENUR Beispiel eines Akteurs-mappings Quelle Department fuumlr Raumpla-nung 2013

Diese Arbeiten waren Ausgangspunkt fuumlr die Etablierung des Themas Ener-gieraumplanung in der Studienrich-tung Raumplanung und Raumord-nung

3 Weitere Informationen und Abbildungen finden sich auf der Projektwebsite httpenurprojecttuwienacat

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Eine inzwischen groszlige Vielfalt von Forschungsprojekten sowie ein Doktoratskolleg zum Thema bdquoEnergy Awareness of urban and regional Developmentldquo erbrachte neben Publikationen eine Reihe entspre-chender praxisorientierter studentischer Projekte Seminare und Vorlesungen in der Studienrichtung vgl hierzu auch die Projektdatenbank der TU Wien (TU Wien 2021a) und die Publikationsdatenbank der TU Wien zum Schwerpunkt Umwelt und Energie (Schlagwort-Suche unter Fakultaumlt fuumlr Architektur und Raumplanung 2021) sowie die Lehrveranstaltungsangebote seit 2010 Da man dieser Vielfalt in der weiteren Darstellung nicht umfassend gerecht werden kann werden im folgendem zwei spezifi-sche Entwicklungslinien in Forschung und Lehre der letzten Jahre im Mittelpunkt erlaumlutert

Wichtige evidenzbasierte transformative Forschungsprojekte zur Energieraumplanung

Auf Basis programmatischer Foumlrderansaumltze zur Forcierung der Energiewende erfolgten im Institut fuumlr Raumplanung eine Reihe von Projekten zur Grundlagenforschung wie auch zur Prozessgestaltung Grundlagenforschung zur Energie- und Mobilitaumltswende erfolgte zum Beispiel in Projekten

bull zum kleinraumlumigen Energiebedarf (HeizenKuumlhlen) in den Siedlungsstrukturen Oumlsterreichs (ENUR ndash Energie im urbanen Raum Energieraumlumliche Typologie Wien AnergieUrban) oder zu den gebaumludespezifischen Energie-Einsparungspotentialen durch Sanierung im Projekt E_Profil

bull in einer bdquoVorstudie zum Fachkonzept bdquoEnergie-Raum-Planungldquo zu einigen Zielstellungen fuumlr verbindliche Verordnungen in der Wiener Bauordnung

bull zu den Erreichbarkeitsbedingungen nach verschiedenen Verkehrstraumlgern und deren subjekti-ver Einschaumltzungen zur Optimierung des Verkehrsangebots (Mobility2know GesMo ENUR active8 Remihub) und Beeinflussung des Nutzerverhaltens im Bereich der Shared Mobility (z B MICHAEL LaraShare Klimaentlaster) fuumlr eine nachhaltige und bedarfsorientierte Mobili-taumltsentwicklung

Forschung zur Prozessgestaltung erfolgte mithilfe sehr unterschiedlicher transdisziplinaumlrer Ansaumltze

bull Unter Verwendung eines mehrdimensionalen Profil-Ansatzes wurde im Projekt E_Profil ein evidenzbasierter Ansatz zum Vergleich IST-Profil und zukuumlnftiges SOLL-Profil zur Gestaltung der Energiewende in Form eines digitalen Tools erarbeitet um auf Ebene von Stadtquartieren Transitionsprozesse transparent zu gestalten

bull Um innovative Energieprojekte in strukturschwachen Regionen zu realisieren wurde im Pro-jekt PLAISIR herausgearbeitet welche Bedeutung dabei insbesondere sozialem Kapital zur Un-terstuumltzung einer an Ressourcen orientierten Energieraumplanung zukommt

bull Um die Mobilitaumltswende zu forcieren wurde im Projekt ULTIMOB vor dem Hintergrund mo-derner Technologien das Hauptaugenmerk auf das Zusammenspiel zwischen Verhalten der Nutzenden und Governance gelegt

bull Im Sinne transdisziplinaumlrer Forschung zur Mobilitaumltswende schafft das urbane Mobilitaumltslabor aspernmobil LAB im Sinne der bdquoquadruple helixldquo eine Forschungsumgebung um effiziente und praxisnahe Mobilitaumltsloumlsungen zu erarbeiten

bull Um die Effektivitaumlt von Strategien von Staumldten und Gemeinden angesichts von Klimawandel und Wettbewerbsdruck zu verbessern sind Projekte zum Thema Smart City durchgefuumlhrt wor-den Diese Projekte (Smart City Graz Planning Energy Efficient Cities ndash PLEEC Smart Kom Kra-kow Smart City Ebreichsdorf) entwickeln unter Einbeziehung von Stakeholdern aus den unter-schiedlichsten Fachbereichen der Stadtentwicklung in Befragungen Workshops und Arbeits-gruppen oder Netzwerken eine Reihe von strategischen Projekten zur Energie- und Mobilitaumlts-wende

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Problem- und umsetzungsorientierte Lehre zur Energieraumplanung

Aufbauend auf den oben beschriebenen Forschungsprojekten wurde mit Einfuumlhrung des Mastercurri-culums im Jahr 2012 das Thema verstaumlrkt in den Grundlagenlehrveranstaltungen und auch als vertie-fender Ausbildungsschwerpunkt in einem Wahlmodul Energieraumplanung verankert Im Fokus steht die Vermittlung von Steuerungsmoumlglichkeiten zu Fragen der energiebewussten Stadt- und Regional-entwicklung vor dem Hintergrund von Klimawandel und Ressourcenknappheit Die dabei benoumltigten Grundlagen zu den treibenden Faktoren im raumlumlich differenzierten Energiebedarf bezuumlglich Infra-strukturen und Mobilitaumlt Bebauungs- und Siedlungsstrukturen sowie Anforderungen an energie- und ressourcenschonende raumlumliche Entwicklung werden von den Studierenden im Rahmen der Lehrver-anstaltungen des Moduls erarbeitet Die Moumlglichkeiten aber auch die Grenzen der Raumplanung zur Reduzierung des Bedarfs einerseits sowie zur Steuerung einer nachhaltigen Versorgung (Einsparung Verlagerung auf erneuerbare Ressourcen) andererseits werden unter strategisch-konzeptiven und in-strumentellen Aspekten identifiziert diskutiert und kreativ weiterentwickelt um die entsprechenden Planungs- und fuumlr maszliggeschneiderte Loumlsungsvorschlaumlge zu definieren In der Hauptvorlesung werden einerseits Grundlagen und Kennzahlen im Bereich Energie rechtliche Rahmenbedingungen und ener-giepolitischen Ziele sowie Potenziale erneuerbarer Energietraumlger (mit Fokus auf Oumlsterreich) vermittelt Andererseits wird groszliges Augenmerk auf die Analyse der Energieeffizienz von Raum- und Siedlungs-strukturen sowie auf die direkten und indirekten Schnittstellen der Bereiche bdquoEnergieldquo (in den Dimen-sionen Waumlrme Strom Mobilitaumlt) und bdquoRaumplanungldquo sowie auf moumlgliche Steuerungsansaumltze gelegt In einer Vorlesungsuumlbung werden anhand ausgewaumlhlter (Praxis-)Beispiele die wesentlichen Schritte fuumlr eine erfolgreiche Energieraumplanung durchgefuumlhrt ndash die Studierenden beschaumlftigen sich dabei eigenstaumlndig mit der Evaluierung des Potenzials erneuerbarer Energietraumlger und Entwicklung von Sze-narien und Entwicklungsstrategien zur Optimierung bzw Weiterentwicklung vorhandener Raum- und Energiestrukturen Erstellung von Energieplaumlnen und Der Vermittlung der Ergebnisse an unterschied-liche Stakeholder Das schematische Vorgehen insbesondere in den praktischen Teilen folgt dem ab-gebildeten Prozess

Abb 5 Schematischer Ablauf der VU Energie- und klimarelevante Ana-lyse und Planung im WS 20192020 in Koopera-tion mit der Klima- und Energiemodell Region so-wie der Marktgemeinde Voumlsendorf Quelle Ei-gene Bearbeitung nach Dumke et al 2017a

Eine Reihe von weite-ren Vorlesungsuumlbun-gen vertiefen die Her-ausforderungen zur Steuerung von mitigativen und adap-tiven Prozessen hin zu

einer klimagerechten Entwicklung Dabei wird das Hauptaugenmerk auf die Qualitaumlt des Steuerungs-verstaumlndnisses gelegt einerseits durch die Analyse und Bewertung von Strategieplaumlnen und Marke-ting-Konzepten und andererseits von neuartigen Living Labs in verschiedenen Varianten Weitere Vor-lesungsuumlbungen fokussieren gezielt auf zukuumlnftige Planungsanforderungen um die Studierenden rechtzeitig auf neue Fragestellungen vorzubereiten

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Das Interesse die Nachfrage und die Leistungsbereitschaft der Studierenden sind dabei erfahrungsge-maumlszlig sehr hoch auch die Resultate wissen zu uumlberzeugen Im Folgenden ein Beispiel hierzu

Abb 6 Ergebnis studenti-scher Projektarbeit Quelle Marktgemeinde Voumlsendorf Klima- und Energiemodellre-gion Voumlsendorf Institut fuumlr Raumplanung (TU Wien) 2019

In Seminaren wird das Verstaumlndnis von Nachhaltigkeit Mitigation und Adaption Smart City oder wie zuletzt von Klimawandel und Resilienz in der Stadt- und Regionalentwicklung kritisch hinterfragt Ziel dieser Seminare ist das Vertiefen konzeptiver Ansaumltze um in eigenstaumlndiger Arbeit entsprechende Strategien von Staumldten und Regionen zu bewerten sowie Empfehlungen aus der Sicht der (Energie-) Raumplanung in einem prozessorientierten Verstaumlndnis zu erarbeiten

Zukuumlnftige Anforderungen an die Energieraumplanung

Betrachtet man Energieraumplanung aus der OumlROK-Perspektive als bdquoTeil der Raumplanungldquo so laumlsst sich sagen dass sowohl das bestehende (klassische) Instrumentarium als auch die (klassischen) Ziele der Raumplanung zur Steuerung der Siedlungsentwicklung auch fuumlr die Energieraumplanung geeignet sind Aufgrund der Erfahrungen zu zunehmend komplexeren Aufgaben der ERP ist aber auch zu beto-nen dass in der Umsetzung aufgrund der Kompetenzsplittung der Raumplanung zwischen Bundeslaumln-dern und Gemeinden sowie von Fachmaterien uumlber verschiedene Bundesministerien ein klares Defizit festzustellen ist (Schremmer 2020) Es braucht offenbar ein klar integratives auf die lokalen Bedingun-gen und Interessen abgestelltes Verstaumlndnis von ERP um veraumlnderte Flaumlchenanspruumlche und -nutzun-

gen zu koordinieren und Transitionsprozesse zur Energiewende effektiv steuern zu koumlnnen Ab-bildung 7 verdeutlicht die heute komplexen Anforderungen und Wir-kungsbereiche noch-mals denen sich die ERP heute gegenuumlbersieht

Abb 7 Wechselwirkungen Raumplanung und Energie Quelle Eigene Abbildung

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Die geaumlnderten Anforderungen spiegeln sich in der aktuellen Studienplanreform wider und gehen ge-meinsam mit dem stark verflochtenen Bereich Mobilitaumlt in ein neues erweitertes und vergroumlszligertes Wahlmodul ein Neben den bereits bestehenden Themen wird besonders Wert auf die integrative Be-trachtung des Bereichs Mobilitaumlt im Kontext von Umwelt und Klima und damit auch in Verbindung mit Energiebedarf als eine unverzichtbare Schnittstelle zur Energieraumplanung gelegt Durch die inte-grierte Betrachtung von Mobilitaumlt Verkehr und Energie sollen planerische Strategien Konzepte und Maszlignahmen unter Einbeziehung spezifischer Wirkungsauspraumlgungen (z B fuumlr Raum Umwelt Wirt-schaft und Gesellschaft) und Wechselwirkungen (z B Energieverbrauch Umweltbeeintraumlchtigung hellip) selbststaumlndig erarbeitet werden (Quelle Moduldeskriptor Wahlmodul 4 ndash Mobilitaumlt und Energie) Fuumlr kuumlnftige Forschungs- und Lehrinhalte ergeben sich aus der bisherigen 10-jaumlhrigen Erfahrung in Lehre und Forschung zwei strategische Anforderungen um die Kompetenz der Absolventinnen und Absolventen zu verbessern Erstens geht es unter dem Begriff bdquoDatenlage Datenschutz und Modellie-rungenldquo darum wie trotz nach wie vor unbefriedigender und sehr heterogener Qualitaumlt der Daten eine Verbesserung in den Modellierungen der Energieraumplanung erreicht werden kann Folgende Anforderungen stellen sich daher

bull Bestehende Datenschichten wie der AGWR (Statistik Austria 2013) liefern derzeit unzu-reichend belastbare Grundlagen fuumlr Aussagen auf Ebene der Gebaumlude- und Siedlungseinheiten zur Modellierung und Abschaumltzung des Energiebedarfs Bislang erfolgte Modellierungsansaumltze ndash ergaumlnzt durch Energiekennzahlen oder Sanierungsraten ndash liefern nur sehr ungenaue Aussa-gen (Department fuumlr Raumplanung 2013) Vielversprechend waumlren etwa lokale Erhebungen (Fachbereich Stadt- und Regionalforschung 2017) oder der verstaumlrkte Einsatz von Open Data und cloudbasierten User- und Userinnendaten Solche Datenquellen sollten dann Zweck ori-entiert den verschiedenen Akteursgruppen und insbesondere jenen in Forschung und Lehre zugaumlnglich gemacht werden

bull Im Bereich der Mobilitaumlt hat sich bezogen auf die Datengrundlagen in den letzten zehn Jahren viel getan Aus Daten der Verkehrsauskunft Oumlsterreich (VAO) der Graphenintegrationsplatt-form (GIP) oder auch den zuletzt entwickelten OumlV-Guumlteklassen wurden Daten- und damit ver-bundene Planungsgrundlagen erarbeitet Im Sinne einer integrierten Planung waumlre es notwen-dig solche Daten in einem einfach handhabbaren Format fuumlr alle Planenden sowie in For-schung und Lehre zur Verfuumlgung zu stellen Zurzeit kommt es zu groszliger Ineffizienz aufgrund mangelnder Moumlglichkeiten des Zugangs zu diesen Datenquellen Zudem fehlen in Oumlsterreich praumlzise und kleinraumlumige Paneldaten zum Mobilitaumltsverhalten uumlber laumlngere Zeitraumlume und mehrere Zeitpunkte die Verhaltensaumlnderungen und -variationen zeigen wuumlrden

bull Die vielgehoumlrte Kritik Analysen und Modelle mit Gebaumlude- oder Quartiersgenauigkeit sei in Oumlsterreich nicht mit dem Datenschutz zu vereinbaren ist zu respektieren aber kritisch zu hin-terfragen Auch in anderen EU-Laumlndern gibt es Datenschutzgesetze aber dort existieren Grundlagendaten gebaumludegenau und diese Informationen sind oumlffentlich und kostenfrei zu-gaumlnglich (vgl u a FIZ Karlsruhe ndash Leibniz-Institut fuumlr Informationsinfrastruktur GmbH 2018 und City of Amsterdam 2018)

bull Zwar gibt es im Sinne der Energieraumplanung mittlerweile interessante rasterbasierte Grund-lagendaten und -auswertungen wenngleich noch bei weitem nicht oumlsterreichweit Bereits be-sonders gut einsetzbare Tools und Daten gibt es derzeit nur in der Steiermark in Wien und in Salzburg) Zugleich bilden aber kleinraumlumige Rasterdaten Siedlungen oder Quartiere als physi-schen und funktional-relationalen Raum ab den sozial-relationalen Entscheidungsraum gilt es durch geeignete Methodentriangulation zu erfassen Die kuumlnftige Lehre und Forschung muss daher in interdisziplinaumlren Ansaumltzen versuchen ERP auf Quartiersebene zu etablieren um sinnvolle Bezuumlge zwischen gebautem unbebautem und sozialen Raum zu entwickeln welche belastbare Aussagen zur Transformationsprozessen ermoumlglichen

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Zweitens muss kuumlnftig auch das bestehende und neu zu entwerfende Instrumentarium der Energie-raumplanung unter dem Blickwinkel von Serialitaumlt und Verbindlichkeit bewertet werden um deren Effektivitaumlt zu verbessern

bull Das bestehende rechtliche Instrumentarium enthaumllt bereits einige Steuerungsoptionen mit Be-zug zur Energieraumplanung ndash etwa direkte Festlegungen im Bebauungsplan die den Einsatz von erneuerbarer Energie unterstuumltzen oder indirekte z B die intensivierte Entwicklung der Siedlungsflaumlchen nach innen o auml Als weiteres Beispiel sei das Instrument von oumlrtlichen Ener-giekonzepten genannt ndash die zwar zum Teil auch als Bestandteile von oumlrtlichen Entwicklungs-konzepten in den Raumordnungsgesetzen genannt allerdings nicht verbindlich sind For-schung und Lehre sollte daher derartige Instrumente auf Ihre Wirksamkeit und Verbindlich-keitsbewerten bzw neue effektivere Instrumente entwickeln

bull Gerade im Bereich der Energieraumplanung stellt sich angesichts regionaler Verflechtungen zur Bereitstellung und zum Bedarf die Frage ob die Lenkungsverantwortung auf der kommu-nalen Ebene ausreichend effektiv sein kann Der Ansatz von Klima- und Energiemodellregionen ist daher unseres Erachtens eher zielfuumlhrend wenn Umsetzbarkeit und Zielerreichung der Energieraumplanung kuumlnftig verbessert werden sollen Nur so waumlren mehr verbindliche Vor-gaben (Empfehlungen aber auch Einschraumlnkungen etwa in Form von Energieraumplaumlnen mit Eignungs- und Ausschlusszonen) auf regionaler Ebene moumlglich um gewisse Energieformen in manchen Regionen gegenuumlber anderen zu priorisieren wie es zB in kantonalen Energiericht-plaumlnen in der Schweiz (Kanton Zuumlrich 2018) der Fall ist Vereinfacht gesagt gehoumlrt erforscht ob eine solche bdquoVerlagerung der Lenkungsverantwortungldquo von der kommunalen zur regiona-len und Bundeslandebene hin die bisherigen Erfolge der Energieraumplanung schneller und einfacher als bisher wiederholbar machen kann Eine Notwendigkeit zur verbesserten Planung und effektiveren Umsetzung ist es daher in der kuumlnftigen Lehre und Forschung der Energie-raumplanung bestehende Geschaumlftsmodelle auf der innerstaumldtischen Quartiersebene oder auf der regionalen Ebene von Territorien kritisch zu bewerten und neue Kooperationsformen zu entwerfen Obwohl es schon einige Vorschlaumlge dazu gibt (siehe u a Essig et al 2017 Madner und Parapatics 2016 Dumke et al 2017b oder Giffinger et al 2020) ist deren Konzeption und Wirksamkeit bislang nicht ausreichend erforscht und findet in der Lehre noch zu wenig Ein-gang

Resuumlmee und Ausblick

Angesichts ehrgeiziger Ziele und Anforderungen im Steuerungsinstrumentarium ist eine Reihe von Neuerungen und Ergaumlnzungen mit speziellem Fokus auf das Thema Energiewende notwendig Insbe-sondere bei der Energieproduktion wurde der Einsatz von eingriffsintensiven und sichtbaren Energie-traumlgern (Landschaftsbild Umwelt Flaumlchenbedarf) staumlrker reglementiert Trotzdem gilt insgesamt dass sich bereits mit dem bestehenden Instrumentarium etliche Aspekte der Energieraumplanung umset-zen lassen z B Beruumlcksichtigung des Themas im oumlrtlichen Entwicklungskonzept Ausweisung der not-wendigen Flaumlchen fuumlr Verdichtung Innenentwicklung sowie Ausweisung von Versorgungsflaumlchen fuumlr Energie Staumlrkere Beruumlcksichtigung energetischer Aspekte im Bebauungsplan etc (Weninger 2016) Allerdings waumlre es sehr wuumlnschenswert die Instrumente in Oumlsterreich auf der Stadtquartiersebene sowie auf der regionalen Ebene staumlrker zu forcieren Angesichts der steigenden Erwartungen werden trotz des umfassenderen Verstaumlndnisses der ERP Defizite zur effektiv gestalteten Energiewende deut-lich Neue Anforderungen an Forschung und Lehre sind deutlich erkennbar um die ERP besser zu etab-lieren und effektiver zu machen Es sind sowohl die Informationsgrundlagen als auch die Verbindlich-keit von Instrumenten auf ihre Brauchbarkeit kritisch in Forschung und Lehre zu bewerten sowie intel-ligente und kreative Vorschlaumlge zu neuen Ansaumltzen und Instrumenten zu entwickeln

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Die Bemuumlhungen um eine bdquoEnergieraumplanungldquo in Oumlsterreich haben etwa 2009 begonnen und seit-her laufend an Bedeutung gewonnen dies ebenso im Institut fuumlr Raumplanung Politisch hat die Ener-gieraumplanung angesichts der draumlngenden Probleme des Klimawandels in den letzten Jahren kraumlftig Ruumlckenwind bekommen ndash sei es durch international koordinierte Initiativen und Vereinbarungen oder auf nationaler Ebene durch neue politische Konstellationen Trotzdem bleibt abzuwarten ob dieser Ruumlckenwind sich auch in einer staumlrker wahrgenommenen Lenkungsverantwortung auf nationaler und foumlderaler Ebene in Oumlsterreich manifestieren wird Eine Staumlrkung der regionalen Ebene aufgrund der erkennbaren Problemlagen aus Forschung und Lehre waumlre jedenfalls sehr dringlich

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United Nations (2015) Sustainable Development Goals (SDG) Online verfuumlgbar unter httpswwwunorgsustainabledevelopmentsustainable-development-goals zuletzt aktualisiert am 23042020 zuletzt gepruumlft am 23042020

Verfassungsgerichtshof (VfGH) (1954) Erkenntnis 2674 Kompetenzfeststellungserkenntnis des VfGH zur Raumordnung als Landessache Online verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatVfghEntschei-dungwxeAbfrage=VfghampDokumentnummer=JFT_19540623_54K0II_2_00ampIncludeSelf=False zuletzt aktualisiert am 20042020 zuletzt gepruumlft am 20042020

Weninger Kurt (2016) Erneuerbare Energie in der Raumplanung Raumordnungsrechtliche und -fachliche Aspekte erneuerbarer Energie in Oumlsterreich Diplomarbeit Wien Online verfuumlgbar unter

Dumke Giffinger Weninger (2021) 10 Jahre Forschung und Lehre zur Energieraumplanung am Institut fuumlr Raumplanung an der TU Wien Erfahrungen und Ausblick DOI 10347261031

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  • Vorwort
    • Rudolf Giffinger Martin Berger Kurt Weninger Sibylla Zech
      • Energie und Klimaschutz in hoheitlichen Planungsprozessen beruumlcksichtigen ndash Bedarf Anwendungsfaumllle und Loumlsungsansaumltze aus der Praxis
        • Alexander Rehbogen (1) und Helmut Strasser (2)
          • Einleitung
          • These 1 Energie- und klimaschutzbezogene Inhalte sollten im Kontext der Raumplanung Beruumlcksichtigung finden
          • These 2 Drei Bereiche sind fuumlr die Beruumlcksichtigung energiebezogener Fragestellungen in der Raumplanung maszliggeblich Siedlungsstruktur und Gebaumludebestand Energieversorgungsinfrastruktur und die Nutzung lokaler erneuerbarer Ressourcen
          • These 3 Energiebezogene Inhalte sollen und koumlnnen direkt an bestehende Prozesse der Raumplanung anknuumlpfen
          • These 4 Die erforderliche Information zur Umsetzung von Raumlumlicher Energieplanung muss und kann standardisiert und effizient bereitgestellt werden
          • These 5 Notwendige Datengrundlagen in moumlglichst feiner Granularitaumlt und hoher Aktualitaumlt sind unter Beruumlcksichtigung des Datenschutzes verfuumlgbar zu machen
          • These 6 Den Bundeslaumlndern kommt eine Schluumlsselrolle in der Implementierung von raumlumlicher Energieplanung zu
          • Schlussfolgerungen Ausblick
          • Literatur
              • Das Sachbereichskonzept Energie in der Steiermark Ein Buumlndel aus rechtlicher Verankerung fachlichen Grundlagen fundierter Beratung und finanzieller Foumlrderung
                • Lore Abart-Heriszt (1) Dieter Preiszlig (2) und Michael Redik (3)
                  • Rahmenbedingungen des Landes fuumlr die Energieraumplanung in der Steiermark
                  • Energie- und Treibhausgasdatenbanken und die Ausweisung energieraumplanerischer Standortraumlume
                    • Kommunale Energie- und Treibhausgasdatenbank
                    • Rasterbasierte Energie- und Treibhausgasdatenbank
                    • Energieraumplanerische Standortraumlume
                      • Klimaschutz und das Foumlrderungsprogramm zur Energieraumplanung in der Steiermark
                      • Schlussbemerkung
                      • Literatur
                          • Energieraumplaumlne ndash ein Meilenstein am Weg zur nachhaltigen Energiezukunft Wiens
                            • Susanna Erker (1) Andrea Kinsperger (2) Herbert Hemis (3) und Bernd Vogl (4)
                              • Einleitung
                              • Wo stehen wir
                                • Die Waumlrmewende
                                • Erdgas und Fernwaumlrme im Waumlrmesektor
                                  • Wo wollen wir hin
                                  • Die Energieraumplaumlne ndash ein neues Planungsinstrument fuumlr die Waumlrmewende
                                    • Die Abgrenzung der Klimaschutz-Gebiete
                                    • Der Prozess hinter den Energieraumplaumlnen
                                    • Die Auswirkungen der Energieraumplaumlne
                                      • Wie geht es weiter
                                      • Literatur
                                          • Energieraumplanung Das oumlsterreichische Instrumentarium im IST und SOLL
                                            • Hartmut Dumke (1) und Stefan Geier (2)
                                              • Einleitung
                                              • Erfolgsgeschichten
                                              • Instrumente der (E)RP
                                              • Fazit
                                              • Literatur
                                                  • Datenlandschaft der Energieraumplanung ndash eine Standortbestimmung
                                                    • Robert Kalasek (1) und Florian Puumlhringer (2)
                                                      • Energieraumplanung braucht Information
                                                      • Datengrundlagen und Datenqualitaumlt
                                                        • Anspruumlche an Datenqualitaumlt
                                                        • Informationen zum Energieverbrauch
                                                        • Gebaumlude- und Wohnungsdaten
                                                        • Energieausweis als Informationssubstitut
                                                        • Daten zur Energieinfrastruktur
                                                          • Informationsaustausch
                                                            • Rolle der oumlffentlichen Verwaltung (Administration)
                                                            • Rolle von Unternehmen aus dem privaten Sektor
                                                              • Fazit
                                                              • Literatur
                                                                  • Das Energiemosaik Austria Eine Energie- und Treibhausgasdatenbank fuumlr alle oumlsterreichischen Staumldte und Gemeinden
                                                                    • Lore Abart-Heriszt (1)
                                                                      • Die Entwicklung einer strategischen Datenbank als Aufgabenfeld der Energieraumplanung
                                                                      • Statistische Datenbasis
                                                                      • Strukturdaten Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen
                                                                      • Nutzungen Verwendungszwecke und Energietraumlger
                                                                      • Raumlumliche Parameter Energiekennzahlen und Emissionsfaktoren
                                                                      • Modellierung des Energieverbrauches und der Treibhausgasemissionen
                                                                      • Energieverbrauch in Oumlsterreich
                                                                      • Treibhausgasemissionen in Oumlsterreich
                                                                      • Schlussfolgerungen
                                                                      • Literatur
                                                                          • Institutionelle Gestaltung von energieraumplanerischen Politiken Das Fallbeispiel der niederlaumlndischen Windkraftzonierung
                                                                            • Pia Nabielek (1)
                                                                              • Einleitung
                                                                              • Institutionelle Gestaltung
                                                                              • Das Fallbeispiel des niederlaumlndischen Strukturplans fuumlr Onshore-Windkraftanlagen
                                                                              • Schlussfolgerungen
                                                                              • Danksagung
                                                                              • Literatur
                                                                                  • Elektromobilitaumlt Integration von Elektromobilitaumlt in die Verkehrsplanung ndash welche Anpassungen unserer Werkzeuge brauchen wir
                                                                                    • Martin Kagerbauer (1)
                                                                                      • Ausgangslage
                                                                                      • Definition
                                                                                      • Anforderungen der Elektromobilitaumlt an die Planungswerkzeuge
                                                                                      • Anpassung der Planungswerkzeuge
                                                                                        • Erhebung
                                                                                        • Modellierung
                                                                                          • Schlussfolgerung
                                                                                          • Literatur
                                                                                              • Ansaumltze fuumlr die Mobilitaumlts- und Energiewende im staumldtischen Guumlterverkehr
                                                                                                • Bert Leerkamp (1)
                                                                                                  • Ausgangslage
                                                                                                  • Herausforderungen fuumlr eine gebietsbezogene Buumlndelung
                                                                                                  • Ansaumltze einer gebietsbezogenen Buumlndelung im Bereich der Einzelhandels- und Endkundenversorgung
                                                                                                    • Beispiele fuumlr sektorale gebietsbezogene Buumlndelung (KEP-Logistik)
                                                                                                    • Beispiel fuumlr sektorale kooperative gebietsbezogene Buumlndelung (Stuumlckgutlogistik)
                                                                                                    • Beispiel fuumlr kooperative gebietsbezogene Buumlndelung (Integration von KEP- und Stuumlckgut)
                                                                                                    • Gebietsspediteur Ansatz fuumlr eine regulatorische Gestaltung
                                                                                                      • Initiierung gebietsbezogener Buumlndelungskonzepte durch die Kommunen
                                                                                                      • Steuerung der Energiewende im staumldtischen Lieferverkehr
                                                                                                      • Sicherung von Logistikflaumlchen in der Stadt als Voraussetzung fuumlr Buumlndelung
                                                                                                      • Literatur
                                                                                                          • Neue Wege in der Energieraumplanung
                                                                                                            • Gernot Stoumlglehner (1)
                                                                                                              • Ausgangslage
                                                                                                              • Strategie in der Energieraumplanung
                                                                                                                • Strategische Datenbasis
                                                                                                                • Planungsmethodik
                                                                                                                • Institutionelle Rahmenbedingungen
                                                                                                                  • Sektorkopplung als neue Herausforderung fuumlr die Energieraumplanung
                                                                                                                  • Didaktik der Energieraumplanung
                                                                                                                  • Fazit
                                                                                                                  • Literatur
                                                                                                                      • Die deutsche Energiewende zwischen Wirtschafts- und Klimazielen ndash eine geographische Perspektive
                                                                                                                        • Britta Klagge (1)
                                                                                                                          • Einfuumlhrung
                                                                                                                          • Geographien und Governance der deutschen Energiewende
                                                                                                                          • Die deutsche Energiewende positive wirtschaftliche Effekte aber klimapolitisch (bisher) kein Erfolg
                                                                                                                          • Aktuelle klima- bzw energiepolitische Maszlignahmen Klimapaket (2019) und SINTEG-Modellregionen (2017-2020)
                                                                                                                            • Das Klimapaket von 2019 umfangreiches Investitionsprogramm aber klimapolitisch wenig ambitioniert
                                                                                                                            • SINTEG 2017-2020 Foumlrderung von Modellregionen fuumlr smarte (Verteil-)Netze und flexible Maumlrkte durch Digitalisierung
                                                                                                                              • Fazit und Ausblick
                                                                                                                              • Literatur
                                                                                                                                  • 10 Jahre Forschung und Lehre zur Energieraumplanung am Institut fuumlr Raumplanung an der TU Wien Erfahrungen und Ausblick
                                                                                                                                    • Hartmut Dumke (1) Rudolf Giffinger (2) und Kurt Weninger (3)
                                                                                                                                      • Einleitung
                                                                                                                                      • Zur (Energie-)Raumplanung in Oumlsterreich
                                                                                                                                        • Rechtlicher Rahmen
                                                                                                                                        • Konsolidierung im Verstaumlndnis
                                                                                                                                          • 10 Jahre Energieraumplanung in der forschungsgeleiteten Ausbildung
                                                                                                                                            • Wichtige evidenzbasierte transformative Forschungsprojekte zur Energieraumplanung
                                                                                                                                            • Problem- und umsetzungsorientierte Lehre zur Energieraumplanung
                                                                                                                                              • Zukuumlnftige Anforderungen an die Energieraumplanung
                                                                                                                                              • Resuumlmee und Ausblick
                                                                                                                                              • Literatur
Page 2: JUNI 2021, WIEN ENERGIE RAUM PLANUNG

Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende

Herausgegeben von Rudolf Giffinger Martin Berger Kurt Weninger

Sibylla Zech

Institut fuumlr Raumplanung TU Wien

Wien Oumlsterreich Juni 2021

Herausgegeben von Rudolf Giffinger Martin Berger Kurt Weninger Sibylla Zech

Die Beitraumlge kamen entweder auf Basis eines Vortrags bei der Fachkonferenz zum Thema bdquoEnergie-raumplanung ndash Herausforderungen Loumlsungen und Next Levelldquo oder durch gezielte Einladung von Kol-leginnen und Kollegen mit entsprechender Expertise zustande Alle eingelangten Beitraumlge wurden ei-nem offenen und teilweise mehrfachen Review-Prozess durch die Herausgeber-in und weitere Exper-tinnen und Experten unterzogen

Publiziert im ReposiTUm der TU Wien Open Access Publication Creative Commons mdash Attribution 40 International mdash CC BY 40 DOI 1034726808

Layout von Text und Abbildungen Dipl-Ing Clemens Beyer BSc Pia Carolin Rickel Mag Hannah Schetl

Abbildungen Cover Die Abbildungen sind Public Domain Bilder der Pixabay GmbH und duumlrfen dementsprechend freundli-cherweise ohne Genehmigung genutzt und frei bearbeitet werden

copy 2021 Institut fuumlr Raumplanung TU Wien Karlsgasse 11 und 13 1040 Wien Oumlsterreich

3

Inhalt VORWORT 4

RUDOLF GIFFINGER MARTIN BERGER KURT WENINGER SIBYLLA ZECH

ENERGIE UND KLIMASCHUTZ IN HOHEITLICHEN PLANUNGSPROZESSEN BERUumlCKSICHTIGEN ndash BEDARF ANWENDUNGSFAumlLLE UND LOumlSUNGSANSAumlTZE AUS DER PRAXIS 5

ALEXANDER REHBOGEN UND HELMUT STRASSER

DAS SACHBEREICHSKONZEPT ENERGIE IN DER STEIERMARK EIN BUumlNDEL AUS RECHTLICHER VERANKERUNG FACHLICHEN GRUNDLAGEN FUNDIERTER BERATUNG UND FINANZIELLER FOumlRDERUNG

18

LORE ABART-HERISZT DIETER PREIszlig UND MICHAEL REDIK

ENERGIERAUMPLAumlNE ndash EIN MEILENSTEIN AM WEG ZUR NACHHALTIGEN ENERGIEZUKUNFT WIENS 28

SUSANNA ERKER ANDREA KINSPERGER HERBERT HEMIS UND BERND VOGL

ENERGIERAUMPLANUNG DAS OumlSTERREICHISCHE INSTRUMENTARIUM IM IST UND SOLL 38

HARTMUT DUMKE UND STEFAN GEIER

DATENLANDSCHAFT DER ENERGIERAUMPLANUNG ndash EINE STANDORTBESTIMMUNG 48

ROBERT KALASEK UND FLORIAN PUumlHRINGER

DAS ENERGIEMOSAIK AUSTRIA EINE ENERGIE- UND TREIBHAUSGASDATENBANK FUumlR ALLE OumlSTERREICHISCHEN STAumlDTE UND GEMEINDEN 62

LORE ABART-HERISZT

INSTITUTIONELLE GESTALTUNG VON ENERGIERAUMPLANERISCHEN POLITIKEN DAS FALLBEISPIEL DER NIEDERLAumlNDISCHEN WINDKRAFTZONIERUNG 73

PIA NABIELEK

ELEKTROMOBILITAumlT INTEGRATION VON ELEKTROMOBILITAumlT IN DIE VERKEHRSPLANUNG ndash WELCHE ANPASSUNGEN UNSERER WERKZEUGE BRAUCHEN WIR 83

MARTIN KAGERBAUER

ANSAumlTZE FUumlR DIE MOBILITAumlTS- UND ENERGIEWENDE IM STAumlDTISCHEN GUumlTERVERKEHR 99

BERT LEERKAMP

NEUE WEGE IN DER ENERGIERAUMPLANUNG 110

GERNOT STOumlGLEHNER

DIE DEUTSCHE ENERGIEWENDE ZWISCHEN WIRTSCHAFTS- UND KLIMAZIELEN ndash EINE GEOGRAPHISCHE PERSPEKTIVE 119

BRITTA KLAGGE

10 JAHRE FORSCHUNG UND LEHRE ZUR ENERGIERAUMPLANUNG AM INSTITUT FUumlR RAUMPLANUNG AN DER TU WIEN ERFAHRUNGEN UND AUSBLICK 130

HARTMUT DUMKE RUDOLF GIFFINGER UND KURT WENINGER

4

Vorwort

Rudolf Giffinger Martin Berger Kurt Weninger Sibylla Zech

Klimaschutz und Erreichen der Klimaziele stellen angesichts des Klimawandels zentrale Herausforde-rungen fuumlr Politik Gesellschaft und Wirtschaft dar Bisherige Bemuumlhungen in Oumlsterreich aber auch auf Ebene der EU zum verringerten Energieverbrauch zum Umstieg auf erneuerbare Energiequellen oder zur Reduktion von Emissionen sind unterschiedlich erfolgreich Offenbar reichen sie aber ange-sichts der weiter steigenden Emissionen und ihrer Auswirkungen auf den Temperaturanstieg (als trei-bende Kraft des Klimawandels) nicht aus der globalen Klimakrise effektiv entgegenzuwirken wie entsprechende Indikatoren und Analysen zur Entwicklung auf verschiedenen Ebenen zeigen

Blicken wir auf die Situation in Oumlsterreich dann ist leicht erkennbar dass Maszlignahmen zur Reduktion des Energieverbrauchs vor allem in der Verkehrs- und Siedlungsentwicklung bislang nicht ausrei-chend erfolgreich sind Eine Energiewende ndash im Sinne der Reduktion des Energiebedarfs sowie des Umstiegs auf erneuerbare Energiequellen ndash ist daher unerlaumlsslich

Raumplanung ndash zumeist verstanden als eine querschnittsorientierte Materie zur Steuerung der raumlum-lichen Nutzung und Entwicklung ndash kommt damit ein groszliger Stellenwert zu Es geht um den Umbau der Siedlungsstrukturen und der Verkehrssysteme um das Senken des Energieverbrauchs sowie um den Umstieg auf dezentral genutzte erneuerbare Energieressourcen Angesichts vielfaumlltiger neuer Aufgaben und Anforderungen erscheint es daher notwendig den Beitrag der Raumplanung zur Ener-giewende nicht nur als zusaumltzliche Aufgabe zu sehen sondern zu ergruumlnden welche neuartige Ener-gieraumplanung es braucht und welche neuen Ansaumltze ihre Effektivitaumlt verbessern koumlnnen

Diesen Herausforderungen widmet sich diese Publikation

Ausgehend von einer Tagung zum Thema Energieraumplanung ndash Herausforderungen Loumlsungen und Next Level konnten eine Reihe interessanter Beitraumlge gewonnen werden Sie kennzeichnen einerseits aktuelle Anforderungen und Erfahrungen zur Energieraumplanung und diskutieren andererseits An-saumltze und Aktivitaumlten bezuumlglich der derzeitigen Ausbildung zur Energieraumplanung in der Studien-richtung Raumplanung an der TU Wien

Nicht zuletzt ist zu betonen dass diese Publikation nicht ohne Unterstuumltzung des Review-Prozesses sowie beim Korrigieren und Gestalten der Beitraumlge zustande gekommen waumlre Herzlichen Dank hier-fuumlr Unser Dank gilt last but not least insbesondere den Kolleginnen und Kollegen an Universitaumlten sowie an verschiedenen Forschungs- und Planungsinstitutionen in Deutschland und Oumlsterreich fuumlr ihre kompetenten und wertvollen Beitraumlge

Die Herausgeberin und die Herausgeber

5

Energie und Klimaschutz in hoheitlichen Planungsprozessen beruumlcksich-tigen ndash Bedarf Anwendungsfaumllle und Loumlsungsansaumltze aus der Praxis

Alexander Rehbogen (1) und Helmut Strasser (2)

DOI 1034726807

(1) Mag MBA SIR ndash Salzburger Institut fuumlr Raumordnung und Wohnen Fachbereich Energie

(2) Dipl-Ing SIR ndash Salzburger Institut fuumlr Raumordnung und Wohnen Fachbereich Energie

Abstract

Die Themen Energiewende und Klimaschutz sind heute als oumlffentliches Interesse etabliert und erheben sich damit auch in der Raumplanung aus dem bisherigen Schattendasein Energieraumplanung hat in den letzten beiden Jahren groszlige Entwicklungsspruumlnge gemacht und ist in der Praxis angekommen Erste Bundeslaumlnder haben effektive Schritte zur Beruumlcksichtigung von energie- und klimaschutzbezo-genen Fragestellungen in hoheitlichen Planungsprozessen gesetzt In Wien der Steiermark und Salz-burg gibt es heute etablierte Prozesse welche in der Praxis erfolgreich exekutiert werden Datenbereitstellung Datenhosting Datenverarbeitung Informationsaufbereitung und -bereitstellung Qualitaumltssicherung sowie die Schaffung des rechtlichen Rahmens stellen die maszliggeblichen Grundlagen dar Aufgrund der Kompetenzenverteilung und der notwendigen Ressourcen kommt den Bundeslaumln-dern als Institutionen eine Schluumlsselrolle zu um die Integration des neuen Materienkomplexes in be-stehende Prozesse der Raumplanung in der Praxis bewerkstelligen zu koumlnnen Nach der Etablierung erster Prozesse zur Beruumlcksichtigung energie- und klimaschutzbezogener Inhalte in der Raumplanung muss es in den naumlchsten Schritten darum gehen die Instrumente konsequent weiterzuentwickeln zu verbessern und thematisch zu vertiefen eine eindeutige Rechtssicherheit fuumlr die Umsetzung zu schaffen und diese in der Praxis sicherzustellen sowie die nuumltzlichen Erfahrungen auf weitere Bundeslaumlnder zu skalieren

Schluumlsselbegriffe

Energieplanung kommunale Waumlrmeplanung Energieraumplanung Klimaschutz Energiewende Waumlr-mewende Rehbogen A Strasser H (2021) Energie und Klimaschutz in hoheitlichen Planungsprozessen beruumlcksichtigen ndash Bedarf An-wendungsfaumllle und Loumlsungsansaumltze aus der Praxis In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumpla-nung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S5-17

Rehbogen Strasser (2021) Energie und Klimaschutz in hoheitlichen Planungsprozessen beruumlcksichtigen ndash Bedarf Anwen-dungsfaumllle und Loumlsungsansaumltze in der Praxis DOI 1034726807

6

Inhalt Einleitung 7

These 1 Energie- und klimaschutzbezogene Inhalte sollten im Kontext der Raumplanung Beruumlcksichtigung finden 7

These 2 Drei Bereiche sind fuumlr die Beruumlcksichtigung energiebezogener Fragestellungen in der Raumplanung maszliggeblich Siedlungsstruktur und Gebaumludebestand Energieversorgungsinfrastruktur und die Nutzung lokaler erneuerbarer Ressourcen 8

These 3 Energiebezogene Inhalte sollen und koumlnnen direkt an bestehende Prozesse der Raumplanung anknuumlpfen 9

These 4 Die erforderliche Information zur Umsetzung von Raumlumlicher Energieplanung muss und kann standardisiert und effizient bereitgestellt werden 11

These 5 Notwendige Datengrundlagen in moumlglichst feiner Granularitaumlt und hoher Aktualitaumlt sind unter Beruumlcksichtigung des Datenschutzes verfuumlgbar zu machen 12

These 6 Den Bundeslaumlndern kommt eine Schluumlsselrolle in der Implementierung von raumlumlicher Energieplanung zu 13

Schlussfolgerungen Ausblick 15

Literatur 15

Rehbogen Strasser (2021) Energie und Klimaschutz in hoheitlichen Planungsprozessen beruumlcksichtigen ndash Bedarf Anwen-dungsfaumllle und Loumlsungsansaumltze in der Praxis DOI 1034726807

7

Einleitung

Die Beruumlcksichtigung von Energie in formellen und informellen Planungsprozessen (von der oumlrtlichen Entwicklungsplanung uumlber staumldtebauliche Wettbewerbe und baubehoumlrdliche Verfahren bis zur Infra-strukturplanung) ist seit vielen Jahren wichtiges Thema in den nationalen Klimaschutzbestrebungen Bereits bei der Entwicklung des bdquoe5-Programms fuumlr energieeffiziente Gemeindenldquo (vgl Onlinequelle e5) vor mehr als 20 Jahren wurde der Raumordnung auf kommunaler Ebene eine groszlige Bedeutung beigemessen Waumlhrend aber seither in zahlreichen anderen klimaschutzrelevanten Handlungsfeldern einer Gemeinde wirksame Instrumente eingesetzt und hunderte Maszlignahmen und best-practices um-gesetzt wurden war lange Zeit relativ unklar wie die Raumordnung konkret zur Erreichung der Klima-schutzziele beitragen kann Zum einen ist die Ursache dafuumlr in den Vorgaben der Raumordnungsgesetze der Bundeslaumlnder zu su-chen die diesbezuumlglich nur sehr vage formuliert sind und wenig Spielraum zulassen Zum anderen aber gestaltete sich auch die Bewertung von Aktivitaumlten und Maszlignahmen von Gemeinden aufgrund fehlen-der Qualitaumltsmaszligstaumlbe und Beurteilungskriterien als schwierig Inzwischen haben sich aus den verschiedenen Bestrebungen und als Ergebnis der Kooperation mehre-rer Bundeslaumlnder unter anderem im Zuge von zwei OumlREK-Partnerschaften (vgl Onlinequelle OumlREK) An-saumltze konkretisiert und erste Schritte zu einer verbindlicheren Verankerung von Klimaschutzaspekten in den hoheitlichen Planungsprozessen wurden gesetzt Ausgehend von sechs Thesen wird in diesem Beitrag versucht einen moumlglichen Weg zu einer verbind-lichen Beruumlcksichtigung des Klimaschutzes in der Raumplanung aufzuzeigen und diesen auf Basis prak-tischer Beispiele darzustellen

These 1 Energie- und klimaschutzbezogene Inhalte sollten im Kontext der Raum-planung Beruumlcksichtigung finden

Raumordnung ist fuumlr die zweckentsprechende raumlumliche Verteilung von Anlagen und Einrichtungen im Sinne des oumlffentlichen Interesses verantwortlich (vgl Mair 2012 S 1) Spaumltestens seit der Etablierung von Klimaschutz als oumlffentliches Interesse (vgl Europaumlisches Parlament 2019 und entsprechende ver-bindliche Zielsetzungen auf allen politischen Ebenen) muumlssten Energie und Klimaschutz in der Raum-ordnung als zusaumltzlicher Materienkomplex eine entsprechende Beruumlcksichtigung finden Dem wird in einer zunehmenden Zahl von Raumordnungsgesetzen (vgl StROG2010 sect 3 (2) z 2i SROG 2009 sect2 (2) z4 BO fuumlr Wien 1930 sect1 Abs2 z4 VGRP 1996 sect 11 (1) bzw sect 28 TROG 2016 sect1 (2i)) Rechnung getragen Klimaschutz ist hier jeweils in den Grundsaumltzen und Zielen sowie teilweise in den Anforderungen vor allem zur Entwicklungsplanung verankert Die Verbindlichkeit variiert dabei zwi-schen Kann- und Muss-Bestimmungen

Aus der Praxis

Konkrete Schritte zur Erhoumlhung der Verbindlichkeit Praumlzisierung der Inhalte und Nutzung von weiteren hoheitlichen Steuerungsinstrumenten wurden in den letzten Jahren vor allem in Wien der Steiermark und Salzburg vorangetrieben Hier gibt es bereits konkrete Anhaltspunkte und Anforderungen die in der Praxis beruumlcksichtigt werden

In der Steiermark sind einerseits ein moumlglicher Anschlusszwang fuumlr Fernwaumlrme in-nerhalb lufthygienischer Sanierungsgebiete (vgl StROG sect22 (9)) der in Graz bereits umgesetzt wurde sowie eine Landes-Foumlrderung fuumlr Aktivitaumlten im Bereich Raumlumli-cher Energieplanung (insbesondere die Erstellung von Sachbereichskonzepten fuumlr Energie (ebd sect21 (3)) zu erwaumlhnen

Rehbogen Strasser (2021) Energie und Klimaschutz in hoheitlichen Planungsprozessen beruumlcksichtigen ndash Bedarf Anwen-dungsfaumllle und Loumlsungsansaumltze in der Praxis DOI 1034726807

8

In Wien wurde mit der Novelle der BO fuumlr Wien 2018 (LGBI 201869) eine Verord-nungsermaumlchtigung fuumlr sogenannte Energieraumplaumlne geschaffen Gemaumlszlig sect 2b BO fuumlr Wien kann fuumlr Teile des Stadtgebietes ein Energieraumplan als Verordnung er-lassen werden In den festgelegten Gebieten sind fuumlr Heizungs- und Warmwasser-bereitungsanlagen in Neubauten nur hocheffiziente Fernwaumlrme oder andere hoch-effiziente alternative Systeme (sect 118 Abs 3 BO fuumlr Wien) zulaumlssig Diese Verordnun-gen werden bezirksweise erarbeitet Die ersten drei Energieraumplaumlne wurden be-reits beschlossen und traten mit 23102020 in Kraft

In Salzburg gibt es seit der letzten Novellierung des SROG mit 112018 Anforderun-gen hinsichtlich Darstellung der energiebezogenen Inhalte in den Bestandsanalysen (vgl SROG sect 24 (1) z2) bzw betreffend der Aussagen zur angestrebten Energiever-sorgung (vgl ebd sect25 (2) z5) in den raumlumlichen Entwicklungskonzepten (fortan bdquoREKldquo) Die Qualitaumltssicherung erfolgt im Rahmen des Amtshilfeverfahrens durch das fachlich zustaumlndige Referat 404 Energiewirtschaft und -beratung des Amtes der Salzburger Landesregierung und ist mit einem kostenlosen Informationsservice fuumlr die Gemeinden verknuumlpft

Die Beruumlcksichtigung energie- und klimaschutzbezogener Fragen ist in einigen Bundeslaumlndern bereits moumlglich oder sogar gefordert Die Umsetzung hat sich in den letzten zwei Jahren mit konkreten An-wendungen etabliert

These 2 Drei Bereiche sind fuumlr die Beruumlcksichtigung energiebezogener Fragestel-lungen in der Raumplanung maszliggeblich Siedlungsstruktur und Gebaumludebestand Energieversorgungsinfrastruktur und die Nutzung lokaler erneuerbarer Ressour-cen

Zahlreiche Studien belegen dass raumordnungsrelevante Festlegungen maszliggeblich zum Klimaschutz beitragen Eine Untersuchung von bestehenden Siedlungen ergab einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Bebauungsdichte und Primaumlrenergieverbrauch (vgl Ott 2008 S 5) Ebenso ist der Motorisie-rungsgrad bei houmlherer Besiedlungsdichte geringer (VCOuml 2019) Die Bebauungsdichte ist daruumlber hinaus ausschlaggebend fuumlr die Versorgungsinfrastrukturen Die Moumlglichkeit zum wirtschaftlichen Betrieb von netzgebundener Waumlrmeversorgung die als Schluumlssel fuumlr die Energiewende im Bereich der Waumlrme gesehen wird (vgl Maaszlig et al 2015) ist direkt von kompak-ten und nutzungsgemischten Siedlungsstrukturen abhaumlngig Durch Vorzieheffekte kann die Fern-waumlrme maszliggeblich zum Tausch fossiler Heizsysteme beitragen Das politische Ziel des Phase-Outs fos-siler Energietraumlger wird durch das Verbot des Einbaus von Oumllkesseln im Neubau (vgl OumlKEVG 2019) bereits aktiv forciert Fuumlr den Bereich der Gasversorgung muumlssen im Hinblick auf eine Erreichung der Klimaschutzziele aumlhnliche Maszlignahmen folgen (vgl Oumlsterreichische Bundesregierung 2020 S 110) Sie werden aktuell in der Entwicklung einer oumlsterreichischen Waumlrmestrategie (vgl Onlinequelle BMLRT) diskutiert und sind als Ziele in einigen Bundeslaumlndern bereits verankert (vgl Land Salzburg 2015 S 10) Die Forcierung von Fernwaumlrme (aus erneuerbaren Energiequellen) auch uumlber Instrumente der Raum-ordnung genauso wie der kuumlnftige Umgang mit bestehenden Gasinfrastrukturen erheben sich zu raum-ordnungsrelevanten Fragestellungen Mit der Frage der Energieversorgungsinfrastruktur verbunden ist die Nutzung lokaler erneuerbarer Energiequellen Das Beispiel Salzburg in dem die Zahl der Biomasse-Waumlrmenetze die Zahl der Gemein-den uumlbersteigt verdeutlicht die Kompatibilitaumlt von nachhaltiger Energie- und Wirtschaftspolitik indem die lokale Biomasse sinnvoll in nachhaltiger netzgebundener Waumlrmeversorgung in Wert gesetzt wird Synonym koumlnnen auch lokale Abwaumlrmepotenziale aus Gewerbe und Industrie erst uumlber Waumlrmenetze

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nutzbar gemacht werden Neben der Nutzung lokaler Ressourcen ist auch die Nutzung von Raum fuumlr die Energieerzeugung zu reflektieren Die Energiewende benoumltigt zusaumltzliche Flaumlchen fuumlr die Energie-gewinnung aus nachhaltigen Quellen Niederoumlsterreich und die Steiermark zeigen hier mit den Wind-energie-Eignungsflaumlchen strukturierte Ansaumltze fuumlr flaumlchendeckende Loumlsungen Eine weitere raumord-nungsrelevante Diskussion im Kontext der Raumnutzung betrifft die Freiflaumlchenanlagen fuumlr die Solar-energiegewinnung (Solarthermie oder Photovoltaik) Zuletzt kommt der hoheitlichen Planung im Kon-text der erneuerbaren Potenziale auch eine koordinierende Rolle zu wenn es darum geht die gegen-seitige negative Beeinflussung von Erd- oder Grundwasserwaumlrmepumpen zu vermeiden Aus den Ausfuumlhrungen lassen sich drei Bereiche ableiten in denen die Beruumlcksichtigung energiebezo-gener Inhalte in der Raumplanung eine besondere Relevanz aufweist Die zukunftsfaumlhige Raument-wicklung und Siedlungsstruktur die planvolle Entwicklung der Energieversorgungsinfrastruktur und die Nutzung der verfuumlgbaren erneuerbaren Energiepotenziale

Abb 1 3x3 Energie im REK eigene Abbildung

These 3 Energiebezogene Inhalte sollen und koumlnnen direkt an bestehende Pro-zesse der Raumplanung anknuumlpfen

In weiterer Folge stellt sich die Frage wie diese Inhalte in den betreffenden Prozessen und Instrumen-ten der Raumordnung beruumlcksichtigt werden koumlnnen Da die betreffenden Rechtsmaterien Raumord-nung und Baurecht im verfassungsmaumlszligigen Kompetenzbereich der Laumlnder liegen unterscheiden sich die Rahmenbedingungen zwischen den einzelnen Bundeslaumlndern (vgl auch These 1) Eine detaillierte Darstellung (fuumlr eine Uumlbersicht sei auf MadnerParapatics 2016 verwiesen) und Reflexion wuumlrden den Rahmen dieses Beitrags sprengen weshalb an dieser Stelle primaumlr die strukturellen Aspekte in den Vordergrund geruumlckt werden sollen In Anlehnung an das Vorreiterland Schweiz gehen wir davon aus dass die dargestellten Inhalte direkt an bestehende Raumplanungsprozesse anknuumlpfen koumlnnen Das bedeutet dass fuumlr die Beruumlcksichti-gung energiebezogener Inhalte in der hoheitlichen Planung keine neuen Prozesse entwickelt werden

Effiziente Infrastruktur bull Bestehende nachhaltige Energieinfrastruktur (va Fernwaumlrmenetze) beachten

und Nutzung staumlrken bull Bei Standortentwicklungen Potenziale fuumlr die Errichtung nachhaltiger Energie-

infrastruktur beachten und Ausbau von Gasinfrastruktur vermeidenbull Gegenseitige negative Beeinflussung von Infrastruktur (Umgebungswaumlrmenutzung)

vermeiden

Optimale Nutzung von lokalen Ressourcen bull Bestehende Potenziale (insbesondere Sonne Biomasse Wind

Wasser Umgebungswaumlrme) maximal nutzenbull Verschwendung lokaler Energiepotenziale (va Abwaumlrme Industrie

Gewerbe Reinhaltung) vermeiden bull Importe von Energie minimieren - lokale Wertschoumlpfung maximieren

Zukunftsfaumlhige Raumentwicklungbull KompaktheitBebauungsdichte und Nutzungmischung forcieren und damit

- den durch die Mobilitaumlt induzierten Energiebedarf reduzieren- die Energieeffizienz der Gebaumlude erhoumlhen- eine nachhaltige netzgebundene Waumlrmeversorgung ermoumlglichen

bull Alle Entwicklungen in der Peripherie vermeiden

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muumlssen Vielmehr geht es darum die relevanten Raumplanungsprozesse zu identifizieren in denen die Beruumlcksichtigung von Energie und Klimaschutz sowohl sinnvoll als auch rechtlich und kompetenz-maumlszligig moumlglich ist In weiterer Folge wird vorgeschlagen die Be- und Erarbeitung der energie- und kli-maschutzbezogenen Inhalte bei den jeweils kompetenten Stellen zu belassen (Amtshilfeverfahren) und Wege zur direkten Einbindung in den bestehenden Prozessen zu identifizieren und implementie-ren

Aus der Praxis

In Wien wird im Zuge des baubehoumlrdlichen Verfahrens durch die zustaumlndige Be-houmlrde gepruumlft ob das entsprechende Bauvorhaben innerhalb eines Gebietes des Energieraumplans liegt Wenn dies zutrifft sind fuumlr die Versorgung mit Raumwaumlrme oder Warmwasser keine fossilen Energietraumlger zulaumlssig und die Alternativenpruuml-fung entfaumlllt Auszligerhalb der Gebiete gelten die allgemeinen Anforderungen fuumlr Neu-bauten wo im Falle einer geplanten fossilen Waumlrmeversorgung (Gas) eine Alterna-tivenpruumlfung durchzufuumlhren ist

Im Bundesland Salzburg werden im Zuge des Amtshilfeverfahrens seit 2019 alle ein-gereichten Raumlumlichen Entwicklungskonzepte in allen Verfahrensstufen fundierten fachdienstlichen Stellungnahmen von Seiten des Referats 404 Energiewirtschaft und -beratung des Amtes der Salzburger Landesregierung unterzogen Als Basis fuumlr die Beurteilung dienen profunde Analysen (siehe These 4) Darauf aufbauend bietet das Referat auszligerdem eine direkte und kostenfreie Unterstuumltzung bei der Entwick-lung der Inhalte uumlber die Bereitstellung von Analysen und Praumlsenztermine zur Dis-kussion der energie- und klimaschutzbezogenen Inhalte

Im Rahmen der nationalen Vorzeigeregion Energie des Klima- und Energiefonds GREEN ENERGY LAB bdquoSpatial Energy Planning for Energy Transitionldquo (fortan GEL SEP Onlinequelle GEL SEP) wurden die folgenden drei Planungsebenen als relevant identifiziert (siehe Abb 2)

Abb 2 Relevante Planungsebenen zur Beruumlcksichtigung energie- und klimaschutzbezogener Inhalte

Fuumlr diese wird nun an konkreten Implementierungen zur Beruumlcksichtigung energie- und klimaschutz-bezogener Fragestellungen in den drei beteiligten Bundeslaumlndern Salzburg Steiermark und Wien in Abhaumlngigkeit der jeweiligen rechtlichen Rahmen und bestehenden Verwaltungsstrukturen gearbeitet Zu beachten ist dabei der Zusammenhang zwischen den Planungsebenen Ziel jeder Aktivitaumlt im Be-reich Raumlumlicher Energieplanung ist es Planungsentscheidungen in Richtung einer houmlheren Klimaver-traumlglichkeit zu verbessern d h eine Oumlkologisierung im konkreten Bauprojekt zu erwirken Verbindli-

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che Vorgaben beispielsweise uumlber die Bebauungsplanung sind (selbst im Falle des Vorliegens entspre-chender rechtlicher Ermaumlchtigungen) von einer entsprechenden Zielsetzung auf der uumlbergeordneten Ebene abhaumlngig Die Formulierung entsprechender Ziele in der oumlrtlichen Entwicklungsplanung wird damit zur Basis fuumlr die Umsetzung in den Einzelprojekten Des Weiteren koumlnnen auch hier allgemein die Zielsetzung auf Landesebene (z B Formulierung von Grundsaumltzen im ROG) und politische Ziele auf Gemeindeebene notwendige Bedingungen sein um die Themen in den Entwicklungskonzepten ent-sprechend adressieren und festlegen zu koumlnnen Insgesamt ist die Beruumlcksichtigung energiebezogener Inhalte in der Raumplanung noch Neuland Es bedarf der Entwicklung neuer Rollen und der sensiblen Anpassung von bestehenden Prozessen inklu-sive der dafuumlr mitunter notwendigen Genese der rechtlichen Rahmenbedingungen Erste Implemen-tierungen in der Praxis zeigen wie energie- und klimaschutzbezogene Fragestellungen in bestehenden Raumplanungsprozessen effektiv und effizient beruumlcksichtigt werden koumlnnen

These 4 Die erforderliche Information zur Umsetzung von Raumlumlicher Energiepla-nung muss und kann standardisiert und effizient bereitgestellt werden

Die Integration eines neuen Materienkomplexes fordert einerseits die Entwicklung und Verfuumlgbarkeit der entsprechenden Kompetenzen Durch die in These 3 vorgeschlagene Rollenteilung und Auslage-rung der energiebezogenen Informationsaufbereitung und Qualitaumltssicherung an die fachlich zustaumln-digen Verwaltungseinheiten kann dieser Herausforderung entgegengetreten werden Andererseits im-plizieren die neuen Aufgaben fuumlr beide Seiten und insbesondere fuumlr Letztere in jedem Fall einen zu-saumltzlichen Aufwand Die Schaffung neuer Planstellen in Landes- oder Gemeindeverwaltung ist gerade in der Anfangsphase schwer darzustellen Spaumltestens bei kleineren Staumldten oder gar Gemeinden muumls-sen die neuen Aufgaben zwangslaumlufig zu einer kompetenz- und ressourcenmaumlszligigen Uumlberforderung fuumlhren Um eine Chance auf die Beruumlcksichtigung der neuen Inhalte zu haben sind demzufolge einer-seits der Aufwand und andererseits die notwendige Kompetenz so weit wie moumlglich zu reduzieren Die Bereitstellung der notwendigen Informationen fuumlr die Staumldte und Gemeinden erscheint vor diesem Hintergrund als notwendig Eine umfassende Praumlzisierung und Standardisierung der zu beruumlcksichti-genden Inhalte ermoumlglicht eine effiziente Bearbeitung welche durch moderne Informationssysteme gestuumltzt werden kann Zu erwaumlhnen sind in diesem Kontext die uumlber die LandesGIS verfuumlgbaren ener-giebezogenen Informationen (vor allem Solar- und Windpotenziale aber auch weiterfuumlhrende Infor-mationen wie Umgebungswaumlrmepotenziale Energienetzdaten Energieerzeugungsanlagen Waumlrme-netzpotenziale und bis hin zur Verortung von Musterprojekten (vgl z B Onlinequellen ViennaGIS und SAGIS) welche einige Bundeslaumlnder in den letzten Jahren schrittweise aufgebaut haben Eine Standar-disierung der darzustellenden Inhalte bringt daruumlber hinaus weitere Vorteile mit sich Einerseits wird dadurch eine strukturierte Schulung der betroffenen Akteure (primaumlr Baubehoumlrden und Ortsplaner) ermoumlglicht Andererseits wird fuumlr die pruumlfbehoumlrdlichen Verfahren die notwendige Vergleichbarkeit und Gleichbehandlung sichergestellt

Aus der Praxis

Das Land Steiermark hat mit dem Leitfaden zum Sachbereichskonzept Energie (Ab-art-HerisztStoumlglehner 2019) einen Standard fuumlr die Beruumlcksichtigung energiebezo-gener Inhalte in der oumlrtlichen Entwicklungsplanung geschaffen und zur Nutzung umfassend geschult

Im Projekt GEL SEP (Onlinequelle GEL SEP) gehen die Bundeslaumlnder Steiermark Wien und Salzburg den naumlchsten Schritt und entwickeln fuumlr definierte Planungspro-zesse (primaumlr in den Bereichen Entwicklungsplanung und Projekt-Arealentwick-lung) automatisiert generierte Berichte und Analysen Diese konzentrieren sich vor-

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erst auf den im Hinblick auf die induzierten Emissionen und die vorhandenen ord-nungspolitischen Instrumente relevantesten Sektor Waumlrme Als Ergebnis des Pro-jektes werden Mitte 2021 insgesamt zehn verschiedene automatisierte Analysedo-kumente fuumlr Anwendungen in allen drei Planungsebenen in allen drei Bundeslaumln-dern verfuumlgbar und uumlber die LandesGIS abrufbar sein Mobilitaumlt und Strom sollen in einem naumlchsten Schritt in die entwickelten Strukturen integriert werden

Auf dieser Basis der Arbeit des Projektes erhalten Salzburger Gemeinden bereits seit 2020 in Prozessen zur Erstellung von REKs umfassende standardisierte Be-standsanalysen welche alle notwendigen Informationen zur Beruumlcksichtigung ener-giebezogener Inhalte in den REKs enthalten Das Service wird durch das Referat 404 Energiewirtschaft und -beratung des Amtes der Salzburger Landesregierung kostenfrei zur Verfuumlgung gestellt Mit der Schaffung dieser Basis konnten die Anfor-derungen zur Darstellung energie- und klimaschutzbezogener Inhalte in den REKs schrittweise erhoumlht werden

These 5 Notwendige Datengrundlagen in moumlglichst feiner Granularitaumlt und hoher Aktualitaumlt sind unter Beruumlcksichtigung des Datenschutzes verfuumlgbar zu machen

Die Erstellung der Analysen setzt die Verfuumlgbarkeit der notwendigen Daten und Informationen voraus In Bezug auf die Bereitstellung der Daten wurde bisher primaumlr der Weg der anlassbezogenen Datenak-quise beschritten Dieser Weg wird auch in Deutschland begangen wo beispielsweise in Schleswig-Holstein das Gesetz zur Energiewende und Klimaschutz eine Verfuumlgung zur Datenuumlbermittlung von Seiten Schornsteinfegern oumlffentlichen Stellen und Energieversorgungsunternehmen umfasst (vgl Ge-setz zur Energiewende und zum Klimaschutz 2017 sect7 (2)) Aumlhnliche Vorgangsweisen gibt es in Ham-burg Bayern und Baden-Wuumlrttemberg (in Vorbereitung) In Abhaumlngigkeit von der Breite und Tiefe der Analysen wird eine hohe Zahl an Datenquellen benoumltigt Die Vollstaumlndigkeit Richtigkeit und Aktualitaumlt der Datenquellen sind dabei ausschlaggebend fuumlr die Qualitaumlt der Analysen Entsprechend ist eine exakte Kenntnis dieser Parameter fuumlr alle verwendeten Datenquellen unabdingbar In Abhaumlngigkeit der raumlumlichen Granularitaumlt der Daten sind raumlumlich kon-kretere oder weniger konkrete Aussagen moumlglich Im Lichte der jeweils angestrebten Aussage und raumsachlichen Festlegung ist eine Reflexion der notwendigen und verfuumlgbaren Datenqualitaumlt anzu-stellen Mit dem Energiemosaik Oumlsterreich (Onlinequelle Energiemosaik) gibt es seit 2019 eine Darstellung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen fuumlr alle oumlsterreichischen Gemeinden Als Datenbasis werden dafuumlr primaumlr statistische Daten herangezogen und auf Gemeindeebene disaggregiert Diese erlauben grobe Aussagen auf Gemeindeebene fuumlr eine erste Einschaumltzung Strategische Richtungsent-scheidungen beispielsweise zur Eignung von Siedlungsgebieten unter Beruumlcksichtigung von Waumlrme-versorgung und Mobilitaumltsbedarf koumlnnen sich daraus nach Pruumlfung der Plausibilitaumlt uumlber Realdaten und ndashwissen ableiten lassen Die Reichweite ist gleichzeitig mit der Granularitaumlt und Datenqualitaumlt be-grenzt Fuumlr Festlegungen (beispielsweise zu Vorranggebieten fuumlr die netzgebundene Waumlrmeversor-gung) oder Planungsentscheidungen auf Arealebene werden feinere Granularitaumlten (gebaumlude- bzw grundstuumlcksgenau gegebenenfalls ha-Raster) und houmlhere Aussagegenauigkeiten benoumltigt als durch statistische Daten ableitbar waumlren Je houmlher die Qualitaumlt Granularitaumlt und Zahl der verfuumlgbaren Daten desto breiter wird die Eignung als Planungsgrundlage Das Projekt Enerspired Cities (Onlinequelle Enerspired Cities) hat fuumlr die Darstel-lung der wichtigsten energiebezogenen Informationen (Energieversorgungsinfrastruktur Energiebe-darfe und erneuerbare Energiepotenziale vgl These 2) eine dreistellige Anzahl an notwendigen Da-tenquellen identifiziert und diese einzeln bewertet und katalogisiert Die verfuumlgbaren und nutzbaren

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Datenquellen unterscheiden sich dabei aufgrund der abweichenden Verwaltungsstrukturen teilweise deutlich zwischen den Bundeslaumlndern Fuumlr die Nutzung dieser Daten zu Planungszwecken sind auch im Falle der Verfuumlgbarkeit in ausreichen-der Qualitaumlt weitere Herausforderungen gegeben Im Sinne einer laufend aktuellen Datenbasis sind kontinuierliche Updates und die entsprechenden Uumlbergabepunkte sicherzustellen Eine relevante Huumlrde stellt schlussendlich der Datenschutz dar Spaumltestens mit der DSGVO ist fuumlr Daten mit Personen-bezug ein umfassendes Datenschutzmanagement inklusive Zugriffssteuerung erforderlich

Aus der Praxis

Das Datenmanagement ndash allen voran die Katalogisierung und das Aufbereiten von Metadaten - bildet eine zentrale Grundlage zur Nutzung der Daten und ist zudem Basis fuumlr das Datenschutzmanagement In der Implementierung des Waumlrmeatlas in den Bundeslaumlndern Wien Steiermark und Salzburg werden unter anderem Daten mit Personenbezug verwendet Die Nutzung der personenbezogenen Daten ist fuumlr die definierten Planungsprozesse (siehe These 3) in den Gemeinden teilweise (ab-haumlngig vom konkreten Prozess sowie Bundesland) rechtlich gedeckt In der Umset-zung ist sicherzustellen dass die Daten nur von jenen Stellen verarbeitet und ge-nutzt werden welche dazu rechtlich legitimiert sind Da groszlige Teile der Datenquel-len in Haumlnden der Bundeslaumlnder liegen und die Darstellung uumlber die Landes-GIS er-folgen soll kommt den Aumlmtern der Landesregierungen als gemeinsame Verant-wortliche mit den Gemeinden eine wichtige Rolle beim Datenhosting und der Da-tenverarbeitung zu

These 6 Den Bundeslaumlndern kommt eine Schluumlsselrolle in der Implementierung von raumlumlicher Energieplanung zu

Abb 3 Schluumlsselrollen der Bundeslaumlnder bei der Implementierung raumlumlicher Energieplanung

Die letzte These leitet sich als Fazit aus den vorangegangenen Thesen ab Aus Sicht der Autoren kommt in der Beruumlcksichtigung energiebezogener Fragestellungen in hoheitlichen Planungsprozessen den Bundeslaumlndern eine Schluumlsselrolle zu Die Aufgaben lassen sich wie folgt zusammenfassen

Datenbereitstellung

Datenhosting und -verarbeitung inklusive Datenschutzmanagement

Informationsaufbereitung und -bereitstellung

Rechtsrahmen

Qualitaumltssicherung

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(1) Datenbereitstellung Viele der benoumltigten Daten liegen in der Hand der Landesverwaltungen Die langfristige Bereitstellung die Sicherstellung und Erhoumlhung von Aktualitaumlt und Qualitaumlt sowie die Harmonisierung der Adresser-kennung tragen maszliggeblich zur Schaffung verlaumlsslicher Planungsgrundlagen bei Gleichzeitig muss si-chergestellt werden dass energierelevante Datengrundlagen im Verantwortungsbereich der Gemein-den (z B AGWR digitale Katastermappe fuumlr Gebaumlude) aktuell gehalten werden (2) Datenhosting und -verarbeitung inklusive Datenschutzmanagement Neben den landesinternen Daten sind auch externe Datenquellen zu verarbeiten Dafuumlr benoumltigt es eine verantwortliche Stelle welche Datensicherheit und Datenschutz gewaumlhrleistet und uumlber die ent-sprechenden Infrastrukturen verfuumlgt Die Verarbeitung von Daten und das Einbinden in entsprechende Modelle (oder Entwickeln von Modellen) um Fragestellungen zu beantworten ist Teil der Grundlagen-forschung Die Erfuumlllung dieser Aufgaben ist aufgrund der notwendigen Kompetenzen und Ressourcen Gemeinden und Ortsplanern nicht zumutbar und wuumlrde daruumlber hinaus eine Vergleichbarkeit unter-minieren Mit der Umsetzung uumlber die Landesregierungen als gemeinsame Verantwortliche kann ma-ximale Effizienz Sicherheit und Standardisierung gewaumlhrleistet werden Gleichzeitig erscheint eine Uumlbertragung auf Bundesebene aufgrund der groszligen Heterogenitaumlt der Da-tenquellen zwischen den einzelnen Bundeslaumlndern der fehlenden Kompetenzen sowohl in der Daten-haltung als auch in den Zustaumlndigkeiten im Planungsbereich sowie der reduzierten Moumlglichkeit zur Qualitaumltssicherung und -verbesserung der Daten als nicht zielfuumlhrend (3) Informationsaufbereitung und -bereitstellung Die Landes-GIS sind optimal fuumlr die Informationsbereitstellung geeignet Sie koumlnnen direkt auf die im Rahmen der Landesverwaltungen gewarteten Daten (vgl Punkt 2) zugreifen Die Landes-GIS erlauben ein Benutzermanagement mit Klassifizierung der Zugriffsrechte und eine Teilung in oumlffentliche und eingeschraumlnkte Karten und ermoumlglichen damit die Bereitstellung weniger sensibler Daten (va erneu-erbare Energiepotenziale) an eine breite Oumlffentlichkeit Gleichzeitig besteht die Moumlglichkeit der einge-schraumlnkten Bereitstellung von Informationen fuumlr Gemeinden inklusive Spiegelung der relevanten Kar-ten in den Gemeinde-GIS uumlber verfuumlgbare Schnittstellen In diesem Sinne sind die Landes-GIS in vielen Faumlllen die direkte Grundlage fuumlr die Raumplanungsprozesse Zuletzt ist auch die Bereitstellung auto-matisierter Analysen uumlber die Landes-GIS moumlglich (4) Rechtsrahmen Die fuumlr die Beruumlcksichtigung energiebezogener Inhalte in hoheitlichen Planungsprozessen wichtigsten Gesetzesmaterien sind das Raumordnungsrecht und das Baurecht Beide befinden sich im Kompetenz-bereich der Bundeslaumlnder Der in einigen Bundeslaumlndern begonnene Trend der Ermaumlchtigung bzw Verpflichtung zur Beruumlcksichtigung von energie- und klimaschutzbezogenen Fragestellungen vor allem in der Entwicklungsplanung birgt das Potenzial zur Verbreitung auf andere Bundeslaumlnder und zur Ver-tiefung sowie Praumlzisierung der adressierten Inhalte Gleichzeitig ist es wichtig dass die Bruumlcke zum Baurecht geschaffen wird Die Ermaumlchtigung zu energiebezogenen Festlegungen im Bebauungsplan ist eine wichtige Grundlage um die Exekutierung der in der Entwicklungsplanung formulierten Ziele zu ermoumlglichen Neben den direkt relevanten Rechtsmaterien gibt es weitere mit indirekter Relevanz Darunter fallen beispielsweise die Bereitstellungsverpflichtung Definition der Qualitaumltsanforderung und die Nutzungsermaumlchtigung fuumlr die benoumltigten Daten oder die Verbindung der Instrumente der Raumordnung mit weiteren hoheitlichen Steuerungsinstrumenten (z B Wohnbaufoumlrderung Energie-foumlrderung Beratung Bewusstseinsbildung)

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(5) Qualitaumltssicherung Der Erfolg der Aktivitaumlten raumlumlicher Energieplanung haumlngt von einer effektiven Umsetzung ab - alle Vorhaben sind nur so gut wie sie auch konsequent und qualitaumltsvoll umgesetzt werden und somit zu einer signifikanten und moumlglichst raschen Reduktion des CO2-Ausstoszliges beitragen Qualitaumltssicherung beginnt bei den genutzten Datengrundlagen und der Informationsaufbereitung Als fuumlr die Raumord-nung verantwortliche Pruumlfbehoumlrde nehmen die Bundeslaumlnder daruumlber hinaus auch im Verfahren selbst im Hinblick auf die Qualitaumltssicherung eine Schluumlsselrolle ein Schlussendlich koumlnnen nur sie sicherstel-len dass die sachlichen Erkenntnisse der energieraumlumlichen Analysen in der praktischen Umsetzung in den Gemeinden auch Beruumlcksichtigung finden

Aus der Praxis

Die Bundeslaumlnder Wien Steiermark und Salzburg haben in den letzten Jahren so-wohl im Hinblick auf die rechtlichen Grundlagen als auch im Hinblick auf die Bereit-stellung der Informationen viele wichtige Grundlagen geschaffen Dabei werden je-weils Ansaumltze verfolgt in denen die Landesregierungen die Verantwortung fuumlr die Beruumlcksichtigung energie- und klimaschutzbezogener Fragestellungen aktiv wahr-nehmen Der Entwicklung der Anforderungen steht jeweils ein direktes Service fuumlr die Gemeinden (in Form von Informationsbereitstellung Beratung Schulung und Foumlrderung) gegenuumlber

Schlussfolgerungen Ausblick Die Themen Energiewende und Klimaschutz sind heute als oumlffentliches Interesse etabliert und erheben sich damit auch in der Raumplanung aus dem bisherigen Schattendasein Energieraumplanung hat in den letzten beiden Jahren groszlige Entwicklungsspruumlnge gemacht und ist in der Praxis angekommen Erste Bundeslaumlnder haben effektive Schritte zur Beruumlcksichtigung von energie- und klimaschutzbezo-genen Fragestellungen in hoheitlichen Planungsprozessen gesetzt In Wien der Steiermark und Salz-burg gibt es heute etablierte Prozesse die in der Praxis erfolgreich exekutiert werden Datenbereitstellung Datenhosting Datenverarbeitung Informationsaufbereitung und -bereitstellung Qualitaumltssicherung sowie die Schaffung des rechtlichen Rahmens stellen die maszliggeblichen Grundlagen dar Aufgrund der Kompetenzenverteilung und der notwendigen Ressourcen kommt den Bundeslaumln-dern als Institutionen eine Schluumlsselrolle zu um die Integration des neuen Materienkomplexes in be-stehende Prozesse der Raumplanung in der Praxis bewerkstelligen zu koumlnnen Nach der Etablierung erster Prozesse zur Beruumlcksichtigung energie- und klimaschutzbezogener Inhalte in der Raumplanung muss es in den naumlchsten Schritten darum gehen die Instrumente konsequent weiterzuentwickeln zu verbessern und thematisch zu vertiefen eine eindeutige Rechtssicherheit fuumlr die Umsetzung zu schaffen und diese in der Praxis sicherzustellen sowie die nuumltzlichen Erfahrungen auf weitere Bundeslaumlnder zu skalieren

Literatur

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Maaszlig C Sandrock M Schaeffer R (2015) Fernwaumlrme 30 Strategien fuumlr eine zukunftsorientierte Fernwaumlrmepolitik Hamburg HIR ndash Hamburg Institut Research gGmbH httpswwwhamburg-insti-tutcomimagespdfstudien15021920Fernwrme203_0apdf (letzter Zugriff 24092020)

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Gesetzesquellen

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Salzburger RaumordnungsgesetzSROG 2009 LGBl Nr 302009 idF LGBl Nr 772020 httpswwwrisbkagvatGeltendeFassungwxeAbfrage=LrSbgampGesetzesnummer=20000615

Steiermaumlrkisches RaumordnungsgesetzStROG 2010 LGBl Nr 492010 idF LGBl Nr 62020 httpswwwrisbkagvatGeltendeFassungwxeAbfrage=LrStmkampGesetzesnummer=20000069

Tiroler RaumordnungsgesetzTROG 2016 LGBl Nr 1012016 idF LGBl Nr 512020 httpswwwrisbkagvatGeltendeFassungwxeAbfrage=LrTampGesetzesnummer=20000647

Vorarlberger Gesetz uumlber die RaumplanungVGRP 1996 LGBlNr 391996 idF LGBlNr 192020 httpswwwrisbkagvatGeltendeFassungwxeAbfrage=LrVbgampGesetzesnummer=20000653

Wiener Stadtentwicklungs- Stadtplanungs- und BaugesetzbuchWrBO 1930 idF LGBl Nr 712018 httpswwwrisbkagvatGeltendeFassungwxeAbfrage=LrWampGesetzesnummer=20000006

Onlinequellen

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e5-Energieeffiziente Gemeinden (wwwe5-gemeindenat)

Enco2Web (httpsprojekteffgatprojekt2808525)

Energiemosaik (httpswwwenergiemosaikatintro)

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Energieraumplaumlne (Klimaschutzgebiete) der Stadt Wien (httpswwwwiengvatstadtentwick-lungenergieerp)

Enerspired Cities (wwwenerspiredcity)

GREEN ENERGY LAB Spatial Energy Planning for Energy Transition (wwwwaermeplanungat)

OumlREK (httpswwwoerokgvatraumthemenenergieraumplanung)

SAGIS (httpswwwsalzburggvatsagismobilesagisonline)

ViennaGIS (httpswwwwiengvatumweltgutpublic)

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Das Sachbereichskonzept Energie in der Steiermark Ein Buumlndel aus rechtlicher Verankerung fachlichen Grundlagen fundierter Beratung und finanzieller Foumlrderung

Lore Abart-Heriszt (1) Dieter Preiszlig (2) und Michael Redik (3)

DOI 10347261021

(1) Dipl-Ing Dr Institut fuumlr Raumplanung Umweltplanung und Bodenordnung (IRUB) Department fuumlr Raum Landschaft und Infrastruktur (RALI) Universitaumlt fuumlr Bodenkultur (BOKU) Wien

(2) Dipl-Ing Amt der Steiermaumlrkischen Landesregierung Abteilung 15 ndash Energie Wohnbau Technik Referat fuumlr Energietechnik und Klimaschutz

(3) Dipl-Ing Amt der Steiermaumlrkischen Landesregierung Abteilung 13 ndash Umwelt und Raumordnung Referat fuumlr Bau- und Raumordnung

Abstract

Die energieraumplanerischen Standortraumlume kennzeichnen innerhalb von Gemeinden Siedlungsge-biete die als besonders energieeffizient und klimafreundlich gelten Identifiziert werden einerseits Standortraumlume fuumlr Fernwaumlrmeversorgung unter Beruumlcksichtigung von Waumlrmebedarfs- und Bebau-ungsdichten Andererseits werden Standortraumlume fuumlr klimafreundliche Mobilitaumlt identifiziert die auf-grund ihrer Nutzungsmischung und -dichte sowie ihrer oumlV-Guumlte uumlber optimale Rahmenbedingungen fuumlr den Fuszlig- und Radverkehr sowie den oumlffentlichen Verkehr verfuumlgen Die Uumlberlagerung der Stand-ortraumlume fuumlr Fernwaumlrmeversorgung mit den Standortraumlumen fuumlr klimafreundliche Mobilitaumlt kenn-zeichnet jene Siedlungsgebiete innerhalb von Gemeinden auf die mit den Instrumenten der oumlrtlichen Raumplanung die kuumlnftige bauliche Entwicklung gelenkt werden soll Diese Flaumlchen stehen im Allge-meinen auch im Fokus der Strategien zur Innenentwicklung Die energieraumplanerischen Standort-raumlume bilden vornehmlich eine Grundlage fuumlr das Oumlrtliche Entwicklungskonzept aber auch fuumlr den Flaumlchenwidmungsplan sowie den Bebauungsplan Sie gehen in den raumordnungspolitischen Mei-nungsbildungsprozess ein in dem uumlber die kuumlnftige raumlumliche Entwicklung einer Gemeinde entschie-den wird

Schluumlsselbegriffe

Energieeffiziente Siedlungsstrukturen energieraumplanerische Standortraumlume oumlrtliche (Energie-) Raumplanung Abart-Heriszt L Preiszlig D Redik M (2021) Das Sachbereichskonzept Energie in der Steiermark Ein Buumlndel aus rechtlicher Verankerung fachlichen Grundlagen fundierter Beratung und finanzieller Foumlrderung In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S18-27

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Inhalt Rahmenbedingungen des Landes fuumlr die Energieraumplanung in der Steiermark 20

Energie- und Treibhausgasdatenbanken und die Ausweisung energieraumplanerischer Standortraumlume 21

Kommunale Energie- und Treibhausgasdatenbank 21

Rasterbasierte Energie- und Treibhausgasdatenbank 22

Energieraumplanerische Standortraumlume 22

Klimaschutz und das Foumlrderungsprogramm zur Energieraumplanung in der Steiermark 25

Schlussbemerkung 26

Literatur 27

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Rahmenbedingungen des Landes fuumlr die Energieraumplanung in der Steiermark

Das energiepolitische Engagement der steiermaumlrkischen Raumplanung hat lange Tradition Schon seit Jahrzehnten ist den Verantwortlichen in der Steiermark der Raumbezug energierelevanter Aspekte bewusst Bereits im Landesentwicklungsprogramm 1977 hat sich das Land Steiermark mit dem Thema Energie befasst Die Erstellung eines Sachprogramms fuumlr den Themenbereich Rohstoff- und Energie-versorgung wurde vorgesehen und im Jahr 1984 (allerdings als unverbindliches Konzept) umgesetzt In der zweiten Haumllfte der 1980er-Jahre wurden die energetischen Potenziale der Planungsregionen (im Wesentlichen war das die Bezirksebene) als Grundlage fuumlr die regionalen Entwicklungsprogramme der ersten Generation erfasst rechtlich verbindliche Vorgaben wurden daraus aber nicht abgeleitet Einen weiteren Anlass sich mit dem Thema Energie auseinanderzusetzen bot im Jahr 1993 das Entwick-lungsprogramm fuumlr die Reinhaltung der Luft Darin wurden lufthygienische Sanierungsgebiete abge-grenzt und fuumlr den Grazer Zentralraum Moumlglichkeiten zur Festlegung von verpflichtenden Fernwaumlrme-anschlussbereichen eroumlffnet eine Umsetzung erfolgte aber nur in Teilbereichen der Landeshauptstadt Graz Seit den 1990er Jahren richtete sich das Hauptaugenmerk auf zahlreiche Standortpruumlfungen bzw -planungen fuumlr Energieerzeugungsanlagen (Kleinwasserkraft Photovoltaik Windparks Biomasse) zu-letzt muumlndeten diese Arbeiten in die Novelle des Entwicklungsprogramms fuumlr den Sachbereich Wind-energie (2019) Mit bdquoEnergieraumplanungldquo im Sinne der Definition der OumlROK (bdquoEnergieraumplanung ist jener integrale Bestandteil der Raumplanung der sich mit den raumlumlichen Dimensionen von Energieverbrauch und Energieversorgung umfassend beschaumlftigtldquo) befasste sich das EU-Projekt SPECIAL (Spatial planning and energy for communities in all landscapes) an dem sich das Land Steiermark beteiligte (2013-2016) Als Umsetzungsmaszlignahme dieses EU-Projekts wurde das Institut fuumlr Raumplanung Umweltplanung und Bodenordnung der Universitaumlt fuumlr Bodenkultur Wien (BOKU) damit beauftragt sogenannte bdquoSach-bereichskonzepte Energieldquo (SKE) fuumlr zwei Fallbeispielgemeinden sowie einen Leitfaden fuumlr die Entwick-lung solcher SKEs in der Steiermark zu erarbeiten Basierend auf den Erfahrungen in diesem Pilotpro-jekt beauftragte das Land Steiermark anschlieszligend die BOKU mit der Bereitstellung einer kommunalen und rasterbasierten Energie- und Treibhausgasdatenbank einschlieszliglich der flaumlchendeckenden Aus-weisung energieraumplanerischer Standortraumlume nach einer einheitlichen Methodik fuumlr alle 287 Ge-meinden in der Steiermark (vgl Kap 2) Die umfangreichen Datensaumltze wurden den Gemeinden kos-tenlos in digitaler Form zur Verfuumlgung gestellt und dienen steiermarkweit als Grundlage fuumlr die Erar-beitung von SKEs In diesem Rahmen wurde auch der Leitfaden adaptiert (bdquoDas Sachbereichskonzept Energie ndash ein Beitrag zum Oumlrtlichen Entwicklungskonzept Leitfaden Version 20ldquo) Er soll Akteure in der oumlrtlichen Raumplanung dabei unterstuumltzen auf Basis der Datenbanken und Standortraumlume plane-rische Strategien zu erarbeiten die in Festlegungen fuumlr eine energie- und klimaoptimierte raumlumliche Entwicklung muumlnden Im Vordergrund der Betrachtungen stehen dabei Aspekte der Waumlrmeversorgung und der Mobilitaumlt Aufgrund der Bestimmungen des Steiermaumlrkischen Raumordnungsgesetzes 2010 (StROG 2010) bildet das SKE nicht nur eine unerlaumlssliche Planungsgrundlage fuumlr die Beruumlcksichtigung von Energiewende und Klimaschutz in der oumlrtlichen Raumplanung Vielmehr ist ein Energiekonzept als (vorwiegend) fa-kultatives Sachbereichskonzept zum oumlrtlichen Entwicklungskonzept (OumlEK) im StROG explizit verankert (vgl dazu sect 21 (3)) Diese Bestimmung ist im Vergleich zu den gesetzlichen Regelungen in anderen Bundeslaumlndern bemerkenswert und eroumlffnet die Moumlglichkeit wesentliche Inhalte des SKE im OumlEK der Gemeinde verbindlich festzulegen Mit dem SKE wird demnach das zentrale strategische Planungs-instrument auf kommunaler Ebene um energieraumplanerische Aspekte ergaumlnzt Energie- und klima-relevante Aussagen erhalten durch die Integration in den fachuumlbergreifenden Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozess sowie durch den Verordnungscharakter des OumlEK besondere Bedeutung Die

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rechtliche Verankerung energieraumplanerischer Bestimmungen im OumlEK ist gemeinsam mit der Wahr-nehmung von einschlaumlgigen Weiterbildungsangeboten seitens der kommunalen Akteure die zentrale Voraussetzung fuumlr die Ausschuumlttung von Mitteln aus dem Oumlkofonds Steiermark Uumlber diesen Fonds ist es gelungen eine finanzielle Unterstuumltzung fuumlr Gemeinden bei der Erstellung und Umsetzung der SKEs aufzustellen (vgl Klimaschutz und das Foumlrderungsprogramm zur Energieraumplanung in der Steier-mark)

Energie- und Treibhausgasdatenbanken und die Ausweisung energieraumplaneri-scher Standortraumlume Fuumlr eine vorausschauende Planung wie im Falle des OumlEK bzw des SKE ist die genaue Kenntnis und Analyse der Ausgangssituation unabdingbar Das SKE basiert daher einerseits auf einer raumlumlich und sachlich hoch aufgeloumlsten energie- und mobilitaumltsrelevanten Bestands- und Potenzialanalyse die so-wohl auf Gemeindeebene als auch im 250-m-Raster erfolgt (kommunale und rasterbasierte Energie- und Treibhausgasdatenbank) Andererseits bilden die energieraumplanerischen Standortraumlume eine unerlaumlssliche Grundlage fuumlr die Entwicklung von Strategien zugunsten energie- und klimaeffizienter Raum- und Siedlungsstrukturen im Rahmen des SKE Der Leitfaden bdquoDas Sachbereichskonzept Energieldquo unterstuumltzt die kommunalen Akteure allen voran die oumlrtlichen Raumplaner bei der Analyse und Inter-pretation der umfangreichen Datensaumltze

Kommunale Energie- und Treibhausgasdatenbank

Fuumlr die Entwicklung kommunaler Strategien zur Energiewende und zum Klimaschutz ist eine profunde Charakterisierung der Gemeinde im Hinblick auf Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen im Status quo (Eroumlffnungsbilanz) ebenso unerlaumlsslich wie die Darstellung der energetischen Potenziale der Gemeinde

Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen der Gemeinde

Im Hinblick auf den Energieverbrauch und die Treibhausgasemissionen auf Gemeindeebene stuumltzt sich das SKE auf das bdquoEnergiemosaik Austrialdquo Diese Datenbank bildet den Energieverbrauch und die damit verbundenen Treibhausgasemissionen fuumlr alle oumlsterreichischen Staumldte und Gemeinden ab und bietet damit umfangreiche energie- und klimarelevante Entscheidungsgrundlagen auf Gemeindeebene Das Energiemosaik Austria steht seit Jaumlnner 2020 unter wwwenergiemosaikat mit interaktiven Karten umfangreichen Tabellen und weiterfuumlhrenden Diagrammen zur Verfuumlgung (Abart-Heriszt et al 2019a und 2019b) Die Ergebnisse des Energiemosaiks Austria wurden fuumlr die steiermaumlrkischen Gemeinden in einer sepa-raten Datenbank abgelegt (kommunale Energie- und Treibhausgasdatenbank Steiermark) die uumlber eine eigens entwickelte Excel-Abfrageoberflaumlche zugaumlnglich ist (Abart-Heriszt et al 2020) Sie wurde den Gemeinden in der Steiermark schon im Sommer 2018 vorweg zur Verfuumlgung gestellt und im Winter 2020 auf den aktuellen Stand des Energiemosaiks Austria gebracht

Energetische Potenziale der Gemeinde

In der kommunalen Energie- und Treibhausgasdatenbank Steiermark werden nicht nur die im Energie-mosaik Austria getroffenen Aussagen zum Energieverbrauch und zu den Treibhausgasemissionen be-reitgestellt sondern auch energetische Potenziale der Gemeinden dokumentiert Dabei steht die Dar-stellung thermischer Potenziale mit teilweise hoher Ortsgebundenheit als Grundlage fuumlr die Entwick-lung von Strategien zur Waumlrmeversorgung im Vordergrund der Betrachtungen Besondere Bedeutung kommt hierbei Effizienzpotenzialen zu Der Energieverbrauch und damit das Ausmaszlig der Treibhausgasemissionen koumlnnen durch Maszlignahmen zur Steigerung der Energieeffizienz erheblich vermindert werden Dies gilt auch fuumlr den Waumlrmebedarf von Siedlungen der mittel- bis lang-fristig durch die energetische Sanierung der bestehenden Bausubstanz verringert werden kann In der

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kommunalen Energie- und Treibhausgasdatenbank Steiermark werden die Energieeffizienzpotenziale fuumlr die Wohngebaumlude ausgewiesen In diesem Rahmen wird (ebenso wie im Status quo) auf bereits erfolgte energetische Sanierungen der Gebaumlude grundsaumltzlich Bedacht genommen wobei angesichts unzureichender Datengrundlagen keine gemeindespezifische oder inneroumlrtliche Differenzierung der bisherigen Sanierungstaumltigkeit erfolgt Fuumlr die Ermittlung der kuumlnftigen Energieeffizienzpotenziale wer-den unterschiedliche Gebaumludekategorien und Bauperioden in ihrer raumlumlichen Verteilung beruumlcksich-tigt Im Hinblick auf die Verminderung der Treibhausgasemissionen spielen die sogenannten Substitutions-potenziale eine besondere Rolle Sie beschreiben in welchem Ausmaszlig fossile Energie zum Einsatz kommt die durch erneuerbare Energie substituiert werden kann In der kommunalen Energie- und Treibhausgasdatenbank Steiermark ist der fossile Anteil am Waumlrmebedarf dargestellt Die erneuerbaren Energiepotenziale sind vielseitig In der kommunalen Energie- und Treibhausgasda-tenbank Steiermark werden die Abwaumlrmepotenziale aus industriell-gewerblicher Produktion und aus Einrichtungen der technischen Infrastruktur sowie (gebaumludeintegrierte) Solarwaumlrmepotenziale Bio-masse- und Biogaspotenziale ausgewiesen

Rasterbasierte Energie- und Treibhausgasdatenbank

Waumlhrend Aussagen auf Gemeindeebene eine wichtige Referenz fuumlr die Formulierung kommunaler Strategien fuumlr die Energiewende und den Klimaschutz darstellen erweist sich fuumlr Festlegungen der oumlrtlichen Raumplanung eine inneroumlrtliche Differenzierung als erforderlich Aus diesem Grund wurde eine landesweite rasterbasierte Energie- und Treibhausgasdatenbank entwickelt die im digitalen At-las Steiermark abrufbar ist (wwwgisstmkgvat)

Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen im 250-m-Raster

Fuumlr die rasterbasierte Energie- und Treibhausgasdatenbank erfolgt die Ermittlung von Energiever-brauch und Treibhausgasemissionen der Wohnnutzung und der wirtschaftlichen Nutzungen flaumlchen-deckend in einem 250-m-Raster in Analogie zur Modellierung auf Gemeindeebene Die statistische Da-tenbasis beruht auf einer Sonderauswertung der Gebaumlude- und Wohnungszaumlhlung sowie der Arbeits-staumlttenzaumlhlung im 250-m-Raster seitens der Statistik Austria wobei aufgrund von Datenschutzbestim-mungen einzelne Angaben (unterhalb gewisser Schwellenwerte) unterdruumlckt werden Im Allgemeinen stehen demnach im Raster dieselben Strukturdaten (70 Parameter zu Wohnflaumlchen und Beschaumlftigten) in derselben sachlichen Differenzierung zur Verfuumlgung und kommen dieselben Energiekennzahlen und Emissionsfaktoren zur Anwendung wie auf Gemeindeebene Fuumlr jede Rasterzelle werden Energiever-brauch und Treibhausgasemissionen als Summe aller Produkte von Strukturdaten und Energiekenn-zahlen bzw unter Heranziehung energietraumlgerspezifischer Emissionsfaktoren ermittelt wobei auf die Berechnung von Waumlrmebedarf und Waumlrmebedarfsdichten ein Hauptaugenmerk gelegt wird

Energetische Potenziale im 250-m-Raster

Ergaumlnzend zu den Angaben zum Energieverbrauch und zu den Treibhausgasemissionen werden in der rasterbasierten Energie- und Treibhausgasdatenbank auch die Effizienz- und Solarwaumlrmepotenziale (analog zur Darstellung auf Gemeindeebene) ausgewiesen

Energieraumplanerische Standortraumlume

Die rasterbasierten Daten bilden eine wesentliche Grundlage fuumlr die landesweite Identifikation der energieraumplanerischen Standortraumlume die ebenfalls im digitalen Atlas Steiermark oumlffentlich zur Verfuumlgung stehen (wwwgisstmkgvat) Entsprechend der thematischen Schwerpunktsetzung im SKE werden Standortraumlume fuumlr Fernwaumlrmeversorgung und klimafreundliche Mobilitaumlt ausgewiesen

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Standortraumlume fuumlr Fernwaumlrmeversorgung

Im Vordergrund der Betrachtungen stehen Uumlberlegungen zur Verfolgung raumlumlich differenzierter Stra-tegien zur Waumlrmeversorgung und zur Konzentration der kuumlnftigen Siedlungsentwicklung auf Standort-raumlume die mit Fernwaumlrme versorgt werden koumlnnen wobei dies nur im Falle der Nutzung uumlberwiegend erneuerbarer Energietraumlger hocheffizienter Kraft-Waumlrme-Kopplungs-Anlagen oder bedeutender Ab-waumlrmepotenziale forciert werden soll Waumlrmenetze haben den Vorteil dass sie im Hinblick auf dendie eingesetzten Energietraumlger sehr flexibel sind und dass sie die Volatilitaumlt der erneuerbaren Energietrauml-ger (vornehmlich der Solar- und Windenergie) ausgleichen koumlnnen Sie eignen sich daher besonders fuumlr den mittel- bis langfristig erforderlichen Ausstieg aus der fossilen bzw den zunehmenden Einsatz erneuerbarer Energie in der Waumlrmebereitstellung

Kriterien fuumlr die Ausweisung von Standortraumlumen fuumlr Fernwaumlrmeversorgung sind die im 250-m-Raster ermittelte Waumlrmebedarfsdichte und die im Flaumlchenwidmungsplan jeweils ausgewiesene maximal zu-laumlssige Geschoszligflaumlchenzahl als Maszligzahl fuumlr die Bebauungsdichte Damit wird der Uumlberlegung Rech-nung getragen dass eine hohe Effizienz und Wirtschaftlichkeit der investitionskostenintensiven Fern-waumlrmeversorgung nur bei kurzen Transportwegen mit minimalen Waumlrmeverlusten gewaumlhrleistet sind Optionen fuumlr die Fernwaumlrmeversorgung muumlssen demnach in einem engen Zusammenhang mit einer angemessenen Bebauungsdichte einer ausgewogenen Mischung verschiedener Nutzungen mit zeit-lich variierender Waumlrmenachfrage und mit den Standorten von Groszligabnehmern betrachtet werden Letztere spiegeln sich im Allgemeinen in hohen Waumlrmebedarfsdichten wider werden damit auch in den energieraumplanerischen Standortraumlumen sichtbar und koumlnnen im Sachbereichskonzept Energie in Kenntnis der oumlrtlichen Gegebenheiten besonders beruumlcksichtigt werden

Je houmlher die genannten Dichten sind (vgl Abb 1) desto eher eignen sich Siedlungsgebiete fuumlr die Versorgung mit Waumlrme- (und allenfalls auch Kaumllte-) netzen ndash selbst im Falle einer Verringerung des Waumlrmebedarfs durch die fortschreitende ener-getische Sanierung im Gebaumludebestand

Abb 1 Standortraumlume fuumlr Fernwaumlrmeversorgung Quelle eigene Darstellung

Standortraumlume fuumlr klimafreundliche Mobilitaumlt

Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Lenkung der kuumlnftigen raumlumlichen Entwicklung jener Sied-lungsgebiete die sich besonders fuumlr eine energiesparende und klimafreundliche Mobilitaumlt eignen Im Rahmen der Ausweisung von Standortraumlumen fuumlr klimafreundliche Mobilitaumlt werden die Nutzungsin-tensitaumlt von Standorten und die Guumlteklassen des oumlffentlichen Verkehrs beruumlcksichtigt Fuumlr die Beurteilung der Nutzungsintensitaumlt von Standorten kommt ein eigens fuumlr das SKE entwickeltes Modell zur Anwendung das die Nutzungsvielfalt und Nutzungsdichte von Siedlungsstrukturen abbil-det Das Modell traumlgt der Uumlberlegung Rechnung dass eine kompakte Siedlungsstruktur mit einer aus-gewogenen Nutzungsmischung und angemessenen Dichten die besten raumlumlichen Voraussetzungen fuumlr kurze Wege und einen hohen Anteil des Fuszlig- und Radverkehrs schafft Auszligerdem wird dem Um-stand Rechnung getragen dass Standorte mit houmlheren Nutzungsintensitaumlten Synergiepotenziale eroumlff-nen und die Verknuumlpfung von Wegen zu Wegeketten (Erfuumlllung mehrerer Wegezwecke) erlaubt und

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dadurch attraktiver sind Die Ermittlung der Nutzungsintensitaumlt beruht auf den Strukturdaten im 250-m-Raster (Einwohner und Beschaumlftigte bzw Arbeitsstaumltten im Dienstleistungssektor) Die Angaben zur OumlV-Guumlteklasse basieren auf der im Rahmen der OumlROK-Partnerschaft Raumordnung und Verkehr erarbeiteten Studie bdquoBedienungsqualitaumlt und Erschlieszligungsguumlte im oumlffentlichen Verkehrldquo (OumlROK 2017) die Daten wurden von der AustriaTech GmbH zur Verfuumlgung gestellt Die Studie nimmt sowohl auf die Qualitaumlt des oumlffentlichen Verkehrsangebotes als auch auf die Erreichbarkeit von Halte-stellen Bezug Demnach beruumlcksichtigt die Festlegung der OumlV-Guumlteklasse eines Standortes einerseits die Haltestellenkategorie die aus der Art des Verkehrsmittels sowie der Bedienungshaumlufigkeit (reprauml-sentiert durch die werktaumlglichen Kursintervalle) resultiert Andererseits flieszligen fuumlnf verschiedene Dis-tanzklassen zur Haltestelle (Fuszligwege bis maximal 1250 m Realdistanz) in die Beurteilung der OumlV-Guuml-teklasse eines Standortes ein Insgesamt werden in dieser Studie sieben OumlV-Guumlteklassen abgegrenzt Mikro-OumlV-Systeme sind in den OumlV-Guumlteklassen nicht abgebildet

Je houmlher die Nutzungsin-tensitaumlt und die Attrakti-vitaumlt der OumlV-Erschlieszligung sind (vgl Abb 2) desto eher eignen sich Sied-lungsgebiete fuumlr eine Verlagerung von Ver-kehrsleistungen des mo-torisierten Individualver-kehrs auf den Fuszlig- und Radverkehr sowie auf den oumlffentlichen Verkehr und damit fuumlr eine klima-freundliche Mobilitaumlt

Abb 2 Standortraumlume fuumlr klimafreundliche Mobilitaumlt Quelle eigene Darstellung

Synthese Uumlberlagerung der energieraumplanerischen Standortraumlume

Die eingehende Analyse bzw Uumlberlagerung der Standortraumlume fuumlr Fernwaumlrmeversorgung und fuumlr kli-mafreundliche Mobilitaumlt erlaubt jene Standorte innerhalb einer Gemeinde zu identifizieren die so-wohl hinsichtlich der Waumlrmeversorgung als auch der Mobilitaumlt energie- und klimaoptimierte Rahmen-bedingungen aufweisen Es sind dies im Allgemeinen kompakte nutzungsgemischte Siedlungsstruktu-ren mit maszligvoller Dichte der Bebauung die sich an den Erfordernissen des Fuszlig- und Radverkehrs so-

wie an attraktiven oumlffent-lichen Verkehrsangebo-ten orientieren Insofern bieten sie gute Voraus-setzungen fuumlr die Fern-waumlrmeversorgung (vor-nehmlich aus erneuerba-ren Energietraumlgern oder Abwaumlrme) sowie fuumlr die Nutzung des Umweltver-bundes aus Zu-Fuszlig-Ge-hen Radfahren und oumlf-fentlichem Verkehr (vgl Abb 3)

Abb 3 Uumlberlagerung der energieraumplanerischen Standortraumlume Quelle eigene Darstellung

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Die Strategien der Energieraumplanung zielen darauf ab diesen Standortraumlumen kuumlnftig eine hohe Prioritaumlt in der Siedlungsentwicklung einzuraumlumen Daraus sind unter Beruumlcksichtigung der besonde-ren oumlrtlichen Gegebenheiten sowie vor dem Hintergrund der aktuellen demographischen und wirt-schaftlichen Entwicklung vor Ort entsprechende Schlussfolgerungen fuumlr raumrelevante Festlegungen bzw im Hinblick auf die Lagegunst oder -ungunst bisher in Erwaumlgung gezogener Siedlungsentwick-lungspotenziale zu ziehen Dabei praumlzisiert der Leitfaden bdquoDas Sachbereichskonzept Energieldquo die sied-lungsstrukturellen Rahmenbedingungen und zeigt Anhaltspunkte fuumlr die planungsrechtliche Umset-zung energieraumplanerischer Strategien auf

Klimaschutz und das Foumlrderungsprogramm zur Energieraumplanung in der Steiermark

Der uumlberwiegende Teil der Treibhausgasemissionen ndash in der Steiermark sind es rund 85 ndash entsteht durch die Umwandlung fossiler Brennstoffe in Energie Der Sektor Verkehr und der Gebaumludebereich verursachen insgesamt 34 bzw ndash einschlieszliglich der indirekten Emissionen bei der Bereitstellung von Fernwaumlrme und Strom fuumlr die Gebaumlude ndash uumlber 40 der steirischen Treibhausgasemissionen (Klimabe-richt Steiermark 2019) Soll das international vereinbarte Ziel die Klimaerwaumlrmung im globalen Mittel mit maximal 2degC zu be-grenzen erreicht werden ist rasches Handeln auf allen Ebenen der Gesellschaft zur Verringerung der Treibhausgasemissionen erforderlich Daher wurde mit der integrierten Klima- und Energiestrategie Steiermark 2030 ein strategischer Rahmen geschaffen der zukunftsweisende Handlungsoptionen auf Bundeslandebene darlegt Die Raumplanung wird dort als zentrales strategisches Instrument fuumlr den Klimaschutz und die Versor-gung mit Energie auf kommunaler Ebene mit der Begruumlndung angefuumlhrt dass kompakte Siedlungs-strukturen die Voraussetzung fuumlr eine klimaoptimierte Energieversorgung sowie attraktive klima-freundliche Mobilitaumltsangebote sind Als Schwerpunktziel wurde bdquoDie Energieraumplanung als integ-rierender Bestandteil der Raumplanung entwickelnldquo definiert Darauf basierend wurde im Aktionsplan zur Klima- und Energiestrategie die Maszlignahme bdquoDas Sachbereichskonzept Energie in Gemeinden stra-tegisch verankernldquo beschlossen Eine zentrale Rolle spielen dabei die Raumplanerinnen und Raumpla-ner die als Multiplikatoren in den Gemeinden fungieren Das Sachbereichskonzept Energie unterscheidet sich dabei wesentlich von den Energiekonzepten die in der Vergangenheit erarbeitet wurden Sie hatten naumlmlich den entscheidenden Nachteil dass sie nicht in den Instrumenten der oumlrtlichen Raumplanung verankert wurden Sie haben deshalb in das Denken der fuumlr die Raumplanung Verantwortlichen kaum Eingang gefunden womit die Umsetzung so gut wie verspielt war Die Aussagen des SKE werden hingegen in das oumlrtliche Entwicklungskonzept der Gemeinde integriert Um das neue Instrument des SKE in die Umsetzung zu bringen wurde von den mit Raumplanung und Energie betrauten Stellen in den Abteilungen des Landes gemeinsam ein Foumlrderungsprogramm aus dem Oumlkofonds Steiermark aufgesetzt Die eingereichten Foumlrderungsansuchen werden von einer Jury ndash bestehend aus wissenschaftlichen Vertretern den betroffenen Landesdienststellen sowie dem Buumlro der zustaumlndigen Landesraumltin ndash vor Erteilung einer Foumlrderungszusage gepruumlft Dabei ist die Ausschrei-bung modular gestaltet Das erste Modul zielt auf die Foumlrderung von Planungsleistungen entsprechend dem Leitfaden bdquoDas Sachbereichskonzept Energieldquo ab um Klimaschutz- und Energieaspekte uumlber das SKE in die Instrumente der oumlrtlichen Raumplanung einzuarbeiten wobei die Raumplaner diesen Pro-zess in den Gemeinden organisieren Zusaumltzlich zum raumordnungsrechtlich verbindlichen Stake-

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holderprozess kann auch eine aktive Buumlrgerbeteiligung finanziell unterstuumltzt werden um eine Identi-fikation aller Betroffenen mit dem SKE zu schaffen und mit einer offenen und sachlichen Informations-politik die notwendige Transparenz im Planungsprozess zu gewaumlhrleisten Interessenskonflikten ist da-bei bestmoumlglich zu begegnen und sie sind sofern moumlglich waumlhrend der Erarbeitungszeit beizulegen Aufbauend auf der Entwicklung des SKE koumlnnen uumlber zwei weitere Module vornehmlich Machbarkeits-studien und Detailplanungen sowie die Vorbereitung und Ausschreibung von Umsetzungsvorhaben gefoumlrdert werden Fuumlr die Inanspruchnahme einer Foumlrderung ist auch die Wahrnehmung spezieller Schulungs- und Bera-tungsangebote durch die jeweilige Gemeinde und die Ortsplaner verpflichtend Diese Veranstaltungen wurden vom Land Steiermark gemeinsam mit der BOKU angeboten An den Schulungen bzw Beratun-gen nahmen Vertreterinnen und Vertreter aus uumlber siebzig Gemeinden teil In der Haumllfte der Gemein-den wird aktuell aktiv an den SKEs gearbeitet Bereits angekuumlndigt und auch in der Klima- und Energie-strategie festgehalten ist eine zukuumlnftige gesetzliche Verpflichtung im steirischen Raumordnungsge-setz zur Erarbeitung der SKEs Mit einer solch konsistenten Vorgehensweise nimmt die Steiermark eine Vorreiterrolle in Oumlsterreich ein

Schlussbemerkung Eine verstaumlrkte Beruumlcksichtigung der Raumrelevanz von Energiewende und Klimaschutz in Strategien zur raumlumlichen Entwicklung von Gemeinden zeigt angesichts der Langlebigkeit der baulichen Struktu-ren der Verkehrs- und Leitungsinfrastruktur sowie der sozialen Infrastruktur (einschlieszliglich weiterer Daseinsvorsorgeeinrichtungen) mittel- bis langfristig Wirkung Vorausschauend und fruumlhzeitig muumlssen daher Uumlberlegungen zur erneuerbaren Energieversorgung und Optionen fuumlr eine klimafreundliche Mo-bilitaumlt in die Planung insbesondere in das oumlrtliche Entwicklungskonzept einflieszligen Auf der Ebene des Flaumlchenwidmungsplanes sind diese Vorgaben im Hinblick auf eine energiebewusste bauliche Entwick-lung zu praumlzisieren Fuumlr die Bebauungsplanung ist ein integrierender Ansatz wichtig der Bebauungs- Energie- Verkehrs- und Gruumlnraumkonzept aufeinander abstimmt bdquoLeistbares Wohnenldquo darf in dieser Hinsicht nicht mit bdquoBillig bauenldquo gleichgesetzt werden Die planerischen Festlegungen zur Auswahl von Standorten fuumlr die Siedlungsentwicklung und zur Ausgestaltung der baulichen Entwicklung an diesen Standorten sollen begleitet werden von weiterfuumlhrenden Uumlberlegungen beispielsweise zur Gestaltung der oumlffentlichen Verkehrsinfrastruktur oder zur Entwicklung von Fernwaumlrmenetzen Auf der projekt-planerischen Ebene die jedoch nicht Gegenstand des SKE ist koumlnnen die Aussagen zu den Standort-raumlumen vertieft und dafuumlr allenfalls weitere Datenquellen beruumlcksichtigt werden (beispielsweise die Heizungsdatenbank die Energieausweisdatenbank das Gebaumlude- und Wohnungsregister) Dadurch kann sichergestellt werden dass eine vorausschauende raumlumliche Entwicklung von einem oumlkonomi-schen und effizienten Umgang mit der Energieinfrastruktur begleitet wird und Energieversorgungssys-teme nicht am Rande der Wirtschaftlichkeit betrieben werden muumlssen Es braucht daher eine Entflech-tung und Ordnung der Energieinfrastruktur wobei der Fernwaumlrmeversorgung aus erneuerbaren Quel-len oder Abwaumlrme Vorrang einzuraumlumen ist Damit besteht der laumlngerfristige Nutzen raumrelevanter Strategien zugunsten der Energiewende und des Klimaschutzes in einer Abkehr von der flaumlchenhaften Ausdehnung der Siedlungsgebiete und von baulichen Entwicklungstendenzen an den Siedlungsraumlndern bzw in Siedlungssplittern zugunsten kom-pakter angemessen dichter und nutzungsgemischter Siedlungsstrukturen Diese Strategien der Innen-entwicklung bieten nicht nur optimale raumlumliche Rahmenbedingungen fuumlr die leitungsgebundene Waumlrmeversorgung und die klimafreundliche Mobilitaumlt sondern wirken sich auch positiv auf einen sorg-samen Umgang mit Grund und Boden und die Sicherung hochwertiger land- und forstwirtschaftlicher Flaumlchen aus Angesichts der Multifunktionalitaumlt dieser Flaumlchen ist die mit der Innenentwicklung der

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Siedlungsgebiete einhergehende Verringerung des Siedlungsdrucks auf den Freiraum auch aus ande-ren Gruumlnden (Nahrungsmittelproduktion Hochwasserschutz Ressourcensicherung Erholungsfunk-tion langfristige Flaumlchenvorhaltung) jedenfalls zu begruumlszligen Strategien zur Innenentwicklung tragen zur Staumlrkung zentral gelegener multifunktionaler Standorte und zur Minimierung der Kosten bzw des Einsatzes oumlffentlicher Finanzmittel fuumlr die Errichtung die Instandhaltung und den Betrieb sozialer und technischer Infrastrukturen bei Sie gewaumlhrleisten die wirtschaftliche Tragfaumlhigkeit und eine hohe Attraktivitaumlt von Dienstleistungseinrichtungen bzw oumlffent-lichen Verkehrsangeboten und damit die Versorgbarkeit bzw Versorgungssicherheit der Bevoumllkerung Sie stellen gute Erreichbarkeitsverhaumlltnisse fuumlr nicht-motorisierte Verkehrsteilnehmer und die Abde-ckung der Mobilitaumltsbeduumlrfnisse aller Bevoumllkerungsgruppen sicher Angesichts der Kuumlrze der Wege und der alternativen Angebote zur motorisierten Mobilitaumlt sind erhebliche Erleichterungen im Alltag die Folge In diesem Sinne leisten energie- und klimaoptimierte Siedlungsstrukturen laumlngerfristig nicht nur einen Beitrag zur Energiewende und zum Klimaschutz sondern tragen auch zur Attraktivierung von Ortszentren und zur Aufwertung der Wohn- und Wohnumfeldqualitaumlt und damit zur Verbesserung der Lebensqualitaumlt der Bevoumllkerung bei Auszligerdem steckt in den Infrastrukturen und Gebaumluden von ange-messen dichten und funktionsgemischten Siedlungsstrukturen nur ein geringes Maszlig an grauer Energie fuumlr deren Errichtung Instandhaltung und Betrieb Diese Gebiete sind demnach auch unter diesem Ge-sichtspunkt ressourcen- und klimaschonend

Literatur Abart-Heriszt L Erker S Reichel S Schoumlndorfer H Weinke E Lang S (2019a) Energiemosaik Austria Oumlsterreichweite Visualisierung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen auf Ge-meindeebene EnCO2Web FFG BMVIT Stadt der Zukunft Wien Salzburg Lizenz CC BY-NC-SA 30 AT vgl wwwenergiemosaikat

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Digitaler Atlas Steiermark (o J) Rasterbasierte Energie- und Treibhausgasdatenbank sowie energie-raumplanerische Standortraumlume vgl httpsgisstmkgvatatlas (Planung und KatasterSachbe-reichsplanung Energie)

bdquoDas Sachbereichskonzept Energie ndash Ein Beitrag zum Oumlrtlichen Entwicklungskonzept Leitfaden Ver-sion 20ldquo (2019) vgl httpswwwverwaltungsteiermarkatcmsdoku-mente12663031_1443818266a64edd420190125_Leitfaden_20pdf

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Energieraumplaumlne ndash ein Meilenstein am Weg zur nachhaltigen Energie-zukunft Wiens

Susanna Erker (1) Andrea Kinsperger (2) Herbert Hemis (3) und Bernd Vogl (4)

DOI 10347261022

(1) Dipl-Ing Dipl-Ing Drnattechn Magistrat der Stadt Wien Magistratsabteilung 20 ndash Energieplanung ORCID 0000-0001-7076-846X

(2) Dipl-Ing Magistrat der Stadt Wien Magistratsabteilung 20 ndash Energieplanung

(3) Dipl-Ing Magistrat der Stadt Wien Magistratsabteilung 20 ndash Energieplanung

(4) Mag Magistrat der Stadt Wien Leiter der Magistratsabteilung 20 ndash Energieplanung

Abstract

Die Energieraumplanung ruumlckt Fragen nach unserem Energiebedarf den erneuerbaren Energiepoten-zialen und der Energieinfrastruktur in den Fokus der Stadtplanung Ziel ist die Schaffung von standort- und klimagerechten Energieversorgungsloumlsungen Mit der Verordnung von Energieraumplaumlnen kommt die Stadt Wien diesem Ziel einen groszligen Schritt naumlher Neubauten die sich innerhalb ausgewiesener Klimaschutz-Gebiete befinden duumlrfen aus-schlieszliglich mit hocheffizienten alternativen Energiesystemen zur Aufbereitung von Raumwaumlrme und Warmwasser versorgt werden Dazu zaumlhlen unter anderem Systeme wie die Wiener Fernwaumlrme oder Waumlrmepumpen Im Umkehrschluss sind Oumll- oder Erdgasheizungen verboten Neben der Einsparung von Treibhausgasen im Sinne des Klimaschutzes werden mit dem Instrument der Energieraumplaumlne doppelte Infrastrukturen - dh Fernwaumlrme- und Gasnetze - entflochten und da-mit volkswirtschaftliche Kosten reduziert Schlieszliglich erhoumlht die raumlumliche Steuerung von Versor-gungsoptionen die Planungssicherheit fuumlr Investierende Stadtentwicklung und Energieversorgungsun-ternehmen

Schluumlsselbegriffe

Energieraumplanung Verordnung von Energieraumplaumlnen Energiewende Bauordnung Wien Klima-schutz Erker S Kinsperger A Hemis H Vogl B (2021) Energieraumplaumlne ndash ein Meilenstein am Weg zur nachhaltigen Energiezu-kunft Wiens In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelin-gen der Energiewende Wien reposiTUm S28-37

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Inhalt Einleitung 30

Wo stehen wir 30

Die Waumlrmewende 31

Erdgas und Fernwaumlrme im Waumlrmesektor 31

Wo wollen wir hin 31

Die Energieraumplaumlne ndash ein neues Planungsinstrument fuumlr die Waumlrmewende 33

Die Abgrenzung der Klimaschutz-Gebiete 34

Der Prozess hinter den Energieraumplaumlnen 35

Die Auswirkungen der Energieraumplaumlne 35

Wie geht es weiter 35

Literatur 37

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Einleitung

Fuumlr die Smart City Wien ist Klimaschutz eine vordringliche Aufgabe Dabei ist klar dass zur Erreichung der ambitionierten und notwendigen Klimaziele ein umfassendes Set an Maszlignahmen zur Reduktion der klimaschaumldlichen Treibhausgase benoumltigt wird Unserem staumldtischen Energiesystem kommt hier eine entscheidende Rolle zu Ziel ist die Schaffung eines krisensicheren klimavertraumlglichen und erneu-erbaren Energiesystems das fuumlr alle Wienerinnen und Wiener leistbar bleibt Um dies zu bewerkstel-ligen muumlssen wir weniger Energie verbrauchen die Energieinfrastruktur optimieren den Energiebe-darf mit erneuerbarer Energie und Abwaumlrme decken und den Einsatz von innovativen Energieloumlsungen vorantreiben Alles in allem braucht die sogenannte Energiewende eine tiefgreifende und systemati-sche Umstellung der bestehenden Energieversorgung Am Weg zur nachhaltigen Energiezukunft Wiens ist es noumltig aktuelle Trends und Entwicklungen mit zu beruumlcksichtigen Dazu zaumlhlt beispielsweise das Bevoumllkerungswachstum Im kommenden Jahrzehnt wird Wien auf zwei Millionen Einwohnerinnen und Einwohner anwachsen (MA 23 2019) Daraus re-sultiert nicht nur ein erhoumlhter Bedarf an Wohnraum und Arbeitsplaumltzen sondern auch an Energie so-wie der dazu noumltigen Infrastruktur Ebenso werden die Auswirkungen des Klimawandels immer spuumlr-barer Maszlignahmen zur Klimawandelanpassung ndash etwa das Kuumlhlen von Gebaumluden im Sommer ndash werden in Zukunft an Bedeutung gewinnen Der nachhaltige und klimagerechte Umbau unserer Stadt ist daher untrennbar mit der Neugestaltung unseres Energiesystems verbunden Dies spiegelt sich auch im 2019 erschienenen bdquoSTEP 2025 ndash Fachkonzept Energieraumplanungrdquo wider das einen wichtigen Schritt zur Dekarbonisierung der Stadt Wien setzt Darin wird Energieraumplanung als die Verschraumlnkung von Raum- und Energieplanung definiert und als neue Kompetenz der Stadtpla-nung etabliert (MA 20 2019a) Die Wiener Energieraumplanung soll unter anderem dabei helfen den Einsatz leitungsgebundener Infrastruktur vorausschauend zu planen und erneuerbare Energiequellen sowie Abwaumlrme innerhalb des Stadtgebiets koordiniert nutzbar zu machen Es geht um das Ausrollen von innovativen Loumlsungen auf das gesamte Stadtgebiet vom Neubau zum Bestand von der netzge-bundenen zur dezentralen Versorgung vom Quartier zum Gebaumlude Schlieszliglich bietet Energieraum-planung die Chance mit Hilfe des Raumordnungs- und Baurechts einen noch deutlicheren Beitrag zum Klimaschutz und zur Energiewende zu leisten homogene Voraussetzungen zu schaffen und damit Pla-nungssicherheit zu gewaumlhrleisten Doch welche konkreten Schritte sind zu setzen um das Potenzial der Energieraumplanung voll entfalten zu koumlnnen Hierzu bedarf es eines naumlheren Blickes auf unseren derzeitigen Umgang mit Energie

Wo stehen wir Wien leistet bereits heute einen wichtigen Beitrag zur eigenen Energieversorgung Derzeit werden rund 18 des staumldtischen Energiebedarfs durch eine Kombination aus Muumlllverbrennung Kraft-Waumlrme-Kopplung Windkraft Solarenergie bioge-nen Brennstoffen Wasserkraft und Umgebungs-waumlrme von der Stadt selbst bereitgestellt (MA 20 2019b) Der Groszligteil unseres Bedarfs wird jedoch durch Importe von Erdgas Oumll und Strom gedeckt Unter Beruumlcksichtigung des weiterhin hohen Anteils an fossiler Energie in unserem System erweist sich ein Bereich als besonders relevant wenn es um Fra-gen wie Energiewende oder Klimaschutz geht der Waumlrmesektor (vgl Abb 1)

Abb 1 Der Endenergieverbrauch nach Anwendungen in Wien Quelle MA 20 2019b eigene Darstellung

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Die Waumlrmewende

Die Haumllfte und damit der Groszligteil unseres jaumlhrlichen Endenergieverbrauchs in Wien kann dem Waumlr-mebedarf zugeordnet werden Darunter fallen die Bereitstellung von Raumwaumlrme Warmwasser Kuumlh-lenergie sowie die Dampferzeugung und die Prozesswaumlrme die etwa bei der industriellen Fertigung benoumltigt werden Der Groszligteil dieses Waumlrmebedarfs wird mittels fossiler Energie gedeckt insbeson-dere wenn der fossile Energieeinsatz im Fernwaumlrmebereich mitberuumlcksichtigt wird (Statistik Austria 2020 MA 20 2019b) Die angestrebte Reduktion des fossilen Anteils im Waumlrmesektor ist planungs- und kostenintensiv da damit eine Umstellung von der Waumlrmeproduktion und -speicherung bis zur -verteilung einhergeht Besonders relevant ist dabei der Bedarf an niedertemperierter Waumlrme also kurz gesagt die Energie die wir zum Heizen und zur Aufbereitung von Warmwasser benoumltigen Die beiden wichtigsten Sekto-ren die diese Form der Waumlrme fast zur Gaumlnze beanspruchen sind die privaten Haushalte sowie die oumlffentlichen und privaten Dienstleistungen (Statistik Austria 2020) Der Bedarf an Raumwaumlrme und Warmwasser verteilt sich dabei uumlber das gesamte Stadtgebiet Anders als hochtemperierte Waumlrme mit mehreren hundert Grad die beispielsweise punktuell im produzierenden Bereich beansprucht wird muss die Umstellung der Heiz- und Warmwasserversorgung groszligflaumlchig gedacht werden Doch wieviel muss tatsaumlchlich umgestellt werden

Erdgas und Fernwaumlrme im Waumlrmesektor

Mit Erdgas dem derzeit wichtigsten Brennstoff im Wiener Waumlrmesektor wird rund die Haumllfte der knapp eine Million Wohnungen in Wien beheizt bzw mit warmem Wasser versorgt (Statistik Austria 2013 Statistik Austria 2014) Dabei haben sich zwei Technologien zur Erdgasnutzung etabliert die Gas-Zentralheizung fuumlr ganze Gebaumlude und die Gas-Therme (bdquoEtagenheizungrdquo) in einzelnen Wohnun-gen Neben Erdgas konnte sich die Fernwaumlrme als zweiter groszliger Player am Waumlrmemarkt etablieren Das heutige Fernwaumlrmenetz umfasst insgesamt mehr als 1200 km und ist damit eines der groumlszligten in Eu-ropa Mit Fernwaumlrme werden in Wien rund ein Drittel aller Haushalte und 60 des Dienstleistungsbe-reichs versorgt (MA 20 2019b Wien Energie 2019 Statistik Austria 2020) Dabei stammt die produ-zierte Fernwaumlrme zu rund einem Viertel aus den Muumlllverbrennungsanlagen Floumltzersteig Spittelau Sim-meringer Haide und Pfaffenau sowie dem Wald-Biomasse-Kraftwerk in Simmering Rund drei Viertel liefern Kraft-Waumlrme-Kopplungs-Anlagen und Abwaumlrmequellen Zur Spitzenlastabdeckung kommen erdgasbetriebene Heiszligwasserkessel und seit Neuestem ein Waumlrmegroszligspeicher E-Heizer sowie Waumlr-mepumpen zum Einsatz (Wien Energie 2020)

Wo wollen wir hin In der vom Wiener Gemeinderat beschlossenen bdquoSmart-City-Wien-Rahmenstrategie 2019 bis 2050ldquo wurde verankert dass der Endenergieverbrauch fuumlr Heizen Kuumlhlen und Warmwasser in Gebaumluden um ein Prozent pro Kopf und Jahr sowie die damit verbundenen CO2-Emissionen um zwei Prozent pro Kopf und Jahr sinken sollen Das Ziel bezieht sich auf die Wiener Treibhausgasemissionen auszligerhalb des EU-Emissionshandels Die angesetzten Werte beruumlcksichtigen dabei sowohl das starke Bevoumllkerungs-wachstum in der Stadt Wien als auch die damit verbundenen niedrigen Emissionen des Neubausektors (Magistrat der Stadt Wien 2019) Diese bereits ambitionierten Zielsetzungen sollen im Jahr 2021 nach-geschaumlrft werden Im aktuellen Koalitionsprogramm wurde Wiens Klimaneutralitaumlt bis 2040 verankert Damit muss das Klimaschutzziel fuumlr 2040 auf netto null Treibhausgase angepasst werden (Koalitions-programm 2020) Eine Erreichung dieses Ziels ist allerdings nur dann moumlglich wenn sowohl der Gebaumludesanierung als auch dem Tausch von bestehenden fossilen Heizsystemen durch hocheffiziente alternative Heizsys-

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teme ndash also Fernwaumlrme oder dezentrale erneuerbare Loumlsungen - hohe Prioritaumlt eingeraumlumt wird Dar-uumlber hinaus dient es der Zielerreichung wenn nicht nur im Gebaumludebestand Maszlignahmen gesetzt wer-den Auch in Neubauten muss dafuumlr Sorge getragen werden dass hocheffiziente alternative Heizsys-teme zum Einsatz kommen Erst dann ruumlckt die in Abb 2 skizzierte Reduktion des Energiebedarfs sowie die Umstellung auf eine erneuerbare emissionsarme Versorgung bis 2040 in greifbare Naumlhe

Abb 2 Moumlgliche Entwicklungen des Endenergieverbrauchs bis 2040 in Wien Quelle Abschaumltzungen des Magistrats der Stadt Wien gem SCWR Stand April 2021 (Annahme Strom- und Fernwaumlrmeerzeugung aus fossilen Abfaumlllen auf aktuellem Niveau restliche Erzeugung und Importe vollstaumlndig erneuerbar) und der Wien Energie 2020b eigene Darstellung

Neben Maszlignahmen auf Seiten der Energieabnahme werden auch konkrete Ziele auf der Produktions-seite formuliert Beispielsweise strebt die Wien Energie GmbH als groumlszligte Fernwaumlrmeversorgerin in Wien eine Diversifizierung und Dekarbonisierung der Erzeugungsstruktur der Fernwaumlrme an Bis 2030 sollen nicht mehr wie bislang 20 sondern 40 der Fernwaumlrme aus erneuerbaren Quellen bezogen werden (Wien Energie 2020a Wien Energie 2020b) Eine zentrale Rolle spielt hierbei die Integration von Abwaumlrmequellen auf niedrigem Temperaturniveau die durch Groszligwaumlrmepumpen auf die ge-wuumlnschte Versorgungstemperatur des Primaumlr- bzw Sekundaumlrnetzes gehoben wird Dazu zaumlhlt bei-spielsweise Abwaumlrme aus Industrieprozessen aber auch aus dem Donauwasser dem Grundwasser dem Abwasser oder dem Erdreich Da sowohl die Stadt als auch die Stadtwerke an einer schrittweisen Dekarbonisierung der Fernwaumlrmeerzeugungsstruktur arbeiten ist die oben angefuumlhrte Entflechtung der leitungsgebundenen Energieinfrastruktur und Erhoumlhung der Anschlussdichte zugunsten der Fern-waumlrme ein sinnvoller und wichtiger Schritt Denn durch den jahrelangen Ausbau von zwei leitungsge-bundenen Netzen innerhalb des Stadtgebiets haben sich Gebaumlude Straszligenzuumlge oder Netzbereiche entwickelt in denen Erdgas und Fernwaumlrme parallel angeboten werden Fuumlr beide Netze ergeben sich daraus unbefriedigende Anschlussgrade und insgesamt houmlhere volkswirtschaftliche Kosten Die Ent-flechtung dieser Netze zugunsten umweltfreundlicher Nah- und Fernwaumlrme wird daher als wesentli-cher Schritt in Richtung einer erfolgreichen Waumlrmewende gesehen Flankiert wird diese Maszlignahme durch die zunehmende Nutzung von dezentralen Loumlsungen wie Waumlr-mepumpen um in Lagen ohne Rohrleitungsinfrastruktur eine umweltfreundliche und kostenguumlnstige Waumlrme- und Kaumllteversorgung mittels Anergienetzen oder nicht netzgebundenen Einzelloumlsungen si-cherstellen zu koumlnnen Dies funktioniert beispielsweise mit Hilfe von Erdsonden die dem Erdreich im Winter Waumlrme entziehen um damit Wohnungen zu heizen oder Duschwasser zu erwaumlrmen Im Som-mer wird die uumlberschuumlssige Waumlrme aus den Gebaumluden in die Erdsonden eingeleitet und die Tempera-tur des Untergrunds regeneriert Durch die Moumlglichkeit zu heizen und zu kuumlhlen steigen der Nutzwert und die Zukunftstauglichkeit des versorgten Gebaumludes deutlich an Solche Einzelsysteme auf Basis er-neuerbarer Energietraumlger sind mittlerweile oumlkonomisch vergleichbar und konkurrenzfaumlhig mit einer

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Gasversorgung Das zeigen sowohl Praxiserfahrungen aus dem Wohn- und Schulbau ndash z B die Muumlhl-grundgasse oder der Bildungscampus Seestadt Aspern Nord ndash als auch ein von der Energieplanung der Stadt Wien beauftragtes Gutachten (Treberspurg amp Partner 2019) Im Falle einer Gesamtkostenbe-trachtung uumlber 20 Jahre hinweg oder unter Beruumlcksichtigung der Kuumlhlmoumlglichkeiten durch Waumlrme-pumpen an heiszligen Sommertagen sind derartige Systeme bereits heute kostenguumlnstiger als der Einsatz von Gasthermen Gerade in weniger dichten Gebieten der Stadt die sich kaum fuumlr eine Fernwaumlrme-versorgung oder andere Netzloumlsungen eignen wird kuumlnftig mit einer Ausweitung von dezentralen Ein-zelloumlsungen gerechnet

Die Energieraumplaumlne ndash ein neues Planungsinstrument fuumlr die Waumlrmewende

Um die Waumlrmewende erfolgreich umsetzen zu koumlnnen braucht es Weitblick und klare Vorgaben Der derzeit noch von Gas dominierte Gebaumludebereich ist dabei ein zentraler Hebel Eben hier knuumlpft die Novelle der Bauordnung fuumlr Wien 2018 an Mit den sogenannten Energieraumplaumlnen nach sect 2b der Bauordnung fuumlr Wien wurde ein neues Instrument geschaffen das den Einsatz von Energietraumlgern fuumlr die Bereitstellung von Raumwaumlrme und Warmwasser bei Neubauten gezielt und nachhaltig steuert Die Energieraumplaumlne sind Verordnungen Sie aumlhneln den sektoralen Raumordnungsprogrammen in anderen Bundeslaumlndern wie etwa der Windkraftnutzung in Niederoumlsterreich Die Planungsebene ent-spricht damit der uumlberoumlrtlichen Raumplanung die gesamtstaumldtisch zu betrachten ist Mit Hilfe der Energieraumplaumlne koumlnnen sogenannte Klimaschutz-Gebiete festgesetzt werden in denen fossile Energietraumlger zur Raumwaumlrme- und Warmwasserbereitstellung im Neubaubereich weitestge-hend verboten sind Stattdessen wird eine nachhaltige Waumlrmeversorgung auf Basis von hocheffizien-ten alternativen Systemen vorgeschrieben Dazu zaumlhlen nach sect 118 Abs 3 der Bauordnung fuumlr Wien

bull dezentrale Energieversorgungssysteme auf der Grundlage von Energie aus erneuerbaren Quel-len

bull Kraft-Waumlrme-Kopplungs-Anlagen bull Fern-Nahwaumlrme oder Fern-Nahkaumllte insbesondere wenn sie ganz oder teilweise auf Energie

aus erneuerbaren Quellen beruht oder aus hocheffizienten Kraft-Waumlrme-Kopplungs-Anlagen stammt und

bull Waumlrmepumpen

Energieraumplaumlne koumlnnen dann fuumlr ein Gebiet erlassen werden wenn in diesem Gebiet bereits eine Fernwaumlrmeinfrastruktur als hocheffizientes alternatives System oder ausreichend technische Kapazi-taumlt fuumlr eine Erweiterung der Fernwaumlrmeinfrastruktur verfuumlgbar ist Zudem muss zumindest ein weite-res hocheffizientes alternatives System realisierbar sein Damit bleibt die Wahlfreiheit bestehen ledig-lich klimaschaumldliche fossile Energietraumlger sind fuumlr die Waumlrmeversorgung Geschichte Die Novelle der Bauordnung fuumlr Wien stellt dabei keine radikale Neuerung sondern vielmehr eine Ver-schaumlrfung der bisherigen Fassung dar Bislang war die Ausstattung von Neubauten mit hocheffizienten alternativen Energiesystem bereits verpflichtend Wenn die Errichtung eines entsprechenden Energie-systems aus wirtschaftlichen oder technischen Gruumlnden jedoch nicht moumlglich war konnte im Einzelfall die Verpflichtung weitestgehend entfallen Nur die Versorgung mit mindestens 20 erneuerbarer Energie fuumlr Warmwasser- Raumwaumlrme- oder Stromversorgung musste sichergestellt werden In den durch die Energieraumplaumlne ausgewiesenen Klimaschutz-Gebieten sind solche Ausnahmen kuumlnftig nicht mehr zulaumlssig Klimafreundliche Systeme werden zum neuen Standard ndash ein Meilenstein fuumlr die Klimazukunft

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Die Abgrenzung der Klimaschutz-Gebiete

Im Zuge der Erarbeitung der gegenstaumlndlichen Verordnungen wurden jene Bereiche als Klimaschutz-Gebiete ausgewiesen in denen Fernwaumlrme und zumindest ein weiteres hocheffizientes Energiesystem eingesetzt werden koumlnnen Damit bildet hocheffizient alternativ gefuumlhrte Fernwaumlrme die Grundlage der Gebietsabgrenzung Darunter fallen im Sinne der Energieraumplaumlne jene Netze deren Energie zu-mindest zu 80 aus Kraft-Waumlrme-Kopplungs-Anlagen undoder aus Abwaumlrme undoder aus erneuer-baren Energien (Umgebungswaumlrme Biomasse etc) stammt Die Fernwaumlrme der Wien Energie GmbH entspricht derzeit als einziges Netz diesen Kriterien Um die bestehende hocheffizient alternativ gefuumlhrte Netzinfrastruktur der Wien Energie mit ihren Ka-pazitaumlten bestmoumlglich ausnuumltzen zu koumlnnen wurde das Erweiterungs- und Verdichtungspotenzial des Netzes untersucht Dazu wurden technisch-oumlkonomische Analysen erstellt und gutachterlich uumlber-pruumlft Im Falle der technischen Bewertung waren Restriktionen des bestehenden Netzes von zentraler Bedeutung Darunter fallen moumlgliche Komplikationen die sich aufgrund der Verlegeart bzw der Di-mension von Leitungen sowie der beschraumlnkten Leistungsfaumlhigkeit der Gebietsumformer- und Uumlber-gabestationen ergeben koumlnnen Anschlieszligend wurden die Kosten eines moumlglichen Anschlusses unter-sucht Darunter fallen jene Kosten die beim Energieversorger und Netzbetreiber entstehen wie Inves-titionskosten im Zusammenhang mit dem Anschluss eines Gebaumludes an das Waumlrmenetz oder laufende Kosten im Zusammenhang mit der Erzeugung und dem Transport der Waumlrme Wenn durch die Ertraumlge aus dem Waumlrmeverkauf die angefuumlhrten Kosten gedeckt werden koumlnnen faumlllt die wirtschaftliche Be-wertung positiv aus Ein positives Ergebnis der technisch-oumlkonomischen Bewertung resultiert in einer Erweiterung bzw Verdichtung der derzeitigen hocheffizient alternativ gefuumlhrten Fernwaumlrmeversorgungsbereiche In ei-nem abschlieszligenden Schritt wurde ermittelt ob in den ausgewiesenen Zonen zumindest ein weiteres hocheffizientes alternatives System neben der Fernwaumlrme betrieben werden kann Dies wurde gut-achterlich untersucht und fuumlr alle Gebiete bestaumltigt Das Ergebnis dieser stufenweisen Vorgehensweise sind die Energieraumplaumlne und die darin parzellenscharf ausgewiesenen Klimaschutz-Gebiete

Abb 3 Orangedruck eines Wiener Energieraumplans Wien Ottakring Quelle MA 20 2020

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Wie in Abb 3 ersichtlich werden die Klimaschutz-Gebiete bezirksweise erlassen Gemeinsam mit den Bezirken Leopoldstadt und Neubau wurde der Energieraumplan Ottakring im Juni 2020 vom Wiener Gemeinderat beschlossen Im September 2020 folgten die Bezirke Landstraszlige Josefstadt Alsergrund Waumlhring und Doumlbling Die uumlbrigen 15 Wiener Gemeindebezirke sollen in den kommenden Monaten beschlossen werden

Der Prozess hinter den Energieraumplaumlnen

Das Verfahren zur Erstellung der Energieraumplaumlne und den darin kenntlich gemachten Klimaschutz-Gebieten orientiert sich am Ablauf zur Erarbeitung der Flaumlchenwidmungs- und Bebauungsplaumlne Im Rahmen der Vorentwurfsphase werden Grundlagen aufbereitet und die Ergebnisse stadtintern reflek-tiert Auf dieser Basis wird ein Entwurf erarbeitet der einer oumlffentlichen Auflage unterzogen wird Et-waige Stellungnahmen werden aufgenommen und gegebenenfalls in die Energieraumplaumlne eingear-beitet Anschlieszligend werden die Verordnungen von der Europaumlischen Kommission mittels Notifizie-rung bestaumltigt Weder von Seiten der Europaumlischen Kommission aus anderen Mitgliedstaaten noch von Unternehmen kamen diesbezuumlglich bislang Einwaumlnde Das Fehlen eines solchen Einwandes kann als richtungsweisend im Sinne des Klimaschutzes interpretiert werden Klimaschutz wird damit uumlber den Schutz des Binnenmarktes fuumlr fossile Heizungen gestellt Schlieszliglich gelangen die Energieraum-plaumlne in den Wiener Gemeinderat und erlangen drei Monate nach Kundmachung ihre Guumlltigkeit

Die Auswirkungen der Energieraumplaumlne

Etwa acht von zehn Neubauten in Wien befinden sich kuumlnftig in einem Klimaschutz-Gebiet Die Stadt Wien rechnet mit etwa 8000 neuen Wohneinheiten innerhalb dieser Gebiete pro Jahr Durch die Vor-schreibung hocheffizienter alternativer Systeme fuumlr Raumwaumlrme und Warmwasser haben die Klima-schutz-Gebiete daher direkten Einfluss auf die staumldtische Treibhausgasbilanz Das geplante Monitoring der Energieraumplaumlne wird zeigen wie wirksam diese Maszlignahme bezuumlglich des staumldtischen Treib-hausgasbudgets ist Daruumlber hinaus hemmen die gegenstaumlndlichen Verordnungen den parallelen Leitungsausbau in Neu-baugebieten etwa von Gas und Fernwaumlrme Damit werden eine leistbare Waumlrmeversorgung fuumlr End-kundinnen und Endkunden sichergestellt und Planungssicherheit fuumlr Investorinnen und Investoren ge-schaffen Ausnahmen ergeben sich lediglich im Falle von Industrie- und Gewerbegebieten wenn diese einen Gasanschluss fuumlr ihre Produktionsprozesse benoumltigen Im Bereich der bestehenden Gebaumludestruktur kann durch die gegenstaumlndlichen Verordnungen kurz- bis mittelfristig keine Entflechtung der doppelten Rohrleitungsinfrastruktur erreicht werden Um das zu bewirken muumlssten auch entsprechende Regelungen fuumlr die Umstellung von fossilen Heizungsanla-gen in Bestandsbauten ergriffen werden Trotzdem soll durch Anschluumlsse von Neubauten die Fern-waumlrme-Anschlussdichte in der Bestandsstadt erhoumlht werden Das unterstuumltzt den kosteneffizienten Betrieb und traumlgt zur Leistbarkeit der Energieversorgung bei Schlieszliglich ruumlstet sich die Stadt Wien durch die vermehrte Nutzung von erneuerbarer Energie fuumlr die Zukunft und wird damit europaweit Vorreiterin denn mit gruumlner Energie aus der Region wird Wien unabhaumlngiger von Erdgasimporten aus dem Ausland

Wie geht es weiter

Mit den Energieraumplaumlnen setzt Wien einen wichtigen Meilenstein fuumlr eine krisensichere und erneu-erbare Energiezukunft Im Sommer 2020 begann mit der Verordnung der ersten acht Klimaschutz-Ge-biete der Ausstieg aus der fossilen Gasversorgung von Neubauten Aber was ist mit dem Gebaumludebe-stand

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Die Dekarbonisierung von Bestandsbauten ist die logische Folge der aktuellen Energieraumplaumlne und wurde auch im aktuellen Koalitionsuumlbereinkommen verankert Dabei wird es wichtig sein auf die Aus-gangslage des Bestands einzugehen (z B Sanierungszustand Nutzung bauliche Dichte etc) und vor diesem Hintergrund die unterschiedlichen Moumlglichkeiten eines Energietraumlgerwechsels zu beleuchten Nach derzeitiger Sicht lassen sich grob folgende Versorgungsoptionen unterscheiden

bull Fernwaumlrme wird auch im Gebaumludebestand eine wichtige Rolle fuumlr die Raumwaumlrme- und Warm-wasserversorgung spielen Einerseits koumlnnten jene Gebaumlude kuumlnftig mit Fernwaumlrme versorgt werden die bereits heute uumlber einen Fernwaumlrmeanschluss verfuumlgen aber nur teilweise oder gar nicht mit Fernwaumlrme versorgt werden Andererseits koumlnnten auch jene Gebaumlude ange-schlossen werden die in unmittelbarer Naumlhe zu einer bestehenden Fernwaumlrmeleitung bzw in einem Fernwaumlrmeausbaugebiet mit ausreichender Kapazitaumlt liegen Sinnvolle Loumlsungen zur Gebaumludekuumlhlung im Sommer muumlssen zusaumltzlich etabliert werden Ebenso wird die Sanierung der Bestandsstadt eine wichtige Rolle spielen um den Waumlrmebedarf zu senken und damit noch mehr Wienerinnen und Wiener mit kuumlnftig fossilfreier Fernwaumlrme versorgen zu koumlnnen

bull In den fuumlr die Fernwaumlrme ungeeigneten Lagen koumlnnten die uumlbrigen hocheffizienten alternati-ven Energiesysteme gemaumlszlig sect 118 (3) Bauordnung fuumlr Wien zum Einsatz kommen Bereits heute zeichnen sich umfangreiche Potenziale an vor Ort verfuumlgbarer Erdwaumlrme ab die sowohl den Bedarf an Waumlrme als auch an Kaumllte in weiten Teilen des Stadtgebiets decken koumlnnten Die Versorgung einzelner Gebaumlude kann dabei dezentral die Versorgung mehrerer Gebaumlude mit-tels innovativer Nahwaumlrmenetze erfolgen

bull Schlieszliglich wird es Gebiete geben in denen nur bedingt hocheffiziente alternative Waumlrmever-sorgungssysteme realisiert werden koumlnnen Dazu zaumlhlen etwa Industriegebiete die hochtem-perierte Waumlrme fuumlr industrielle oder gewerbliche Prozesse benoumltigen Ebenso wird es Ge-baumlude geben die beispielsweise aufgrund des Denkmal- oder Ensembleschutzes nur einge-schraumlnkt saniert oder aus technischen Gruumlnden nur schwer nachgeruumlstet werden koumlnnen Fuumlr diese Faumllle koumlnnte aus derzeitiger Sicht bdquogruumlnes Gasldquo eine Moumlglichkeit zur Waumlrmebereitstel-lung bieten Dabei muumlssen das Potenzial die Verfuumlgbarkeit und die Transportfaumlhigkeit von bdquogruumlnem Gasldquo im Auge behalten werden um eine langfristige Versorgung gewaumlhrleisten zu koumlnnen

Neben der schrittweisen Umstellung auf eine erneuerbare Energieversorgung darf die Steigerung der Energieeffizienz nicht auszliger Acht gelassen werden Darunter faumlllt beispielsweise die thermische Ge-baumludesanierung mit der der Waumlrme- und Kuumlhlbedarf gesenkt und damit eine erneuerbare Versorgung unterstuumltzt werden kann Erst durch die Verschneidung beider Handlungsfelder kann ein nachhaltiges Energiesystem entstehen Naumlhere Informationen dazu finden sich im SEP ndash Staumldtisches Energieeffizi-enz-Programm 2030 (MA 20 2019c) und in der Energierahmenstrategie 2030 fuumlr Wien (Stadt Wien 2016) Als Energieplanungsabteilung der Stadt Wien versuchen wir den hier skizzierten Weg zu verfolgen und die Entwicklungen im Energiesektor in geregelte Bahnen zu lenken Dabei gilt es flexibel und system-offen zu bleiben um bestmoumlglich auf die bevorstehenden Systemaumlnderungen eingehen zu koumlnnen Nur so kann die Energieraumplanung als neue Kompetenz der Stadtplanung zur Entfaltung kommen und immer deutlicher in der gebauten Stadt wirksam werden Je mehr neue und bestehende Objekte mit klimaschonender Energieversorgung entstehen desto sichtbarer und spuumlrbarer wird der Klima-schutz fuumlr alle Die kommenden Jahrzehnte werden jedenfalls einige Umbruumlche bereithalten die die Stadt Wien bereits heute als Chance versteht um bestmoumlgliche Loumlsungen fuumlr ihre Bewohnerinnen und Bewohner vorzubereiten

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Literatur

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Energieraumplanung Das oumlsterreichische Instrumentarium im IST und SOLL

Hartmut Dumke (1) und Stefan Geier (2)

DOI 10347261023

(1) UnivAss Dipl-Ing Drtechn Forschungsbereich Regionalplanung und Regionalentwicklung Institut fuumlr Raumplanung TU Wien ORCID 0000-0002-8111-9083

(2) Dipl-Ing Institut fuumlr Raumplanung Umweltplanung und Bodenordnung (IRUB) Department fuumlr Raum Landschaft und Architektur Universitaumlt fuumlr Bodenkultur (BOKU) Wien

Abstract

In einer bundeslanduumlbergreifenden Konsensdefinition wurde Energieraumplanung (ERP) 2014 als bdquoTeil der Raumplanung der sich umfassend [hellip] mit Energiebedarf und -gewinnungldquo beschaumlftigt definiert Seither sind zahlreiche Erfolgsgeschichten in den 9 Handlungsfeldern der ERP gelungen aber die Frage wie der bdquoNext Levelldquo im Sinne der Energiewende und der Klimawandelanpassung erreicht werden kann ist offen Dazu systematisiert der vorliegende Artikel zunaumlchst das Instrumentarium im IST Zu-stand nach Raumbezuumlgen und Wirkungsweisen Dieser Befund zeigt insbesondere bei der Verbindlich-keit und Wiederholbarkeit deutliche Schwaumlchen in der bdquoMatrixldquo der Steuerungsinstrumente deshalb werden 6 neue Handlungsfelder vorgeschlagen die dem kuumlnftigen Anspruch der ERP moumlglicherweise besser gerecht werden koumlnnten Das Fazit schlieszligt mit einem Appell fuumlr mehr Lenkungsverantwortung bei den Bundeslaumlndern und den Energieversorgungsunternehmen und definiert die SOLL-ERP als bdquoneueldquo Disziplin die mehr andere Disziplinen als bisher enthaumllt u a natuumlrlich auch die Raumplanung

Schluumlsselbegriffe

Energieraumplanung ERP Steuerungsinstrumente Energiewende Dumke H Geier S (2021) Energieraumplanung Das oumlsterreichische Instrumentarium im IST und SOLL In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S38-47

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Inhalt Einleitung 40

Erfolgsgeschichten 41

Instrumente der (E)RP 42

Fazit 44

Literatur 46

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Einleitung

Die bisher einzige bundeslanduumlbergreifende Konsens-Definition aus 2014 lautet wie folgt (Stoumlglehner et al 2014 S 12) bdquoEnergieraumplanung ist jener integrale Bestandteil der Raumplanung der sich mit den raumlumlichen Dimensionen von Energieverbrauch und Energieversorgung umfassend beschaumlftigtldquo Damit erscheint einerseits in der OumlROK-Definition aus 2014 die Beruumlcksichtigung komplexer integrier-ter wirkmaumlchtiger Handlungsfelder der ERP abgedeckt Andererseits war diese Definition von einem die Bundeslaumlnder uumlbergreifenden Konsens motiviert der Raumplanung keine Verantwortung fuumlr kom-plexe Steuerungsaufgaben der ERP zuzumuten fuumlr die ihr Instrumentarium derzeit nicht gebaut ist Zu diesen komplexen Steuerungsaufgaben gehoumlrt u a die integrierte Beruumlcksichtigung der Ziele Ener-giesparen Steigerung der Versorgungsanteile aus erneuerbaren und CO2-armen Gewinnungsformen und Entwicklung der Siedlungsstrukturen zu Gunsten umweltfreundlicher Verkehrsmittel Aber nicht alle dieser Ziele koumlnnen nur mit Raumplanungsinstrumenten unterstuumltzt bzw erreicht werden Der vorliegende Artikel diskutiert demzufolge das IST und SOLL zum Instrumentarium der oumlsterreichi-schen Energieraumplanung (ERP) Im Sinne der ERP-Konferenz die am 20 und 21022020 an der TU Wien stattfand (TU Wien Institut fuumlr Raumplanung 2020) geht es dabei insbesondere um einen Be-fund zu Wirkungsweisen und -staumlrken die benoumltigt werden um von vielen Teil-Erfolgen der ERP zum bdquoNext Levelrdquo zu gelangen bdquoNext Levelrdquo wuumlrde dabei bedeuten dass bereits umgesetzte Erfolgsgeschichten der Energieraumpla-nung (vgl Tab 1) kuumlnftig deutlich haumlufiger schneller und unkomplizierter als bisher umgesetzt werden koumlnnen Neben diesen Reflexionen diskutiert dieser Beitrag somit ob die aktuell konsensuale Defini-tion der ERP zu diesem Anspruch eines deutlichen bdquoUpscalingsrdquo passt und auch die Anspruumlche der Mi-tigation und Adaptation im Klimaschutz bedienen kann

Abb 1 ERP im IST als Teilmenge von Raumplanung Quelle eigene Darstellung

Nach der benannten Definition von ERP kann diese als Teilmenge von RP (neben anderen wie Ver-kehrsplanung Gruumlnraumplanung Tourismusplanung etc) betrachtet werden Der vorliegende Artikel diskutiert daher ob dieses bislang vorherrschende Verstaumlndnis im IST (ERP ist als Element in der Raum-planung enthalten) dem Next Level der ERP im SOLL uumlberhaupt gerecht werden kann Zunaumlchst werden bestehende Erfolgsgeschichten (ERP IST) aufgezeigt danach werden die Steuerungsinstrumente mit Energierelevanz diskutiert und auch bdquoalterdquo und bdquoneuerdquo Handlungsfelder der Energieraumplanung ge-listet Im Fazit wird zusammenfassend aus diesen Erkenntnissen ein ERP SOLL inclusive einer anderen bdquoMengenlehreldquo entworfen

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Erfolgsgeschichten

Exemplarisch fuumlr bdquoErfolgsgeschichtenrdquo listet Tab 1 umgesetzte Praxisbeispiele auf der Quartiers- und Siedlungsebene die aufgrund Ihrer integrierten Zugaumlnge nach Ansicht der Autoren das Branding bdquoEner-gieraumplanungrdquo wirklich verdienen weil sie integriert Umsetzungen in mindestens vier aus den neun Handlungsfeldern der ERP realisiert haben

Lage Umsetzungen Instrumentarium ERP-Handlungsfelder gemaumlszlig OumlROK 2014

Energiezonenplanung Freistadt Oberoumlsterreich

Festlegung von Vorrang- und Ausbaugebieten fuumlr Fernwaumlrme raumlumliche Ent-wicklung nach den Prinzi-pien Funktionsmischung raumlumliche Dichte und Kom-paktheit in den Vorrangflauml-chen

Energiezonenplan 3 4 5 6 7 8

Siedlung bdquoRosa Zukunftrdquo Salzburg

Neubausiedlung Passiv-hausstandard Erdwaumlrme + Fotovoltaik + Solarthermie E-Car-Sharing Smart-Grid-Evaluierung

Gefoumlrdertes Leuchtturm-projekt der Smart-Grids-Modellregion Salzburg Wohnbaufoumlrderung

4 6 7 8 9

Smart Block Geblergasse (Wien)

Thermische Sanierung im Bestand Geothermie + So-larthermie Energiebedarfs- und verbrauchsmonitoring Mobilitaumlts- und Freiraum-konzept

FFG-Forschungsfoumlrderung Smart-City-Rahmenstrate-gie THEWOSAN-Foumlrderung

4 6 7 8 9

Zell am See ndash Sonnengarten Limberg (Salzburg)

Neubau-Quartiersentwick-lung nach den bdquoklimaaktiv-Standards fuumlr Siedlungen und Quartiererdquo Energie- Mobilitaumlts- und Partizipati-onskonzept

klimaaktiv-Standards fuumlr Siedlungen und Quartiere klimaaktiv-Gold-Standard fuumlr die Gebaumlude

3 4 5 6

Tab 1 Oumlsterreichische bdquoErfolgsgeschichtenrdquo erfolgreich umgesetzter Energieraumplanung

Neun Handlungsfelder

1) Freihaltung von geeigneten Raumlumen zur Gewinnung Speicherung und Verteilung erneuer-barer Energien von konflikttraumlchtigen Nutzungen einschlieszliglich Erhaltung von Pufferflauml-chen

2) Freigabe von geeigneten Raumlumen zur Gewinnung Speicherung und Verteilung erneuerba-rer Energien

3) Bereitstellung von Planungsgrundlagen und Planungsmethoden fuumlr oumlrtliche und uumlberoumlrtli-che Energie- und Mobilitaumltskonzepte

4) Wahrnehmung der Rolle als Plattform zum Interessenausgleich 5) Staumlrkung von Zentralitaumlt und kurzen Wegen 6) Anstreben von Dichte und Funktionsmischung 7) Innen- vor Auszligenentwicklung 8) Abstimmung von Nutzungsentwicklung und Mobilitaumltsangebot (im Umweltverbund) 9) Optimierung und Attraktivierung ungenutzter Energiepotenziale

Quelle eigene Darstellung neun Handlungsfelder nach (Stoumlglehner et al 2014)

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Instrumente der (E)RP

In der Unterscheidung zwischen Raumplanung und Energieraumplanung stellt sich uumlberhaupt die Frage was denn eigentlich keine Energieraumplanung ist Wichtiger als eine solche philosophische De-batte ist fuumlr die Planungspraxis im IST und SOLL aber ein systematischer Zugang Was gibt es uumlberall was nicht In Tab 2 wird diese Systematisierung von Steuerungsinstrumenten mit Energierelevanz nach dem Raumbezug und der Wirkungsweise versucht Das erhebt keinen Anspruch auf Vollstaumlndig-keit fasst aber sowohl Steuerungsansaumltze zusammen die in allen Bundeslaumlndern vorkommen als auch manche die (Stand 2020) nur in einzelnen Bundeslaumlndern vorkommen Letztere sind mit Bundesland-Kuumlrzeln markiert Die sechs Spalten der Wirkungsweisen und -arten (direkt undoder indirekt) basieren urspruumlnglich auf dem Systemansatz von Klaus Selle (Selle 2005) und wurden seit 2013 im Zuge des Forschungsprojektes ENUR (und nachfolgenden auch in anderen Forschungsprojekten am Institut fuumlr Raumplanung) um die Unterscheidung nach raumlumlichen Wirkungsebenen ergaumlnzt Die Indirekten haumlufig zeitig bdquolangsamenrdquo Ansaumltze definieren dabei den Rahmen in dem die bdquoschnellenrdquo direkt raumwirksamen Ansaumltze sich bewegen koumlnnen Die Zuordnung der Instrumente entspricht ausschlieszliglich der Auffassung der Auto-ren und koumlnnte aus anderen Perspektiven heraus unterschiedlich ausfallen eine interdisziplinaumlr kon-sensierte Version waumlre fuumlr sich ein interessantes Projekt und ein wichtiger bdquoMeilensteinrdquo der ERP im SOLL Anmerkung In Gebieten welche in Wien von Energieraumplaumlnen erfasst sind wird per Verordnung die Wahl des Heizungs- und Warmwasserbereitungssystems von Neubauten beschraumlnkt Bestandsge-baumlude sind davon nicht beruumlhrt Fuumlr Neubauten sind zur Beheizung und Warmwasserbereitung die innerhalb eines Energieraumplanes (MA 20 Energieplanung Wien 2020) errichtet werden nur mehr eines der bdquohocheffizienten alternativen Systemeldquo gemaumlszlig Wiener Bauordnung sect 118 Absatz 3 (Wien 2020) erlaubt Energieraumplaumlne koumlnnen in allen Bundeslaumlndern auszliger Wien grundsaumltzlich der regio-nalen Ebene zugeordnet werden aber in Wien entspricht dies eher der Quartiers- oder Siedlungs-ebene Neben der Unterscheidung nach Raumbezug und Wirkungsweise ist es aber auch wichtig die Entste-hung all dieser Steuerungsinstrumente im IST zu systematisieren Wie ist die Verbindlichkeit besichert wer war bei der Entwicklung eines Instrumentes (nicht) beteiligt und wie ist die bdquoDatenlandschaftrdquo aufgestellt an die die Energieraumplanung hohe Anspruumlche hat Die folgende Einschaumltzung gibt einen Uumlberblick wo die ERP 2020 nach Ansicht der Autoren steht

1 Energieversorger und Netzbetreiber fehlen bisher noch weitgehend als BeteiligteMitgestal-ter

2 Die regionale Ebene verfuumlgt uumlber zu wenige verbindliche Steuerungsansaumltze die uumlber die lo-kalen Ebenen (vor allem auf die Gebaumludeebene aber auch pro Siedlung und Gemeinde) wir-ken

3 Erst wenige Bundeslaumlnder verfuumlgen uumlber eine konsistent und frei zugaumlngliche Datenbasis die kleinraumlumige Aussagen und Entscheidungen ermoumlglicht

4 Die rechtsverbindlichen Instrumente Flaumlchenwidmungs- und Bebauungsplan adressieren die Energierelevanz implizit aber nicht explizit

5 Andere verbindliche Instrumente wie die Bauordnungen bdquowirkenrdquo im Sinne der Energieraum-planung vor allem am einzelnen Gebaumlude weniger in Gebaumludeensembles auf der Quartiers- und Siedlungsebene

6 Auch auf Quartiers- und Siedlungsebene fehlt es nicht an Steuerungsansaumltzen aber Ihre bdquoWirk-machtrdquo hat im Sinne der Energieraumplanung bisher noch zu wenig Serialitaumlt erlangt Analy-sen die sich der Erklaumlrung der fehlenden Serialitaumlt widmen stehen noch aus

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Raumbezug Wirkungsweise und Raumwirksamkeit (indirekt und direkt raumveraumlndernd)

Bundesland Raum- ordnungs- und Raum- planungs- gesetze

Bauordnungen OIB-Richtlinien

Landesenergie-konzepte (Energie Zukunft

Mobilitaumlt Klimaschutz) Waumlrmeatlas (Stmk W S)

Foumlrderungen Wohnbau Sanierungen Produktion erneuerbarer

Energien Sachbereichskonzept Energie

(Stmk)

Windkraft-Sachpro-

gramme und -konzepte

(K NOuml OOuml Stmk)

PV Konzepte (K B)

Region Regionale Energiekon-zepte Smart Regions- und Mobilitaumlts- konzepte Klima- und

Energiemodell-regionskon-

zepte LEADER-Konzepte

Entwicklung von Regional-entwickungs-managements

und Interessens-verbaumlnden

Stadt Gemeinde

Oumlrtliche Entwicklungs-

konzepte Masterplaumlne

Stadt- entwicklungs-

plaumlne Sachbereichs-

konzept Energie (Stmk)

Energie- und Klimakonzept

(NOuml)

Kommunale Energieleitbilder und -konzepte e5-Gemeinden-

Konzepte

Waumlrmenetz-betrieb

Energiegewin-nung

Flaumlchenwid-mungsplaumlne Bebauungs-

plaumlne

Mobilitaumlts-zentralen Beratungs-

stellen Gebietsbe-treuungen

(W)

Quartier Siedlung Gebaumlude- ensembles

Energieraum-plaumlne (W)

Energiekon-zepte sanfte Stadterneue-

rung (W) Energieraum-planerische

Standortraumlume (Stmk)

Waumlrmeatlas (S)

Vertraumlge Public-Private Partnerships Bodenfonds Steuer- und

Einspeisereg-lements der

Erneuerbare-Energie-

Gewinnung

Investoren- wettbe-werbe

Nutzungs- beitraumlge

Grundstuumlcks-aufschlieszligun-gen Bauland-umlegungen

staumldtebau- liche Vertraumlge

ERP- Simulations-

und Berechnungs-

tools Entwicklungs-

gesell- schaften

Sanfte Stadt-erneuerung

(W)

Einzelne Gebaumlude

Beratungs- angebote

(Miete und Eigentum)

Zertifi- zierungs- systeme

Eigentuumlmer-vertraumlge und -beschluumlsse

regulativ (indirekt)

kommunikativ bewusstseins-

bildend (indirekt)

finanzierend (indirekt)

markt- aktivierend

(direkt)

standort- entwickelnd

(direkt)

Prozesse steuernd

(direkt und oder indirekt)

Tab 2 Steuerungsinstrumente mit Energierelevanz nach raumlumlichen Beschluss- und Wirkungsebenen und Wirkungswei-sen Bundesland-Kuumlrzel Stmk = Steiermark W = Wien S = Salzburg K = Kaumlrnten B = Burgenland NOuml = Niederoumlsterreich Quelle Eigene Darstellung und Erweiterung 2021 nach Department fuumlr Raumplanung 2013 und Weninger 2017 Die Tabelle erhebt keinen Anspruch auf Vollstaumlndigkeit

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Die bisher beschriebenen Befunde zum Stand der Energieraumplanung im IST lassen ein Bild entste-hen wie die Energieraumplanung im SOLL beschaffen sein koumlnnte Einen neuen Vorschlag dieser bdquoMengenlehrerdquo schlaumlgt die Abb 5 (vgl Fazit) vor Im Sinne der ERP im SOLL geht es um die folgenden zusaumltzlichen Handlungsfelder

bull Infrastrukturplanung und -koordination in Richtung Dekarbonisierung bull sektoruumlbergreifende Planungs- und Entscheidungsprozesse bull Erhebung von erneuerbaren Energiepotenzialen inkl Abwaumlrme bull Waumlrmebedarfsprognosen und -planung mit Hilfe von Waumlrmekatastern (ISTSOLL) bull sektoruumlbergreifende Datengrundlagen bull regionale- und kleinraumlumige Mobilitaumltsmodelle

Diese sechs neuen Handlungsfelder stehen zwar im Kontext der bisherigen neun Handlungsfelder aus der OumlROK Definition 2014 konkretisieren aber in der Akteurinnen- und Akteurslandschaft und auch raumlumlich differenzierender wie der bdquoNext Levelrdquo der Energieraumplanung Fahrt aufnehmen koumlnnte Die sektorenuumlbergreifenden Expertisen und Grundlagen der Raum- und Energieplanung flieszligen noch nicht in gemeinsame integrierte Planungen ein Um strategische raumlumliche Ziele aufgrund von Ener-giequellen und -senken und Infrastruktur zu bdquoerreichenrdquo muumlssen sektoruumlbergreifende Planungs- und Entscheidungsgrundlagen sowie eine gemeinsame Datenbasis geschaffen werden Christoph Schrem-mer fordert dazu die bdquofachlich zielbezogene Integration von Siedlungsentwicklung und Energiesektorldquo um moderne Infrastruktur nachhaltige Mobilitaumlt und hohe Lebensqualitaumlt erreichen zu koumlnnen In sol-chen Prozessen waumlre dabei kuumlnftig in erheblich staumlrkerem Ausmaszlig eine staumlrkere Formalisierung der Zustaumlndigkeiten und Verantwortlichkeiten anzustreben - wer hat fuumlr welches Kooperationsprodukt auf welcher raumlumlichen Ebene die Hauptverantwortung wer bdquonurrdquo eine Mitarbeitsverantwortung Liegt derzeit moumlglicherweise noch deutlich zu viel Verantwortung auf der kommunalen Ebene und deutlich zu wenig auf der regionalen- und der Bundeslandebene Tab 3 bietet anhand von Plan- und Koopera-tionsprodukten zur Energieraumplanung einen Vorschlag zum kuumlnftigen ERP-SOLL

Fazit

Der vorliegende Beitrag argumentiert dass die ERP im IST uumlber ein vielseitiges und vielartiges Instru-mentarium verfuumlgt Trotzdem gibt es bisher erst wenige ERP-Erfolgsgeschichten Deshalb braucht es wenn der bdquoNext Levelrdquo im ERP-SOLL konkret werden soll eine problemfokussierte Wirkungsanalyse Wie sind die ERP-Erfolge kuumlnftig einfacher haumlufiger und seriell wiederholbarer moumlglich Die Gestaltung eines nachhaltigen Energiesystems kann aufgrund der Komplexitaumlt und Langfristigkeit dieser Aufga-benstellung offenbar nicht durch Einzelentscheidungen entstehen Diese interdisziplinaumlre Denkweise bringt die Raumplanung schon bislang in die Energieplanung ein Die Wirkungen von bestehenden ERP-Instrumenten sind somit bisher vorwiegend fuumlr die Klimawandelanpassung (bdquoAdaptationrdquo) geeignet der Klimaschutz durch Mitigation wird demgegenuumlber allerdings eine ERP im SOLL brauchen Energieraumplanung ernst nehmen wuumlrde im SOLL bedeuten die dafuumlr notwendigen Planungs- und Entscheidungsprozesse grundlegend neu zu gestalten Dies bedeutet dass Akteurinnen- und Akteurs-gruppen miteinander sprechen sollen die das bisher noch nicht getan haben um gemeinsam Koope-rationsprodukte und Plaumlne auf allen raumlumlichen Ebenen beschlieszligen zu koumlnnen Gemeinden insbe-sondere kleine und finanzschwache duumlrfen nicht laumlnger mit den Aufgaben der Energieraumplanung uumlberfordert werden aber dazu braucht es eine deutliche Staumlrkung der Lenkungsverantwortung auf regionaler- und Bundeslandebene Auch muss die Landesplanungsebene nicht die kommunale Ebene deutlich haumlufiger und intensiver als bisher an der Verbesserung der bdquoDatenlandschaftrdquo arbeiten und dabei auch die Energieversorgungsunternehmen staumlrker in die Pflicht nehmen Dies ist sehr wohl unter

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Einhaltung des Datenschutzes moumlglich Plan- und Rasterkartenprodukte aus anderen Laumlndern bewei-sen es

Kooperationsprodukt Inhalte der Kooperationsprodukte Bundesland Region Gemeinden

Potenzialkarten Biomasse und Bio-gas Windkraft Solarthermie Pho-tovoltaik Wasserkraft Abwaumlrme Geothermie

Flaumlchen im bebauten und unbebauten Raum die ein zusaumltzlich (zum bereits aktiven Potenzial) moumlgliches erneuer-bares Energiepotenzial enthalten

X (X) (X)

Status quo des Energiesystems Kraftwerke (Leistungen und Ener-giemengen pro Jahr) Lage und Zu-stand leitungsgebundener Energie-infrastrukturen (insbesondere Strom Waumlrme Gas)

Uumlbersicht systemrelevanter interkom-munal bedeutsamer Anlagen Bei der Leitungsinfrastruktur braucht es die Ko-operation mit den Energieversorgungs-unternehmen

X (X)

Potenzialstudie bdquoVirtuelles regiona-les Kraftwerkldquo

Auf Basis der zeitlich vorgelagerten Po-tenzialkarten Ausschluss- und Eig-nungskriterien fuumlr erneuerbare Ener-giepotenziale auf regionaler Ebene in-klusive einfacher Abschaumltzung des Selbstversorgungsgrades im IST und SOLL

X (X)

Regionaler Energieraumplan mit IST- und SOLL-Inhalten zur Energie-nachfrage Anteil der erneuerbaren Energieversorgung und Mobilitaumlts-aspekten

Grenzen energieraumlumlicher Typologien auf regionaler Ebene (Siedlungs- und Landschaftsteile) Vorschlaumlge fuumlr quar-tiersgenaue bdquoUntertypenldquo Eignungs- und oder Ausschlussgebiete fuumlr Ener-gietraumlger oder Heizsysteme mit Fokus auf leitungsgebundenen Energietrauml-gern

X (X)

Potenzialkarten Geothermie Solar-energie Einsparungen beim Heiz-waumlrmebedarf Potenzial fuumlr thermi-sche Sanierungen Nachverdich-tungspotenzial

Raumlumliche und zeitliche Entwicklungs-prioritaumlten Fokus auf Bestandskonver-sion

(X) X

Kooperationsvertrag zur Priorisie-rung der Umsetzungs- und Maszlig-nahmenschritte inklusive bdquoWar-tungsdesignldquo des regionalen Ener-gieraumplanes

Agreement uumlber Finanzierung Ziele und Monitoring der energieraumplane-rischen Kooperation

(X) X (X)

Bewertung der Auswirkungen des regionalen Energieraumplans auf die Energiestrategie des Bundeslan-des und auf die Ziele internationa-ler Klimaschutzvereinbarungen

Kriterien-Set (etwa CO2-Emissionen) zur Uumlberpruumlfung der Policy-Wirksamkeit

X

Tab 3 Kooperationsprodukte und Rollen in der bdquoNext Levelrdquo ERP SOLL Die Rolle von Bundesland Region und Gemeinde wird unterschieden in X = Federfuumlhrung und Hauptverantwortung (X) = Kontrolle Mitarbeit Quelle eigene Bearbeitung nach (Dumke 2017)

Diese erweiterte Lenkungsverantwortung auf Bundeslandebene muss auch mit Instrumenten ausge-stattet werden welche ausgehend von den oben genannten Kooperationsprodukten (z B regionale Potenzialkarten und Eignungszonen) eine raumlumlich differenzierte Steuerung mit mehr Verbindlichkeit als bisher ermoumlglicht

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Dafuumlr muss auch ein bisher in Oumlsterreich noch voumlllig fehlendes bdquoGegenstromprinziprdquo der Behoumlrdenver-bindlichkeit nach Schweizer Vorbild (Kanton Basel 2010) fuumlr Planinhalte und Grundlagendaten im In-formationsfluss zwischen QuartierenSiedlungen Gemeinden Regionen Bundeslaumlndern und dem Staat erarbeitet werden Im Schweizer Gegenstromprinzip werden Daten- und Planinhalte sowohl bdquotop downrdquo als auch bdquobottom uprdquo abgeglichen und die Inhalte sind auch in beide Richtungen behoumlrdenver-bindlich Sollte sich dieses bdquoGegenstromprinziprdquo in Oumlsterreich etablieren koumlnnte ergaumlnzend auch zu-saumltzlich der horizontale Informationsfluss zwischen Quartieren und Siedlungen verbessert werden Die in Tab 3 genannten Kooperationsprodukte sollten als gemeinsame Grundlagen fuumlr die unter-schiedlichen raumlumlichen Ebenen aber auch sektoruumlbergreifend frei verfuumlgbar sein Die Palette dieser Instrumente kann von Foumlrderungen (Wohnbaufoumlrderung ausgerichtet auf den oumlffentlichen Verkehr) bis hin zu Zonen fuumlr Anschlusspflicht oder Ausschlusszonen fuumlr bestimmte Energietraumlger gehen In einer SOLL-ERP-Akteurinnen- und Akteurslandkarte (vgl nebenstehende Abb) muumlssen sich deutlich mehr Disziplinen als bisher wiederfinden koumlnnen Am Instrumentarium der Energieraumplanung bis-her klar unterrepraumlsentierte Rollen sind etwa die Energieversorgungsunternehmen die Netzbetreiber die Landwirtschaft und der Umweltschutz Abschlieszligend zeigt die folgende Grafik die ERP im SOLL Die erheblichen Unterschiede zur Abb 1 (ERP-IST) sind nicht zu uumlbersehen

Abb 2 ERP SOLL Quelle eigene Darstellung

Literatur

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Datenlandschaft der Energieraumplanung ndash eine Standortbestimmung

Robert Kalasek (1) und Florian Puumlhringer (2)

DOI 10347261024

(1) Senior Scientist Dipl-Ing Forschungsbereich Stadt- und Regionalforschung Institut fuumlr Raumplanung TU Wien

(2) UnivAss Dipl-Ing Forschungsbereich Stadt- und Regionalforschung Institut fuumlr Raumplanung TU Wien

Abstract

Raumlumliche differenzierte und treffsichere Entscheidungen im Bereich der Energieraumplanung benouml-tigen als Fundament inhaltlich adaumlquate und raumlumlich hoch aufgeloumlste Informationsgrundlagen Die Anforderungen an den Detaillierungsgrad haumlngen von der Maszligstabsebene des Taumltigkeitsfeldes ab Auf Basis der Erfahrungen aus mehreren Forschungsprojekten werden die Anspruumlche an Datengrundlagen und Datenqualitaumlt der unterschiedlichen Akteure im Prozess von der (Energie-)Raumplanung uumlber den Bau bis zum Betrieb von Gebaumluden reflektiert Ein Schwerpunkt liegt dabei auch auf dem Aspekt des Informationsaustausches zwischen den unterschiedlichen Themenfeldern und Rollen der im Prozess auftretenden Akteuren wie der oumlffentlichen Verwaltung oder Unternehmen aus dem privaten Sektor Dabei wird die Bedeutung des themenspezifischen Detaillierungsgrades der raumlumlichen Granularitaumlt sowie der Aktualitaumlt der Informationsgrundlagen deutlich Die Anforderungen einer evidenzbasierten und effektiven Energieraumplanung an die Datenqualitaumlt werden als hoch eingeschaumltzt waumlhrend die derzeit bestehende Verfuumlgbarkeit und Qualitaumlt aktueller Daten sehr kritisch beurteilt wird

Schluumlsselbegriffe

Datengrundlagen Datenqualitaumlt Informationsaustausch Raumlumliche Analyse

Kalasek R Puumlhringer F (2021) Datenlandschaft der Energieraumplanung ndash eine Standortbestimmung In Giffinger R Ber-ger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S48-61

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Inhalt Energieraumplanung braucht Information 50

Datengrundlagen und Datenqualitaumlt 51

Anspruumlche an Datenqualitaumlt 52

Informationen zum Energieverbrauch 54

Gebaumlude- und Wohnungsdaten 55

Energieausweis als Informationssubstitut 56

Daten zur Energieinfrastruktur 57

Informationsaustausch 57

Rolle der oumlffentlichen Verwaltung (Administration) 58

Rolle von Unternehmen aus dem privaten Sektor 59

Fazit 59

Literatur 60

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Energieraumplanung braucht Information

Energieraumplanung verknuumlpft traditionelle Raumplanung (im Sinn von Regional- Stadt- und Ortspla-nung) mit Energieplanung (vgl Magistratsabteilung 20 2019) Nach dem Verstaumlndnis der Oumlsterreichi-sche Raumordnungskonferenz (2019) ist damit jene Herangehensweise gemeint mit deren Hilfe Ge-meinden Ziele zur Energieeinsparung Kostensenkung und Reduktion von Emissionen verfolgen Zur Staumlrkung nachhaltiger Entwicklung basiert sie daher notwendigerweise auf dem Wissen uumlber die raumlum-lichen Dimensionen von Energieverbrauch- und -gewinnung Angesichts der Notwendigkeit wirksame Strategien zur Energiewende bereits kurzfristig zu implementieren bedarf es raumlumlich differenzierter und treffsicherer Entscheidungen im Rahmen des Planungsprozesses Deren Fundament muumlssen in-haltlich adaumlquate raumlumlich hoch aufgeloumlste und aktuelle Informationsgrundlagen bilden Im folgenden Beitrag greifen wir auf Erfahrungen aus dem im Jahr 2020 am Forschungsbereich Stadt- und Regionalforschung (Institut fuumlr Raumplanung TU Wien) bearbeiteten und abgeschlossenen For-schungsprojekt bdquoPlanen-Bauen-Managen Digitalisierung in der Stadtplanung ndash von der Raumplanung bis zur Digitalisierung im Bauwesen (PBM_integrativ)ldquo im Auftrag des Bundesministeriums fuumlr Verkehr Infrastruktur und Technologie (2019) auf (Giffinger amp Brugger 2019) In dessen Rahmen wurden vor dem Hintergrund der Vielfalt institutioneller Regelungen und Verfahren die Prozesse im thematischen Bogen von der strategischen Raumplanung uumlber Gebaumludeentwurf und -ausfuumlhrung bis zur Nut-zungBetrieb von Gebaumluden (inklusive Erhaltung und Sanierung) beleuchtet Ziel des Auftraggebers war es zukuumlnftige Forschungsbedarfe zu identifizieren bzw einzugrenzen Zahlreiche Expertinnen- und Experteninterviews mit unterschiedlichen Akteuren des genannten Prozesses bilden einen zent-ralen methodischen Baustein des Projekts Innerhalb der Interviews wurden verschiedene thematische Aspekte aus dem breiten und vielschichtigen Themenfeld des Projektes angesprochen - in diesem Bei-trag greifen wir auf die Ergebnisse zu den Interview-Schwerpunkten bdquoDatengrundlagenldquo und bdquoDaten-austauschldquo zuruumlck In der Folge beschraumlnken wir uns zum einen auf den ersten Prozessabschnitt die Planung ndash im Sinn von Raumplanung und Energieraumplanung ndash und zum anderen auf den Aspekt der Raumwaumlrme in Wohngebaumluden Letzteres vor allem deshalb weil dieser Aspekt sowohl hinsichtlich der oumlffentlichen Wahrnehmung im Zusammenhang mit bdquoEnergieverbrauchldquo und damit auch Klimaschutz bereits als re-levantes Handlungsfeld verankert ist (vgl Abb 1) aber auch weil das thematische Segment der bdquoRaumwaumlrmeldquo in Bezug auf die aktuell zur Verfuumlgung stehende Informationsbasis eine Sonderstellung einnimmt Gegenuumlber anderen Sparten des Energiebedarfs aus dem Bereich bdquogebaute Umweltldquo ist die Ausgangslage hinsichtlich Verfuumlgbarkeit und Qualitaumlt der Daten noch vergleichsweise guumlnstig Inwie-weit die Daten fuumlr Planungsaufgaben hinreichend geeignet sind wird in der Folge diskutiert

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Abb 1 Energie in Oumlsterreich 2018 ndash Zahlen Daten Fakten Quelle Bundesministerium fuumlr Nachhaltigkeit und Tourismus 2018 e-control ndash Umweltthemen ndash Energieverbrauch der Haushalte httpswwwe-controlatkonsumentenenergie-spa-renthema-energieverbrauch

Datengrundlagen und Datenqualitaumlt

Die Ergebnisse der Interviews im Projekt PBM bestaumltigen die Vielfalt an Inhalten und Quellen die aus unterschiedlichen disziplin-spezifischen Perspektiven unter dem Begriff bdquoDatengrundlageldquo zusammen-gefasst werden Alle Interviewpartner aus den verschiedenen Taumltigkeitsfeldern innerhalb des Prozes-ses von der Raumplanung uumlber das Bauen bis hin zum Betrieb und zur Nachnutzung wurde um Nen-nung relevanter Datengrundlagen und Datenquellen gebeten Im Bereich der Raumplanung wurden hier die meisten bzw unterschiedlichsten Datenquellen genannt wobei ein groszliger Teil davon als Open Government Data (OGD) frei zugaumlnglich ist Die Datenquellen und Datengrundlagen AGWR (Adress- Gebaumlude- und Wohnungsregister) DKM (Digitale Katastralmappe) Energieausweis sowie Informatio-nen zum Energieverbrauch wurden von Akteurinnen aus mehreren Bereichen des Prozesses genannt (z B sowohl von Personen aus der Raumplanung als auch aus der Bauwirtschaft) Diese haumlufig als re-levant bezeichneten Datenquellen werden auch im Rahmen dieses Artikels noch naumlher beleuchtet In der Auswertung der Interviews zeigte sich auch dass ndash mit Ausnahme von Informationen zum Ener-gieverbrauch ndash de facto kein Datensatz bzw keine Datenquelle von Akteuren aus allen drei Bereichen des Prozesses genannt wurde Die wenigsten Uumlberschneidungen mit anderen Bereichen gab es bei Nennungen von Personen aus dem Bereich Betrieb

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Anspruumlche an Datenqualitaumlt

Innerhalb der Raumplanung haumlngen die Anspruumlche hinsichtlich des raumlumlichen und inhaltlichen Detail-lierungsgrades sicher von der Maszligstabsebene des Taumltigkeitsfeldes ab die von der Bundeslandebene bis in den einzelnen Ortsteil reichen kann Generell bestehen aber vor allem in Bezug auf die zentralen Datenbestaumlnde zum Gebaumludebestand zur Nutzungsverteilung und den Energiebedarfen sowie zu ge-gebenenfalls bestehenden planerischen Vorgaben und Regelungen hohe Anforderungen an Aktualitaumlt Konsistenz und Vollstaumlndigkeit Der uumlberwiegende Teil der im Bereich der Raumplanung genannten Datenquellen wird im Rahmen hoheitlicher Aufgaben erstellt wobei im Zuge der Datenerfassung- und Aufbereitung in der Regel der Anspruch besteht die Datenbestaumlnde in moumlglichst vielen und moumlglichst unterschiedlichen Anwen-dungsfeldern nutzen zu koumlnnen Dennoch gilt aus Anwendersicht folgende Forderung die einer der PBM-Interviewpartner knapp und praumlzise auf den Punkt gebracht hat der Anspruch an Daten muss jeweils lauten bdquoFit for Purposeldquo Aus eigener Erfahrung sowie aus den Ergebnissen der PBM-Interviews laumlsst sich ein Datenset ableiten das den Kern eines Datenbestands fuumlr die Energieraumplanung bildet Dieser Basisbestand muss so-wohl die Energienachfrage als auch die Angebotssituation raumlumlich differenziert abbilden wobei die Abbildung in regelmaumlszligigen und angemessen kurzen Abstaumlnden zu erfolgen hat Letzteres bildet einer-seits die Voraussetzung dafuumlr Trends identifizieren zu koumlnnen und andererseits die Grundlage fuumlr Wirksamkeitsanalysen von Maszlignahmen bzw Maszlignahmenbuumlndeln Aufgrund des Aufwands den raumlumlich hochaufloumlsende und gleichzeitig inhaltlich differenzierte Erfas-sungskonzepte mit sich bringen ist es daher notwendig die Aufmerksamkeit auf die relevantesten Einflussfaktoren bzw Determinanten des bdquoEnergieverbrauchsldquo zu buumlndeln Am Beispiel des vergleichsweise einfach abzubildenden Heizenergiebedarfs von Wohngebaumluden las-sen sich die Anforderungen an die Datenbasis anschaulich darstellen Auf der (Energie-)Nachfrageseite sind jedenfalls die folgenden Informationen erforderlich

bull Gebaumludespezifische Informationen zu Merkmalen mit erheblichem Einfluss auf den Energie-bedarf wie thermische Eigenschaften der Gebaumludehuumllle Nutzungsverteilung und -intensitaumlt (Alterswohnsitz vs Studierenden-WG Hauptwohnsitz vs Nebenwohnsitz) etc

bull Eigenschaften der gebaumludeinternen Waumlrmebereitstellungsinfrastruktur wie Art Ausstattung und Alter der Waumlrmebereitstellungssysteme Energietraumlger bzw Energietraumlgermix

bull Veraumlnderungspotenziale von Gebaumludeeigenschaften und Anlagen wie Sanierungsstatus und daraus ableitbare Sparpotenziale durch Sanierungen einen zeitgemaumlszligen Standard moumlgliche aktivierbare Potenziale durch Nutzungsaumlnderungen und Nachverdichtungspotenziale

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Abb 2 Modellergebnis Heiz-waumlrmebedarf auf der Grund-lage von Gebaumludeform Bau-periode und Klima fuumlr ausge-waumlhlte Bebauungsstrukturen in Wien Quelle Brus T und Kalasek R (2020)

Zur Abbildung der (Energie-)Angebotsseite werden zumindest zu folgenden Bereichen Grundlagenda-ten benoumltigt

bull bestehende Versorgungssysteme-strukturen Erdgas Fernwaumlrme Nahwaumlrme Anergienetze individuelle Versorgung (mit Heizoumll Holz Pellets etc)

bull Angebotspotenziale alternativer Energietraumlger und -infrastrukturen lokaleregionale alterna-tive Energietraumlger Vernetzungspotenziale (Kapazitaumltsreserven der Netzinfrastruktur Waumlrme-bedarfsdichten etc)

Abb 3 Angebotspotenziale ErdwaumlrmesondenModellierung potenzieller Bohrlochstandorte zur Abschaumltzung des Erdwaumlr-mepotentials im Rahmen der Anergie-Studie Anergie Urban Links Potenzialflaumlchen fuumlr Bohrungen rechts Ausschnitt Mo-dellierung Bohrlochverteilung Quelle Brus T und Kalasek R (2020)

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Informationen zum Energieverbrauch

Unter Daten zum bdquoEnergieverbrauchldquo werden hier jene Informationen verstanden die den tatsaumlchli-chen Bedarf der Nachfrageseite (der sogenannte bdquoVerbraucherldquo) in seiner kleinraumlumigen Verteilung abbilden Es ist also jene Energiemenge die am Uumlbergabepunkt abgenommen und genutzt wird Der bdquoEnergieverbrauchldquo wurde (als einziger Datenbestand) im Projekt PBM von Interviewpartnern aus allen drei abgefragten Bereichen Raumplanung Bauen und Betrieb explizit als hoch relevante Kenn-groumlszlige fuumlr Planungsaufgaben auf unterschiedlichen Maszligstabsebenen angesprochen In den Interviews wurde allerdings nicht thematisiert ob die von Haushalten und Unternehmen tatsaumlchlich bdquokonsu-mierteldquo Energiemenge ein aussagekraumlftiger Indikator fuumlr den jeweils bestehenden Bedarf ist oder sein kann Der gemessene bdquoEnergieverbrauchldquo z B im Bereich Raumwaumlrme enthaumllt Faktoren die nicht in unmit-telbarem Zusammenhang mit bauphysikalischen Gebaumludeeigenschaften und Systemeigenschaften der Waumlrmebereitstellungstechnologien stehen und die damit den eigentlichen jeweils gebaumludespezifi-schen Energiebedarf quasi uumlberlagern Ganz besonders gilt das fuumlr jene Anteile am Energieverbrauch fuumlr Raumwaumlrme die auf den Einfluss von Witterungsbedingungen (z B mildestrenge Winter) oder Unterschiede im Nutzerverhalten (z B individuelles Temperaturempfinden lebenszyklusabhaumlngige Verhaltensmuster etc) zuruumlckzufuumlhren sind Auch fuumlr den Strombedarf laumlsst sich ein aumlhnliches Bild zeichnen wobei neben Faktoren wie der Haushaltsgroumlszlige oder des genutzten Energietraumlgers fuumlr Nah-rungszubereitung (Strom vs Gas) auch hier das individuelle Verhalten von zentraler Bedeutung ist Damit die Energieraumplanung aussagekraumlftige treffsichere Planungsgrundlagen erarbeiten und letzt-lich auch Strategien entwickeln kann bedarf es entsprechend differenzierter Informationsgrundlagen Die raumbezogenen Statistiken zum Energiebedarf muumlssen daher die angesprochenen Ebenen Gebaumlu-demerkmale Standortbedingungen und Verhalten klar unterscheiden Detaillierte Daten zum bdquoEnergieverbrauchldquo auf Objekt-Adressebene stehen den Energieanbietern un-ternehmensintern in all jenen Faumlllen zur Verfuumlgung in denen leitungsgebundene Versorgungssysteme zum Einsatz kommen Eine Veroumlffentlichung derartiger im Fall von Gebaumluden mit Wohnnutzung letzt-lich eindeutig personenbezogenen Detailinformationen im Sinn von Open Data ist aber aus Gruumlnden des Schutzes der Privatsphaumlre (im Sinne Richtlinie 9546EWG des Europaumlischen Parlamentes und des Rates vom 24 Oktober 1995 zum Schutz natuumlrlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezoge-ner Daten und zum freien Datenverkehr) in diesem Detaillierungsgrad nicht moumlglich Der Bezug zur Privatsphaumlre laumlsst sich an folgendem Beispiel veranschaulichen Anhand gegebenenfalls auf Gebaumlude-ebene veroumlffentlichter Heizwaumlrmebedarfsdaten lieszlige sich ndash die noumltige fachliche Qualifikation voraus-gesetzt ndash anhand spezifischer Referenzwerte der Beitrag von Heiztechnologie und thermischen Gebaumlu-demerkmalen in seiner Groumlszligenordnung relativ treffsicher abschaumltzen Abweichungen von diesem Wert lieszligen sich folglich im konkreten Fall auf das Nutzerverhalten zuruumlckfuumlhren Im Fall von Ein- und (kleinen) Mehrfamiliengebaumluden bestuumlnde also ein unmittelbarer Bezug zu konkreten Personen Sehr wohl denkbar ist die Veroumlffentlichung entsprechender Daten allerdings in aggregierter Form auf einem Niveau das eine datenschutzkonforme Granularitaumlt garantiert In Raumlumen mit niedriger Bebau-ungsdichte waumlren vor diesem Hintergrund ausgedehntere raumlumlich-statistische Einheiten zu definie-ren als in solchen mit hohen Dichtewerten Nach dem Kenntnisstand der Verfasser und der Auswertung der PBM-Interviews werden allerdings derzeit Veroumlffentlichungen zum Energiebedarf auf kleinraumlumiger Ebene von den Energiebetreibern mit dem Hinweis auf Datenschutz undoder Betriebsgeheimnisse weitestgehend verweigert

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Gebaumlude- und Wohnungsdaten

Das gemaumlszlig GWR-Gesetz (Bundesgesetz uumlber das Gebaumlude- und Wohnungsregister) von der Bundes-anstalt fuumlr Statistik Oumlsterreich (Statistik Austria) zu fuumlhrenden bdquoAdress- Gebaumlude- und Wohnungsre-gister (AGWR II)ldquo ist jene bundesweite Datenbank in der gebaumludebezogene Daten in einheitlicher und strukturierter Form erfasst werden Zu den im Zusammenhang mit Fragen des Energiebedarfs relevan-ten Schluumlsselinformationen in der Datenbank zaumlhlen Merkmale wie Gebaumludealter Nutzflaumlche und Ge-schoszliganzahl sowie die Art der Beheizung und der Warmwasseraufbereitung Weiters sind Angaben zu Nutzungsart und Nutzungsintensitaumlt (z B Anzahl Hauptwohnsitze) von Gebaumluden und Nutzungsein-heiten Teil des umfangreichen Merkmalskatalogs Neben einer Reihe anderer Informationen enthaumllt dieses Register also grundsaumltzlich die im Rahmen der Energieraumplanung wesentlichen Gebaumlude- und Wohnungsmerkmale In den PBM-Interviews wird allerdings deutliche Kritik an der Vollstaumlndigkeit der Plausibilitaumlt und der Aktualitaumlt dieses fuumlr Energiethemen so bedeutenden Datenbestands laut Diese Kritik wird auch von Interviewpartnerinnen im Projekt artikuliert die in der staumldtischen Verwaltung beschaumlftigt sind Das ist insofern von Interesse als die Daten lt GWR-Gesetz durch bdquoBeschaffung bei den Gemeindenldquo (sect 4 (1) GWR-Gesetz) erhoben werden und die Verantwortung fuumlr die Daten und deren Qualitaumlt daher zu einem guten Teil eben bei den Staumldten und Gemeinden selbst liegt Nachdem der AGWR II zurzeit allerdings weder valide flaumlchendeckend verfuumlgbare Aussagen zu ther-mischen Eigenschaften der Gebaumludehuumllle noch belastbare Daten zu Heizsystem und Energietraumlger ent-haumllt und daruumlber hinaus auch Sanierungsstatus und -historie nicht dokumentiert besteht gerade bei jenen Merkmalen die hinsichtlich Energiebedarf besonders relevant sind eine eklatante Luumlcke im in-haltlichen Spektrum systematisch erfasster Daten Zur Verdeutlichung dieser Aussage Das Einspa-rungspotenzial durch thermische Sanierungsmaszlignahmen erreicht je nach Ausgangssituation und Maszlig-nahmenbuumlndel bis uumlber 50 wobei die houmlchsten Werte bei Gebaumluden in den Perioden zwischen 1950 und 1980 erreicht werden Abhaumlngig von der Altersstruktur der Gebaumlude besteht ohne die konkrete Kenntnis uumlber den aktuellen Zustand der Gebaumludehuumllle auf Gebaumludeebene daher erhebliche Unsicher-heit bzgl moumlglicher Sparpotenziale auf Stadtteil- oder Quartiersebene und zwar in einem Ausmaszlig das gerade bei Fragen der wirtschaftlichen Zweckmaumlszligigkeit von Investitionen in Nah- oder Fernwaumlr-meinfrastruktur entscheidend sein kann Vor diesem Hintergrund ist die Frage zu stellen ob ndash angesichts der aktuell bestehenden Maumlngel des AGWR II ndash benutzergenerierte Ansaumltze der Datenerhebung Abhilfe schaffen koumlnnen bzw koumlnnten Die Idee wirkt im Lichte der Erfolgsgeschichte benutzergenerierter Datenbestaumlnde wie OpenStreetMap verlockend schlieszliglich stellt die Community lokales Know-How in erheblichem Umfang und unentgelt-lich zur Verfuumlgung Dennoch ist aus unserer Sicht Vorsicht geboten Gebietskoumlrperschaften und andere Koumlrperschaften oumlffentlichen Rechts nutzen Daten sowohl im Rahmen ihrer hoheitlichen als auch ihrer privatwirtschaft-lichen Aufgaben Daher waumlre jedenfalls aus rechtlicher Sicht zu klaumlren inwieweit benutzergenerierte Inhalte die formalen und qualitativen Anforderungen an Geoinformation grundsaumltzlich erfuumlllen koumln-nen Wie Hiltgartner et al bereits 2004 in ihrer Studie zu Rechtsvorschriften fuumlr Geodaten in Oumlsterreich ausfuumlhrlich darstellen werden in diesem Zusammenhang Haftungsfragen und damit sensible Themen beruumlhrt Insbesondere dort wo die Erfassung und Fuumlhrung von Geodatenbestaumlnden spezielle Faumlhig-keiten erfordern sind je nach Kontext unterschiedliche Aspekte der Amtshaftung Produkthaftung und Gewaumlhrleistung von Bedeutung Beispielsweise ist die Vermessung und digitale Dokumentation eines Grenzkatasters ohne entsprechend befugte Fachkraumlfte kaum vorstellbar da mit diesem Katasterwerk umfangreiche dingliche Rechte verknuumlpft sind Ob und inwiefern die Anforderungen an eine Gebaumlude-dokumentation wie sie der AGWR II darstellt aumlhnlich hoch sind ist offen Nach Ansicht der Autoren

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sprechen allerdings zwei Argumente dafuumlr derartige Datensammlungen auch weiterhin unter staatli-cher Obhut zu erfassen zum einen weil fuumlr die systematische Erfassung von Gebaumluden anhand der deutlich mehr als 100 Erhebungskategorien des AGWR ein hohes Maszlig an Fachwissen erforderlich ist zum anderen weil mit zunehmender Implementierung von Instrumenten der Energieraumplanung auch entsprechende unmittelbare Folgen fuumlr Eigentuumlmer undoder Nutzer zu erwarten sind Objektiv bestehende oder subjektiv wahrgenommene Eingriffe in die Moumlglichkeiten der Nutzung des Privatei-gentums werden jedenfalls das Problem der Haftung im Fall von tatsaumlchlichen oder vermeintlichen Datenfehlern aufwerfen

Energieausweis als Informationssubstitut

An dieser Stelle ist auch der Energieausweis (gemaumlszlig Energieausweis-Vorlage-Gesetz (EAVG)) sowie die Energieausweisdatenbank (EADB) (Statistik Austria 2020) zu nennen Letztere ist bzw sollte laut GWR-Gesetz Teil des AGWR-II-Datenbestands sein Der Energieausweis enthaumllt neben den zentralen Aussagen zu gebaumludespezifischen Energiekennzahlen wie Heizwaumlrme- und Warmwasserbedarf auch weitere wichtige gebaumludebezogene Informationen Dazu gehoumlren den Verbrauch bestimmende Parameter wie die charakteristische Laumlnge (lc)1 Angaben zu den thermischen Eigenschaften der Gebaumludehuumllle aber auch Details zur genutzten Waumlrmebereit-stellungstechnologie (Waumlrmebereitstellungs-Waumlrmeabgabesystem Energietraumlger Warmwasserbe-reitstellung) Angesichts der im vorangegangenen Abschnitt zum AGWR II beschriebenen Defizite wird der Energie-ausweis haumlufig als Quasi-Substitut fuumlr die dort fehlende bzw unzulaumlngliche Informationsbasis zu den Gebaumludemerkmalen bzw fuumlr die in der Regel fehlenden realen Verbrauchszahlen betrachtet Diese Anforderung kann bdquoder Energieausweisldquo aus einer Reihe von Gruumlnden nicht erfuumlllen Laut EAVG ist ein aktueller Energieausweis im Zuge der (Neu-)Vermietung der Verpachtung und des Verkaufs eines Gebaumludes oder Nutzungsobjektes vorzulegen Der Energieausweis-Datenbestand waumlchst folglich in genau jenem Ausmaszlig in dem die genannten Anlaumlsse tatsaumlchlich auftreten umge-kehrt formuliert Ein Zeithorizont innerhalb dessen der Datenbestand zumindest weitgehend flaumlchen-deckend erfasst sein wird ist nicht absehbar Die in raumlumlich-statistischem Sinn nicht repraumlsentativen Daten der Energieausweisdatenbank koumlnnten daher im guumlnstigsten Fall als Datenbasis fuumlr die Entwick-lung bzgl Validierung typologischer Ansaumltze genutzt werden Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Beitrags wurden die Energieausweise in einigen Bundeslaumlndern mit jeweils unterschiedlichen Datenbankloumlsungen verwaltet in anderen Bundeslaumlndern fehlt eine zentrale Erfassung nach wie vor ganz Der vorgesehene Abgleich der Datenbanken der Laumlnder mit der EADB der Statistik Austria ist zwar grundsaumltzlich seit laumlngerer Zeit geregelt wird aber immer noch nicht systematisch durchgefuumlhrt (Amann et al 2020 Austrian Energy Agency 2020) Eine zentrale und be-zuumlglich qualitativer Anforderungen weitestgehend homogene Datenbasis mit den Inhalten der Ener-gieausweise fehlt also derzeit und ist bis auf Weiteres auch nicht in Sicht Angesichts der auch in Fachdiskussionen haumlufig genannten Erwartungen hinsichtlich der Treffsicher-heit und Aussagekraft des Energieausweises ist festzuhalten dass es sich bei den konkreten Aussagen zum Energiebedarf im Energieausweis in aller Regel um Ergebnisse eines Berechnungsmodells handelt Neben den Modellergebnissen zu den unterschiedlichen energetischen Kennwerten gilt das Interesse den bereits mehrfach angesprochenen gebaumludespezifischen Eigenschaften Diese werden im Zuge der Erstellung des Energieausweises allerdings vielfach nicht vor Ort im Detail erfasst sondern auf der Grundlage eines bautypologischen Ansatzes angenommen

1 Die charakteristische Laumlnge (lc) wird als Verhaumlltnis von Gebaumludevolumen (V) und Gebaumludeoberflaumlche (A) berechnet (i e der

Kehrwert des AV-Verhaumlltnisses) und ist ein Maszlig fuumlr die Kompaktheit eines Gebaumludes Letztere ist fuumlr das von der Gebaumlu-deform bestimmte Ausmaszlig der Energieabstrahlung von Bedeutung

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Daten zur Energieinfrastruktur

Digitale Leitungsdokumentationen ndash sogenannte Leitungskataster ndash bestehen in zahlreichen Gemein-den Oumlsterreichs in unterschiedlicher Qualitaumlt und Aktualitaumlt Sie repraumlsentieren in ihrer raumlumlichen Abdeckung und Topologie die bestehenden Angebotsstrukturen leitungsgebundener Energietraumlger und dokumentieren damit z B im Bereich der Raumwaumlrme oumlsterreichischer Haushalte die Infrastruk-tur von etwa 47 aller fuumlr Raumwaumlrme eingesetzten Energietraumlger In aller Regel sind Netzbetreiber fuumlr Auf-Ausbau und Erhaltung der Netzinfrastruktur verantwortlich und uumlberlassen der planenden Verwaltung in unterschiedlichem Umfang und zu unterschiedlichen Be-dingungen planungsrelevante Daten In vielen Faumlllen sind diese Netzbetreiber ausgegliederte Unter-nehmen mit substanziellen Beteiligungen der oumlffentlichen Hand Leitungsdokumentationen wurden zwar in den Interviews des Projekts PBM explizit als wesentliche Planungsgrundlage genannt allerdings ohne dabei auf konkrete inhaltliche und qualitative Anforde-rungen naumlher einzugehen Angesichts der Bedeutung der Energieinfrastruktur fuumlr das gesamte Hand-lungsfeld der raumbezogenen Planung ndash von der strategischen Planung auf Stadt- bzw Stadtteilebene bis zur Detailplanung im Quartier ndash muss das uumlberraschen Schlieszliglich gilt es ndash aumlhnlich wie das z B in ZuumlrichSchweiz bereits erfolgreich vorgelebt wird (vgl Energie360 2020) ndash auf der Grundlage valider Fakten Gebietstypen auszuweisen die sich durch ihr Infrastrukturangebot (z B Gas vs Fernwaumlrme) bzw durch Vorgaben hinsichtlich zulaumlssiger Technologien oder Verpflichtungen zur Nutzung von Tech-nologien mit festgelegten Verbrauchs-Emissionslimits auszeichnen Dabei ist bereits absehbar dass vermehrt dezentrale Ansaumltze der Energieversorgung in diese bdquoZonierungldquo einbezogen werden muumlssen zum einen aufgrund der zunehmenden raumlumlichen Verflechtungen zwischen Energieangebot und Energienachfrage unter anderem durch die Installation von sogenannten Distributed Energy Resources in Verbraucherhaushalten (Stichwort bdquoProsumerldquo) (vgl Beestermoumlller 2017 Karg et al 2014 p 32) und zum anderen aufgrund der deutlich geringeren Krisenanfaumllligkeit derartiger Konzepte (Stichwort bdquoResilienzldquo) (vgl Fulterer amp Leusbrock 2018) Ohne solide Datenbasis zur bestehenden Infrastruktur die jedenfalls neben der Leitungsdokumenta-tion auch die Dokumentation bestehender Kapazitaumlten und anderer in der Regel technischer Engpass-faktoren umfassen muss werden derartige Vorhaben nur schwer umzusetzen sein Aktuell ist fuumlr die planende Verwaltung wenn uumlberhaupt meist nur eine rudimentaumlre Leitungsdokumentation im Sinn einer Verortung von Netzelementen zugaumlnglich Auf deren Grundlage lassen sich zwar Aussagen zu bestehenden und potenziellen Versorgungsbereichen ableiten Versorgungspotenziale im Sinn raumlum-lich differenzierter Aussagen uumlber das Ausmaszlig lokal bereitstellbarer Energiemengen beduumlrfen aber der Information uumlber Kapazitaumltsreserven und Engpaumlsse im bestehenden Netz sowie uumlber realisierbare Netzausbau-Szenarien Der breiten Oumlffentlichkeit koumlnnen Daten uumlber den Verlauf und insbesondere die Eigenschaften lei-tungsgebundener Infrastruktur aufgrund von deren Einstufung als bdquokritische Infrastrukturldquo im Sinne der EU-Richtlinie 2008114EG nicht zur Verfuumlgung gestellt werden Insgesamt faumlllt aber auf dass von den Betreibern unter Verweis auf Datenschutz undoder Betriebsgeheimnis in vielen Faumlllen selbst der oumlffentlichen Verwaltung qualitativ hochwertige und aktuelle Daten nicht zur Verfuumlgung gestellt wer-den und damit neben den angesprochenen qualitativen Maumlngeln auch die grundsaumltzliche Verfuumlgbar-keit ein Problem darstellt

Informationsaustausch

Neben der Verfuumlgbarkeit und Qualitaumlt von Daten bestimmt ein weiterer Gesichtspunkt deren Nutzbar-keit jener des Datenaustausches und der Datendistribution Waumlhrend in den vorigen Abschnitten die konkreten Inhalte essentieller Datengrundlagen fuumlr die Energieraumplanung beleuchtet wurden liegt der Fokus in der Folge auf der Betrachtung der Akteure sowie auf aktuellen Entwicklungen im Zusam-menhang mit Datenweitergabe und Datenaustausch

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Rolle der oumlffentlichen Verwaltung (Administration)

In den vergangenen Jahren vollzogen sowohl einige oumlffentliche Verwaltungen sowie teilweise auch ausgegliederte Unternehmen bezuumlglich der Veroumlffentlichung raumbezogener Daten einen deutlichen Kurswechsel Dieser ist vor allem durch den Uumlbergang vom Konzept der finanziellen Verwertung der Datenbestaumlnde hin zur deren oumlffentlicher Bereitstellung gekennzeichnet Damit wird die lange gelebte Praxis fuumlr die Abgabe von Daten sowie fuumlr deren Nutzung ndash sowohl anderen Verwaltungseinheiten als auch externen UnternehmenInstitutionen ndash Entgelt zu verrechnen sukzessive aufgegeben Kern die-ses unter dem Begriff Open Government Data (OGD) zusammengefassten Konzeptes ist die Veroumlffent-lichung von Daten die im Verantwortungsbereich der oumlffentlichen Verwaltung erfasst und verwaltet werden in allgemein zugaumlnglicher und maschinenlesbarer Form ohne die Verrechnung jeder Art von Gebuumlhren (Digitales Wien 2020 Kalasek amp Weninger 2015) Hintergrund der sich stetig ausbreitenden Initiative ist die Auffassung Information sei ein wertvoller Produktionsfaktor dessen Verfuumlgbarkeit und Zugaumlnglichkeit im Rahmen der voranschreitenden Digitalisierung eine Schluumlsselrolle zukommt Innerhalb Oumlsterreichs ist die Stadt Wien auf diesem Gebiet sicher unter den Vorreitern zu finden Am OGD-Konzept der Stadt Wien ist insbesondere interessant dass die Moumlglichkeit den Aufwand fuumlr den Vertrieb der Daten deutlich zu reduzieren sehr fruumlh erkannt wurde Im Zuge der Reorganisation der Infrastruktur rund um die Abgabe von Daten wurden die dafuumlr notwendigen Prozesse als Distributi-onsaufgabe identifiziert und diese in der Folge in Form eines zentralen bdquoDistributionsdienstesldquo imple-mentiert Gleichzeitig wurde der Grundsatz bdquoopen by defaultldquo fuumlr saumlmtliche (nicht klassifizierten) Daten der Stadt Wien verankert und daran anschlieszligend die fuumlr die Bereitstellung der Daten auf OGD-Platt-formen notwendigen Strukturen auf der Ebene der jeweiligen Fachabteilungen etabliert Insgesamt konnte laut Aussagen der Stadtverwaltung der Gesamtaufwand fuumlr den Vertrieb von Daten deutlich reduziert und gleichzeitig die Nutzungsintensitaumlt auf ein Vielfaches gesteigert werden (vgl Lutz 2020) Naheliegenderweise wurden im Rahmen der Interviews im Projekt PBM konkrete Datenbestaumlnde aus dem OGD-Angebotsbuumlndel sowohl von Vertretern der planenden Verwaltung als auch von Planungs-buumlros explizit als fuumlr den eigenen Wirkungsbereich relevante Datengrundlagen genannt Groszlige Teile dieses Buumlndels sind Basisdaten im Sinn von fachspezifischen Grundlagendaten zu jenen raumlumlichen Voraussetzungen die fuumlr die Energieraumplanung von Interesse sind Und es sind eben diese Daten die uumlber Distributionskanaumlle wie sie oben am Beispiel der Stadt Wien angesprochen wurden der All-gemeinheit einfach zur Verfuumlgung gestellt werden koumlnnen Obwohl der beschriebene Trend zu Open Data-Strategien auf allen Ebenen oumlffentlicher Verwaltung an der Zahl der entsprechenden Veroumlffentlichen auf Open Data Oumlsterreich (wwwdatagvat) zu erkennen ist (vgl Lutz 2020) existieren nach wie vor einige Sektoren in denen Daten nicht veroumlffentlicht bzw ausschlieszliglich gegen Entgelt abgegeben werden Zu den auch fuumlr die Energieraumplanung relevanten und prominentesten Beispielen zaumlhlen die Datenbestaumlnde der (ebenfalls in den PBM-Interviews ge-nannten) Digitalen Katastralmappe (DKM) und ein groszliger Teil der soziodemographischen Daten des Bundesamts fuumlr Statistik (Statistik Austria) auf der raumlumlichen Ebene der Gemeinden und darunter (z B Zaumlhlsprengel Raster 250 x 250m) Etablierte und eingespielte Loumlsungen fuumlr den Datenaustausch bestehen allerdings dort wo Daten von Institutionen der oumlffentlichen Verwaltung an Gebietskoumlrperschaften und Koumlrperschaften oumlffentlichen Rechts abgeben werden ndash und zwar insbesondere dann wenn beide hoheitliche Aufgaben wahrneh-men Diese Regelungen werden auch dort wirksam wo oumlffentliche Verwaltungen privatwirtschaftliche Unternehmen damit beauftragen im Planungsprozess mitzuwirken Gerade im thematischen Feld der Energieraumplanung ist diese Konstellation im Rahmen der Erarbeitung von Grundlagen und der Vor-bereitung konkreter Strategiepapiere und Plandokumente haumlufig Den Auftragnehmern werden die vorhandenen Daten dabei auf der Grundlage umfangreicher und komplexer zeitlich befristeter Nut-zungsvereinbarungen zur Verfuumlgung gestellt

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Rolle von Unternehmen aus dem privaten Sektor

Bei den Unternehmen handelt es sich haumlufig um ausgegliederte ehemalige Einheiten der oumlffentlichen Verwaltung oder Unternehmen aus dem Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung Der Datenaustausch zwischen den so definierten Unternehmen und der oumlffentlichen Verwaltung unterliegt den strikten Normen bestehender Datenschutzbestimmungen Diese Regelungen werden wie bereits erwaumlhnt entsprechend haumlufig von den Unternehmen als Hintergrund fuumlr die Weigerung planungsrelevante Da-ten aus der Hand zu geben angefuumlhrt Streng genommen handelt es sich allerdings in diesem Fall we-niger um Datenaustausch als vielmehr um Informationstransfer Der Transfer von Daten solcher Un-ternehmen zur oumlffentlichen Verwaltung betrifft primaumlr jene Basisinformation die zur Besorgung der planmaumlszligigen Gestaltung des Raums im Rahmen der Hoheitsverwaltung notwendig ist Informationen die im Zuge der Erledigung dieser Aufgabe fuumlr die Bewertung und Beruumlcksichtigung wirtschaftlicher sozialer gesundheitlicher und kultureller Beduumlrfnisse der Bevoumllkerung maszliggeblich sind haben diese Bedeutung grundsaumltzlich unabhaumlngig von der Rechtsform des Unternehmensder Institution dasdie die Datenbestaumlnde aufbaut und fuumlhrt Gerade eine evidenzbasierte Energieraumplanung ist klar ab-haumlngig von belastbaren Fakten zu jenen Faktoren die starken Einfluss auf den raumlumlich variierenden Bedarf haben Insofern ist der Transfer planungsrelevanter Daten aus dem Bereich ausgegliederter Unternehmen eine wesentliche Voraussetzung fuumlr die vorausschauende und nachhaltige Veraumlnderung der Angebots- und Nachfragestrukturen In diesem Zusammenhang ist eine konkrete Initiative in der Stadt Salzburg zu nennen der sogenannte bdquoDatenaustauschvertragldquo der zwischen dem Energieversorger Salzburg AG (uumlberwiegend im Eigentum des Landes Salzburg und der Stadt Salzburg) die Bedingungen der wechselseitigen Weitergabe jeweils planungsrelevanter Daten regelt Aus Sicht der Autoren waumlre ein deutlich houmlheres Maszlig an Transparenz in diesem Zusammenhang zu begruumlszligen ndash nicht zuletzt deshalb weil von prominenten und erfolgrei-chen Beispielen immer auch eine entsprechende Wirkung auf weitere Initiativen zu erwarten ist

Fazit Aus den Interviews im Rahmen des Projektes PBM geht insbesondere die Bedeutung des themenspe-zifischen Detaillierungsgrades der raumlumliche Granularitaumlt und der Aktualitaumlt der Datengrundlagen klar hervor Mit anderen Worten Die Anforderungen einer evidenzbasierten und effektiven Energieraum-planung an die Datenqualitaumlt werden als hoch eingeschaumltzt waumlhrend die derzeit bestehende Verfuumlg-barkeit und Qualitaumlt aktueller Daten sehr kritisch beurteilt wird In juumlngster Zeit wurden in zahlreichen Forschungsinitiativen ebenso zahlreiche Ansaumltze zur Abschaumlt-zung des Energiebedarfs im Themenfeld WohnenWohngebaumlude entwickelt Die Notwendigkeit kom-plexe Methoden fuumlr diese Fragestellung zu entwickeln ergibt sich primaumlr aus dem Mangel an konkre-ten empirischen Daten zu den Determinanten des Energiebedarfs auf disaggregierter Ebene (Gebaumlude Gebaumludegruppen Gemeinden) Ohne hier auf methodische Staumlrken und Schwaumlchen der angesproche-nen AnsaumltzeArbeiten im Detail einzugehen verdeutlicht jedes weitere derartige Projekt das Problem es besteht weiterhin Bedarf an belastbaren Daten Die bdquobewaumlhrteldquo Praxis mangelnde raumlumliche Differenzierung durch die Umlegung von Merkmalen von houmlheren raumlumlichen Aggregationsebenen auf niederrangige Ebenen zu beheben liefert keine entspre-chende Datenbasis Die Ergebnisse dieser Ansaumltze sind in hohem Maszlig von den im Zuge der Umlegung zu treffenden Annahmen abhaumlngig und beruhen aufgrund des bestehenden Informationsdefizits im inhaltlichen und raumlumlichen Detail haumlufig auf Durchschnittswerten Wenn beispielsweise nur in wenigen Ausnahmefaumlllen fuumlr die vor 2000 errichteten Bestandsgebaumlude valide Information uumlber die thermischen Eigenschaften der Gebaumludehuumllle und die eingesetzte Heiztechnologie zur Verfuumlgung steht liegt der Unschaumlrfebereich moumlglicher Modellergebnisse in der Groumlszligenordnung des Energiebedarfs eines zeitgemaumlszlig sanierten Gebaumludes Diese Unschaumlrfe ist auf der

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Grundlage gaumlngiger Schaumltzverfahren nicht zu beheben ndash und zwar primaumlr deshalb weil in der Vergan-genheit keine raumlumlich differenzierte Erfassung von Sanierungsaktiviaumlten erfolgt ist Letztlich wird die Grundlage fuumlr jede kleinraumlumig differenzierte Strategie im Zusammenhang mit dem Energiebedarf und der Aktivierung von Reduktionspotenzialen aus einer Kombination aus flaumlchende-ckend erfassten gebaumludebezogenen Eigenschaften und realen Verbrauchsdaten bestehen muumlssen Auf dieser Grundlage kann

bull der Zusammenhang zwischen Gebaumludeeigenschaften und Energiebedarf in statistischem Sinn bewertet

bull der Einfluss nicht gebaumludebezogener Einflussfaktoren in seiner Groumlszligenordnung festgemacht bull und auf dieser Grundlage eine treffsichere Gebaumludetypologie entwickelt oder bestehende

typologische Ansaumltze verfeinert werden

Dieser Informationsgewinn in Bezug auf die Qualitaumlt und die raumlumliche Differenzierung der Ver-brauchsschaumltzung ist eine unverzichtbare Voraussetzung fuumlr aktuell anstehende Konzepte zur Energie-wende um lokal eingebettete Angebots- und Nachfrageverflechtungen zu optimieren

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Das Energiemosaik Austria Eine Energie- und Treibhausgasdatenbank fuumlr alle oumlsterreichischen Staumldte und Gemeinden

Lore Abart-Heriszt (1)

DOI 10347261025

(1) Dipl-Ing Dr Institut fuumlr Raumplanung Umweltplanung und Bodenordnung (IRUB) Department fuumlr Raum Landschaft und Infrastruktur (RALI) Universitaumlt fuumlr Bodenkultur (BOKU) Wien

Abstract

Das Energiemosaik Austria ist eine Energie- und Treibhausgasdatenbank fuumlr alle oumlsterreichischen Staumldte und Gemeinden Die Datenbank beruht auf einem flaumlchendeckenden Modell zur Ermittlung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen das bei der Gesamtheit der raumgebundenen Nut-zungen (Wohnen Land- und Forstwirtschaft Industrie und Gewerbe sowie Dienstleistungen) ansetzt und auch die damit verbundenen Mobilitaumltsbeduumlrfnisse beruumlcksichtigt In der Datenbank sind dem-nach alle Verbraucher von Energie und alle Verursacher von Treibhausgasemissionen gleichwertig ab-gebildet Die Angaben zum Energieverbrauch werden konsequent nach Verwendungszwecken und Energietraumlgern differenziert Die gemeinsame statistische Datenbasis die standardisierte Modellierung und die einheitliche Darstel-lung der Ergebnisse gewaumlhrleisten die Vergleichbarkeit unter den rund 2100 Gemeinden Die Gesamt-schau des Energiemosaiks Austria - in allen oumlsterreichischen Gemeinden werden alle Verbraucher von Energie beruumlcksichtigt - stellt sicher dass sich der oumlsterreichweite Energieverbrauch in den kommuna-len Datensaumltzen des Energiemosaiks Austria widerspiegelt Das Energiemosaik Austria ist auf einer ei-genen Webseite (wwwenergiemosaikat) verfuumlgbar

Schluumlsselbegriffe

Oumlsterreichweite Datenbank kommunaler Energieverbrauch kommunale Treibhausgasemissionen Webseite Abart-Heriszt L (2021) Das Energiemosaik Austria Eine Energie- und Treibhausgasdatenbank fuumlr alle oumlsterreichischen Staumldte und Gemeinden In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S62-72

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Inhalt Die Entwicklung einer strategischen Datenbank als Aufgabenfeld der Energieraumplanung 64

Statistische Datenbasis 64

Strukturdaten Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen 65

Nutzungen Verwendungszwecke und Energietraumlger 65

Raumlumliche Parameter Energiekennzahlen und Emissionsfaktoren 66

Modellierung des Energieverbrauches und der Treibhausgasemissionen 67

Energieverbrauch in Oumlsterreich 69

Treibhausgasemissionen in Oumlsterreich 70

Schlussfolgerungen 71

Literatur 71

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Die Entwicklung einer strategischen Datenbank als Aufgabenfeld der Energie-raumplanung

Die Gemeinden sind wichtige Akteure im Hinblick auf die Entwicklung von Strategien zur Verringerung des Energieverbrauches und der Treibhausgasemissionen Als Grundlage dafuumlr sind Kenntnisse hin-sichtlich der Ausgangslage unerlaumlsslich Auf kommunaler Ebene standen in Oumlsterreich bislang jedoch weder statistische Daten zum Energieverbrauch zur Verfuumlgung noch lagen Angaben zu den Treibhaus-gasemissionen vor Um diese Luumlcke zu schlieszligen wurde eine Methode zur Modellierung von Energie-verbrauch und Treibhausgasemissionen auf Gemeindeebene entwickelt und im Rahmen eines von der FFG (Oumlsterreichischen Forschungsfoumlrderungsgesellschaft) gefoumlrderten Projektes oumlsterreichweit umge-setzt (Abart-Heriszt et al 2019a und 2019b BMK 2020) Mit dem sogenannten bdquoEnergiemosaik Austrialdquo stehen allen oumlsterreichischen Staumldten und Gemeinden energie- und klimarelevante Entscheidungsgrundlagen und eine Referenz fuumlr die Formulierung kuumlnfti-ger Strategien zur Energiewende und zum Klimaschutz zur Verfuumlgung Dabei gewaumlhrleisten die gemein-same statistische Datenbasis die standardisierte Modellierung und die einheitliche Darstellung der Ergebnisse die Vergleichbarkeit unter den Gemeinden Das Energiemosaik erlaubt die Aggregation der gemeindespezifischen Ergebnisse und deren Abfrage auch auf uumlbergeordneter insbesondere regiona-ler Ebene (zB KEM- KLAR- und Leader-Regionen) Das Energiemosaik Austria stellt eine kommunale Energie- und Treibhausgasdatenbank dar die unter wwwenergiemosaikat mit interaktiven Karten umfangreichen Tabellen und weiterfuumlhrenden Dia-grammen oumlffentlich zur Verfuumlgung steht Das Energiemosaik bietet einen umfangreichen Einblick in den Energieverbrauch und in die Treibhausgasemissionen auf der Ebene der Gemeinden und versetzt damit die Akteure in der lokalen Politik Verwaltung Wirtschaft und Zivilgesellschaft in die Lage dem betraumlchtlichen Handlungsbedarf zur Verringerung des Klimawandels mit energie- und klimapolitischen Strategien zu begegnen Das Energiemosaik Austria unterstuumltzt die Energiewende und den Klimaschutz insofern als es dem wachsenden Anspruch Rechnung traumlgt energie- und klimapolitische Strategien um die raumlumliche Di-mension zu erweitern Dieser sogenannte bdquospatial turnldquo unterstreicht die zentrale Bedeutung von Land und Raum in der Energie- und Klimapolitik Dabei werden die raumlumlichen Rahmenbedingungen d h energie- und klimaoptimierte Raum- und Siedlungsstrukturen als Schluumlsselgroumlszligen fuumlr den Umstieg auf erneuerbare Energietraumlger sowie fuumlr die Etablierung einer umweltfreundlichen Mobilitaumlt und damit fuumlr eine maszliggebliche Verringerung der Treibhausgasemissionen erachtet

Statistische Datenbasis Das Energiemosaik Austria stellt ein quantitatives Modell dar das ausschlieszliglich auf Daten der amtli-chen Statistik beruht und unabhaumlngig von benutzerdefinierten Eingaben oder von Messergebnissen ist Das Energiemosaik stuumltzt sich auf oumlsterreichweit verfuumlgbare konsistente Datensaumltze fuumlr alle Ver-brauchergruppen sowie auf die Mobilitaumltserhebung Oumlsterreich unterwegs (vgl Tab 1)

Registerzaumlhlung 2011 Gebaumlude- und Wohnungszaumlhlung Registerzaumlhlung 2011 Arbeitsstaumlttenzaumlhlung Registerzaumlhlung 2011 PersonenPendlerzaumlhlung Agrarstrukturerhebung 2010Uumlberblick landwirtschaftliche Kulturflaumlchen nach Flaumlchenart Nutzenergieanalyse 2011 (Stand 2018) Energetischer Endverbrauch nach Bundeslaumlndern Energiegesamtrechnung Oumlsterreich 2011 Bundesforschungszentrum fuumlr Wald (BFW) Waldkarte (Stand 2019) BMVIT 2016 Oumlsterreich unterwegs 20132014 BMVIT 2017 Bericht aus Energie- und Umweltforschung 392017 Zweiter Oumlsterreichischer Baukulturreport 2011 Umweltbundesamt CO2-Rechner (Stand 2011)

Tab 1 Datengrundlagen fuumlr das Energiemosaik Austria Eigene Darstellung

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Strukturdaten Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen

Im Energiemosaik Austria sind umfassende Angaben zum Energieverbrauch und zu den damit verbun-denen Treibhausgasemissionen der Gemeinden gemeinsam mit den zugrundeliegenden Strukturdaten abgelegt Die Strukturdaten umfassen umfangreiche Datensaumltze zur Charakterisierung der raumlumlichen Struktu-ren in den einzelnen Gemeinden Sie geben demnach detailliert Auskunft uumlber die wesentlichen Merk-male der raumgebundenen Nutzungen sowie der Mobilitaumltsbeduumlrfnisse die mit diesen Nutzungen ver-bunden sind Der Energieverbrauch bezieht sich auf den energetischen Endverbrauch in Megawattstunden (MWh) also auf jene Energiemenge die bei den Verbrauchern nach Umwandlung und Transport ankommt und fuumlr den Einsatz in Anlagen der Verbraucher zur Verfuumlgung steht Die modellierten Werte bilden Jahres-werte ab (MWha) und beziehen sich vornehmlich auf den Ist-Zustand mit Datengrundlagen aus dem Jahr 2011 (ergaumlnzt um Datensaumltze aus den Jahren 2010 20132014 2017 und 2019) Daruumlber hinaus wird eine Vision fuumlr das Jahr 2050 entwickelt die sich mit der oumlsterreichweiten Verringerung der Treib-hausgasemissionen um rund 80 Prozent auseinandersetzt Die Treibhausgasemissionen umfassen die CO2-Emissionen die bei Verbrennungsvorgaumlngen entste-hen diese decken in Oumlsterreich rund 85 aller Treibhausgasemissionen ab (UBA 2019) Beruumlcksichtigt werden direkte und indirekte Emissionen dh sowohl jene Emissionen die unmittelbar am Ort der Energienutzung entstehen als auch jene Emissionen die zusaumltzlich bei der Bereitstellung der Energie-traumlger anfallen und die Auswirkungen vorgelagerter Prozessketten beruumlcksichtigen Jene Treibhaus-gasemissionen die bei der Erzeugung von Strom und Fernwaumlrme entstehen finden demnach als indi-rekte Emissionen im Energiemosaik Beruumlcksichtigung Sie werden den jeweiligen Gemeinden bzw Nut-zungen in dem Maszlige zugeordnet in dem Strom und Fernwaumlrme zum Einsatz kommt Die Treibhaus-gasemissionen (Stand 2011) werden in Tonnen CO2-Aumlquivalent pro Jahr (t CO2-Aumlquiva) angegeben

Nutzungen Verwendungszwecke und Energietraumlger

Das Modell zur Ermittlung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen verfolgt einen pla-nungsbezogenen Ansatz und geht davon aus dass sich der Energieverbrauch und die damit verbunde-nen Treibhausgasemissionen auf raumlumliche Strukturen zuruumlckfuumlhren lassen Daher setzt das Ener-giemosaik Austria bei der Gesamtheit der raumgebundenen Nutzungen an (Wohnnutzung Land- und Forstwirtschaft Industrie und Gewerbe Dienstleistungen) und beruumlcksichtigt auch die damit einher-gehenden Mobilitaumltsbeduumlrfnisse Somit finden alle Verbraucher von Energie und alle Verursacher von Treibhausgasemissionen gleichwertig Eingang in das Modell Die Modellierung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen erfolgt dabei nicht nur nach Nut-zungen sondern auch nach Verwendungszwecken und Energietraumlgern differenziert Unter den Ver-wendungszwecken werden verschiedene Aktivitaumlten gebuumlndelt fuumlr die Energie genutzt wird fuumlr die Abdeckung des Waumlrmebedarfs als Prozessenergie oder zur Sicherstellung von Transportleistungen Der Verwendungszweck Waumlrme umfasst die Beheizung von Raumlumen und die Bereitung von Warmwas-ser Die Prozessenergie die vornehmlich Prozesswaumlrme und Antriebsenergie umfasst dient dem Be-trieb industriell-gewerblicher Produktionsanlagen sowie von Anlagen und Geraumlten im Dienstleistungs-sektor aber auch von Haushaltsgeraumlten und Geraumlten der Buumlro- und Unterhaltungselektronik sowie der Beleuchtung Der Transport beschreibt den Antrieb von Fahrzeugen zur Abdeckung der Mobilitaumltsbe-duumlrfnisse sowie zur Abwicklung des Baustellen- Werks- und Wirtschaftsverkehrs Im Zuge der Modellierung werden acht verschiedene Energietraumlger beruumlcksichtigt Kohle Oumll (ein-schlieszliglich Benzin und Diesel) Gas Strom und Fernwaumlrme (unter Beachtung ihrer Bereitstellung aus einem Mix von fossilen und erneuerbaren Energietraumlgern) Biomasse brennbare Abfaumllle und Umge-bungswaumlrme

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Raumlumliche Parameter Energiekennzahlen und Emissionsfaktoren

Im Energiemosaik Austria kommen die in Tab 2 dargelegten Parameter zum Einsatz um die Nutzungs- und Mobilitaumltsstrukturen der Gemeinden umfassend abzubilden

Wohnnutzung Quadratmeter Wohnnutzflaumlche nach Gebaumludekategorie Bauperiode sowie Wohnsitzart (Haupt- und Nebenwohnsitze)

32 Parameter

Land- und Forst-wirtschaft

Hektar Kulturflaumlche der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung 4 Parameter

Industrie und Ge-werbe

Beschaumlftigte in der Arbeitsstaumltte nach Branchen gemaumlszlig der OumlNACE-Klassifi-kation der Wirtschaftstaumltigkeiten

27 Parameter

Dienstleistungen Beschaumlftigte in der Arbeitsstaumltte nach Branchen gemaumlszlig der OumlNACE-Klassifi-kation der Wirtschaftstaumltigkeiten

12 Parameter

Mobilitaumlt Verkehrsleistungen (zuruumlckgelegte Kilometer) des Personen- und Guumlterver-kehrs

17 Parameter

Tab 2 Raumlumliche Parameter im Energiemosaik Austria Eigene Darstellung

Die Datensaumltze liegen oumlsterreichweit in einheitlicher Struktur und Qualitaumlt vor bzw werden fuumlr die Mobilitaumlt basierend auf einem eigens entwickelten Verkehrsmodell fuumlr alle Gemeinden nach einer ein-heitlichen Systematik ermittelt Die Datenbasis gewaumlhrleistet eine profunde energie- und klimarele-vante Charakterisierung der Gemeinden hinsichtlich ihrer Nutzungs- und Mobilitaumltsstrukturen und stellt damit eine zuverlaumlssige Grundlage fuumlr die Modellierung des Energieverbrauches und der Treib-hausgasemissionen auf kommunaler Ebene dar Die Vielzahl von Parametern stellt sicher dass sich allfaumlllige Unterschiede zwischen tatsaumlchlichen und modellierten Werten fuumlr die einzelnen Parameter im Rahmen der Aggregation auf Gemeindeebene ausgleichen koumlnnen Die detaillierte Beschreibung der raumgebundenen Nutzungen auf Gemeindeebene gewaumlhrleistet dass sich die Modellierung des Energieverbrauches und der damit einhergehenden Treibhausgasemis-sionen bestmoumlglich an die jeweils besondere Situation auf Gemeindeebene annaumlhert Die umfangrei-chen Angaben zu den Strukturdaten im Energiemosaik erlauben den Energieverbrauch und die Treib-hausgasemissionen unter Beruumlcksichtigung der zugrundeliegenden raumlumlichen Strukturen zu diskutie-ren Die Beruumlcksichtigung dieser raumlumlich hoch aufgeloumlsten Daten im Energiemosaik ist ein Hauptau-genmerk von Bottom-Up-Ansaumltzen Zur Ermittlung des kommunalen Energieverbrauches (vgl Abb 1) werden die Parameter zur Beschrei-bung der Nutzungs- und Mobilitaumltsstrukturen mit spezifischen Energiekennzahlen multipliziert (z B Megawattstunde Energie je Beschaumlftigten) Dabei gewaumlhrleistet die Vielzahl der Parameter den Einsatz moumlglichst spezifischer und praumlziser Energiekennzahlen und damit minimale Abweichungen der tat-saumlchlichen Werte von der jeweiligen Energiekennzahl im Modell Die Ermittlung der Energiekennzah-len beruht im Energiemosaik auf einem Top-Down-Ansatz Die Energiekennzahlen werden vornehm-lich aus der Nutzenergieanalyse der Statistik Austria sowie den Analysen zur Mobilitaumltserhebung Oumls-terreich unterwegs (BMVIT 2017) abgeleitet Dieses Vorgehen hat zwar den Nachteil dass besondere Variationen der raumgebundenen Nutzungen Details des individuellen Verhaltens oder spezifische Technologien und Innovationen in den einzelnen Gemeinden nicht vollumfaumlnglich in den Energiekenn-zahlen abgebildet werden koumlnnen Hingegen besteht der groszlige Vorteil dieser Methode darin dass die Ergebnisse fuumlr die einzelnen Gemeinden mit den Datensaumltzen auf der Ebene der Bundeslaumlnder konsis-tent sind Werden die kommunalen Werte aggregiert resultieren die Werte auf Landesebene Daruumlber hinaus stellt das Energiemosaik nicht nur eine vollstaumlndige und konsistente Modellierung sicher son-dern kann mit dem Einsatz der solcherart ermittelten Energiekennzahlen die von Jahr zu Jahr zu ver-zeichnenden witterungsbedingten und konjunkturellen Schwankungen des Energieverbrauches aus-gleichen Die Energiekennzahlen sind nach Verwendungszwecken (Waumlrme Prozesse und Transport) sowie nach acht Energietraumlgern differenziert Auf der Webseite werden die erneuerbaren und fossilen Energietraumlger jeweils zusammengefasst

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Unter Beruumlcksichtigung von energietraumlgerspezifischen Faktoren fuumlr die Treibhausgasemissionen (Ton-nen CO2-Aumlquivalent je Megawattstunde eingesetzter Energie entsprechend dem CO2-Rechner des Um-weltbundesamtes) werden die kommunalen Treibhausgasemissionen berechnet (vgl Abb 1)

Abb 1 Modell zur Ermittlung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen im Energiemosaik Austria (nach Abart-Heriszt et al 2019b)

Modellierung des Energieverbrauches und der Treibhausgasemissionen

Wohnnutzung

Die Modellierung des Energieverbrauches und der Treibhausgasemissionen fuumlr die Wohnnutzung ba-siert im Energiemosaik Austria auf dem Ausmaszlig der Wohnnutzflaumlchen und erfolgt aufgrund des unter-schiedlichen Heizwaumlrmebedarfs differenziert nach Gebaumludekategorien Bauperioden und Wohnsitzart (wobei auf der Webseite Haupt- und Nebenwohnsitze zusammengefasst werden) Damit wird dem hohen Stellenwert Rechnung getragen den der Waumlrmebedarf in der Wohnnutzung hat

Wirtschaftliche Nutzungen

Fuumlr die Land- und Forstwirtschaft erfolgt die Modellierung von Energieverbrauch und Treibhausgas-emissionen aufgrund unterschiedlich energieintensiver Bewirtschaftung differenziert nach Kulturar-ten Die Land- und Forstwirtschaft ist grundsaumltzlich ein nicht zu vernachlaumlssigender Emittent von Treib-hausgasen Besondere Bedeutung kommt dabei allerdings den Emissionen von Lachgas und Methan zu die aus der Bewirtschaftung landwirtschaftlich genutzter Flaumlchen und aus der Viehhaltung stam-men In das Energiemosaik finden hingegen nur die vergleichsweise geringen CO2-Emissionen aus Ver-brennungsvorgaumlngen (zB Wirtschaftsverkehr) Eingang Unter Industrie und Gewerbe wird im Energiemosaik die Erzeugung von Sachguumltern einschlieszliglich der Branchen Bau und Bergbau zusammengefasst Angesichts der Vielfalt unterschiedlicher Produktions-verfahren weisen der spezifische Energieverbrauch und die Treibhausgasemissionen von Industrie und Gewerbe eine groszlige Schwankungsbreite auf Diesem Umstand wird durch die Beruumlcksichtigung von uumlber 25 Branchen des produzierenden Sektors einschlieszliglich Bau und Bergbau bestmoumlglich Rechnung getragen Auf der Webseite werden die Branchen entsprechend der OumlNACE-Klassifikation der Wirt-schaftstaumltigkeiten zusammengefasst Allerdings kann auch innerhalb einer Branche der Energiever-brauch in Abhaumlngigkeit von den spezifischen Prozessen betraumlchtlich schwanken Dazu kommt dass

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sich nicht an allen industriell-gewerblichen Standorten tatsaumlchlich Produktionsstaumltten befinden son-dern teilweise reine Managementfunktionen erfuumlllt werden Diese Gegebenheiten koumlnnen mangels oumlsterreichweit verfuumlgbarer Informationen nicht beruumlcksichtigt werden und in Einzelfaumlllen zu Fehlein-schaumltzungen des Energieverbrauches und der damit einhergehenden Treibhausgasemissionen von In-dustrie und Gewerbe fuumlhren In Industrie und Gewerbe wird Energie vornehmlich als Prozessenergie fuumlr den Betrieb von Produktionsanlagen eingesetzt waumlhrend der Energieverbrauch fuumlr Waumlrme und Transport (Baustellen- und Werksverkehr) eine vergleichsweise geringe Rolle spielt Die Dienstleistungen umfassen zwoumllf verschiedene Branchen der privaten und oumlffentlichen Dienstleis-tungserbringung (z B Geschaumlfte Gaststaumltten Schulen Krankenhaumluser Banken Aumlmter hellip) Die Unter-schiede zwischen den verschiedenen Dienstleistungsbranchen sind hinsichtlich des Energieverbrau-ches im Allgemeinen gering Die Branchen werden auf der Webseite weitgehend OumlNACE-konform zu-sammengefasst Die Energie wird im Dienstleistungssektor etwa zur Haumllfte fuumlr die Waumlrmebereitstel-lung benoumltigt der restliche Energieverbrauch entfaumlllt zu etwa gleichen Teilen auf Prozesse und Trans-port

Mobilitaumlt

Der Energieverbrauch der Mobilitaumlt und die damit verbundenen Treibhausgasemissionen haumlngen so-wohl von der Weglaumlnge als auch von den genutzten Verkehrsmitteln ab Diese Merkmale sind in Oumls-terreich sehr unterschiedlich ausgepraumlgt und haumlngen wesentlich von den raumlumlichen Rahmenbedin-gungen wie etwa der Kompaktheit der Raum- und Siedlungsstrukturen sowie der Nutzungsmischung ab Im Energiemosaik Austria wird ein besonderes Augenmerk auf die Vernetzung der unterschiedlichen Standorte von Wohnungen Arbeitsplaumltzen Bildungs- Handels- Gesundheits- Sozial- und Freizeitein-richtungen etc gelegt die unter dem Begriff der Alltagsmobilitaumlt zusammengefasst wird Die Model-lierung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen der Alltagsmobilitaumlt beruht auf umfangrei-chen statistischen Daten zu den Pendlern (differenziert nach Wohn- Arbeits- bzw Schulort und Pen-deltyp sowie Pendeldistanzen) ergaumlnzt um Aussagen und Analysen aus der Mobilitaumltserhebung Oumlster-reich unterwegs (BMVIT 2016 und BMVIT 2017) betreffend die Bedeutung verschiedener Wegezwecke sowie gemeindetypenspezifischer Modal-Splits Darauf basierend werden Verkehrsleistungen model-liert wobei die Zuordnung der Verkehrsleistungen zu den Gemeinden auf einem nutzungsbezogenen Ansatz beruht Daher wird jede Gemeinde als Wohnort als Arbeits- und Schulort als Standort kunden-orientierter Dienstleistungen (z B Handel) sowie als Produktionsstandort betrachtet Die Verkehrs-leistungen der Alltagsmobilitaumlt werden im Allgemeinen jeweils dem Zielort eines Weges abhaumlngig vom Wegezweck und damit den in Tab 3 genannten Kategorien zugeordnet

Haushaltsmobilitaumlt Alle Wege zu den Wohnsitzen und die meisten Verkehrsleistungen in der Freizeit wer-den dem Wohnort zugeordnet

Beschaumlftigtenmobilitaumlt Die Wege der Beschaumlftigten und Schuumller zur Arbeit bzw zur Ausbildung werden der Standortgemeinde der Arbeitsstaumltte bzw Schule zugeordnet

Kundenmobilitaumlt Die Wege der Kunden zu Dienstleistungseinrichtungen werden den Standorten dieser Einrichtungen zugeordnet

Tab 3 Kategorien der Alltagsmobilitaumlt im Energiemosaik Austria Eigene Darstellung

Zudem werden sowohl inlaumlndische Urlaubs- und Geschaumlftsreisen als auch der Transport von land- und forstwirtschaftlichen sowie industriell-gewerblichen Guumltern im Inland beruumlcksichtigt Die Zuordnung zu den Gemeinden erfolgt nach dem Wohnort (Urlaubsreisen) dem Arbeitsort (Geschaumlftsreisen) und dem Standort der Produktionsstaumltten (Guumlterverkehr) Auf der Webseite werden unterschiedliche We-gezwecke und Verkehrsmittel zusammengefasst

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Energieverbrauch in Oumlsterreich

In Abb 2 wird die absolute Houmlhe des Energieverbrauches insgesamt in den einzelnen Gemeinden Oumls-terreichs dargestellt Im Allgemeinen weisen Gemeinden mit einer hohen Einwohnerzahl und einer Vielzahl von wirtschaftlichen Aktivitaumlten begleitet von einem hohen Verkehrsaufkommen einen houmlhe-ren Energieverbrauch auf als kleinere Gemeinden Dieser enge Zusammenhang erklaumlrt aber nur einen Teil der Unterschiede zwischen den Gemeinden Daneben hat die Nutzungsmischung einen erhebli-chen Einfluss auf die Houmlhe und insbesondere die Struktur des Energieverbrauches denn in den einzel-nen Gemeinden koumlnnen unterschiedliche Verbrauchergruppen die Energie fuumlr unterschiedliche Zwe-cke einsetzen Gleich groszlige Gemeinden koumlnnen demnach unterschiedlich hohen Energieverbrauch aufweisen wenn sie durch unterschiedliche raumlumliche Strukturen gekennzeichnet sind Daher nimmt Abbildung 2 bewusst auf die absolute Houmlhe des Energieverbrauches Bezug und stellt nicht Dichtewerte (etwa pro Kopf oder pro Flaumlcheneinheit) dar Denn darin waumlre die Komplexitaumlt der Nutzungsstrukturen sowie der raumlumlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den einzelnen Gemeinden nicht abgebildet Vielmehr lassen sich unterschiedliche Muster des Energieverbrauches bzw unterschiedli-che Typen von Gemeinden in Abhaumlngigkeit vom Beitrag der einzelnen raumgebundenen Nutzungen zum Energieverbrauch identifizieren Im Energiemosaik Austria wird zwischen Gemeinden die vorran-gig Wohnfunktion uumlbernehmen Wohngemeinden mit betrieblicher Funktion funktionsgemischten bzw dienstleistungsorientierten Gemeinden sowie Gemeinden mit industriell-gewerblicher Produk-tion unterschieden Diese Kenntnis uumlber die Bedeutung der einzelnen Verbrauchergruppen ist eine unabdingbare Voraussetzung fuumlr die Formulierung maszliggeschneiderter energiepolitischer Strategien

Abb 2 Kommunaler Energieverbrauch (2011) Quelle wwwenergiemosaikat

Werden die im Energiemosaik ausgewiesenen Angaben uumlber alle Gemeinden Oumlsterreichs summiert resultiert ein Energieverbrauch in der Houmlhe von rund 278 Mio MWh (Stand 2011) Dieser Wert stimmt weitgehend mit der Nutzenergieanalyse fuumlr Oumlsterreich (Statistik Austria 2018) uumlberein Der gesamte Energieverbrauch Oumlsterreichs spiegelt sich demnach in den Datensaumltzen aller rund 2100 oumlsterreichi-schen Staumldte und Gemeinden (ergaumlnzt um die 23 Wiener Stadtbezirke) wider Das Energiemosaik Aus-tria stellt daher eine Energie- und Treibhausgasdatenbank dar die weder eine generelle Uumlber- noch eine Unterschaumltzung des Energieverbrauchs aufweist Diese Konsistenz der Modellierung uumlber ver-schiedene raumlumliche Ebenen hinweg ist eine besondere Staumlrke des Energiemosaiks Geringfuumlgige Abweichungen des Energiemosaiks von der Nutzenergieanalyse resultieren insbesondere aus dem Umstand dass im Falle der Mobilitaumlt im Energiemosaik ein von der Nutzenergieanalyse grund-

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saumltzlich abweichender Ansatz verfolgt wird Waumlhrend die Nutzenergieanalyse auf dem Ausmaszlig an ab-gesetzten Treibstoffen in Oumlsterreich basiert (und damit auch den Kraftstoffexport ins Ausland beinhal-tet) orientiert sich das Energiemosaik an den gemeindespezifischen Nutzungen und den dadurch ver-ursachten Verkehrsleistungen (vgl Kap 6) Dadurch ist keine unmittelbare Vergleichbarkeit des Ener-gieverbrauches mit der amtlichen Statistik gegeben Hingegen stimmt fuumlr die im Energiemosaik mo-dellierten Verkehrsleistungen der Alltagsmobilitaumlt die Summe uumlber alle oumlsterreichischen Gemeinden mit den diesbezuumlglichen Ergebnissen der Mobilitaumltserhebung Oumlsterreich unterwegs uumlberein Waumlhrend demnach weder eine generelle Uumlber- noch eine Unterschaumltzung des Energieverbrauches und der damit einhergehenden Treibhausgasemissionen erfolgt koumlnnen fuumlr einzelne Gemeinden oder ein-zelne Parameter Ungenauigkeiten auftreten die insbesondere auf die moumlgliche Unschaumlrfe einiger Energiekennzahlen zuruumlckzufuumlhren ist Dies trifft vornehmlich auf ausgewaumlhlte Standorte energiein-tensiver industriell-gewerblicher Produktionsanlagen zu

Treibhausgasemissionen in Oumlsterreich

Abb 3 zeigt die absolute Houmlhe der Treibhausgasemissionen insgesamt fuumlr die einzelnen oumlsterreichi-schen Gemeinden Demnach werden in Oumlsterreich Treibhausgasemissionen aus Verbrennungsvorgaumln-gen in der Houmlhe von rund 70 Mio t CO2-Aumlquivalent ausgewiesen (Stand 2011) Die im Energiemosaik Austria getroffenen Aussagen zu den Treibhausgasemissionen decken sich nicht mit den Ergebnissen der oumlsterreichischen Luftschadstoffinventur (UBA 2018) Dies liegt einerseits daran dass im Energie-mosaik konsequent direkte und indirekte Treibhausgasemissionen beruumlcksichtigt werden wohingegen dies auf die Schadstoffinventur nicht zutrifft Andererseits beschraumlnken sich die Aussagen des Energie-mosaiks auf die Treibhausgasemissionen aus dem Energieverbrauch waumlhrend die Schadstoffinventur auch die prozessbedingten Emissionen von Treibhausgasen (z B bei der Verfluumlssigung von Schlacke in der Metallindustrie) sowie die Emissionen aus der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung (Lachgas oder Methan) beruumlcksichtigt

Abb 3 Kommunale Treibhausgasemissionen (2011) Quelle wwwenergiemosaikat

Allerdings wird im Rahmen der Luftschadstoffinventur fuumlr die Treibhausgasemissionen der Mobilitaumlt auch eine alternative Berechnung vorgenommen (bdquoSecond Estimateldquo) Sie beruht nicht auf der Nutz-energieanalyse und auf dem Absatz von Treibstoffen sondern auf einem detaillierten Modell zur Ab-bildung der Straszligenverkehrsleistungen in den einzelnen Bundeslaumlndern Die im Rahmen der Second-Estimate-Berechnung angegebene Houmlhe der Treibhausgasemissionen in den oumlsterreichischen Bundes-laumlndern stimmt mit den Werten des Energiemosaiks uumlberein

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Im Energiemosaik wird fuumlr die Treibhausgasemissionen auch eine Vision fuumlr das Jahr 2050 und damit eine moumlgliche Option aufgezeigt wie unter Beruumlcksichtigung der raumlumlichen Dynamik mit Strategien zur Vermeidung des Energieverbrauches zur Erhoumlhung der Energieeffizienz und zum verstaumlrkten Ein-satz erneuerbarer Energie eine rund 80ige Verringerung der Treibhausgasemissionen gegenuumlber 1990 erreicht werden koumlnnte

Schlussfolgerungen

Das Energiemosaik Austria bildet eine Orientierungshilfe fuumlr die Entwicklung von Strategien zur Ener-giewende und zum Klimaschutz auf lokaler und regionaler Ebene Die Ergebnisse der Modellierung stellen insbesondere angesichts der Vollstaumlndigkeit und der Multisektoralitaumlt des Energiemosaiks eine gute Grundlage fuumlr politische und strategische Entscheidungsprozesse dar Dabei traumlgt die konse-quente Zuordnung des Energieverbrauches und der Treibhausgasemissionen zu den wichtigsten Ver-brauchergruppen (Haushalte Wirtschaft Mobilitaumlt) dem Verursacherprinzip Rechnung und erlaubt eine zielgerichtete Entwicklung von energie- und klimarelevanten Strategien Die einheitliche Struktur und Qualitaumlt der Eingangsdaten sowie die standardisierte Modellierung gewaumlhrleisten eine gemein-same und vergleichbare Ausgangsbasis fuumlr alle Gemeinden und Regionen Daruumlber hinaus koumlnnen uumlbergeordnete Planungsebenen (Laumlnder Bund EU) von dem Wissen um die moumlglichen Beitraumlge un-terschiedlicher raumlumlicher Strukturen in Zentren Kleinstaumldten suburbanen und laumlndlichen Gemeinden zu den uumlbergeordneten klima- und energiebezogenen Strategien profitieren Das Energiemosaik Austria stellt nicht nur eine unerlaumlssliche strategische Planungs- und Entschei-dungsgrundlage fuumlr Akteure aus Politik und Verwaltung Wissenschaft und Praxis sowie Planung und Wirtschaft dar Die Einsatzgebiete des Energiemosaiks reichen dabei von der Erarbeitung von Energie-konzepten und Klimaschutzstrategien die Infrastrukturentwicklung die Raumplanung die Erstellung integrierter Mobilitaumltskonzepte bis zur Regionalentwicklung Daruumlber hinaus traumlgt das Energiemosaik auch zur Sensibilisierung von Akteuren mit energie- klima- raum- umwelt- und mobilitaumltsrelevanten Agenden sowie der interessierten (Fach-)Oumlffentlichkeit bei Schlieszliglich beguumlnstigt das Energiemosaik die Einleitung von Lernprozessen uumlber die Anliegen des Klimaschutzes sowie die raumlumliche Dimension der Energiewende

Literatur Abart-Heriszt L Erker S Reichel S Schoumlndorfer H Weinke E Lang S (2019a) Energiemosaik Austria Oumlsterreichweite Modellierung und webbasierte Visualisierung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen auf Gemeindeebene EnCO2Web FFG BMVIT Stadt der Zukunft Wien Salzburg Lizenz CC BY-NC-SA 30 AT Vgl wwwenergiemosaikat (letzter Zugriff 18122020)

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laumlndischen Landesregierung Amt der Niederoumlsterreichischen Landesregierung Amt der Steiermaumlrki-schen Landesregierung Amt der Tiroler Landesregierung Bundesministerium fuumlr Verkehr Innovation und Technologie Wien

BMVIT (Hrsg 2017) Mair am Tinkhof O Strasser H Prinz T Herbst S Schuster M Tomschy R Figl H Fellner M Ploszlig M Roszligkopf T Richt- und Zielwerte fuumlr Siedlungen zur integralen Bewer-tung der Klimavertraumlglichkeit von Gebaumluden und Mobilitaumltsinfrastruktur in Neubausiedlungen Be-richte aus Energie- und Umweltforschung 392017 Bundesministerium fuumlr Verkehr Innovation und Technologie Wien

Statistik Austria (2018) Nutzenergieanalyse fuumlr die neun oumlsterreichischen Bundeslaumlnder 2011 Ver-fuumlgbar online httpwwwstatistikatweb_destatistikenenergie_umwelt_innovation_mobilitaet energie_ und_umweltenergienutzenergieanalyseindexhtml (letzter Zugriff 13012019)

UBA (Umweltbundesamt 2018) Bundeslaumlnder Luftschadstoff-Inventur (BLI) 1990ndash2016 Umwelt-bundesamt Wien

UBA (Umweltbundesamt 2019) Klimaschutzbericht 2019 Umweltbundesamt Wien

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Institutionelle Gestaltung von energieraumplanerischen Politiken Das Fallbeispiel der niederlaumlndischen Windkraftzonierung

Pia Nabielek (1)

DOI 10347261026

(1) Dipl-Ing Dr PBL Netherlands Environmental Assessment Agency Department of Integral Environmental Policy Analysis

Abstract

Aktiv gestaltete Innovation im institutionellen Bereich gilt als eine wesentliche Voraussetzung fuumlr eine erfolgreiche Energiewende Heutige gesellschaftliche Routinen sollen aufgebrochen und durch Prakti-ken ersetzt werden die nachhaltiger sind und deshalb wert sind nachgeahmt und institutionalisiert zu werden Dieser Beitrag geht der Frage nach inwiefern Energieraumplanung zielgerichtet und bewusst neue Institutionen einfuumlhren kann und ob damit tatsaumlchlich langfristig nachhaltigere Rahmenbedin-gungen geschaffen werden In planungstheoretischer Literatur wird institutionelle Gestaltung als ein wichtiger Bereich der Raumplanung hervorgehoben Damit gemeint ist das Veraumlndern und Einfuumlhren von allgemeinen Werten und Normen ndash Regelungen Praktiken und Sichtweisen ndash die die Interaktion eines breiten Spektrums von Akteurinnen und Akteuren strukturieren In diesem Beitrag wird institu-tionelle Gestaltung am Beispiel der Windkraftzonierung untersucht Anhand des Praxisbeispiels des niederlaumlndischen Strukturplans fuumlr Onshore-Windkraftanlagen wird aufgezeigt inwiefern die raumlum-lich-geografische Abgrenzung von Gebieten fuumlr nachhaltige Energiegewinnung zur Entwicklung von neuen Institutionen gefuumlhrt hat und welche Pfad-Abhaumlngigkeiten dies mit sich bringt

Schluumlsselbegriffe

Raumordnung Energiewende Institutionelle Gestaltung Institutionalisierungsprozesse Niederlaumlndi-sche Windkraftpolitik Nabielek P (2021) Institutionelle Gestaltung von energieraumplanerischen Politiken Das Fallbeispiel der niederlaumlndischen Windkraftzonierung In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S73-82

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Inhalt Einleitung 75

Institutionelle Gestaltung 76

Das Fallbeispiel des niederlaumlndischen Strukturplans fuumlr Onshore-Windkraftanlagen 77

Schlussfolgerungen 81

Danksagung 81

Literatur 81

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Einleitung

Bei der Entwicklung von Planungspolitiken fuumlr den Ausbau der erneuerbaren Energiegewinnung dreht sich vieles um Institutionen Institutionen formen die Rahmenbedingungen in denen Planungspolitiken fuumlr nachhaltige Energie entworfen und umgesetzt werden koumlnnen Sie sorgen fuumlr eine normative Ori-entierungshilfe bei der Suche nach Loumlsungen fuumlr konkrete Probleme und legitimieren die strategische Ausrichtung die eine Planungspolitik einschlaumlgt Tatsaumlchlich wird die Ignoranz von institutionellen As-pekten bei groszligen politischen Themen wie dem Klimawandel und der damit zusammenhaumlngenden Energiewende im zunehmenden Maszlige ein Problem (Healey 2018) Lange hat man sich auf instrumen-telle Herausforderungen konzentriert waumlhrend die zugrundeliegenden allgemeinguumlltigen Normen und Verhaltensweisen die die Wirkungsweise von technischen Loumlsungen beeinflussen oft im Dunkeln bleiben Institutionen sind bdquosets of public norms that condition the interaction between subjectsldquo (Salet 2018 S 1) Zu diesen allgemeinen Normen gehoumlren sowohl gesetzliche als informelle Regelungen soziale Muster und Verhaltensregeln und organisatorische Einheiten die als selbstverstaumlndlich angesehen werden Fuumlr die Energieraumplanung sind Institutionen aus zwei Gruumlnden interessant Zum einem wer-den durch Institutionen viele offene Fragen geregelt die mit der Akzeptanz von Energieloumlsungen zu-sammenhaumlngen Was gibt Parteien das Recht zu handeln Welche Handlungsoptionen gibt es Welche Kontrollmechanismen gibt es Zum anderen gibt es das Problem der institutionellen Traumlgheit (Salet 2018) ndash Institutionen haben im dynamischen Kontext in der Nachhaltigkeitspolitik den fuumlrchterlichen Ruf unsere Handlungsoptionen wesentlich einzuschraumlnken ndash es sind Gewohnheiten und Weisheiten die sich in der Vergangenheit bewahrheitet haben und durchwirken bis in die Gegenwart Wenn Institutionen nicht mehr als zeitgemaumlszlig aufgefasst werden kommt der Prozess des institutionel-len Wandels ins Bild In der planungstheoretischen Literatur wird das Erhalten Veraumlndern und Neuer-schaffen von institutionellen Strukturen als ein wesentlicher Aufgabenbereich der Raumplanung gese-hen Alexander (2005) hat die Moumlglichkeiten untersucht in der Planung institutionell zu denken und zu handeln Er stellt fest bdquoinstitutions are a critical aspect of everything planners doldquo (Alexander 2005 S 210) Wenn die Raumplanung im Kontext der Energiewende das Ziel hat um einen fundamentalen Wandel zu erreichen dann muumlssen Institutionen ein wichtiger Teil des raumplanerischen Handelns sein Dies weil es nur zwei Wege gibt um Gesellschaften zu aumlndern den Menschen selbst zu veraumlndern oder Institutionen zu veraumlndern (Alexander 2005) Diese Sichtweise wird untermauert durch die Per-spektive einer sbquoengagiertenlsquo klimafreundlichen Politik die die Anfechtung von gaumlngigen Werten in Kauf nimmt (Lowndes amp Roberts 2013) Im folgenden Teil dieses Artikels wird das Konzept der institutionellen Gestaltung aufgegriffen und angewendet auf die energieraumplanerische Praxis Zu diesem Zweck wird auf die strategische Arbeit der EU zuruumlckgegriffen die in letzten 10 Jahren gezielt den Ausbau der Windkraft vorangetrieben hat Im Rahmen des europaumlischen Klima- und Energiepaket 2020 hat die Raumplanung die wichtige Rolle uumlbernommen ausreichend Standorte fuumlr die Errichtung von Groszliganlagen zu sichern In vielen Laumlndern Europas wurde dabei auf ein gaumlngiges und wirkungsstarkes Instrument zuruumlckgegriffen das Instru-ment der Zonierung Die Ausweisung von Windkraftzonen kann aus langfristiger Sicht eine Reihe von unerwuumlnschten Nebeneffekten haben (Nabielek 2020 Evers et al 2019 Cowell 2010) Anhand des Fallbeispiels der niederlaumlndischen Raumplanungspolitik fuumlr groszligmaszligstaumlbliche Windkraftanlagen geht dieser Beitrag der folgenden Frage nach Inwiefern kann die Einfuumlhrung von Windkraftzonen als ein Akt der institutionellen Gestaltung gesehen werden und welche Implikationen hat dies fuumlr die Pla-nungspraxis Das Konzept der institutionellen Gestaltung entlehne ich aus Literatur uumlber institutionelle Theorie und Planungstheorie Der Teilbereich des bdquoinstitutionellen Unternehmertumsldquo (Di Maggio 1988) ist dabei besonders relevant da dieser die prozessorientierte Seite von bdquoAgencyldquo untersucht d h die Kapazitaumlt von Akteuren um selbststaumlndig (unabhaumlngig von ihrem Umfeld) zu handeln

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Institutionelle Gestaltung

Der Begriff der institutionellen Gestaltung wird in einem Teilbereich der institutionellen Theorie auf-gearbeitet der sich mit strukturellen Veraumlnderungsprozessen und dem Einfluss von sbquoAgencylsquo beschaumlf-tigt Dieser Teilbereich hinterfragt die Denkweise dass Institutionen sich grundsaumltzlich durch sbquoschock-artige Einfluumlsse von auszligenlsquo veraumlndern (Van Doren et al 2020 Leca et al 2008) und unterstreicht den Einfluss des sozialen Handelns auf Institutionen bdquoAkteure koumlnnen steuern was institutionell ist und was nicht Institutionen brauchen Anerkennung Wartung und Innovation um zu uumlberlebenldquo (Salet 2018) Diese Denkrichtung unterstreicht die Bedeutung von Institutionen als Konstrukte des mensch-lichen Handelns und ermoumlglicht damit neue Forschungswege die Erklaumlrungen liefern fuumlr eine Art der institutionellen Innovation die sich von innen heraus entwickelt D h durch soziale Interaktion und die bewusste Entscheidung von Akteurinnen und Akteuren um bdquoanders als die gaumlngige Normldquo zu han-deln Dies muumlssen nicht unbedingt groszlige und einschneidende Gesten sein sondern auch geringfuumlgige Anpassungen oder schrittweise eingefuumlhrte strategische Handlungen koumlnnen institutionelle Transfor-mation ausloumlsen (Lowndes amp Roberts 2013) DiMaggio (1988) hat dabei das Konzept des bdquoinstitutionellen Unternehmertumsldquo eingefuumlhrt Dieses Unternehmertum besteht aus hochgradig organsierten AkteurInnen mit ausreichenden Ressourcen die aufgrund bestimmter Interessen zur Entstehung von neuen Institutionen beitragen Unternehme-risch-institutionelle Akteurinnen und Akteure verfuumlgen uumlber ausreichende Kapazitaumlten oder Befaumlhi-gungen um eigenstaumlndig denken und handeln zu koumlnnen (Van Doren et al 2020) Das Konzept des einflussreichen politischen Unternehmertums das sich uumlber Grenzen und Werte hinwegsetzt bringt allerdings auch ein klassisches wissenschaftliches Dilemma mit sich Inwiefern koumlnnen Akteure Institu-tionen bewusst transformieren wenn sie gleichzeitig und unbewusst durch bestehende Institutionen beeinflusst werden Lowndes und Roberts (2013 S 185-186) bezeichnen dies als das Paradox der in-stitutionellen Gestaltung bdquoGestaltung im Sinne von ergebnisorientierter Planung ist zum Scheitern ver-urteilt [] die Ergebnisse von bewussten Bemuumlhungen um Institutionen zu reformieren lassen oft zu wuumlnschen uumlbrigldquo (S 185) Aus der Perspektive von Lowndes und Roberts existieren bdquoalteldquo und bdquoneueldquo Institutionen nebeneinander ndash neu geschaffene Institutionen sind instabil und Innovationsprozesse schwer zu kontrollieren weil sie den Einschraumlnkungen bestehender politischer Machtverhaumlltnisse un-terworfen sind Goodin (1996) spricht sogar von dem bdquoMythosldquo des bewussten und zielgerichteten Gestaltens Aus seiner Sicht sollte der Fokus auf die indirekten Mechanismen liegen die zu institutio-neller Transformation beitragen Diese Perspektive unterstreicht dass institutionelle Innovation eben auch unbewusst und indirekt stattfinden kann d h neben unternehmerisch-institutionellen Bemuuml-hungen gibt es auch Nebeneffekte und (un)beabsichtigte Folgehandlungen von verschiedensten Akt-euren die dazu beitragen um Institutionen zu gestalten und reproduzieren (Van Doren et al 2020) Im Gegensatz zur institutionellen Theorie ist die Planungstheorie optimistischer was die bewusst her-beigefuumlhrte institutionelle Veraumlnderung betrifft Der Begriff der institutionellen Gestaltung ist eng ver-bunden mit dem Aufkommen der institutionell gerichteten und kommunikativen Planungstheorie (Healey 1997) Alexander (2005) definiert institutionelle Gestaltung als bdquodas zielgerichtete und be-wusste Erschaffen von Gesetzen Praktiken und organisatorischen Strukturen die soziales Handeln [] sowohl unterstuumltzen als auch einschraumlnkenldquo (Alexander 2005 S 213) Inspiriert unter anderem von Habermasrsquo bdquoTheorie des kommunikativen Handelnsldquo beschaumlftigten sich Planungstheoretiker zuneh-mend mit Fragestellungen die die Gestaltung des Planungsprozesses betreffen (Healey 1997 Fischer amp Forester 1993 Innes 2017 zitiert in Evers et al 2019) Es geht nicht mehr um den Abstracten Begriff des Ordnens von bdquoRaumldquo (im Sinne einer technischen Aufgabe) sondern um das (Selbst-)Regieren von bdquoOrtenldquo (Evers et al 2019) Dies hatte zur Folge dass die Gestaltung diverser Governance-Praktiken immer mehr ins Blickfeld der Forschung im Planungsbereich geruumlckt ist und damit auch die Frage der dahinterliegenden bdquoinstitutionellen Dynamikldquo (Healey 2018) Staumlrker noch institutionelle Gestaltung

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scheint aus dieser Sichtweise quasi automatisch einherzugehen mit planerischer Aktivitaumlt Innes (1995 S 40 zitiert in Alexander 2005) beispielsweise schreibt bdquoPlanning is institutional designldquo Um die institutionelle Dynamik besser zu verstehen die hinter dem Kommunikations- und Entschei-dungsprozess einer Planungspolitik steckt ist es laut Scharpf (1997) notwendig die Akteurskonstella-tionen besser zu verstehen die aufgrund von Interessen und Machtverhaumlltnissen auf die Entwicklung von Institutionen einwirken Diese Sichtweise deckt sich weitgehend mit dem durch DiMaggio einge-fuumlhrten Konzept des institutionellen Unternehmertums aber auch der Lowndes und Roberts Sicht-weise des eingeschraumlnkten Gestaltens Da die unternehmerisch-institutionellen Akteure Institutionen selten alleine veraumlndern koumlnnen muumlssen diese typischerweise Verbuumlndete mobilisieren (Leca et al 2009) d h sie entwickeln Allianzen und Kooperationen um ihre strategischen Interessen durchzu-setzen Diese Kooperationen und Allianzen oder bdquoinstitutional-agent interactionsldquo (Alexander 2005) sind das Basismaterial der institutionellen Gestaltung Die Werkzeuge von institutioneller Gestaltung sind dann die vielfaumlltigen Strategien die strategische Kooperationen und Allianzen ermoumlglichen Van Doren et al (2020) praumlsentieren auf der Basis eines Literatur-Reviews eine Palette von moumlglichen Stra-tegien diese reichen von politischer Aktion (z B Mobilisieren von Interessensgruppen) zu technischen Konsultationen (uumlber Kosten und Gewinne) und kommunikativen Strategien (z B Diskurs)

Das Fallbeispiel des niederlaumlndischen Strukturplans fuumlr Onshore-Windkraftanla-gen

Anhand dieses kurzen Einblicks in institutionellen Gestaltung aus der Sicht der Planungstheorie und institutionellen Theorie versuche ich im Folgenden zu demonstrieren welchen Wissensbeitrag diese Sichtweise im Rahmen der Evaluierung von energieraumplanerischen Instrumenten liefern kann In-nerhalb der letzten 15 Jahre wurde Windkraft in vielen Laumlndern Europas zu einer der groumlszligten infra-strukturellen Aufgabenstellungen und es entstanden neue Planungspolitiken durch welche die zuneh-menden Interessenskonflikte geschlichtet werden sollten (Szarka et al 2012) In diesen Strategien wur-den neue Arten von sbquoGrenzenlsquo und Zielwerten fuumlr die Windenergie eingefuumlhrt Abgrenzung von Gebie-ten Abgrenzung von Verantwortlichkeiten und die Festlegung quantitativer Ziele (Nabielek 2020 E-vers et al 2019) Eine bestimmte Planungsherangehensweise wird dabei als besonders effektiv erach-tet Zonierung Zonierung bietet Windkraftentwicklern die Sicherheit dass (Groszlig-)Projekte in be-stimmten Gebieten fortgesetzt werden koumlnnen gleichzeitig wird die Entwicklung in anderen Gebieten untersagt Diese Zonierungsstrategien koumlnnen sowohl Ausschluss- als auch Eignungsgebiete auswei-sen und wird daher passenderweise auch bezeichnet als negative bzw positive Zonierung (Nabielek 2020) Der juridische Status dieser Zonen kann je nach Land und Region variieren Eine Gemeinsamkeit dieser Zonierungsstrategien ist die Annahme dass es sich bei positiven Zonen um konfliktarme Gebiete handelt D h dass diese Gebiete einen sozialen Konsensus darstellen wo Windkraftanlagen akzepta-bel sind und wo nicht Hier ist es durchaus uumlblich um Standortentscheidungen ohne aktive Miteinbe-ziehung derjenigen zu treffen deren Lebensumfeld direkt davon betroffen ist Cowell (2010) zum Bei-spiel untersuchte in Wales wie technische Verfahren Zonierungsentscheidungen in der Raumplanung dominieren Er stellte fest dass die Gebietsauswahl in der Regel von unabhaumlngigen Beratern getroffen wird oft ohne Konsultation mit lokalen Interessensgruppen Es wurde als zu problematisch empfun-den um Stakeholder in den Planungsprozess miteinzubeziehen (Cowell 2010 S 224)

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Abb 1 Die 11 Windkraftzonen des SvWOL 2014 in den Niederlanden Quelle PBL 2019

Auch in den Niederlanden entscheidet man sich fuumlr die Ausweisung von Eignungszonen und verfolgt damit einen landesweit einheitlichen und positiven Zonierungsansatz Das Land ist klein und dicht be-siedelt und Zonierung schafft Klarheit Im Jahr 2014 wird der SvWOL-Strukturplan fuumlr Onshore-Wind-kraftanlagen von der niederlaumlndischen Regierung verabschiedet Im SvWOL werden landesweit elf Ge-biete ausgewiesen die fuumlr die groszligmaszligstaumlbliche Windkraftentwicklung vorgesehen sind Der Richtwert fuumlr Groszliganlagen die in diesen Gebieten errichtet werden koumlnnen ist eine installierte Leistung von mindestens 100 Megawatt (IenM amp EZ 2014) Dies entspricht einem Windpark von rund 30 modernen Windturbinen Durch die zuumlgige und kompakte Aufstellung solcher groszligen Windparks in SvWOL Zonen sollte die Umsetzung von einem Groszligteil der nationalen Windkraftziele (insgesamt 6000 Megawatt fuumlr Onshore-Anlagen) gesichert werden Fuumlr die Auswahl der SvWOL-Gebiete wurde ein eigenes Landschafts-Narrativ entwickelt das argumen-tiert warum diese Gebiete fuumlr die Errichtung von groszligen Windkraftanlagen besonders gut geeignet sind zum Beispiel wegen des weitlaumlufigen und industriellen Charakters der Landschaft oder wegen ihren geschichtlichen Bezug zu Energiegewinnung bzw chancenreichen Zukunft als bdquoEnergieland-schaftldquo Diese Landschaftsnarrativ fuumlhrt geht davon aus dass durch die Buumlndelung von Windkraft in grossen Industriegebieten wie zum Beispiel der Hafen von Rotterdam und in einige wenige landwirt-schaftliche Gebiete wichtige kulturhistorische Landschaften und Naturgebiete erhalten werden Das durch ein Expertenteam sorgfaumlltig ausgearbeitete Landschaftskonzept soll fuumlr eine breite Unterstuumlt-zung von Buumlrgerinnen und Buumlrgern sorgen die durch den SvWOL von maszliggeblichen Veraumlnderungen in ihrem Lebensumfeld betroffen sind

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Abb 2 Unternehmerisch-institutionelle Akteure und Kooperationen im Rahmen des SvWOL 2014 Quelle Nabielek 2020

Die Gebietsabgrenzungen des SvWOL sind das Ergebnis eines komplexen zweijaumlhrigen Entscheidungs-prozesses zwischen nationalen und provinzialen Behoumlrden unter der Mitwirkung von diversen uumlberre-gionalen Interessensgemeinschaften hauptsaumlchlich in Bereich von Naturschutz Windkraftentwicklung und Landschaftsschutz Die obenstehende Grafik zeigt am Beispiel der Provinz Suumldholland einen Uumlber-blick welche Kooperationsstrukturen im Planungsprozess des SvWOL stattgefunden haben Auffallend ist dass Allianzen zwischen institutionell-unternehmerischen Akteuren in der SvWOL-Arena stark auf der nationalen Steuerungsebene vertreten sind (Ministerien Beratungsagenturen und diverse Lob-byorganisationen) waumlhrend es insgesamt wenig Abstimmungsmechanismen gab mit lokalen Parteien (Buumlrger Grundbesitzer Unternehmer lokale Politik und Behoumlrden) Eine zweite Auffaumllligkeit ist die enge Zusammenarbeit zwischen Raumplanungs- und Energieplanungsbehoumlrden Der SvWOL war das erste landesweite politische Instrument die diese zwei Perspektiven vereint bisher waren nationale Raumordnungspolitik und Energiepolitik naumlmlich grundsaumltzlich getrennt (Evers et al 2019) Die strate-gische Entscheidung lokale Parteien bei Zonierungsentscheidungen nur auf ein Mindestmaszlig reduziert

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zu beteiligen hat viele Gruumlnde zum Beispiel Zeitdruck die Orientierung auf technische Entscheidungs-kriterien und die Bewahrung von politischer Neutralitaumlt in einem konfliktreichen Thema (Nabielek 2020) Die gesetzlichen Rahmenbedingungen fuumlr die Entwicklung und Planung von Groszliganlagen sorgen dafuumlr dass lokale Parteien im Konfliktfall das Nachsehen haben Durch das RCR Landeskoordinations-gesetz fuumlr Groszligprojekte unterliegen Windkraftanlagen mit einem Umfang von mehr als 100 Megawatt installierter Leistung der Entscheidungskompetenz des zustaumlndigen Ministers fuumlr Energiepolitik (Dutch Electricity Act 1998) Im Jahr 2019 fuumlnf Jahre nach der Einfuumlhrung des SvWOL zeigt sich dass trotz Landschaftsstrategie Windrafteignungszonen und weitreichende Planungskompetenzen von nationalen und provinzialen Behoumlrden die erwartete Beschleunigung in der Windkraftentwicklung vorerst nicht eingetreten ist Aus institutioneller Sicht koumlnnen wir einige wichtige Nebeneffekte feststellen die die Wirksamkeit der nie-derlaumlndischen Planungspolitik fuumlr den Windkraftausbau wesentlich beeinflusst haben Erstens faumlllt auf dass trotz Zonierung die Genehmigung von Groszligprojekten in den jeweiligen Zonen ein langwieriger und schwieriger Prozess geblieben ist Die Wirkungsweise des strategisch eingesetz-ten bdquoLandscape Narrativeldquo wiederum variiert je nach Region und Gebiet Da landschaftliche Werte (als kulturelle Institutionen) bdquoin the eye of the beholderldquo bestimmt werden bedeutet dies einen gewissen Relativismus es ist dann auch notwendig den bdquobeholderldquo in die Planung einzubeziehen (Wolsink 2017) Durch die Gestaltung des Planungsprozesses und die gesetzlichen Rahmenbedingen hatten Gemein-den insgesamt wenig Spielraum um die Planung und Umsetzung von Groszliganlagen aktiv zu beeinflus-sen Lokale Behoumlrden sind aber wichtige Vertreter von Bewohnerinnen und Bewohnern in der Naumlhe der geplanten Anlagen In einigen SvWOL-Gebieten zum Beispiel in der Provinz Drenthe hatte die Top-down-Politik des SvWOL groszlige Konsequenzen fuumlr die lokale Wahrnehmung (bdquoWir die Lokalen gegen die Regierenden in Den Haagldquo) und fuumlhrte zu einer starken Polarisierung der lokalen Bevoumllkerung ndash trotz der Tatsache dass die dort aktiven Windkraftentwickler lokale Unternehmer waren Die RCR Regelung die erst ab einer Groszliganlage von minimal 100 Megawatt installierter Leistung zum Einsatz kommt hatte wiederum groszlige Konsequenzen fuumlr den Umgang von Windkraftentwicklern mit lokalen Behoumlrden So war es Windkraftentwicklern moumlglich um durch Zusammenfuumlgen von Projekt-anfragen in Anmerkung zu kommen fuumlr das (prioritaumlre) RCR-Verfahren Hierdurch konnten Einzelpro-jekte die auf lokaler Ebene ein hohes Konfliktpotenzial hatten durch strategisches Zusammenlegen auf houmlherer Ebene doch noch durchgesetzt werden (Evers et al 2019) Im Laufe der Zeit entwickelten etliche SvWOL-Gebiete ein Eigenleben sie wurden zu Institutionen (Na-bielek 2020) Auch dies hatte Nebeneffekte denn es handelt sich um unbeabsichtigte indirekte Me-chanismen der Institutionalisierung Im guumlnstigen Fall haben sich innerhalb der festgelegten Zonen neue langfristige Kooperationsstrukturen und Projektallianzen gebildet Ein gutes Vorbild ist die SvWOL-Zone bdquoEnergieinsel Goeree-Overflakkeeldquo in der Provinz Suumldholland die es geschafft hat aus der Windkraft einen deutlichen Mehrwert fuumlr die lokale Bevoumllkerung zu kreieren Andersseits entstand durch das Instrument der Zonierung auch die langfristige Erwartungshaltung dass jene Gebiete die nicht zoniert sind auch frei von Windkraftanlagen bleiben Suumldholland hatte mit dieser Erwartungs-haltung bereits zu kaumlmpfen In dieser Provinz entstand im Zuge der Implementation des SvWOL die Notwendigkeit um zusaumltzlicher Flaumlchen fuumlr die Windkraftnutzung zu sichern Die Suche nach weiteren bdquoakzeptierten Standortenldquo erwies sich als sehr schwierig Wenn Positivzonierung als ein Instrument der institutionellen Gestaltung etabliert und gefestigt ist ist es umso schwieriger den Status der Ge-biete auszligerhalb dieser Zonen zu veraumlndern Im dynamischen Kontext der Energiewende koumlnnte Zoni-erung den Uumlbergang zu neuen und chancenreicheren Planungspraktiken wesentlich behindern

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Schlussfolgerungen

Dieser Beitrag verknuumlpft das theoretische Konzept der institutionellen Gestaltung mit dem energie-raumplanerischen Instrument der Windkraftzonierung und versucht Antworten zu finden auf die Frage Inwiefern kann die Einfuumlhrung von Windkraftzonen gesehen werden als ein Akt der institutio-nellen Gestaltung und welche Implikationen hat dies fuumlr die Planungspraxis Um diese Frage zu beant-worten wurden einige wichtige Komponenten der institutionellen Gestaltung im planungstheoreti-schen Diskurs hervorgehoben institutionelles Unternehmertum Kooperationen und Allianzen und in-stitutionelle Veraumlnderungsstrategien Das Fallbeispiel des SvWOL (Strukturplan fuumlr groszligmaszligstaumlbliche Windkraftentwicklung) zeigt Zonie-rung ist institutionelle Gestaltung Die wesentlichen Bestandteile sind (1) die Entwicklung eines Land-schafts-Narrativs um einen gemeinsamen Referenzrahmen fuumlr Energie- und Landschaftsinteressen (kommunikative Veraumlnderungsstrategie) zu schaffen (2) strategische Allianzen und Kooperationen auf nationalem Niveau wodurch die Zusammenarbeit von Raum- und Energieplanung mittlerweile selbst-verstaumlndlich geworden ist und (3) die Entstehung einer neuen institutionellen Unternehmerschaft in-nerhalb der Windkraftzone Goeree-Overflakkee Manche Institutionen wurden allerdings auch unbe-wusst erschaffen z B die Interpretationen uumlber den genauen Status von Gebieten auszligerhalb der Windkraft-Eignungsgebiete Dieser Komponente und den daraus entstandenen Pfad-Abhaumlngigkeiten sollte mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden Zusammengefasst kann gesagt werden dass die institutionelle Perspektive neue Erkenntnisse und For-schungswege im energieraumplanerischen Kontext bietet Wenn es die Mission der Forschung ist die Planungspraxis zu unterstuumltzen dann ist eine kritische Reflexion auf die institutionelle Gestaltung von energieraumplanerischen Politiken dringend noumltig Energieraumplanung als ein junger und dynami-scher Aufgabenbereich der Raumplanung schafft guumlnstige Konditionen fuumlr aktiv gestaltete Institutio-nen Aber es muss auch das Bewusstsein geschaffen werden dass Planer die Handlungsoptionen ha-ben zum institutionellen Wandel beizutragen und gleichzeitig Faumlhigkeit besitzen zu hinterfragen wel-che Strategien dabei angewendet werden sollten

Danksagung David Evers und Joost Tennekes fuumlr die Zusammenarbeit im Rahmen der PBL Publikation bdquoWind-op-land lessen en ervaringen Een reflectie op de implementatie van windenergie vanuit een ruimtelijk perspectiefrdquo (2019)

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Elektromobilitaumlt Integration von Elektromobilitaumlt in die Verkehrspla-nung ndash welche Anpassungen unserer Werkzeuge brauchen wir

Martin Kagerbauer (1)

DOI 10347261027

(1) Dr-Ing Institut fuumlr Verkehrswesen (IfV) Karlsruher Institut fuumlr Technologie (KIT)

Abstract

Die Integration von Elektromobilitaumlt in die Verkehrsplanung und im Speziellen in Verkehrserhebungen und Verkehrsnachfragemodellierung kann mit einigen Anpassungen und der Verwendung von agen-tenbasierten Modellen gut durchgefuumlhrt werden Dabei sind die Charakteristika der NutzendenBesit-zenden von elektrisch betriebenen Fahrzeugen die Eigenschaften der Elektrofahrzeuge va hinsicht-lich Reichweite und die zusaumltzliche Beruumlcksichtigung der Ladevorgaumlnge bzw Ladeinfrastruktur zu be-ruumlcksichtigen Zur Abbildung der Ladevorgaumlnge sind Erhebungs- und Modellierungszeitraumlume notwen-dig die einen so langen Zeitraum umfassen so dass hinreichend viele Ladevorgaumlnge und somit eine Fahrleistung jenseits der Reichweiten vorhanden sind Nur so koumlnnen Variationen im Verkehrsverhal-ten und bei Ladestrategien beruumlcksichtigt werden

Schluumlsselbegriffe

Erhebung agentenbasierte Nachfragemodellierung integrierte Planung Kagerbauer M (2021) Elektromobilitaumlt Integration von Elektromobilitaumlt in die Verkehrsplanung ndash welche Anpassungen unse-rer Werkzeuge brauchen wir In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S83-98

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Inhalt Ausgangslage 85

Definition 86

Anforderungen der Elektromobilitaumlt an die Planungswerkzeuge 87

Anpassung der Planungswerkzeuge 91

Erhebung 91

Modellierung 92

Schlussfolgerung 96

Literatur 96

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Ausgangslage

Elektromobilitaumlt im Personenverkehr loumlst grundsaumltzlich nicht die Verkehrsprobleme in unseren Staumld-ten Selbst wenn Elektrofahrzeuge kleiner waumlren als konventionelle Fahrzeuge beispielsweise der Elektro-Smart oder sich das Fahrverhalten mit Elektro-Pkw hinsichtlich Beschleunigung und Brems-vorgaumlngen veraumlndert handelt es sich immer noch um einen Pkw der Platz benoumltigt und aumlhnlich wie ein konventioneller Privat-Pkw genutzt wird Durch den Elektroantrieb werden jedoch die Emissionen durch das Fahrzeug reduziert beispielsweise hinsichtlich CO2 NOx und im niedrigen Geschwindigkeits-bereich auch Laumlrm Elektro-Pkw sind somit lokal emissionsfrei Die grundsaumltzliche Umweltfreundlich-keit der Elektromobilitaumlt haumlngt jedoch maszliggeblich vom Strommix ab Im 1 Quartal des Jahres 2020 kamen 548 des Stroms in Deutschland aus erneuerbaren Energien (vgl Abb 1)

Abb 1 Nettostromerzeugung zur oumlffentlichen Stromversorgung in Deutschland im ersten Quartal 20201 Quelle Burger 2020

Uumlber die letzten Jahre ist in Deutschland der Anteil an regenerativem Strom wie Abb 2 zeigt massiv gestiegen so dass Elektromobilitaumlt zunehmend umweltfreundlicher wird

1 Die Grafik zeigt die Nettostromerzeugung aus Kraftwerken zur oumlffentlichen Stromversorgung Das ist der Strommix der

tatsaumlchlich aus der Steckdose kommt Die Erzeugung aus Kraftwerken von bdquoBetrieben im verarbeitenden Gewerbe sowie im Bergbau und in der Gewinnung von Steinen und Erdenldquo dh die industrielle Erzeugung fuumlr den Eigenverbrauch ist bei dieser Darstellung nicht beruumlcksichtigt

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Abb 2 Entwicklung der Nettostromerzeugung zur oumlffentlichen Stromversorgung in Deutschland im ersten Quartal von 2015 bis 20202 Quelle Burger 2020 Grundsaumltzlich ist Elektromobilitaumlt also eine umweltfreundlichere Art der Mobilitaumlt im Vergleich zu kon-ventionellen Fahrzeugen vor allem mit Blick auf den Betrieb der Fahrzeuge Wegen steigender Zulas-sungszahlen der Elektrofahrzeuge ist es sinnvoll diese neben den konventionellen Fahrzeugen in kuumlnf-tigen Planungsprozessen gesondert zu beruumlcksichtigen da deren Restriktionen hinsichtlich Reichwei-ten und Ladevorgaumlngen die Verkehrsnachfrage aber auch das Verkehrsangebot (Verfuumlgbarkeit und (Lade-)Infrastruktur) beeinflussen

Definition

Eine Million Elektrofahrzeuge (gemeint waren Pkw) sollten bis zum Jahr 2020 in Deutschland zugelas-sen sein Dieses Ziel wurde im Jahr 2009 von der Bundesregierung im Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilitaumlt (Die Bundesregierung 2009) festgelegt Das Ziel wurde nicht erreicht Im Jahr 2020 waren zum Stand 01012020 136617 Elektro-Pkw 102175 Plug-In-Hybrid-Pkw und 437208 weitere Hybrid-Pkw zugelassen Laut Definition in Deutschland umfasst Elektromobilitaumlt im Sinne der Bundes-regierung nicht nur reine Elektro-Pkw sondern bdquoall jene Fahrzeuge die von einem Elektromotor ange-trieben werden und ihre Energie uumlberwiegend aus dem Stromnetz beziehen also extern aufladbar sind Mit umfasst sind damit auch solche Fahrzeuge die zum Zwecke einer groumlszligeren Reichweite neben einem Elektro- auch uumlber einen Verbrennungsmotor verfuumlgen etwa Plug-In Hybridfahrzeuge (PHEV) und Elektrofahrzeuge mit sogenannten Range Extendern (REEV) Wichtig ist vor allem dass diese Fahr-zeuge extern uumlber das Stromnetz aufgeladen werden koumlnnenldquo (BMU 2017) Nach dieser Zaumlhlart sind zum 01012020 238792 Elektro-Pkw in Deutschland von insgesamt 477 Millionen Pkw also rund 05 zugelassen Diese Steigerungstendenzen an elektromobilen Pkw sind in den meisten Laumlndern der Welt festzustel-len Wie Abbildung 3 zeigt steigen die Bestandsentwicklungen der Elektroautos auch weltweit an Vor allem in China sind die Zuwaumlchse an Elektro-Pkw sehr hoch

2 Siehe Fuszlignote davor

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Abb 3 Bestandsentwicklung von Elektro-Pkw (weltweit und in ausgewaumlhlten Laumlndern in den Jahren 2012 bis 2019) Quelle Statista 2020b

Obwohl die Reichweite der Elektro-Fahrzeuge mit zunehmender technischer Entwicklung steigt ist sie immer noch eine wichtige Charakteristik fuumlr die Akzeptanz und die Nutzung der Elektromobilitaumlt Ak-tuell reicht die Spanne der Reichweite bei Elektrofahrzeugen (BEV) von ca 450 kmBatterieladung bei einem Tesla (Model X 100D) bis zu ca 110 kmBatterieladung bei einem Smart (Modell fortwo coupeacute EQ prime) (ADAC 2020) Maszliggeblich haumlngt die Reichweite von der Groumlszlige der Batterie in den Fahrzeu-gen ab Neben den hohen Anschaffungskosten sind die Restriktionen in der Reichweite und der Mangel an Ladeinfrastruktur (LIS) die Haupthemmnisse der Elektromobilitaumlt (Kagerbauer und Heilig 2013 Gnann et al 2017) So gilt es fuumlr Verkehrsplanungszwecke in der Erhebung und Prognose des Verkehrs in Verbindung mit Elektromobilitaumlt zum einen die technischen Leistungsfaumlhigkeiten der Fahrzeuge und zum anderen die Entscheidungen hinsichtlich der Ziel- und Verkehrsmittelwahl unter diesen Rahmen-bedingungen zu beruumlcksichtigten (FGSV 2018) Dann kann das Verkehrsverhalten der Menschen all-umfassend abgebildet und modelliert werden Daruumlber hinaus ist es sinnvoll die Verfuumlgbarkeit der Ladeinfrastruktur mit zu betrachten Eine Integration der Elektromobilitaumlt in die Verkehrsplanungspro-zesse ist heute und vor allem kuumlnftig notwendig um bedarfsgerechte Infrastruktur planen zu koumlnnen und Finanzmittel beim Aufbau der Ladeinfrastrukturnetze sinnvoll einzusetzen

Anforderungen der Elektromobilitaumlt an die Planungswerkzeuge Der Besitz von Elektrofahrzeugen im Privatgebrauch unterscheidet sich im Vergleich zum Besitz von konventionellen Fahrzeugen vor allem in industrialisierten Laumlndern dass die konventionellen Fahr-zeuge nahezu allen Bevoumllkerungsschichten gleichermaszligen zur Verfuumlgung stehen Gerade die soge-nannten bdquoinnovatorsldquo und bdquoearly adoptersldquo also Personen die nach der Diffusionsforschung sehr fruumlh neue Technologien annehmen sind Gruppen die sich von der Allgemeinheit unterscheiden Vor allem hinsichtlich der Soziodemografie eines houmlheren oumlkonomischen Status und deswegen auch hinsichtlich des Verkehrsverhaltens da mit zunehmendem zur Verfuumlgung stehenden Einkommen das Verkehrsauf-kommen steigt Abb 4 zeigt systematisch die Verteilung der Personengruppen

205380 422870845210

1398050

2156800

3410340

5607150

7886500

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2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019

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China USA Japan Deutschland

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Abb 4 Verbrauchergruppen bei der Einfuumlhrung von neuen Technologien (blau) und Marktanteil (gelb) Quelle Rogers 2010

Wie bei vielen neuen Technologien hat sich ebenfalls beim Besitz der Elektro-Pkw herausgestellt dass eher junge Maumlnner mit gutem oumlkonomischen Status Erstanwender der Elektromobilitaumlt waren (Ploumltz et al 2017 Ploumltz et al 2013) Da die Elektromobilitaumlt noch einen geringen Anteil an den Gesamt-Pkw hat (vgl Definition) sind die Charakteristika und das Mobilitaumltsverhalten dieser Besitzenden der Elektro-Fahrzeuge auch ein wesentlicher Aspekt der in der Verkehrsplanung beruumlcksichtigt werden sollte In den Hochlaufszenarien fuumlr Elektromobilitaumlt wurden die Entwicklung z B in Form von Anzahl an Elektro-Fahrzeugen nach Jahren und die Charakteristika der Besitzenden abgeschaumltzt und beruumlck-sichtigt Im Laufe der naumlchsten Jahrzehnte sofern sich die Elektromobilitaumlt zu einem Massenmarkt entwickelt werden Besitzende uumlber alle Bevoumllkerungsschichten hinweg verteilt sein so dass diese Un-terschiede in Soziodemografie und Struktur nicht mehr so ausgepraumlgt sein werden Allerdings kann das je nach gesetzlichen Rahmenbedingungen (Foumlrderung) Verfuumlgbarkeit von verschiedenen (kostenguumlns-tigeren) Modellen und Sensibilisierung der Bevoumllkerung fuumlr umweltfreundliche Pkw-Mobilitaumlt noch et-was dauern Da uumlbliche Planungshorizonte in 10 bis 15 Jahren liegen ist es sinnvoll diese Rahmenbe-dingungen zu beruumlcksichtigen Ein weiterer Grund die Nutzergruppe der Elektromobilitaumlt gesondert zu betrachten ist dass die Betriebskosten fuumlr Elektrofahrzeuge wegen der Strompreise guumlnstiger sind im Vergleich zu konventionellen Fahrzeugen Dadurch werden E-Fahrzeuge unter Umstaumlnden auch haumlufi-ger genutzt Die Fahrleistungen der Elektrofahrzeuge koumlnnen somit tendenziell houmlher sein Dies ist aber in Relation zu den Reichweiten zu betrachten

Folge fuumlr Verkehrsplanungswerkzeuge Integration von Elektro-Pkw-Besitz und die Charakteristika der Nutzenden (z B Soziodemographie oumlkonomischer Status)

In den aktuellen Zulassungszahlen der Elektro-Pkw in Deutschland sieht man auch dass ca 60 in das Fahrzeugsegment bdquoKleinldquo (=Mini Kleinwagen Kompaktklasse) und 25 in das Fahrzeugsegment bdquoGroszligldquo (Oberklasse SUV Sport Gelaumlndewagen) fallen (Statista 2020a) Diese unterschiedlichen Fahr-zeugsegmente haben unterschiedliche Charakteristika Kleinfahrzeuge werden eher als Zweit- oder Drittwagen genutzt mit kleiner Reichweite und haumlufiger Nutzung fuumlr kurze Strecken Die Groszligfahr-zeuge haben eine groszlige Reichweite (z B Tesla- oder Porsche-Fahrzeuge mit ca 400 km) und werden eher fuumlr alle auch weite Fahrten genutzt Diese unterschiedlichen Nutzungen und Charakteristika spie-len fuumlr die Verkehrsnachfrage eine wesentliche Rolle da je nach zur Verfuumlgung stehendem Fahrzeug unterschiedliche Nutzungsmoumlglichkeiten vorhanden sind Eine Diversifizierung der Fahrzeugkatego-rien in Bezug auf Elektromobilitaumlt ist daher sinnvoll Zudem gibt es mit neuen Fahrzeugansaumltzen wie PedelecsE-Bikes neue Moumlglichkeiten Wege zuruumlckzulegen die in verschiedenen Modi wirken Auch hier spielt die Elektromobilitaumlt eine Rolle die in den Planungen zu beruumlcksichtigen ist

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Folge fuumlr Verkehrsplanungswerkzeuge Integration von Eigenschaften der Elektro-Pkw (Fahrzeugart Groumlszlige des Akkus Reichweite)

Grundsaumltzlich unterscheiden sich die Elektrofahrzeuge von konventionellen Fahrzeugen hinsichtlich der Reichweite und der Dauer der Ladevorgaumlnge Waumlhrend auszliger bei speziellen Erhebungen zu Ver-brauch und Fahrleistung (Chlond et al 2009) die Tankvorgaumlnge in der Verkehrsplanung keine groszlige Rolle spielen haben die Ladevorgaumlnge bei der Elektromobilitaumlt ein groumlszligere Bedeutung da das Laden eine groumlszligere Zeitdauer einnimmt und besser geplant werden sollte als das Tanken das innerhalb we-niger Minuten durchgefuumlhrt wird Grundsaumltzlich gibt es zwei Ladearten

bull Normalladen (AC-Laden) Ausschlieszliglich uumlber Wechselstrom in Ladeleistungsbereichen zwischen 37 kW (einphasige) uumlber 11 bzw 22 kW bis zu max 43 kW (dreiphasig)

bull Schnellladen (DC-Laden) Ausschlieszliglich uumlber Gleichstrom mit einer Ladeleistung von bis zu 170 kW

Abhaumlngig von dem Ladestand (SOC state of charge) sowie von der Spezifikation des Akkus dauert eine Ladung eines 30-kW-Akkus mit 37 kW ca 8 Stunden (h) mit 11 kW ca 15 h und mit 170 kW ca 15 bis 30 Minuten Je nach Umfeldsituation (Temperatur Streckenprofil etc) kann damit eine Strecke von ca 150 km zuruumlckgelegt werden Diese unterschiedlichen Ladeeigenschaften haben auch Auswirkun-gen auf den Einsatz der Ladungen Waumlhrend Normalladen geeignet ist fuumlr Situationen in denen das Fahrzeug sowieso steht z B zu Hause nachts oder waumlhrend der Arbeit ist das Schnellladen fuumlr kurze Zwischenstopps z B bei einer Fernreise an Autobahnen geeignet Dazwischen sind alle Variationen denkbar Im Vergleich zum konventionellen Tanken dauert das Laden laumlnger und das Angebot an LIS ist zumindest zu heutiger Zeit noch nicht so dicht so dass die Information uumlber die Existenz und Ver-fuumlgbarkeit von LIS eine groszlige Rolle spielt Mit Hilfe von IKT (Informations- und Kommunikations-Tech-nologie) stehen die Charakteristiken und Verfuumlgbarkeiten von LIS beispielsweise durch Apps und an-deren digitalen Plattformen zur Verfuumlgung Beispiele hierfuumlr sind e-stationsde chargemapcom goin-gelectricde lemnetorg u v a

Folge fuumlr Verkehrsplanungswerkzeuge Integration von Ladeinfrastruktur mit deren Eigenschaften (Kenngroumlszligen Ladedauer Verortung)

Wegen der Reichweiterestriktionen der E-Fahrzeuge kann auch veraumlndertes Verkehrsverhalten der Nutzenden eine Folge sein Falls beispielsweise aufgrund eines aktuell niedrigen SOC eines E-Pkw ei-nige Ziele nicht mehr erreicht werden koumlnnen stehen den Nutzenden verschiedenen alternative Hand-lungsweisen zur Verfuumlgung Erstens kann der Weg auf einen anderen Zeitpunkt oder Tag verschoben werden wenn die Reichweite ausreicht Zweitens kann ein anderes Ziel zur Durchfuumlhrung der Aktivitaumlt gewaumlhlt werden bei dem die Reichweite noch ausreicht oder drittens kann ein anderes Verkehrsmittel fuumlr den Weg gewaumlhlt werden Die beiden letztgenannten Faumllle koumlnnen auch eintreten sofern die Reich-weite auch bei voller Ladung nicht ausreicht Im Verkehrsnachfragemodellierungsprozess bedeutet dies einen Eingriff in die Module VerkehrsentstehungAktivitaumltenwahl Zielwahl undoder Verkehrs-mittelwahl Die Restriktionen der Elektromobilitaumlt und das veraumlnderte Verhalten koumlnnen somit Aus-wirkungen auf die Wahlentscheidungen haben

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Folge fuumlr Verkehrsplanungswerkzeuge Aktivitaumlten- Ziel- und Verkehrsmittelwahl-modelle sind hinsichtlich des Verkehrsverhaltens mit Elektromobilitaumlt anzupassen

Im Alltagsverkehr treten Ereignisse von weiten Fahrten nur selten auf Pkw werden gewoumlhnlich in Deutschland im Mittel an wenigen Tagen uumlber 100 km benutzt (im Jahr 2012 waren es 13 Tage (Streit et al 2014)) Sofern nur ein zufaumllliger Tag im Jahr beruumlcksichtigt wird fahren rund 90 der Fahrzeuge in Deutschland unter 100 km Sofern das ganze Jahr betrachtet wird fahren nur rund 10 der Fahr-zeuge in Deutschland immer unter 100 km Bei der Betrachtung einer Woche sind es 75 bei 8 Wo-chen 30 Das hat zur Folge dass bei Fernfahrten in der Regel ein laumlngerer Betrachtungszeitraum fuumlr Aussagen zu Reich- bzw Fahrtweiten notwendig ist (vgl Abb 5)

Abb 5 Verteilung der maximalen Fahrleistung pro Pkw und Tag fuumlr verschiedene Betrachtungszeitraumlume Quelle Streit et al 2014

Diese Aussage gilt aber nicht nur fuumlr Fernfahrten sondern auch fuumlr Fahrten im Alltagsverkehr da die E-Pkw in der Regel nicht jeden Tag geladen werden und deshalb die Fahrtweiten uumlber mehrere Tage addiert werden muumlssen um die Ladevorgaumlnge Lademengen und Restreichweiten realistisch abzubil-den

Folge fuumlr Verkehrsplanungswerkzeuge Fuumlr die Elektromobilitaumlt sind laumlngere Unter-suchungszeitraumlume notwendig

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Anpassung der Planungswerkzeuge

Eine Umsetzung dieser dargestellten Folgen der Elektromobilitaumlt fuumlr die Verkehrsnachfrageplanung beinhaltet die Anpassungen von Erhebungen und Modellen

Erhebung

Um geeignete Daten als Grundlage fuumlr die Modellierung zu erhalten sind die Erhebungen dahingehend anzupassen dass zuruumlckgelegte Entfernungen mit elektrisch betriebenen Fahrzeugen uumlber einen laumln-geren Zeitraum erhoben werden koumlnnen Laumlngere Zeitraumlume sind hier mindestens eine Woche wegen der Laderhythmen besser noch vier bis acht Wochen3 Optimal ist Wege mit elektrisch betriebenen Pkw zu erheben um so die Ladevorgaumlnge zu ermitteln Wegen der relativ geringen Menge an Elektro-fahrzeugen heutzutage kann die Stichprobengewinnung schwierig sein Hier koumlnnen auch Analogie-schluumlsse mit konventionellen Fahrzeugen helfen indem Fahrtweiten mit den Reichweiten in Beziehung gesetzt werden um Ladevorgaumlnge zu berechnen Voraussetzung dafuumlr ist dass die Fahrtweiten mit konventionellen Fahrzeugen analog den elektrischen Fahrzeugen angenommen werden (Chlond et al) Das Verkehrsaufkommen als Anzahl der durchgefuumlhrten Fahrten zu bestimmten Zwecken mit und ohne Elektromobilitaumlt wird in diesem Fall als gleich vorausgesetzt Hilfreich fuumlr die Modellierung ist zudem wenn zu der Aufzeichnung der Fahrtweiten mit den Fahrzeugen auch Informationen zu den Fahrenden (z B welche Person eines Haushalts faumlhrt) bekannt sind da beispielsweise eine agenten-basierte Modellierung von den Einzelpersonen (Agenten) ausgeht Die Aufzeichnungen der gefahrenen Wegestrecken mit den Fahrzeugen koumlnnen uumlber Fragebogen oder Listen geschehen oder technisch uumlber ein Tracking der Fahrzeuge beispielsweise uumlber GPSApps etc Oft sind hier zusaumltzliche Angaben z B uumlber Wegezwecke Besetzungsgrad etc sinnvoll Vor allem am Anfang stehende Neuerungen auch bei neuen Mobilitaumltsformen haben die Eigenschaft dass Menschen mit spezifischen Charakteristika diese nutzen Dabei ist es fuumlr die Modellierung des Besitzes von Elektrofahrzeugen wichtig diese Charakteristika der Nutzenden zu kennen um den Zu-sammenhang zwischen Mobilitaumltsverhalten und Nutzung von neuen Mobilitaumltsformen gut abbilden zu koumlnnen (Chlond et al 2012) Beispiele fuumlr die Charakteristika sind soziodemografische Eigenschaften (Alter Erwerbsstatus Einkommen) oder auch raumlumliche (Wohnen im Ballungsraum oder im laumlndlichen Bereich) oder mobilitaumltsbezogene Verhaltensweisen (regelmaumlszligiges Pendeln) Diese Charakteristika der Elektromobilitaumltsnutzenden koumlnnen uumlber Befragungen der Fahrzeugnutzenden erhalten werden Dies haumlngt jedoch davon ab wie weit verbreitet die Technik ist und ob ein guter Zugang zu den Elektromo-bilitaumltsnutzenden moumlglich ist Bei der Elektromobilitaumlt befindet man sich derzeit an Grenze hinsichtlich der Besitzquoten (vgl Abb 3) um Menschen mittels Revealed-Preference-Befragungen (RP-Befragun-gen)4 nach dem realisierten Verhalten zu befragen Zu Beginn der technischen Entwicklung oder auch noch im Markthochlauf koumlnnen derartige Daten zudem uumlber Befragungen der beabsichtigten Nutzung oder des Kaufs von Elektromobilitaumlt erhalten werden Dies ist vor allem auch dann sinnvoll wenn In-formationen zum kuumlnftigen Besitz von Elektromobilitaumlt fuumlr Prognosen notwendig sind (Ploumltz et al 2017) Bei konventionellen Fahrzeugen sind diese Informationen meist uumlber Statistiken oder bereits bestehende Erhebungen verfuumlgbar Bei der Elektromobilitaumlt sind dieses Daten nur sehr spaumlrlich vor-handen Im Vergleich zur bisherigen Fahrzeugnutzung mit konventionellen Pkw sind bei der Elektromobilitaumlt die Ladevorgaumlnge und die Rahmenbedingungen des Ladens ein neuer Aspekt Hier handelt es sich um

3 Das MOP (Deutsches Mobilitaumltspanel) fuumlhrt z B die Erhebung zu Fahrleistungen und Tankvorgaumlngen uumlber acht Wochen

durch 4 Revealed-Preference-Befragungen (RP-Befragungen) erheben ein bereits durchgefuumlhrtes Verhalten Es werden z B retro-

spektiv durchgefuumlhrte Wege berichtet

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den Zeitpunkt der Ladung (z B wenn der Akku leer ist wenn sich eine Lademoumlglichkeit bietet waumlhrend der Durchfuumlhrung einer bestimmten Aktivitaumlt oder nur nachts) Die Erhebung dieser Situationen oder der Praumlferenzen zur Ladung der Fahrzeuge kann zum einen durch die Erhebung der Ladevorgaumlnge von Elektrofahrzeugen selbst erfolgen Dies erfordert aber das Vorhandensein von genuumlgend Fallbeispielen in der Praxis analog zum E-Fahrzeug-Besitz Zum anderen koumlnnen diese Informationen mit Stated-Preference-Befragungen (SP-Befragungen)5 erhoben werden In diesen Befragungen werden potenzi-elle Situationen durchgespielt in welchen die Testpersonen entscheiden wann und wie lange sie la-den Fragestellungen waumlren ab welchem SOC Fahrzeuge geladen werden oder bei welchen Situatio-nen (zu Hause am Arbeitsplatz oder beim Einkaufen) Diese Daten ermoumlglichen es in Verbindung mit Eigenschaften der Elektrofahrzeuge und der Nutzenden Ladestrategien abzuleiten und in Modelle zu integrieren (Hilgert et al 2016) Elektromobilitaumlt hat durch Reichweitenrestriktion und Verfuumlgbarkeit der Fahrzeuge fuumlr bestimmte Wege Auswirkungen auf die Ziel- und Verkehrsmittelwahl Grundsaumltzlich koumlnnen die Wahlmodelle so aufgebaut sein dass sie Ziel- und Verkehrsmittel unabhaumlngig voneinander und sukzessiv modellieren Die notwendige Datengrundlage dazu stammt meist aus RP-Befragungen wie beispielsweise Reisezei-ten und die zugespielten Reisezeiten der nicht gewaumlhlten Alternativen Die Alternativen koumlnnen auch aus SP-Befragungen stammen Bei der Elektromobilitaumlt haumlngt die Wahl der Ziele und Verkehrsmittel jedoch enger zusammen als bei konventionellen Verkehrsmitteln da die Reichweiten und SOC der Fahrzeuge sowohl die moumlglichen Weglaumlngen als auch das Infragekommen des Verkehrsmittels E-Fahr-zeug beeinflussen Zum Beispiel koumlnnte eine Person einen Weg zum Einkaufen in einem 40 km ent-fernten Moumlbelhaus mit einer Restreichweite eines E-Fahrzeuges von 30 km nicht mehr mit diesem Fahrzeug zuruumlcklegen Alternativ koumlnnte die Person ein anderes Verkehrsmittel waumlhlen oder zu einem naumlher gelegenen Moumlbelhaus fahren Um diese Zusammenhaumlnge zwischen Reichweite Ladezustand sowie Ziel- und Verkehrsmittelwahl zu erheben bietet sich ein Choice-Experiment in einer SP-Befra-gung an Dabei werden den Testpersonen verschiedene Auswahlmoumlglichkeiten vorgeschlagen aus de-nen sie sich fuumlr eine Alternative entscheiden Durch die vorgeschlagenen Alternativen stehen auch die nicht gewaumlhlten Alternativen zur Verfuumlgung Diese Daten koumlnnen dann zu einer Modellschaumltzung fuumlr die kombinierte Ziel- und Verkehrsmittelwahl verwendet werden (Kagerbauer und Heilig 2013 Heilig et al 2017b)

Modellierung

Die beschriebenen Datengrundlagen aus den an Elektromobilitaumltsanforderungen angepassten Erhe-bungen erlauben es statistische Modelle zu schaumltzen die in die Verkehrsnachfragemodellierung inte-griert werden koumlnnen Die Abbildung von Ladevorgaumlngen und den Ladezustand der E-Fahrzeuge setzt voraus dass die Fahrzeuge einzeln betrachtet und deren Eigenschaften individuell veraumlndert werden koumlnnen Hier bietet sich die Umsetzung der Nachfragemodellierung in einer agentenbasierten Simula-tion an die in diesen Ausfuumlhrungen am Beispiel der am KIT-IfV entwickelten Software mobiTopp dar-gestellt wird In agentenbasierten Modellen werden Personen als Agenten die diese repraumlsentieren abgebildet Die Agenten haben Eigenschaften (zB Alter Geschlecht Erwerbsstatus) und weitere Charakteristika (z B Zeitkarte fuumlr OumlV oder Pkw-Besitz) Zur Abbildung der Elektromobilitaumlt und der Integration von Reich-weiten und Fahrzeugeigenschaften werden die Fahrzeuge ebenfalls als Agenten (Fahrzeug-Agenten) modelliert Die Fahrzeug-Agenten sind Personen bzw Haushalten zugeordnet und haben ebenfalls Ei-genschaften (Antriebsart oder Reichweite) Diese Eigenschaften werden in der Simulation der Wege hinsichtlich der Verfuumlgbarkeit fuumlr bestimmte Einsatzbereiche beruumlcksichtigt und fortgeschrieben Das

5 Stated-Preference-Befragungen (SP-Befragungen) sind Befragungen in hypothetischen Maumlrkten bzw Situationen

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bedeutet wenn mit einem Elektro-Fahrzeug eine bestimmte Strecke zuruumlckgelegt wird reduziert sich dementsprechend die Reichweite Das Verkehrsnachfrageverhalten der Personen-Agenten liegt den Bewegungen der Fahrzeug-Agenten zu Grunde Die Zuordnung der E-Fahrzeuge zu Haushalten erfolgt in mobiTopp mit Hilfe eines Logit-Modells basierend auf Erhebungs- bzw Statistikdaten zum Besitz oder kuumlnftigen Besitzquoten der Fahrzeuge bzw- E-Fahrzeuge Somit koumlnnen auch in Prognosen Wir-kungen kuumlnftiger Durchdringungsquoten mit Elektromobilitaumlt berechnet werden Abb 6 zeigt beispiel-haft das Ergebnis einer Modellierung des E-Fahrzeugbesitzes in der Region Stuttgart fuumlr das Jahr 2030 Zudem unterscheidet mobiTopp verschiedene Fahrzeugtypen derzeit werden meist drei Klassen (klein mittel und groszlig) verwendet die in den Fahrzeugeigenschaften z B hinsichtlich Batteriekapazi-taumlt und Reichweite variieren koumlnnen

Abb 6 Verteilung der E-Fahrzeuge in der Region Stuttgart 2030 Quelle Projekt eVerkehrsraum Stuttgart

Um bei den Fahrzeug-Agenten mit Elektroantrieb die gesamten Ladevorgaumlnge zu modellieren werden neben der Entladung durch Fahrleistung auch die Ladevorgaumlnge der Fahrzeuge integriert Zu diesem Zweck wird die Ladeinfrastruktur (LIS) in Form von Ladeorten mit Ladepunkten abgebildet (Gnann et al 2017) Die Ladepunkte sind die eigentlichen Lademoumlglichkeiten Es koumlnnen mehrere Ladepunkte an einem Ladeort sein Die Ladepunkte haben ebenfalls Eigenschaften wie beispielsweise die Ladeleis-tung Somit ist es moumlglich sowohl Normal-LIS als auch Schnellladeinfrastrukturen (vgl Definition) zu beruumlcksichtigen (Soylu et al 2018a) Die Ladepunkte werden entweder nach aktuellen Gegebenheiten oder kuumlnftigen Ausbauszenarien im Raum angeordnet und in das Modell integriert Sofern sich ein E-Fahrzeug-Agent in der Simulation in der Naumlhe eines Ladeortes befindet dieser nicht durch andere E-Fahrzeug-Agenten belegt ist und die Ladestrategie des E-Fahrzeugs einen Ladevorgang ermoumlglichtbe-noumltigt kann das E-Fahrzeug geladen werden Dabei wird die Ladeleistung der LIS der aktuelle SOC des Fahrzeugs und die Akkukapazitaumlt sowie die Standzeit der E-Fahrzeuge beruumlcksichtigt Durch die minu-tenfeinen Simulationsschritte in mobiTopp koumlnnen alle Ladevorgaumlnge und Ladestaumlnde der Fahrzeuge aber auch der Energiebedarf der LIS ermittelt werden

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Da die meisten taumlglichen Fahrtweiten mit konventionellen Fahrzeugen aber auch mit E-Fahrzeugen unter der Reichweite der E-Fahrzeuge liegen (vgl Abb 5) ist es analog zur Erhebung sinnvoll bzw notwendig in der Modellierung einen laumlngeren Zeitraum zu betrachten um Ladevorgaumlnge und Lade-bedarf auf mikroskopischer Basis abzubilden Nur so ist es moumlglich reale Fahrtweiten und Fahrleistun-gen mit der LIS in Bezug zu setzen da oft wegen geringer Fahrleistung uumlber mehrere Tage nicht gela-den werden muss und Ladestrategien erst uumlber einen laumlngeren Zeitraum abgebildet werden koumlnnen Da mit zunehmendem Simulationszeitraum auch die Anforderungen an Hardware Speicherplatz und Berechnungsdauer steigen ist hier ein sinnvoller Zeitraum zu waumlhlen der lang genug ist um Ladevor-gaumlnge zu erfassen und kurz genug ist um nicht zu hohe Anforderungen an die Simulationsrahmenbe-dingungen zu erzeugen Es hat sich gezeigt dass der Simulationszeitraum von einer Woche ausreicht um beiden Forderungen gerecht zu werden Fast alle E-Fahrzeuge in einer Simulation innerhalb einer Woche laden mindestens einmal und die Rechenzeiten und Speicherbedarfe sind akzeptabel Abb 7 zeigt als Beispiel den aktuellen Ladebedarf auf Grund von Ladevorgaumlngen der E-Fahrzeuge zu einem bestimmten Zeitpunkt (Montag um 828 Uhr) in der Region Stuttgart auf Verkehrszellenbasis Je groumlszliger die blauen Kreise desto houmlher ist der Energiebedarf in der Zelle

Abb 7 Lademenge je Ladeort in der Region Stuttgart Quelle Projekt eVerkehrsraum Stuttgart (Kagerbauer und Heilig 2013)

Grundlage zur Abbildung der Ladevorgaumlnge sind die modellierten Wege der Personen-Agenten E-Fahr-zeuge dienen wie andere Verkehrsmittel dazu Personen-Agenten von einer Quelle zu einem Zielort fuumlr eine Aktivitaumlt fortzubewegen (Wegezweck) Auf Basis von Aktivitaumltsbeduumlrfnissen der Personen-Agenten und der Attraktivitaumlt zur Befriedigung dieser Beduumlrfnisse am Zielort werden die Relation des Weges (von wo nach wo) und die verwendeten Verkehrsmittel bestimmt Insbesondere wenn die Reichweitenrestriktionen am Beginn der technischen Entwicklung noch groszlig sind ist in der Elektromo-bilitaumlt die Beruumlcksichtigung der Reichweiten von E-Fahrzeugen notwendig Daher ist es sinnvoll eine

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Ziel- und Verkehrsmittelwahl kombiniert durchzufuumlhren da Reichweitenrestriktionen bei einem Ver-kehrsmittel die Ziele beeinflussen koumlnnen oder Ziele die Wahl von Verkehrsmitteln (beispielsweise wird im Choice-Set der Verkehrsmittel kein E-Fahrzeug mehr ausgewaumlhlt wenn mit der aktuellen Rest-reichweite das Ziel nicht mehr erreicht werden kann) Abb 8 zeigt den Ablauf einer Schaumltzung eines kombinierten Ziel- und Verkehrsmittelwahlmodells auf Basis einer SP- und RP-Befragung (Ortuacutezar und Willumsen 2011) die im Projekt eVerkehrsraum Stuttgart durchgefuumlhrt wurde (Kagerbauer und Heilig 2013) Mit einem Nested-Logit-Modell wird eine kombinierte Ziel- und Verkehrsmittelwahl je Zielzelle und Verkehrsmittel erstellt Zuerst werden in Ebene 1 die Parameter der Nutzenfunktion der Verkehrs-mittel geschaumltzt Zur kombinierten Schaumltzung dient ein Nested-Logit-Modell in der Ebene Z Dabei sind die Verkehrsmittel jeweils ein eigenes Nest Datengrundlage kann dabei die RP- oder SP-Befragung sein Danach werden die Parameter fuumlr die Zielwahl geschaumltzt indem im Nested-Logit-Modell die Log-Summe der Nutzen aus Ebene 1 bei der Schaumltzung der Parameter der Ebene 2 beruumlcksichtigt wird In der Nutzenfunktion der Zielwahl sind die Anzahl der Gelegenheiten die Anzahl der Ladestationen die Zeit und die Entfernung der jeweiligen Zielzelle enthalten um diese in die Modelle integrieren und abbilden zu koumlnnen Im Modell (unterer Teil der Grafik) wird dann die so ermittelte Nutzenfunktion mit den geschaumltzten Parametern angewendet Somit koumlnnen bei nicht ausreichenden Restreichweiten nur relevante Entscheidungsmoumlglichkeiten beruumlcksichtigt werden so dass nur erreichbare Ziele und nutzbare Verkehrsmittel in den Wahlentscheidungen enthalten sind Es ist moumlglich bei Restreichwei-tenrestriktionen die Wahl von naumlheren Zielen oder anderen Verkehrsmitteln in einem Modellschritt zu beruumlcksichtigen

Abb 8 Beispiel fuumlr ein kombiniertes Ziel- und Verkehrsmittelwahlmodell Quelle Projekt eVerkehrsraum Stuttgart (Kager-bauer und Heilig 2013)

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Mit diesem Vorgehen koumlnnen sowohl moumlgliche Veraumlnderungen durch Elektromobilitaumlt im Verkehrs-verhalten abgebildet (Heilig et al 2017a) als auch die vorhandene oder benoumltigte Ladeinfrastruktur bewertet werden (Heilig et al 2018)

Schlussfolgerung Die Integration von Elektromobilitaumlt in die Verkehrsplanung und im Speziellen in Verkehrserhebungen und Verkehrsnachfragemodellierung kann mit einigen Anpassungen und der Verwendung von Model-len die auf Agentenebene fuumlr Personen und Fahrzeuge arbeiten gut durchgefuumlhrt werden Besonde-res Augenmerk ist auf die Abbildung der Charakteristika der Nutzenden oder Besitzenden von elektrisch betriebenen Fahrzeugen die Eigenschaften der Elektrofahrzeuge vor allem hinsichtlich Reichweite und die zusaumltzliche Beruumlcksichtigung der Ladevorgaumlnge bzw Ladeinfrastruktur zu legen Die Wechselwirkungen zwischen Ziel- und Verkehrsmittelwahl sowie Reichweiten der Fahrzeuge koumln-nen in der Verkehrsnachfragemodellierung mit kombinierten Ziel- und Verkehrsmittelwahlmodellen abgebildet werden Zur sinnvollen Abbildung der Ladevorgaumlnge sollten laumlngere Erhebungs- und Mo-dellierungszeitraumlume angesetzt werden um Variationen im Verkehrsverhalten und Ladestrategien er-fassen zu koumlnnen Diese sollten mindestens eine Woche betragen ndash besser noch laumlnger Im Vergleich zu Tankvorgaumlngen mit konventionellen Fahrzeugen die aufgrund der kurzen Dauer oft nicht oder nur mit einer kurzen Einkaufsaktivitaumlt zum Zwecke des Tankens abgebildet werden setzt das Laden voraus dass die Ladevorgaumlnge waumlhrend einer Aktivitaumlt der Personen durchgefuumlhrt werden und sonst keinen weiteren Einschraumlnkungen unterliegt so dass diese Ladevorgaumlnge nicht explizit in den Aktivitaumltenplaumlnen der Agenten hinterlegt werden muumlssen Allerdings ist es notwendig die Verfuumlg-barkeiten der Ladeinfrastrukturen mit zu betrachten Zu uumlberlegen waumlre ob bei Schnellladevorgaumlngen die je nach Ladebedarf in der Groumlszligenordnung von 5 bis ca 20 Minuten liegen eine zusaumltzliche Aktivitaumlt bdquoLadenldquo in die Aktivitaumltenplaumlne der Personen-Agenten zu integrieren ist Theoretisch ist das moumlglich allerdings ist dies vor dem Hintergrund des Aufwands der Integration und des Nutzens zu entscheiden Da diese Schnellladevorgaumlnge meist fuumlr Langstreckenfahrten noumltig waumlren kann angenommen werden dass der Ladeprozess einer kurzen Pause innerhalb einer Langstrecke entspricht und die Wirkungen auf das Verkehrsverhalten vernachlaumlssigbar sind Fuumlr eine detaillierte und (minuten-)genaue Abbildung des Energiebedarfs aufgrund von Elektromobili-taumlt ist es in der Regel notwendig genaue Modelle zu haben um Prognosen erstellen zu koumlnnen Zur Bewertung und Abschaumltzung der LIS auf einer abstrakteren Ebene ist es auch moumlglich nicht detailliert die Verkehrsnachfrage zu modellieren sondern Abschaumltzungen anhand von Mittelwerten und Vertei-lung der Fahrzeugnutzung und Quelle-Ziel-Relationen sowie der Struktur des Planungsraums durchzu-fuumlhren Moumlgliche Ansaumltze sind der Literatur zu entnehmen (Soylu et al 2018a Ploumltz et al 2016 Soylu et al 2018b)

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Ansaumltze fuumlr die Mobilitaumlts- und Energiewende im staumldtischen Guumlterver-kehr

Bert Leerkamp (1)

DOI 10347261028

(1) Prof Dr-Ing Leiter des Lehr- und Forschungsgebietes Guumlterverkehrsplanung und Transportlogistik Bergische Universitaumlt Wuppertal Fakultaumlt fuumlr Architektur und Bauingenieurwesen

Abstract

Derzeit verfolgte Buumlndelungsstrategien im staumldtischen Wirtschaftsverkehr schoumlpfen das Potenzial ei-ner gebietsbezogenen Fahrleistungseinsparung und der damit verbundenen Reduktion negativer Um-weltwirkungen nicht aus Die aktive Mitwirkung des Handels und der privaten Endverbraucher kann eine weitgehende gebietsbezogene Buumlndelung von KEP- und Stuumlckgutsendungen bewirken Das ko-operative Logistikkonzept ABC Incharge in Duumlsseldorf zeigt beispielhaft dass ein solcher Ansatz unter den derzeitigen Rahmenbedingungen wirtschaftlich tragfaumlhig sein kann Den Kommunen stehen dem-gegenuumlber nur wenige Instrumente zur Verfuumlgung um Buumlndelungskonzepte zu initiieren Von starken Markteingriffen durch die Vergabe von Gebietskonzessionen in Anlehnung an die Abfallwirtschaft wird dennoch abgeraten Die Beschleunigung der Energiewende im staumldtischen Guumlterverkehr wird damit umso dringlicher Die Kommunen sollten Niedrig- und Nullemissionszonen planen und mit angemes-sener Vorlaufzeit umsetzen um die Flottenerneuerung im Nutzfahrzeugsektor zu forcieren Ein ausrei-chendes Logistikflaumlchenangebot in den Kernstaumldten ist ein Beitrag um gebietsbezogene Buumlndelung wirtschaftlich zu ermoumlglichen und steigenden Reichweitenanforderungen der Lieferfahrzeuge zu be-gegnen Komplementaumlr dazu muss das kommunale Mittelspannungsstromnetz schnell ausgebaut werden Current Sustainable Urban Logistic Plans (SULP) focus on reorganising last mile delivery by using micro depots and cargo bikes Consolidation ist a key for successful concepts both in economic and ecologic terms Local planning authorities often focus on area-based consolidation for the inner city and densely populated urban areas while logistic service providers (LSP) focus on optimising delivery in their indi-vidual catchment area While only few governmental instruments are available to force area-based consolidation strategies cooperation between LSP and local commerce is an option to generate sub-stantial effects on reduction of distance driven emissions and retention time of light and heavy trucks in the inner city An ongoing project in Duumlsseldorf shows how the segments general cargo and parcel (CEP) can be consolidated Zero Emission Zones and comparable measures can support cooperation between the economic agents

Schluumlsselbegriffe

Letzte Meile gebietsbezogene Buumlndelung Stadtlogistik KEP Stuumlckgut Leerkamp B (2021) Ansaumltze fuumlr die Mobilitaumlts- und Energiewende im staumldtischen Guumlterverkehr In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S99-109

Leerkamp (2021) Ansaumltze fuumlr die Mobilitaumlts- und Energiewende im staumldtischen Guumlterverkehr DOI 10347261028

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Inhalt Ausgangslage 101

Herausforderungen fuumlr eine gebietsbezogene Buumlndelung 101

Ansaumltze einer gebietsbezogenen Buumlndelung im Bereich der Einzelhandels- und Endkundenversorgung 103

Beispiele fuumlr sektorale gebietsbezogene Buumlndelung (KEP-Logistik) 103

Beispiel fuumlr sektorale kooperative gebietsbezogene Buumlndelung (Stuumlckgutlogistik) 103

Beispiel fuumlr kooperative gebietsbezogene Buumlndelung (Integration von KEP- und Stuumlckgut) 104

Gebietsspediteur Ansatz fuumlr eine regulatorische Gestaltung 105

Initiierung gebietsbezogener Buumlndelungskonzepte durch die Kommunen 105

Steuerung der Energiewende im staumldtischen Lieferverkehr 107

Sicherung von Logistikflaumlchen in der Stadt als Voraussetzung fuumlr Buumlndelung 108

Literatur 109

Leerkamp (2021) Ansaumltze fuumlr die Mobilitaumlts- und Energiewende im staumldtischen Guumlterverkehr DOI 10347261028

101

Ausgangslage

Der Guumlterverkehr in der Stadt findet nach zahlreichen gescheiterten Versuchen einer zielorientierten Beeinflussung durch die Raum- und Verkehrsplanung in den 1990er bis 2000er Jahren wieder starke Beachtung Zahlreiche aktuelle Forschungs- und Demonstrationsvorhaben in den D-A-CH-Laumlndern1 be-fassen sich insbesondere mit dem Straszligenguumlterverkehr auf der bdquoletzten Meileldquo Die stark zunehmen-den Kurier- Express- und Paketdienste (KEP) stehen dabei oft im Fokus Die Zunahme des Online-Han-dels waumlhrend der andauernden Corona-Pandemie hat sowohl das Paketaufkommen als auch die oumlf-fentliche Wahrnehmung und den damit verbundenen Lieferverkehr nochmals erhoumlht (vgl BIEK 2020 Handelsverband Oumlsterreich 2020 LeimstollWoumllfe 2020) Herausforderungen einer zielorientierten Gestaltung des staumldtischen Guumlterverkehrs sind aus kommu-naler Sicht Laumlrm- und Luftschadstoffemissionen Verkehrssicherheitsdefizite und Nutzungskonflikte im oumlffentlichen Straszligenraum Aus unternehmerischer Sicht stehen die Kosten und die Servicequalitaumlt der Logistikdienstleistungen im Vordergrund Der vorliegende Beitrag greift die gebietsbezogene Buumlnde-lung als zentralen Optimierungsansatz auf und diskutiert moumlgliche Loumlsungen Anschlieszligend wird kurz auf die Foumlrderung der Energiewende im staumldtischen Guumlterverkehr eingegangen

Herausforderungen fuumlr eine gebietsbezogene Buumlndelung

Kommunale Verkehrsentwicklungsplaumlne Wirtschaftsverkehrskonzepte Green City Plans Luftreinhal-teplaumlne und aumlhnliche Planwerke2 zielen darauf ab die Emissionen des Ver- und Entsorgungsverkehrs in der Stadt zu reduzieren bestehende Konflikte zwischen den Anspruumlchen an die Nutzung des oumlffent-lichen Raumes zu loumlsen und technische Innovationen fuumlr eine Verbesserung der Stadtvertraumlglichkeit Sicherheit und Effizienz der logistischen Prozesse zu nutzen Die Handlungskonzepte konzentrieren sich teilweise auf die Umstellung auf lokal emissionsfreie Antriebe im staumldtischen Lieferverkehr (Bei-trag zur sogenannten bdquoEnergiewende im Verkehrldquo3) Teilweise soll daruumlber hinausgehend eine bdquoMobi-litaumltswendeldquo erreicht werden welche durch die Einsparung von Fahrleistungen und Praumlsenzzeiten des motorisierten Lieferverkehrs in der (inneren) Stadt gekennzeichnet ist4 Dann stehen gebietsbezogene Buumlndelungsstrategien im Zentrum der Handlungsansaumltze Sie erfordern die Veraumlnderung logistischer Prozesse und damit ein aktives Mitwirken der Wirtschaftsakteure Die Herausforderung besteht darin mit den Instrumenten die im originaumlren Zustaumlndigkeitsbereich der Kommunen liegen das bdquoSystem Stadtlogistikldquo so anzuregen dass die Wirtschaftsakteure Loumlsungen finden und umsetzen welche Fahr-leistungen von Nutzfahrzeugen gebietsbezogen reduzieren und so zur Bewaumlltigung straszligenraumlumlicher Konflikte und umweltbezogener Unvertraumlglichkeiten beitragen In der Regel 0+ werden die bdquoInnen-stadtldquo oder bdquoKernstadtldquo mit ihrem Einzelhandelszentrum und den umliegenden gemischt genutzten Buumlro- und Wohngebieten sowie zum Teil die Stadtteilzentren als Planungsraumlume fuumlr die Stadtlogistik deklariert Aus kommunaler Sicht ist dies begruumlndet weil hohe Nutzungsdichten oft enge Straszligen-raumlume ein hoher Parkdruck und hohe Gestaltungsanspruumlche an den oumlffentlichen Raum Konflikte aus-loumlsen sodass Nutzungsbeschraumlnkungen grundsaumltzlich mit den Regelungen des Verkehrs- und Umwelt-rechts gerechtfertigt werden koumlnnen Dazu zaumlhlen u a zeitliche Beschraumlnkungen der Zufahrt zu Ge-

1 D-A-CH-Laumlnder Deutschland Oumlsterreich und Schweiz 2 Fuumlr eine aktuelle Zusammenstellung und Beispiele siehe Aichinger et al 2020 3 Ein aktuelles Beispiel ist das Elektromobilitaumltskonzept fuumlr die Stadt Wuppertal (Kirsch et al 2019) 4 Aktuelle Beispiele sind das bdquoGuumlterverkehrskonzept fuumlr den Kanton Basel-Stadtldquo (Holthaus et al 2016) sowie das zzt noch

in Bearbeitung befindliche bdquoGuumlterkehrs- und Logistikkonzept fuumlr die Stadt Zuumlrichldquo (Leerkamp et al 2020)

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schaumlften in Fuszliggaumlngerzonen (Lieferzeitfenster) Beschraumlnkungen des zulaumlssigen Gesamtgewichtes o-der Emissionsbeschraumlnkungen5 Folgerichtig zielen Stadtlogistikkonzepte auf eine gebietsbezogene Buumlndelung von Guumlterstroumlmen zwecks Reduzierung von Fahrzeugstroumlmen ab Die Tourenplanung der Logistikdienstleister ist demgegenuumlber auf den durch die Depotstandorte defi-nierten Distributionsraum und hier auf eine Optimierung der Fahrzeugeinsatzzeiten und der Fahrleis-tungen unter Einhaltung vielfaumlltiger Restriktionen und logistischer Serviceanforderungen bei geringst-moumlglichen Kosten ausgerichtet Zu den Restriktionen gehoumlren u a Lieferzeitfenster in Fuszliggaumlngerbe-reichen die es erfordern mit mehreren Fahrzeugen gleichzeitig in das Zustellgebiet hineinzufahren um alle Ziele innerhalb des vorgegebenen Zeitfensters zu erreichen Anschlieszligend wird die Ausliefe-rung in nicht zufahrtbeschraumlnkten Bereichen fortgesetzt Im Ergebnis ist die Tourenplanung zwar res-sourceneffizient aber nutzt die auf die Innenstadt bezogenen Buumlndelungspotenziale nicht aus und er-zeugt dort bdquounnoumltigen Verkehrldquo Terminsendungen mit festem Zustellzeitpunkt Stoumlrungen des Ver-kehrsablaufes auf dem Weg in das Zustellgebiet Innenstadt fehlende Abstellmoumlglichkeiten fuumlr die Lie-ferfahrzeuge im Straszligenraum und ein hoher Anteil persoumlnlicher Zustellungen (verbunden mit Fehlver-suchen und Mehrfachanfahrten) reduzieren die Effizienz des Fahrzeug- und Personaleinsatzes Sie sind komplementaumlre Ausgangspunkte fuumlr umfassende Loumlsungsansaumltze ersetzen aber nicht die Strategie der gebietsbezogenen Buumlndelung Als kontraproduktiv erweist sich in diesem Zusammenhang die Veraumlnderung der logistischen Standort-strukturen fuumlr die Versorgung der Staumldte Unter dem Begriff bdquoLogistics Sprawlldquo (siehe FaumlmigHesse 2011) werden Tendenzen zur Verlagerung von Logistikknoten aus der inneren Stadt in den aumluszligeren Bereich der Verdichtungsraumlume subsummiert Tedesco (Tedesco 2020) analysiert fuumlr den Groszligraum Zuumlrich dass insbesondere Lagerstandorte zwischen 1995 und 2012 dieser Verlagerungstendenz unter-lagen Aktuell kann in einigen Groszligstaumldten beobachtet werden dass Wohnbauflaumlchen fehlen um den Zuzug in die Staumldte aufzufangen Hinzu kommt die Flaumlchenkonkurrenz durch das Buumlrogewerbe sodass es zu einer neuen Herausforderung der Stadtentwicklung wird die fuumlr die Versorgung der Stadt benouml-tigten Umschlag- und Lagerflaumlchen in der bdquoinnerenldquo Stadt planungsrechtlich zu sichern und eine zweck-entsprechende Nutzung zu gewaumlhrleisten Das ist eine wesentliche Voraussetzung fuumlr die Buumlndelung von Guumlterstroumlmen zur Auslieferung auf der bdquoletzten Meileldquo und damit verbundene Kooperationen zwi-schen den an der Lieferkette beteiligten Logistikern Wird diese letzte Meile laumlnger

bull so sinkt der wirtschaftliche Nutzen des zusaumltzlichen Umschlags weil Kooperation dann sinnvoll ist wenn spezialisierte Dienstleister im Auslieferungsverkehr mittels besonders geeigneter Fahrzeuge und Fachpersonal mit guter Ortskenntnis effizienter arbeiten koumln-nen und

bull diese Fahrzeuge bei laumlnger werdenden Fahrtstrecken zwischen Umschlagpunkt und City nicht allein fuumlr den Zustellprozess optimiert werden koumlnnen (dies gilt insbesondere fuumlr den Lastenradeinsatz)

Der Einzelhandel in den Innenstaumldten muss zudem im Wettbewerb mit dem Online-Handel neuen Ser-viceanforderungen seiner Kunden gerecht werden Dazu gehoumlrt insbesondere eine sehr hohe Verfuumlg-barkeit eines sehr breiten Warenangebotes und eine sehr kurzfristige Bereitstellung der nachgefragten Waren im Ladengeschaumlft oder beim Kunden zuhause Im Wareneingang des Einzelhandels nehmen daher die Anzahl der Sendungen und der unterschiedlichen Zusteller zu waumlhrend die Sendungsgroumlszligen 5 In Deutschland ist dies die sog bdquoUmweltzoneldquo die die zulaumlssigen Schadstoffemissionen von Fahrzeugen in abgrenzbaren

Gebieten regelt und derzeit vier Schadstoffklassen unterscheidet (bdquokeineldquo rot gelb gruumln) Eine Verschaumlrfung der Emissi-onsgrenzen wird in Deutschland diskutiert (bdquoblaue Plaketteldquo) um die kuumlnftige Wirksamkeit von Umweltzonen angesichts fortschreitender Antriebstechnik zu gewaumlhrleisten

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sinken Durch Lieferzeitfenster beschraumlnkte Warenannahmezeiten werden als Wettbewerbsnachteil betrachtet waumlhrend gleichzeitig die Zustellung vor der Ladenoumlffnung meist abgelehnt wird In der Folge steigen die Zustellfrequenz und der Logistikaufwand beim Einzelhandel (Annahme Kontrolle Auspacken Regalpflege Ruumlckfuumlhrung von Verpackung) also Aufgaben die parallel zur Kundenbera-tung bewaumlltigt werden muumlssen Gebietsbezogene bzw auf ein Ladengeschaumlft bezogene Buumlndelungs-ansaumltze erfordern daher eine Mitwirkung des Handels dessen zentrale Moumlglichkeit zur Einflussnahme die Bestimmung des Lieferziels ist

Ansaumltze einer gebietsbezogenen Buumlndelung im Bereich der Einzelhandels- und Endkundenversorgung

Die aktuell diskutierten und teilweise erprobten gebietsbezogenen Buumlndelungsansaumltze koumlnnen durch zwei Merkmale unterschieden werden

bull Beteiligte Logistiksektoren Wird im Konsumgutbereich nur die Stuumlckgutlogistik oder nur die Paket-Logistik betrachtet oder werden beide Logistiksektoren in der Buumlndelungsstra-tegie zusammengefuumlhrt

bull Kooperation Findet die gebietsbezogene Buumlndelung unternehmensintern statt oder gibt es eine Kooperation von Unternehmen

Beispiele fuumlr sektorale gebietsbezogene Buumlndelung (KEP-Logistik)

Gebietsbezogene Buumlndelungskonzepte im Sektor bdquoKEP-Logistikldquo werden derzeit nur als unternehmens-interne Loumlsungen umgesetzt Ein weithin bekanntes Beispiel ist der Einsatz von mobilen Umschlag-punkten in Form von Wechselbruumlcken am Rande eines Innenstadtgebietes in Hamburg durch die Firma UPS (vgl Beecken 2017) Aus dem am fruumlhen Morgen abgestellten Wechselbehaumllter der fuumlr die In-nenstadt vorkommissionierte Sendungen beinhaltet werden die Pakete im Tagesverlauf zu Fuszlig oder mit dem Lastenrad zugestellt Das Berliner Stadtlogistik-Projekt Komodo6 ist ebenfalls den sektoralen Loumlsungsansaumltzen ohne Kooperation zuzuordnen da die beteiligten KEP-Dienstleister auf einer von der Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft mbH (BEHALA) bereitgestellten Umschlagflaumlche nebenei-nander agieren jedoch weder in der Nutzung ihrer Umschlagflaumlchen noch in der Zustellung kooperie-ren Mit dem Lastenradeinsatz und der Zustellung zu Fuszlig wird eine ganztaumlgige Zustellung in Fuszliggaumlngerbe-reichen moumlglich Lastenraumlder erhalten gegebenenfalls Ausnahmegenehmigungen fuumlr die ansonsten auch fuumlr den Radverkehr gesperrten Bereiche Im Hinblick auf die Logistikkosten stehen dem zusaumltzli-chen Umschlag und der Beschaffung von Lastenraumldern Einsparungen im Betrieb von motorisierten Zu-stellfahrzeugen sowie die Moumlglichkeit des Einsatzes von Zustellpersonal ohne Berufskraftfahrerquali-fikation gegenuumlber

Beispiel fuumlr sektorale kooperative gebietsbezogene Buumlndelung (Stuumlckgutlogistik)

Kooperative Buumlndelungsstrategien im Logistiksektor bdquoStuumlckgutlogistikldquo wurden u a in Basel beobach-tet (Holthaus et al 2016) Durch die teilweise schwierige Erreichbarkeit baulich enger Altstadtquar-tiere und das resultierende Erfordernis sehr guter Ortskenntnis spezialisierter Fahrzeuge und geeig-neter Speditionsstandorte haben sich dort vier Logistiker herausgebildet welche die Innenstadt taumlglich mit Stuumlckguumltern versorgen Sie uumlbernehmen auf der bdquoletzten Meileldquo die Transportauftraumlge von Logis-tikern die nicht regelmaumlszligig Ziele in der Innenstadt ansteuern

6 Komodo bdquoKooperative Nutzung von Mikro-Depots durch die Kurier- Express- Paket-Branche fuumlr den nachhaltigen Einsatz

von Lastenraumldern in Berlinldquo (wwwkomodoberlin)

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Beispiel fuumlr kooperative gebietsbezogene Buumlndelung (Integration von KEP- und Stuumlckgut)

Eine rein unternehmerisch initiierte gebietsbezogene Buumlndelung die Stuumlckgut und KEP-Sendungen integriert wird aktuell in Duumlsseldorf betrieben Dort kooperieren rund 150 Einzelhandelsbetriebe und Buumlrostandorte in der Kernstadt (bdquoEmpfaumlngerldquo) mit dem Logistiker ABC-Logistik in dem Projekt ABC Incharge Die Empfaumlnger geben als Lieferadresse das Umschlaglager von ABC im nahe gelegenen Rheinhafen an Dort werden die von Stuumlckgut- und KEP-Logistikern angelieferten Sendungen fuumlr die teilnehmenden Einzelhandelsbetriebe und Buumlrostandorte neu kommissioniert Im Ergebnis wird jeder Empfaumlnger durch ein Fahrzeug von ABC Incharge gebuumlndelt angefahren anstatt durch mehrere unter-schiedliche Anlieferer (vgl Abb 1) Seit 2019 wird im Rahmen eines durch Mittel des Nationalen Rad-verkehrsplans (Foumlrdergeber deutsches Bundesministerium fuumlr Verkehr und digitale Infrastruktur BMVI) gefoumlrderten Vorhabens der Einsatz von Lastenraumldern getestet7 Neben der Reduzierung des Auf-wandes fuumlr die Warenannahme Eingangskontrolle etc koumlnnen die teilnehmenden Empfaumlnger zusaumltz-liche logistische Dienstleistungen im Bereich Warehousing in Anspruch nehmen und ihren Online-Han-del uumlber das ABC Incharge Lager abwickeln Sie tragen im Gegenzug die Kosten der gebuumlndelten Zu-stellung zu ihrem Ladengeschaumlft und gegebenenfalls fuumlr weitere logistische Dienstleistungen Online beim stationaumlren Haumlndler oder im Laden gekaufte Produkte werden am ABC Incharge Lager fuumlr den Kundenversand vorbereitet und zugestellt sodass der Transport in das Ladengeschaumlft und die Zustel-lung ab Ladengeschaumlft zum Kunden entfaumlllt Dadurch werden zusaumltzliche Fahrten in die bzw aus der Innenstadt eingespart und die Sendungen erreichen die Kunden schneller Neben der Buumlndelung von Sendungen an den Handel bedient das Incharge-Konzept mit demselben Prinzip auch die Paketzustel-lung zu privaten Endkunden die sich ihre Sendungen an ihren Arbeitsplatz schicken lassen moumlchten Kooperationspartner des Logistikers ist in diesem Falle der Arbeitgeber der seinen Beschaumlftigten die Zustellung privater Sendungen an die Arbeitsstelle ermoumlglicht

Abb 1 Prinzip-skizze der ge-bietsbezogenen Buumlndelung durch Kooperation zwi-schen Empfaumlnger und Logistiker Quelle Eigene Darstellung

7 Projekt LOOP bdquoLogistische Optimierung der Einzelhandelsbelieferungldquo Kooperationsvorhaben der Fa ABC Logistik und der

Bergischen Universitaumlt Wuppertal (laufend)

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Gebietsspediteur Ansatz fuumlr eine regulatorische Gestaltung

Das vielfach diskutierte aber nach Kenntnis des Autors bislang in der Stadtlogistik nicht erfolgreich umgesetzte Konzessionsmodell lehnt sich an die Regulierung der kommunalen Entsorgungswirtschaft an Ein oder mehrere Konzessionsnehmer erhalten das ausschlieszligliche Recht eine bestimmte logisti-sche Dienstleistung (hier Entsorgung von Hausabfaumlllen) in einem Gebiet zu erbringen Der Konzessi-onsgeber (Stadt) regelt stellvertretend fuumlr die Nutznieszliger (Haushalte) mit dem Leistungserbringer (Ab-fallwirtschaftsbetrieb) die zu erbringende Leistung (u a Haumlufigkeit der Leerung der Muumllltonnen) und den Preis Grundlage der Konzessionsvergabe kann eine Ausschreibung der Leistungen sein Die Uumlbertragung dieses Modells auf die Versorgung des Handels und der privaten Endverbraucher er-scheint auf den ersten Blick erfolgversprechend da aus dem Logistikmarkt heraus derzeit kaum wirk-same gebietsbezogene Buumlndelungskonzepte fuumlr Innenstaumldte entstehen Rechtlich erscheint das Mo-dell moumlglich wenngleich es einen erheblichen Eingriff in den Logistikmarkt darstellt Die Geschaumlftsmo-delle neuer technologischer Konzepte fuumlr die Versorgung der Staumldte mittels unterirdischer Foumlrdersys-teme8 implizieren offenbar ein derartiges ausschlieszligliches Recht der Versorgung von Innenstaumldten Die Erstellungs- Betriebs- und Unterhaltungskosten einer vollstaumlndig neu zu errichtenden unterirdischen Verteilinfrastruktur koumlnnten im Wettbewerb mit Logistiksystemen die auf eine weitgehend kosten-freie oberirdische Verkehrsinfrastruktur in den Staumldten zugreifen koumlnnen vermutlich nur schwer er-wirtschaftet werden Problematisch ist u a die mit dem Konzessionsmodell einhergehende vertragliche Festlegung der lo-gistischen Dienstleistung und die Kontrolle der Leistungserbringung durch den Konzessionsgeber Stadt Individuelle Loumlsungen die sich im Markt etabliert und bewaumlhrt haben wuumlrden durch generali-sierte Leistungen abgeloumlst und die Stadtverwaltung muumlsste die Aufgabe der Leistungskontrolle und gegebenenfalls Sanktionierung ausuumlben Dafuumlr fehlt den Kommunen zurzeit jede fachliche Grundlage Technische und organisatorische Innovationen die derzeit im Wettbewerb entwickelt und erprobt werden wuumlrden vermutlich in einem Konzessionsmodell unterbleiben

Initiierung gebietsbezogener Buumlndelungskonzepte durch die Kommunen Die Kommunen haben wie oben bereits erwaumlhnt nur ein sehr eingeschraumlnktes Repertoire regulatori-scher und infrastruktureller Instrumente um eine gebietsbezogene Buumlndelung von Warenstroumlmen an-zuregen Der direkte Eingriff in den Markt mittels Konzessionsvergabe erscheint zwar vordergruumlndig reizvoll ist jedoch nicht zu empfehlen Die Bereitstellung von kleinen Umschlag- und Lagerflaumlchen (Mikro-Depots) in hochverdichteten Innen-stadtlagen seitens der Stadt ist ein wichtiger Impuls fuumlr eine gebietsbezogene Buumlndelung in der KEP-Logistik Folgerichtig sind Investitionskosten fuumlr kooperativ genutzte Mikro-Depots Gegenstand oumlffent-licher Foumlrderprogramme geworden9 Um die weithin bestehende Flaumlchenknappheit in geeigneten La-gen10 zu uumlberwinden wird von Aichinger et al (2020) vorgeschlagen kleine Logistikflaumlchen fuumlr die In-nenstadtversorgung bauplanungsrechtlich als bdquoGemeinbedarfsflaumlche fuumlr Logistikldquo auszuweisen und dadurch dem Wettbewerb mit anderen Nutzungen zu entziehen Es fehlen aber noch Konzepte und Erfahrungen wie derartige Umschlagpunkte diskriminierungsfrei nutzbar gemacht werden koumlnnen Hier kommen Betreibermodelle mit wettbewerblicher Vergabe in Betracht

8 Z B Cargo sous terrain (Schweiz) oder Cargo Cab (Deutschland) 9 Vgl Foumlrderrichtlinie Staumldtische Logistik des deutschen BMVI vom 05072019 10 Siehe Nitsch L (2020) Flaumlchenanforderungen alternativer Zustellkonzepte fuumlr Pakete in Wohn- und Mischgebieten Ba-

chelor-Thesis am Lehrstuhl fuumlr Guumlterverkehrsplanung und Transportlogistik der Bergischen Universitaumlt Wuppertal Wupper-tal

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Das Buumlndelungspotenzial in der innerstaumldtischen Paketlogistik kann mit derartigen Infrastrukturanrei-zen jedoch nicht vollstaumlndig ausgeschoumlpft werden weil horizontale Kooperationen von der KEP-Lo-gistikbranche regelmaumlszligig abgelehnt werden Mehr als ein bdquoNebeneinanderldquo gleichartiger logistischer Prozesse uumlber den Knoten Mikro-Depot kann so kaum initiiert werden (siehe Beispiel Komodo in Ber-lin) In der Stuumlckgutlogistik ist Kooperation dagegen eine etablierte Handlungsstrategie Durch ambitio-nierte Grenzwerte fuumlr Luftschadstoffe und Laumlrm in sensiblen Kernstadtbereichen kann der Einsatz spe-zialisierter Fahrzeuge im Verteilverkehr (mit batterieelektrischem oder Hybridantrieb sowie besonde-rer Laumlrmminderung bei Antrieb Reifen und Ladeeinrichtungen) wirtschaftlich sinnvoll werden und die Energiewende im Nutzfahrzeugverkehr gefoumlrdert werden Als Nebeneffekt ist eine Zunahme der emp-faumlngerbezogenen Buumlndelung zu erwarten Einzelne Spediteure werden sich auf die Innenstadtbeliefe-rung spezialisieren und die entsprechenden Fahrzeuge vorhalten sodass sich am Markt Gebietsspedi-teure ausbilden ohne dass ein Eingriff seitens der Kommunen erforderlich waumlre Nahezu ausgeschoumlpft werden koumlnnen die gebietsbezogenen Buumlndelungspotenziale wenn die privaten und gewerblichen Empfaumlnger von KEP- und Stuumlckgutsendungen an der Reorganisation der staumldtischen Versorgung aktiv mitwirken Das erwaumlhnte Beispiel aus Duumlsseldorf zeigt dass derartige Loumlsungen heute bereits am Markt etabliert werden koumlnnen Im Rahmen einer transformativ ausgerichteten For-schung sollten die erforderlichen Rahmenbedingungen weiter erkundet werden um das derzeit noch wesentliche Hemmnis fuumlr eine aktive Beteiligung des Handels ndash die heute uumlbliche bdquoFrei-Haus-Zustel-lungldquo ndash auszuraumlumen11 Die fehlende Kostentransparenz ist auch ein wesentliches Hemmnis fuumlr die aktive Mitwirkung privater Endverbraucher an der gebietsbezogenen Sendungsbuumlndelung Die Kosten der Zustellung an die Haus-tuumlr werden bei Online-Geschaumlften entweder nicht ausgewiesen oder sind unabhaumlngig vom Zustellort (Haustuumlr oder PaketshopPaketstation) Auszligerdem fehlt den Konsumenten meist die Moumlglichkeit durch die Auswahl eines KEP-Logistikers bei der Bestellung auf die Buumlndelung einzuwirken Die Kommunen haben keine direkte Einwirkungsmoumlglichkeit auf diese Preisgestaltung Sie koumlnnen mit Pull-Maszlignahmen steuern indem sie in den Wohngebieten und Geschaumlftszentren an gut zugaumlnglichen und stark frequentierten Punkten (u a OumlPNV-Knoten) den Bau von Paketstationen ermoumlglichen so-dass es fuumlr die Empfaumlnger bequemer wird ihre Sendungen dort abzuholen als zu riskieren zuhause nicht angetroffen zu werden Komplementaumlr weisen einige europaumlische Staumldte in ihren Innenstadtla-gen groumlszligere autoverkehrsfreie Bereiche aus in die der Lieferverkehr gegebenenfalls nur zeitlich be-grenzt einfahren darf Dadurch wird ebenfalls die Buumlndelung auf zentrale Zustellpunkte wie Mikro-Depots oder PaketshopsPaketstationen gefoumlrdert

11 Im Rahmen des o g NRVP-Vorhabens LOOP wird derzeit untersucht ob und ggf wie das Duumlsseldorfer Kooperationsmodell

von ABC Incharge auf Wuppertal uumlbertragen werden koumlnnte

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Steuerung der Energiewende im staumldtischen Lieferverkehr

Wenn die Einsparung von Verkehrsleistungen im staumldtischen Lieferverkehr weiterhin unter ihren the-oretischen Moumlglichkeiten bleibt weil die Potenziale einer gebietsbezogenen Sendungsbuumlndelung nicht ausgeschoumlpft werden (koumlnnen) dann erfaumlhrt die Energiewende eine entsprechend houmlhere Dringlich-keit Die Umstellung des Lieferverkehrs auf lokal emissionsfreie Fahrzeuge kommt aus Sicht des Autors allerdings langsamer voran als es moumlglich und geboten waumlre Die Ausweisung von kommunalen Niedrig- und Nullemissionszonen mit ausreichendem zeitlichen Vor-lauf (vgl Aichinger et al 2020) wuumlrde den im Lieferverkehr taumltigen Unternehmen Planungssicherheit fuumlr die Fahrzeugbeschaffung geben und die Fahrzeughersteller koumlnnten eine entsprechende Fahr-zeugnachfrage erwarten Als Hemmnis fuumlr ein solches Vorgehen wirkt in Deutschland die fehlende Rechtssicherheit Vorreiter-Kommunen die derartige Zonenkonzepte einfuumlhren wollten muumlssten der-zeit individuelle Loumlsungen fuumlr die Identifizierung und Kontrolle der einfahrtberechtigten Fahrzeuge er-arbeiten (bdquolokale blaue Plaketteldquo) Wesentlich sinnvoller waumlre eine Fortschreibung des bestehenden bundesgesetzlichen Rahmens der Umweltzonenregelung die ihre Lenkungswirkung verloren hat weil die aktuelle Fahrzeugflotte die Anforderungen fuumlr die sogenannte bdquogruumlne Plaketteldquo fast vollstaumlndig erfuumlllt In den Niederlanden hat die Staatsregierung einen solchen Rechtsrahmen inklusive der Beschil-derung zwischenzeitlich geschaffen (vgl Langenberg 2019) Eine Auswertung des Datensatzes der Erhebung bdquoKraftfahrzeugverkehr in Deutschland 2010ldquo (Wer-muth et al 2012) zeigt dass schon heute die meisten Touren im staumldtischen und regionalen Sammel- und Verteilverkehr durch batterieelektrisch betriebene Fahrzeuge bewaumlltigt werden koumlnnen In Abbil-dung 2 sind Tourlaumlngenverteilungen fuumlr die relevanten Fahrzeugsegmente dargestellt Rund 80 der Touren leichter Nutzfahrzeuge (LNF bis 35 t zulaumlssige Gesamtmasse) erfordern Reichweiten von max 120 km Schwere Nutzfahrzeuge (SNF) mit einer zulaumlssigen Gesamtmasse (zulGM) von 75 t bis 18 t werden auf Touren eingesetzt die zu 80 Reichweiten von bis zu rund 240-280 km erfordern12 Eine Gegenuumlberstellung der batterieelektrischen Reichweiten beispielhafter Nutzfahrzeuge (vgl Aichinger 2020 S 77) zeigt dass schon heute Fahrzeuge am Markt angeboten werden die uumlber maxi-male Reichweiten verfuumlgen um diese Anforderungen zu erfuumlllen Insbesondere die Nutzfahrzeugflotte der Klasse mit 35 t bis 75 t zulGM die in Deutschland ein mittleres Alter von 95 Jahren13 aufweist verspricht hohe Emissionsreduktionen durch den Wechsel auf batterieelektrisch betriebene Fahr-zeuge

12 Die daruumlberhinausgehenden Tourlaumlngen des Fahrzeugsegmentes bis 12 t zulGM sind wahrscheinlich mit der zum Erhe-

bungszeitpunkt guumlltigen Untergrenze des zulaumlssigen Gesamtgewichtes fuumlr die Mautpflicht im deutschen Autobahnnetz zu begruumlnden Dadurch wurden voruumlbergehend zahlreiche Nutzfahrzeuge mit 1199 t zulGM im Fernverkehr eingesetzt und erreichten entsprechend hohe Fahrtweiten

13 Eigene Berechnung auf Grundlage von KBA 2020

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Abb 2 Tourlaumlngenverteilung der relevanten Fahrzeugsegmente im Verteil- und Sammelverkehr (auszliger KEP-Fahrten) Daten-grundlage KiD 2010 eigene Auswertung Die kommunale Flaumlchennutzungsplanung und die Regionalplanung sollten trotz weiterhin erwartbarer Steigerungen der Leistungsfaumlhigkeit und der Reichweiten batterieelektrischer Antriebe darauf hinwir-ken dass Logistikflaumlchen fuumlr die Versorgung der Kernstaumldte nicht aus der Stadt verdraumlngt und dadurch die Fahrtweiten im Lieferverkehr weiter erhoumlht werden (siehe unten) Damit kann ein Beitrag dazu geleistet werden dass die technischen Anforderungen an die Elektrifizierung des staumldtischen Guumlter-verkehrs nicht weiter steigen Komplementaumlr muumlssen Gewerbegebiete an das Mittelspannungsnetz angeschlossen werden um die kuumlnftig steigende elektrische Leistungsaufnahme bei Ladevorgaumlngen zu bewaumlltigen Das von der Fahrzeugindustrie gegenuumlber Batteriewechselsystemen bevorzugte Schnell-laden stellt eine Herausforderung fuumlr die Netzsicherheit der kommunalen Verteilnetze dar

Sicherung von Logistikflaumlchen in der Stadt als Voraussetzung fuumlr Buumlndelung Logistiknutzungen sind im Wettbewerb um innerstaumldtische Grundstuumlcke gegenuumlber Wohnen und Buuml-ronutzungen in der Regel unterlegen weil sie nicht erwuumlnscht sind durch das oumlrtliche Baurecht aus-geschlossen werden oder weil sie die Grunderwerbskosten nicht wirtschaftlich tragen koumlnnen bdquoZur Versorgung der Stadt notwendigeldquo Logistikflaumlchen benoumltigen daher unter Umstaumlnden eine baurechtli-che Sicherung im Rahmen der Bauleitplanung Aichinger et al (2020) schlagen fuumlr das deutsche Bau-recht die Einfuumlhrung einer Gebietskategorie bdquoGemeinbedarfsflaumlche Logistikldquo vor Die schweizerische Staumldtekonferenz Mobilitaumlt empfiehlt eine obligatorische Logistikplanung fuumlr die Quartiersebene (Staumld-tekonferenz Mobilitaumlt 2019) Fuumlr die Nutzung als Mikro-Depot in der innerstaumldtischen Paketlogistik liegen Layout-Entwuumlrfe von kleinen Umschlagflaumlchen vor die die wesentlichen funktionalen und bau-lichen Merkmale detailliert beschreiben (IHK 2019) Beispiele fuumlr die Nutzung oumlffentlicher oder priva-ter aber oumlffentlich zugaumlnglicher Flaumlchen im Rahmen der innerstaumldtischen Logistik sind mittlerweile zahlreich vorhanden In Wien wird z B die temporaumlre Nutzung von Betriebsflaumlchen des oumlffentlichen Nahverkehrs erprobt um den Umschlag auf Lastenraumlder zu ermoumlglichen (siehe wwwremihubat)

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Neue Wege in der Energieraumplanung

Gernot Stoumlglehner (1)

DOI 10347261029

(1) UnivProf Dr Institut fuumlr Raumplanung Umweltplanung und Bodenordnung (IRUB) Department fuumlr Raum Landschaft und Architektur Universitaumlt fuumlr Bodenkultur (BOKU) Wien

Abstract

Die Energiewende zu schaffen ist nicht nur gesellschaftlicher Imperativ sondern auch eine Mammut-aufgabe die gemessen an der Groumlszlige der Aufgabe in relativ kurzer Zeit von sehr vielen Politikbereichen und Stakeholdern umzusetzen ist Daher ist eine strategische Herangehensweise bedeutend Wesent-liche Beitraumlge zur Strategiebildung und Strategieumsetzung kann Energieraumplanung leisten In die-sem Beitrag wird diskutiert worin strategische Aspekte der Energieraumplanung liegen in einer stra-tegischen Datenbasis fuumlr die Energiewende in einer Planungsmethodik zur Schaffung von raumlumlichen Voraussetzungen fuumlr Energieeffizienz und der Nutzung erneuerbarer Energien in institutionellen Rah-menbedingungen fuumlr eine gelingende Umsetzung und in der Unterstuumltzung von Sektorkopplung als wichtiges Element der Energiewende Da ein wesentlicher Teil von Strategiebildung gesellschaftliche Lernprozesse sind schlieszligt der Beitrag mit Uumlberlegungen zur Didaktik der Energieraumplanung und zeigt moumlgliche Beitraumlge der Energieraumplanung zur Energiewende auf

Schluumlsselbegriffe

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Inhalt Ausgangslage 112

Strategie in der Energieraumplanung 113

Strategische Datenbasis 113

Planungsmethodik 114

Institutionelle Rahmenbedingungen 115

Sektorkopplung als neue Herausforderung fuumlr die Energieraumplanung 115

Didaktik der Energieraumplanung 116

Fazit 116

Literatur 117

Stoumlglehner (2021) Neue Wege in der Energieraumplanung DOI 10347261029

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Ausgangslage

Die Energiewende ist aus Klimaschutzgruumlnden nicht nur zwingend umzusetzen sie ist auch mit erheb-lichen Herausforderungen verbunden Diese erwachsen nicht zuletzt aus der Raum- und Siedlungsent-wicklung und der damit verbundenen Mobilitaumlt Waumlhrend die Gesamttreibhausgasemissionen in Oumls-terreich seit 1990 dem Basisjahr des Kyoto-Protokolls leicht gestiegen sind (UBA 2019) und eine sub-stanzielle strukturelle Trendwende abseits von Konjunkturschwankungen nach wie vor nicht zu erken-nen ist ruumlckt der Zeitpunkt der Null-Emissionsziele schon recht nahe Ein wesentlicher Treiber sind raumlumliche Entwicklungen die damit verbundenen Bauten und Anlagen sowie die Art und Weise wie der Raum von Menschen und Unternehmen angeeignet wird Um die Groumlszlige des Problems zu verdeut-lichen wird auf die Baulandreserven in Oumlsterreich verwiesen Diese sind so hoch dass bei Erfuumlllung des 25-Hektar-Bodenschutzziels der Nachhaltigkeitsstrategie 2002 (BMLFUW 2002) und des aktuellen Regierungsprogramms (Die neue Volkspartei amp Die Gruumlnen 2020) ndash das bedeutet dass die taumlgliche zusaumltzliche Flaumlcheninanspruchnahme fuumlr Bauland und Infrastruktur von derzeit ca 13 ha (UBA 2002) auf 25 ha begrenzt werden soll ndash Baulandreserven bis 2100 vorhanden sind (Neugebauer 2020) Es duumlrfte daher in den naumlchsten 80 () Jahren kein Quadratmeter Bauland mehr gewidmet werden ohne an anderer Stelle ruumlckgewidmet zu werden Auch daran erkennt man dass aus Sicht der Raumplanung massive Eingriffe notwendig sein werden um Nachhaltigkeitsziele zu erfuumlllen Mit dieser Flaumlcheninan-spruchnahme geht ein Steigen des Energieverbrauchs einher der insbesondere in den Bereichen graue Energie Waumlrme und Mobilitaumlt auch Treibhausgaswirksamkeit entfaltet Es sind zwar die Treibhaus-gasemissionen im Gebaumludesektor trotz der regen Bautaumltigkeit ruumlcklaumlufig allerdings wird dies durch Zunahme der Treibhausgasemissionen im Verkehr (ca 72 plus seit 1990 dem Basisjahr des Kyoto-Protokolls) sodass seit 1990 die Treibhausgasemissionen insgesamt um knapp 5 gestiegen sind Vor diesem Hintergrund gewinnt Energieraumplanung als bdquojener integrale Bestandteil der Raumpla-nung der sich mit den raumlumlichen Dimensionen von Energieverbrauch und Energieversorgung umfas-send beschaumlftigtldquo (Stoumlglehner et al 2014 S 26) rasant an Bedeutung Die raumlumliche Dimension des Energieverbrauchs bedeutet im Wesentlichen energieeffiziente Raum- und Siedlungsstrukturen zu schaffen die sich durch Funktionsmischung maszligvolle Dichte Kompaktheit Innenentwicklung und die Beruumlcksichtigung von entsprechenden Lagekriterien und energetischen Aspekten wie Topographie und Exposition bei der Standortwahl auszeichnen Damit uumlberdeckt sich Energieraumplanung mit den Ge-staltungsprinzipien diverser Leitbilder einer nachhaltigen Raumentwicklung und wirkt auf den Energie-bedarf von Wirtschaft und Gesellschaft Die raumlumliche Dimension der Energieversorgung umfasst Be-darfsfragen nach Energieversorgungsanlagen (Energiegewinnung -verteilung und -speicherung) die Standortsicherung einschlieszliglich der Vermeidung von Nutzungskonflikten sowie die Ressourcensiche-rung Dies betrifft insbesondere die Freihaltung von zusammenhaumlngenden Landschaftsteilen fuumlr die Energiegewinnung z B Vorrangflaumlchen fuumlr Windkraftanlagen Energieeffiziente Raum- und Siedlungs-strukturen die gleichzeitig eine flaumlchensparende Bauland- und Infrastrukturentwicklung ermoumlglichen unterstuumltzen dieses Ziel Gleichzeitig koumlnnen leitungsgebundene Energieversorgungssysteme besser in diesen Strukturen betrieben werden da Funktionsmischung zur zeitlichen Vergleichmaumlszligigung des Be-darfs im Tagesverlauf und Dichte zu mehr Effizienz von Versorgungsanlagen fuumlhren (Stoeglehner et al 2016) Ergaumlnzung der Planungsziele und -grundsaumltze stufenweise Integration von raumlumlichen Energie- bzw Mobilitaumltskonzepten energieoptimierte und integrierte Flaumlchenwidmungs- und Bebauungsplanung Entwickeln und Anwenden von standardisierten Methoden zur Energieraumplanung Bodenpolitik und Baulandmobilisierung Energieplanung uumlbergeordneter Infrastruktur

Abb 1 Prioritaumlre Handlungsempfehlungen laut OumlROK-Partnerschaft (Auszug Stoumlglehner et al 2014)

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Die OumlREK-Partnerschaft Energieraumplanung I hat daher verschiedene Handlungsempfehlungen un-terbreitet um die raumlumlichen Dimensionen von Energieverbrauch und Energieversorgung in die Raum-planung zu integrieren (vgl Abb 1) Die derzeitig im Amt befindliche Bundesregierung hat in ihrem Regierungsuumlbereinkommen das Thema Energieraumplanung sowohl in Bezug auf den Klimaschutz als auch den Bodenschutz mit Blick auf eine zukunftsfaumlhige Raumordnung aufgenommen bdquoRaumplanerische Aspekte des Klimaschutzes sollen durch eine (auf den derzeit schon bestehenden Bundeskompetenzen basierende) gesetzliche Regelung zur Fachplanungskompetenz des Bundes geregelt werdenldquo (Die neue Volkspartei amp Die Gruumlnen 2020 S 74 104) Vor diesem Hintergrund widmet sich dieser Beitrag in weiterer Folge Moumlglichkeiten mit strategischen Zugaumlngen Energieraumplanung umzusetzen und diskutiert diese anhand von Beispielen aus der For-schung des Instituts fuumlr Raumplanung Umweltplanung und Bodenordnung der Universitaumlt fuumlr Boden-kultur Wien (IRUB)

Strategie in der Energieraumplanung Mit Strategie in der Raumplanung und damit auch in der Energieraumplanung ist grundsaumltzlich die Orientierung an Leitbildern Visionen und Zielen der Blick auf die Gesamtsicht und nicht auf die Details das Denken in Planungsvarianten sowohl in Bezug auf Ziele als auch die daraus abzuleitenden Maszlig-nahmen sowie die Organisation des Planungsprozesses als gesellschaftlicher Lernprozess (Stoumlglehner 2020a) Bezuumlglich der Auffassung von Planen als Lernprozess ist es interessant sich mit didaktischen Fragen zu beschaumlftigen Wird die Wissenstreppe (North et al 2016) dafuumlr herangezogen gilt es im Sinne eines strategischen Wissensmanagements Prozesse der Energieraumplanung so zu gestalten dass Planungsakteurinnen und -akteure aufbauend auf entsprechenden Daten und deren Vernetzung zu einem kompetenten d h zu einem wissensbasierten zielgerichteten und richtigem Handeln kom-men koumlnnen Dafuumlr sind (1) eine strategische Datenbasis (2) entsprechende Planungsmethoden und (3) institutionelle Rahmenbedingungen notwendig wie in weiterer Folge an zwei Beispielen erlaumlutert wird

Strategische Datenbasis

Eine strategische Datenbasis stellt eine wissenschaftlich pruumlfbare Sachebene im Planungsprozess dar Vielfach bestehen Wahrnehmungen auf der Sachebene die mit wissenschaftlich pruumlfbaren Sachver-halten nicht in Einklang zu bringen sind aber massiv handlungsleitend wirken Ein Beispiel waumlren ver-zerrte Wahrnehmungen des fossilen Energieanteils in der Energieversorgung Wenn Akteurinnen den fossilen Energieanteil unterschaumltzen koumlnnen sie notwendige Maszlignahmen als nicht relevant einstufen Diese Einschaumltzung kann selbst bei Akteuren die auf der Werteebene die Energiewende hoch gewich-ten dazu fuumlhren dass notwendige Maszlignahmen fuumlr die Energiewende nicht gesetzt werden (Erker et al 2017) Eine strategische Wissensbasis hilft hier Klarheit auf der Sachebene herzustellen indem nicht nur Basisdaten bereitgestellt werden sondern indem diese auch mit einer Datenanalyse (zur Kenn-zeichnung von Potentialen oder Restriktionen) verbunden werden Damit stellt eine strategische Da-tenbasis strategisch relevantes Wissen fruumlh im Planungsprozess zur Verfuumlgung sodass auch Lernen auf der Wertebene das Verhandeln von Interessen zwischen Akteurinnen und Akteuren sowie das Erken-nen von Planungsfolgen unterstuumltzt wird (Stoeglehner 2020b)

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Ein Beispiel fuumlr eine derartige strategische Datenbasis waumlre das Energiemosaik Oumlsterreich (wwwener-giemosaikat Abart-Heriszt et al 2020) Hier werden Energie- und Treibhausgasbilanzen frei verfuumlgbar im Netz bereitgestellt sodass ein faktenbasierter Einstieg in das Energiethema erleichtert wird So kann die Zielformulierung und das Identifizieren von Handlungsfeldern fuumlr kommunale und regionale Energiestrategien unterstuumltzt werden Einen Schritt weiter geht die Datenbasis fuumlr die Energieraumplanung in der Steiermark die in ein ent-sprechendes Gesamtkonzept eingebunden ist Die Datenbasis besteht zum einen aus Informationen die dem Energiemosaik Oumlsterreich allerdings in feinerer raumlumlicher Aufloumlsung im 250-m-Raster ent-sprechen und mit Abschaumltzungen uumlber energetische Potenziale ergaumlnzt sind Zum anderen werden flauml-chenhafte Auswertungen des Datenbestandes angeboten indem Standortraumlume fuumlr Fernwaumlrmever-sorgung und energiesparende Mobilitaumlt bereitgestellt werden Wie mit diesen Informationen umge-gangen werden kann wurde in einem entsprechenden Planungsleitfaden dargestellt

Abb 2 Standortraumlume fuumlr Fernwaumlrmeversorgung (links) und klimafreundli-che energiesparende Mo-bilitaumlt (rechts) Quelle Ab-art-Heriszt und Stoumlglehner 2019

Planungsmethodik

In der Steiermark wurde eine Planungsmethodik gemeinsam mit Fallbeispielen entwickelt wie die energieraumplanerischen Analysen d h die Energie- und Treibhausgasbilanzen die Potenzialanalysen und die vom IRUB abgegrenzten Standortraumlume fuumlr Fernwaumlrmeversorgung und energiesparende Mo-bilitaumlt in das oumlrtliche Entwicklungskonzept integriert werden koumlnnen (Abart-Heriszt und Stoumlglehner 2019) Dabei wird das Hauptaugenmerk auf die planerische Abwaumlgung zwischen Aspekten der Ener-gieraumplanung und allen weiteren Aspekten der oumlrtlichen Raumplanung gelegt Durch die Standort-raumlume wurde eine Moumlglichkeit geschaffen jene Ortsteile mit einer ausreichend hohen Nutzungsinten-sitaumlt und Nutzungsdichte zu identifizieren die fuumlr Fernwaumlrmeversorgung und energiesparende Mobi-litaumltsformen im Umweltverbund geeignet sind Es werden klare Hinweise gegeben wohin die kuumlnftige Siedlungsentwicklung im Zeichen von Klima-schutz und Energiewende gelenkt werden soll Dies ist durch die Abgrenzungsmethodik der Standort-raumlume gewaumlhrleistet gemaumlszlig der nach funktionsgemischten maszligvoll dichten raumlumlichen Strukturen gesucht wird in denen zum einen Mindestverbrauchsdichten fuumlr leitungsgebundene Energie als auch kurze Wege zwischen den einzelnen Raumfunktionen erzielt werden sollen Nicht zuletzt ermoumlglichen die Standortraumlume zu erkennen wo Innenentwicklung prioritaumlr stattfinden soll und wie damit der uumlberbordenden Flaumlcheninanspruchnahme fuumlr Bauland und Infrastruktur Vorschub geleistet werden kann Damit sind die Voraussetzungen gegeben dass Lernen im Planungsprozess sowohl auf der Sachebene als auch auf der Wertebene unterstuumltzt wird Auf der Sachebene werden potenzielle Wis-sensluumlcken sowie Luumlcken zwischen wissenschaftlich pruumlfbarer und wahrgenommener Sachebene ge-schlossen Auf der Wertebene koumlnnen die Unterstuumltzung von Klimaschutz und Energiewende profund mit weiteren oumlffentlichen Interessen und Entwicklungsperspektiven abgewogen werden

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Institutionelle Rahmenbedingungen

Grundsaumltzlich koumlnnen vier Pfade staatlichen Handelns angewendet werden um Strategien wie jene der Energieraumplanung ganzheitlich umzusetzen (1) rechtliche Rahmenbedingungen (2) finanzielle Anreize (3) oumlffentliche Investitionen sowie (4) Bewusstseinsbildung Am Beispiel der Steiermark kann dargestellt werden dass fast alle Optionen fuumlr die Umsetzung der Energieraumplanung genutzt wer-den

(1) Im rechtlichen Rahmen des Steiermaumlrkischen Raumordnungsgesetzes ist die Erstellung von er-gaumlnzenden Sachbereichskonzepten zum oumlrtlichen Entwicklungskonzept vorgesehen Dieser rechtliche Rahmen wird mit der Initiative Energieraumplanung in der Steiermark mit Leben erfuumlllt

(2) Als finanziellen Anreiz hat das Land Steiermark ein Foumlrderprogramm aufgelegt mit dem die Gemeinden dabei unterstuumltzt werden Sachbereichskonzepte Energie im Rahmen des oumlrtli-chen Entwicklungskonzeptes zu erstellen Planungsziele festzulegen und die Abstimmung von Siedlungsentwicklung und Festlegungen zur Energieraumplanung umzusetzen Auszahlungs-bedingung fuumlr die Foumlrderung ist die Integration in die Verordnung zum oumlrtlichen Entwicklungs-konzept binnen 24 Monaten ab Foumlrderzusage

(3) Wenn ein Sachbereichskonzept Energie vorliegt kann im Rahmen des Foumlrderprogramms auch um die Unterstuumltzung von oumlffentlichen Investitionen in die Energieinfrastruktur angesucht werden Daruumlber hinaus sollen die Festlegungen zur Energieraumplanung auch auf Investitio-nen von Privaten und Kommunen wirken da jene Bereiche dargestellt werden die einen wirt-schaftlichen Betrieb leitungsgebundener Energieinfrastruktur und ein houmlheres Maszlig an Mobi-litaumlt im Umweltverbund erwarten lassen

(4) Bewusstseinsbildung wird zum einen durch die schon angesprochene Datenbasis und den Pla-nungsleitfaden zum anderen durch ein Schulungsprogramm fuumlr Ortsplanerinnen und Gemein-devertreterinnen das stark nachgefragt wurde deutlich gestaumlrkt Zudem haben fast alle in der Steiermark taumltigen Ortsplaner sowie Vertreter von ca einem Drittel aller steiermaumlrkischen Ge-meinden an den Veranstaltungen teilgenommen

Diese Beispiele zeigen dass der anspruchsvolle strategische Zugang zur Energieraumplanung durchaus mit Leben erfuumlllt werden kann wenn eine strategische Datenbasis und eine entsprechende Planungs-methodik angeboten werden deren Anwendung in einen institutionellen Rahmen eingebettet ist der alle Aspekte staatlichen Handelns abdeckt

Sektorkopplung als neue Herausforderung fuumlr die Energieraumplanung

Ein wesentlicher Grund warum ich die Auseinandersetzung mit leitungsgebundenen Energietraumlgern auch in Zukunft fuumlr notwendig erachte ist das Thema der Sektorkopplung Unter diesem Titel sollen Systemloumlsungen fuumlr die Verbindung verschiedener Infrastrukturen Technologien und Dienstleistun-gen fuumlr die Kopplung von Elektrizitaumlt Waumlrme und Mobilitaumlt sowie fuumlr die Integration von volatilen erneuerbaren Energietraumlgern wie Sonne und Wind angeboten werden (BMNT BMVIT 2018) Ein ener-gieraumplanerischer Beitrag zur Unterstuumltzung von Sektorkopplung ist das hochaufgeloumlste raum-zeit-liche Modellieren von Energieverbrauch und lokal verfuumlgbaren Energieversorgungspotenzialen bei dem Nutzungsintensitaumlt (Funktionsmischung und Dichte) und die Integration verschiedener erneuer-barer Energietraumlger zur Ermittlung von Sektorkopplungspotenzialen sowie Netz- bzw Speicherbedarf herangezogen werden (Ramirez-Camargo amp Stoeglehner 2018) Bei Photovoltaik (PV) werden Energie-gewinnungspotenziale auf Dachflaumlchen im 1-m-Raster unter Beruumlcksichtigung des ortsspezifischen me-teorologischen Normjahres mit dem lokal aufgrund der Nutzungsstruktur vorhandenen Energiever-brauch in 1-Stunden-Betrachtungen im Jahresverlauf uumlberlagert

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Werden diese Betrachtungen uumlber ganze Kommunen angestellt kommt man z B zum Ergebnis dass bei voller Ausnutzung der Dachflaumlchen mit PV sehr wahrscheinlich Uumlberschuumlsse in der Stromproduk-tion erzielt werden koumlnnen jedoch nur etwa ein Drittel des gewonnenen Stroms am jeweiligen Ort und zur jeweiligen Zeit unmittelbar benoumltigt werden Zwei Drittel stellen damit das Sektorkopplungs-potenzial dar z B in Power-to-HeatCold- bzw Power-to-Chemicals-Loumlsungen bzw benoumltigen stati-onaumlre oder mobile Speicher insbesondere zur Bereitstellung von Strom fuumlr elektrische Fahrzeuge Je geringer der Anteil des PV-Stroms am Jahresstrombedarf ist desto houmlher steigt der Anteil der Eigen-bedarfsdeckung Mit diesen Ergebnissen koumlnnen jenseits der Jahresbilanz in hoher raumlumlicher und zeitlicher Aufloumlsung realistische Szenarien als strategische Entscheidungsgrundlage fuumlr Energieraumplanung und lokale bzw regionale Energiestrategien erstellt werden Die raumlumliche und zeitliche Betrachtung ermoumlglicht damit einen weiteren Qualitaumltssprung in der Energieraumplanung

Didaktik der Energieraumplanung

Wird das Lernen im Planungsprozess als wesentliches Strategiemerkmal fuumlr Raumplanung einschlieszlig-lich der Energieraumplanung betrachtet stellt sich die Frage der Didaktik fuumlr diese Lernprozesse Hier soll in Analogie zu didaktischen Konzepten (vgl Biggs amp Tang 2011 Gudjons amp Traub 2020 North et al 2016 Winteler 2011) einige Uumlberlegungen angestellt werden Dabei ist zu beruumlcksichtigen dass es sich bei Planungsprozessen um soziale Lernprozesse in informellen Lern- und Planungssituationen handelt an denen in erster Linie Entscheidungstraumlgerinnen und Entscheidungstraumlger die interessierte und die betroffene Oumlffentlichkeit sowie die Planerinnen und Planer beteiligt sind (Peer amp Stoeglehner 2013) Das Ergebnis der Planung ist grundsaumltzlich offen und vom Lernprozess beeinflusst Klassische Didaktikkonzepte beschaumlftigen sich mit Lernzielen Lerninhalten Lernmethoden und Lern-ergebnissen Wird diese Herangehensweise auf Energieraumplanung uumlbertragen so waumlre das Lernziel die Energiewende und den Klimaschutz voranzubringen indem die Siedlungsentwicklung mit diesen Anliegen abgestimmt wird Als Lerninhalt waumlre ein tieferes und systemisches Verstaumlndnis fuumlr Zusam-menhaumlnge von Raumplanung Klimaschutz und Energiewende zu nennen um raumplanerische Gestal-tungsmoumlglichkeiten fuumlr Energiewende und Klimaschutz nutzen zu koumlnnen und gleichzeitig zu erkennen dass diese Anliegen eine nachhaltige raumlumliche Entwicklung und mehr Lebensqualitaumlt fuumlr die Bevoumllke-rung befoumlrdern koumlnnen An Lernmethoden koumlnnen u a Kommunikation Partizipation Einsetzen von strategischen Datenbasen Planungsinstrumenten strategischen Planungsmethoden und Planungs-tools eingesetzt werden um Erkenntnisprozesse auf der Sach- und auf der Wertebene in Gang zu set-zen Schlussendlich waumlre als Lernergebnis die rechtliche Verankerung in den Plaumlnen und Programmen der uumlberoumlrtlichen und oumlrtlichen Raumplanung sowie die praktische Umsetzung von Energieraumpla-nung zu sehen

Fazit Energiewende und Klimaschutz als zentrale gesellschaftliche Herausforderungen brauchen energie-raumplanerische Unterstuumltzung da raumlumliche Strukturen die Gestaltungsmoumlglichkeiten der Energie-wende wesentlich beeinflussen Dafuumlr sind strategische Herangehensweisen notwendig die alle Ebe-nen und Handlungsoptionen staatlichen Handelns einsetzen um nicht nur schluumlssige Planungen vor-legen zu koumlnnen sondern auch deren Umsetzung zu begleiten In diesem Beitrag wurden sowohl grundsaumltzliche Uumlberlegungen vorgestellt die der derzeitigen For-schung zur Energieraumplanung am IRUB zu Grunde liegen als auch Beispiele fuumlr deren Umsetzung diskutiert Damit kann aufgezeigt werden dass Raumplanung in vielerlei Hinsicht einen wesentlichen

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Beitrag fuumlr Klimaschutz und Energiewende leisten kann Raumplanung bietet zunaumlchst rechtliche Rah-menbedingungen um Klimaschutz und Energiewende auf regionaler und lokaler Ebene implementie-ren zu koumlnnen Hier waumlre die Verbindlichkeit von klimaschutz- und energiewendeorientierten Pla-nungszielen zu erhoumlhen um diese Aspekte in der planerischen Abwaumlgung entsprechend hoch zu ge-wichten In Planungsprozessen kann Bewusstseinsbildung unmittelbar vorangetrieben werden sofern diese partizipativ gestaltet werden Daruumlber hinaus besteht das Potenzial energieraumplanerische Herangehensweisen zur Gestaltung von finanziellen Anreizsystemen und Lenkung oumlffentlicher Investi-tionen im Sinne von Klimaschutz und Energiewende anzuwenden wenn energieraumplanerische As-pekte ndash insbesondere auch Lagekriterien sowie bodenpolitische Instrumentarien ndash in die finanziellen Anreiz- und Lenkungssysteme integriert werden Damit bleibt zu hoffen dass diese Moumlglichkeiten umfassend genutzt und laufend weiterentwickelt werden

Literatur

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Die deutsche Energiewende zwischen Wirtschafts- und Klimazielen ndash eine geographische Perspektive

Britta Klagge (1)

DOI 10347261030

(1) Prof Dr Geographisches Institut der Universitaumlt Bonn

Abstract

Die deutsche Energiewende wird weltweit als Erfolgsmodell fuumlr eine dezentrale Umstellung auf erneu-erbare Energien (EE) diskutiert Dabei wird oft uumlbersehen dass diese sich bisher weitgehend auf den Stromsektor beschraumlnkt hat waumlhrend die Umstellung des Waumlrme- und Verkehrssektors nur zoumlgerlich voranschreitet Weiterhin gingen steigende EE-Anteile in der Stromerzeugung lange nicht mit einer entsprechenden Reduzierung der Treibhausgasemissionen einher Der Beitrag erlaumlutert die zugrunde-liegenden Governance-Strukturen und deren Einordnung im Schnittfeld von Raumplanung Wirt-schafts- und Klimapolitik Anhand von zwei aktuelleren klima- und energiepolitischen Maszlignahmen (Klimapaket 2019 SINTEG-Modellregionen 2017-2020) wird deutlich dass der Fokus der juumlngeren deutschen Energiewendepolitik ndash wie bisher ndash vor allem auf EE als Wirtschaftsfaktor liegt wobei nun eine Ausweitung auf den Waumlrme- und Verkehrssektor angestrebt wird Aus geographischer Perspek-tive laumlsst sich konstatieren dass die Maszlignahmen zwar dezentrale bzw regionale Strukturen beruumlck-sichtigen und nutzen jedoch insbesondere zur Effizienzsteigerung und weniger um damit partizipative Strukturen zivilgesellschaftliches Engagement oder Debatten zur Nachhaltigkeit der Energiewende zu befoumlrdern

Schluumlsselbegriffe

Erneuerbare Energien (Mehrebenen-)Governance Effizienz- und Marktorientierung Klimapolitik Nachhaltigkeitsstrategien

Klagge B (2021) Die deutsche Energiewende zwischen Wirtschafts- und Klimazielen ndash eine geographische Perspektive In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung - ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energie-wende Wien reposiTUm S119-129

Klagge (2021) Die deutsche Energiewende zwischen Wirtschafts- und Klimazielen ndash eine geographische Perspektive DOI 10347261030

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Inhalt Einfuumlhrung 121

Geographien und Governance der deutschen Energiewende 121

Die deutsche Energiewende positive wirtschaftliche Effekte aber klimapolitisch (bisher) kein Erfolg 123

Aktuelle klima- bzw energiepolitische Maszlignahmen Klimapaket (2019) und SINTEG-Modellregionen (2017-2020) 124

Das Klimapaket von 2019 umfangreiches Investitionsprogramm aber klimapolitisch wenig ambitioniert 124

SINTEG 2017-2020 Foumlrderung von Modellregionen fuumlr smarte (Verteil-)Netze und flexible Maumlrkte durch Digitalisierung 125

Fazit und Ausblick 126

Literatur 127

Klagge (2021) Die deutsche Energiewende zwischen Wirtschafts- und Klimazielen ndash eine geographische Perspektive DOI 10347261030

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Einfuumlhrung

Die deutsche Energiewende also der Umbau des deutschen Energiesystems zu erneuerbaren Ener-gien befindet sich an einem kritischen Punkt Bisherige Maszlignahmen haben im Stromsektor viel er-reicht und insbesondere bei der Stromerzeugung aus Wind und Sonne sind groszlige technologische Fort-schritte verbunden mit deutlichen Kostensenkungen zu verzeichnen Dennoch bleiben mit Blick auf das gesamte Energiesystem eine Vielzahl von Herausforderungen die sich stichwortartig folgender-maszligen benennen lassen Oumlkonomische Effizienz undoder soziale Gerechtigkeit Technologieentwick-lung vor allem bei Stromspeicherung und Netzstabilitaumlt Ressourcenverbrauch bzw -effizienz sowie Flaumlchenverbrauch und -konkurrenzen Umwelt- und Klimaschutz vor allem Minderung der CO2-Emis-sionen Ausweitung auf Waumlrme- und Verkehrssektor bzw Sektorkopplung sowie nicht zuletzt die Ak-zeptanz Diese aktuellen Herausforderungen der deutschen Energiewende bewegen sich im Uumlber-schneidungsbereich technologischer soziooumlkonomischer und politisch-planerischer Entwicklungen und erfordern eine integrative Herangehensweise Im vorliegenden Beitrag wird aus Sicht der Geographie die Frage aufgeworfen wie der Next Level also die naumlchste Phase der Energiewende aussehen kann und in welche Richtung die aktuell verfolgte Po-litik weist Dazu wird zum einen die Bedeutung der regionalen Ebene sowie regionaler und zivilgesell-schaftlicher Akteure diskutiert die in der Fruumlhphase eine wichtige Rolle spielten Zum anderen werden Ausrichtung und Erfolge der Energiewende-Politik im Spannungsfeld von Wirtschafts- und Klimazielen analysiert Neben wirtschaftlichen Effekten und der Minderung von CO2-Emissionen geht es auch da-rum inwieweit bisherige und aktuelle Energiewende-Entwicklungen sowie aktuelle politische Maszlig-nahmen als nachhaltig bezeichnet werden koumlnnen Hierzu wird auf die drei in der Literatur diskutierten Nachhaltigkeitsstrategien ndash Effizienz Konsistenz und Suffizienz1 ndash Bezug genommen (Huber 2000 Pufeacute 2017 von Winterfeld 2007) Als Grundlage fuumlr die weiteren Uumlberlegungen folgen zunaumlchst Ausfuumlhrungen zum bisherigen Verlauf der Energiewende aus einer geographischen (Governance-)Perspektive und deren Einordnung im Schnittfeld von Raumplanung Wirtschafts- und Klimapolitik Anschlieszligend wird gezeigt dass die bis-herige Energiewende hinsichtlich der Minderung der CO2-Emissionen erst seit sehr kurzer Zeit erfolg-reich ist und hierfuumlr vor allem externe Entwicklungen verantwortlich sind Vor diesem Hintergrund werden das Klimapaket von 2019 sowie das SINTEG-Modellprogramm (2017-2020) als aktuelle Maszlig-nahmen der deutschen Energiewende-Politik vorgestellt und hinsichtlich ihrer wirtschafts- und klima-politischen Zielsetzungen sowie der Bedeutung von Nachhaltigkeitsstrategien diskutiert Im abschlie-szligenden Fazit werden Schlussfolgerungen zu einem moumlglichen Next Level der deutschen Energiewende gezogen

Geographien und Governance der deutschen Energiewende

Bevor wir uns der Frage nach der Zukunft zuwenden geht der Blick zuruumlck Die deutsche Energiewende hatte am Anfang eine stark dezentrale bzw regionale Dimension (Klagge amp Brocke 2013) Sie war ge-praumlgt durch eine Vielzahl kleinerer und uumlber das ganze Land verteilter Anlagen Dabei orientierten sich die Muster auch an den natuumlrlichen Gegebenheiten mit vielen Windanlagen im Norden und den meis-ten PV2-Anlagen im Suumlden (vgl hier und im Folgenden Campos Silva amp Klagge 2018) Die wichtigsten

1 Effizienz bezieht sich auf ein verbessertes Verhaumlltnis zwischen Ressourceneinsatz und Output also das Verhaumlltnis zwischen

Input und Output ndash z B durch neue wirksamere Technologien ndash zu optimieren Bei Konsistenz geht es um den Erhalt natuumlr-licher Ressourcen durch naturvertraumlgliche Prozesse und Technologien insbesondere im Sinne einer Kreislaufwirtschaft Suf-fizienz richtet sich auf einen geringeren Ressourcenverbrauch durch die Reduktion des Konsums bzw der Nachfrage

2 PV Photovoltaik

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Investoren waren zu Beginn Landwirte und Buumlrger die sich teilweise zu Buumlrgerenergiegenossenschaf-ten bzw in anderen Rechtsformen (z B GmbH amp Co KG) zusammenschlossen Damit verbunden wa-ren vielerorts zivilgesellschaftliche Energiewende- und Klimaschutz-Initiativen als weitere neue Parti-zipations- und Organisationsformen auf lokaler Ebene (Bauriedl 2016 Moss et al 2015) weit verbrei-tete Beispiele sind 100 -Erneuerbare-Energien-Regionen lokale Klimaschutzkonzepte oder Bio-Ener-giedoumlrfer Manche Stadt- und Regionalwerke gehoumlrten als lokale bzw regionale Akteure ebenfalls zu den Treibern allerdings waren diesbezuumlglich zu Beginn der Energiewende groszlige Unterschiede festzu-stellen und nur wenige Pioniere bzw Pionierregionen auszumachen (Klagge amp Brocke 2013) Inzwischen spielen groszlige Anlagen und regionsexterne Investoren eine immer wichtigere Rolle Dazu gehoumlren Projektierungsgesellschaften die vielfach mit der Energiewende gewachsen sind aber auch die lange zoumlgernden groszligen Energiekonzerne sowie viele Stadt- und Regionalwerke (Berkel 2013 Cam-pos Silva amp Klagge 2018 Greenpeace 2011) Ein wachsendes Problembewusstsein fuumlr negative Effekte von Erneuerbare-Energie-Anlagen in deren unmittelbarer Naumlhe haben allerdings Akzeptanzprobleme und Konflikte befoumlrdert und zwar vor allem dort wo vor Ort keine Teilhabe an den positiven insbe-sondere finanziellen Wirkungen besteht (Bosch 2021) Die aktuelle Energiewende-Politik traumlgt dem Rechnung indem sie einerseits auf planerischer Ebene Regeln fuumlr den Abstand von Erneuerbare-Ener-gie-Anlagen zur Wohnbebauung erwaumlgt und festsetzt sowie andererseits die Moumlglichkeiten der lokalen Teilhabe durch politisch-planerische Regelungen diskutiert werden (z B Beirat fuumlr Raumentwicklung 2015 S 10 ff BWE 2020) Jenseits lokaler Loumlsungsansaumltze verbleiben jedoch die oben genannten Her-ausforderungen die einen integrierten Ansatz erfordern der technologische mit wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aspekten verknuumlpft und dabei Fragen des Gemeinwohls sowie der Verfahrens- und Verteilungsgerechtigkeit beruumlcksichtigt Eine offene Frage ist dabei welche Bedeutung regionale und zivilgesellschaftliche Strukturen in den Governance-Strukturen der Energiewende haben sollen bzw koumlnnen Die Energiewende die in der Literatur haumlufig als soziotechnische Transition konzeptualisiert wird ist ein politisch gesteuerter Prozess (Becker amp Klagge 2017 Moss 2021 Schmid et al 2016) Politische Akteure auf unterschiedlichen Maszligstabsebenen setzen Rahmenbedingungen und Anreize innerhalb derer privatwirtschaftlich agierende ndash darunter oumlffentliche und zivilgesellschaftliche ndash Akteure den Ausbau erneuerbarer Energien umsetzen (Klagge 2013) Dieser politische Prozess bzw die Energie-wende-Politik findet im Uumlberschneidungsbereich von Umwelt- und Wirtschaftspolitik sowie Raumpla-nung statt (Abb 1) Dieses Dreieck spiegelt die in der Einleitung benannten Herausforderungen wider und verweist auf das Spannungsfeld zwischen Wirtschafts- und Klimazielen in der Energiepolitik

Abb 1 Energie als integ-ratives Politikfeld Quelle eigene Darstellung

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Die deutsche Energiewende positive wirtschaftliche Effekte aber klimapolitisch (bisher) kein Erfolg

Die deutsche Energiewende wurde weltweit als Erfolgsmodell gefeiert (Jacobsson amp Lauber 2006 Lipp 2007) Ausgehend von relativ groszligzuumlgigen Einspeiseverguumltungen und einem Einspeisevorrang ndash im Jahr 2000 im ersten Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgelegt ndash hat eine groszlige Zahl unterschied-licher Investoren in Erneuerbare-Energie-Anlagen investiert (Campos Silva amp Klagge 2018) In der Folge ist der Anteil des Stroms aus erneuerbaren Energien in Deutschland sukzessive auf inzwischen uumlber 40 gestiegen wodurch verschiedene positive wirtschaftliche Effekte erzielt wurden So sind zu-naumlchst vor allem auf lokaler und regionaler Ebene technologiespezifische Wertschoumlpfungsketten und Arbeitsplaumltze entstanden (Hirschl et al 2010) Mit dem Wachstum der Technologiemaumlrkte im In- und zunehmend im Ausland haben sich in Deutschland exportorientierte Industrien und Zulieferer insbe-sondere in der Wind- und Solarindustrie sowie in damit verbundenen Dienstleistungsbereichen ent-wickelt (Dewald 2021 Lipp 2007 Menzel 2021) In der politischen Diskussion um die Energiewende wurde diese daher vom Bundeswirtschaftsminister auch als bdquoeines der groumlszligten Modernisierungspro-jekte fuumlr den Wirtschaftsstandort Deutschlandldquo beworben (BMWi 2019a) Mit dem Fortschreiten der Energiewende wurden allerdings die kritischen Stimmen lauter Neben lo-kalen Akzeptanzproblemen und -konflikten ging es dabei um die steigenden Strompreise und die Effi-zienz der Foumlrderung durch Einspeiseverguumltungen Vor diesem Hintergrund wurde die Foumlrderung mit der EEG-Novelle von 2017 auf ein Ausschreibungsmodell umgestellt und damit ndash so die Kritiker dieser Novellierung ndash der wirtschaftlich und gesellschaftlich vorteilhafte dezentrale Ausbau ausgebremst Dies ist auch deshalb problematisch weil aufgrund von Rationalisierungs- und Verlagerungsprozessen ndash so der Niedergang der PV-Anlagen-Produktion in Deutschland bei gleichzeitigem Wachstum einer entsprechenden Industrie in China (vgl Dewald 2021) ndash industrielle Wertschoumlpfung und Arbeitsplaumltze im Bereich der erneuerbaren Energien in Deutschland stagnieren bzw bereits wieder zuruumlckgehen (vgl AEE o J) Ein weiterer grundsaumltzlicher Kritikpunkt an der deutschen Energiewende-Politik betrifft den Umgang mit Strom aus Kohle und der daraus resultierenden Entwicklung der CO2-Emissionen So wurden die mit der Energiewende verfolgten Klimaziele in Deutschland nicht erreicht da gleichzeitig mit dem Aus-bau der erneuerbaren Energien die Emissionen aus der Kohleverstromung in einigen Jahren sogar noch anstiegen (Abb 2) Aufgrund der Funktionsweise des Strommarkts (insbes Merit-Order-Effekt) hat sich am Strommarkt neben den erneuerbaren Energien vor allem der guumlnstige Strom aus der sehr schmut-zigen Braunkohle durchgesetzt Hintergrund hierfuumlr waren die lange Zeit sehr niedrigen Preise fuumlr Emissionszertifikate Erst mit deren Preisanstieg sind die CO2-Emissionen der Energiewirtschaft ab 2018 deutlich gesunken Dieser Zusammenhang verdeutlicht dass die EE-Foumlrderung und ein hoher EE-Anteil am Strommarkt allein nicht ausreichen um Klimaziele zu erreichen sondern dass es zusaumltzlich einer Sanktionierung der CO2-intensiven Stromerzeugung bedarf ndash insbesondere vor dem Hintergrund dass der vollstaumlndige Ausstieg aus der Kohleverstromung in Deutschland nach jetzigem Stand der Dinge erst bis 2038 erfolgen soll und sogar dieses spaumlte Datum noch gerichtlich angefochten wird

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Abb 2 Entwicklung der CO2-Emissionen in Deutschland nach Sektoren 1990-2019 und der Preise fuumlr EU-Emissionszertifikate 2008-2019 (bis 2010 gestaucht) Quelle DEHSt o J UBA 2020a eigene Darstellung

Trotz der juumlngsten Erfolge im Stromsektor sind die Herausforderungen zur Minderung der CO2-Emissi-onen in der Energiewirtschaft nach wie vor groszlig Denn eine umfassend verstandene Energiewende muss neben dem Strom- auch den Waumlrme- und den Verkehrssektor beruumlcksichtigen und hier sind bisher wenig Fortschritte zu verzeichnen Waumlhrend der Anteil der erneuerbaren Energien im Stromsek-tor bereits 42 betraumlgt liegt dieser im Waumlrme- und im Verkehrssektor nur bei 145 bzw 56 entsprechend ist im Jahr 2019 die Stromerzeugung fuumlr den weitaus uumlberwiegenden Teil der durch die Nutzung erneuerbarer Energien vermiedenen Treibhausgasemissionen verantwortlich (78 ) wohin-gegen Waumlrme und Verkehr lediglich 18 bzw 4 beitragen (UBA 2020b) Fuumlr die Zukunft bietet daher die Transformation des Waumlrme- und des Verkehrssektors noch groumlszligere Herausforderungen als die wei-tere Energiewende im Stromsektor Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund sind aktuelle klima- und energiepolitische Maszlignahmen breiter angelegt

Aktuelle klima- bzw energiepolitische Maszlignahmen Klimapaket (2019) und SIN-TEG-Modellregionen (2017-2020)

Als Reaktion auf die Herausforderungen der Energiewende sowie des rasch voranschreitenden Klima-wandels hat die Bundesregierung nicht nur das EEG weiterentwickelt sondern zusaumltzliche Maszlignah-men ergriffen Hierzu gehoumlren als wichtige Bausteine die SINTEG-Modellregionen und das Klimapaket die den Umbau des Energiesystems auf erneuerbare Energien beschleunigen die Entwicklung und den Einsatz von neuen Technologien und Geschaumlftsmodellen unterstuumltzen Anreize fuumlr entsprechende In-vestitionen geben und damit helfen sollen die im Klima-Abkommen von Paris (2015) zugesagten Kli-maziele zu erreichen Im Folgenden werden die beiden genannten Maszlignahmen vorgestellt und kritisch diskutiert

Das Klimapaket von 2019 umfangreiches Investitionsprogramm aber klimapolitisch wenig am-bitioniert

Unter dem Stichwort bdquoEntlasten und investierenldquo werden mit dem Klimapaket von 2019 Maszlignahmen gebuumlndelt die einen Beitrag zur Minderung des CO2-Ausstoszliges in Energiewirtschaft Industrie Gebaumlu-den Verkehr Land- und Forstwirtschaft Landnutzung und Abfallwirtschaft leisten sollen (vgl hier und

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im Folgenden Die Bundesregierung 2020) Als bdquoHerzstuumlckldquo besonders positiv hervorzuheben ist die Ein-beziehung des Waumlrme- und des Verkehrssektors in die CO2-Bepreisung in Deutschland nachdem bis-her lediglich Industrie und Stromerzeugung den Verpflichtungen des europaumlischen Emissionshandels unterlagen Allerdings ist die staatlich festgelegte Preisentwicklung mit einem Wert von zunaumlchst EUR 25- im Januar 2021 der bis 2025 auf immerhin EUR 55- ansteigt wenig ambitioniert (Janson 2019) ndash und das obwohl das Beispiel des Stromsektors bereits gezeigt hat dass nur bei einem ausreichend hohen CO2-Preis entsprechende Lenkungswirkungen zu verzeichnen sind Insgesamt zeichnet sich das Klimapaket durch einen starken Fokus auf Effizienz sowie wirtschaftliches Wachstum aus Letzteres soll durch eine Vielzahl unterschiedlicher und teilweise sehr kleinteiliger Foumlr-dermaszlignahmen fuumlr Unternehmen Kommunen und Hauseigentuumlmer angeregt und unterstuumltzt werden (BMWi 2020a) Dabei spielen Aspekte wie Reduktion des Ressourcenverbrauchs (Suffizienz) und Kreis-laufwirtschaft (Konsistenz) keine bzw eine untergeordnete Rolle Auszligerdem weisen die nicht-ver-kehrsbezogenen Maszlignahmen nur eine relativ geringe Anschlussfaumlhigkeit an regionale bzw zivilgesell-schaftliche Initiativen und Kooperationen auf

SINTEG 2017-2020 Foumlrderung von Modellregionen fuumlr smarte (Verteil-)Netze und flexible Maumlrkte durch Digitalisierung

SINTEG steht fuumlr bdquoSchaufenster intelligente Energie ndash Digitale Agenda fuumlr die Energiewendeldquo und soll fuumlnf Modellregionen die Deutschland uumlberschneidungsfrei und weitgehend vollstaumlndig abdecken (Abb 3) dabei foumlrdern technologische wirtschaftliche und rechtliche Musterloumlsungen fuumlr den Ener-giemarkt zu entwickeln (vgl hier und im Folgenden BMWi 2020b) SINTEG setzt bdquoan allen Bausteinen der Energieinfrastruktur und bei allen Akteuren an um sie mit Hilfe digitaler Technologien in einem intelligenten digitalen Energienetz zu verbindenldquo Es geht insbesondere darum die Digitalisierung fuumlr die Energiewende in Wert zu setzen und zwar durch die Nutzung dezentraler Kapazitaumlten der Strom-erzeugung und -speicherung (unter anderem virtuelle Kraftwerke) die effiziente Sektorkopplung von Strom Waumlrme und Verkehr sowie innovative Technologien und flexible Marktmechanismen fuumlr Haus-

halte und Unternehmen bei einem ho-hen Anteil erneuerbarer Energien Ziele sind dementsprechend der effiziente und sichere Netzbetrieb vor allem die effizientere Nutzung der dezentralen Netze das Heben von Effizienz- und Fle-xibilitaumltspotenzialen die Entwicklung neuer Geschaumlftsmodelle sowie das bdquoef-fiziente [hellip] und sichere [hellip] Zusammen-spiel aller Akteure im intelligenten Energienetzldquo Abb 3 SINTEG-Modellregionen Quelle BMWi 2019b eigene Darstellung

Wie bereits die Beschreibung verdeutlicht liegt der Fokus von SINTEG auf der Hebung von Effizienzpo-tenzialen sowie auf der sicheren Stromversorgung Damit werden viele der aktuellen Herausforderun-gen der fortgeschrittenen Energiewende aufgegriffen (siehe oben) Regionale Strukturen sind dabei insofern von Bedeutung als dass auf Ebene der Verteilnetze Effizienzpotenziale ausgelotet und Nut-zungsmodelle entwickelt und ausprobiert werden sollen Spannend ndash und uumlber bisherige Energie-wende-Aktivitaumlten hinausgehend ndash ist dabei das explizite Bemuumlhen um Sektorkopplung also die Ver-knuumlpfung von Strom- Waumlrme- und Verkehrssektor Dazu sollen neben technologischen Herausforde-rungen (Speicherung Power-to-X-Technologien) innovative Marktmechanismen entwickelt werden

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Neben dem starken Fokus auf Effizienz spielen bei SINTEG auch gewisse Aspekte einer Kreislaufwirt-schaft (Konsistenz) im Bereich Stromerzeugung und -speicherung eine Rolle Aus geographischer Per-spektive ist dabei die Foumlrderung regional integrierter Ansaumltze mit einem hohen Innovationspotenzial positiv hervorzuheben die allerdings auf Seite der Akteure von Netzbetreibern Stromversorgern und Industrie sowie von technologischen und marktorientierten Loumlsungen dominiert werden Dementspre-chend ist die Bedeutung zivilgesellschaftlicher Initiativen eher gering und Buumlrger werden vor allem als Marktakteure (Konsumenten bzw Prosumenten) eingebunden

Fazit und Ausblick Erneuerbare Energien haben sich in Deutschland spaumltestens seit der Jahrtausendwende zu einem zent-ralen Gegenstand der Wirtschafts- und Klimapolitik sowie der Raumplanung entwickelt Dabei haben sich Emissionszertifikate als wichtiges Instrument erwiesen deren Wirkung allerdings von ihrem Preis abhaumlngt der lange viel zu niedrig lag Die Ausweitung auf den Waumlrme- und Verkehrssektor im Rahmen des Klimapakets von 2019 ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Erreichung der deutschen Klimaziele allerdings ist auch hier die Preisfrage zentral fuumlr eine signifikante Minderung der CO2-Emis-sionen Daruumlber hinaus foumlrdert die deutsche Politik im Rahmen ihrer Technologiefoumlrderung sowie in den fuumlnf SINTEG-Modellregionen neue technologische Loumlsungen und ihre Umsetzung unter anderem in den Bereichen Speicherung Sektorkopplung und Power-to-X Die damit verbundene Verknuumlpfung und integrative Betrachtung von Strom- Waumlrme- und Verkehrssektor birgt viele Potenziale bei deren ndash auch dezentraler ndash Nutzung digitale Technologien eine zentrale Rolle spielen (sollen) Insgesamt liegt der Fokus der aktuellen Energiewende-Politik stark auf der Effizienzsteigerung und ndash wie bisher ndash erneuerbaren Energien als Wirtschaftsfaktor Neben der sicheren und bdquoleistbarenldquo Strom-versorgung geht es also um die Unterstuumltzung internationaler Wertschoumlpfungsketten sowie die Foumlrde-rung neuer Technologien und exportorientierter Unternehmen in Deutschland Klimapolitisch sind die aktuellen Maszlignahmen dagegen weniger ambitioniert weder wird Wachstum im Sinne einer Suffi-zienzstrategie in Frage gestellt noch werden Ansaumltze der Kreislaufwirtschaft im Sinne einer Konsistenz-strategie an zentraler Stelle beruumlcksichtigt Die regionale Ebene und zivilgesellschaftliche Initiativen sind nur von untergeordneter Bedeutung und dienen ndash so wie bei SINTEG ndash vor allem der Hebung von (weiteren) Effizienzpotenzialen (hier in den regionalen Verteilnetzen) und weniger einer breiten Betei-ligung von Buumlrgern und Zivilgesellschaft Aus geographischer Perspektive laumlsst sich konstatieren dass die hier diskutierten aktuellen Maszlignah-men der Energiewende-Politik zwar dezentrale bzw regionale Strukturen beruumlcksichtigen und nutzen jedoch insbesondere zur Effizienzsteigerung und weniger um damit partizipative Strukturen zivilge-sellschaftliches Engagement oder Debatten zur Nachhaltigkeit der Energiewende zu befoumlrdern Dieses Defizit kann jedoch durch einen kreativen Umgang seitens der genannten Akteure gemildert werden So koumlnnen in den gefoumlrderten Maszlignahmen und Projekten bei entsprechenden Interventionen bzw Engagements neue Formen der lokalen Koordination und Steuerung (weiter)entwickelt bzw auspro-biert werden (Becker amp Naumann 2017) Daruumlber hinaus bieten die Maszlignahmen im Allgemeinen und die konkreten Projekte vor Ort einen Anlass fuumlr Debatten uumlber die damit verfolgten Nachhaltigkeits-strategien In solchen Debatten koumlnnen gegenuumlber der zurzeit vorherrschenden Effizienz- und Markt-orientierung der deutschen Energiewende-Politik Fragen des Gemeinwohls sowie der Verteilungs- und Verfahrensgerechtigkeit staumlrker in den Vordergrund geruumlckt werden So wuumlrde der Next Level der Energiewende nicht der effizienz- und marktorientierten (Wirtschafts-)Politik uumlberlassen sondern eine Mitgestaltung durch Zivilgesellschaft und kritische regionale Akteure erreicht

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10 Jahre Forschung und Lehre zur Energieraumplanung am Institut fuumlr Raumplanung an der TU Wien Erfahrungen und Ausblick

Hartmut Dumke (1) Rudolf Giffinger (2) und Kurt Weninger (3)

DOI 10347261031

(1) UnivAss Dipl-Ing Dr techn Forschungsbereich Regionalplanung und Regionalentwicklung Institut fuumlr Raumplanung TU Wien ORCID 0000-0002-8111-9083

(2) UnivProf Magrernat Drtechn Forschungsbereich Stadt- und Regionalforschung Institut fuumlr Raumplanung TU Wien

(3) Senior Lecturer Dipl-Ing Dipl-Ing Forschungsbereich Bodenpolitik und Bodenmanagement Institut fuumlr Raumplanung TU Wien

Abstract

Nicht erst seit 10 Jahren sind die Anforderungen an die Energiewende verschaumlrft worden aber seit etwa 10 Jahren ist bdquoEnergieraumplanungldquo (ERP) ein wichtiger Forschungs- und Lehrschwerpunkt am Institut fuumlr Raumplanung der TU Wien geworden Der vorliegende Artikel zeigt dazu zunaumlchst die Kon-solidierung im Verstaumlndnis der Energieraumplanung in Oumlsterreich auf und gibt einen Uumlberblick uumlber die vielfaumlltige aber auch sehr heterogene Situation im Umgang mit dem Steuerungsinstrumentarium der Institutionalisierung und den Formen ihrer Verbindlichkeit in den Bundeslaumlndern Danach folgt ein Uumlberblick der wichtigsten Projekte und Lehraktivitaumlten zum Thema ERP seit 2011 am Institut fuumlr Raum-planung Der Artikel schlieszligt mit zwei Anforderungen zur verbesserten Wirksamkeit in Hinblick auf Ziele der Klimapolitik ndash dies vor allem aufgrund unbefriedigender Qualitaumlt und Verfuumlgbarkeit von Grundlagendaten und bislang unzureichender Serialitaumlt und Verbindlichkeit bisheriger ERP-Erfolge

Schluumlsselbegriffe

Energieraumplanung Institut fuumlr Raumplanung ERP Forschungsprojekte und -lehrveranstaltungen Modellierungen Serialitaumlt Verbindlichkeit Dumke H Giffinger R Weninger K (2021) 10 Jahre Forschung und Lehre zur Energieraumplanung am Institut fuumlr Raumpla-nung an der TU Wien Erfahrungen und Ausblick In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumpla-nung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S130-145

Dumke Giffinger Weninger (2021) 10 Jahre Forschung und Lehre zur Energieraumplanung am Institut fuumlr Raumplanung an der TU Wien Erfahrungen und Ausblick DOI 10347261031

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Inhalt Einleitung 132

Zur (Energie-)Raumplanung in Oumlsterreich 133

Rechtlicher Rahmen 133

Konsolidierung im Verstaumlndnis 133

10 Jahre Energieraumplanung in der forschungsgeleiteten Ausbildung 135

Wichtige evidenzbasierte transformative Forschungsprojekte zur Energieraumplanung 137

Problem- und umsetzungsorientierte Lehre zur Energieraumplanung 138

Zukuumlnftige Anforderungen an die Energieraumplanung 139

Resuumlmee und Ausblick 141

Literatur 142

Dumke Giffinger Weninger (2021) 10 Jahre Forschung und Lehre zur Energieraumplanung am Institut fuumlr Raumplanung an der TU Wien Erfahrungen und Ausblick DOI 10347261031

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Einleitung

Vor dem Hintergrund steigender Treibhausgasemissionen aber auch zunehmend klarer klimapoliti-scher Ziele stellen sich in den letzten Jahren verschaumlrfte Anforderungen zur Energiewende Dies sind insbesondere Anforderungen zur Verbesserung der Energieeffizienz (weniger Endenergieeinsatz bei gleichbleibendem Niveau der Lebensqualitaumlt) und Fragen des Umstiegs auf erneuerbare Energien Seit 2015 strebt die Europaumlische Union (Europaumlische Kommission 2015) eine Klimaunion mit dem uumlberge-ordneten Ziel an den Buumlrgern wie Buumlrgerinnen und Betrieben in den Mitgliedsstaaten sichere nach-haltige wettbewerbsfaumlhige und leistbare Energie anzubieten Zur Verminderung von Treibhausgasen (THG) empfehlen die Strategiedokumente der EU neben anderen Domaumlnen vor allem die Verbesserung der Energieeffizienz und den verstaumlrkten Einsatz erneuerbarer Energien auf Basis der Vereinbarungen von Paris (COP 21) Deren Umsetzung soll uumlber verschiedene Ansaumltze auf Ebene der EU und der einzel-nen Mitgliedstaaten erfolgen (Europaumlische Kommission 2015) Die schlieszliglich 2018 uumlberarbeitete Richtlinie von 2010 sieht zudem eine erhoumlhte Reduktion der Emissionen von mindestens 40 bis 2030 (Europaumlische Kommission 2021) vor wobei derzeit diese Ziele auf nationaler Ebene weiter praumlzisiert werden Diese Richtlinie forciert somit Energieeffizienz durch Nutzung geeigneter Technologien und Entwicklung innovativer Produkte durch verstaumlrkte Investitionen im Gebaumludesektor (insbesondere auch thermische Sanierung) (European Commission 2018) Damit im Zusammenhang steht auch das Ziel zum Umstieg und zur Erhoumlhung der Verwendung von erneuerbarer Energie die bis 2030 zumindest auf 32 steigen soll In Oumlsterreich sieht der integrierte nationale Energie- und Klimaplan die Reduktion der THG-Emissionen um 36 (gegenuumlber 2005) sowie die Erhoumlhung des Anteils erneuerbarer Energie am Bruttoendenergieverbrauch auf 46-50 und die 100ige Deckung des Stromverbrauchs aus Er-neuerbaren vor (BMNT 2019) Der Raumplanung und speziell der Energieraumplanung wird dabei eine wichtige integrale Rolle bezuumlglich Energieverbrauch und -versorgung zugemessen Raumplanung beschaumlftigt sich in Oumlsterreich schon seit langem mit Fragen der Trassenplanung zur Ener-gieversorgung und Standortsicherung zur Energieproduktion vor allem von Wasser- und Heizkraftwer-ken Diesen Aufgaben kommt sie aufgrund der verfassungsrechtlich definierten Kompetenzverteilung im Rahmen von Gemeinde- Stadt- und Regionalplanung klar nach Sie muss sich aber neben diesen Aufgaben heute mehr denn je neuen Aufgaben zur Unterstuumltzung der der Energiewende auf unter-schiedlichen Ebenen stellen Es bedarf somit vor allem einer effektiven Energieraumplanung die die Energieeffizienz im Gebaumludesektor und Siedlungsbereich sowie im Verkehrs- und Mobilitaumltsbereich forciert und den Umstieg in der Bereitstellung und Nutzung von erneuerbarer Energie voranbringt Das Institut fuumlr Raumplanung (vormals Department fuumlr Raumentwicklung Infrastruktur- und Umwelt-planung) an der TU Wien traumlgt diesen Herausforderungen seit 10 Jahren verstaumlrkt Rechnung indem es sich in Forschung und Lehre der Themen Energiepotenziale -bedarf -einsparungen und Mobilitaumlt an-nimmt Daraus entstand ein eigenstaumlndiger Ausbildungsschwerpunkt zur Energieraumplanung (ERP) In diesem Beitrag soll nun gezeigt werden wie sich ERP in Oumlsterreich im Laufe der letzten Jahre kon-solidiert und ein gemeinsames Verstaumlndnis herauskristallisiert hat Dazu werden als erstes die wich-tigsten rechtlichen Grundlagen kurz dargestellt und auf Basis verschiedener Beitraumlge und Dokumente aus den letzten Jahren das Verstaumlndnis von ERP zu einer zeitgenoumlssischen Definition verdichtet wozu auch Publikationen aus dem Institut fuumlr Raumplanung wesentlich beigetragen haben Zur Beschrei-bung zeitgenoumlssischer Fragestellungen werden die wichtigsten Schwerpunkte aus Forschung und Lehre aus dem Institut fuumlr Raumplanung aus den letzten Jahren dargestellt Darauf aufbauend werden die wichtigsten zukuumlnftigen Anforderungen an Forschung und Ausbildung zu Problemen der Energie-wende sowie Mitigation und Adaption entwickelt

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Zur (Energie-)Raumplanung in Oumlsterreich

Rechtlicher Rahmen

Gemaumlszlig der Erkenntnis des VfGH ist Raumordnung bdquokeine fuumlr sich stehende Verwaltungsmaterieldquo son-dern ein Buumlndel von Planungsbefugnissen (Verfassungsgerichtshof (VfGH) 1954) Das Raumplanungs-recht gilt somit als Querschnittsmaterie (Leitl 2006 S 106) wobei sie insofern als Landessache gilt als sie nach Art 10 bis 12 B-VG nicht explizit in die Zustaumlndigkeit des Bundes faumlllt Gemaumlszlig Art 15 B-VG faumlllt die allgemeine und integrierte Raumplanung somit den Laumlndern zu was sie sie daher von den Verwal-tungskompetenzen in Deutschland und der Schweiz klar unterscheidet Gleichzeitig durchbrechen sektorale Fachplanungskompetenzen des Bundes wie das Forstwesen der Bergbau das Eisenbahnwe-sen und das Wasserrecht diese grundsaumltzliche Zustaumlndigkeit der oumlsterreichischen Bundeslaumlnder fuumlr Raumplanung (vgl Kanonier 2013 S 24) Auszligerdem faumlllt die Vollziehung der oumlrtlichen Raumplanung nach Art 118 Abs 3 Z 9 B-VG in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden Weiters bestehen zu Aufgaben der Energieraumplanung noch eine Reihe rechtlicher Regelungen ins-besondere Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG zur Luftreinhaltung sowie Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG zur gewerbsmauml-szligigen Versorgung mit Fernwaumlrme und Gas in denen Gesetzgebung und Vollziehung sowie Installati-onsauflagen und Gebaumludestandards als Bundes- oder Landessache geregelt sind Nicht zuletzt ist als neueste rechtliche Regelung das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG 2020) zu nennen zu dem bis Ende Oktober 2020 Stellung genommen werden konnte Mit diesem Gesetz soll der Ausbau von Energie aus erneuerbaren Quellen geregelt werden und gleichzeitig verschiedene Gesetze zu weiteren erneuerba-ren Energiequellen sowie zur Energie- und Elektrizitaumltswirtschaft und zum Infrastrukturausbau geaumln-dert werden Der Beschluss war urspruumlnglich fuumlr den 112021 geplant steht aufgrund von andauern-den politischen Verhandlungen aber nach wie vor aus (DER STANDARD 2021) Das EAG 2020 (Parlament der Rep Oumlsterreich 2020) wird die Rahmenbedingungen fuumlr die Oumlkostromerzeugung weit-gehend aumlndern um in Zukunft privaten Stromerzeugern und Energiegemeinschaften Wege zur dezent-ralen Erzeugung und Nutzung zu ermoumlglichen Durch diese neuen Rahmenbedingungen soll der 100ige Umstieg auf Oumlkostrom1 bis zum Jahr 2030 ermoumlglicht werden indem die Oumlkostromproduk-tion mit zusaumltzlich ca 56 TWh um 48 gegenuumlber der derzeitigen Erzeugung vergroumlszligert wird (KPMG law 2020) Die weitaus groumlszligten Zuwaumlchse werden bei Photovoltaik (+1100 ) und bei Windkraft (+140 ) erwartet Da die Nutzung von beiden erneuerbaren Energiequellen das Mobilisieren groszliger Flaumlchen nebst neuen Standortanforderungen bringt wird rasch einsichtig dass in den naumlchsten Jahren groszlige Anforderungen an die ERP zukommen

Konsolidierung im Verstaumlndnis

Die Diskussion und Kennzeichnung was in Oumlsterreich unter Energieraumplanung zu verstehen sei hat in den letzten Jahren an Intensitaumlt zugenommen und an Praumlzision gewonnen Die Oumlsterreichische Raumordnungskonferenz OumlROK versteht unter Energieraumplanung

bdquoDie Herangehensweise mit der Gemeinden ihre Energie- und Klimazukunft nach-haltig positiv gestalten koumlnnen Das groszlige Ziel dabei ist Energie zu sparen Kosten zu senken und drastisch weniger CO2 auszustoszligenldquo (Oumlsterreichische Raumordnungskonferenz 2019)

1 Gemessen in rechnerischer Gesamtjahresbilanz haumllt Oumlsterreich aktuell bei einem erneuerbar gewonnenen Stromanteil (va

Wasserkraft) von 77 (BMK 2020) Dies ist zwar ein Spitzenwert im europaumlischen Vergleich es sollte dabei aber nicht vergessen werden dass die Energiebedarfe fuumlr Waumlrme und Mobilitaumlt etwa fuumlnf Mal so hoch sind als die fuumlr Elektrizitaumlt - bei gleichzeitig noch erheblich niedrigerem erneuerbaren Energie-Anteil

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Die Taumltigkeitsschwerpunkte liegen auf den drei Themen Energie Mobilitaumlt und Siedlungen also auf dem Umstieg auf erneuerbare Energiequellen auf kompakten Siedlungen mit bdquokurzen Wegenldquo im Sied-lungsgefuumlge (Stadt Region umweltfreundliche Verkehrsverbuumlnden) sowie auf verkuumlrzten Weglaumlngen und Lieferstrecken zwischen Produktion und Konsum von Energie Damit soll insbesondere das Ziel 11

(nachhaltige resiliente Staumldte und Gemeinschaften) der Sustainable Development Goals SDGs (United Nations 2015) unterstuumltzt werden Die Oumlsterreichische Raumordnungskonferenz OumlROK2 als ko-ordinierende Stelle zwischen Fachministerien und den ver-schiedenen Planungsebenen in Oumlsterreich (EU ndash Bund ndash Laumln-der ndash Gemeinden) etablierte die sogenannte Energiepart-nerschaft auf regionaler und lokaler Ebene Damit will die OumlROK strategische Ziele zur Energieeinsparung sowie zum Umstieg aus dem Potentialdreieck Mobilitaumlt - Siedlung ndash Energie forcieren

Abb 1 Das Potenzialdreieck bdquoMobilitaumlt-Siedlung-Energieldquo Quelle Oumls-terreichische Raumordnungskonferenz 2019

Das Umweltbundesamt UBA sieht fuumlr die Energieraumplanung einen neuen Instrumentenmix in den Bereichen Flaumlchenausweisung -recycling Oumlkologisierung des Finanzausgleichs sowie einer Nutzungs-steuer (Umweltbundesamt Oumlsterreich 2020) Deutlich umfassender als die doch sehr heterogenen Auffassungen von Energieraumplanung der Bun-deslaumlnder sind die Definitionen aus der wissenschaftlichen Sicht der Raumplanung Das Institut fuumlr Raumplanung Umweltplanung und Bodenordnung IRUB an der Universitaumlt fuumlr Bodenkultur Wien ver-steht dementsprechend Energieraumplanung

bdquoals Teilgebiet der Raumplanung mit den raumlumlichen Dimensionen von Energiever-brauch und Energieversorgung Sie ist ein wesentlicher Bestandteil zur Erfuumlllung der internationalen Klimaschutzziele Als Pendant zur Energieeffizienz von Gebaumluden gibt es auch energieeffiziente Raum- und Siedlungsstrukturen die sich durch Funk-tionsmischung maszligvolle Dichte kurze Wege und Kompaktheit auszeichnen Raumlum-liche Dimensionen der Energieversorgung liegen in der Standortsicherung von Ener-giegewinnungs- -verteilungs- und -speicheranlagen Daruumlber hinaus sind Flaumlchen fuumlr die Bereitstellung erneuerbarer Ressourcen zu sichern Dies ist unter moumlglichster Vermeidung von Landnutzungskonflikten vorausschauend zu planenldquo (Institut fuumlr Raumplanung Umweltplanung und Bodenordnung (IRUB) 2012)

Am Institut fuumlr Raumplanung an der TU Wien sieht Hartmut Dumke in seiner Dissertation fuumlr die Ener-gieraumplanung sehr heterogene Anforderungen - ausgehend vom sehr groszligen Konfliktpotenzial un-ter sich aumlndernden Bedingungen sowie der Vielfalt an Themen (Waumlrme Elektrizitaumlt Mobilitaumlt) Er de-finiert Energieraumplanung als ein integratives Bemuumlhen um die drei Zieldimensionen energietechni-sche Sanierung von Gebaumluden Erhoumlhung des Anteils erneuerbarer Energie und Senken des Energiebe-darfs im Siedlungsgefuumlge (Dumke 2017 S 21ndash22)

2 In Oumlsterreich ist Raumplanung (siehe dazu naumlchstes Kapitel bdquorechtliche Grundlagenldquo) in der Kompetenz der Bundeslaumlnder

Motivation fuumlr die Gruumlndung OumlROK war ua trotz dieser Tatsache einen bundeslanduumlbergreifenden Diskurs in der Raum-planung und Raumordnung zu ermoumlglichen

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Diese Denkweise haben mittlerweile auch strategische Konzepte auf Bundesebene aufgenommen al-lerdings verbunden mit dem Appell dass die Verankerung im Steuerungsinstrumentarium noch groszlig-teils aussteht

bdquoEine uumlberregional koordinierte und vorausschauende Energieraumplanung vor al-lem in Hinblick auf groszlige Infrastrukturprojekte fuumlhrt zu einer Reduktion des Kon-fliktpotenzials und dadurch zu einer houmlheren Akzeptanz in der Bevoumllkerung [ hellip] Dabei koumlnnen moderne integrierte Energiekonzepte in der Raumplanung zur Ent-scheidungsfindung bei Flaumlchenwidmung der Investition in Infrastruktur sowie Vergabe von Foumlrderungen wie der Wohnbaufoumlrderung eingesetzt werden Wichtig ist auch die Verankerung der Energieraumplanung in den Raumordnungsgesetzen bzw den Bauordnungen der Bundeslaumlnder wofuumlr es bereits erfolgreiche Beispiele gibtldquo (BMNT 2019)

Fasst man diese Perspektiven unter Beruumlcksichtigung der Einwaumlnde und Anforderungen einer Reihe von befragten Experten und Expertinnen an die ERP zusammen dann kann sie folgendermaszligen fuumlr die Planung in Oumlsterreich gekennzeichnet werden (vgl Giffinger et al 2020 S 9)

Energieraumplanung ist als zunehmend eigenstaumlndiges Teilgebiet der Raumpla-nung zu betrachten die unter Beruumlcksichtigung der raumlumlichen Dimensionen darauf abzielt Klimaziele zu unterstuumltzen Dies erfolgt durch Steuerungsansaumltze welche helfen den Energieverbrauch zu reduzieren und Energieversorgung und -bereitstel-lung unter Einsatz moderner Technologien dezentral und nachhaltig zu gestalten Wichtigste drei Zieldimensionen sind Energieeinsparung unter Beibehaltung der Versorgungssicherheit Umstieg und Steigerung des erneuerbaren Energieanteils am Gesamtbedarf und eine Veraumlnderung der Mobilitaumltsentwicklung auf Basis kom-pakter Siedlungen und umweltfreundlicher Mobilitaumltssysteme Angesichts der be-nannten Ziele zaumlhlen (1) das Flaumlchenmanagement zur Reduktion des Flaumlchenver-brauchs (2) die Bereitstellung von Flaumlchen zur Produktion und Nutzung erneuerba-rer Energieressourcen und (3) die Sicherung neuer Trassen zur Energie-Versorgung zu den Hauptaufgaben der Energieraumplanung Energieraumplanung bedarf an-gesichts der territorial spezifischen Rechtsbedingungen (international-national-fouml-deral-kommunal) eines integrierten Ansatzes zur Unterstuumltzung von Transformati-onsprozessen in einer Mehr-Ebenen Perspektive

International ist das Konzept bdquoEnergieraumplanungldquo mittlerweile als bdquoIntegrated spatial and energy planningldquo bekannt geworden und wurde von Oumlsterreich aus in die globale Fachwelt verbreitet Auch wenn der englische Begriff nicht dieselbe Kraft hat wie das deutsche Wort bdquoEnergieraumplanungldquo ist die Synergie zwischen den SDGs und den neun Handlungsfeldern der Energieraumplanung thematisch offensichtlich und wurde mittlerweile auch schluumlssig argumentiert (Stoumlglehner 2020)

10 Jahre Energieraumplanung in der forschungsgeleiteten Ausbildung

In der nun 50-jaumlhrigen Geschichte der Studienrichtung Raumplanung an der TU Wien ist das Thema Raumplanung ndash Energiebedarf ndash Ressourcenverbrauch seit jeher mehr oder weniger explizit in den Forschungs- und Ausbildungsschwerpunkten beruumlcksichtigt worden Einen guten Uumlberblick zur Ent-wicklung und Sichtweisen bieten hierzu die vielfaumlltigen Beitraumlge aus den Forschungsbereichen des In-stituts fuumlr Raumplanung (siehe Dillinger et al (2020) zu einzelnen Thematiken)

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Eine sogenannte Anschubfinanzierung durch die TU Wien fuumlhrte zu einer uumlber mehrere Forschungsbe-reiche koordinierten Beschaumlftigung zu Fragen der Energieraumplanung im Rahmen des Projekts ENUR ndash Energie im urbanen Raum 2012 bis 2014 (Department fuumlr Raumplanung 2013) Wichtige Ergebnisse des Projektes waren Analysen und Modellierungen des Energiebedarfs in den Bereichen WaumlrmeKuumlh-len und Mobilitaumlt in unterschiedlichen Raumbezuumlgen Rebound-Effekte bei Energieeinsparungen Governance-Analysen zur Energieraumplanung sowie Visualisierung von Energiekennzahlen in der oumlrt-lichen Planung Die Forschungsaktivitaumlten brachten eine Reihe von spezifischen Grundlagen wie fol-gende Abbildungen beispielhaft veranschaulichen3

Abb 2 Projekt ENUR Oumlsterreichweites Ras-termodell (250 x 250 m) zum Heizwaumlrmebe-darf in kWh pro Jahr und Einwohner und Ein-wohnerinnen Quelle Department fuumlr Raum-planung 2013

Abb 3 Projekt ENUR Gebaumludegenaue 3D-Modellierung von Energiekennzahl-Werten in Feldkirch Vorarlberg Quelle Department fuumlr Raumplanung 2013

Abb 4 Projekt ENUR Beispiel eines Akteurs-mappings Quelle Department fuumlr Raumpla-nung 2013

Diese Arbeiten waren Ausgangspunkt fuumlr die Etablierung des Themas Ener-gieraumplanung in der Studienrich-tung Raumplanung und Raumord-nung

3 Weitere Informationen und Abbildungen finden sich auf der Projektwebsite httpenurprojecttuwienacat

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Eine inzwischen groszlige Vielfalt von Forschungsprojekten sowie ein Doktoratskolleg zum Thema bdquoEnergy Awareness of urban and regional Developmentldquo erbrachte neben Publikationen eine Reihe entspre-chender praxisorientierter studentischer Projekte Seminare und Vorlesungen in der Studienrichtung vgl hierzu auch die Projektdatenbank der TU Wien (TU Wien 2021a) und die Publikationsdatenbank der TU Wien zum Schwerpunkt Umwelt und Energie (Schlagwort-Suche unter Fakultaumlt fuumlr Architektur und Raumplanung 2021) sowie die Lehrveranstaltungsangebote seit 2010 Da man dieser Vielfalt in der weiteren Darstellung nicht umfassend gerecht werden kann werden im folgendem zwei spezifi-sche Entwicklungslinien in Forschung und Lehre der letzten Jahre im Mittelpunkt erlaumlutert

Wichtige evidenzbasierte transformative Forschungsprojekte zur Energieraumplanung

Auf Basis programmatischer Foumlrderansaumltze zur Forcierung der Energiewende erfolgten im Institut fuumlr Raumplanung eine Reihe von Projekten zur Grundlagenforschung wie auch zur Prozessgestaltung Grundlagenforschung zur Energie- und Mobilitaumltswende erfolgte zum Beispiel in Projekten

bull zum kleinraumlumigen Energiebedarf (HeizenKuumlhlen) in den Siedlungsstrukturen Oumlsterreichs (ENUR ndash Energie im urbanen Raum Energieraumlumliche Typologie Wien AnergieUrban) oder zu den gebaumludespezifischen Energie-Einsparungspotentialen durch Sanierung im Projekt E_Profil

bull in einer bdquoVorstudie zum Fachkonzept bdquoEnergie-Raum-Planungldquo zu einigen Zielstellungen fuumlr verbindliche Verordnungen in der Wiener Bauordnung

bull zu den Erreichbarkeitsbedingungen nach verschiedenen Verkehrstraumlgern und deren subjekti-ver Einschaumltzungen zur Optimierung des Verkehrsangebots (Mobility2know GesMo ENUR active8 Remihub) und Beeinflussung des Nutzerverhaltens im Bereich der Shared Mobility (z B MICHAEL LaraShare Klimaentlaster) fuumlr eine nachhaltige und bedarfsorientierte Mobili-taumltsentwicklung

Forschung zur Prozessgestaltung erfolgte mithilfe sehr unterschiedlicher transdisziplinaumlrer Ansaumltze

bull Unter Verwendung eines mehrdimensionalen Profil-Ansatzes wurde im Projekt E_Profil ein evidenzbasierter Ansatz zum Vergleich IST-Profil und zukuumlnftiges SOLL-Profil zur Gestaltung der Energiewende in Form eines digitalen Tools erarbeitet um auf Ebene von Stadtquartieren Transitionsprozesse transparent zu gestalten

bull Um innovative Energieprojekte in strukturschwachen Regionen zu realisieren wurde im Pro-jekt PLAISIR herausgearbeitet welche Bedeutung dabei insbesondere sozialem Kapital zur Un-terstuumltzung einer an Ressourcen orientierten Energieraumplanung zukommt

bull Um die Mobilitaumltswende zu forcieren wurde im Projekt ULTIMOB vor dem Hintergrund mo-derner Technologien das Hauptaugenmerk auf das Zusammenspiel zwischen Verhalten der Nutzenden und Governance gelegt

bull Im Sinne transdisziplinaumlrer Forschung zur Mobilitaumltswende schafft das urbane Mobilitaumltslabor aspernmobil LAB im Sinne der bdquoquadruple helixldquo eine Forschungsumgebung um effiziente und praxisnahe Mobilitaumltsloumlsungen zu erarbeiten

bull Um die Effektivitaumlt von Strategien von Staumldten und Gemeinden angesichts von Klimawandel und Wettbewerbsdruck zu verbessern sind Projekte zum Thema Smart City durchgefuumlhrt wor-den Diese Projekte (Smart City Graz Planning Energy Efficient Cities ndash PLEEC Smart Kom Kra-kow Smart City Ebreichsdorf) entwickeln unter Einbeziehung von Stakeholdern aus den unter-schiedlichsten Fachbereichen der Stadtentwicklung in Befragungen Workshops und Arbeits-gruppen oder Netzwerken eine Reihe von strategischen Projekten zur Energie- und Mobilitaumlts-wende

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Problem- und umsetzungsorientierte Lehre zur Energieraumplanung

Aufbauend auf den oben beschriebenen Forschungsprojekten wurde mit Einfuumlhrung des Mastercurri-culums im Jahr 2012 das Thema verstaumlrkt in den Grundlagenlehrveranstaltungen und auch als vertie-fender Ausbildungsschwerpunkt in einem Wahlmodul Energieraumplanung verankert Im Fokus steht die Vermittlung von Steuerungsmoumlglichkeiten zu Fragen der energiebewussten Stadt- und Regional-entwicklung vor dem Hintergrund von Klimawandel und Ressourcenknappheit Die dabei benoumltigten Grundlagen zu den treibenden Faktoren im raumlumlich differenzierten Energiebedarf bezuumlglich Infra-strukturen und Mobilitaumlt Bebauungs- und Siedlungsstrukturen sowie Anforderungen an energie- und ressourcenschonende raumlumliche Entwicklung werden von den Studierenden im Rahmen der Lehrver-anstaltungen des Moduls erarbeitet Die Moumlglichkeiten aber auch die Grenzen der Raumplanung zur Reduzierung des Bedarfs einerseits sowie zur Steuerung einer nachhaltigen Versorgung (Einsparung Verlagerung auf erneuerbare Ressourcen) andererseits werden unter strategisch-konzeptiven und in-strumentellen Aspekten identifiziert diskutiert und kreativ weiterentwickelt um die entsprechenden Planungs- und fuumlr maszliggeschneiderte Loumlsungsvorschlaumlge zu definieren In der Hauptvorlesung werden einerseits Grundlagen und Kennzahlen im Bereich Energie rechtliche Rahmenbedingungen und ener-giepolitischen Ziele sowie Potenziale erneuerbarer Energietraumlger (mit Fokus auf Oumlsterreich) vermittelt Andererseits wird groszliges Augenmerk auf die Analyse der Energieeffizienz von Raum- und Siedlungs-strukturen sowie auf die direkten und indirekten Schnittstellen der Bereiche bdquoEnergieldquo (in den Dimen-sionen Waumlrme Strom Mobilitaumlt) und bdquoRaumplanungldquo sowie auf moumlgliche Steuerungsansaumltze gelegt In einer Vorlesungsuumlbung werden anhand ausgewaumlhlter (Praxis-)Beispiele die wesentlichen Schritte fuumlr eine erfolgreiche Energieraumplanung durchgefuumlhrt ndash die Studierenden beschaumlftigen sich dabei eigenstaumlndig mit der Evaluierung des Potenzials erneuerbarer Energietraumlger und Entwicklung von Sze-narien und Entwicklungsstrategien zur Optimierung bzw Weiterentwicklung vorhandener Raum- und Energiestrukturen Erstellung von Energieplaumlnen und Der Vermittlung der Ergebnisse an unterschied-liche Stakeholder Das schematische Vorgehen insbesondere in den praktischen Teilen folgt dem ab-gebildeten Prozess

Abb 5 Schematischer Ablauf der VU Energie- und klimarelevante Ana-lyse und Planung im WS 20192020 in Koopera-tion mit der Klima- und Energiemodell Region so-wie der Marktgemeinde Voumlsendorf Quelle Ei-gene Bearbeitung nach Dumke et al 2017a

Eine Reihe von weite-ren Vorlesungsuumlbun-gen vertiefen die Her-ausforderungen zur Steuerung von mitigativen und adap-tiven Prozessen hin zu

einer klimagerechten Entwicklung Dabei wird das Hauptaugenmerk auf die Qualitaumlt des Steuerungs-verstaumlndnisses gelegt einerseits durch die Analyse und Bewertung von Strategieplaumlnen und Marke-ting-Konzepten und andererseits von neuartigen Living Labs in verschiedenen Varianten Weitere Vor-lesungsuumlbungen fokussieren gezielt auf zukuumlnftige Planungsanforderungen um die Studierenden rechtzeitig auf neue Fragestellungen vorzubereiten

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Das Interesse die Nachfrage und die Leistungsbereitschaft der Studierenden sind dabei erfahrungsge-maumlszlig sehr hoch auch die Resultate wissen zu uumlberzeugen Im Folgenden ein Beispiel hierzu

Abb 6 Ergebnis studenti-scher Projektarbeit Quelle Marktgemeinde Voumlsendorf Klima- und Energiemodellre-gion Voumlsendorf Institut fuumlr Raumplanung (TU Wien) 2019

In Seminaren wird das Verstaumlndnis von Nachhaltigkeit Mitigation und Adaption Smart City oder wie zuletzt von Klimawandel und Resilienz in der Stadt- und Regionalentwicklung kritisch hinterfragt Ziel dieser Seminare ist das Vertiefen konzeptiver Ansaumltze um in eigenstaumlndiger Arbeit entsprechende Strategien von Staumldten und Regionen zu bewerten sowie Empfehlungen aus der Sicht der (Energie-) Raumplanung in einem prozessorientierten Verstaumlndnis zu erarbeiten

Zukuumlnftige Anforderungen an die Energieraumplanung

Betrachtet man Energieraumplanung aus der OumlROK-Perspektive als bdquoTeil der Raumplanungldquo so laumlsst sich sagen dass sowohl das bestehende (klassische) Instrumentarium als auch die (klassischen) Ziele der Raumplanung zur Steuerung der Siedlungsentwicklung auch fuumlr die Energieraumplanung geeignet sind Aufgrund der Erfahrungen zu zunehmend komplexeren Aufgaben der ERP ist aber auch zu beto-nen dass in der Umsetzung aufgrund der Kompetenzsplittung der Raumplanung zwischen Bundeslaumln-dern und Gemeinden sowie von Fachmaterien uumlber verschiedene Bundesministerien ein klares Defizit festzustellen ist (Schremmer 2020) Es braucht offenbar ein klar integratives auf die lokalen Bedingun-gen und Interessen abgestelltes Verstaumlndnis von ERP um veraumlnderte Flaumlchenanspruumlche und -nutzun-

gen zu koordinieren und Transitionsprozesse zur Energiewende effektiv steuern zu koumlnnen Ab-bildung 7 verdeutlicht die heute komplexen Anforderungen und Wir-kungsbereiche noch-mals denen sich die ERP heute gegenuumlbersieht

Abb 7 Wechselwirkungen Raumplanung und Energie Quelle Eigene Abbildung

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Die geaumlnderten Anforderungen spiegeln sich in der aktuellen Studienplanreform wider und gehen ge-meinsam mit dem stark verflochtenen Bereich Mobilitaumlt in ein neues erweitertes und vergroumlszligertes Wahlmodul ein Neben den bereits bestehenden Themen wird besonders Wert auf die integrative Be-trachtung des Bereichs Mobilitaumlt im Kontext von Umwelt und Klima und damit auch in Verbindung mit Energiebedarf als eine unverzichtbare Schnittstelle zur Energieraumplanung gelegt Durch die inte-grierte Betrachtung von Mobilitaumlt Verkehr und Energie sollen planerische Strategien Konzepte und Maszlignahmen unter Einbeziehung spezifischer Wirkungsauspraumlgungen (z B fuumlr Raum Umwelt Wirt-schaft und Gesellschaft) und Wechselwirkungen (z B Energieverbrauch Umweltbeeintraumlchtigung hellip) selbststaumlndig erarbeitet werden (Quelle Moduldeskriptor Wahlmodul 4 ndash Mobilitaumlt und Energie) Fuumlr kuumlnftige Forschungs- und Lehrinhalte ergeben sich aus der bisherigen 10-jaumlhrigen Erfahrung in Lehre und Forschung zwei strategische Anforderungen um die Kompetenz der Absolventinnen und Absolventen zu verbessern Erstens geht es unter dem Begriff bdquoDatenlage Datenschutz und Modellie-rungenldquo darum wie trotz nach wie vor unbefriedigender und sehr heterogener Qualitaumlt der Daten eine Verbesserung in den Modellierungen der Energieraumplanung erreicht werden kann Folgende Anforderungen stellen sich daher

bull Bestehende Datenschichten wie der AGWR (Statistik Austria 2013) liefern derzeit unzu-reichend belastbare Grundlagen fuumlr Aussagen auf Ebene der Gebaumlude- und Siedlungseinheiten zur Modellierung und Abschaumltzung des Energiebedarfs Bislang erfolgte Modellierungsansaumltze ndash ergaumlnzt durch Energiekennzahlen oder Sanierungsraten ndash liefern nur sehr ungenaue Aussa-gen (Department fuumlr Raumplanung 2013) Vielversprechend waumlren etwa lokale Erhebungen (Fachbereich Stadt- und Regionalforschung 2017) oder der verstaumlrkte Einsatz von Open Data und cloudbasierten User- und Userinnendaten Solche Datenquellen sollten dann Zweck ori-entiert den verschiedenen Akteursgruppen und insbesondere jenen in Forschung und Lehre zugaumlnglich gemacht werden

bull Im Bereich der Mobilitaumlt hat sich bezogen auf die Datengrundlagen in den letzten zehn Jahren viel getan Aus Daten der Verkehrsauskunft Oumlsterreich (VAO) der Graphenintegrationsplatt-form (GIP) oder auch den zuletzt entwickelten OumlV-Guumlteklassen wurden Daten- und damit ver-bundene Planungsgrundlagen erarbeitet Im Sinne einer integrierten Planung waumlre es notwen-dig solche Daten in einem einfach handhabbaren Format fuumlr alle Planenden sowie in For-schung und Lehre zur Verfuumlgung zu stellen Zurzeit kommt es zu groszliger Ineffizienz aufgrund mangelnder Moumlglichkeiten des Zugangs zu diesen Datenquellen Zudem fehlen in Oumlsterreich praumlzise und kleinraumlumige Paneldaten zum Mobilitaumltsverhalten uumlber laumlngere Zeitraumlume und mehrere Zeitpunkte die Verhaltensaumlnderungen und -variationen zeigen wuumlrden

bull Die vielgehoumlrte Kritik Analysen und Modelle mit Gebaumlude- oder Quartiersgenauigkeit sei in Oumlsterreich nicht mit dem Datenschutz zu vereinbaren ist zu respektieren aber kritisch zu hin-terfragen Auch in anderen EU-Laumlndern gibt es Datenschutzgesetze aber dort existieren Grundlagendaten gebaumludegenau und diese Informationen sind oumlffentlich und kostenfrei zu-gaumlnglich (vgl u a FIZ Karlsruhe ndash Leibniz-Institut fuumlr Informationsinfrastruktur GmbH 2018 und City of Amsterdam 2018)

bull Zwar gibt es im Sinne der Energieraumplanung mittlerweile interessante rasterbasierte Grund-lagendaten und -auswertungen wenngleich noch bei weitem nicht oumlsterreichweit Bereits be-sonders gut einsetzbare Tools und Daten gibt es derzeit nur in der Steiermark in Wien und in Salzburg) Zugleich bilden aber kleinraumlumige Rasterdaten Siedlungen oder Quartiere als physi-schen und funktional-relationalen Raum ab den sozial-relationalen Entscheidungsraum gilt es durch geeignete Methodentriangulation zu erfassen Die kuumlnftige Lehre und Forschung muss daher in interdisziplinaumlren Ansaumltzen versuchen ERP auf Quartiersebene zu etablieren um sinnvolle Bezuumlge zwischen gebautem unbebautem und sozialen Raum zu entwickeln welche belastbare Aussagen zur Transformationsprozessen ermoumlglichen

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Zweitens muss kuumlnftig auch das bestehende und neu zu entwerfende Instrumentarium der Energie-raumplanung unter dem Blickwinkel von Serialitaumlt und Verbindlichkeit bewertet werden um deren Effektivitaumlt zu verbessern

bull Das bestehende rechtliche Instrumentarium enthaumllt bereits einige Steuerungsoptionen mit Be-zug zur Energieraumplanung ndash etwa direkte Festlegungen im Bebauungsplan die den Einsatz von erneuerbarer Energie unterstuumltzen oder indirekte z B die intensivierte Entwicklung der Siedlungsflaumlchen nach innen o auml Als weiteres Beispiel sei das Instrument von oumlrtlichen Ener-giekonzepten genannt ndash die zwar zum Teil auch als Bestandteile von oumlrtlichen Entwicklungs-konzepten in den Raumordnungsgesetzen genannt allerdings nicht verbindlich sind For-schung und Lehre sollte daher derartige Instrumente auf Ihre Wirksamkeit und Verbindlich-keitsbewerten bzw neue effektivere Instrumente entwickeln

bull Gerade im Bereich der Energieraumplanung stellt sich angesichts regionaler Verflechtungen zur Bereitstellung und zum Bedarf die Frage ob die Lenkungsverantwortung auf der kommu-nalen Ebene ausreichend effektiv sein kann Der Ansatz von Klima- und Energiemodellregionen ist daher unseres Erachtens eher zielfuumlhrend wenn Umsetzbarkeit und Zielerreichung der Energieraumplanung kuumlnftig verbessert werden sollen Nur so waumlren mehr verbindliche Vor-gaben (Empfehlungen aber auch Einschraumlnkungen etwa in Form von Energieraumplaumlnen mit Eignungs- und Ausschlusszonen) auf regionaler Ebene moumlglich um gewisse Energieformen in manchen Regionen gegenuumlber anderen zu priorisieren wie es zB in kantonalen Energiericht-plaumlnen in der Schweiz (Kanton Zuumlrich 2018) der Fall ist Vereinfacht gesagt gehoumlrt erforscht ob eine solche bdquoVerlagerung der Lenkungsverantwortungldquo von der kommunalen zur regiona-len und Bundeslandebene hin die bisherigen Erfolge der Energieraumplanung schneller und einfacher als bisher wiederholbar machen kann Eine Notwendigkeit zur verbesserten Planung und effektiveren Umsetzung ist es daher in der kuumlnftigen Lehre und Forschung der Energie-raumplanung bestehende Geschaumlftsmodelle auf der innerstaumldtischen Quartiersebene oder auf der regionalen Ebene von Territorien kritisch zu bewerten und neue Kooperationsformen zu entwerfen Obwohl es schon einige Vorschlaumlge dazu gibt (siehe u a Essig et al 2017 Madner und Parapatics 2016 Dumke et al 2017b oder Giffinger et al 2020) ist deren Konzeption und Wirksamkeit bislang nicht ausreichend erforscht und findet in der Lehre noch zu wenig Ein-gang

Resuumlmee und Ausblick

Angesichts ehrgeiziger Ziele und Anforderungen im Steuerungsinstrumentarium ist eine Reihe von Neuerungen und Ergaumlnzungen mit speziellem Fokus auf das Thema Energiewende notwendig Insbe-sondere bei der Energieproduktion wurde der Einsatz von eingriffsintensiven und sichtbaren Energie-traumlgern (Landschaftsbild Umwelt Flaumlchenbedarf) staumlrker reglementiert Trotzdem gilt insgesamt dass sich bereits mit dem bestehenden Instrumentarium etliche Aspekte der Energieraumplanung umset-zen lassen z B Beruumlcksichtigung des Themas im oumlrtlichen Entwicklungskonzept Ausweisung der not-wendigen Flaumlchen fuumlr Verdichtung Innenentwicklung sowie Ausweisung von Versorgungsflaumlchen fuumlr Energie Staumlrkere Beruumlcksichtigung energetischer Aspekte im Bebauungsplan etc (Weninger 2016) Allerdings waumlre es sehr wuumlnschenswert die Instrumente in Oumlsterreich auf der Stadtquartiersebene sowie auf der regionalen Ebene staumlrker zu forcieren Angesichts der steigenden Erwartungen werden trotz des umfassenderen Verstaumlndnisses der ERP Defizite zur effektiv gestalteten Energiewende deut-lich Neue Anforderungen an Forschung und Lehre sind deutlich erkennbar um die ERP besser zu etab-lieren und effektiver zu machen Es sind sowohl die Informationsgrundlagen als auch die Verbindlich-keit von Instrumenten auf ihre Brauchbarkeit kritisch in Forschung und Lehre zu bewerten sowie intel-ligente und kreative Vorschlaumlge zu neuen Ansaumltzen und Instrumenten zu entwickeln

Dumke Giffinger Weninger (2021) 10 Jahre Forschung und Lehre zur Energieraumplanung am Institut fuumlr Raumplanung an der TU Wien Erfahrungen und Ausblick DOI 10347261031

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Die Bemuumlhungen um eine bdquoEnergieraumplanungldquo in Oumlsterreich haben etwa 2009 begonnen und seit-her laufend an Bedeutung gewonnen dies ebenso im Institut fuumlr Raumplanung Politisch hat die Ener-gieraumplanung angesichts der draumlngenden Probleme des Klimawandels in den letzten Jahren kraumlftig Ruumlckenwind bekommen ndash sei es durch international koordinierte Initiativen und Vereinbarungen oder auf nationaler Ebene durch neue politische Konstellationen Trotzdem bleibt abzuwarten ob dieser Ruumlckenwind sich auch in einer staumlrker wahrgenommenen Lenkungsverantwortung auf nationaler und foumlderaler Ebene in Oumlsterreich manifestieren wird Eine Staumlrkung der regionalen Ebene aufgrund der erkennbaren Problemlagen aus Forschung und Lehre waumlre jedenfalls sehr dringlich

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  • Vorwort
    • Rudolf Giffinger Martin Berger Kurt Weninger Sibylla Zech
      • Energie und Klimaschutz in hoheitlichen Planungsprozessen beruumlcksichtigen ndash Bedarf Anwendungsfaumllle und Loumlsungsansaumltze aus der Praxis
        • Alexander Rehbogen (1) und Helmut Strasser (2)
          • Einleitung
          • These 1 Energie- und klimaschutzbezogene Inhalte sollten im Kontext der Raumplanung Beruumlcksichtigung finden
          • These 2 Drei Bereiche sind fuumlr die Beruumlcksichtigung energiebezogener Fragestellungen in der Raumplanung maszliggeblich Siedlungsstruktur und Gebaumludebestand Energieversorgungsinfrastruktur und die Nutzung lokaler erneuerbarer Ressourcen
          • These 3 Energiebezogene Inhalte sollen und koumlnnen direkt an bestehende Prozesse der Raumplanung anknuumlpfen
          • These 4 Die erforderliche Information zur Umsetzung von Raumlumlicher Energieplanung muss und kann standardisiert und effizient bereitgestellt werden
          • These 5 Notwendige Datengrundlagen in moumlglichst feiner Granularitaumlt und hoher Aktualitaumlt sind unter Beruumlcksichtigung des Datenschutzes verfuumlgbar zu machen
          • These 6 Den Bundeslaumlndern kommt eine Schluumlsselrolle in der Implementierung von raumlumlicher Energieplanung zu
          • Schlussfolgerungen Ausblick
          • Literatur
              • Das Sachbereichskonzept Energie in der Steiermark Ein Buumlndel aus rechtlicher Verankerung fachlichen Grundlagen fundierter Beratung und finanzieller Foumlrderung
                • Lore Abart-Heriszt (1) Dieter Preiszlig (2) und Michael Redik (3)
                  • Rahmenbedingungen des Landes fuumlr die Energieraumplanung in der Steiermark
                  • Energie- und Treibhausgasdatenbanken und die Ausweisung energieraumplanerischer Standortraumlume
                    • Kommunale Energie- und Treibhausgasdatenbank
                    • Rasterbasierte Energie- und Treibhausgasdatenbank
                    • Energieraumplanerische Standortraumlume
                      • Klimaschutz und das Foumlrderungsprogramm zur Energieraumplanung in der Steiermark
                      • Schlussbemerkung
                      • Literatur
                          • Energieraumplaumlne ndash ein Meilenstein am Weg zur nachhaltigen Energiezukunft Wiens
                            • Susanna Erker (1) Andrea Kinsperger (2) Herbert Hemis (3) und Bernd Vogl (4)
                              • Einleitung
                              • Wo stehen wir
                                • Die Waumlrmewende
                                • Erdgas und Fernwaumlrme im Waumlrmesektor
                                  • Wo wollen wir hin
                                  • Die Energieraumplaumlne ndash ein neues Planungsinstrument fuumlr die Waumlrmewende
                                    • Die Abgrenzung der Klimaschutz-Gebiete
                                    • Der Prozess hinter den Energieraumplaumlnen
                                    • Die Auswirkungen der Energieraumplaumlne
                                      • Wie geht es weiter
                                      • Literatur
                                          • Energieraumplanung Das oumlsterreichische Instrumentarium im IST und SOLL
                                            • Hartmut Dumke (1) und Stefan Geier (2)
                                              • Einleitung
                                              • Erfolgsgeschichten
                                              • Instrumente der (E)RP
                                              • Fazit
                                              • Literatur
                                                  • Datenlandschaft der Energieraumplanung ndash eine Standortbestimmung
                                                    • Robert Kalasek (1) und Florian Puumlhringer (2)
                                                      • Energieraumplanung braucht Information
                                                      • Datengrundlagen und Datenqualitaumlt
                                                        • Anspruumlche an Datenqualitaumlt
                                                        • Informationen zum Energieverbrauch
                                                        • Gebaumlude- und Wohnungsdaten
                                                        • Energieausweis als Informationssubstitut
                                                        • Daten zur Energieinfrastruktur
                                                          • Informationsaustausch
                                                            • Rolle der oumlffentlichen Verwaltung (Administration)
                                                            • Rolle von Unternehmen aus dem privaten Sektor
                                                              • Fazit
                                                              • Literatur
                                                                  • Das Energiemosaik Austria Eine Energie- und Treibhausgasdatenbank fuumlr alle oumlsterreichischen Staumldte und Gemeinden
                                                                    • Lore Abart-Heriszt (1)
                                                                      • Die Entwicklung einer strategischen Datenbank als Aufgabenfeld der Energieraumplanung
                                                                      • Statistische Datenbasis
                                                                      • Strukturdaten Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen
                                                                      • Nutzungen Verwendungszwecke und Energietraumlger
                                                                      • Raumlumliche Parameter Energiekennzahlen und Emissionsfaktoren
                                                                      • Modellierung des Energieverbrauches und der Treibhausgasemissionen
                                                                      • Energieverbrauch in Oumlsterreich
                                                                      • Treibhausgasemissionen in Oumlsterreich
                                                                      • Schlussfolgerungen
                                                                      • Literatur
                                                                          • Institutionelle Gestaltung von energieraumplanerischen Politiken Das Fallbeispiel der niederlaumlndischen Windkraftzonierung
                                                                            • Pia Nabielek (1)
                                                                              • Einleitung
                                                                              • Institutionelle Gestaltung
                                                                              • Das Fallbeispiel des niederlaumlndischen Strukturplans fuumlr Onshore-Windkraftanlagen
                                                                              • Schlussfolgerungen
                                                                              • Danksagung
                                                                              • Literatur
                                                                                  • Elektromobilitaumlt Integration von Elektromobilitaumlt in die Verkehrsplanung ndash welche Anpassungen unserer Werkzeuge brauchen wir
                                                                                    • Martin Kagerbauer (1)
                                                                                      • Ausgangslage
                                                                                      • Definition
                                                                                      • Anforderungen der Elektromobilitaumlt an die Planungswerkzeuge
                                                                                      • Anpassung der Planungswerkzeuge
                                                                                        • Erhebung
                                                                                        • Modellierung
                                                                                          • Schlussfolgerung
                                                                                          • Literatur
                                                                                              • Ansaumltze fuumlr die Mobilitaumlts- und Energiewende im staumldtischen Guumlterverkehr
                                                                                                • Bert Leerkamp (1)
                                                                                                  • Ausgangslage
                                                                                                  • Herausforderungen fuumlr eine gebietsbezogene Buumlndelung
                                                                                                  • Ansaumltze einer gebietsbezogenen Buumlndelung im Bereich der Einzelhandels- und Endkundenversorgung
                                                                                                    • Beispiele fuumlr sektorale gebietsbezogene Buumlndelung (KEP-Logistik)
                                                                                                    • Beispiel fuumlr sektorale kooperative gebietsbezogene Buumlndelung (Stuumlckgutlogistik)
                                                                                                    • Beispiel fuumlr kooperative gebietsbezogene Buumlndelung (Integration von KEP- und Stuumlckgut)
                                                                                                    • Gebietsspediteur Ansatz fuumlr eine regulatorische Gestaltung
                                                                                                      • Initiierung gebietsbezogener Buumlndelungskonzepte durch die Kommunen
                                                                                                      • Steuerung der Energiewende im staumldtischen Lieferverkehr
                                                                                                      • Sicherung von Logistikflaumlchen in der Stadt als Voraussetzung fuumlr Buumlndelung
                                                                                                      • Literatur
                                                                                                          • Neue Wege in der Energieraumplanung
                                                                                                            • Gernot Stoumlglehner (1)
                                                                                                              • Ausgangslage
                                                                                                              • Strategie in der Energieraumplanung
                                                                                                                • Strategische Datenbasis
                                                                                                                • Planungsmethodik
                                                                                                                • Institutionelle Rahmenbedingungen
                                                                                                                  • Sektorkopplung als neue Herausforderung fuumlr die Energieraumplanung
                                                                                                                  • Didaktik der Energieraumplanung
                                                                                                                  • Fazit
                                                                                                                  • Literatur
                                                                                                                      • Die deutsche Energiewende zwischen Wirtschafts- und Klimazielen ndash eine geographische Perspektive
                                                                                                                        • Britta Klagge (1)
                                                                                                                          • Einfuumlhrung
                                                                                                                          • Geographien und Governance der deutschen Energiewende
                                                                                                                          • Die deutsche Energiewende positive wirtschaftliche Effekte aber klimapolitisch (bisher) kein Erfolg
                                                                                                                          • Aktuelle klima- bzw energiepolitische Maszlignahmen Klimapaket (2019) und SINTEG-Modellregionen (2017-2020)
                                                                                                                            • Das Klimapaket von 2019 umfangreiches Investitionsprogramm aber klimapolitisch wenig ambitioniert
                                                                                                                            • SINTEG 2017-2020 Foumlrderung von Modellregionen fuumlr smarte (Verteil-)Netze und flexible Maumlrkte durch Digitalisierung
                                                                                                                              • Fazit und Ausblick
                                                                                                                              • Literatur
                                                                                                                                  • 10 Jahre Forschung und Lehre zur Energieraumplanung am Institut fuumlr Raumplanung an der TU Wien Erfahrungen und Ausblick
                                                                                                                                    • Hartmut Dumke (1) Rudolf Giffinger (2) und Kurt Weninger (3)
                                                                                                                                      • Einleitung
                                                                                                                                      • Zur (Energie-)Raumplanung in Oumlsterreich
                                                                                                                                        • Rechtlicher Rahmen
                                                                                                                                        • Konsolidierung im Verstaumlndnis
                                                                                                                                          • 10 Jahre Energieraumplanung in der forschungsgeleiteten Ausbildung
                                                                                                                                            • Wichtige evidenzbasierte transformative Forschungsprojekte zur Energieraumplanung
                                                                                                                                            • Problem- und umsetzungsorientierte Lehre zur Energieraumplanung
                                                                                                                                              • Zukuumlnftige Anforderungen an die Energieraumplanung
                                                                                                                                              • Resuumlmee und Ausblick
                                                                                                                                              • Literatur
Page 3: JUNI 2021, WIEN ENERGIE RAUM PLANUNG

Herausgegeben von Rudolf Giffinger Martin Berger Kurt Weninger Sibylla Zech

Die Beitraumlge kamen entweder auf Basis eines Vortrags bei der Fachkonferenz zum Thema bdquoEnergie-raumplanung ndash Herausforderungen Loumlsungen und Next Levelldquo oder durch gezielte Einladung von Kol-leginnen und Kollegen mit entsprechender Expertise zustande Alle eingelangten Beitraumlge wurden ei-nem offenen und teilweise mehrfachen Review-Prozess durch die Herausgeber-in und weitere Exper-tinnen und Experten unterzogen

Publiziert im ReposiTUm der TU Wien Open Access Publication Creative Commons mdash Attribution 40 International mdash CC BY 40 DOI 1034726808

Layout von Text und Abbildungen Dipl-Ing Clemens Beyer BSc Pia Carolin Rickel Mag Hannah Schetl

Abbildungen Cover Die Abbildungen sind Public Domain Bilder der Pixabay GmbH und duumlrfen dementsprechend freundli-cherweise ohne Genehmigung genutzt und frei bearbeitet werden

copy 2021 Institut fuumlr Raumplanung TU Wien Karlsgasse 11 und 13 1040 Wien Oumlsterreich

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Inhalt VORWORT 4

RUDOLF GIFFINGER MARTIN BERGER KURT WENINGER SIBYLLA ZECH

ENERGIE UND KLIMASCHUTZ IN HOHEITLICHEN PLANUNGSPROZESSEN BERUumlCKSICHTIGEN ndash BEDARF ANWENDUNGSFAumlLLE UND LOumlSUNGSANSAumlTZE AUS DER PRAXIS 5

ALEXANDER REHBOGEN UND HELMUT STRASSER

DAS SACHBEREICHSKONZEPT ENERGIE IN DER STEIERMARK EIN BUumlNDEL AUS RECHTLICHER VERANKERUNG FACHLICHEN GRUNDLAGEN FUNDIERTER BERATUNG UND FINANZIELLER FOumlRDERUNG

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LORE ABART-HERISZT DIETER PREIszlig UND MICHAEL REDIK

ENERGIERAUMPLAumlNE ndash EIN MEILENSTEIN AM WEG ZUR NACHHALTIGEN ENERGIEZUKUNFT WIENS 28

SUSANNA ERKER ANDREA KINSPERGER HERBERT HEMIS UND BERND VOGL

ENERGIERAUMPLANUNG DAS OumlSTERREICHISCHE INSTRUMENTARIUM IM IST UND SOLL 38

HARTMUT DUMKE UND STEFAN GEIER

DATENLANDSCHAFT DER ENERGIERAUMPLANUNG ndash EINE STANDORTBESTIMMUNG 48

ROBERT KALASEK UND FLORIAN PUumlHRINGER

DAS ENERGIEMOSAIK AUSTRIA EINE ENERGIE- UND TREIBHAUSGASDATENBANK FUumlR ALLE OumlSTERREICHISCHEN STAumlDTE UND GEMEINDEN 62

LORE ABART-HERISZT

INSTITUTIONELLE GESTALTUNG VON ENERGIERAUMPLANERISCHEN POLITIKEN DAS FALLBEISPIEL DER NIEDERLAumlNDISCHEN WINDKRAFTZONIERUNG 73

PIA NABIELEK

ELEKTROMOBILITAumlT INTEGRATION VON ELEKTROMOBILITAumlT IN DIE VERKEHRSPLANUNG ndash WELCHE ANPASSUNGEN UNSERER WERKZEUGE BRAUCHEN WIR 83

MARTIN KAGERBAUER

ANSAumlTZE FUumlR DIE MOBILITAumlTS- UND ENERGIEWENDE IM STAumlDTISCHEN GUumlTERVERKEHR 99

BERT LEERKAMP

NEUE WEGE IN DER ENERGIERAUMPLANUNG 110

GERNOT STOumlGLEHNER

DIE DEUTSCHE ENERGIEWENDE ZWISCHEN WIRTSCHAFTS- UND KLIMAZIELEN ndash EINE GEOGRAPHISCHE PERSPEKTIVE 119

BRITTA KLAGGE

10 JAHRE FORSCHUNG UND LEHRE ZUR ENERGIERAUMPLANUNG AM INSTITUT FUumlR RAUMPLANUNG AN DER TU WIEN ERFAHRUNGEN UND AUSBLICK 130

HARTMUT DUMKE RUDOLF GIFFINGER UND KURT WENINGER

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Vorwort

Rudolf Giffinger Martin Berger Kurt Weninger Sibylla Zech

Klimaschutz und Erreichen der Klimaziele stellen angesichts des Klimawandels zentrale Herausforde-rungen fuumlr Politik Gesellschaft und Wirtschaft dar Bisherige Bemuumlhungen in Oumlsterreich aber auch auf Ebene der EU zum verringerten Energieverbrauch zum Umstieg auf erneuerbare Energiequellen oder zur Reduktion von Emissionen sind unterschiedlich erfolgreich Offenbar reichen sie aber ange-sichts der weiter steigenden Emissionen und ihrer Auswirkungen auf den Temperaturanstieg (als trei-bende Kraft des Klimawandels) nicht aus der globalen Klimakrise effektiv entgegenzuwirken wie entsprechende Indikatoren und Analysen zur Entwicklung auf verschiedenen Ebenen zeigen

Blicken wir auf die Situation in Oumlsterreich dann ist leicht erkennbar dass Maszlignahmen zur Reduktion des Energieverbrauchs vor allem in der Verkehrs- und Siedlungsentwicklung bislang nicht ausrei-chend erfolgreich sind Eine Energiewende ndash im Sinne der Reduktion des Energiebedarfs sowie des Umstiegs auf erneuerbare Energiequellen ndash ist daher unerlaumlsslich

Raumplanung ndash zumeist verstanden als eine querschnittsorientierte Materie zur Steuerung der raumlum-lichen Nutzung und Entwicklung ndash kommt damit ein groszliger Stellenwert zu Es geht um den Umbau der Siedlungsstrukturen und der Verkehrssysteme um das Senken des Energieverbrauchs sowie um den Umstieg auf dezentral genutzte erneuerbare Energieressourcen Angesichts vielfaumlltiger neuer Aufgaben und Anforderungen erscheint es daher notwendig den Beitrag der Raumplanung zur Ener-giewende nicht nur als zusaumltzliche Aufgabe zu sehen sondern zu ergruumlnden welche neuartige Ener-gieraumplanung es braucht und welche neuen Ansaumltze ihre Effektivitaumlt verbessern koumlnnen

Diesen Herausforderungen widmet sich diese Publikation

Ausgehend von einer Tagung zum Thema Energieraumplanung ndash Herausforderungen Loumlsungen und Next Level konnten eine Reihe interessanter Beitraumlge gewonnen werden Sie kennzeichnen einerseits aktuelle Anforderungen und Erfahrungen zur Energieraumplanung und diskutieren andererseits An-saumltze und Aktivitaumlten bezuumlglich der derzeitigen Ausbildung zur Energieraumplanung in der Studien-richtung Raumplanung an der TU Wien

Nicht zuletzt ist zu betonen dass diese Publikation nicht ohne Unterstuumltzung des Review-Prozesses sowie beim Korrigieren und Gestalten der Beitraumlge zustande gekommen waumlre Herzlichen Dank hier-fuumlr Unser Dank gilt last but not least insbesondere den Kolleginnen und Kollegen an Universitaumlten sowie an verschiedenen Forschungs- und Planungsinstitutionen in Deutschland und Oumlsterreich fuumlr ihre kompetenten und wertvollen Beitraumlge

Die Herausgeberin und die Herausgeber

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Energie und Klimaschutz in hoheitlichen Planungsprozessen beruumlcksich-tigen ndash Bedarf Anwendungsfaumllle und Loumlsungsansaumltze aus der Praxis

Alexander Rehbogen (1) und Helmut Strasser (2)

DOI 1034726807

(1) Mag MBA SIR ndash Salzburger Institut fuumlr Raumordnung und Wohnen Fachbereich Energie

(2) Dipl-Ing SIR ndash Salzburger Institut fuumlr Raumordnung und Wohnen Fachbereich Energie

Abstract

Die Themen Energiewende und Klimaschutz sind heute als oumlffentliches Interesse etabliert und erheben sich damit auch in der Raumplanung aus dem bisherigen Schattendasein Energieraumplanung hat in den letzten beiden Jahren groszlige Entwicklungsspruumlnge gemacht und ist in der Praxis angekommen Erste Bundeslaumlnder haben effektive Schritte zur Beruumlcksichtigung von energie- und klimaschutzbezo-genen Fragestellungen in hoheitlichen Planungsprozessen gesetzt In Wien der Steiermark und Salz-burg gibt es heute etablierte Prozesse welche in der Praxis erfolgreich exekutiert werden Datenbereitstellung Datenhosting Datenverarbeitung Informationsaufbereitung und -bereitstellung Qualitaumltssicherung sowie die Schaffung des rechtlichen Rahmens stellen die maszliggeblichen Grundlagen dar Aufgrund der Kompetenzenverteilung und der notwendigen Ressourcen kommt den Bundeslaumln-dern als Institutionen eine Schluumlsselrolle zu um die Integration des neuen Materienkomplexes in be-stehende Prozesse der Raumplanung in der Praxis bewerkstelligen zu koumlnnen Nach der Etablierung erster Prozesse zur Beruumlcksichtigung energie- und klimaschutzbezogener Inhalte in der Raumplanung muss es in den naumlchsten Schritten darum gehen die Instrumente konsequent weiterzuentwickeln zu verbessern und thematisch zu vertiefen eine eindeutige Rechtssicherheit fuumlr die Umsetzung zu schaffen und diese in der Praxis sicherzustellen sowie die nuumltzlichen Erfahrungen auf weitere Bundeslaumlnder zu skalieren

Schluumlsselbegriffe

Energieplanung kommunale Waumlrmeplanung Energieraumplanung Klimaschutz Energiewende Waumlr-mewende Rehbogen A Strasser H (2021) Energie und Klimaschutz in hoheitlichen Planungsprozessen beruumlcksichtigen ndash Bedarf An-wendungsfaumllle und Loumlsungsansaumltze aus der Praxis In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumpla-nung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S5-17

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Inhalt Einleitung 7

These 1 Energie- und klimaschutzbezogene Inhalte sollten im Kontext der Raumplanung Beruumlcksichtigung finden 7

These 2 Drei Bereiche sind fuumlr die Beruumlcksichtigung energiebezogener Fragestellungen in der Raumplanung maszliggeblich Siedlungsstruktur und Gebaumludebestand Energieversorgungsinfrastruktur und die Nutzung lokaler erneuerbarer Ressourcen 8

These 3 Energiebezogene Inhalte sollen und koumlnnen direkt an bestehende Prozesse der Raumplanung anknuumlpfen 9

These 4 Die erforderliche Information zur Umsetzung von Raumlumlicher Energieplanung muss und kann standardisiert und effizient bereitgestellt werden 11

These 5 Notwendige Datengrundlagen in moumlglichst feiner Granularitaumlt und hoher Aktualitaumlt sind unter Beruumlcksichtigung des Datenschutzes verfuumlgbar zu machen 12

These 6 Den Bundeslaumlndern kommt eine Schluumlsselrolle in der Implementierung von raumlumlicher Energieplanung zu 13

Schlussfolgerungen Ausblick 15

Literatur 15

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Einleitung

Die Beruumlcksichtigung von Energie in formellen und informellen Planungsprozessen (von der oumlrtlichen Entwicklungsplanung uumlber staumldtebauliche Wettbewerbe und baubehoumlrdliche Verfahren bis zur Infra-strukturplanung) ist seit vielen Jahren wichtiges Thema in den nationalen Klimaschutzbestrebungen Bereits bei der Entwicklung des bdquoe5-Programms fuumlr energieeffiziente Gemeindenldquo (vgl Onlinequelle e5) vor mehr als 20 Jahren wurde der Raumordnung auf kommunaler Ebene eine groszlige Bedeutung beigemessen Waumlhrend aber seither in zahlreichen anderen klimaschutzrelevanten Handlungsfeldern einer Gemeinde wirksame Instrumente eingesetzt und hunderte Maszlignahmen und best-practices um-gesetzt wurden war lange Zeit relativ unklar wie die Raumordnung konkret zur Erreichung der Klima-schutzziele beitragen kann Zum einen ist die Ursache dafuumlr in den Vorgaben der Raumordnungsgesetze der Bundeslaumlnder zu su-chen die diesbezuumlglich nur sehr vage formuliert sind und wenig Spielraum zulassen Zum anderen aber gestaltete sich auch die Bewertung von Aktivitaumlten und Maszlignahmen von Gemeinden aufgrund fehlen-der Qualitaumltsmaszligstaumlbe und Beurteilungskriterien als schwierig Inzwischen haben sich aus den verschiedenen Bestrebungen und als Ergebnis der Kooperation mehre-rer Bundeslaumlnder unter anderem im Zuge von zwei OumlREK-Partnerschaften (vgl Onlinequelle OumlREK) An-saumltze konkretisiert und erste Schritte zu einer verbindlicheren Verankerung von Klimaschutzaspekten in den hoheitlichen Planungsprozessen wurden gesetzt Ausgehend von sechs Thesen wird in diesem Beitrag versucht einen moumlglichen Weg zu einer verbind-lichen Beruumlcksichtigung des Klimaschutzes in der Raumplanung aufzuzeigen und diesen auf Basis prak-tischer Beispiele darzustellen

These 1 Energie- und klimaschutzbezogene Inhalte sollten im Kontext der Raum-planung Beruumlcksichtigung finden

Raumordnung ist fuumlr die zweckentsprechende raumlumliche Verteilung von Anlagen und Einrichtungen im Sinne des oumlffentlichen Interesses verantwortlich (vgl Mair 2012 S 1) Spaumltestens seit der Etablierung von Klimaschutz als oumlffentliches Interesse (vgl Europaumlisches Parlament 2019 und entsprechende ver-bindliche Zielsetzungen auf allen politischen Ebenen) muumlssten Energie und Klimaschutz in der Raum-ordnung als zusaumltzlicher Materienkomplex eine entsprechende Beruumlcksichtigung finden Dem wird in einer zunehmenden Zahl von Raumordnungsgesetzen (vgl StROG2010 sect 3 (2) z 2i SROG 2009 sect2 (2) z4 BO fuumlr Wien 1930 sect1 Abs2 z4 VGRP 1996 sect 11 (1) bzw sect 28 TROG 2016 sect1 (2i)) Rechnung getragen Klimaschutz ist hier jeweils in den Grundsaumltzen und Zielen sowie teilweise in den Anforderungen vor allem zur Entwicklungsplanung verankert Die Verbindlichkeit variiert dabei zwi-schen Kann- und Muss-Bestimmungen

Aus der Praxis

Konkrete Schritte zur Erhoumlhung der Verbindlichkeit Praumlzisierung der Inhalte und Nutzung von weiteren hoheitlichen Steuerungsinstrumenten wurden in den letzten Jahren vor allem in Wien der Steiermark und Salzburg vorangetrieben Hier gibt es bereits konkrete Anhaltspunkte und Anforderungen die in der Praxis beruumlcksichtigt werden

In der Steiermark sind einerseits ein moumlglicher Anschlusszwang fuumlr Fernwaumlrme in-nerhalb lufthygienischer Sanierungsgebiete (vgl StROG sect22 (9)) der in Graz bereits umgesetzt wurde sowie eine Landes-Foumlrderung fuumlr Aktivitaumlten im Bereich Raumlumli-cher Energieplanung (insbesondere die Erstellung von Sachbereichskonzepten fuumlr Energie (ebd sect21 (3)) zu erwaumlhnen

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In Wien wurde mit der Novelle der BO fuumlr Wien 2018 (LGBI 201869) eine Verord-nungsermaumlchtigung fuumlr sogenannte Energieraumplaumlne geschaffen Gemaumlszlig sect 2b BO fuumlr Wien kann fuumlr Teile des Stadtgebietes ein Energieraumplan als Verordnung er-lassen werden In den festgelegten Gebieten sind fuumlr Heizungs- und Warmwasser-bereitungsanlagen in Neubauten nur hocheffiziente Fernwaumlrme oder andere hoch-effiziente alternative Systeme (sect 118 Abs 3 BO fuumlr Wien) zulaumlssig Diese Verordnun-gen werden bezirksweise erarbeitet Die ersten drei Energieraumplaumlne wurden be-reits beschlossen und traten mit 23102020 in Kraft

In Salzburg gibt es seit der letzten Novellierung des SROG mit 112018 Anforderun-gen hinsichtlich Darstellung der energiebezogenen Inhalte in den Bestandsanalysen (vgl SROG sect 24 (1) z2) bzw betreffend der Aussagen zur angestrebten Energiever-sorgung (vgl ebd sect25 (2) z5) in den raumlumlichen Entwicklungskonzepten (fortan bdquoREKldquo) Die Qualitaumltssicherung erfolgt im Rahmen des Amtshilfeverfahrens durch das fachlich zustaumlndige Referat 404 Energiewirtschaft und -beratung des Amtes der Salzburger Landesregierung und ist mit einem kostenlosen Informationsservice fuumlr die Gemeinden verknuumlpft

Die Beruumlcksichtigung energie- und klimaschutzbezogener Fragen ist in einigen Bundeslaumlndern bereits moumlglich oder sogar gefordert Die Umsetzung hat sich in den letzten zwei Jahren mit konkreten An-wendungen etabliert

These 2 Drei Bereiche sind fuumlr die Beruumlcksichtigung energiebezogener Fragestel-lungen in der Raumplanung maszliggeblich Siedlungsstruktur und Gebaumludebestand Energieversorgungsinfrastruktur und die Nutzung lokaler erneuerbarer Ressour-cen

Zahlreiche Studien belegen dass raumordnungsrelevante Festlegungen maszliggeblich zum Klimaschutz beitragen Eine Untersuchung von bestehenden Siedlungen ergab einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Bebauungsdichte und Primaumlrenergieverbrauch (vgl Ott 2008 S 5) Ebenso ist der Motorisie-rungsgrad bei houmlherer Besiedlungsdichte geringer (VCOuml 2019) Die Bebauungsdichte ist daruumlber hinaus ausschlaggebend fuumlr die Versorgungsinfrastrukturen Die Moumlglichkeit zum wirtschaftlichen Betrieb von netzgebundener Waumlrmeversorgung die als Schluumlssel fuumlr die Energiewende im Bereich der Waumlrme gesehen wird (vgl Maaszlig et al 2015) ist direkt von kompak-ten und nutzungsgemischten Siedlungsstrukturen abhaumlngig Durch Vorzieheffekte kann die Fern-waumlrme maszliggeblich zum Tausch fossiler Heizsysteme beitragen Das politische Ziel des Phase-Outs fos-siler Energietraumlger wird durch das Verbot des Einbaus von Oumllkesseln im Neubau (vgl OumlKEVG 2019) bereits aktiv forciert Fuumlr den Bereich der Gasversorgung muumlssen im Hinblick auf eine Erreichung der Klimaschutzziele aumlhnliche Maszlignahmen folgen (vgl Oumlsterreichische Bundesregierung 2020 S 110) Sie werden aktuell in der Entwicklung einer oumlsterreichischen Waumlrmestrategie (vgl Onlinequelle BMLRT) diskutiert und sind als Ziele in einigen Bundeslaumlndern bereits verankert (vgl Land Salzburg 2015 S 10) Die Forcierung von Fernwaumlrme (aus erneuerbaren Energiequellen) auch uumlber Instrumente der Raum-ordnung genauso wie der kuumlnftige Umgang mit bestehenden Gasinfrastrukturen erheben sich zu raum-ordnungsrelevanten Fragestellungen Mit der Frage der Energieversorgungsinfrastruktur verbunden ist die Nutzung lokaler erneuerbarer Energiequellen Das Beispiel Salzburg in dem die Zahl der Biomasse-Waumlrmenetze die Zahl der Gemein-den uumlbersteigt verdeutlicht die Kompatibilitaumlt von nachhaltiger Energie- und Wirtschaftspolitik indem die lokale Biomasse sinnvoll in nachhaltiger netzgebundener Waumlrmeversorgung in Wert gesetzt wird Synonym koumlnnen auch lokale Abwaumlrmepotenziale aus Gewerbe und Industrie erst uumlber Waumlrmenetze

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nutzbar gemacht werden Neben der Nutzung lokaler Ressourcen ist auch die Nutzung von Raum fuumlr die Energieerzeugung zu reflektieren Die Energiewende benoumltigt zusaumltzliche Flaumlchen fuumlr die Energie-gewinnung aus nachhaltigen Quellen Niederoumlsterreich und die Steiermark zeigen hier mit den Wind-energie-Eignungsflaumlchen strukturierte Ansaumltze fuumlr flaumlchendeckende Loumlsungen Eine weitere raumord-nungsrelevante Diskussion im Kontext der Raumnutzung betrifft die Freiflaumlchenanlagen fuumlr die Solar-energiegewinnung (Solarthermie oder Photovoltaik) Zuletzt kommt der hoheitlichen Planung im Kon-text der erneuerbaren Potenziale auch eine koordinierende Rolle zu wenn es darum geht die gegen-seitige negative Beeinflussung von Erd- oder Grundwasserwaumlrmepumpen zu vermeiden Aus den Ausfuumlhrungen lassen sich drei Bereiche ableiten in denen die Beruumlcksichtigung energiebezo-gener Inhalte in der Raumplanung eine besondere Relevanz aufweist Die zukunftsfaumlhige Raument-wicklung und Siedlungsstruktur die planvolle Entwicklung der Energieversorgungsinfrastruktur und die Nutzung der verfuumlgbaren erneuerbaren Energiepotenziale

Abb 1 3x3 Energie im REK eigene Abbildung

These 3 Energiebezogene Inhalte sollen und koumlnnen direkt an bestehende Pro-zesse der Raumplanung anknuumlpfen

In weiterer Folge stellt sich die Frage wie diese Inhalte in den betreffenden Prozessen und Instrumen-ten der Raumordnung beruumlcksichtigt werden koumlnnen Da die betreffenden Rechtsmaterien Raumord-nung und Baurecht im verfassungsmaumlszligigen Kompetenzbereich der Laumlnder liegen unterscheiden sich die Rahmenbedingungen zwischen den einzelnen Bundeslaumlndern (vgl auch These 1) Eine detaillierte Darstellung (fuumlr eine Uumlbersicht sei auf MadnerParapatics 2016 verwiesen) und Reflexion wuumlrden den Rahmen dieses Beitrags sprengen weshalb an dieser Stelle primaumlr die strukturellen Aspekte in den Vordergrund geruumlckt werden sollen In Anlehnung an das Vorreiterland Schweiz gehen wir davon aus dass die dargestellten Inhalte direkt an bestehende Raumplanungsprozesse anknuumlpfen koumlnnen Das bedeutet dass fuumlr die Beruumlcksichti-gung energiebezogener Inhalte in der hoheitlichen Planung keine neuen Prozesse entwickelt werden

Effiziente Infrastruktur bull Bestehende nachhaltige Energieinfrastruktur (va Fernwaumlrmenetze) beachten

und Nutzung staumlrken bull Bei Standortentwicklungen Potenziale fuumlr die Errichtung nachhaltiger Energie-

infrastruktur beachten und Ausbau von Gasinfrastruktur vermeidenbull Gegenseitige negative Beeinflussung von Infrastruktur (Umgebungswaumlrmenutzung)

vermeiden

Optimale Nutzung von lokalen Ressourcen bull Bestehende Potenziale (insbesondere Sonne Biomasse Wind

Wasser Umgebungswaumlrme) maximal nutzenbull Verschwendung lokaler Energiepotenziale (va Abwaumlrme Industrie

Gewerbe Reinhaltung) vermeiden bull Importe von Energie minimieren - lokale Wertschoumlpfung maximieren

Zukunftsfaumlhige Raumentwicklungbull KompaktheitBebauungsdichte und Nutzungmischung forcieren und damit

- den durch die Mobilitaumlt induzierten Energiebedarf reduzieren- die Energieeffizienz der Gebaumlude erhoumlhen- eine nachhaltige netzgebundene Waumlrmeversorgung ermoumlglichen

bull Alle Entwicklungen in der Peripherie vermeiden

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muumlssen Vielmehr geht es darum die relevanten Raumplanungsprozesse zu identifizieren in denen die Beruumlcksichtigung von Energie und Klimaschutz sowohl sinnvoll als auch rechtlich und kompetenz-maumlszligig moumlglich ist In weiterer Folge wird vorgeschlagen die Be- und Erarbeitung der energie- und kli-maschutzbezogenen Inhalte bei den jeweils kompetenten Stellen zu belassen (Amtshilfeverfahren) und Wege zur direkten Einbindung in den bestehenden Prozessen zu identifizieren und implementie-ren

Aus der Praxis

In Wien wird im Zuge des baubehoumlrdlichen Verfahrens durch die zustaumlndige Be-houmlrde gepruumlft ob das entsprechende Bauvorhaben innerhalb eines Gebietes des Energieraumplans liegt Wenn dies zutrifft sind fuumlr die Versorgung mit Raumwaumlrme oder Warmwasser keine fossilen Energietraumlger zulaumlssig und die Alternativenpruuml-fung entfaumlllt Auszligerhalb der Gebiete gelten die allgemeinen Anforderungen fuumlr Neu-bauten wo im Falle einer geplanten fossilen Waumlrmeversorgung (Gas) eine Alterna-tivenpruumlfung durchzufuumlhren ist

Im Bundesland Salzburg werden im Zuge des Amtshilfeverfahrens seit 2019 alle ein-gereichten Raumlumlichen Entwicklungskonzepte in allen Verfahrensstufen fundierten fachdienstlichen Stellungnahmen von Seiten des Referats 404 Energiewirtschaft und -beratung des Amtes der Salzburger Landesregierung unterzogen Als Basis fuumlr die Beurteilung dienen profunde Analysen (siehe These 4) Darauf aufbauend bietet das Referat auszligerdem eine direkte und kostenfreie Unterstuumltzung bei der Entwick-lung der Inhalte uumlber die Bereitstellung von Analysen und Praumlsenztermine zur Dis-kussion der energie- und klimaschutzbezogenen Inhalte

Im Rahmen der nationalen Vorzeigeregion Energie des Klima- und Energiefonds GREEN ENERGY LAB bdquoSpatial Energy Planning for Energy Transitionldquo (fortan GEL SEP Onlinequelle GEL SEP) wurden die folgenden drei Planungsebenen als relevant identifiziert (siehe Abb 2)

Abb 2 Relevante Planungsebenen zur Beruumlcksichtigung energie- und klimaschutzbezogener Inhalte

Fuumlr diese wird nun an konkreten Implementierungen zur Beruumlcksichtigung energie- und klimaschutz-bezogener Fragestellungen in den drei beteiligten Bundeslaumlndern Salzburg Steiermark und Wien in Abhaumlngigkeit der jeweiligen rechtlichen Rahmen und bestehenden Verwaltungsstrukturen gearbeitet Zu beachten ist dabei der Zusammenhang zwischen den Planungsebenen Ziel jeder Aktivitaumlt im Be-reich Raumlumlicher Energieplanung ist es Planungsentscheidungen in Richtung einer houmlheren Klimaver-traumlglichkeit zu verbessern d h eine Oumlkologisierung im konkreten Bauprojekt zu erwirken Verbindli-

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che Vorgaben beispielsweise uumlber die Bebauungsplanung sind (selbst im Falle des Vorliegens entspre-chender rechtlicher Ermaumlchtigungen) von einer entsprechenden Zielsetzung auf der uumlbergeordneten Ebene abhaumlngig Die Formulierung entsprechender Ziele in der oumlrtlichen Entwicklungsplanung wird damit zur Basis fuumlr die Umsetzung in den Einzelprojekten Des Weiteren koumlnnen auch hier allgemein die Zielsetzung auf Landesebene (z B Formulierung von Grundsaumltzen im ROG) und politische Ziele auf Gemeindeebene notwendige Bedingungen sein um die Themen in den Entwicklungskonzepten ent-sprechend adressieren und festlegen zu koumlnnen Insgesamt ist die Beruumlcksichtigung energiebezogener Inhalte in der Raumplanung noch Neuland Es bedarf der Entwicklung neuer Rollen und der sensiblen Anpassung von bestehenden Prozessen inklu-sive der dafuumlr mitunter notwendigen Genese der rechtlichen Rahmenbedingungen Erste Implemen-tierungen in der Praxis zeigen wie energie- und klimaschutzbezogene Fragestellungen in bestehenden Raumplanungsprozessen effektiv und effizient beruumlcksichtigt werden koumlnnen

These 4 Die erforderliche Information zur Umsetzung von Raumlumlicher Energiepla-nung muss und kann standardisiert und effizient bereitgestellt werden

Die Integration eines neuen Materienkomplexes fordert einerseits die Entwicklung und Verfuumlgbarkeit der entsprechenden Kompetenzen Durch die in These 3 vorgeschlagene Rollenteilung und Auslage-rung der energiebezogenen Informationsaufbereitung und Qualitaumltssicherung an die fachlich zustaumln-digen Verwaltungseinheiten kann dieser Herausforderung entgegengetreten werden Andererseits im-plizieren die neuen Aufgaben fuumlr beide Seiten und insbesondere fuumlr Letztere in jedem Fall einen zu-saumltzlichen Aufwand Die Schaffung neuer Planstellen in Landes- oder Gemeindeverwaltung ist gerade in der Anfangsphase schwer darzustellen Spaumltestens bei kleineren Staumldten oder gar Gemeinden muumls-sen die neuen Aufgaben zwangslaumlufig zu einer kompetenz- und ressourcenmaumlszligigen Uumlberforderung fuumlhren Um eine Chance auf die Beruumlcksichtigung der neuen Inhalte zu haben sind demzufolge einer-seits der Aufwand und andererseits die notwendige Kompetenz so weit wie moumlglich zu reduzieren Die Bereitstellung der notwendigen Informationen fuumlr die Staumldte und Gemeinden erscheint vor diesem Hintergrund als notwendig Eine umfassende Praumlzisierung und Standardisierung der zu beruumlcksichti-genden Inhalte ermoumlglicht eine effiziente Bearbeitung welche durch moderne Informationssysteme gestuumltzt werden kann Zu erwaumlhnen sind in diesem Kontext die uumlber die LandesGIS verfuumlgbaren ener-giebezogenen Informationen (vor allem Solar- und Windpotenziale aber auch weiterfuumlhrende Infor-mationen wie Umgebungswaumlrmepotenziale Energienetzdaten Energieerzeugungsanlagen Waumlrme-netzpotenziale und bis hin zur Verortung von Musterprojekten (vgl z B Onlinequellen ViennaGIS und SAGIS) welche einige Bundeslaumlnder in den letzten Jahren schrittweise aufgebaut haben Eine Standar-disierung der darzustellenden Inhalte bringt daruumlber hinaus weitere Vorteile mit sich Einerseits wird dadurch eine strukturierte Schulung der betroffenen Akteure (primaumlr Baubehoumlrden und Ortsplaner) ermoumlglicht Andererseits wird fuumlr die pruumlfbehoumlrdlichen Verfahren die notwendige Vergleichbarkeit und Gleichbehandlung sichergestellt

Aus der Praxis

Das Land Steiermark hat mit dem Leitfaden zum Sachbereichskonzept Energie (Ab-art-HerisztStoumlglehner 2019) einen Standard fuumlr die Beruumlcksichtigung energiebezo-gener Inhalte in der oumlrtlichen Entwicklungsplanung geschaffen und zur Nutzung umfassend geschult

Im Projekt GEL SEP (Onlinequelle GEL SEP) gehen die Bundeslaumlnder Steiermark Wien und Salzburg den naumlchsten Schritt und entwickeln fuumlr definierte Planungspro-zesse (primaumlr in den Bereichen Entwicklungsplanung und Projekt-Arealentwick-lung) automatisiert generierte Berichte und Analysen Diese konzentrieren sich vor-

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erst auf den im Hinblick auf die induzierten Emissionen und die vorhandenen ord-nungspolitischen Instrumente relevantesten Sektor Waumlrme Als Ergebnis des Pro-jektes werden Mitte 2021 insgesamt zehn verschiedene automatisierte Analysedo-kumente fuumlr Anwendungen in allen drei Planungsebenen in allen drei Bundeslaumln-dern verfuumlgbar und uumlber die LandesGIS abrufbar sein Mobilitaumlt und Strom sollen in einem naumlchsten Schritt in die entwickelten Strukturen integriert werden

Auf dieser Basis der Arbeit des Projektes erhalten Salzburger Gemeinden bereits seit 2020 in Prozessen zur Erstellung von REKs umfassende standardisierte Be-standsanalysen welche alle notwendigen Informationen zur Beruumlcksichtigung ener-giebezogener Inhalte in den REKs enthalten Das Service wird durch das Referat 404 Energiewirtschaft und -beratung des Amtes der Salzburger Landesregierung kostenfrei zur Verfuumlgung gestellt Mit der Schaffung dieser Basis konnten die Anfor-derungen zur Darstellung energie- und klimaschutzbezogener Inhalte in den REKs schrittweise erhoumlht werden

These 5 Notwendige Datengrundlagen in moumlglichst feiner Granularitaumlt und hoher Aktualitaumlt sind unter Beruumlcksichtigung des Datenschutzes verfuumlgbar zu machen

Die Erstellung der Analysen setzt die Verfuumlgbarkeit der notwendigen Daten und Informationen voraus In Bezug auf die Bereitstellung der Daten wurde bisher primaumlr der Weg der anlassbezogenen Datenak-quise beschritten Dieser Weg wird auch in Deutschland begangen wo beispielsweise in Schleswig-Holstein das Gesetz zur Energiewende und Klimaschutz eine Verfuumlgung zur Datenuumlbermittlung von Seiten Schornsteinfegern oumlffentlichen Stellen und Energieversorgungsunternehmen umfasst (vgl Ge-setz zur Energiewende und zum Klimaschutz 2017 sect7 (2)) Aumlhnliche Vorgangsweisen gibt es in Ham-burg Bayern und Baden-Wuumlrttemberg (in Vorbereitung) In Abhaumlngigkeit von der Breite und Tiefe der Analysen wird eine hohe Zahl an Datenquellen benoumltigt Die Vollstaumlndigkeit Richtigkeit und Aktualitaumlt der Datenquellen sind dabei ausschlaggebend fuumlr die Qualitaumlt der Analysen Entsprechend ist eine exakte Kenntnis dieser Parameter fuumlr alle verwendeten Datenquellen unabdingbar In Abhaumlngigkeit der raumlumlichen Granularitaumlt der Daten sind raumlumlich kon-kretere oder weniger konkrete Aussagen moumlglich Im Lichte der jeweils angestrebten Aussage und raumsachlichen Festlegung ist eine Reflexion der notwendigen und verfuumlgbaren Datenqualitaumlt anzu-stellen Mit dem Energiemosaik Oumlsterreich (Onlinequelle Energiemosaik) gibt es seit 2019 eine Darstellung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen fuumlr alle oumlsterreichischen Gemeinden Als Datenbasis werden dafuumlr primaumlr statistische Daten herangezogen und auf Gemeindeebene disaggregiert Diese erlauben grobe Aussagen auf Gemeindeebene fuumlr eine erste Einschaumltzung Strategische Richtungsent-scheidungen beispielsweise zur Eignung von Siedlungsgebieten unter Beruumlcksichtigung von Waumlrme-versorgung und Mobilitaumltsbedarf koumlnnen sich daraus nach Pruumlfung der Plausibilitaumlt uumlber Realdaten und ndashwissen ableiten lassen Die Reichweite ist gleichzeitig mit der Granularitaumlt und Datenqualitaumlt be-grenzt Fuumlr Festlegungen (beispielsweise zu Vorranggebieten fuumlr die netzgebundene Waumlrmeversor-gung) oder Planungsentscheidungen auf Arealebene werden feinere Granularitaumlten (gebaumlude- bzw grundstuumlcksgenau gegebenenfalls ha-Raster) und houmlhere Aussagegenauigkeiten benoumltigt als durch statistische Daten ableitbar waumlren Je houmlher die Qualitaumlt Granularitaumlt und Zahl der verfuumlgbaren Daten desto breiter wird die Eignung als Planungsgrundlage Das Projekt Enerspired Cities (Onlinequelle Enerspired Cities) hat fuumlr die Darstel-lung der wichtigsten energiebezogenen Informationen (Energieversorgungsinfrastruktur Energiebe-darfe und erneuerbare Energiepotenziale vgl These 2) eine dreistellige Anzahl an notwendigen Da-tenquellen identifiziert und diese einzeln bewertet und katalogisiert Die verfuumlgbaren und nutzbaren

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Datenquellen unterscheiden sich dabei aufgrund der abweichenden Verwaltungsstrukturen teilweise deutlich zwischen den Bundeslaumlndern Fuumlr die Nutzung dieser Daten zu Planungszwecken sind auch im Falle der Verfuumlgbarkeit in ausreichen-der Qualitaumlt weitere Herausforderungen gegeben Im Sinne einer laufend aktuellen Datenbasis sind kontinuierliche Updates und die entsprechenden Uumlbergabepunkte sicherzustellen Eine relevante Huumlrde stellt schlussendlich der Datenschutz dar Spaumltestens mit der DSGVO ist fuumlr Daten mit Personen-bezug ein umfassendes Datenschutzmanagement inklusive Zugriffssteuerung erforderlich

Aus der Praxis

Das Datenmanagement ndash allen voran die Katalogisierung und das Aufbereiten von Metadaten - bildet eine zentrale Grundlage zur Nutzung der Daten und ist zudem Basis fuumlr das Datenschutzmanagement In der Implementierung des Waumlrmeatlas in den Bundeslaumlndern Wien Steiermark und Salzburg werden unter anderem Daten mit Personenbezug verwendet Die Nutzung der personenbezogenen Daten ist fuumlr die definierten Planungsprozesse (siehe These 3) in den Gemeinden teilweise (ab-haumlngig vom konkreten Prozess sowie Bundesland) rechtlich gedeckt In der Umset-zung ist sicherzustellen dass die Daten nur von jenen Stellen verarbeitet und ge-nutzt werden welche dazu rechtlich legitimiert sind Da groszlige Teile der Datenquel-len in Haumlnden der Bundeslaumlnder liegen und die Darstellung uumlber die Landes-GIS er-folgen soll kommt den Aumlmtern der Landesregierungen als gemeinsame Verant-wortliche mit den Gemeinden eine wichtige Rolle beim Datenhosting und der Da-tenverarbeitung zu

These 6 Den Bundeslaumlndern kommt eine Schluumlsselrolle in der Implementierung von raumlumlicher Energieplanung zu

Abb 3 Schluumlsselrollen der Bundeslaumlnder bei der Implementierung raumlumlicher Energieplanung

Die letzte These leitet sich als Fazit aus den vorangegangenen Thesen ab Aus Sicht der Autoren kommt in der Beruumlcksichtigung energiebezogener Fragestellungen in hoheitlichen Planungsprozessen den Bundeslaumlndern eine Schluumlsselrolle zu Die Aufgaben lassen sich wie folgt zusammenfassen

Datenbereitstellung

Datenhosting und -verarbeitung inklusive Datenschutzmanagement

Informationsaufbereitung und -bereitstellung

Rechtsrahmen

Qualitaumltssicherung

Rehbogen Strasser (2021) Energie und Klimaschutz in hoheitlichen Planungsprozessen beruumlcksichtigen ndash Bedarf Anwen-dungsfaumllle und Loumlsungsansaumltze in der Praxis DOI 1034726807

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(1) Datenbereitstellung Viele der benoumltigten Daten liegen in der Hand der Landesverwaltungen Die langfristige Bereitstellung die Sicherstellung und Erhoumlhung von Aktualitaumlt und Qualitaumlt sowie die Harmonisierung der Adresser-kennung tragen maszliggeblich zur Schaffung verlaumlsslicher Planungsgrundlagen bei Gleichzeitig muss si-chergestellt werden dass energierelevante Datengrundlagen im Verantwortungsbereich der Gemein-den (z B AGWR digitale Katastermappe fuumlr Gebaumlude) aktuell gehalten werden (2) Datenhosting und -verarbeitung inklusive Datenschutzmanagement Neben den landesinternen Daten sind auch externe Datenquellen zu verarbeiten Dafuumlr benoumltigt es eine verantwortliche Stelle welche Datensicherheit und Datenschutz gewaumlhrleistet und uumlber die ent-sprechenden Infrastrukturen verfuumlgt Die Verarbeitung von Daten und das Einbinden in entsprechende Modelle (oder Entwickeln von Modellen) um Fragestellungen zu beantworten ist Teil der Grundlagen-forschung Die Erfuumlllung dieser Aufgaben ist aufgrund der notwendigen Kompetenzen und Ressourcen Gemeinden und Ortsplanern nicht zumutbar und wuumlrde daruumlber hinaus eine Vergleichbarkeit unter-minieren Mit der Umsetzung uumlber die Landesregierungen als gemeinsame Verantwortliche kann ma-ximale Effizienz Sicherheit und Standardisierung gewaumlhrleistet werden Gleichzeitig erscheint eine Uumlbertragung auf Bundesebene aufgrund der groszligen Heterogenitaumlt der Da-tenquellen zwischen den einzelnen Bundeslaumlndern der fehlenden Kompetenzen sowohl in der Daten-haltung als auch in den Zustaumlndigkeiten im Planungsbereich sowie der reduzierten Moumlglichkeit zur Qualitaumltssicherung und -verbesserung der Daten als nicht zielfuumlhrend (3) Informationsaufbereitung und -bereitstellung Die Landes-GIS sind optimal fuumlr die Informationsbereitstellung geeignet Sie koumlnnen direkt auf die im Rahmen der Landesverwaltungen gewarteten Daten (vgl Punkt 2) zugreifen Die Landes-GIS erlauben ein Benutzermanagement mit Klassifizierung der Zugriffsrechte und eine Teilung in oumlffentliche und eingeschraumlnkte Karten und ermoumlglichen damit die Bereitstellung weniger sensibler Daten (va erneu-erbare Energiepotenziale) an eine breite Oumlffentlichkeit Gleichzeitig besteht die Moumlglichkeit der einge-schraumlnkten Bereitstellung von Informationen fuumlr Gemeinden inklusive Spiegelung der relevanten Kar-ten in den Gemeinde-GIS uumlber verfuumlgbare Schnittstellen In diesem Sinne sind die Landes-GIS in vielen Faumlllen die direkte Grundlage fuumlr die Raumplanungsprozesse Zuletzt ist auch die Bereitstellung auto-matisierter Analysen uumlber die Landes-GIS moumlglich (4) Rechtsrahmen Die fuumlr die Beruumlcksichtigung energiebezogener Inhalte in hoheitlichen Planungsprozessen wichtigsten Gesetzesmaterien sind das Raumordnungsrecht und das Baurecht Beide befinden sich im Kompetenz-bereich der Bundeslaumlnder Der in einigen Bundeslaumlndern begonnene Trend der Ermaumlchtigung bzw Verpflichtung zur Beruumlcksichtigung von energie- und klimaschutzbezogenen Fragestellungen vor allem in der Entwicklungsplanung birgt das Potenzial zur Verbreitung auf andere Bundeslaumlnder und zur Ver-tiefung sowie Praumlzisierung der adressierten Inhalte Gleichzeitig ist es wichtig dass die Bruumlcke zum Baurecht geschaffen wird Die Ermaumlchtigung zu energiebezogenen Festlegungen im Bebauungsplan ist eine wichtige Grundlage um die Exekutierung der in der Entwicklungsplanung formulierten Ziele zu ermoumlglichen Neben den direkt relevanten Rechtsmaterien gibt es weitere mit indirekter Relevanz Darunter fallen beispielsweise die Bereitstellungsverpflichtung Definition der Qualitaumltsanforderung und die Nutzungsermaumlchtigung fuumlr die benoumltigten Daten oder die Verbindung der Instrumente der Raumordnung mit weiteren hoheitlichen Steuerungsinstrumenten (z B Wohnbaufoumlrderung Energie-foumlrderung Beratung Bewusstseinsbildung)

Rehbogen Strasser (2021) Energie und Klimaschutz in hoheitlichen Planungsprozessen beruumlcksichtigen ndash Bedarf Anwen-dungsfaumllle und Loumlsungsansaumltze in der Praxis DOI 1034726807

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(5) Qualitaumltssicherung Der Erfolg der Aktivitaumlten raumlumlicher Energieplanung haumlngt von einer effektiven Umsetzung ab - alle Vorhaben sind nur so gut wie sie auch konsequent und qualitaumltsvoll umgesetzt werden und somit zu einer signifikanten und moumlglichst raschen Reduktion des CO2-Ausstoszliges beitragen Qualitaumltssicherung beginnt bei den genutzten Datengrundlagen und der Informationsaufbereitung Als fuumlr die Raumord-nung verantwortliche Pruumlfbehoumlrde nehmen die Bundeslaumlnder daruumlber hinaus auch im Verfahren selbst im Hinblick auf die Qualitaumltssicherung eine Schluumlsselrolle ein Schlussendlich koumlnnen nur sie sicherstel-len dass die sachlichen Erkenntnisse der energieraumlumlichen Analysen in der praktischen Umsetzung in den Gemeinden auch Beruumlcksichtigung finden

Aus der Praxis

Die Bundeslaumlnder Wien Steiermark und Salzburg haben in den letzten Jahren so-wohl im Hinblick auf die rechtlichen Grundlagen als auch im Hinblick auf die Bereit-stellung der Informationen viele wichtige Grundlagen geschaffen Dabei werden je-weils Ansaumltze verfolgt in denen die Landesregierungen die Verantwortung fuumlr die Beruumlcksichtigung energie- und klimaschutzbezogener Fragestellungen aktiv wahr-nehmen Der Entwicklung der Anforderungen steht jeweils ein direktes Service fuumlr die Gemeinden (in Form von Informationsbereitstellung Beratung Schulung und Foumlrderung) gegenuumlber

Schlussfolgerungen Ausblick Die Themen Energiewende und Klimaschutz sind heute als oumlffentliches Interesse etabliert und erheben sich damit auch in der Raumplanung aus dem bisherigen Schattendasein Energieraumplanung hat in den letzten beiden Jahren groszlige Entwicklungsspruumlnge gemacht und ist in der Praxis angekommen Erste Bundeslaumlnder haben effektive Schritte zur Beruumlcksichtigung von energie- und klimaschutzbezo-genen Fragestellungen in hoheitlichen Planungsprozessen gesetzt In Wien der Steiermark und Salz-burg gibt es heute etablierte Prozesse die in der Praxis erfolgreich exekutiert werden Datenbereitstellung Datenhosting Datenverarbeitung Informationsaufbereitung und -bereitstellung Qualitaumltssicherung sowie die Schaffung des rechtlichen Rahmens stellen die maszliggeblichen Grundlagen dar Aufgrund der Kompetenzenverteilung und der notwendigen Ressourcen kommt den Bundeslaumln-dern als Institutionen eine Schluumlsselrolle zu um die Integration des neuen Materienkomplexes in be-stehende Prozesse der Raumplanung in der Praxis bewerkstelligen zu koumlnnen Nach der Etablierung erster Prozesse zur Beruumlcksichtigung energie- und klimaschutzbezogener Inhalte in der Raumplanung muss es in den naumlchsten Schritten darum gehen die Instrumente konsequent weiterzuentwickeln zu verbessern und thematisch zu vertiefen eine eindeutige Rechtssicherheit fuumlr die Umsetzung zu schaffen und diese in der Praxis sicherzustellen sowie die nuumltzlichen Erfahrungen auf weitere Bundeslaumlnder zu skalieren

Literatur

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Rehbogen Strasser (2021) Energie und Klimaschutz in hoheitlichen Planungsprozessen beruumlcksichtigen ndash Bedarf Anwen-dungsfaumllle und Loumlsungsansaumltze in der Praxis DOI 1034726807

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Maaszlig C Sandrock M Schaeffer R (2015) Fernwaumlrme 30 Strategien fuumlr eine zukunftsorientierte Fernwaumlrmepolitik Hamburg HIR ndash Hamburg Institut Research gGmbH httpswwwhamburg-insti-tutcomimagespdfstudien15021920Fernwrme203_0apdf (letzter Zugriff 24092020)

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Mair F (2012) Handbuch Raumordnung Salzburg Salzburg Amt der Salzburger Landesregierung httpswwwsalzburggvatbauenwohnen_Documentsharo_aktuell_kap_1_bis_3_kleinpdf (letz-ter Zugriff 23072020)

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VCOuml (2019) In Gemeinden und Regionen Mobilitaumltswende voranbringen VCOuml-Schriftenreihe bdquoMobi-litaumlt mit Zukunftldquo 12019 Wien httpspubliktuwienacatfilespublik_278774pdf

Gesetzesquellen

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Salzburger RaumordnungsgesetzSROG 2009 LGBl Nr 302009 idF LGBl Nr 772020 httpswwwrisbkagvatGeltendeFassungwxeAbfrage=LrSbgampGesetzesnummer=20000615

Steiermaumlrkisches RaumordnungsgesetzStROG 2010 LGBl Nr 492010 idF LGBl Nr 62020 httpswwwrisbkagvatGeltendeFassungwxeAbfrage=LrStmkampGesetzesnummer=20000069

Tiroler RaumordnungsgesetzTROG 2016 LGBl Nr 1012016 idF LGBl Nr 512020 httpswwwrisbkagvatGeltendeFassungwxeAbfrage=LrTampGesetzesnummer=20000647

Vorarlberger Gesetz uumlber die RaumplanungVGRP 1996 LGBlNr 391996 idF LGBlNr 192020 httpswwwrisbkagvatGeltendeFassungwxeAbfrage=LrVbgampGesetzesnummer=20000653

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Onlinequellen

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e5-Energieeffiziente Gemeinden (wwwe5-gemeindenat)

Enco2Web (httpsprojekteffgatprojekt2808525)

Energiemosaik (httpswwwenergiemosaikatintro)

Rehbogen Strasser (2021) Energie und Klimaschutz in hoheitlichen Planungsprozessen beruumlcksichtigen ndash Bedarf Anwen-dungsfaumllle und Loumlsungsansaumltze in der Praxis DOI 1034726807

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Energieraumplaumlne (Klimaschutzgebiete) der Stadt Wien (httpswwwwiengvatstadtentwick-lungenergieerp)

Enerspired Cities (wwwenerspiredcity)

GREEN ENERGY LAB Spatial Energy Planning for Energy Transition (wwwwaermeplanungat)

OumlREK (httpswwwoerokgvatraumthemenenergieraumplanung)

SAGIS (httpswwwsalzburggvatsagismobilesagisonline)

ViennaGIS (httpswwwwiengvatumweltgutpublic)

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Das Sachbereichskonzept Energie in der Steiermark Ein Buumlndel aus rechtlicher Verankerung fachlichen Grundlagen fundierter Beratung und finanzieller Foumlrderung

Lore Abart-Heriszt (1) Dieter Preiszlig (2) und Michael Redik (3)

DOI 10347261021

(1) Dipl-Ing Dr Institut fuumlr Raumplanung Umweltplanung und Bodenordnung (IRUB) Department fuumlr Raum Landschaft und Infrastruktur (RALI) Universitaumlt fuumlr Bodenkultur (BOKU) Wien

(2) Dipl-Ing Amt der Steiermaumlrkischen Landesregierung Abteilung 15 ndash Energie Wohnbau Technik Referat fuumlr Energietechnik und Klimaschutz

(3) Dipl-Ing Amt der Steiermaumlrkischen Landesregierung Abteilung 13 ndash Umwelt und Raumordnung Referat fuumlr Bau- und Raumordnung

Abstract

Die energieraumplanerischen Standortraumlume kennzeichnen innerhalb von Gemeinden Siedlungsge-biete die als besonders energieeffizient und klimafreundlich gelten Identifiziert werden einerseits Standortraumlume fuumlr Fernwaumlrmeversorgung unter Beruumlcksichtigung von Waumlrmebedarfs- und Bebau-ungsdichten Andererseits werden Standortraumlume fuumlr klimafreundliche Mobilitaumlt identifiziert die auf-grund ihrer Nutzungsmischung und -dichte sowie ihrer oumlV-Guumlte uumlber optimale Rahmenbedingungen fuumlr den Fuszlig- und Radverkehr sowie den oumlffentlichen Verkehr verfuumlgen Die Uumlberlagerung der Stand-ortraumlume fuumlr Fernwaumlrmeversorgung mit den Standortraumlumen fuumlr klimafreundliche Mobilitaumlt kenn-zeichnet jene Siedlungsgebiete innerhalb von Gemeinden auf die mit den Instrumenten der oumlrtlichen Raumplanung die kuumlnftige bauliche Entwicklung gelenkt werden soll Diese Flaumlchen stehen im Allge-meinen auch im Fokus der Strategien zur Innenentwicklung Die energieraumplanerischen Standort-raumlume bilden vornehmlich eine Grundlage fuumlr das Oumlrtliche Entwicklungskonzept aber auch fuumlr den Flaumlchenwidmungsplan sowie den Bebauungsplan Sie gehen in den raumordnungspolitischen Mei-nungsbildungsprozess ein in dem uumlber die kuumlnftige raumlumliche Entwicklung einer Gemeinde entschie-den wird

Schluumlsselbegriffe

Energieeffiziente Siedlungsstrukturen energieraumplanerische Standortraumlume oumlrtliche (Energie-) Raumplanung Abart-Heriszt L Preiszlig D Redik M (2021) Das Sachbereichskonzept Energie in der Steiermark Ein Buumlndel aus rechtlicher Verankerung fachlichen Grundlagen fundierter Beratung und finanzieller Foumlrderung In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S18-27

Abart-Heriszt Preiszlig Redik (2021) Das Sachbereichskonzept Energie in der Steiermark Ein Buumlndel aus rechtlicher Veranke-rung fachlichen Grundlagen fundierter Beratung und finanzieller Foumlrderung DOI 10347261021

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Inhalt Rahmenbedingungen des Landes fuumlr die Energieraumplanung in der Steiermark 20

Energie- und Treibhausgasdatenbanken und die Ausweisung energieraumplanerischer Standortraumlume 21

Kommunale Energie- und Treibhausgasdatenbank 21

Rasterbasierte Energie- und Treibhausgasdatenbank 22

Energieraumplanerische Standortraumlume 22

Klimaschutz und das Foumlrderungsprogramm zur Energieraumplanung in der Steiermark 25

Schlussbemerkung 26

Literatur 27

Abart-Heriszt Preiszlig Redik (2021) Das Sachbereichskonzept Energie in der Steiermark Ein Buumlndel aus rechtlicher Veranke-rung fachlichen Grundlagen fundierter Beratung und finanzieller Foumlrderung DOI 10347261021

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Rahmenbedingungen des Landes fuumlr die Energieraumplanung in der Steiermark

Das energiepolitische Engagement der steiermaumlrkischen Raumplanung hat lange Tradition Schon seit Jahrzehnten ist den Verantwortlichen in der Steiermark der Raumbezug energierelevanter Aspekte bewusst Bereits im Landesentwicklungsprogramm 1977 hat sich das Land Steiermark mit dem Thema Energie befasst Die Erstellung eines Sachprogramms fuumlr den Themenbereich Rohstoff- und Energie-versorgung wurde vorgesehen und im Jahr 1984 (allerdings als unverbindliches Konzept) umgesetzt In der zweiten Haumllfte der 1980er-Jahre wurden die energetischen Potenziale der Planungsregionen (im Wesentlichen war das die Bezirksebene) als Grundlage fuumlr die regionalen Entwicklungsprogramme der ersten Generation erfasst rechtlich verbindliche Vorgaben wurden daraus aber nicht abgeleitet Einen weiteren Anlass sich mit dem Thema Energie auseinanderzusetzen bot im Jahr 1993 das Entwick-lungsprogramm fuumlr die Reinhaltung der Luft Darin wurden lufthygienische Sanierungsgebiete abge-grenzt und fuumlr den Grazer Zentralraum Moumlglichkeiten zur Festlegung von verpflichtenden Fernwaumlrme-anschlussbereichen eroumlffnet eine Umsetzung erfolgte aber nur in Teilbereichen der Landeshauptstadt Graz Seit den 1990er Jahren richtete sich das Hauptaugenmerk auf zahlreiche Standortpruumlfungen bzw -planungen fuumlr Energieerzeugungsanlagen (Kleinwasserkraft Photovoltaik Windparks Biomasse) zu-letzt muumlndeten diese Arbeiten in die Novelle des Entwicklungsprogramms fuumlr den Sachbereich Wind-energie (2019) Mit bdquoEnergieraumplanungldquo im Sinne der Definition der OumlROK (bdquoEnergieraumplanung ist jener integrale Bestandteil der Raumplanung der sich mit den raumlumlichen Dimensionen von Energieverbrauch und Energieversorgung umfassend beschaumlftigtldquo) befasste sich das EU-Projekt SPECIAL (Spatial planning and energy for communities in all landscapes) an dem sich das Land Steiermark beteiligte (2013-2016) Als Umsetzungsmaszlignahme dieses EU-Projekts wurde das Institut fuumlr Raumplanung Umweltplanung und Bodenordnung der Universitaumlt fuumlr Bodenkultur Wien (BOKU) damit beauftragt sogenannte bdquoSach-bereichskonzepte Energieldquo (SKE) fuumlr zwei Fallbeispielgemeinden sowie einen Leitfaden fuumlr die Entwick-lung solcher SKEs in der Steiermark zu erarbeiten Basierend auf den Erfahrungen in diesem Pilotpro-jekt beauftragte das Land Steiermark anschlieszligend die BOKU mit der Bereitstellung einer kommunalen und rasterbasierten Energie- und Treibhausgasdatenbank einschlieszliglich der flaumlchendeckenden Aus-weisung energieraumplanerischer Standortraumlume nach einer einheitlichen Methodik fuumlr alle 287 Ge-meinden in der Steiermark (vgl Kap 2) Die umfangreichen Datensaumltze wurden den Gemeinden kos-tenlos in digitaler Form zur Verfuumlgung gestellt und dienen steiermarkweit als Grundlage fuumlr die Erar-beitung von SKEs In diesem Rahmen wurde auch der Leitfaden adaptiert (bdquoDas Sachbereichskonzept Energie ndash ein Beitrag zum Oumlrtlichen Entwicklungskonzept Leitfaden Version 20ldquo) Er soll Akteure in der oumlrtlichen Raumplanung dabei unterstuumltzen auf Basis der Datenbanken und Standortraumlume plane-rische Strategien zu erarbeiten die in Festlegungen fuumlr eine energie- und klimaoptimierte raumlumliche Entwicklung muumlnden Im Vordergrund der Betrachtungen stehen dabei Aspekte der Waumlrmeversorgung und der Mobilitaumlt Aufgrund der Bestimmungen des Steiermaumlrkischen Raumordnungsgesetzes 2010 (StROG 2010) bildet das SKE nicht nur eine unerlaumlssliche Planungsgrundlage fuumlr die Beruumlcksichtigung von Energiewende und Klimaschutz in der oumlrtlichen Raumplanung Vielmehr ist ein Energiekonzept als (vorwiegend) fa-kultatives Sachbereichskonzept zum oumlrtlichen Entwicklungskonzept (OumlEK) im StROG explizit verankert (vgl dazu sect 21 (3)) Diese Bestimmung ist im Vergleich zu den gesetzlichen Regelungen in anderen Bundeslaumlndern bemerkenswert und eroumlffnet die Moumlglichkeit wesentliche Inhalte des SKE im OumlEK der Gemeinde verbindlich festzulegen Mit dem SKE wird demnach das zentrale strategische Planungs-instrument auf kommunaler Ebene um energieraumplanerische Aspekte ergaumlnzt Energie- und klima-relevante Aussagen erhalten durch die Integration in den fachuumlbergreifenden Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozess sowie durch den Verordnungscharakter des OumlEK besondere Bedeutung Die

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rechtliche Verankerung energieraumplanerischer Bestimmungen im OumlEK ist gemeinsam mit der Wahr-nehmung von einschlaumlgigen Weiterbildungsangeboten seitens der kommunalen Akteure die zentrale Voraussetzung fuumlr die Ausschuumlttung von Mitteln aus dem Oumlkofonds Steiermark Uumlber diesen Fonds ist es gelungen eine finanzielle Unterstuumltzung fuumlr Gemeinden bei der Erstellung und Umsetzung der SKEs aufzustellen (vgl Klimaschutz und das Foumlrderungsprogramm zur Energieraumplanung in der Steier-mark)

Energie- und Treibhausgasdatenbanken und die Ausweisung energieraumplaneri-scher Standortraumlume Fuumlr eine vorausschauende Planung wie im Falle des OumlEK bzw des SKE ist die genaue Kenntnis und Analyse der Ausgangssituation unabdingbar Das SKE basiert daher einerseits auf einer raumlumlich und sachlich hoch aufgeloumlsten energie- und mobilitaumltsrelevanten Bestands- und Potenzialanalyse die so-wohl auf Gemeindeebene als auch im 250-m-Raster erfolgt (kommunale und rasterbasierte Energie- und Treibhausgasdatenbank) Andererseits bilden die energieraumplanerischen Standortraumlume eine unerlaumlssliche Grundlage fuumlr die Entwicklung von Strategien zugunsten energie- und klimaeffizienter Raum- und Siedlungsstrukturen im Rahmen des SKE Der Leitfaden bdquoDas Sachbereichskonzept Energieldquo unterstuumltzt die kommunalen Akteure allen voran die oumlrtlichen Raumplaner bei der Analyse und Inter-pretation der umfangreichen Datensaumltze

Kommunale Energie- und Treibhausgasdatenbank

Fuumlr die Entwicklung kommunaler Strategien zur Energiewende und zum Klimaschutz ist eine profunde Charakterisierung der Gemeinde im Hinblick auf Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen im Status quo (Eroumlffnungsbilanz) ebenso unerlaumlsslich wie die Darstellung der energetischen Potenziale der Gemeinde

Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen der Gemeinde

Im Hinblick auf den Energieverbrauch und die Treibhausgasemissionen auf Gemeindeebene stuumltzt sich das SKE auf das bdquoEnergiemosaik Austrialdquo Diese Datenbank bildet den Energieverbrauch und die damit verbundenen Treibhausgasemissionen fuumlr alle oumlsterreichischen Staumldte und Gemeinden ab und bietet damit umfangreiche energie- und klimarelevante Entscheidungsgrundlagen auf Gemeindeebene Das Energiemosaik Austria steht seit Jaumlnner 2020 unter wwwenergiemosaikat mit interaktiven Karten umfangreichen Tabellen und weiterfuumlhrenden Diagrammen zur Verfuumlgung (Abart-Heriszt et al 2019a und 2019b) Die Ergebnisse des Energiemosaiks Austria wurden fuumlr die steiermaumlrkischen Gemeinden in einer sepa-raten Datenbank abgelegt (kommunale Energie- und Treibhausgasdatenbank Steiermark) die uumlber eine eigens entwickelte Excel-Abfrageoberflaumlche zugaumlnglich ist (Abart-Heriszt et al 2020) Sie wurde den Gemeinden in der Steiermark schon im Sommer 2018 vorweg zur Verfuumlgung gestellt und im Winter 2020 auf den aktuellen Stand des Energiemosaiks Austria gebracht

Energetische Potenziale der Gemeinde

In der kommunalen Energie- und Treibhausgasdatenbank Steiermark werden nicht nur die im Energie-mosaik Austria getroffenen Aussagen zum Energieverbrauch und zu den Treibhausgasemissionen be-reitgestellt sondern auch energetische Potenziale der Gemeinden dokumentiert Dabei steht die Dar-stellung thermischer Potenziale mit teilweise hoher Ortsgebundenheit als Grundlage fuumlr die Entwick-lung von Strategien zur Waumlrmeversorgung im Vordergrund der Betrachtungen Besondere Bedeutung kommt hierbei Effizienzpotenzialen zu Der Energieverbrauch und damit das Ausmaszlig der Treibhausgasemissionen koumlnnen durch Maszlignahmen zur Steigerung der Energieeffizienz erheblich vermindert werden Dies gilt auch fuumlr den Waumlrmebedarf von Siedlungen der mittel- bis lang-fristig durch die energetische Sanierung der bestehenden Bausubstanz verringert werden kann In der

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kommunalen Energie- und Treibhausgasdatenbank Steiermark werden die Energieeffizienzpotenziale fuumlr die Wohngebaumlude ausgewiesen In diesem Rahmen wird (ebenso wie im Status quo) auf bereits erfolgte energetische Sanierungen der Gebaumlude grundsaumltzlich Bedacht genommen wobei angesichts unzureichender Datengrundlagen keine gemeindespezifische oder inneroumlrtliche Differenzierung der bisherigen Sanierungstaumltigkeit erfolgt Fuumlr die Ermittlung der kuumlnftigen Energieeffizienzpotenziale wer-den unterschiedliche Gebaumludekategorien und Bauperioden in ihrer raumlumlichen Verteilung beruumlcksich-tigt Im Hinblick auf die Verminderung der Treibhausgasemissionen spielen die sogenannten Substitutions-potenziale eine besondere Rolle Sie beschreiben in welchem Ausmaszlig fossile Energie zum Einsatz kommt die durch erneuerbare Energie substituiert werden kann In der kommunalen Energie- und Treibhausgasdatenbank Steiermark ist der fossile Anteil am Waumlrmebedarf dargestellt Die erneuerbaren Energiepotenziale sind vielseitig In der kommunalen Energie- und Treibhausgasda-tenbank Steiermark werden die Abwaumlrmepotenziale aus industriell-gewerblicher Produktion und aus Einrichtungen der technischen Infrastruktur sowie (gebaumludeintegrierte) Solarwaumlrmepotenziale Bio-masse- und Biogaspotenziale ausgewiesen

Rasterbasierte Energie- und Treibhausgasdatenbank

Waumlhrend Aussagen auf Gemeindeebene eine wichtige Referenz fuumlr die Formulierung kommunaler Strategien fuumlr die Energiewende und den Klimaschutz darstellen erweist sich fuumlr Festlegungen der oumlrtlichen Raumplanung eine inneroumlrtliche Differenzierung als erforderlich Aus diesem Grund wurde eine landesweite rasterbasierte Energie- und Treibhausgasdatenbank entwickelt die im digitalen At-las Steiermark abrufbar ist (wwwgisstmkgvat)

Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen im 250-m-Raster

Fuumlr die rasterbasierte Energie- und Treibhausgasdatenbank erfolgt die Ermittlung von Energiever-brauch und Treibhausgasemissionen der Wohnnutzung und der wirtschaftlichen Nutzungen flaumlchen-deckend in einem 250-m-Raster in Analogie zur Modellierung auf Gemeindeebene Die statistische Da-tenbasis beruht auf einer Sonderauswertung der Gebaumlude- und Wohnungszaumlhlung sowie der Arbeits-staumlttenzaumlhlung im 250-m-Raster seitens der Statistik Austria wobei aufgrund von Datenschutzbestim-mungen einzelne Angaben (unterhalb gewisser Schwellenwerte) unterdruumlckt werden Im Allgemeinen stehen demnach im Raster dieselben Strukturdaten (70 Parameter zu Wohnflaumlchen und Beschaumlftigten) in derselben sachlichen Differenzierung zur Verfuumlgung und kommen dieselben Energiekennzahlen und Emissionsfaktoren zur Anwendung wie auf Gemeindeebene Fuumlr jede Rasterzelle werden Energiever-brauch und Treibhausgasemissionen als Summe aller Produkte von Strukturdaten und Energiekenn-zahlen bzw unter Heranziehung energietraumlgerspezifischer Emissionsfaktoren ermittelt wobei auf die Berechnung von Waumlrmebedarf und Waumlrmebedarfsdichten ein Hauptaugenmerk gelegt wird

Energetische Potenziale im 250-m-Raster

Ergaumlnzend zu den Angaben zum Energieverbrauch und zu den Treibhausgasemissionen werden in der rasterbasierten Energie- und Treibhausgasdatenbank auch die Effizienz- und Solarwaumlrmepotenziale (analog zur Darstellung auf Gemeindeebene) ausgewiesen

Energieraumplanerische Standortraumlume

Die rasterbasierten Daten bilden eine wesentliche Grundlage fuumlr die landesweite Identifikation der energieraumplanerischen Standortraumlume die ebenfalls im digitalen Atlas Steiermark oumlffentlich zur Verfuumlgung stehen (wwwgisstmkgvat) Entsprechend der thematischen Schwerpunktsetzung im SKE werden Standortraumlume fuumlr Fernwaumlrmeversorgung und klimafreundliche Mobilitaumlt ausgewiesen

Abart-Heriszt Preiszlig Redik (2021) Das Sachbereichskonzept Energie in der Steiermark Ein Buumlndel aus rechtlicher Veranke-rung fachlichen Grundlagen fundierter Beratung und finanzieller Foumlrderung DOI 10347261021

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Standortraumlume fuumlr Fernwaumlrmeversorgung

Im Vordergrund der Betrachtungen stehen Uumlberlegungen zur Verfolgung raumlumlich differenzierter Stra-tegien zur Waumlrmeversorgung und zur Konzentration der kuumlnftigen Siedlungsentwicklung auf Standort-raumlume die mit Fernwaumlrme versorgt werden koumlnnen wobei dies nur im Falle der Nutzung uumlberwiegend erneuerbarer Energietraumlger hocheffizienter Kraft-Waumlrme-Kopplungs-Anlagen oder bedeutender Ab-waumlrmepotenziale forciert werden soll Waumlrmenetze haben den Vorteil dass sie im Hinblick auf dendie eingesetzten Energietraumlger sehr flexibel sind und dass sie die Volatilitaumlt der erneuerbaren Energietrauml-ger (vornehmlich der Solar- und Windenergie) ausgleichen koumlnnen Sie eignen sich daher besonders fuumlr den mittel- bis langfristig erforderlichen Ausstieg aus der fossilen bzw den zunehmenden Einsatz erneuerbarer Energie in der Waumlrmebereitstellung

Kriterien fuumlr die Ausweisung von Standortraumlumen fuumlr Fernwaumlrmeversorgung sind die im 250-m-Raster ermittelte Waumlrmebedarfsdichte und die im Flaumlchenwidmungsplan jeweils ausgewiesene maximal zu-laumlssige Geschoszligflaumlchenzahl als Maszligzahl fuumlr die Bebauungsdichte Damit wird der Uumlberlegung Rech-nung getragen dass eine hohe Effizienz und Wirtschaftlichkeit der investitionskostenintensiven Fern-waumlrmeversorgung nur bei kurzen Transportwegen mit minimalen Waumlrmeverlusten gewaumlhrleistet sind Optionen fuumlr die Fernwaumlrmeversorgung muumlssen demnach in einem engen Zusammenhang mit einer angemessenen Bebauungsdichte einer ausgewogenen Mischung verschiedener Nutzungen mit zeit-lich variierender Waumlrmenachfrage und mit den Standorten von Groszligabnehmern betrachtet werden Letztere spiegeln sich im Allgemeinen in hohen Waumlrmebedarfsdichten wider werden damit auch in den energieraumplanerischen Standortraumlumen sichtbar und koumlnnen im Sachbereichskonzept Energie in Kenntnis der oumlrtlichen Gegebenheiten besonders beruumlcksichtigt werden

Je houmlher die genannten Dichten sind (vgl Abb 1) desto eher eignen sich Siedlungsgebiete fuumlr die Versorgung mit Waumlrme- (und allenfalls auch Kaumllte-) netzen ndash selbst im Falle einer Verringerung des Waumlrmebedarfs durch die fortschreitende ener-getische Sanierung im Gebaumludebestand

Abb 1 Standortraumlume fuumlr Fernwaumlrmeversorgung Quelle eigene Darstellung

Standortraumlume fuumlr klimafreundliche Mobilitaumlt

Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Lenkung der kuumlnftigen raumlumlichen Entwicklung jener Sied-lungsgebiete die sich besonders fuumlr eine energiesparende und klimafreundliche Mobilitaumlt eignen Im Rahmen der Ausweisung von Standortraumlumen fuumlr klimafreundliche Mobilitaumlt werden die Nutzungsin-tensitaumlt von Standorten und die Guumlteklassen des oumlffentlichen Verkehrs beruumlcksichtigt Fuumlr die Beurteilung der Nutzungsintensitaumlt von Standorten kommt ein eigens fuumlr das SKE entwickeltes Modell zur Anwendung das die Nutzungsvielfalt und Nutzungsdichte von Siedlungsstrukturen abbil-det Das Modell traumlgt der Uumlberlegung Rechnung dass eine kompakte Siedlungsstruktur mit einer aus-gewogenen Nutzungsmischung und angemessenen Dichten die besten raumlumlichen Voraussetzungen fuumlr kurze Wege und einen hohen Anteil des Fuszlig- und Radverkehrs schafft Auszligerdem wird dem Um-stand Rechnung getragen dass Standorte mit houmlheren Nutzungsintensitaumlten Synergiepotenziale eroumlff-nen und die Verknuumlpfung von Wegen zu Wegeketten (Erfuumlllung mehrerer Wegezwecke) erlaubt und

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dadurch attraktiver sind Die Ermittlung der Nutzungsintensitaumlt beruht auf den Strukturdaten im 250-m-Raster (Einwohner und Beschaumlftigte bzw Arbeitsstaumltten im Dienstleistungssektor) Die Angaben zur OumlV-Guumlteklasse basieren auf der im Rahmen der OumlROK-Partnerschaft Raumordnung und Verkehr erarbeiteten Studie bdquoBedienungsqualitaumlt und Erschlieszligungsguumlte im oumlffentlichen Verkehrldquo (OumlROK 2017) die Daten wurden von der AustriaTech GmbH zur Verfuumlgung gestellt Die Studie nimmt sowohl auf die Qualitaumlt des oumlffentlichen Verkehrsangebotes als auch auf die Erreichbarkeit von Halte-stellen Bezug Demnach beruumlcksichtigt die Festlegung der OumlV-Guumlteklasse eines Standortes einerseits die Haltestellenkategorie die aus der Art des Verkehrsmittels sowie der Bedienungshaumlufigkeit (reprauml-sentiert durch die werktaumlglichen Kursintervalle) resultiert Andererseits flieszligen fuumlnf verschiedene Dis-tanzklassen zur Haltestelle (Fuszligwege bis maximal 1250 m Realdistanz) in die Beurteilung der OumlV-Guuml-teklasse eines Standortes ein Insgesamt werden in dieser Studie sieben OumlV-Guumlteklassen abgegrenzt Mikro-OumlV-Systeme sind in den OumlV-Guumlteklassen nicht abgebildet

Je houmlher die Nutzungsin-tensitaumlt und die Attrakti-vitaumlt der OumlV-Erschlieszligung sind (vgl Abb 2) desto eher eignen sich Sied-lungsgebiete fuumlr eine Verlagerung von Ver-kehrsleistungen des mo-torisierten Individualver-kehrs auf den Fuszlig- und Radverkehr sowie auf den oumlffentlichen Verkehr und damit fuumlr eine klima-freundliche Mobilitaumlt

Abb 2 Standortraumlume fuumlr klimafreundliche Mobilitaumlt Quelle eigene Darstellung

Synthese Uumlberlagerung der energieraumplanerischen Standortraumlume

Die eingehende Analyse bzw Uumlberlagerung der Standortraumlume fuumlr Fernwaumlrmeversorgung und fuumlr kli-mafreundliche Mobilitaumlt erlaubt jene Standorte innerhalb einer Gemeinde zu identifizieren die so-wohl hinsichtlich der Waumlrmeversorgung als auch der Mobilitaumlt energie- und klimaoptimierte Rahmen-bedingungen aufweisen Es sind dies im Allgemeinen kompakte nutzungsgemischte Siedlungsstruktu-ren mit maszligvoller Dichte der Bebauung die sich an den Erfordernissen des Fuszlig- und Radverkehrs so-

wie an attraktiven oumlffent-lichen Verkehrsangebo-ten orientieren Insofern bieten sie gute Voraus-setzungen fuumlr die Fern-waumlrmeversorgung (vor-nehmlich aus erneuerba-ren Energietraumlgern oder Abwaumlrme) sowie fuumlr die Nutzung des Umweltver-bundes aus Zu-Fuszlig-Ge-hen Radfahren und oumlf-fentlichem Verkehr (vgl Abb 3)

Abb 3 Uumlberlagerung der energieraumplanerischen Standortraumlume Quelle eigene Darstellung

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Die Strategien der Energieraumplanung zielen darauf ab diesen Standortraumlumen kuumlnftig eine hohe Prioritaumlt in der Siedlungsentwicklung einzuraumlumen Daraus sind unter Beruumlcksichtigung der besonde-ren oumlrtlichen Gegebenheiten sowie vor dem Hintergrund der aktuellen demographischen und wirt-schaftlichen Entwicklung vor Ort entsprechende Schlussfolgerungen fuumlr raumrelevante Festlegungen bzw im Hinblick auf die Lagegunst oder -ungunst bisher in Erwaumlgung gezogener Siedlungsentwick-lungspotenziale zu ziehen Dabei praumlzisiert der Leitfaden bdquoDas Sachbereichskonzept Energieldquo die sied-lungsstrukturellen Rahmenbedingungen und zeigt Anhaltspunkte fuumlr die planungsrechtliche Umset-zung energieraumplanerischer Strategien auf

Klimaschutz und das Foumlrderungsprogramm zur Energieraumplanung in der Steiermark

Der uumlberwiegende Teil der Treibhausgasemissionen ndash in der Steiermark sind es rund 85 ndash entsteht durch die Umwandlung fossiler Brennstoffe in Energie Der Sektor Verkehr und der Gebaumludebereich verursachen insgesamt 34 bzw ndash einschlieszliglich der indirekten Emissionen bei der Bereitstellung von Fernwaumlrme und Strom fuumlr die Gebaumlude ndash uumlber 40 der steirischen Treibhausgasemissionen (Klimabe-richt Steiermark 2019) Soll das international vereinbarte Ziel die Klimaerwaumlrmung im globalen Mittel mit maximal 2degC zu be-grenzen erreicht werden ist rasches Handeln auf allen Ebenen der Gesellschaft zur Verringerung der Treibhausgasemissionen erforderlich Daher wurde mit der integrierten Klima- und Energiestrategie Steiermark 2030 ein strategischer Rahmen geschaffen der zukunftsweisende Handlungsoptionen auf Bundeslandebene darlegt Die Raumplanung wird dort als zentrales strategisches Instrument fuumlr den Klimaschutz und die Versor-gung mit Energie auf kommunaler Ebene mit der Begruumlndung angefuumlhrt dass kompakte Siedlungs-strukturen die Voraussetzung fuumlr eine klimaoptimierte Energieversorgung sowie attraktive klima-freundliche Mobilitaumltsangebote sind Als Schwerpunktziel wurde bdquoDie Energieraumplanung als integ-rierender Bestandteil der Raumplanung entwickelnldquo definiert Darauf basierend wurde im Aktionsplan zur Klima- und Energiestrategie die Maszlignahme bdquoDas Sachbereichskonzept Energie in Gemeinden stra-tegisch verankernldquo beschlossen Eine zentrale Rolle spielen dabei die Raumplanerinnen und Raumpla-ner die als Multiplikatoren in den Gemeinden fungieren Das Sachbereichskonzept Energie unterscheidet sich dabei wesentlich von den Energiekonzepten die in der Vergangenheit erarbeitet wurden Sie hatten naumlmlich den entscheidenden Nachteil dass sie nicht in den Instrumenten der oumlrtlichen Raumplanung verankert wurden Sie haben deshalb in das Denken der fuumlr die Raumplanung Verantwortlichen kaum Eingang gefunden womit die Umsetzung so gut wie verspielt war Die Aussagen des SKE werden hingegen in das oumlrtliche Entwicklungskonzept der Gemeinde integriert Um das neue Instrument des SKE in die Umsetzung zu bringen wurde von den mit Raumplanung und Energie betrauten Stellen in den Abteilungen des Landes gemeinsam ein Foumlrderungsprogramm aus dem Oumlkofonds Steiermark aufgesetzt Die eingereichten Foumlrderungsansuchen werden von einer Jury ndash bestehend aus wissenschaftlichen Vertretern den betroffenen Landesdienststellen sowie dem Buumlro der zustaumlndigen Landesraumltin ndash vor Erteilung einer Foumlrderungszusage gepruumlft Dabei ist die Ausschrei-bung modular gestaltet Das erste Modul zielt auf die Foumlrderung von Planungsleistungen entsprechend dem Leitfaden bdquoDas Sachbereichskonzept Energieldquo ab um Klimaschutz- und Energieaspekte uumlber das SKE in die Instrumente der oumlrtlichen Raumplanung einzuarbeiten wobei die Raumplaner diesen Pro-zess in den Gemeinden organisieren Zusaumltzlich zum raumordnungsrechtlich verbindlichen Stake-

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holderprozess kann auch eine aktive Buumlrgerbeteiligung finanziell unterstuumltzt werden um eine Identi-fikation aller Betroffenen mit dem SKE zu schaffen und mit einer offenen und sachlichen Informations-politik die notwendige Transparenz im Planungsprozess zu gewaumlhrleisten Interessenskonflikten ist da-bei bestmoumlglich zu begegnen und sie sind sofern moumlglich waumlhrend der Erarbeitungszeit beizulegen Aufbauend auf der Entwicklung des SKE koumlnnen uumlber zwei weitere Module vornehmlich Machbarkeits-studien und Detailplanungen sowie die Vorbereitung und Ausschreibung von Umsetzungsvorhaben gefoumlrdert werden Fuumlr die Inanspruchnahme einer Foumlrderung ist auch die Wahrnehmung spezieller Schulungs- und Bera-tungsangebote durch die jeweilige Gemeinde und die Ortsplaner verpflichtend Diese Veranstaltungen wurden vom Land Steiermark gemeinsam mit der BOKU angeboten An den Schulungen bzw Beratun-gen nahmen Vertreterinnen und Vertreter aus uumlber siebzig Gemeinden teil In der Haumllfte der Gemein-den wird aktuell aktiv an den SKEs gearbeitet Bereits angekuumlndigt und auch in der Klima- und Energie-strategie festgehalten ist eine zukuumlnftige gesetzliche Verpflichtung im steirischen Raumordnungsge-setz zur Erarbeitung der SKEs Mit einer solch konsistenten Vorgehensweise nimmt die Steiermark eine Vorreiterrolle in Oumlsterreich ein

Schlussbemerkung Eine verstaumlrkte Beruumlcksichtigung der Raumrelevanz von Energiewende und Klimaschutz in Strategien zur raumlumlichen Entwicklung von Gemeinden zeigt angesichts der Langlebigkeit der baulichen Struktu-ren der Verkehrs- und Leitungsinfrastruktur sowie der sozialen Infrastruktur (einschlieszliglich weiterer Daseinsvorsorgeeinrichtungen) mittel- bis langfristig Wirkung Vorausschauend und fruumlhzeitig muumlssen daher Uumlberlegungen zur erneuerbaren Energieversorgung und Optionen fuumlr eine klimafreundliche Mo-bilitaumlt in die Planung insbesondere in das oumlrtliche Entwicklungskonzept einflieszligen Auf der Ebene des Flaumlchenwidmungsplanes sind diese Vorgaben im Hinblick auf eine energiebewusste bauliche Entwick-lung zu praumlzisieren Fuumlr die Bebauungsplanung ist ein integrierender Ansatz wichtig der Bebauungs- Energie- Verkehrs- und Gruumlnraumkonzept aufeinander abstimmt bdquoLeistbares Wohnenldquo darf in dieser Hinsicht nicht mit bdquoBillig bauenldquo gleichgesetzt werden Die planerischen Festlegungen zur Auswahl von Standorten fuumlr die Siedlungsentwicklung und zur Ausgestaltung der baulichen Entwicklung an diesen Standorten sollen begleitet werden von weiterfuumlhrenden Uumlberlegungen beispielsweise zur Gestaltung der oumlffentlichen Verkehrsinfrastruktur oder zur Entwicklung von Fernwaumlrmenetzen Auf der projekt-planerischen Ebene die jedoch nicht Gegenstand des SKE ist koumlnnen die Aussagen zu den Standort-raumlumen vertieft und dafuumlr allenfalls weitere Datenquellen beruumlcksichtigt werden (beispielsweise die Heizungsdatenbank die Energieausweisdatenbank das Gebaumlude- und Wohnungsregister) Dadurch kann sichergestellt werden dass eine vorausschauende raumlumliche Entwicklung von einem oumlkonomi-schen und effizienten Umgang mit der Energieinfrastruktur begleitet wird und Energieversorgungssys-teme nicht am Rande der Wirtschaftlichkeit betrieben werden muumlssen Es braucht daher eine Entflech-tung und Ordnung der Energieinfrastruktur wobei der Fernwaumlrmeversorgung aus erneuerbaren Quel-len oder Abwaumlrme Vorrang einzuraumlumen ist Damit besteht der laumlngerfristige Nutzen raumrelevanter Strategien zugunsten der Energiewende und des Klimaschutzes in einer Abkehr von der flaumlchenhaften Ausdehnung der Siedlungsgebiete und von baulichen Entwicklungstendenzen an den Siedlungsraumlndern bzw in Siedlungssplittern zugunsten kom-pakter angemessen dichter und nutzungsgemischter Siedlungsstrukturen Diese Strategien der Innen-entwicklung bieten nicht nur optimale raumlumliche Rahmenbedingungen fuumlr die leitungsgebundene Waumlrmeversorgung und die klimafreundliche Mobilitaumlt sondern wirken sich auch positiv auf einen sorg-samen Umgang mit Grund und Boden und die Sicherung hochwertiger land- und forstwirtschaftlicher Flaumlchen aus Angesichts der Multifunktionalitaumlt dieser Flaumlchen ist die mit der Innenentwicklung der

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Siedlungsgebiete einhergehende Verringerung des Siedlungsdrucks auf den Freiraum auch aus ande-ren Gruumlnden (Nahrungsmittelproduktion Hochwasserschutz Ressourcensicherung Erholungsfunk-tion langfristige Flaumlchenvorhaltung) jedenfalls zu begruumlszligen Strategien zur Innenentwicklung tragen zur Staumlrkung zentral gelegener multifunktionaler Standorte und zur Minimierung der Kosten bzw des Einsatzes oumlffentlicher Finanzmittel fuumlr die Errichtung die Instandhaltung und den Betrieb sozialer und technischer Infrastrukturen bei Sie gewaumlhrleisten die wirtschaftliche Tragfaumlhigkeit und eine hohe Attraktivitaumlt von Dienstleistungseinrichtungen bzw oumlffent-lichen Verkehrsangeboten und damit die Versorgbarkeit bzw Versorgungssicherheit der Bevoumllkerung Sie stellen gute Erreichbarkeitsverhaumlltnisse fuumlr nicht-motorisierte Verkehrsteilnehmer und die Abde-ckung der Mobilitaumltsbeduumlrfnisse aller Bevoumllkerungsgruppen sicher Angesichts der Kuumlrze der Wege und der alternativen Angebote zur motorisierten Mobilitaumlt sind erhebliche Erleichterungen im Alltag die Folge In diesem Sinne leisten energie- und klimaoptimierte Siedlungsstrukturen laumlngerfristig nicht nur einen Beitrag zur Energiewende und zum Klimaschutz sondern tragen auch zur Attraktivierung von Ortszentren und zur Aufwertung der Wohn- und Wohnumfeldqualitaumlt und damit zur Verbesserung der Lebensqualitaumlt der Bevoumllkerung bei Auszligerdem steckt in den Infrastrukturen und Gebaumluden von ange-messen dichten und funktionsgemischten Siedlungsstrukturen nur ein geringes Maszlig an grauer Energie fuumlr deren Errichtung Instandhaltung und Betrieb Diese Gebiete sind demnach auch unter diesem Ge-sichtspunkt ressourcen- und klimaschonend

Literatur Abart-Heriszt L Erker S Reichel S Schoumlndorfer H Weinke E Lang S (2019a) Energiemosaik Austria Oumlsterreichweite Visualisierung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen auf Ge-meindeebene EnCO2Web FFG BMVIT Stadt der Zukunft Wien Salzburg Lizenz CC BY-NC-SA 30 AT vgl wwwenergiemosaikat

Abart-Heriszt L Erker S Stoeglehner G (2019b) The Energy Mosaic Austria ndash a Nationwide Energy and Greenhouse Gas Inventory on Municipal Level as Action Field of Integrated Spatial and Energy Planning In ENERGIES 12 (16) 3065

Abart-Heriszt L Erker S Stoumlglehner G (2020) ERPS ndash Kommunale Energie- und Treibhausgasda-tenbank Steiermark einschlieszliglich ERPS-Abfrageoberflaumlche Version 20 Im Auftrag der Steiermaumlrki-schen Landesregierung Abteilungen 13 15 und 17 Graz Wien Datensatz Abart-Heriszt L und Er-ker S (2019) Energiemosaik Austria Lizenz CC BY-NC-SA 30 AT

Digitaler Atlas Steiermark (o J) Rasterbasierte Energie- und Treibhausgasdatenbank sowie energie-raumplanerische Standortraumlume vgl httpsgisstmkgvatatlas (Planung und KatasterSachbe-reichsplanung Energie)

bdquoDas Sachbereichskonzept Energie ndash Ein Beitrag zum Oumlrtlichen Entwicklungskonzept Leitfaden Ver-sion 20ldquo (2019) vgl httpswwwverwaltungsteiermarkatcmsdoku-mente12663031_1443818266a64edd420190125_Leitfaden_20pdf

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Energieraumplaumlne ndash ein Meilenstein am Weg zur nachhaltigen Energie-zukunft Wiens

Susanna Erker (1) Andrea Kinsperger (2) Herbert Hemis (3) und Bernd Vogl (4)

DOI 10347261022

(1) Dipl-Ing Dipl-Ing Drnattechn Magistrat der Stadt Wien Magistratsabteilung 20 ndash Energieplanung ORCID 0000-0001-7076-846X

(2) Dipl-Ing Magistrat der Stadt Wien Magistratsabteilung 20 ndash Energieplanung

(3) Dipl-Ing Magistrat der Stadt Wien Magistratsabteilung 20 ndash Energieplanung

(4) Mag Magistrat der Stadt Wien Leiter der Magistratsabteilung 20 ndash Energieplanung

Abstract

Die Energieraumplanung ruumlckt Fragen nach unserem Energiebedarf den erneuerbaren Energiepoten-zialen und der Energieinfrastruktur in den Fokus der Stadtplanung Ziel ist die Schaffung von standort- und klimagerechten Energieversorgungsloumlsungen Mit der Verordnung von Energieraumplaumlnen kommt die Stadt Wien diesem Ziel einen groszligen Schritt naumlher Neubauten die sich innerhalb ausgewiesener Klimaschutz-Gebiete befinden duumlrfen aus-schlieszliglich mit hocheffizienten alternativen Energiesystemen zur Aufbereitung von Raumwaumlrme und Warmwasser versorgt werden Dazu zaumlhlen unter anderem Systeme wie die Wiener Fernwaumlrme oder Waumlrmepumpen Im Umkehrschluss sind Oumll- oder Erdgasheizungen verboten Neben der Einsparung von Treibhausgasen im Sinne des Klimaschutzes werden mit dem Instrument der Energieraumplaumlne doppelte Infrastrukturen - dh Fernwaumlrme- und Gasnetze - entflochten und da-mit volkswirtschaftliche Kosten reduziert Schlieszliglich erhoumlht die raumlumliche Steuerung von Versor-gungsoptionen die Planungssicherheit fuumlr Investierende Stadtentwicklung und Energieversorgungsun-ternehmen

Schluumlsselbegriffe

Energieraumplanung Verordnung von Energieraumplaumlnen Energiewende Bauordnung Wien Klima-schutz Erker S Kinsperger A Hemis H Vogl B (2021) Energieraumplaumlne ndash ein Meilenstein am Weg zur nachhaltigen Energiezu-kunft Wiens In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelin-gen der Energiewende Wien reposiTUm S28-37

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Inhalt Einleitung 30

Wo stehen wir 30

Die Waumlrmewende 31

Erdgas und Fernwaumlrme im Waumlrmesektor 31

Wo wollen wir hin 31

Die Energieraumplaumlne ndash ein neues Planungsinstrument fuumlr die Waumlrmewende 33

Die Abgrenzung der Klimaschutz-Gebiete 34

Der Prozess hinter den Energieraumplaumlnen 35

Die Auswirkungen der Energieraumplaumlne 35

Wie geht es weiter 35

Literatur 37

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Einleitung

Fuumlr die Smart City Wien ist Klimaschutz eine vordringliche Aufgabe Dabei ist klar dass zur Erreichung der ambitionierten und notwendigen Klimaziele ein umfassendes Set an Maszlignahmen zur Reduktion der klimaschaumldlichen Treibhausgase benoumltigt wird Unserem staumldtischen Energiesystem kommt hier eine entscheidende Rolle zu Ziel ist die Schaffung eines krisensicheren klimavertraumlglichen und erneu-erbaren Energiesystems das fuumlr alle Wienerinnen und Wiener leistbar bleibt Um dies zu bewerkstel-ligen muumlssen wir weniger Energie verbrauchen die Energieinfrastruktur optimieren den Energiebe-darf mit erneuerbarer Energie und Abwaumlrme decken und den Einsatz von innovativen Energieloumlsungen vorantreiben Alles in allem braucht die sogenannte Energiewende eine tiefgreifende und systemati-sche Umstellung der bestehenden Energieversorgung Am Weg zur nachhaltigen Energiezukunft Wiens ist es noumltig aktuelle Trends und Entwicklungen mit zu beruumlcksichtigen Dazu zaumlhlt beispielsweise das Bevoumllkerungswachstum Im kommenden Jahrzehnt wird Wien auf zwei Millionen Einwohnerinnen und Einwohner anwachsen (MA 23 2019) Daraus re-sultiert nicht nur ein erhoumlhter Bedarf an Wohnraum und Arbeitsplaumltzen sondern auch an Energie so-wie der dazu noumltigen Infrastruktur Ebenso werden die Auswirkungen des Klimawandels immer spuumlr-barer Maszlignahmen zur Klimawandelanpassung ndash etwa das Kuumlhlen von Gebaumluden im Sommer ndash werden in Zukunft an Bedeutung gewinnen Der nachhaltige und klimagerechte Umbau unserer Stadt ist daher untrennbar mit der Neugestaltung unseres Energiesystems verbunden Dies spiegelt sich auch im 2019 erschienenen bdquoSTEP 2025 ndash Fachkonzept Energieraumplanungrdquo wider das einen wichtigen Schritt zur Dekarbonisierung der Stadt Wien setzt Darin wird Energieraumplanung als die Verschraumlnkung von Raum- und Energieplanung definiert und als neue Kompetenz der Stadtpla-nung etabliert (MA 20 2019a) Die Wiener Energieraumplanung soll unter anderem dabei helfen den Einsatz leitungsgebundener Infrastruktur vorausschauend zu planen und erneuerbare Energiequellen sowie Abwaumlrme innerhalb des Stadtgebiets koordiniert nutzbar zu machen Es geht um das Ausrollen von innovativen Loumlsungen auf das gesamte Stadtgebiet vom Neubau zum Bestand von der netzge-bundenen zur dezentralen Versorgung vom Quartier zum Gebaumlude Schlieszliglich bietet Energieraum-planung die Chance mit Hilfe des Raumordnungs- und Baurechts einen noch deutlicheren Beitrag zum Klimaschutz und zur Energiewende zu leisten homogene Voraussetzungen zu schaffen und damit Pla-nungssicherheit zu gewaumlhrleisten Doch welche konkreten Schritte sind zu setzen um das Potenzial der Energieraumplanung voll entfalten zu koumlnnen Hierzu bedarf es eines naumlheren Blickes auf unseren derzeitigen Umgang mit Energie

Wo stehen wir Wien leistet bereits heute einen wichtigen Beitrag zur eigenen Energieversorgung Derzeit werden rund 18 des staumldtischen Energiebedarfs durch eine Kombination aus Muumlllverbrennung Kraft-Waumlrme-Kopplung Windkraft Solarenergie bioge-nen Brennstoffen Wasserkraft und Umgebungs-waumlrme von der Stadt selbst bereitgestellt (MA 20 2019b) Der Groszligteil unseres Bedarfs wird jedoch durch Importe von Erdgas Oumll und Strom gedeckt Unter Beruumlcksichtigung des weiterhin hohen Anteils an fossiler Energie in unserem System erweist sich ein Bereich als besonders relevant wenn es um Fra-gen wie Energiewende oder Klimaschutz geht der Waumlrmesektor (vgl Abb 1)

Abb 1 Der Endenergieverbrauch nach Anwendungen in Wien Quelle MA 20 2019b eigene Darstellung

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Die Waumlrmewende

Die Haumllfte und damit der Groszligteil unseres jaumlhrlichen Endenergieverbrauchs in Wien kann dem Waumlr-mebedarf zugeordnet werden Darunter fallen die Bereitstellung von Raumwaumlrme Warmwasser Kuumlh-lenergie sowie die Dampferzeugung und die Prozesswaumlrme die etwa bei der industriellen Fertigung benoumltigt werden Der Groszligteil dieses Waumlrmebedarfs wird mittels fossiler Energie gedeckt insbeson-dere wenn der fossile Energieeinsatz im Fernwaumlrmebereich mitberuumlcksichtigt wird (Statistik Austria 2020 MA 20 2019b) Die angestrebte Reduktion des fossilen Anteils im Waumlrmesektor ist planungs- und kostenintensiv da damit eine Umstellung von der Waumlrmeproduktion und -speicherung bis zur -verteilung einhergeht Besonders relevant ist dabei der Bedarf an niedertemperierter Waumlrme also kurz gesagt die Energie die wir zum Heizen und zur Aufbereitung von Warmwasser benoumltigen Die beiden wichtigsten Sekto-ren die diese Form der Waumlrme fast zur Gaumlnze beanspruchen sind die privaten Haushalte sowie die oumlffentlichen und privaten Dienstleistungen (Statistik Austria 2020) Der Bedarf an Raumwaumlrme und Warmwasser verteilt sich dabei uumlber das gesamte Stadtgebiet Anders als hochtemperierte Waumlrme mit mehreren hundert Grad die beispielsweise punktuell im produzierenden Bereich beansprucht wird muss die Umstellung der Heiz- und Warmwasserversorgung groszligflaumlchig gedacht werden Doch wieviel muss tatsaumlchlich umgestellt werden

Erdgas und Fernwaumlrme im Waumlrmesektor

Mit Erdgas dem derzeit wichtigsten Brennstoff im Wiener Waumlrmesektor wird rund die Haumllfte der knapp eine Million Wohnungen in Wien beheizt bzw mit warmem Wasser versorgt (Statistik Austria 2013 Statistik Austria 2014) Dabei haben sich zwei Technologien zur Erdgasnutzung etabliert die Gas-Zentralheizung fuumlr ganze Gebaumlude und die Gas-Therme (bdquoEtagenheizungrdquo) in einzelnen Wohnun-gen Neben Erdgas konnte sich die Fernwaumlrme als zweiter groszliger Player am Waumlrmemarkt etablieren Das heutige Fernwaumlrmenetz umfasst insgesamt mehr als 1200 km und ist damit eines der groumlszligten in Eu-ropa Mit Fernwaumlrme werden in Wien rund ein Drittel aller Haushalte und 60 des Dienstleistungsbe-reichs versorgt (MA 20 2019b Wien Energie 2019 Statistik Austria 2020) Dabei stammt die produ-zierte Fernwaumlrme zu rund einem Viertel aus den Muumlllverbrennungsanlagen Floumltzersteig Spittelau Sim-meringer Haide und Pfaffenau sowie dem Wald-Biomasse-Kraftwerk in Simmering Rund drei Viertel liefern Kraft-Waumlrme-Kopplungs-Anlagen und Abwaumlrmequellen Zur Spitzenlastabdeckung kommen erdgasbetriebene Heiszligwasserkessel und seit Neuestem ein Waumlrmegroszligspeicher E-Heizer sowie Waumlr-mepumpen zum Einsatz (Wien Energie 2020)

Wo wollen wir hin In der vom Wiener Gemeinderat beschlossenen bdquoSmart-City-Wien-Rahmenstrategie 2019 bis 2050ldquo wurde verankert dass der Endenergieverbrauch fuumlr Heizen Kuumlhlen und Warmwasser in Gebaumluden um ein Prozent pro Kopf und Jahr sowie die damit verbundenen CO2-Emissionen um zwei Prozent pro Kopf und Jahr sinken sollen Das Ziel bezieht sich auf die Wiener Treibhausgasemissionen auszligerhalb des EU-Emissionshandels Die angesetzten Werte beruumlcksichtigen dabei sowohl das starke Bevoumllkerungs-wachstum in der Stadt Wien als auch die damit verbundenen niedrigen Emissionen des Neubausektors (Magistrat der Stadt Wien 2019) Diese bereits ambitionierten Zielsetzungen sollen im Jahr 2021 nach-geschaumlrft werden Im aktuellen Koalitionsprogramm wurde Wiens Klimaneutralitaumlt bis 2040 verankert Damit muss das Klimaschutzziel fuumlr 2040 auf netto null Treibhausgase angepasst werden (Koalitions-programm 2020) Eine Erreichung dieses Ziels ist allerdings nur dann moumlglich wenn sowohl der Gebaumludesanierung als auch dem Tausch von bestehenden fossilen Heizsystemen durch hocheffiziente alternative Heizsys-

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teme ndash also Fernwaumlrme oder dezentrale erneuerbare Loumlsungen - hohe Prioritaumlt eingeraumlumt wird Dar-uumlber hinaus dient es der Zielerreichung wenn nicht nur im Gebaumludebestand Maszlignahmen gesetzt wer-den Auch in Neubauten muss dafuumlr Sorge getragen werden dass hocheffiziente alternative Heizsys-teme zum Einsatz kommen Erst dann ruumlckt die in Abb 2 skizzierte Reduktion des Energiebedarfs sowie die Umstellung auf eine erneuerbare emissionsarme Versorgung bis 2040 in greifbare Naumlhe

Abb 2 Moumlgliche Entwicklungen des Endenergieverbrauchs bis 2040 in Wien Quelle Abschaumltzungen des Magistrats der Stadt Wien gem SCWR Stand April 2021 (Annahme Strom- und Fernwaumlrmeerzeugung aus fossilen Abfaumlllen auf aktuellem Niveau restliche Erzeugung und Importe vollstaumlndig erneuerbar) und der Wien Energie 2020b eigene Darstellung

Neben Maszlignahmen auf Seiten der Energieabnahme werden auch konkrete Ziele auf der Produktions-seite formuliert Beispielsweise strebt die Wien Energie GmbH als groumlszligte Fernwaumlrmeversorgerin in Wien eine Diversifizierung und Dekarbonisierung der Erzeugungsstruktur der Fernwaumlrme an Bis 2030 sollen nicht mehr wie bislang 20 sondern 40 der Fernwaumlrme aus erneuerbaren Quellen bezogen werden (Wien Energie 2020a Wien Energie 2020b) Eine zentrale Rolle spielt hierbei die Integration von Abwaumlrmequellen auf niedrigem Temperaturniveau die durch Groszligwaumlrmepumpen auf die ge-wuumlnschte Versorgungstemperatur des Primaumlr- bzw Sekundaumlrnetzes gehoben wird Dazu zaumlhlt bei-spielsweise Abwaumlrme aus Industrieprozessen aber auch aus dem Donauwasser dem Grundwasser dem Abwasser oder dem Erdreich Da sowohl die Stadt als auch die Stadtwerke an einer schrittweisen Dekarbonisierung der Fernwaumlrmeerzeugungsstruktur arbeiten ist die oben angefuumlhrte Entflechtung der leitungsgebundenen Energieinfrastruktur und Erhoumlhung der Anschlussdichte zugunsten der Fern-waumlrme ein sinnvoller und wichtiger Schritt Denn durch den jahrelangen Ausbau von zwei leitungsge-bundenen Netzen innerhalb des Stadtgebiets haben sich Gebaumlude Straszligenzuumlge oder Netzbereiche entwickelt in denen Erdgas und Fernwaumlrme parallel angeboten werden Fuumlr beide Netze ergeben sich daraus unbefriedigende Anschlussgrade und insgesamt houmlhere volkswirtschaftliche Kosten Die Ent-flechtung dieser Netze zugunsten umweltfreundlicher Nah- und Fernwaumlrme wird daher als wesentli-cher Schritt in Richtung einer erfolgreichen Waumlrmewende gesehen Flankiert wird diese Maszlignahme durch die zunehmende Nutzung von dezentralen Loumlsungen wie Waumlr-mepumpen um in Lagen ohne Rohrleitungsinfrastruktur eine umweltfreundliche und kostenguumlnstige Waumlrme- und Kaumllteversorgung mittels Anergienetzen oder nicht netzgebundenen Einzelloumlsungen si-cherstellen zu koumlnnen Dies funktioniert beispielsweise mit Hilfe von Erdsonden die dem Erdreich im Winter Waumlrme entziehen um damit Wohnungen zu heizen oder Duschwasser zu erwaumlrmen Im Som-mer wird die uumlberschuumlssige Waumlrme aus den Gebaumluden in die Erdsonden eingeleitet und die Tempera-tur des Untergrunds regeneriert Durch die Moumlglichkeit zu heizen und zu kuumlhlen steigen der Nutzwert und die Zukunftstauglichkeit des versorgten Gebaumludes deutlich an Solche Einzelsysteme auf Basis er-neuerbarer Energietraumlger sind mittlerweile oumlkonomisch vergleichbar und konkurrenzfaumlhig mit einer

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Gasversorgung Das zeigen sowohl Praxiserfahrungen aus dem Wohn- und Schulbau ndash z B die Muumlhl-grundgasse oder der Bildungscampus Seestadt Aspern Nord ndash als auch ein von der Energieplanung der Stadt Wien beauftragtes Gutachten (Treberspurg amp Partner 2019) Im Falle einer Gesamtkostenbe-trachtung uumlber 20 Jahre hinweg oder unter Beruumlcksichtigung der Kuumlhlmoumlglichkeiten durch Waumlrme-pumpen an heiszligen Sommertagen sind derartige Systeme bereits heute kostenguumlnstiger als der Einsatz von Gasthermen Gerade in weniger dichten Gebieten der Stadt die sich kaum fuumlr eine Fernwaumlrme-versorgung oder andere Netzloumlsungen eignen wird kuumlnftig mit einer Ausweitung von dezentralen Ein-zelloumlsungen gerechnet

Die Energieraumplaumlne ndash ein neues Planungsinstrument fuumlr die Waumlrmewende

Um die Waumlrmewende erfolgreich umsetzen zu koumlnnen braucht es Weitblick und klare Vorgaben Der derzeit noch von Gas dominierte Gebaumludebereich ist dabei ein zentraler Hebel Eben hier knuumlpft die Novelle der Bauordnung fuumlr Wien 2018 an Mit den sogenannten Energieraumplaumlnen nach sect 2b der Bauordnung fuumlr Wien wurde ein neues Instrument geschaffen das den Einsatz von Energietraumlgern fuumlr die Bereitstellung von Raumwaumlrme und Warmwasser bei Neubauten gezielt und nachhaltig steuert Die Energieraumplaumlne sind Verordnungen Sie aumlhneln den sektoralen Raumordnungsprogrammen in anderen Bundeslaumlndern wie etwa der Windkraftnutzung in Niederoumlsterreich Die Planungsebene ent-spricht damit der uumlberoumlrtlichen Raumplanung die gesamtstaumldtisch zu betrachten ist Mit Hilfe der Energieraumplaumlne koumlnnen sogenannte Klimaschutz-Gebiete festgesetzt werden in denen fossile Energietraumlger zur Raumwaumlrme- und Warmwasserbereitstellung im Neubaubereich weitestge-hend verboten sind Stattdessen wird eine nachhaltige Waumlrmeversorgung auf Basis von hocheffizien-ten alternativen Systemen vorgeschrieben Dazu zaumlhlen nach sect 118 Abs 3 der Bauordnung fuumlr Wien

bull dezentrale Energieversorgungssysteme auf der Grundlage von Energie aus erneuerbaren Quel-len

bull Kraft-Waumlrme-Kopplungs-Anlagen bull Fern-Nahwaumlrme oder Fern-Nahkaumllte insbesondere wenn sie ganz oder teilweise auf Energie

aus erneuerbaren Quellen beruht oder aus hocheffizienten Kraft-Waumlrme-Kopplungs-Anlagen stammt und

bull Waumlrmepumpen

Energieraumplaumlne koumlnnen dann fuumlr ein Gebiet erlassen werden wenn in diesem Gebiet bereits eine Fernwaumlrmeinfrastruktur als hocheffizientes alternatives System oder ausreichend technische Kapazi-taumlt fuumlr eine Erweiterung der Fernwaumlrmeinfrastruktur verfuumlgbar ist Zudem muss zumindest ein weite-res hocheffizientes alternatives System realisierbar sein Damit bleibt die Wahlfreiheit bestehen ledig-lich klimaschaumldliche fossile Energietraumlger sind fuumlr die Waumlrmeversorgung Geschichte Die Novelle der Bauordnung fuumlr Wien stellt dabei keine radikale Neuerung sondern vielmehr eine Ver-schaumlrfung der bisherigen Fassung dar Bislang war die Ausstattung von Neubauten mit hocheffizienten alternativen Energiesystem bereits verpflichtend Wenn die Errichtung eines entsprechenden Energie-systems aus wirtschaftlichen oder technischen Gruumlnden jedoch nicht moumlglich war konnte im Einzelfall die Verpflichtung weitestgehend entfallen Nur die Versorgung mit mindestens 20 erneuerbarer Energie fuumlr Warmwasser- Raumwaumlrme- oder Stromversorgung musste sichergestellt werden In den durch die Energieraumplaumlne ausgewiesenen Klimaschutz-Gebieten sind solche Ausnahmen kuumlnftig nicht mehr zulaumlssig Klimafreundliche Systeme werden zum neuen Standard ndash ein Meilenstein fuumlr die Klimazukunft

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Die Abgrenzung der Klimaschutz-Gebiete

Im Zuge der Erarbeitung der gegenstaumlndlichen Verordnungen wurden jene Bereiche als Klimaschutz-Gebiete ausgewiesen in denen Fernwaumlrme und zumindest ein weiteres hocheffizientes Energiesystem eingesetzt werden koumlnnen Damit bildet hocheffizient alternativ gefuumlhrte Fernwaumlrme die Grundlage der Gebietsabgrenzung Darunter fallen im Sinne der Energieraumplaumlne jene Netze deren Energie zu-mindest zu 80 aus Kraft-Waumlrme-Kopplungs-Anlagen undoder aus Abwaumlrme undoder aus erneuer-baren Energien (Umgebungswaumlrme Biomasse etc) stammt Die Fernwaumlrme der Wien Energie GmbH entspricht derzeit als einziges Netz diesen Kriterien Um die bestehende hocheffizient alternativ gefuumlhrte Netzinfrastruktur der Wien Energie mit ihren Ka-pazitaumlten bestmoumlglich ausnuumltzen zu koumlnnen wurde das Erweiterungs- und Verdichtungspotenzial des Netzes untersucht Dazu wurden technisch-oumlkonomische Analysen erstellt und gutachterlich uumlber-pruumlft Im Falle der technischen Bewertung waren Restriktionen des bestehenden Netzes von zentraler Bedeutung Darunter fallen moumlgliche Komplikationen die sich aufgrund der Verlegeart bzw der Di-mension von Leitungen sowie der beschraumlnkten Leistungsfaumlhigkeit der Gebietsumformer- und Uumlber-gabestationen ergeben koumlnnen Anschlieszligend wurden die Kosten eines moumlglichen Anschlusses unter-sucht Darunter fallen jene Kosten die beim Energieversorger und Netzbetreiber entstehen wie Inves-titionskosten im Zusammenhang mit dem Anschluss eines Gebaumludes an das Waumlrmenetz oder laufende Kosten im Zusammenhang mit der Erzeugung und dem Transport der Waumlrme Wenn durch die Ertraumlge aus dem Waumlrmeverkauf die angefuumlhrten Kosten gedeckt werden koumlnnen faumlllt die wirtschaftliche Be-wertung positiv aus Ein positives Ergebnis der technisch-oumlkonomischen Bewertung resultiert in einer Erweiterung bzw Verdichtung der derzeitigen hocheffizient alternativ gefuumlhrten Fernwaumlrmeversorgungsbereiche In ei-nem abschlieszligenden Schritt wurde ermittelt ob in den ausgewiesenen Zonen zumindest ein weiteres hocheffizientes alternatives System neben der Fernwaumlrme betrieben werden kann Dies wurde gut-achterlich untersucht und fuumlr alle Gebiete bestaumltigt Das Ergebnis dieser stufenweisen Vorgehensweise sind die Energieraumplaumlne und die darin parzellenscharf ausgewiesenen Klimaschutz-Gebiete

Abb 3 Orangedruck eines Wiener Energieraumplans Wien Ottakring Quelle MA 20 2020

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Wie in Abb 3 ersichtlich werden die Klimaschutz-Gebiete bezirksweise erlassen Gemeinsam mit den Bezirken Leopoldstadt und Neubau wurde der Energieraumplan Ottakring im Juni 2020 vom Wiener Gemeinderat beschlossen Im September 2020 folgten die Bezirke Landstraszlige Josefstadt Alsergrund Waumlhring und Doumlbling Die uumlbrigen 15 Wiener Gemeindebezirke sollen in den kommenden Monaten beschlossen werden

Der Prozess hinter den Energieraumplaumlnen

Das Verfahren zur Erstellung der Energieraumplaumlne und den darin kenntlich gemachten Klimaschutz-Gebieten orientiert sich am Ablauf zur Erarbeitung der Flaumlchenwidmungs- und Bebauungsplaumlne Im Rahmen der Vorentwurfsphase werden Grundlagen aufbereitet und die Ergebnisse stadtintern reflek-tiert Auf dieser Basis wird ein Entwurf erarbeitet der einer oumlffentlichen Auflage unterzogen wird Et-waige Stellungnahmen werden aufgenommen und gegebenenfalls in die Energieraumplaumlne eingear-beitet Anschlieszligend werden die Verordnungen von der Europaumlischen Kommission mittels Notifizie-rung bestaumltigt Weder von Seiten der Europaumlischen Kommission aus anderen Mitgliedstaaten noch von Unternehmen kamen diesbezuumlglich bislang Einwaumlnde Das Fehlen eines solchen Einwandes kann als richtungsweisend im Sinne des Klimaschutzes interpretiert werden Klimaschutz wird damit uumlber den Schutz des Binnenmarktes fuumlr fossile Heizungen gestellt Schlieszliglich gelangen die Energieraum-plaumlne in den Wiener Gemeinderat und erlangen drei Monate nach Kundmachung ihre Guumlltigkeit

Die Auswirkungen der Energieraumplaumlne

Etwa acht von zehn Neubauten in Wien befinden sich kuumlnftig in einem Klimaschutz-Gebiet Die Stadt Wien rechnet mit etwa 8000 neuen Wohneinheiten innerhalb dieser Gebiete pro Jahr Durch die Vor-schreibung hocheffizienter alternativer Systeme fuumlr Raumwaumlrme und Warmwasser haben die Klima-schutz-Gebiete daher direkten Einfluss auf die staumldtische Treibhausgasbilanz Das geplante Monitoring der Energieraumplaumlne wird zeigen wie wirksam diese Maszlignahme bezuumlglich des staumldtischen Treib-hausgasbudgets ist Daruumlber hinaus hemmen die gegenstaumlndlichen Verordnungen den parallelen Leitungsausbau in Neu-baugebieten etwa von Gas und Fernwaumlrme Damit werden eine leistbare Waumlrmeversorgung fuumlr End-kundinnen und Endkunden sichergestellt und Planungssicherheit fuumlr Investorinnen und Investoren ge-schaffen Ausnahmen ergeben sich lediglich im Falle von Industrie- und Gewerbegebieten wenn diese einen Gasanschluss fuumlr ihre Produktionsprozesse benoumltigen Im Bereich der bestehenden Gebaumludestruktur kann durch die gegenstaumlndlichen Verordnungen kurz- bis mittelfristig keine Entflechtung der doppelten Rohrleitungsinfrastruktur erreicht werden Um das zu bewirken muumlssten auch entsprechende Regelungen fuumlr die Umstellung von fossilen Heizungsanla-gen in Bestandsbauten ergriffen werden Trotzdem soll durch Anschluumlsse von Neubauten die Fern-waumlrme-Anschlussdichte in der Bestandsstadt erhoumlht werden Das unterstuumltzt den kosteneffizienten Betrieb und traumlgt zur Leistbarkeit der Energieversorgung bei Schlieszliglich ruumlstet sich die Stadt Wien durch die vermehrte Nutzung von erneuerbarer Energie fuumlr die Zukunft und wird damit europaweit Vorreiterin denn mit gruumlner Energie aus der Region wird Wien unabhaumlngiger von Erdgasimporten aus dem Ausland

Wie geht es weiter

Mit den Energieraumplaumlnen setzt Wien einen wichtigen Meilenstein fuumlr eine krisensichere und erneu-erbare Energiezukunft Im Sommer 2020 begann mit der Verordnung der ersten acht Klimaschutz-Ge-biete der Ausstieg aus der fossilen Gasversorgung von Neubauten Aber was ist mit dem Gebaumludebe-stand

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Die Dekarbonisierung von Bestandsbauten ist die logische Folge der aktuellen Energieraumplaumlne und wurde auch im aktuellen Koalitionsuumlbereinkommen verankert Dabei wird es wichtig sein auf die Aus-gangslage des Bestands einzugehen (z B Sanierungszustand Nutzung bauliche Dichte etc) und vor diesem Hintergrund die unterschiedlichen Moumlglichkeiten eines Energietraumlgerwechsels zu beleuchten Nach derzeitiger Sicht lassen sich grob folgende Versorgungsoptionen unterscheiden

bull Fernwaumlrme wird auch im Gebaumludebestand eine wichtige Rolle fuumlr die Raumwaumlrme- und Warm-wasserversorgung spielen Einerseits koumlnnten jene Gebaumlude kuumlnftig mit Fernwaumlrme versorgt werden die bereits heute uumlber einen Fernwaumlrmeanschluss verfuumlgen aber nur teilweise oder gar nicht mit Fernwaumlrme versorgt werden Andererseits koumlnnten auch jene Gebaumlude ange-schlossen werden die in unmittelbarer Naumlhe zu einer bestehenden Fernwaumlrmeleitung bzw in einem Fernwaumlrmeausbaugebiet mit ausreichender Kapazitaumlt liegen Sinnvolle Loumlsungen zur Gebaumludekuumlhlung im Sommer muumlssen zusaumltzlich etabliert werden Ebenso wird die Sanierung der Bestandsstadt eine wichtige Rolle spielen um den Waumlrmebedarf zu senken und damit noch mehr Wienerinnen und Wiener mit kuumlnftig fossilfreier Fernwaumlrme versorgen zu koumlnnen

bull In den fuumlr die Fernwaumlrme ungeeigneten Lagen koumlnnten die uumlbrigen hocheffizienten alternati-ven Energiesysteme gemaumlszlig sect 118 (3) Bauordnung fuumlr Wien zum Einsatz kommen Bereits heute zeichnen sich umfangreiche Potenziale an vor Ort verfuumlgbarer Erdwaumlrme ab die sowohl den Bedarf an Waumlrme als auch an Kaumllte in weiten Teilen des Stadtgebiets decken koumlnnten Die Versorgung einzelner Gebaumlude kann dabei dezentral die Versorgung mehrerer Gebaumlude mit-tels innovativer Nahwaumlrmenetze erfolgen

bull Schlieszliglich wird es Gebiete geben in denen nur bedingt hocheffiziente alternative Waumlrmever-sorgungssysteme realisiert werden koumlnnen Dazu zaumlhlen etwa Industriegebiete die hochtem-perierte Waumlrme fuumlr industrielle oder gewerbliche Prozesse benoumltigen Ebenso wird es Ge-baumlude geben die beispielsweise aufgrund des Denkmal- oder Ensembleschutzes nur einge-schraumlnkt saniert oder aus technischen Gruumlnden nur schwer nachgeruumlstet werden koumlnnen Fuumlr diese Faumllle koumlnnte aus derzeitiger Sicht bdquogruumlnes Gasldquo eine Moumlglichkeit zur Waumlrmebereitstel-lung bieten Dabei muumlssen das Potenzial die Verfuumlgbarkeit und die Transportfaumlhigkeit von bdquogruumlnem Gasldquo im Auge behalten werden um eine langfristige Versorgung gewaumlhrleisten zu koumlnnen

Neben der schrittweisen Umstellung auf eine erneuerbare Energieversorgung darf die Steigerung der Energieeffizienz nicht auszliger Acht gelassen werden Darunter faumlllt beispielsweise die thermische Ge-baumludesanierung mit der der Waumlrme- und Kuumlhlbedarf gesenkt und damit eine erneuerbare Versorgung unterstuumltzt werden kann Erst durch die Verschneidung beider Handlungsfelder kann ein nachhaltiges Energiesystem entstehen Naumlhere Informationen dazu finden sich im SEP ndash Staumldtisches Energieeffizi-enz-Programm 2030 (MA 20 2019c) und in der Energierahmenstrategie 2030 fuumlr Wien (Stadt Wien 2016) Als Energieplanungsabteilung der Stadt Wien versuchen wir den hier skizzierten Weg zu verfolgen und die Entwicklungen im Energiesektor in geregelte Bahnen zu lenken Dabei gilt es flexibel und system-offen zu bleiben um bestmoumlglich auf die bevorstehenden Systemaumlnderungen eingehen zu koumlnnen Nur so kann die Energieraumplanung als neue Kompetenz der Stadtplanung zur Entfaltung kommen und immer deutlicher in der gebauten Stadt wirksam werden Je mehr neue und bestehende Objekte mit klimaschonender Energieversorgung entstehen desto sichtbarer und spuumlrbarer wird der Klima-schutz fuumlr alle Die kommenden Jahrzehnte werden jedenfalls einige Umbruumlche bereithalten die die Stadt Wien bereits heute als Chance versteht um bestmoumlgliche Loumlsungen fuumlr ihre Bewohnerinnen und Bewohner vorzubereiten

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Literatur

Koalitionsprogramm (2020) Die Fortschrittskoalition fuumlr Wien Wien httpswwwwiengvatpoli-tik-verwaltungpdfkoalitionsabkommenpdf (letzter Zugriff 15122020)

Magistrat der Stadt Wien (2019) Smart-City-Wien-Rahmenstrategie 2019ndash2050 Wien httpswwwwiengvatstadtentwicklungstudienpdfb008551pdf (letzter Zugriff 07092020)

MA 20 (2019a) STEP 2025 Fachkonzept Energieraumplanung Werkstattbericht 182 Wien httpswwwwiengvatstadtentwicklungenergiepdffachkonzept-energieraumplanungpdf (letz-ter Zugriff 07092020)

MA 20 (2019b) Energievoraus Energiebericht der Stadt Wien Daten 2017 Berichtsjahr 2019 Wien httpswwwwiengvatstadtentwicklungenergiepdfenergiebericht2019pdf (letzter Zugriff 07092020)

MA 20 (2019c) SEP2030 Staumldtisches Energieeffizienzprogramm Wien httpswwwwiengvatstadtentwicklungenergiepdfsep2030pdf (letzter Zugriff 07092020)

MA 20 (2020) Energieraumplan fuumlr den 16 Wiener Gemeindebezirk Verordnung Wien httpswwwwiengvatstadtentwicklungenergieerppdfplan-erp-1160pdf (letzter Zugriff 07092020)

MA 23 (2019) Statistisches Jahrbuch der Stadt Wien 2019 httpswwwwiengvatstatis-tikpdfjahrbuch-2019pdf (letzter Zugriff 07092020)

Stadt Wien ndash Arbeitsgruppe der Geschaumlftsgruppe ndash Stadtentwicklung Verkehr Klimaschutz Energie-planung und BuumlrgerInnenbeteiligung sowie der Geschaumlftsgruppe Umwelt und Wiener Stadtwerke (2016) Energierahmenstrategie 2030 httpswwwwiengvatstadtentwicklungenergiepdfener-gierahmenstrategie-2030pdf (letzter Zugriff 07092020)

Statistik Austria (2013) Census 2011 - Gebaumlude- und Wohnungszaumlhlung Ergebnisse zu Gebaumluden und Wohnungen aus der Registerzaumlhlung 2011 httpwwwstatistikatweb_deservicespublikatio-nen7indexhtmlincludePage=detailedViewampsectionName=WohnenamppubId=674 (letzter Zugriff 07092020)

Statistik Austria (2014) Gebaumlude- und Wohnungszaumlhlung Hauptergebnisse Wien httpwwwstatis-tikatweb_deservicespublikationen7indexhtmlincludePage=detailedViewampsectionName=Woh-nenamppubId=126 (letzter Zugriff 07092020)

Statistik Austria (2020) Nutzenergieanalyse 2018 EEV 1993 bis 2018 nach ET und Nutzenergiekate-gorien fuumlr Wien (Detailinformation) httpswwwstatistikatweb_destatistikenenergie_um-welt_innovation_mobilitaetenergie_und_umweltenergienutzenergieanalyseindexhtml (letzter Zugriff 07092020)

Treberspurg amp Partner (2019) Wirtschaftlichkeitsvergleich unterschiedlicher Heizungs- und Warm-wasserbereitungsanlagen Technisches Gutachten zur Novelle der BO f Wien 2018 (sect 2b Energie-raumplaumlne) Wien

Wien Energie (2019) Wiener heizen derzeit doppelt so viel wie im Vorjahr Presseaussendung httpswwwotsatpresseaussendungOTS_20190516_OTS0025wiener-heizen-derzeit-doppelt-so-viel-wie-im-vorjahr (letzter Zugriff 07092020)

Wien Energie (2020a) Geschaumlftsbericht 2019 httpswwwwienenergieatwp-contentuplo-ads202006wienenergie_geschaeftsverlauf2019_350450pdf (letzter Zugriff 07092020)

Wien Energie (2020b) Studie zur Dekarbonisierung Wiens 2050 Unsere Vision fuumlr ein CO2-freies Wien Position Wien Energie httpspositionenwienenergieatbeitraegedecarb-studie (letzter Zugriff 07092020)

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Energieraumplanung Das oumlsterreichische Instrumentarium im IST und SOLL

Hartmut Dumke (1) und Stefan Geier (2)

DOI 10347261023

(1) UnivAss Dipl-Ing Drtechn Forschungsbereich Regionalplanung und Regionalentwicklung Institut fuumlr Raumplanung TU Wien ORCID 0000-0002-8111-9083

(2) Dipl-Ing Institut fuumlr Raumplanung Umweltplanung und Bodenordnung (IRUB) Department fuumlr Raum Landschaft und Architektur Universitaumlt fuumlr Bodenkultur (BOKU) Wien

Abstract

In einer bundeslanduumlbergreifenden Konsensdefinition wurde Energieraumplanung (ERP) 2014 als bdquoTeil der Raumplanung der sich umfassend [hellip] mit Energiebedarf und -gewinnungldquo beschaumlftigt definiert Seither sind zahlreiche Erfolgsgeschichten in den 9 Handlungsfeldern der ERP gelungen aber die Frage wie der bdquoNext Levelldquo im Sinne der Energiewende und der Klimawandelanpassung erreicht werden kann ist offen Dazu systematisiert der vorliegende Artikel zunaumlchst das Instrumentarium im IST Zu-stand nach Raumbezuumlgen und Wirkungsweisen Dieser Befund zeigt insbesondere bei der Verbindlich-keit und Wiederholbarkeit deutliche Schwaumlchen in der bdquoMatrixldquo der Steuerungsinstrumente deshalb werden 6 neue Handlungsfelder vorgeschlagen die dem kuumlnftigen Anspruch der ERP moumlglicherweise besser gerecht werden koumlnnten Das Fazit schlieszligt mit einem Appell fuumlr mehr Lenkungsverantwortung bei den Bundeslaumlndern und den Energieversorgungsunternehmen und definiert die SOLL-ERP als bdquoneueldquo Disziplin die mehr andere Disziplinen als bisher enthaumllt u a natuumlrlich auch die Raumplanung

Schluumlsselbegriffe

Energieraumplanung ERP Steuerungsinstrumente Energiewende Dumke H Geier S (2021) Energieraumplanung Das oumlsterreichische Instrumentarium im IST und SOLL In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S38-47

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Inhalt Einleitung 40

Erfolgsgeschichten 41

Instrumente der (E)RP 42

Fazit 44

Literatur 46

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Einleitung

Die bisher einzige bundeslanduumlbergreifende Konsens-Definition aus 2014 lautet wie folgt (Stoumlglehner et al 2014 S 12) bdquoEnergieraumplanung ist jener integrale Bestandteil der Raumplanung der sich mit den raumlumlichen Dimensionen von Energieverbrauch und Energieversorgung umfassend beschaumlftigtldquo Damit erscheint einerseits in der OumlROK-Definition aus 2014 die Beruumlcksichtigung komplexer integrier-ter wirkmaumlchtiger Handlungsfelder der ERP abgedeckt Andererseits war diese Definition von einem die Bundeslaumlnder uumlbergreifenden Konsens motiviert der Raumplanung keine Verantwortung fuumlr kom-plexe Steuerungsaufgaben der ERP zuzumuten fuumlr die ihr Instrumentarium derzeit nicht gebaut ist Zu diesen komplexen Steuerungsaufgaben gehoumlrt u a die integrierte Beruumlcksichtigung der Ziele Ener-giesparen Steigerung der Versorgungsanteile aus erneuerbaren und CO2-armen Gewinnungsformen und Entwicklung der Siedlungsstrukturen zu Gunsten umweltfreundlicher Verkehrsmittel Aber nicht alle dieser Ziele koumlnnen nur mit Raumplanungsinstrumenten unterstuumltzt bzw erreicht werden Der vorliegende Artikel diskutiert demzufolge das IST und SOLL zum Instrumentarium der oumlsterreichi-schen Energieraumplanung (ERP) Im Sinne der ERP-Konferenz die am 20 und 21022020 an der TU Wien stattfand (TU Wien Institut fuumlr Raumplanung 2020) geht es dabei insbesondere um einen Be-fund zu Wirkungsweisen und -staumlrken die benoumltigt werden um von vielen Teil-Erfolgen der ERP zum bdquoNext Levelrdquo zu gelangen bdquoNext Levelrdquo wuumlrde dabei bedeuten dass bereits umgesetzte Erfolgsgeschichten der Energieraumpla-nung (vgl Tab 1) kuumlnftig deutlich haumlufiger schneller und unkomplizierter als bisher umgesetzt werden koumlnnen Neben diesen Reflexionen diskutiert dieser Beitrag somit ob die aktuell konsensuale Defini-tion der ERP zu diesem Anspruch eines deutlichen bdquoUpscalingsrdquo passt und auch die Anspruumlche der Mi-tigation und Adaptation im Klimaschutz bedienen kann

Abb 1 ERP im IST als Teilmenge von Raumplanung Quelle eigene Darstellung

Nach der benannten Definition von ERP kann diese als Teilmenge von RP (neben anderen wie Ver-kehrsplanung Gruumlnraumplanung Tourismusplanung etc) betrachtet werden Der vorliegende Artikel diskutiert daher ob dieses bislang vorherrschende Verstaumlndnis im IST (ERP ist als Element in der Raum-planung enthalten) dem Next Level der ERP im SOLL uumlberhaupt gerecht werden kann Zunaumlchst werden bestehende Erfolgsgeschichten (ERP IST) aufgezeigt danach werden die Steuerungsinstrumente mit Energierelevanz diskutiert und auch bdquoalterdquo und bdquoneuerdquo Handlungsfelder der Energieraumplanung ge-listet Im Fazit wird zusammenfassend aus diesen Erkenntnissen ein ERP SOLL inclusive einer anderen bdquoMengenlehreldquo entworfen

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Erfolgsgeschichten

Exemplarisch fuumlr bdquoErfolgsgeschichtenrdquo listet Tab 1 umgesetzte Praxisbeispiele auf der Quartiers- und Siedlungsebene die aufgrund Ihrer integrierten Zugaumlnge nach Ansicht der Autoren das Branding bdquoEner-gieraumplanungrdquo wirklich verdienen weil sie integriert Umsetzungen in mindestens vier aus den neun Handlungsfeldern der ERP realisiert haben

Lage Umsetzungen Instrumentarium ERP-Handlungsfelder gemaumlszlig OumlROK 2014

Energiezonenplanung Freistadt Oberoumlsterreich

Festlegung von Vorrang- und Ausbaugebieten fuumlr Fernwaumlrme raumlumliche Ent-wicklung nach den Prinzi-pien Funktionsmischung raumlumliche Dichte und Kom-paktheit in den Vorrangflauml-chen

Energiezonenplan 3 4 5 6 7 8

Siedlung bdquoRosa Zukunftrdquo Salzburg

Neubausiedlung Passiv-hausstandard Erdwaumlrme + Fotovoltaik + Solarthermie E-Car-Sharing Smart-Grid-Evaluierung

Gefoumlrdertes Leuchtturm-projekt der Smart-Grids-Modellregion Salzburg Wohnbaufoumlrderung

4 6 7 8 9

Smart Block Geblergasse (Wien)

Thermische Sanierung im Bestand Geothermie + So-larthermie Energiebedarfs- und verbrauchsmonitoring Mobilitaumlts- und Freiraum-konzept

FFG-Forschungsfoumlrderung Smart-City-Rahmenstrate-gie THEWOSAN-Foumlrderung

4 6 7 8 9

Zell am See ndash Sonnengarten Limberg (Salzburg)

Neubau-Quartiersentwick-lung nach den bdquoklimaaktiv-Standards fuumlr Siedlungen und Quartiererdquo Energie- Mobilitaumlts- und Partizipati-onskonzept

klimaaktiv-Standards fuumlr Siedlungen und Quartiere klimaaktiv-Gold-Standard fuumlr die Gebaumlude

3 4 5 6

Tab 1 Oumlsterreichische bdquoErfolgsgeschichtenrdquo erfolgreich umgesetzter Energieraumplanung

Neun Handlungsfelder

1) Freihaltung von geeigneten Raumlumen zur Gewinnung Speicherung und Verteilung erneuer-barer Energien von konflikttraumlchtigen Nutzungen einschlieszliglich Erhaltung von Pufferflauml-chen

2) Freigabe von geeigneten Raumlumen zur Gewinnung Speicherung und Verteilung erneuerba-rer Energien

3) Bereitstellung von Planungsgrundlagen und Planungsmethoden fuumlr oumlrtliche und uumlberoumlrtli-che Energie- und Mobilitaumltskonzepte

4) Wahrnehmung der Rolle als Plattform zum Interessenausgleich 5) Staumlrkung von Zentralitaumlt und kurzen Wegen 6) Anstreben von Dichte und Funktionsmischung 7) Innen- vor Auszligenentwicklung 8) Abstimmung von Nutzungsentwicklung und Mobilitaumltsangebot (im Umweltverbund) 9) Optimierung und Attraktivierung ungenutzter Energiepotenziale

Quelle eigene Darstellung neun Handlungsfelder nach (Stoumlglehner et al 2014)

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Instrumente der (E)RP

In der Unterscheidung zwischen Raumplanung und Energieraumplanung stellt sich uumlberhaupt die Frage was denn eigentlich keine Energieraumplanung ist Wichtiger als eine solche philosophische De-batte ist fuumlr die Planungspraxis im IST und SOLL aber ein systematischer Zugang Was gibt es uumlberall was nicht In Tab 2 wird diese Systematisierung von Steuerungsinstrumenten mit Energierelevanz nach dem Raumbezug und der Wirkungsweise versucht Das erhebt keinen Anspruch auf Vollstaumlndig-keit fasst aber sowohl Steuerungsansaumltze zusammen die in allen Bundeslaumlndern vorkommen als auch manche die (Stand 2020) nur in einzelnen Bundeslaumlndern vorkommen Letztere sind mit Bundesland-Kuumlrzeln markiert Die sechs Spalten der Wirkungsweisen und -arten (direkt undoder indirekt) basieren urspruumlnglich auf dem Systemansatz von Klaus Selle (Selle 2005) und wurden seit 2013 im Zuge des Forschungsprojektes ENUR (und nachfolgenden auch in anderen Forschungsprojekten am Institut fuumlr Raumplanung) um die Unterscheidung nach raumlumlichen Wirkungsebenen ergaumlnzt Die Indirekten haumlufig zeitig bdquolangsamenrdquo Ansaumltze definieren dabei den Rahmen in dem die bdquoschnellenrdquo direkt raumwirksamen Ansaumltze sich bewegen koumlnnen Die Zuordnung der Instrumente entspricht ausschlieszliglich der Auffassung der Auto-ren und koumlnnte aus anderen Perspektiven heraus unterschiedlich ausfallen eine interdisziplinaumlr kon-sensierte Version waumlre fuumlr sich ein interessantes Projekt und ein wichtiger bdquoMeilensteinrdquo der ERP im SOLL Anmerkung In Gebieten welche in Wien von Energieraumplaumlnen erfasst sind wird per Verordnung die Wahl des Heizungs- und Warmwasserbereitungssystems von Neubauten beschraumlnkt Bestandsge-baumlude sind davon nicht beruumlhrt Fuumlr Neubauten sind zur Beheizung und Warmwasserbereitung die innerhalb eines Energieraumplanes (MA 20 Energieplanung Wien 2020) errichtet werden nur mehr eines der bdquohocheffizienten alternativen Systemeldquo gemaumlszlig Wiener Bauordnung sect 118 Absatz 3 (Wien 2020) erlaubt Energieraumplaumlne koumlnnen in allen Bundeslaumlndern auszliger Wien grundsaumltzlich der regio-nalen Ebene zugeordnet werden aber in Wien entspricht dies eher der Quartiers- oder Siedlungs-ebene Neben der Unterscheidung nach Raumbezug und Wirkungsweise ist es aber auch wichtig die Entste-hung all dieser Steuerungsinstrumente im IST zu systematisieren Wie ist die Verbindlichkeit besichert wer war bei der Entwicklung eines Instrumentes (nicht) beteiligt und wie ist die bdquoDatenlandschaftrdquo aufgestellt an die die Energieraumplanung hohe Anspruumlche hat Die folgende Einschaumltzung gibt einen Uumlberblick wo die ERP 2020 nach Ansicht der Autoren steht

1 Energieversorger und Netzbetreiber fehlen bisher noch weitgehend als BeteiligteMitgestal-ter

2 Die regionale Ebene verfuumlgt uumlber zu wenige verbindliche Steuerungsansaumltze die uumlber die lo-kalen Ebenen (vor allem auf die Gebaumludeebene aber auch pro Siedlung und Gemeinde) wir-ken

3 Erst wenige Bundeslaumlnder verfuumlgen uumlber eine konsistent und frei zugaumlngliche Datenbasis die kleinraumlumige Aussagen und Entscheidungen ermoumlglicht

4 Die rechtsverbindlichen Instrumente Flaumlchenwidmungs- und Bebauungsplan adressieren die Energierelevanz implizit aber nicht explizit

5 Andere verbindliche Instrumente wie die Bauordnungen bdquowirkenrdquo im Sinne der Energieraum-planung vor allem am einzelnen Gebaumlude weniger in Gebaumludeensembles auf der Quartiers- und Siedlungsebene

6 Auch auf Quartiers- und Siedlungsebene fehlt es nicht an Steuerungsansaumltzen aber Ihre bdquoWirk-machtrdquo hat im Sinne der Energieraumplanung bisher noch zu wenig Serialitaumlt erlangt Analy-sen die sich der Erklaumlrung der fehlenden Serialitaumlt widmen stehen noch aus

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Raumbezug Wirkungsweise und Raumwirksamkeit (indirekt und direkt raumveraumlndernd)

Bundesland Raum- ordnungs- und Raum- planungs- gesetze

Bauordnungen OIB-Richtlinien

Landesenergie-konzepte (Energie Zukunft

Mobilitaumlt Klimaschutz) Waumlrmeatlas (Stmk W S)

Foumlrderungen Wohnbau Sanierungen Produktion erneuerbarer

Energien Sachbereichskonzept Energie

(Stmk)

Windkraft-Sachpro-

gramme und -konzepte

(K NOuml OOuml Stmk)

PV Konzepte (K B)

Region Regionale Energiekon-zepte Smart Regions- und Mobilitaumlts- konzepte Klima- und

Energiemodell-regionskon-

zepte LEADER-Konzepte

Entwicklung von Regional-entwickungs-managements

und Interessens-verbaumlnden

Stadt Gemeinde

Oumlrtliche Entwicklungs-

konzepte Masterplaumlne

Stadt- entwicklungs-

plaumlne Sachbereichs-

konzept Energie (Stmk)

Energie- und Klimakonzept

(NOuml)

Kommunale Energieleitbilder und -konzepte e5-Gemeinden-

Konzepte

Waumlrmenetz-betrieb

Energiegewin-nung

Flaumlchenwid-mungsplaumlne Bebauungs-

plaumlne

Mobilitaumlts-zentralen Beratungs-

stellen Gebietsbe-treuungen

(W)

Quartier Siedlung Gebaumlude- ensembles

Energieraum-plaumlne (W)

Energiekon-zepte sanfte Stadterneue-

rung (W) Energieraum-planerische

Standortraumlume (Stmk)

Waumlrmeatlas (S)

Vertraumlge Public-Private Partnerships Bodenfonds Steuer- und

Einspeisereg-lements der

Erneuerbare-Energie-

Gewinnung

Investoren- wettbe-werbe

Nutzungs- beitraumlge

Grundstuumlcks-aufschlieszligun-gen Bauland-umlegungen

staumldtebau- liche Vertraumlge

ERP- Simulations-

und Berechnungs-

tools Entwicklungs-

gesell- schaften

Sanfte Stadt-erneuerung

(W)

Einzelne Gebaumlude

Beratungs- angebote

(Miete und Eigentum)

Zertifi- zierungs- systeme

Eigentuumlmer-vertraumlge und -beschluumlsse

regulativ (indirekt)

kommunikativ bewusstseins-

bildend (indirekt)

finanzierend (indirekt)

markt- aktivierend

(direkt)

standort- entwickelnd

(direkt)

Prozesse steuernd

(direkt und oder indirekt)

Tab 2 Steuerungsinstrumente mit Energierelevanz nach raumlumlichen Beschluss- und Wirkungsebenen und Wirkungswei-sen Bundesland-Kuumlrzel Stmk = Steiermark W = Wien S = Salzburg K = Kaumlrnten B = Burgenland NOuml = Niederoumlsterreich Quelle Eigene Darstellung und Erweiterung 2021 nach Department fuumlr Raumplanung 2013 und Weninger 2017 Die Tabelle erhebt keinen Anspruch auf Vollstaumlndigkeit

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Die bisher beschriebenen Befunde zum Stand der Energieraumplanung im IST lassen ein Bild entste-hen wie die Energieraumplanung im SOLL beschaffen sein koumlnnte Einen neuen Vorschlag dieser bdquoMengenlehrerdquo schlaumlgt die Abb 5 (vgl Fazit) vor Im Sinne der ERP im SOLL geht es um die folgenden zusaumltzlichen Handlungsfelder

bull Infrastrukturplanung und -koordination in Richtung Dekarbonisierung bull sektoruumlbergreifende Planungs- und Entscheidungsprozesse bull Erhebung von erneuerbaren Energiepotenzialen inkl Abwaumlrme bull Waumlrmebedarfsprognosen und -planung mit Hilfe von Waumlrmekatastern (ISTSOLL) bull sektoruumlbergreifende Datengrundlagen bull regionale- und kleinraumlumige Mobilitaumltsmodelle

Diese sechs neuen Handlungsfelder stehen zwar im Kontext der bisherigen neun Handlungsfelder aus der OumlROK Definition 2014 konkretisieren aber in der Akteurinnen- und Akteurslandschaft und auch raumlumlich differenzierender wie der bdquoNext Levelrdquo der Energieraumplanung Fahrt aufnehmen koumlnnte Die sektorenuumlbergreifenden Expertisen und Grundlagen der Raum- und Energieplanung flieszligen noch nicht in gemeinsame integrierte Planungen ein Um strategische raumlumliche Ziele aufgrund von Ener-giequellen und -senken und Infrastruktur zu bdquoerreichenrdquo muumlssen sektoruumlbergreifende Planungs- und Entscheidungsgrundlagen sowie eine gemeinsame Datenbasis geschaffen werden Christoph Schrem-mer fordert dazu die bdquofachlich zielbezogene Integration von Siedlungsentwicklung und Energiesektorldquo um moderne Infrastruktur nachhaltige Mobilitaumlt und hohe Lebensqualitaumlt erreichen zu koumlnnen In sol-chen Prozessen waumlre dabei kuumlnftig in erheblich staumlrkerem Ausmaszlig eine staumlrkere Formalisierung der Zustaumlndigkeiten und Verantwortlichkeiten anzustreben - wer hat fuumlr welches Kooperationsprodukt auf welcher raumlumlichen Ebene die Hauptverantwortung wer bdquonurrdquo eine Mitarbeitsverantwortung Liegt derzeit moumlglicherweise noch deutlich zu viel Verantwortung auf der kommunalen Ebene und deutlich zu wenig auf der regionalen- und der Bundeslandebene Tab 3 bietet anhand von Plan- und Koopera-tionsprodukten zur Energieraumplanung einen Vorschlag zum kuumlnftigen ERP-SOLL

Fazit

Der vorliegende Beitrag argumentiert dass die ERP im IST uumlber ein vielseitiges und vielartiges Instru-mentarium verfuumlgt Trotzdem gibt es bisher erst wenige ERP-Erfolgsgeschichten Deshalb braucht es wenn der bdquoNext Levelrdquo im ERP-SOLL konkret werden soll eine problemfokussierte Wirkungsanalyse Wie sind die ERP-Erfolge kuumlnftig einfacher haumlufiger und seriell wiederholbarer moumlglich Die Gestaltung eines nachhaltigen Energiesystems kann aufgrund der Komplexitaumlt und Langfristigkeit dieser Aufga-benstellung offenbar nicht durch Einzelentscheidungen entstehen Diese interdisziplinaumlre Denkweise bringt die Raumplanung schon bislang in die Energieplanung ein Die Wirkungen von bestehenden ERP-Instrumenten sind somit bisher vorwiegend fuumlr die Klimawandelanpassung (bdquoAdaptationrdquo) geeignet der Klimaschutz durch Mitigation wird demgegenuumlber allerdings eine ERP im SOLL brauchen Energieraumplanung ernst nehmen wuumlrde im SOLL bedeuten die dafuumlr notwendigen Planungs- und Entscheidungsprozesse grundlegend neu zu gestalten Dies bedeutet dass Akteurinnen- und Akteurs-gruppen miteinander sprechen sollen die das bisher noch nicht getan haben um gemeinsam Koope-rationsprodukte und Plaumlne auf allen raumlumlichen Ebenen beschlieszligen zu koumlnnen Gemeinden insbe-sondere kleine und finanzschwache duumlrfen nicht laumlnger mit den Aufgaben der Energieraumplanung uumlberfordert werden aber dazu braucht es eine deutliche Staumlrkung der Lenkungsverantwortung auf regionaler- und Bundeslandebene Auch muss die Landesplanungsebene nicht die kommunale Ebene deutlich haumlufiger und intensiver als bisher an der Verbesserung der bdquoDatenlandschaftrdquo arbeiten und dabei auch die Energieversorgungsunternehmen staumlrker in die Pflicht nehmen Dies ist sehr wohl unter

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Einhaltung des Datenschutzes moumlglich Plan- und Rasterkartenprodukte aus anderen Laumlndern bewei-sen es

Kooperationsprodukt Inhalte der Kooperationsprodukte Bundesland Region Gemeinden

Potenzialkarten Biomasse und Bio-gas Windkraft Solarthermie Pho-tovoltaik Wasserkraft Abwaumlrme Geothermie

Flaumlchen im bebauten und unbebauten Raum die ein zusaumltzlich (zum bereits aktiven Potenzial) moumlgliches erneuer-bares Energiepotenzial enthalten

X (X) (X)

Status quo des Energiesystems Kraftwerke (Leistungen und Ener-giemengen pro Jahr) Lage und Zu-stand leitungsgebundener Energie-infrastrukturen (insbesondere Strom Waumlrme Gas)

Uumlbersicht systemrelevanter interkom-munal bedeutsamer Anlagen Bei der Leitungsinfrastruktur braucht es die Ko-operation mit den Energieversorgungs-unternehmen

X (X)

Potenzialstudie bdquoVirtuelles regiona-les Kraftwerkldquo

Auf Basis der zeitlich vorgelagerten Po-tenzialkarten Ausschluss- und Eig-nungskriterien fuumlr erneuerbare Ener-giepotenziale auf regionaler Ebene in-klusive einfacher Abschaumltzung des Selbstversorgungsgrades im IST und SOLL

X (X)

Regionaler Energieraumplan mit IST- und SOLL-Inhalten zur Energie-nachfrage Anteil der erneuerbaren Energieversorgung und Mobilitaumlts-aspekten

Grenzen energieraumlumlicher Typologien auf regionaler Ebene (Siedlungs- und Landschaftsteile) Vorschlaumlge fuumlr quar-tiersgenaue bdquoUntertypenldquo Eignungs- und oder Ausschlussgebiete fuumlr Ener-gietraumlger oder Heizsysteme mit Fokus auf leitungsgebundenen Energietrauml-gern

X (X)

Potenzialkarten Geothermie Solar-energie Einsparungen beim Heiz-waumlrmebedarf Potenzial fuumlr thermi-sche Sanierungen Nachverdich-tungspotenzial

Raumlumliche und zeitliche Entwicklungs-prioritaumlten Fokus auf Bestandskonver-sion

(X) X

Kooperationsvertrag zur Priorisie-rung der Umsetzungs- und Maszlig-nahmenschritte inklusive bdquoWar-tungsdesignldquo des regionalen Ener-gieraumplanes

Agreement uumlber Finanzierung Ziele und Monitoring der energieraumplane-rischen Kooperation

(X) X (X)

Bewertung der Auswirkungen des regionalen Energieraumplans auf die Energiestrategie des Bundeslan-des und auf die Ziele internationa-ler Klimaschutzvereinbarungen

Kriterien-Set (etwa CO2-Emissionen) zur Uumlberpruumlfung der Policy-Wirksamkeit

X

Tab 3 Kooperationsprodukte und Rollen in der bdquoNext Levelrdquo ERP SOLL Die Rolle von Bundesland Region und Gemeinde wird unterschieden in X = Federfuumlhrung und Hauptverantwortung (X) = Kontrolle Mitarbeit Quelle eigene Bearbeitung nach (Dumke 2017)

Diese erweiterte Lenkungsverantwortung auf Bundeslandebene muss auch mit Instrumenten ausge-stattet werden welche ausgehend von den oben genannten Kooperationsprodukten (z B regionale Potenzialkarten und Eignungszonen) eine raumlumlich differenzierte Steuerung mit mehr Verbindlichkeit als bisher ermoumlglicht

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Dafuumlr muss auch ein bisher in Oumlsterreich noch voumlllig fehlendes bdquoGegenstromprinziprdquo der Behoumlrdenver-bindlichkeit nach Schweizer Vorbild (Kanton Basel 2010) fuumlr Planinhalte und Grundlagendaten im In-formationsfluss zwischen QuartierenSiedlungen Gemeinden Regionen Bundeslaumlndern und dem Staat erarbeitet werden Im Schweizer Gegenstromprinzip werden Daten- und Planinhalte sowohl bdquotop downrdquo als auch bdquobottom uprdquo abgeglichen und die Inhalte sind auch in beide Richtungen behoumlrdenver-bindlich Sollte sich dieses bdquoGegenstromprinziprdquo in Oumlsterreich etablieren koumlnnte ergaumlnzend auch zu-saumltzlich der horizontale Informationsfluss zwischen Quartieren und Siedlungen verbessert werden Die in Tab 3 genannten Kooperationsprodukte sollten als gemeinsame Grundlagen fuumlr die unter-schiedlichen raumlumlichen Ebenen aber auch sektoruumlbergreifend frei verfuumlgbar sein Die Palette dieser Instrumente kann von Foumlrderungen (Wohnbaufoumlrderung ausgerichtet auf den oumlffentlichen Verkehr) bis hin zu Zonen fuumlr Anschlusspflicht oder Ausschlusszonen fuumlr bestimmte Energietraumlger gehen In einer SOLL-ERP-Akteurinnen- und Akteurslandkarte (vgl nebenstehende Abb) muumlssen sich deutlich mehr Disziplinen als bisher wiederfinden koumlnnen Am Instrumentarium der Energieraumplanung bis-her klar unterrepraumlsentierte Rollen sind etwa die Energieversorgungsunternehmen die Netzbetreiber die Landwirtschaft und der Umweltschutz Abschlieszligend zeigt die folgende Grafik die ERP im SOLL Die erheblichen Unterschiede zur Abb 1 (ERP-IST) sind nicht zu uumlbersehen

Abb 2 ERP SOLL Quelle eigene Darstellung

Literatur

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Dumke Geier (2021) Energieraumplanung Das oumlsterreichische Instrumentarium im IST und SOLL DOI 10347261023

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Kanton Basel (2010) Kantonaler Richtplan Online verfuumlgbar unter httpwwwmobilitaetbschthe-menundprojektegesamtplanungrichtplanhtm (letzter Zugriff 08102013)

MA 20 (Energieplanung) Wien (2020) Klimaschutz-Gebiete - Energieraumplaumlne fuumlr Wien Online ver-fuumlgbar unter httpswwwwiengvatstadtentwicklungenergieerpindexhtml (letzter Zugriff 03122020)

Schremmer Christoph (2020) 50 Jahre Raumplanung an der TU Wien Zukunftsperspektiven der Raumplanung in Oumlsterreich In Thomas Dillinger Michael Getzner Arthur Kanonier und Sibylla Zech (Hrsg) 50 Jahre Raumplanung an der TU Wien Studieren ndash Lehren ndash Forschen 1 Auflage Wien NWV Verlag (Jahrbuumlcher des Instituts fuumlr Raumplanung der TU Wien Band No 82020) S 408ndash426

Selle Klaus (2005) Planen Steuern Entwickeln Uumlber den Beitrag oumlffentlicher Akteure zur Entwick-lung von Stadt und Land Dortmund Dortmunder Vertrieb fuumlr Bau- und Planungsliteratur

Stoumlglehner Gernot Neugebauer Georg Erker Susanna (2014) OumlREK-Partnerschaft Energieraumpla-nung Ergebnispapier der ExpertInnen Unter Mitarbeit von Gernot Stoumlglehner Susanna Erkner und Georg Neugebauer Online verfuumlgbar unter httpwwwoerokgvatfileadminBilder2Reiter-Raum_u_Region1OEREKOEREK_2011PS_EnergieraumplanungErgebnispapier_Energieraumpla-nung_2014-06pdf (letzter Zugriff 15122014)

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Weninger Kurt (2017) Erneuerbare Energie in der Raumplanung Raumordnungsrechtliche und -fachliche Aspekte erneuerbarer Energie in Oumlsterreich Wien Online verfuumlgbar unter httpreposi-tumtuwienacatobvutwhsdownloadpdf1721602originalFilename=true (letzter Zugriff 20062017)

Wiener Stadtentwicklungs- Stadtplanungs- und Baugesetzbuch (Bauordnung fuumlr Wien ndash BO fuumlr Wien) idF LGBl Nr 612020 Online verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatGeltendeFas-sungwxeAbfrage=LrWampGesetzesnummer=20000006 (letzter Zugriff 14122020)

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Datenlandschaft der Energieraumplanung ndash eine Standortbestimmung

Robert Kalasek (1) und Florian Puumlhringer (2)

DOI 10347261024

(1) Senior Scientist Dipl-Ing Forschungsbereich Stadt- und Regionalforschung Institut fuumlr Raumplanung TU Wien

(2) UnivAss Dipl-Ing Forschungsbereich Stadt- und Regionalforschung Institut fuumlr Raumplanung TU Wien

Abstract

Raumlumliche differenzierte und treffsichere Entscheidungen im Bereich der Energieraumplanung benouml-tigen als Fundament inhaltlich adaumlquate und raumlumlich hoch aufgeloumlste Informationsgrundlagen Die Anforderungen an den Detaillierungsgrad haumlngen von der Maszligstabsebene des Taumltigkeitsfeldes ab Auf Basis der Erfahrungen aus mehreren Forschungsprojekten werden die Anspruumlche an Datengrundlagen und Datenqualitaumlt der unterschiedlichen Akteure im Prozess von der (Energie-)Raumplanung uumlber den Bau bis zum Betrieb von Gebaumluden reflektiert Ein Schwerpunkt liegt dabei auch auf dem Aspekt des Informationsaustausches zwischen den unterschiedlichen Themenfeldern und Rollen der im Prozess auftretenden Akteuren wie der oumlffentlichen Verwaltung oder Unternehmen aus dem privaten Sektor Dabei wird die Bedeutung des themenspezifischen Detaillierungsgrades der raumlumlichen Granularitaumlt sowie der Aktualitaumlt der Informationsgrundlagen deutlich Die Anforderungen einer evidenzbasierten und effektiven Energieraumplanung an die Datenqualitaumlt werden als hoch eingeschaumltzt waumlhrend die derzeit bestehende Verfuumlgbarkeit und Qualitaumlt aktueller Daten sehr kritisch beurteilt wird

Schluumlsselbegriffe

Datengrundlagen Datenqualitaumlt Informationsaustausch Raumlumliche Analyse

Kalasek R Puumlhringer F (2021) Datenlandschaft der Energieraumplanung ndash eine Standortbestimmung In Giffinger R Ber-ger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S48-61

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Inhalt Energieraumplanung braucht Information 50

Datengrundlagen und Datenqualitaumlt 51

Anspruumlche an Datenqualitaumlt 52

Informationen zum Energieverbrauch 54

Gebaumlude- und Wohnungsdaten 55

Energieausweis als Informationssubstitut 56

Daten zur Energieinfrastruktur 57

Informationsaustausch 57

Rolle der oumlffentlichen Verwaltung (Administration) 58

Rolle von Unternehmen aus dem privaten Sektor 59

Fazit 59

Literatur 60

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Energieraumplanung braucht Information

Energieraumplanung verknuumlpft traditionelle Raumplanung (im Sinn von Regional- Stadt- und Ortspla-nung) mit Energieplanung (vgl Magistratsabteilung 20 2019) Nach dem Verstaumlndnis der Oumlsterreichi-sche Raumordnungskonferenz (2019) ist damit jene Herangehensweise gemeint mit deren Hilfe Ge-meinden Ziele zur Energieeinsparung Kostensenkung und Reduktion von Emissionen verfolgen Zur Staumlrkung nachhaltiger Entwicklung basiert sie daher notwendigerweise auf dem Wissen uumlber die raumlum-lichen Dimensionen von Energieverbrauch- und -gewinnung Angesichts der Notwendigkeit wirksame Strategien zur Energiewende bereits kurzfristig zu implementieren bedarf es raumlumlich differenzierter und treffsicherer Entscheidungen im Rahmen des Planungsprozesses Deren Fundament muumlssen in-haltlich adaumlquate raumlumlich hoch aufgeloumlste und aktuelle Informationsgrundlagen bilden Im folgenden Beitrag greifen wir auf Erfahrungen aus dem im Jahr 2020 am Forschungsbereich Stadt- und Regionalforschung (Institut fuumlr Raumplanung TU Wien) bearbeiteten und abgeschlossenen For-schungsprojekt bdquoPlanen-Bauen-Managen Digitalisierung in der Stadtplanung ndash von der Raumplanung bis zur Digitalisierung im Bauwesen (PBM_integrativ)ldquo im Auftrag des Bundesministeriums fuumlr Verkehr Infrastruktur und Technologie (2019) auf (Giffinger amp Brugger 2019) In dessen Rahmen wurden vor dem Hintergrund der Vielfalt institutioneller Regelungen und Verfahren die Prozesse im thematischen Bogen von der strategischen Raumplanung uumlber Gebaumludeentwurf und -ausfuumlhrung bis zur Nut-zungBetrieb von Gebaumluden (inklusive Erhaltung und Sanierung) beleuchtet Ziel des Auftraggebers war es zukuumlnftige Forschungsbedarfe zu identifizieren bzw einzugrenzen Zahlreiche Expertinnen- und Experteninterviews mit unterschiedlichen Akteuren des genannten Prozesses bilden einen zent-ralen methodischen Baustein des Projekts Innerhalb der Interviews wurden verschiedene thematische Aspekte aus dem breiten und vielschichtigen Themenfeld des Projektes angesprochen - in diesem Bei-trag greifen wir auf die Ergebnisse zu den Interview-Schwerpunkten bdquoDatengrundlagenldquo und bdquoDaten-austauschldquo zuruumlck In der Folge beschraumlnken wir uns zum einen auf den ersten Prozessabschnitt die Planung ndash im Sinn von Raumplanung und Energieraumplanung ndash und zum anderen auf den Aspekt der Raumwaumlrme in Wohngebaumluden Letzteres vor allem deshalb weil dieser Aspekt sowohl hinsichtlich der oumlffentlichen Wahrnehmung im Zusammenhang mit bdquoEnergieverbrauchldquo und damit auch Klimaschutz bereits als re-levantes Handlungsfeld verankert ist (vgl Abb 1) aber auch weil das thematische Segment der bdquoRaumwaumlrmeldquo in Bezug auf die aktuell zur Verfuumlgung stehende Informationsbasis eine Sonderstellung einnimmt Gegenuumlber anderen Sparten des Energiebedarfs aus dem Bereich bdquogebaute Umweltldquo ist die Ausgangslage hinsichtlich Verfuumlgbarkeit und Qualitaumlt der Daten noch vergleichsweise guumlnstig Inwie-weit die Daten fuumlr Planungsaufgaben hinreichend geeignet sind wird in der Folge diskutiert

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Abb 1 Energie in Oumlsterreich 2018 ndash Zahlen Daten Fakten Quelle Bundesministerium fuumlr Nachhaltigkeit und Tourismus 2018 e-control ndash Umweltthemen ndash Energieverbrauch der Haushalte httpswwwe-controlatkonsumentenenergie-spa-renthema-energieverbrauch

Datengrundlagen und Datenqualitaumlt

Die Ergebnisse der Interviews im Projekt PBM bestaumltigen die Vielfalt an Inhalten und Quellen die aus unterschiedlichen disziplin-spezifischen Perspektiven unter dem Begriff bdquoDatengrundlageldquo zusammen-gefasst werden Alle Interviewpartner aus den verschiedenen Taumltigkeitsfeldern innerhalb des Prozes-ses von der Raumplanung uumlber das Bauen bis hin zum Betrieb und zur Nachnutzung wurde um Nen-nung relevanter Datengrundlagen und Datenquellen gebeten Im Bereich der Raumplanung wurden hier die meisten bzw unterschiedlichsten Datenquellen genannt wobei ein groszliger Teil davon als Open Government Data (OGD) frei zugaumlnglich ist Die Datenquellen und Datengrundlagen AGWR (Adress- Gebaumlude- und Wohnungsregister) DKM (Digitale Katastralmappe) Energieausweis sowie Informatio-nen zum Energieverbrauch wurden von Akteurinnen aus mehreren Bereichen des Prozesses genannt (z B sowohl von Personen aus der Raumplanung als auch aus der Bauwirtschaft) Diese haumlufig als re-levant bezeichneten Datenquellen werden auch im Rahmen dieses Artikels noch naumlher beleuchtet In der Auswertung der Interviews zeigte sich auch dass ndash mit Ausnahme von Informationen zum Ener-gieverbrauch ndash de facto kein Datensatz bzw keine Datenquelle von Akteuren aus allen drei Bereichen des Prozesses genannt wurde Die wenigsten Uumlberschneidungen mit anderen Bereichen gab es bei Nennungen von Personen aus dem Bereich Betrieb

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Anspruumlche an Datenqualitaumlt

Innerhalb der Raumplanung haumlngen die Anspruumlche hinsichtlich des raumlumlichen und inhaltlichen Detail-lierungsgrades sicher von der Maszligstabsebene des Taumltigkeitsfeldes ab die von der Bundeslandebene bis in den einzelnen Ortsteil reichen kann Generell bestehen aber vor allem in Bezug auf die zentralen Datenbestaumlnde zum Gebaumludebestand zur Nutzungsverteilung und den Energiebedarfen sowie zu ge-gebenenfalls bestehenden planerischen Vorgaben und Regelungen hohe Anforderungen an Aktualitaumlt Konsistenz und Vollstaumlndigkeit Der uumlberwiegende Teil der im Bereich der Raumplanung genannten Datenquellen wird im Rahmen hoheitlicher Aufgaben erstellt wobei im Zuge der Datenerfassung- und Aufbereitung in der Regel der Anspruch besteht die Datenbestaumlnde in moumlglichst vielen und moumlglichst unterschiedlichen Anwen-dungsfeldern nutzen zu koumlnnen Dennoch gilt aus Anwendersicht folgende Forderung die einer der PBM-Interviewpartner knapp und praumlzise auf den Punkt gebracht hat der Anspruch an Daten muss jeweils lauten bdquoFit for Purposeldquo Aus eigener Erfahrung sowie aus den Ergebnissen der PBM-Interviews laumlsst sich ein Datenset ableiten das den Kern eines Datenbestands fuumlr die Energieraumplanung bildet Dieser Basisbestand muss so-wohl die Energienachfrage als auch die Angebotssituation raumlumlich differenziert abbilden wobei die Abbildung in regelmaumlszligigen und angemessen kurzen Abstaumlnden zu erfolgen hat Letzteres bildet einer-seits die Voraussetzung dafuumlr Trends identifizieren zu koumlnnen und andererseits die Grundlage fuumlr Wirksamkeitsanalysen von Maszlignahmen bzw Maszlignahmenbuumlndeln Aufgrund des Aufwands den raumlumlich hochaufloumlsende und gleichzeitig inhaltlich differenzierte Erfas-sungskonzepte mit sich bringen ist es daher notwendig die Aufmerksamkeit auf die relevantesten Einflussfaktoren bzw Determinanten des bdquoEnergieverbrauchsldquo zu buumlndeln Am Beispiel des vergleichsweise einfach abzubildenden Heizenergiebedarfs von Wohngebaumluden las-sen sich die Anforderungen an die Datenbasis anschaulich darstellen Auf der (Energie-)Nachfrageseite sind jedenfalls die folgenden Informationen erforderlich

bull Gebaumludespezifische Informationen zu Merkmalen mit erheblichem Einfluss auf den Energie-bedarf wie thermische Eigenschaften der Gebaumludehuumllle Nutzungsverteilung und -intensitaumlt (Alterswohnsitz vs Studierenden-WG Hauptwohnsitz vs Nebenwohnsitz) etc

bull Eigenschaften der gebaumludeinternen Waumlrmebereitstellungsinfrastruktur wie Art Ausstattung und Alter der Waumlrmebereitstellungssysteme Energietraumlger bzw Energietraumlgermix

bull Veraumlnderungspotenziale von Gebaumludeeigenschaften und Anlagen wie Sanierungsstatus und daraus ableitbare Sparpotenziale durch Sanierungen einen zeitgemaumlszligen Standard moumlgliche aktivierbare Potenziale durch Nutzungsaumlnderungen und Nachverdichtungspotenziale

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Abb 2 Modellergebnis Heiz-waumlrmebedarf auf der Grund-lage von Gebaumludeform Bau-periode und Klima fuumlr ausge-waumlhlte Bebauungsstrukturen in Wien Quelle Brus T und Kalasek R (2020)

Zur Abbildung der (Energie-)Angebotsseite werden zumindest zu folgenden Bereichen Grundlagenda-ten benoumltigt

bull bestehende Versorgungssysteme-strukturen Erdgas Fernwaumlrme Nahwaumlrme Anergienetze individuelle Versorgung (mit Heizoumll Holz Pellets etc)

bull Angebotspotenziale alternativer Energietraumlger und -infrastrukturen lokaleregionale alterna-tive Energietraumlger Vernetzungspotenziale (Kapazitaumltsreserven der Netzinfrastruktur Waumlrme-bedarfsdichten etc)

Abb 3 Angebotspotenziale ErdwaumlrmesondenModellierung potenzieller Bohrlochstandorte zur Abschaumltzung des Erdwaumlr-mepotentials im Rahmen der Anergie-Studie Anergie Urban Links Potenzialflaumlchen fuumlr Bohrungen rechts Ausschnitt Mo-dellierung Bohrlochverteilung Quelle Brus T und Kalasek R (2020)

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Informationen zum Energieverbrauch

Unter Daten zum bdquoEnergieverbrauchldquo werden hier jene Informationen verstanden die den tatsaumlchli-chen Bedarf der Nachfrageseite (der sogenannte bdquoVerbraucherldquo) in seiner kleinraumlumigen Verteilung abbilden Es ist also jene Energiemenge die am Uumlbergabepunkt abgenommen und genutzt wird Der bdquoEnergieverbrauchldquo wurde (als einziger Datenbestand) im Projekt PBM von Interviewpartnern aus allen drei abgefragten Bereichen Raumplanung Bauen und Betrieb explizit als hoch relevante Kenn-groumlszlige fuumlr Planungsaufgaben auf unterschiedlichen Maszligstabsebenen angesprochen In den Interviews wurde allerdings nicht thematisiert ob die von Haushalten und Unternehmen tatsaumlchlich bdquokonsu-mierteldquo Energiemenge ein aussagekraumlftiger Indikator fuumlr den jeweils bestehenden Bedarf ist oder sein kann Der gemessene bdquoEnergieverbrauchldquo z B im Bereich Raumwaumlrme enthaumllt Faktoren die nicht in unmit-telbarem Zusammenhang mit bauphysikalischen Gebaumludeeigenschaften und Systemeigenschaften der Waumlrmebereitstellungstechnologien stehen und die damit den eigentlichen jeweils gebaumludespezifi-schen Energiebedarf quasi uumlberlagern Ganz besonders gilt das fuumlr jene Anteile am Energieverbrauch fuumlr Raumwaumlrme die auf den Einfluss von Witterungsbedingungen (z B mildestrenge Winter) oder Unterschiede im Nutzerverhalten (z B individuelles Temperaturempfinden lebenszyklusabhaumlngige Verhaltensmuster etc) zuruumlckzufuumlhren sind Auch fuumlr den Strombedarf laumlsst sich ein aumlhnliches Bild zeichnen wobei neben Faktoren wie der Haushaltsgroumlszlige oder des genutzten Energietraumlgers fuumlr Nah-rungszubereitung (Strom vs Gas) auch hier das individuelle Verhalten von zentraler Bedeutung ist Damit die Energieraumplanung aussagekraumlftige treffsichere Planungsgrundlagen erarbeiten und letzt-lich auch Strategien entwickeln kann bedarf es entsprechend differenzierter Informationsgrundlagen Die raumbezogenen Statistiken zum Energiebedarf muumlssen daher die angesprochenen Ebenen Gebaumlu-demerkmale Standortbedingungen und Verhalten klar unterscheiden Detaillierte Daten zum bdquoEnergieverbrauchldquo auf Objekt-Adressebene stehen den Energieanbietern un-ternehmensintern in all jenen Faumlllen zur Verfuumlgung in denen leitungsgebundene Versorgungssysteme zum Einsatz kommen Eine Veroumlffentlichung derartiger im Fall von Gebaumluden mit Wohnnutzung letzt-lich eindeutig personenbezogenen Detailinformationen im Sinn von Open Data ist aber aus Gruumlnden des Schutzes der Privatsphaumlre (im Sinne Richtlinie 9546EWG des Europaumlischen Parlamentes und des Rates vom 24 Oktober 1995 zum Schutz natuumlrlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezoge-ner Daten und zum freien Datenverkehr) in diesem Detaillierungsgrad nicht moumlglich Der Bezug zur Privatsphaumlre laumlsst sich an folgendem Beispiel veranschaulichen Anhand gegebenenfalls auf Gebaumlude-ebene veroumlffentlichter Heizwaumlrmebedarfsdaten lieszlige sich ndash die noumltige fachliche Qualifikation voraus-gesetzt ndash anhand spezifischer Referenzwerte der Beitrag von Heiztechnologie und thermischen Gebaumlu-demerkmalen in seiner Groumlszligenordnung relativ treffsicher abschaumltzen Abweichungen von diesem Wert lieszligen sich folglich im konkreten Fall auf das Nutzerverhalten zuruumlckfuumlhren Im Fall von Ein- und (kleinen) Mehrfamiliengebaumluden bestuumlnde also ein unmittelbarer Bezug zu konkreten Personen Sehr wohl denkbar ist die Veroumlffentlichung entsprechender Daten allerdings in aggregierter Form auf einem Niveau das eine datenschutzkonforme Granularitaumlt garantiert In Raumlumen mit niedriger Bebau-ungsdichte waumlren vor diesem Hintergrund ausgedehntere raumlumlich-statistische Einheiten zu definie-ren als in solchen mit hohen Dichtewerten Nach dem Kenntnisstand der Verfasser und der Auswertung der PBM-Interviews werden allerdings derzeit Veroumlffentlichungen zum Energiebedarf auf kleinraumlumiger Ebene von den Energiebetreibern mit dem Hinweis auf Datenschutz undoder Betriebsgeheimnisse weitestgehend verweigert

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Gebaumlude- und Wohnungsdaten

Das gemaumlszlig GWR-Gesetz (Bundesgesetz uumlber das Gebaumlude- und Wohnungsregister) von der Bundes-anstalt fuumlr Statistik Oumlsterreich (Statistik Austria) zu fuumlhrenden bdquoAdress- Gebaumlude- und Wohnungsre-gister (AGWR II)ldquo ist jene bundesweite Datenbank in der gebaumludebezogene Daten in einheitlicher und strukturierter Form erfasst werden Zu den im Zusammenhang mit Fragen des Energiebedarfs relevan-ten Schluumlsselinformationen in der Datenbank zaumlhlen Merkmale wie Gebaumludealter Nutzflaumlche und Ge-schoszliganzahl sowie die Art der Beheizung und der Warmwasseraufbereitung Weiters sind Angaben zu Nutzungsart und Nutzungsintensitaumlt (z B Anzahl Hauptwohnsitze) von Gebaumluden und Nutzungsein-heiten Teil des umfangreichen Merkmalskatalogs Neben einer Reihe anderer Informationen enthaumllt dieses Register also grundsaumltzlich die im Rahmen der Energieraumplanung wesentlichen Gebaumlude- und Wohnungsmerkmale In den PBM-Interviews wird allerdings deutliche Kritik an der Vollstaumlndigkeit der Plausibilitaumlt und der Aktualitaumlt dieses fuumlr Energiethemen so bedeutenden Datenbestands laut Diese Kritik wird auch von Interviewpartnerinnen im Projekt artikuliert die in der staumldtischen Verwaltung beschaumlftigt sind Das ist insofern von Interesse als die Daten lt GWR-Gesetz durch bdquoBeschaffung bei den Gemeindenldquo (sect 4 (1) GWR-Gesetz) erhoben werden und die Verantwortung fuumlr die Daten und deren Qualitaumlt daher zu einem guten Teil eben bei den Staumldten und Gemeinden selbst liegt Nachdem der AGWR II zurzeit allerdings weder valide flaumlchendeckend verfuumlgbare Aussagen zu ther-mischen Eigenschaften der Gebaumludehuumllle noch belastbare Daten zu Heizsystem und Energietraumlger ent-haumllt und daruumlber hinaus auch Sanierungsstatus und -historie nicht dokumentiert besteht gerade bei jenen Merkmalen die hinsichtlich Energiebedarf besonders relevant sind eine eklatante Luumlcke im in-haltlichen Spektrum systematisch erfasster Daten Zur Verdeutlichung dieser Aussage Das Einspa-rungspotenzial durch thermische Sanierungsmaszlignahmen erreicht je nach Ausgangssituation und Maszlig-nahmenbuumlndel bis uumlber 50 wobei die houmlchsten Werte bei Gebaumluden in den Perioden zwischen 1950 und 1980 erreicht werden Abhaumlngig von der Altersstruktur der Gebaumlude besteht ohne die konkrete Kenntnis uumlber den aktuellen Zustand der Gebaumludehuumllle auf Gebaumludeebene daher erhebliche Unsicher-heit bzgl moumlglicher Sparpotenziale auf Stadtteil- oder Quartiersebene und zwar in einem Ausmaszlig das gerade bei Fragen der wirtschaftlichen Zweckmaumlszligigkeit von Investitionen in Nah- oder Fernwaumlr-meinfrastruktur entscheidend sein kann Vor diesem Hintergrund ist die Frage zu stellen ob ndash angesichts der aktuell bestehenden Maumlngel des AGWR II ndash benutzergenerierte Ansaumltze der Datenerhebung Abhilfe schaffen koumlnnen bzw koumlnnten Die Idee wirkt im Lichte der Erfolgsgeschichte benutzergenerierter Datenbestaumlnde wie OpenStreetMap verlockend schlieszliglich stellt die Community lokales Know-How in erheblichem Umfang und unentgelt-lich zur Verfuumlgung Dennoch ist aus unserer Sicht Vorsicht geboten Gebietskoumlrperschaften und andere Koumlrperschaften oumlffentlichen Rechts nutzen Daten sowohl im Rahmen ihrer hoheitlichen als auch ihrer privatwirtschaft-lichen Aufgaben Daher waumlre jedenfalls aus rechtlicher Sicht zu klaumlren inwieweit benutzergenerierte Inhalte die formalen und qualitativen Anforderungen an Geoinformation grundsaumltzlich erfuumlllen koumln-nen Wie Hiltgartner et al bereits 2004 in ihrer Studie zu Rechtsvorschriften fuumlr Geodaten in Oumlsterreich ausfuumlhrlich darstellen werden in diesem Zusammenhang Haftungsfragen und damit sensible Themen beruumlhrt Insbesondere dort wo die Erfassung und Fuumlhrung von Geodatenbestaumlnden spezielle Faumlhig-keiten erfordern sind je nach Kontext unterschiedliche Aspekte der Amtshaftung Produkthaftung und Gewaumlhrleistung von Bedeutung Beispielsweise ist die Vermessung und digitale Dokumentation eines Grenzkatasters ohne entsprechend befugte Fachkraumlfte kaum vorstellbar da mit diesem Katasterwerk umfangreiche dingliche Rechte verknuumlpft sind Ob und inwiefern die Anforderungen an eine Gebaumlude-dokumentation wie sie der AGWR II darstellt aumlhnlich hoch sind ist offen Nach Ansicht der Autoren

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sprechen allerdings zwei Argumente dafuumlr derartige Datensammlungen auch weiterhin unter staatli-cher Obhut zu erfassen zum einen weil fuumlr die systematische Erfassung von Gebaumluden anhand der deutlich mehr als 100 Erhebungskategorien des AGWR ein hohes Maszlig an Fachwissen erforderlich ist zum anderen weil mit zunehmender Implementierung von Instrumenten der Energieraumplanung auch entsprechende unmittelbare Folgen fuumlr Eigentuumlmer undoder Nutzer zu erwarten sind Objektiv bestehende oder subjektiv wahrgenommene Eingriffe in die Moumlglichkeiten der Nutzung des Privatei-gentums werden jedenfalls das Problem der Haftung im Fall von tatsaumlchlichen oder vermeintlichen Datenfehlern aufwerfen

Energieausweis als Informationssubstitut

An dieser Stelle ist auch der Energieausweis (gemaumlszlig Energieausweis-Vorlage-Gesetz (EAVG)) sowie die Energieausweisdatenbank (EADB) (Statistik Austria 2020) zu nennen Letztere ist bzw sollte laut GWR-Gesetz Teil des AGWR-II-Datenbestands sein Der Energieausweis enthaumllt neben den zentralen Aussagen zu gebaumludespezifischen Energiekennzahlen wie Heizwaumlrme- und Warmwasserbedarf auch weitere wichtige gebaumludebezogene Informationen Dazu gehoumlren den Verbrauch bestimmende Parameter wie die charakteristische Laumlnge (lc)1 Angaben zu den thermischen Eigenschaften der Gebaumludehuumllle aber auch Details zur genutzten Waumlrmebereit-stellungstechnologie (Waumlrmebereitstellungs-Waumlrmeabgabesystem Energietraumlger Warmwasserbe-reitstellung) Angesichts der im vorangegangenen Abschnitt zum AGWR II beschriebenen Defizite wird der Energie-ausweis haumlufig als Quasi-Substitut fuumlr die dort fehlende bzw unzulaumlngliche Informationsbasis zu den Gebaumludemerkmalen bzw fuumlr die in der Regel fehlenden realen Verbrauchszahlen betrachtet Diese Anforderung kann bdquoder Energieausweisldquo aus einer Reihe von Gruumlnden nicht erfuumlllen Laut EAVG ist ein aktueller Energieausweis im Zuge der (Neu-)Vermietung der Verpachtung und des Verkaufs eines Gebaumludes oder Nutzungsobjektes vorzulegen Der Energieausweis-Datenbestand waumlchst folglich in genau jenem Ausmaszlig in dem die genannten Anlaumlsse tatsaumlchlich auftreten umge-kehrt formuliert Ein Zeithorizont innerhalb dessen der Datenbestand zumindest weitgehend flaumlchen-deckend erfasst sein wird ist nicht absehbar Die in raumlumlich-statistischem Sinn nicht repraumlsentativen Daten der Energieausweisdatenbank koumlnnten daher im guumlnstigsten Fall als Datenbasis fuumlr die Entwick-lung bzgl Validierung typologischer Ansaumltze genutzt werden Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Beitrags wurden die Energieausweise in einigen Bundeslaumlndern mit jeweils unterschiedlichen Datenbankloumlsungen verwaltet in anderen Bundeslaumlndern fehlt eine zentrale Erfassung nach wie vor ganz Der vorgesehene Abgleich der Datenbanken der Laumlnder mit der EADB der Statistik Austria ist zwar grundsaumltzlich seit laumlngerer Zeit geregelt wird aber immer noch nicht systematisch durchgefuumlhrt (Amann et al 2020 Austrian Energy Agency 2020) Eine zentrale und be-zuumlglich qualitativer Anforderungen weitestgehend homogene Datenbasis mit den Inhalten der Ener-gieausweise fehlt also derzeit und ist bis auf Weiteres auch nicht in Sicht Angesichts der auch in Fachdiskussionen haumlufig genannten Erwartungen hinsichtlich der Treffsicher-heit und Aussagekraft des Energieausweises ist festzuhalten dass es sich bei den konkreten Aussagen zum Energiebedarf im Energieausweis in aller Regel um Ergebnisse eines Berechnungsmodells handelt Neben den Modellergebnissen zu den unterschiedlichen energetischen Kennwerten gilt das Interesse den bereits mehrfach angesprochenen gebaumludespezifischen Eigenschaften Diese werden im Zuge der Erstellung des Energieausweises allerdings vielfach nicht vor Ort im Detail erfasst sondern auf der Grundlage eines bautypologischen Ansatzes angenommen

1 Die charakteristische Laumlnge (lc) wird als Verhaumlltnis von Gebaumludevolumen (V) und Gebaumludeoberflaumlche (A) berechnet (i e der

Kehrwert des AV-Verhaumlltnisses) und ist ein Maszlig fuumlr die Kompaktheit eines Gebaumludes Letztere ist fuumlr das von der Gebaumlu-deform bestimmte Ausmaszlig der Energieabstrahlung von Bedeutung

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Daten zur Energieinfrastruktur

Digitale Leitungsdokumentationen ndash sogenannte Leitungskataster ndash bestehen in zahlreichen Gemein-den Oumlsterreichs in unterschiedlicher Qualitaumlt und Aktualitaumlt Sie repraumlsentieren in ihrer raumlumlichen Abdeckung und Topologie die bestehenden Angebotsstrukturen leitungsgebundener Energietraumlger und dokumentieren damit z B im Bereich der Raumwaumlrme oumlsterreichischer Haushalte die Infrastruk-tur von etwa 47 aller fuumlr Raumwaumlrme eingesetzten Energietraumlger In aller Regel sind Netzbetreiber fuumlr Auf-Ausbau und Erhaltung der Netzinfrastruktur verantwortlich und uumlberlassen der planenden Verwaltung in unterschiedlichem Umfang und zu unterschiedlichen Be-dingungen planungsrelevante Daten In vielen Faumlllen sind diese Netzbetreiber ausgegliederte Unter-nehmen mit substanziellen Beteiligungen der oumlffentlichen Hand Leitungsdokumentationen wurden zwar in den Interviews des Projekts PBM explizit als wesentliche Planungsgrundlage genannt allerdings ohne dabei auf konkrete inhaltliche und qualitative Anforde-rungen naumlher einzugehen Angesichts der Bedeutung der Energieinfrastruktur fuumlr das gesamte Hand-lungsfeld der raumbezogenen Planung ndash von der strategischen Planung auf Stadt- bzw Stadtteilebene bis zur Detailplanung im Quartier ndash muss das uumlberraschen Schlieszliglich gilt es ndash aumlhnlich wie das z B in ZuumlrichSchweiz bereits erfolgreich vorgelebt wird (vgl Energie360 2020) ndash auf der Grundlage valider Fakten Gebietstypen auszuweisen die sich durch ihr Infrastrukturangebot (z B Gas vs Fernwaumlrme) bzw durch Vorgaben hinsichtlich zulaumlssiger Technologien oder Verpflichtungen zur Nutzung von Tech-nologien mit festgelegten Verbrauchs-Emissionslimits auszeichnen Dabei ist bereits absehbar dass vermehrt dezentrale Ansaumltze der Energieversorgung in diese bdquoZonierungldquo einbezogen werden muumlssen zum einen aufgrund der zunehmenden raumlumlichen Verflechtungen zwischen Energieangebot und Energienachfrage unter anderem durch die Installation von sogenannten Distributed Energy Resources in Verbraucherhaushalten (Stichwort bdquoProsumerldquo) (vgl Beestermoumlller 2017 Karg et al 2014 p 32) und zum anderen aufgrund der deutlich geringeren Krisenanfaumllligkeit derartiger Konzepte (Stichwort bdquoResilienzldquo) (vgl Fulterer amp Leusbrock 2018) Ohne solide Datenbasis zur bestehenden Infrastruktur die jedenfalls neben der Leitungsdokumenta-tion auch die Dokumentation bestehender Kapazitaumlten und anderer in der Regel technischer Engpass-faktoren umfassen muss werden derartige Vorhaben nur schwer umzusetzen sein Aktuell ist fuumlr die planende Verwaltung wenn uumlberhaupt meist nur eine rudimentaumlre Leitungsdokumentation im Sinn einer Verortung von Netzelementen zugaumlnglich Auf deren Grundlage lassen sich zwar Aussagen zu bestehenden und potenziellen Versorgungsbereichen ableiten Versorgungspotenziale im Sinn raumlum-lich differenzierter Aussagen uumlber das Ausmaszlig lokal bereitstellbarer Energiemengen beduumlrfen aber der Information uumlber Kapazitaumltsreserven und Engpaumlsse im bestehenden Netz sowie uumlber realisierbare Netzausbau-Szenarien Der breiten Oumlffentlichkeit koumlnnen Daten uumlber den Verlauf und insbesondere die Eigenschaften lei-tungsgebundener Infrastruktur aufgrund von deren Einstufung als bdquokritische Infrastrukturldquo im Sinne der EU-Richtlinie 2008114EG nicht zur Verfuumlgung gestellt werden Insgesamt faumlllt aber auf dass von den Betreibern unter Verweis auf Datenschutz undoder Betriebsgeheimnis in vielen Faumlllen selbst der oumlffentlichen Verwaltung qualitativ hochwertige und aktuelle Daten nicht zur Verfuumlgung gestellt wer-den und damit neben den angesprochenen qualitativen Maumlngeln auch die grundsaumltzliche Verfuumlgbar-keit ein Problem darstellt

Informationsaustausch

Neben der Verfuumlgbarkeit und Qualitaumlt von Daten bestimmt ein weiterer Gesichtspunkt deren Nutzbar-keit jener des Datenaustausches und der Datendistribution Waumlhrend in den vorigen Abschnitten die konkreten Inhalte essentieller Datengrundlagen fuumlr die Energieraumplanung beleuchtet wurden liegt der Fokus in der Folge auf der Betrachtung der Akteure sowie auf aktuellen Entwicklungen im Zusam-menhang mit Datenweitergabe und Datenaustausch

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Rolle der oumlffentlichen Verwaltung (Administration)

In den vergangenen Jahren vollzogen sowohl einige oumlffentliche Verwaltungen sowie teilweise auch ausgegliederte Unternehmen bezuumlglich der Veroumlffentlichung raumbezogener Daten einen deutlichen Kurswechsel Dieser ist vor allem durch den Uumlbergang vom Konzept der finanziellen Verwertung der Datenbestaumlnde hin zur deren oumlffentlicher Bereitstellung gekennzeichnet Damit wird die lange gelebte Praxis fuumlr die Abgabe von Daten sowie fuumlr deren Nutzung ndash sowohl anderen Verwaltungseinheiten als auch externen UnternehmenInstitutionen ndash Entgelt zu verrechnen sukzessive aufgegeben Kern die-ses unter dem Begriff Open Government Data (OGD) zusammengefassten Konzeptes ist die Veroumlffent-lichung von Daten die im Verantwortungsbereich der oumlffentlichen Verwaltung erfasst und verwaltet werden in allgemein zugaumlnglicher und maschinenlesbarer Form ohne die Verrechnung jeder Art von Gebuumlhren (Digitales Wien 2020 Kalasek amp Weninger 2015) Hintergrund der sich stetig ausbreitenden Initiative ist die Auffassung Information sei ein wertvoller Produktionsfaktor dessen Verfuumlgbarkeit und Zugaumlnglichkeit im Rahmen der voranschreitenden Digitalisierung eine Schluumlsselrolle zukommt Innerhalb Oumlsterreichs ist die Stadt Wien auf diesem Gebiet sicher unter den Vorreitern zu finden Am OGD-Konzept der Stadt Wien ist insbesondere interessant dass die Moumlglichkeit den Aufwand fuumlr den Vertrieb der Daten deutlich zu reduzieren sehr fruumlh erkannt wurde Im Zuge der Reorganisation der Infrastruktur rund um die Abgabe von Daten wurden die dafuumlr notwendigen Prozesse als Distributi-onsaufgabe identifiziert und diese in der Folge in Form eines zentralen bdquoDistributionsdienstesldquo imple-mentiert Gleichzeitig wurde der Grundsatz bdquoopen by defaultldquo fuumlr saumlmtliche (nicht klassifizierten) Daten der Stadt Wien verankert und daran anschlieszligend die fuumlr die Bereitstellung der Daten auf OGD-Platt-formen notwendigen Strukturen auf der Ebene der jeweiligen Fachabteilungen etabliert Insgesamt konnte laut Aussagen der Stadtverwaltung der Gesamtaufwand fuumlr den Vertrieb von Daten deutlich reduziert und gleichzeitig die Nutzungsintensitaumlt auf ein Vielfaches gesteigert werden (vgl Lutz 2020) Naheliegenderweise wurden im Rahmen der Interviews im Projekt PBM konkrete Datenbestaumlnde aus dem OGD-Angebotsbuumlndel sowohl von Vertretern der planenden Verwaltung als auch von Planungs-buumlros explizit als fuumlr den eigenen Wirkungsbereich relevante Datengrundlagen genannt Groszlige Teile dieses Buumlndels sind Basisdaten im Sinn von fachspezifischen Grundlagendaten zu jenen raumlumlichen Voraussetzungen die fuumlr die Energieraumplanung von Interesse sind Und es sind eben diese Daten die uumlber Distributionskanaumlle wie sie oben am Beispiel der Stadt Wien angesprochen wurden der All-gemeinheit einfach zur Verfuumlgung gestellt werden koumlnnen Obwohl der beschriebene Trend zu Open Data-Strategien auf allen Ebenen oumlffentlicher Verwaltung an der Zahl der entsprechenden Veroumlffentlichen auf Open Data Oumlsterreich (wwwdatagvat) zu erkennen ist (vgl Lutz 2020) existieren nach wie vor einige Sektoren in denen Daten nicht veroumlffentlicht bzw ausschlieszliglich gegen Entgelt abgegeben werden Zu den auch fuumlr die Energieraumplanung relevanten und prominentesten Beispielen zaumlhlen die Datenbestaumlnde der (ebenfalls in den PBM-Interviews ge-nannten) Digitalen Katastralmappe (DKM) und ein groszliger Teil der soziodemographischen Daten des Bundesamts fuumlr Statistik (Statistik Austria) auf der raumlumlichen Ebene der Gemeinden und darunter (z B Zaumlhlsprengel Raster 250 x 250m) Etablierte und eingespielte Loumlsungen fuumlr den Datenaustausch bestehen allerdings dort wo Daten von Institutionen der oumlffentlichen Verwaltung an Gebietskoumlrperschaften und Koumlrperschaften oumlffentlichen Rechts abgeben werden ndash und zwar insbesondere dann wenn beide hoheitliche Aufgaben wahrneh-men Diese Regelungen werden auch dort wirksam wo oumlffentliche Verwaltungen privatwirtschaftliche Unternehmen damit beauftragen im Planungsprozess mitzuwirken Gerade im thematischen Feld der Energieraumplanung ist diese Konstellation im Rahmen der Erarbeitung von Grundlagen und der Vor-bereitung konkreter Strategiepapiere und Plandokumente haumlufig Den Auftragnehmern werden die vorhandenen Daten dabei auf der Grundlage umfangreicher und komplexer zeitlich befristeter Nut-zungsvereinbarungen zur Verfuumlgung gestellt

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Rolle von Unternehmen aus dem privaten Sektor

Bei den Unternehmen handelt es sich haumlufig um ausgegliederte ehemalige Einheiten der oumlffentlichen Verwaltung oder Unternehmen aus dem Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung Der Datenaustausch zwischen den so definierten Unternehmen und der oumlffentlichen Verwaltung unterliegt den strikten Normen bestehender Datenschutzbestimmungen Diese Regelungen werden wie bereits erwaumlhnt entsprechend haumlufig von den Unternehmen als Hintergrund fuumlr die Weigerung planungsrelevante Da-ten aus der Hand zu geben angefuumlhrt Streng genommen handelt es sich allerdings in diesem Fall we-niger um Datenaustausch als vielmehr um Informationstransfer Der Transfer von Daten solcher Un-ternehmen zur oumlffentlichen Verwaltung betrifft primaumlr jene Basisinformation die zur Besorgung der planmaumlszligigen Gestaltung des Raums im Rahmen der Hoheitsverwaltung notwendig ist Informationen die im Zuge der Erledigung dieser Aufgabe fuumlr die Bewertung und Beruumlcksichtigung wirtschaftlicher sozialer gesundheitlicher und kultureller Beduumlrfnisse der Bevoumllkerung maszliggeblich sind haben diese Bedeutung grundsaumltzlich unabhaumlngig von der Rechtsform des Unternehmensder Institution dasdie die Datenbestaumlnde aufbaut und fuumlhrt Gerade eine evidenzbasierte Energieraumplanung ist klar ab-haumlngig von belastbaren Fakten zu jenen Faktoren die starken Einfluss auf den raumlumlich variierenden Bedarf haben Insofern ist der Transfer planungsrelevanter Daten aus dem Bereich ausgegliederter Unternehmen eine wesentliche Voraussetzung fuumlr die vorausschauende und nachhaltige Veraumlnderung der Angebots- und Nachfragestrukturen In diesem Zusammenhang ist eine konkrete Initiative in der Stadt Salzburg zu nennen der sogenannte bdquoDatenaustauschvertragldquo der zwischen dem Energieversorger Salzburg AG (uumlberwiegend im Eigentum des Landes Salzburg und der Stadt Salzburg) die Bedingungen der wechselseitigen Weitergabe jeweils planungsrelevanter Daten regelt Aus Sicht der Autoren waumlre ein deutlich houmlheres Maszlig an Transparenz in diesem Zusammenhang zu begruumlszligen ndash nicht zuletzt deshalb weil von prominenten und erfolgrei-chen Beispielen immer auch eine entsprechende Wirkung auf weitere Initiativen zu erwarten ist

Fazit Aus den Interviews im Rahmen des Projektes PBM geht insbesondere die Bedeutung des themenspe-zifischen Detaillierungsgrades der raumlumliche Granularitaumlt und der Aktualitaumlt der Datengrundlagen klar hervor Mit anderen Worten Die Anforderungen einer evidenzbasierten und effektiven Energieraum-planung an die Datenqualitaumlt werden als hoch eingeschaumltzt waumlhrend die derzeit bestehende Verfuumlg-barkeit und Qualitaumlt aktueller Daten sehr kritisch beurteilt wird In juumlngster Zeit wurden in zahlreichen Forschungsinitiativen ebenso zahlreiche Ansaumltze zur Abschaumlt-zung des Energiebedarfs im Themenfeld WohnenWohngebaumlude entwickelt Die Notwendigkeit kom-plexe Methoden fuumlr diese Fragestellung zu entwickeln ergibt sich primaumlr aus dem Mangel an konkre-ten empirischen Daten zu den Determinanten des Energiebedarfs auf disaggregierter Ebene (Gebaumlude Gebaumludegruppen Gemeinden) Ohne hier auf methodische Staumlrken und Schwaumlchen der angesproche-nen AnsaumltzeArbeiten im Detail einzugehen verdeutlicht jedes weitere derartige Projekt das Problem es besteht weiterhin Bedarf an belastbaren Daten Die bdquobewaumlhrteldquo Praxis mangelnde raumlumliche Differenzierung durch die Umlegung von Merkmalen von houmlheren raumlumlichen Aggregationsebenen auf niederrangige Ebenen zu beheben liefert keine entspre-chende Datenbasis Die Ergebnisse dieser Ansaumltze sind in hohem Maszlig von den im Zuge der Umlegung zu treffenden Annahmen abhaumlngig und beruhen aufgrund des bestehenden Informationsdefizits im inhaltlichen und raumlumlichen Detail haumlufig auf Durchschnittswerten Wenn beispielsweise nur in wenigen Ausnahmefaumlllen fuumlr die vor 2000 errichteten Bestandsgebaumlude valide Information uumlber die thermischen Eigenschaften der Gebaumludehuumllle und die eingesetzte Heiztechnologie zur Verfuumlgung steht liegt der Unschaumlrfebereich moumlglicher Modellergebnisse in der Groumlszligenordnung des Energiebedarfs eines zeitgemaumlszlig sanierten Gebaumludes Diese Unschaumlrfe ist auf der

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Grundlage gaumlngiger Schaumltzverfahren nicht zu beheben ndash und zwar primaumlr deshalb weil in der Vergan-genheit keine raumlumlich differenzierte Erfassung von Sanierungsaktiviaumlten erfolgt ist Letztlich wird die Grundlage fuumlr jede kleinraumlumig differenzierte Strategie im Zusammenhang mit dem Energiebedarf und der Aktivierung von Reduktionspotenzialen aus einer Kombination aus flaumlchende-ckend erfassten gebaumludebezogenen Eigenschaften und realen Verbrauchsdaten bestehen muumlssen Auf dieser Grundlage kann

bull der Zusammenhang zwischen Gebaumludeeigenschaften und Energiebedarf in statistischem Sinn bewertet

bull der Einfluss nicht gebaumludebezogener Einflussfaktoren in seiner Groumlszligenordnung festgemacht bull und auf dieser Grundlage eine treffsichere Gebaumludetypologie entwickelt oder bestehende

typologische Ansaumltze verfeinert werden

Dieser Informationsgewinn in Bezug auf die Qualitaumlt und die raumlumliche Differenzierung der Ver-brauchsschaumltzung ist eine unverzichtbare Voraussetzung fuumlr aktuell anstehende Konzepte zur Energie-wende um lokal eingebettete Angebots- und Nachfrageverflechtungen zu optimieren

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Das Energiemosaik Austria Eine Energie- und Treibhausgasdatenbank fuumlr alle oumlsterreichischen Staumldte und Gemeinden

Lore Abart-Heriszt (1)

DOI 10347261025

(1) Dipl-Ing Dr Institut fuumlr Raumplanung Umweltplanung und Bodenordnung (IRUB) Department fuumlr Raum Landschaft und Infrastruktur (RALI) Universitaumlt fuumlr Bodenkultur (BOKU) Wien

Abstract

Das Energiemosaik Austria ist eine Energie- und Treibhausgasdatenbank fuumlr alle oumlsterreichischen Staumldte und Gemeinden Die Datenbank beruht auf einem flaumlchendeckenden Modell zur Ermittlung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen das bei der Gesamtheit der raumgebundenen Nut-zungen (Wohnen Land- und Forstwirtschaft Industrie und Gewerbe sowie Dienstleistungen) ansetzt und auch die damit verbundenen Mobilitaumltsbeduumlrfnisse beruumlcksichtigt In der Datenbank sind dem-nach alle Verbraucher von Energie und alle Verursacher von Treibhausgasemissionen gleichwertig ab-gebildet Die Angaben zum Energieverbrauch werden konsequent nach Verwendungszwecken und Energietraumlgern differenziert Die gemeinsame statistische Datenbasis die standardisierte Modellierung und die einheitliche Darstel-lung der Ergebnisse gewaumlhrleisten die Vergleichbarkeit unter den rund 2100 Gemeinden Die Gesamt-schau des Energiemosaiks Austria - in allen oumlsterreichischen Gemeinden werden alle Verbraucher von Energie beruumlcksichtigt - stellt sicher dass sich der oumlsterreichweite Energieverbrauch in den kommuna-len Datensaumltzen des Energiemosaiks Austria widerspiegelt Das Energiemosaik Austria ist auf einer ei-genen Webseite (wwwenergiemosaikat) verfuumlgbar

Schluumlsselbegriffe

Oumlsterreichweite Datenbank kommunaler Energieverbrauch kommunale Treibhausgasemissionen Webseite Abart-Heriszt L (2021) Das Energiemosaik Austria Eine Energie- und Treibhausgasdatenbank fuumlr alle oumlsterreichischen Staumldte und Gemeinden In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S62-72

Abart-Heriszt (2021) Das Energiemosaik Austria Eine Energie- und Treibhausgasdatenbank fuumlr alle oumlsterreichischen Staumldte und Gemeinden DOI 10347261025

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Inhalt Die Entwicklung einer strategischen Datenbank als Aufgabenfeld der Energieraumplanung 64

Statistische Datenbasis 64

Strukturdaten Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen 65

Nutzungen Verwendungszwecke und Energietraumlger 65

Raumlumliche Parameter Energiekennzahlen und Emissionsfaktoren 66

Modellierung des Energieverbrauches und der Treibhausgasemissionen 67

Energieverbrauch in Oumlsterreich 69

Treibhausgasemissionen in Oumlsterreich 70

Schlussfolgerungen 71

Literatur 71

Abart-Heriszt (2021) Das Energiemosaik Austria Eine Energie- und Treibhausgasdatenbank fuumlr alle oumlsterreichischen Staumldte und Gemeinden DOI 10347261025

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Die Entwicklung einer strategischen Datenbank als Aufgabenfeld der Energie-raumplanung

Die Gemeinden sind wichtige Akteure im Hinblick auf die Entwicklung von Strategien zur Verringerung des Energieverbrauches und der Treibhausgasemissionen Als Grundlage dafuumlr sind Kenntnisse hin-sichtlich der Ausgangslage unerlaumlsslich Auf kommunaler Ebene standen in Oumlsterreich bislang jedoch weder statistische Daten zum Energieverbrauch zur Verfuumlgung noch lagen Angaben zu den Treibhaus-gasemissionen vor Um diese Luumlcke zu schlieszligen wurde eine Methode zur Modellierung von Energie-verbrauch und Treibhausgasemissionen auf Gemeindeebene entwickelt und im Rahmen eines von der FFG (Oumlsterreichischen Forschungsfoumlrderungsgesellschaft) gefoumlrderten Projektes oumlsterreichweit umge-setzt (Abart-Heriszt et al 2019a und 2019b BMK 2020) Mit dem sogenannten bdquoEnergiemosaik Austrialdquo stehen allen oumlsterreichischen Staumldten und Gemeinden energie- und klimarelevante Entscheidungsgrundlagen und eine Referenz fuumlr die Formulierung kuumlnfti-ger Strategien zur Energiewende und zum Klimaschutz zur Verfuumlgung Dabei gewaumlhrleisten die gemein-same statistische Datenbasis die standardisierte Modellierung und die einheitliche Darstellung der Ergebnisse die Vergleichbarkeit unter den Gemeinden Das Energiemosaik erlaubt die Aggregation der gemeindespezifischen Ergebnisse und deren Abfrage auch auf uumlbergeordneter insbesondere regiona-ler Ebene (zB KEM- KLAR- und Leader-Regionen) Das Energiemosaik Austria stellt eine kommunale Energie- und Treibhausgasdatenbank dar die unter wwwenergiemosaikat mit interaktiven Karten umfangreichen Tabellen und weiterfuumlhrenden Dia-grammen oumlffentlich zur Verfuumlgung steht Das Energiemosaik bietet einen umfangreichen Einblick in den Energieverbrauch und in die Treibhausgasemissionen auf der Ebene der Gemeinden und versetzt damit die Akteure in der lokalen Politik Verwaltung Wirtschaft und Zivilgesellschaft in die Lage dem betraumlchtlichen Handlungsbedarf zur Verringerung des Klimawandels mit energie- und klimapolitischen Strategien zu begegnen Das Energiemosaik Austria unterstuumltzt die Energiewende und den Klimaschutz insofern als es dem wachsenden Anspruch Rechnung traumlgt energie- und klimapolitische Strategien um die raumlumliche Di-mension zu erweitern Dieser sogenannte bdquospatial turnldquo unterstreicht die zentrale Bedeutung von Land und Raum in der Energie- und Klimapolitik Dabei werden die raumlumlichen Rahmenbedingungen d h energie- und klimaoptimierte Raum- und Siedlungsstrukturen als Schluumlsselgroumlszligen fuumlr den Umstieg auf erneuerbare Energietraumlger sowie fuumlr die Etablierung einer umweltfreundlichen Mobilitaumlt und damit fuumlr eine maszliggebliche Verringerung der Treibhausgasemissionen erachtet

Statistische Datenbasis Das Energiemosaik Austria stellt ein quantitatives Modell dar das ausschlieszliglich auf Daten der amtli-chen Statistik beruht und unabhaumlngig von benutzerdefinierten Eingaben oder von Messergebnissen ist Das Energiemosaik stuumltzt sich auf oumlsterreichweit verfuumlgbare konsistente Datensaumltze fuumlr alle Ver-brauchergruppen sowie auf die Mobilitaumltserhebung Oumlsterreich unterwegs (vgl Tab 1)

Registerzaumlhlung 2011 Gebaumlude- und Wohnungszaumlhlung Registerzaumlhlung 2011 Arbeitsstaumlttenzaumlhlung Registerzaumlhlung 2011 PersonenPendlerzaumlhlung Agrarstrukturerhebung 2010Uumlberblick landwirtschaftliche Kulturflaumlchen nach Flaumlchenart Nutzenergieanalyse 2011 (Stand 2018) Energetischer Endverbrauch nach Bundeslaumlndern Energiegesamtrechnung Oumlsterreich 2011 Bundesforschungszentrum fuumlr Wald (BFW) Waldkarte (Stand 2019) BMVIT 2016 Oumlsterreich unterwegs 20132014 BMVIT 2017 Bericht aus Energie- und Umweltforschung 392017 Zweiter Oumlsterreichischer Baukulturreport 2011 Umweltbundesamt CO2-Rechner (Stand 2011)

Tab 1 Datengrundlagen fuumlr das Energiemosaik Austria Eigene Darstellung

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Strukturdaten Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen

Im Energiemosaik Austria sind umfassende Angaben zum Energieverbrauch und zu den damit verbun-denen Treibhausgasemissionen der Gemeinden gemeinsam mit den zugrundeliegenden Strukturdaten abgelegt Die Strukturdaten umfassen umfangreiche Datensaumltze zur Charakterisierung der raumlumlichen Struktu-ren in den einzelnen Gemeinden Sie geben demnach detailliert Auskunft uumlber die wesentlichen Merk-male der raumgebundenen Nutzungen sowie der Mobilitaumltsbeduumlrfnisse die mit diesen Nutzungen ver-bunden sind Der Energieverbrauch bezieht sich auf den energetischen Endverbrauch in Megawattstunden (MWh) also auf jene Energiemenge die bei den Verbrauchern nach Umwandlung und Transport ankommt und fuumlr den Einsatz in Anlagen der Verbraucher zur Verfuumlgung steht Die modellierten Werte bilden Jahres-werte ab (MWha) und beziehen sich vornehmlich auf den Ist-Zustand mit Datengrundlagen aus dem Jahr 2011 (ergaumlnzt um Datensaumltze aus den Jahren 2010 20132014 2017 und 2019) Daruumlber hinaus wird eine Vision fuumlr das Jahr 2050 entwickelt die sich mit der oumlsterreichweiten Verringerung der Treib-hausgasemissionen um rund 80 Prozent auseinandersetzt Die Treibhausgasemissionen umfassen die CO2-Emissionen die bei Verbrennungsvorgaumlngen entste-hen diese decken in Oumlsterreich rund 85 aller Treibhausgasemissionen ab (UBA 2019) Beruumlcksichtigt werden direkte und indirekte Emissionen dh sowohl jene Emissionen die unmittelbar am Ort der Energienutzung entstehen als auch jene Emissionen die zusaumltzlich bei der Bereitstellung der Energie-traumlger anfallen und die Auswirkungen vorgelagerter Prozessketten beruumlcksichtigen Jene Treibhaus-gasemissionen die bei der Erzeugung von Strom und Fernwaumlrme entstehen finden demnach als indi-rekte Emissionen im Energiemosaik Beruumlcksichtigung Sie werden den jeweiligen Gemeinden bzw Nut-zungen in dem Maszlige zugeordnet in dem Strom und Fernwaumlrme zum Einsatz kommt Die Treibhaus-gasemissionen (Stand 2011) werden in Tonnen CO2-Aumlquivalent pro Jahr (t CO2-Aumlquiva) angegeben

Nutzungen Verwendungszwecke und Energietraumlger

Das Modell zur Ermittlung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen verfolgt einen pla-nungsbezogenen Ansatz und geht davon aus dass sich der Energieverbrauch und die damit verbunde-nen Treibhausgasemissionen auf raumlumliche Strukturen zuruumlckfuumlhren lassen Daher setzt das Ener-giemosaik Austria bei der Gesamtheit der raumgebundenen Nutzungen an (Wohnnutzung Land- und Forstwirtschaft Industrie und Gewerbe Dienstleistungen) und beruumlcksichtigt auch die damit einher-gehenden Mobilitaumltsbeduumlrfnisse Somit finden alle Verbraucher von Energie und alle Verursacher von Treibhausgasemissionen gleichwertig Eingang in das Modell Die Modellierung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen erfolgt dabei nicht nur nach Nut-zungen sondern auch nach Verwendungszwecken und Energietraumlgern differenziert Unter den Ver-wendungszwecken werden verschiedene Aktivitaumlten gebuumlndelt fuumlr die Energie genutzt wird fuumlr die Abdeckung des Waumlrmebedarfs als Prozessenergie oder zur Sicherstellung von Transportleistungen Der Verwendungszweck Waumlrme umfasst die Beheizung von Raumlumen und die Bereitung von Warmwas-ser Die Prozessenergie die vornehmlich Prozesswaumlrme und Antriebsenergie umfasst dient dem Be-trieb industriell-gewerblicher Produktionsanlagen sowie von Anlagen und Geraumlten im Dienstleistungs-sektor aber auch von Haushaltsgeraumlten und Geraumlten der Buumlro- und Unterhaltungselektronik sowie der Beleuchtung Der Transport beschreibt den Antrieb von Fahrzeugen zur Abdeckung der Mobilitaumltsbe-duumlrfnisse sowie zur Abwicklung des Baustellen- Werks- und Wirtschaftsverkehrs Im Zuge der Modellierung werden acht verschiedene Energietraumlger beruumlcksichtigt Kohle Oumll (ein-schlieszliglich Benzin und Diesel) Gas Strom und Fernwaumlrme (unter Beachtung ihrer Bereitstellung aus einem Mix von fossilen und erneuerbaren Energietraumlgern) Biomasse brennbare Abfaumllle und Umge-bungswaumlrme

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Raumlumliche Parameter Energiekennzahlen und Emissionsfaktoren

Im Energiemosaik Austria kommen die in Tab 2 dargelegten Parameter zum Einsatz um die Nutzungs- und Mobilitaumltsstrukturen der Gemeinden umfassend abzubilden

Wohnnutzung Quadratmeter Wohnnutzflaumlche nach Gebaumludekategorie Bauperiode sowie Wohnsitzart (Haupt- und Nebenwohnsitze)

32 Parameter

Land- und Forst-wirtschaft

Hektar Kulturflaumlche der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung 4 Parameter

Industrie und Ge-werbe

Beschaumlftigte in der Arbeitsstaumltte nach Branchen gemaumlszlig der OumlNACE-Klassifi-kation der Wirtschaftstaumltigkeiten

27 Parameter

Dienstleistungen Beschaumlftigte in der Arbeitsstaumltte nach Branchen gemaumlszlig der OumlNACE-Klassifi-kation der Wirtschaftstaumltigkeiten

12 Parameter

Mobilitaumlt Verkehrsleistungen (zuruumlckgelegte Kilometer) des Personen- und Guumlterver-kehrs

17 Parameter

Tab 2 Raumlumliche Parameter im Energiemosaik Austria Eigene Darstellung

Die Datensaumltze liegen oumlsterreichweit in einheitlicher Struktur und Qualitaumlt vor bzw werden fuumlr die Mobilitaumlt basierend auf einem eigens entwickelten Verkehrsmodell fuumlr alle Gemeinden nach einer ein-heitlichen Systematik ermittelt Die Datenbasis gewaumlhrleistet eine profunde energie- und klimarele-vante Charakterisierung der Gemeinden hinsichtlich ihrer Nutzungs- und Mobilitaumltsstrukturen und stellt damit eine zuverlaumlssige Grundlage fuumlr die Modellierung des Energieverbrauches und der Treib-hausgasemissionen auf kommunaler Ebene dar Die Vielzahl von Parametern stellt sicher dass sich allfaumlllige Unterschiede zwischen tatsaumlchlichen und modellierten Werten fuumlr die einzelnen Parameter im Rahmen der Aggregation auf Gemeindeebene ausgleichen koumlnnen Die detaillierte Beschreibung der raumgebundenen Nutzungen auf Gemeindeebene gewaumlhrleistet dass sich die Modellierung des Energieverbrauches und der damit einhergehenden Treibhausgasemis-sionen bestmoumlglich an die jeweils besondere Situation auf Gemeindeebene annaumlhert Die umfangrei-chen Angaben zu den Strukturdaten im Energiemosaik erlauben den Energieverbrauch und die Treib-hausgasemissionen unter Beruumlcksichtigung der zugrundeliegenden raumlumlichen Strukturen zu diskutie-ren Die Beruumlcksichtigung dieser raumlumlich hoch aufgeloumlsten Daten im Energiemosaik ist ein Hauptau-genmerk von Bottom-Up-Ansaumltzen Zur Ermittlung des kommunalen Energieverbrauches (vgl Abb 1) werden die Parameter zur Beschrei-bung der Nutzungs- und Mobilitaumltsstrukturen mit spezifischen Energiekennzahlen multipliziert (z B Megawattstunde Energie je Beschaumlftigten) Dabei gewaumlhrleistet die Vielzahl der Parameter den Einsatz moumlglichst spezifischer und praumlziser Energiekennzahlen und damit minimale Abweichungen der tat-saumlchlichen Werte von der jeweiligen Energiekennzahl im Modell Die Ermittlung der Energiekennzah-len beruht im Energiemosaik auf einem Top-Down-Ansatz Die Energiekennzahlen werden vornehm-lich aus der Nutzenergieanalyse der Statistik Austria sowie den Analysen zur Mobilitaumltserhebung Oumls-terreich unterwegs (BMVIT 2017) abgeleitet Dieses Vorgehen hat zwar den Nachteil dass besondere Variationen der raumgebundenen Nutzungen Details des individuellen Verhaltens oder spezifische Technologien und Innovationen in den einzelnen Gemeinden nicht vollumfaumlnglich in den Energiekenn-zahlen abgebildet werden koumlnnen Hingegen besteht der groszlige Vorteil dieser Methode darin dass die Ergebnisse fuumlr die einzelnen Gemeinden mit den Datensaumltzen auf der Ebene der Bundeslaumlnder konsis-tent sind Werden die kommunalen Werte aggregiert resultieren die Werte auf Landesebene Daruumlber hinaus stellt das Energiemosaik nicht nur eine vollstaumlndige und konsistente Modellierung sicher son-dern kann mit dem Einsatz der solcherart ermittelten Energiekennzahlen die von Jahr zu Jahr zu ver-zeichnenden witterungsbedingten und konjunkturellen Schwankungen des Energieverbrauches aus-gleichen Die Energiekennzahlen sind nach Verwendungszwecken (Waumlrme Prozesse und Transport) sowie nach acht Energietraumlgern differenziert Auf der Webseite werden die erneuerbaren und fossilen Energietraumlger jeweils zusammengefasst

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Unter Beruumlcksichtigung von energietraumlgerspezifischen Faktoren fuumlr die Treibhausgasemissionen (Ton-nen CO2-Aumlquivalent je Megawattstunde eingesetzter Energie entsprechend dem CO2-Rechner des Um-weltbundesamtes) werden die kommunalen Treibhausgasemissionen berechnet (vgl Abb 1)

Abb 1 Modell zur Ermittlung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen im Energiemosaik Austria (nach Abart-Heriszt et al 2019b)

Modellierung des Energieverbrauches und der Treibhausgasemissionen

Wohnnutzung

Die Modellierung des Energieverbrauches und der Treibhausgasemissionen fuumlr die Wohnnutzung ba-siert im Energiemosaik Austria auf dem Ausmaszlig der Wohnnutzflaumlchen und erfolgt aufgrund des unter-schiedlichen Heizwaumlrmebedarfs differenziert nach Gebaumludekategorien Bauperioden und Wohnsitzart (wobei auf der Webseite Haupt- und Nebenwohnsitze zusammengefasst werden) Damit wird dem hohen Stellenwert Rechnung getragen den der Waumlrmebedarf in der Wohnnutzung hat

Wirtschaftliche Nutzungen

Fuumlr die Land- und Forstwirtschaft erfolgt die Modellierung von Energieverbrauch und Treibhausgas-emissionen aufgrund unterschiedlich energieintensiver Bewirtschaftung differenziert nach Kulturar-ten Die Land- und Forstwirtschaft ist grundsaumltzlich ein nicht zu vernachlaumlssigender Emittent von Treib-hausgasen Besondere Bedeutung kommt dabei allerdings den Emissionen von Lachgas und Methan zu die aus der Bewirtschaftung landwirtschaftlich genutzter Flaumlchen und aus der Viehhaltung stam-men In das Energiemosaik finden hingegen nur die vergleichsweise geringen CO2-Emissionen aus Ver-brennungsvorgaumlngen (zB Wirtschaftsverkehr) Eingang Unter Industrie und Gewerbe wird im Energiemosaik die Erzeugung von Sachguumltern einschlieszliglich der Branchen Bau und Bergbau zusammengefasst Angesichts der Vielfalt unterschiedlicher Produktions-verfahren weisen der spezifische Energieverbrauch und die Treibhausgasemissionen von Industrie und Gewerbe eine groszlige Schwankungsbreite auf Diesem Umstand wird durch die Beruumlcksichtigung von uumlber 25 Branchen des produzierenden Sektors einschlieszliglich Bau und Bergbau bestmoumlglich Rechnung getragen Auf der Webseite werden die Branchen entsprechend der OumlNACE-Klassifikation der Wirt-schaftstaumltigkeiten zusammengefasst Allerdings kann auch innerhalb einer Branche der Energiever-brauch in Abhaumlngigkeit von den spezifischen Prozessen betraumlchtlich schwanken Dazu kommt dass

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sich nicht an allen industriell-gewerblichen Standorten tatsaumlchlich Produktionsstaumltten befinden son-dern teilweise reine Managementfunktionen erfuumlllt werden Diese Gegebenheiten koumlnnen mangels oumlsterreichweit verfuumlgbarer Informationen nicht beruumlcksichtigt werden und in Einzelfaumlllen zu Fehlein-schaumltzungen des Energieverbrauches und der damit einhergehenden Treibhausgasemissionen von In-dustrie und Gewerbe fuumlhren In Industrie und Gewerbe wird Energie vornehmlich als Prozessenergie fuumlr den Betrieb von Produktionsanlagen eingesetzt waumlhrend der Energieverbrauch fuumlr Waumlrme und Transport (Baustellen- und Werksverkehr) eine vergleichsweise geringe Rolle spielt Die Dienstleistungen umfassen zwoumllf verschiedene Branchen der privaten und oumlffentlichen Dienstleis-tungserbringung (z B Geschaumlfte Gaststaumltten Schulen Krankenhaumluser Banken Aumlmter hellip) Die Unter-schiede zwischen den verschiedenen Dienstleistungsbranchen sind hinsichtlich des Energieverbrau-ches im Allgemeinen gering Die Branchen werden auf der Webseite weitgehend OumlNACE-konform zu-sammengefasst Die Energie wird im Dienstleistungssektor etwa zur Haumllfte fuumlr die Waumlrmebereitstel-lung benoumltigt der restliche Energieverbrauch entfaumlllt zu etwa gleichen Teilen auf Prozesse und Trans-port

Mobilitaumlt

Der Energieverbrauch der Mobilitaumlt und die damit verbundenen Treibhausgasemissionen haumlngen so-wohl von der Weglaumlnge als auch von den genutzten Verkehrsmitteln ab Diese Merkmale sind in Oumls-terreich sehr unterschiedlich ausgepraumlgt und haumlngen wesentlich von den raumlumlichen Rahmenbedin-gungen wie etwa der Kompaktheit der Raum- und Siedlungsstrukturen sowie der Nutzungsmischung ab Im Energiemosaik Austria wird ein besonderes Augenmerk auf die Vernetzung der unterschiedlichen Standorte von Wohnungen Arbeitsplaumltzen Bildungs- Handels- Gesundheits- Sozial- und Freizeitein-richtungen etc gelegt die unter dem Begriff der Alltagsmobilitaumlt zusammengefasst wird Die Model-lierung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen der Alltagsmobilitaumlt beruht auf umfangrei-chen statistischen Daten zu den Pendlern (differenziert nach Wohn- Arbeits- bzw Schulort und Pen-deltyp sowie Pendeldistanzen) ergaumlnzt um Aussagen und Analysen aus der Mobilitaumltserhebung Oumlster-reich unterwegs (BMVIT 2016 und BMVIT 2017) betreffend die Bedeutung verschiedener Wegezwecke sowie gemeindetypenspezifischer Modal-Splits Darauf basierend werden Verkehrsleistungen model-liert wobei die Zuordnung der Verkehrsleistungen zu den Gemeinden auf einem nutzungsbezogenen Ansatz beruht Daher wird jede Gemeinde als Wohnort als Arbeits- und Schulort als Standort kunden-orientierter Dienstleistungen (z B Handel) sowie als Produktionsstandort betrachtet Die Verkehrs-leistungen der Alltagsmobilitaumlt werden im Allgemeinen jeweils dem Zielort eines Weges abhaumlngig vom Wegezweck und damit den in Tab 3 genannten Kategorien zugeordnet

Haushaltsmobilitaumlt Alle Wege zu den Wohnsitzen und die meisten Verkehrsleistungen in der Freizeit wer-den dem Wohnort zugeordnet

Beschaumlftigtenmobilitaumlt Die Wege der Beschaumlftigten und Schuumller zur Arbeit bzw zur Ausbildung werden der Standortgemeinde der Arbeitsstaumltte bzw Schule zugeordnet

Kundenmobilitaumlt Die Wege der Kunden zu Dienstleistungseinrichtungen werden den Standorten dieser Einrichtungen zugeordnet

Tab 3 Kategorien der Alltagsmobilitaumlt im Energiemosaik Austria Eigene Darstellung

Zudem werden sowohl inlaumlndische Urlaubs- und Geschaumlftsreisen als auch der Transport von land- und forstwirtschaftlichen sowie industriell-gewerblichen Guumltern im Inland beruumlcksichtigt Die Zuordnung zu den Gemeinden erfolgt nach dem Wohnort (Urlaubsreisen) dem Arbeitsort (Geschaumlftsreisen) und dem Standort der Produktionsstaumltten (Guumlterverkehr) Auf der Webseite werden unterschiedliche We-gezwecke und Verkehrsmittel zusammengefasst

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Energieverbrauch in Oumlsterreich

In Abb 2 wird die absolute Houmlhe des Energieverbrauches insgesamt in den einzelnen Gemeinden Oumls-terreichs dargestellt Im Allgemeinen weisen Gemeinden mit einer hohen Einwohnerzahl und einer Vielzahl von wirtschaftlichen Aktivitaumlten begleitet von einem hohen Verkehrsaufkommen einen houmlhe-ren Energieverbrauch auf als kleinere Gemeinden Dieser enge Zusammenhang erklaumlrt aber nur einen Teil der Unterschiede zwischen den Gemeinden Daneben hat die Nutzungsmischung einen erhebli-chen Einfluss auf die Houmlhe und insbesondere die Struktur des Energieverbrauches denn in den einzel-nen Gemeinden koumlnnen unterschiedliche Verbrauchergruppen die Energie fuumlr unterschiedliche Zwe-cke einsetzen Gleich groszlige Gemeinden koumlnnen demnach unterschiedlich hohen Energieverbrauch aufweisen wenn sie durch unterschiedliche raumlumliche Strukturen gekennzeichnet sind Daher nimmt Abbildung 2 bewusst auf die absolute Houmlhe des Energieverbrauches Bezug und stellt nicht Dichtewerte (etwa pro Kopf oder pro Flaumlcheneinheit) dar Denn darin waumlre die Komplexitaumlt der Nutzungsstrukturen sowie der raumlumlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den einzelnen Gemeinden nicht abgebildet Vielmehr lassen sich unterschiedliche Muster des Energieverbrauches bzw unterschiedli-che Typen von Gemeinden in Abhaumlngigkeit vom Beitrag der einzelnen raumgebundenen Nutzungen zum Energieverbrauch identifizieren Im Energiemosaik Austria wird zwischen Gemeinden die vorran-gig Wohnfunktion uumlbernehmen Wohngemeinden mit betrieblicher Funktion funktionsgemischten bzw dienstleistungsorientierten Gemeinden sowie Gemeinden mit industriell-gewerblicher Produk-tion unterschieden Diese Kenntnis uumlber die Bedeutung der einzelnen Verbrauchergruppen ist eine unabdingbare Voraussetzung fuumlr die Formulierung maszliggeschneiderter energiepolitischer Strategien

Abb 2 Kommunaler Energieverbrauch (2011) Quelle wwwenergiemosaikat

Werden die im Energiemosaik ausgewiesenen Angaben uumlber alle Gemeinden Oumlsterreichs summiert resultiert ein Energieverbrauch in der Houmlhe von rund 278 Mio MWh (Stand 2011) Dieser Wert stimmt weitgehend mit der Nutzenergieanalyse fuumlr Oumlsterreich (Statistik Austria 2018) uumlberein Der gesamte Energieverbrauch Oumlsterreichs spiegelt sich demnach in den Datensaumltzen aller rund 2100 oumlsterreichi-schen Staumldte und Gemeinden (ergaumlnzt um die 23 Wiener Stadtbezirke) wider Das Energiemosaik Aus-tria stellt daher eine Energie- und Treibhausgasdatenbank dar die weder eine generelle Uumlber- noch eine Unterschaumltzung des Energieverbrauchs aufweist Diese Konsistenz der Modellierung uumlber ver-schiedene raumlumliche Ebenen hinweg ist eine besondere Staumlrke des Energiemosaiks Geringfuumlgige Abweichungen des Energiemosaiks von der Nutzenergieanalyse resultieren insbesondere aus dem Umstand dass im Falle der Mobilitaumlt im Energiemosaik ein von der Nutzenergieanalyse grund-

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saumltzlich abweichender Ansatz verfolgt wird Waumlhrend die Nutzenergieanalyse auf dem Ausmaszlig an ab-gesetzten Treibstoffen in Oumlsterreich basiert (und damit auch den Kraftstoffexport ins Ausland beinhal-tet) orientiert sich das Energiemosaik an den gemeindespezifischen Nutzungen und den dadurch ver-ursachten Verkehrsleistungen (vgl Kap 6) Dadurch ist keine unmittelbare Vergleichbarkeit des Ener-gieverbrauches mit der amtlichen Statistik gegeben Hingegen stimmt fuumlr die im Energiemosaik mo-dellierten Verkehrsleistungen der Alltagsmobilitaumlt die Summe uumlber alle oumlsterreichischen Gemeinden mit den diesbezuumlglichen Ergebnissen der Mobilitaumltserhebung Oumlsterreich unterwegs uumlberein Waumlhrend demnach weder eine generelle Uumlber- noch eine Unterschaumltzung des Energieverbrauches und der damit einhergehenden Treibhausgasemissionen erfolgt koumlnnen fuumlr einzelne Gemeinden oder ein-zelne Parameter Ungenauigkeiten auftreten die insbesondere auf die moumlgliche Unschaumlrfe einiger Energiekennzahlen zuruumlckzufuumlhren ist Dies trifft vornehmlich auf ausgewaumlhlte Standorte energiein-tensiver industriell-gewerblicher Produktionsanlagen zu

Treibhausgasemissionen in Oumlsterreich

Abb 3 zeigt die absolute Houmlhe der Treibhausgasemissionen insgesamt fuumlr die einzelnen oumlsterreichi-schen Gemeinden Demnach werden in Oumlsterreich Treibhausgasemissionen aus Verbrennungsvorgaumln-gen in der Houmlhe von rund 70 Mio t CO2-Aumlquivalent ausgewiesen (Stand 2011) Die im Energiemosaik Austria getroffenen Aussagen zu den Treibhausgasemissionen decken sich nicht mit den Ergebnissen der oumlsterreichischen Luftschadstoffinventur (UBA 2018) Dies liegt einerseits daran dass im Energie-mosaik konsequent direkte und indirekte Treibhausgasemissionen beruumlcksichtigt werden wohingegen dies auf die Schadstoffinventur nicht zutrifft Andererseits beschraumlnken sich die Aussagen des Energie-mosaiks auf die Treibhausgasemissionen aus dem Energieverbrauch waumlhrend die Schadstoffinventur auch die prozessbedingten Emissionen von Treibhausgasen (z B bei der Verfluumlssigung von Schlacke in der Metallindustrie) sowie die Emissionen aus der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung (Lachgas oder Methan) beruumlcksichtigt

Abb 3 Kommunale Treibhausgasemissionen (2011) Quelle wwwenergiemosaikat

Allerdings wird im Rahmen der Luftschadstoffinventur fuumlr die Treibhausgasemissionen der Mobilitaumlt auch eine alternative Berechnung vorgenommen (bdquoSecond Estimateldquo) Sie beruht nicht auf der Nutz-energieanalyse und auf dem Absatz von Treibstoffen sondern auf einem detaillierten Modell zur Ab-bildung der Straszligenverkehrsleistungen in den einzelnen Bundeslaumlndern Die im Rahmen der Second-Estimate-Berechnung angegebene Houmlhe der Treibhausgasemissionen in den oumlsterreichischen Bundes-laumlndern stimmt mit den Werten des Energiemosaiks uumlberein

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Im Energiemosaik wird fuumlr die Treibhausgasemissionen auch eine Vision fuumlr das Jahr 2050 und damit eine moumlgliche Option aufgezeigt wie unter Beruumlcksichtigung der raumlumlichen Dynamik mit Strategien zur Vermeidung des Energieverbrauches zur Erhoumlhung der Energieeffizienz und zum verstaumlrkten Ein-satz erneuerbarer Energie eine rund 80ige Verringerung der Treibhausgasemissionen gegenuumlber 1990 erreicht werden koumlnnte

Schlussfolgerungen

Das Energiemosaik Austria bildet eine Orientierungshilfe fuumlr die Entwicklung von Strategien zur Ener-giewende und zum Klimaschutz auf lokaler und regionaler Ebene Die Ergebnisse der Modellierung stellen insbesondere angesichts der Vollstaumlndigkeit und der Multisektoralitaumlt des Energiemosaiks eine gute Grundlage fuumlr politische und strategische Entscheidungsprozesse dar Dabei traumlgt die konse-quente Zuordnung des Energieverbrauches und der Treibhausgasemissionen zu den wichtigsten Ver-brauchergruppen (Haushalte Wirtschaft Mobilitaumlt) dem Verursacherprinzip Rechnung und erlaubt eine zielgerichtete Entwicklung von energie- und klimarelevanten Strategien Die einheitliche Struktur und Qualitaumlt der Eingangsdaten sowie die standardisierte Modellierung gewaumlhrleisten eine gemein-same und vergleichbare Ausgangsbasis fuumlr alle Gemeinden und Regionen Daruumlber hinaus koumlnnen uumlbergeordnete Planungsebenen (Laumlnder Bund EU) von dem Wissen um die moumlglichen Beitraumlge un-terschiedlicher raumlumlicher Strukturen in Zentren Kleinstaumldten suburbanen und laumlndlichen Gemeinden zu den uumlbergeordneten klima- und energiebezogenen Strategien profitieren Das Energiemosaik Austria stellt nicht nur eine unerlaumlssliche strategische Planungs- und Entschei-dungsgrundlage fuumlr Akteure aus Politik und Verwaltung Wissenschaft und Praxis sowie Planung und Wirtschaft dar Die Einsatzgebiete des Energiemosaiks reichen dabei von der Erarbeitung von Energie-konzepten und Klimaschutzstrategien die Infrastrukturentwicklung die Raumplanung die Erstellung integrierter Mobilitaumltskonzepte bis zur Regionalentwicklung Daruumlber hinaus traumlgt das Energiemosaik auch zur Sensibilisierung von Akteuren mit energie- klima- raum- umwelt- und mobilitaumltsrelevanten Agenden sowie der interessierten (Fach-)Oumlffentlichkeit bei Schlieszliglich beguumlnstigt das Energiemosaik die Einleitung von Lernprozessen uumlber die Anliegen des Klimaschutzes sowie die raumlumliche Dimension der Energiewende

Literatur Abart-Heriszt L Erker S Reichel S Schoumlndorfer H Weinke E Lang S (2019a) Energiemosaik Austria Oumlsterreichweite Modellierung und webbasierte Visualisierung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen auf Gemeindeebene EnCO2Web FFG BMVIT Stadt der Zukunft Wien Salzburg Lizenz CC BY-NC-SA 30 AT Vgl wwwenergiemosaikat (letzter Zugriff 18122020)

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BMK 2020 (Hrsg) Abart-Heriszt L Erker S Reichel S Schoumlndorfer H Weinke E Lang S (2020) Oumlsterreichweite Modellierung und webbasierte Visualisierung von Energieverbrauch und Treibhaus-gasemissionen auf Gemeindeebene Energiemosaik Austria Berichte aus Energie- und Umweltfor-schung 432020 Bundesministerium fuumlr Klimaschutz Umwelt Energie Mobilitaumlt Innovation und Technologie Wien

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laumlndischen Landesregierung Amt der Niederoumlsterreichischen Landesregierung Amt der Steiermaumlrki-schen Landesregierung Amt der Tiroler Landesregierung Bundesministerium fuumlr Verkehr Innovation und Technologie Wien

BMVIT (Hrsg 2017) Mair am Tinkhof O Strasser H Prinz T Herbst S Schuster M Tomschy R Figl H Fellner M Ploszlig M Roszligkopf T Richt- und Zielwerte fuumlr Siedlungen zur integralen Bewer-tung der Klimavertraumlglichkeit von Gebaumluden und Mobilitaumltsinfrastruktur in Neubausiedlungen Be-richte aus Energie- und Umweltforschung 392017 Bundesministerium fuumlr Verkehr Innovation und Technologie Wien

Statistik Austria (2018) Nutzenergieanalyse fuumlr die neun oumlsterreichischen Bundeslaumlnder 2011 Ver-fuumlgbar online httpwwwstatistikatweb_destatistikenenergie_umwelt_innovation_mobilitaet energie_ und_umweltenergienutzenergieanalyseindexhtml (letzter Zugriff 13012019)

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UBA (Umweltbundesamt 2019) Klimaschutzbericht 2019 Umweltbundesamt Wien

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Institutionelle Gestaltung von energieraumplanerischen Politiken Das Fallbeispiel der niederlaumlndischen Windkraftzonierung

Pia Nabielek (1)

DOI 10347261026

(1) Dipl-Ing Dr PBL Netherlands Environmental Assessment Agency Department of Integral Environmental Policy Analysis

Abstract

Aktiv gestaltete Innovation im institutionellen Bereich gilt als eine wesentliche Voraussetzung fuumlr eine erfolgreiche Energiewende Heutige gesellschaftliche Routinen sollen aufgebrochen und durch Prakti-ken ersetzt werden die nachhaltiger sind und deshalb wert sind nachgeahmt und institutionalisiert zu werden Dieser Beitrag geht der Frage nach inwiefern Energieraumplanung zielgerichtet und bewusst neue Institutionen einfuumlhren kann und ob damit tatsaumlchlich langfristig nachhaltigere Rahmenbedin-gungen geschaffen werden In planungstheoretischer Literatur wird institutionelle Gestaltung als ein wichtiger Bereich der Raumplanung hervorgehoben Damit gemeint ist das Veraumlndern und Einfuumlhren von allgemeinen Werten und Normen ndash Regelungen Praktiken und Sichtweisen ndash die die Interaktion eines breiten Spektrums von Akteurinnen und Akteuren strukturieren In diesem Beitrag wird institu-tionelle Gestaltung am Beispiel der Windkraftzonierung untersucht Anhand des Praxisbeispiels des niederlaumlndischen Strukturplans fuumlr Onshore-Windkraftanlagen wird aufgezeigt inwiefern die raumlum-lich-geografische Abgrenzung von Gebieten fuumlr nachhaltige Energiegewinnung zur Entwicklung von neuen Institutionen gefuumlhrt hat und welche Pfad-Abhaumlngigkeiten dies mit sich bringt

Schluumlsselbegriffe

Raumordnung Energiewende Institutionelle Gestaltung Institutionalisierungsprozesse Niederlaumlndi-sche Windkraftpolitik Nabielek P (2021) Institutionelle Gestaltung von energieraumplanerischen Politiken Das Fallbeispiel der niederlaumlndischen Windkraftzonierung In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S73-82

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Inhalt Einleitung 75

Institutionelle Gestaltung 76

Das Fallbeispiel des niederlaumlndischen Strukturplans fuumlr Onshore-Windkraftanlagen 77

Schlussfolgerungen 81

Danksagung 81

Literatur 81

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Einleitung

Bei der Entwicklung von Planungspolitiken fuumlr den Ausbau der erneuerbaren Energiegewinnung dreht sich vieles um Institutionen Institutionen formen die Rahmenbedingungen in denen Planungspolitiken fuumlr nachhaltige Energie entworfen und umgesetzt werden koumlnnen Sie sorgen fuumlr eine normative Ori-entierungshilfe bei der Suche nach Loumlsungen fuumlr konkrete Probleme und legitimieren die strategische Ausrichtung die eine Planungspolitik einschlaumlgt Tatsaumlchlich wird die Ignoranz von institutionellen As-pekten bei groszligen politischen Themen wie dem Klimawandel und der damit zusammenhaumlngenden Energiewende im zunehmenden Maszlige ein Problem (Healey 2018) Lange hat man sich auf instrumen-telle Herausforderungen konzentriert waumlhrend die zugrundeliegenden allgemeinguumlltigen Normen und Verhaltensweisen die die Wirkungsweise von technischen Loumlsungen beeinflussen oft im Dunkeln bleiben Institutionen sind bdquosets of public norms that condition the interaction between subjectsldquo (Salet 2018 S 1) Zu diesen allgemeinen Normen gehoumlren sowohl gesetzliche als informelle Regelungen soziale Muster und Verhaltensregeln und organisatorische Einheiten die als selbstverstaumlndlich angesehen werden Fuumlr die Energieraumplanung sind Institutionen aus zwei Gruumlnden interessant Zum einem wer-den durch Institutionen viele offene Fragen geregelt die mit der Akzeptanz von Energieloumlsungen zu-sammenhaumlngen Was gibt Parteien das Recht zu handeln Welche Handlungsoptionen gibt es Welche Kontrollmechanismen gibt es Zum anderen gibt es das Problem der institutionellen Traumlgheit (Salet 2018) ndash Institutionen haben im dynamischen Kontext in der Nachhaltigkeitspolitik den fuumlrchterlichen Ruf unsere Handlungsoptionen wesentlich einzuschraumlnken ndash es sind Gewohnheiten und Weisheiten die sich in der Vergangenheit bewahrheitet haben und durchwirken bis in die Gegenwart Wenn Institutionen nicht mehr als zeitgemaumlszlig aufgefasst werden kommt der Prozess des institutionel-len Wandels ins Bild In der planungstheoretischen Literatur wird das Erhalten Veraumlndern und Neuer-schaffen von institutionellen Strukturen als ein wesentlicher Aufgabenbereich der Raumplanung gese-hen Alexander (2005) hat die Moumlglichkeiten untersucht in der Planung institutionell zu denken und zu handeln Er stellt fest bdquoinstitutions are a critical aspect of everything planners doldquo (Alexander 2005 S 210) Wenn die Raumplanung im Kontext der Energiewende das Ziel hat um einen fundamentalen Wandel zu erreichen dann muumlssen Institutionen ein wichtiger Teil des raumplanerischen Handelns sein Dies weil es nur zwei Wege gibt um Gesellschaften zu aumlndern den Menschen selbst zu veraumlndern oder Institutionen zu veraumlndern (Alexander 2005) Diese Sichtweise wird untermauert durch die Per-spektive einer sbquoengagiertenlsquo klimafreundlichen Politik die die Anfechtung von gaumlngigen Werten in Kauf nimmt (Lowndes amp Roberts 2013) Im folgenden Teil dieses Artikels wird das Konzept der institutionellen Gestaltung aufgegriffen und angewendet auf die energieraumplanerische Praxis Zu diesem Zweck wird auf die strategische Arbeit der EU zuruumlckgegriffen die in letzten 10 Jahren gezielt den Ausbau der Windkraft vorangetrieben hat Im Rahmen des europaumlischen Klima- und Energiepaket 2020 hat die Raumplanung die wichtige Rolle uumlbernommen ausreichend Standorte fuumlr die Errichtung von Groszliganlagen zu sichern In vielen Laumlndern Europas wurde dabei auf ein gaumlngiges und wirkungsstarkes Instrument zuruumlckgegriffen das Instru-ment der Zonierung Die Ausweisung von Windkraftzonen kann aus langfristiger Sicht eine Reihe von unerwuumlnschten Nebeneffekten haben (Nabielek 2020 Evers et al 2019 Cowell 2010) Anhand des Fallbeispiels der niederlaumlndischen Raumplanungspolitik fuumlr groszligmaszligstaumlbliche Windkraftanlagen geht dieser Beitrag der folgenden Frage nach Inwiefern kann die Einfuumlhrung von Windkraftzonen als ein Akt der institutionellen Gestaltung gesehen werden und welche Implikationen hat dies fuumlr die Pla-nungspraxis Das Konzept der institutionellen Gestaltung entlehne ich aus Literatur uumlber institutionelle Theorie und Planungstheorie Der Teilbereich des bdquoinstitutionellen Unternehmertumsldquo (Di Maggio 1988) ist dabei besonders relevant da dieser die prozessorientierte Seite von bdquoAgencyldquo untersucht d h die Kapazitaumlt von Akteuren um selbststaumlndig (unabhaumlngig von ihrem Umfeld) zu handeln

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Institutionelle Gestaltung

Der Begriff der institutionellen Gestaltung wird in einem Teilbereich der institutionellen Theorie auf-gearbeitet der sich mit strukturellen Veraumlnderungsprozessen und dem Einfluss von sbquoAgencylsquo beschaumlf-tigt Dieser Teilbereich hinterfragt die Denkweise dass Institutionen sich grundsaumltzlich durch sbquoschock-artige Einfluumlsse von auszligenlsquo veraumlndern (Van Doren et al 2020 Leca et al 2008) und unterstreicht den Einfluss des sozialen Handelns auf Institutionen bdquoAkteure koumlnnen steuern was institutionell ist und was nicht Institutionen brauchen Anerkennung Wartung und Innovation um zu uumlberlebenldquo (Salet 2018) Diese Denkrichtung unterstreicht die Bedeutung von Institutionen als Konstrukte des mensch-lichen Handelns und ermoumlglicht damit neue Forschungswege die Erklaumlrungen liefern fuumlr eine Art der institutionellen Innovation die sich von innen heraus entwickelt D h durch soziale Interaktion und die bewusste Entscheidung von Akteurinnen und Akteuren um bdquoanders als die gaumlngige Normldquo zu han-deln Dies muumlssen nicht unbedingt groszlige und einschneidende Gesten sein sondern auch geringfuumlgige Anpassungen oder schrittweise eingefuumlhrte strategische Handlungen koumlnnen institutionelle Transfor-mation ausloumlsen (Lowndes amp Roberts 2013) DiMaggio (1988) hat dabei das Konzept des bdquoinstitutionellen Unternehmertumsldquo eingefuumlhrt Dieses Unternehmertum besteht aus hochgradig organsierten AkteurInnen mit ausreichenden Ressourcen die aufgrund bestimmter Interessen zur Entstehung von neuen Institutionen beitragen Unternehme-risch-institutionelle Akteurinnen und Akteure verfuumlgen uumlber ausreichende Kapazitaumlten oder Befaumlhi-gungen um eigenstaumlndig denken und handeln zu koumlnnen (Van Doren et al 2020) Das Konzept des einflussreichen politischen Unternehmertums das sich uumlber Grenzen und Werte hinwegsetzt bringt allerdings auch ein klassisches wissenschaftliches Dilemma mit sich Inwiefern koumlnnen Akteure Institu-tionen bewusst transformieren wenn sie gleichzeitig und unbewusst durch bestehende Institutionen beeinflusst werden Lowndes und Roberts (2013 S 185-186) bezeichnen dies als das Paradox der in-stitutionellen Gestaltung bdquoGestaltung im Sinne von ergebnisorientierter Planung ist zum Scheitern ver-urteilt [] die Ergebnisse von bewussten Bemuumlhungen um Institutionen zu reformieren lassen oft zu wuumlnschen uumlbrigldquo (S 185) Aus der Perspektive von Lowndes und Roberts existieren bdquoalteldquo und bdquoneueldquo Institutionen nebeneinander ndash neu geschaffene Institutionen sind instabil und Innovationsprozesse schwer zu kontrollieren weil sie den Einschraumlnkungen bestehender politischer Machtverhaumlltnisse un-terworfen sind Goodin (1996) spricht sogar von dem bdquoMythosldquo des bewussten und zielgerichteten Gestaltens Aus seiner Sicht sollte der Fokus auf die indirekten Mechanismen liegen die zu institutio-neller Transformation beitragen Diese Perspektive unterstreicht dass institutionelle Innovation eben auch unbewusst und indirekt stattfinden kann d h neben unternehmerisch-institutionellen Bemuuml-hungen gibt es auch Nebeneffekte und (un)beabsichtigte Folgehandlungen von verschiedensten Akt-euren die dazu beitragen um Institutionen zu gestalten und reproduzieren (Van Doren et al 2020) Im Gegensatz zur institutionellen Theorie ist die Planungstheorie optimistischer was die bewusst her-beigefuumlhrte institutionelle Veraumlnderung betrifft Der Begriff der institutionellen Gestaltung ist eng ver-bunden mit dem Aufkommen der institutionell gerichteten und kommunikativen Planungstheorie (Healey 1997) Alexander (2005) definiert institutionelle Gestaltung als bdquodas zielgerichtete und be-wusste Erschaffen von Gesetzen Praktiken und organisatorischen Strukturen die soziales Handeln [] sowohl unterstuumltzen als auch einschraumlnkenldquo (Alexander 2005 S 213) Inspiriert unter anderem von Habermasrsquo bdquoTheorie des kommunikativen Handelnsldquo beschaumlftigten sich Planungstheoretiker zuneh-mend mit Fragestellungen die die Gestaltung des Planungsprozesses betreffen (Healey 1997 Fischer amp Forester 1993 Innes 2017 zitiert in Evers et al 2019) Es geht nicht mehr um den Abstracten Begriff des Ordnens von bdquoRaumldquo (im Sinne einer technischen Aufgabe) sondern um das (Selbst-)Regieren von bdquoOrtenldquo (Evers et al 2019) Dies hatte zur Folge dass die Gestaltung diverser Governance-Praktiken immer mehr ins Blickfeld der Forschung im Planungsbereich geruumlckt ist und damit auch die Frage der dahinterliegenden bdquoinstitutionellen Dynamikldquo (Healey 2018) Staumlrker noch institutionelle Gestaltung

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scheint aus dieser Sichtweise quasi automatisch einherzugehen mit planerischer Aktivitaumlt Innes (1995 S 40 zitiert in Alexander 2005) beispielsweise schreibt bdquoPlanning is institutional designldquo Um die institutionelle Dynamik besser zu verstehen die hinter dem Kommunikations- und Entschei-dungsprozess einer Planungspolitik steckt ist es laut Scharpf (1997) notwendig die Akteurskonstella-tionen besser zu verstehen die aufgrund von Interessen und Machtverhaumlltnissen auf die Entwicklung von Institutionen einwirken Diese Sichtweise deckt sich weitgehend mit dem durch DiMaggio einge-fuumlhrten Konzept des institutionellen Unternehmertums aber auch der Lowndes und Roberts Sicht-weise des eingeschraumlnkten Gestaltens Da die unternehmerisch-institutionellen Akteure Institutionen selten alleine veraumlndern koumlnnen muumlssen diese typischerweise Verbuumlndete mobilisieren (Leca et al 2009) d h sie entwickeln Allianzen und Kooperationen um ihre strategischen Interessen durchzu-setzen Diese Kooperationen und Allianzen oder bdquoinstitutional-agent interactionsldquo (Alexander 2005) sind das Basismaterial der institutionellen Gestaltung Die Werkzeuge von institutioneller Gestaltung sind dann die vielfaumlltigen Strategien die strategische Kooperationen und Allianzen ermoumlglichen Van Doren et al (2020) praumlsentieren auf der Basis eines Literatur-Reviews eine Palette von moumlglichen Stra-tegien diese reichen von politischer Aktion (z B Mobilisieren von Interessensgruppen) zu technischen Konsultationen (uumlber Kosten und Gewinne) und kommunikativen Strategien (z B Diskurs)

Das Fallbeispiel des niederlaumlndischen Strukturplans fuumlr Onshore-Windkraftanla-gen

Anhand dieses kurzen Einblicks in institutionellen Gestaltung aus der Sicht der Planungstheorie und institutionellen Theorie versuche ich im Folgenden zu demonstrieren welchen Wissensbeitrag diese Sichtweise im Rahmen der Evaluierung von energieraumplanerischen Instrumenten liefern kann In-nerhalb der letzten 15 Jahre wurde Windkraft in vielen Laumlndern Europas zu einer der groumlszligten infra-strukturellen Aufgabenstellungen und es entstanden neue Planungspolitiken durch welche die zuneh-menden Interessenskonflikte geschlichtet werden sollten (Szarka et al 2012) In diesen Strategien wur-den neue Arten von sbquoGrenzenlsquo und Zielwerten fuumlr die Windenergie eingefuumlhrt Abgrenzung von Gebie-ten Abgrenzung von Verantwortlichkeiten und die Festlegung quantitativer Ziele (Nabielek 2020 E-vers et al 2019) Eine bestimmte Planungsherangehensweise wird dabei als besonders effektiv erach-tet Zonierung Zonierung bietet Windkraftentwicklern die Sicherheit dass (Groszlig-)Projekte in be-stimmten Gebieten fortgesetzt werden koumlnnen gleichzeitig wird die Entwicklung in anderen Gebieten untersagt Diese Zonierungsstrategien koumlnnen sowohl Ausschluss- als auch Eignungsgebiete auswei-sen und wird daher passenderweise auch bezeichnet als negative bzw positive Zonierung (Nabielek 2020) Der juridische Status dieser Zonen kann je nach Land und Region variieren Eine Gemeinsamkeit dieser Zonierungsstrategien ist die Annahme dass es sich bei positiven Zonen um konfliktarme Gebiete handelt D h dass diese Gebiete einen sozialen Konsensus darstellen wo Windkraftanlagen akzepta-bel sind und wo nicht Hier ist es durchaus uumlblich um Standortentscheidungen ohne aktive Miteinbe-ziehung derjenigen zu treffen deren Lebensumfeld direkt davon betroffen ist Cowell (2010) zum Bei-spiel untersuchte in Wales wie technische Verfahren Zonierungsentscheidungen in der Raumplanung dominieren Er stellte fest dass die Gebietsauswahl in der Regel von unabhaumlngigen Beratern getroffen wird oft ohne Konsultation mit lokalen Interessensgruppen Es wurde als zu problematisch empfun-den um Stakeholder in den Planungsprozess miteinzubeziehen (Cowell 2010 S 224)

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Abb 1 Die 11 Windkraftzonen des SvWOL 2014 in den Niederlanden Quelle PBL 2019

Auch in den Niederlanden entscheidet man sich fuumlr die Ausweisung von Eignungszonen und verfolgt damit einen landesweit einheitlichen und positiven Zonierungsansatz Das Land ist klein und dicht be-siedelt und Zonierung schafft Klarheit Im Jahr 2014 wird der SvWOL-Strukturplan fuumlr Onshore-Wind-kraftanlagen von der niederlaumlndischen Regierung verabschiedet Im SvWOL werden landesweit elf Ge-biete ausgewiesen die fuumlr die groszligmaszligstaumlbliche Windkraftentwicklung vorgesehen sind Der Richtwert fuumlr Groszliganlagen die in diesen Gebieten errichtet werden koumlnnen ist eine installierte Leistung von mindestens 100 Megawatt (IenM amp EZ 2014) Dies entspricht einem Windpark von rund 30 modernen Windturbinen Durch die zuumlgige und kompakte Aufstellung solcher groszligen Windparks in SvWOL Zonen sollte die Umsetzung von einem Groszligteil der nationalen Windkraftziele (insgesamt 6000 Megawatt fuumlr Onshore-Anlagen) gesichert werden Fuumlr die Auswahl der SvWOL-Gebiete wurde ein eigenes Landschafts-Narrativ entwickelt das argumen-tiert warum diese Gebiete fuumlr die Errichtung von groszligen Windkraftanlagen besonders gut geeignet sind zum Beispiel wegen des weitlaumlufigen und industriellen Charakters der Landschaft oder wegen ihren geschichtlichen Bezug zu Energiegewinnung bzw chancenreichen Zukunft als bdquoEnergieland-schaftldquo Diese Landschaftsnarrativ fuumlhrt geht davon aus dass durch die Buumlndelung von Windkraft in grossen Industriegebieten wie zum Beispiel der Hafen von Rotterdam und in einige wenige landwirt-schaftliche Gebiete wichtige kulturhistorische Landschaften und Naturgebiete erhalten werden Das durch ein Expertenteam sorgfaumlltig ausgearbeitete Landschaftskonzept soll fuumlr eine breite Unterstuumlt-zung von Buumlrgerinnen und Buumlrgern sorgen die durch den SvWOL von maszliggeblichen Veraumlnderungen in ihrem Lebensumfeld betroffen sind

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Abb 2 Unternehmerisch-institutionelle Akteure und Kooperationen im Rahmen des SvWOL 2014 Quelle Nabielek 2020

Die Gebietsabgrenzungen des SvWOL sind das Ergebnis eines komplexen zweijaumlhrigen Entscheidungs-prozesses zwischen nationalen und provinzialen Behoumlrden unter der Mitwirkung von diversen uumlberre-gionalen Interessensgemeinschaften hauptsaumlchlich in Bereich von Naturschutz Windkraftentwicklung und Landschaftsschutz Die obenstehende Grafik zeigt am Beispiel der Provinz Suumldholland einen Uumlber-blick welche Kooperationsstrukturen im Planungsprozess des SvWOL stattgefunden haben Auffallend ist dass Allianzen zwischen institutionell-unternehmerischen Akteuren in der SvWOL-Arena stark auf der nationalen Steuerungsebene vertreten sind (Ministerien Beratungsagenturen und diverse Lob-byorganisationen) waumlhrend es insgesamt wenig Abstimmungsmechanismen gab mit lokalen Parteien (Buumlrger Grundbesitzer Unternehmer lokale Politik und Behoumlrden) Eine zweite Auffaumllligkeit ist die enge Zusammenarbeit zwischen Raumplanungs- und Energieplanungsbehoumlrden Der SvWOL war das erste landesweite politische Instrument die diese zwei Perspektiven vereint bisher waren nationale Raumordnungspolitik und Energiepolitik naumlmlich grundsaumltzlich getrennt (Evers et al 2019) Die strate-gische Entscheidung lokale Parteien bei Zonierungsentscheidungen nur auf ein Mindestmaszlig reduziert

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zu beteiligen hat viele Gruumlnde zum Beispiel Zeitdruck die Orientierung auf technische Entscheidungs-kriterien und die Bewahrung von politischer Neutralitaumlt in einem konfliktreichen Thema (Nabielek 2020) Die gesetzlichen Rahmenbedingungen fuumlr die Entwicklung und Planung von Groszliganlagen sorgen dafuumlr dass lokale Parteien im Konfliktfall das Nachsehen haben Durch das RCR Landeskoordinations-gesetz fuumlr Groszligprojekte unterliegen Windkraftanlagen mit einem Umfang von mehr als 100 Megawatt installierter Leistung der Entscheidungskompetenz des zustaumlndigen Ministers fuumlr Energiepolitik (Dutch Electricity Act 1998) Im Jahr 2019 fuumlnf Jahre nach der Einfuumlhrung des SvWOL zeigt sich dass trotz Landschaftsstrategie Windrafteignungszonen und weitreichende Planungskompetenzen von nationalen und provinzialen Behoumlrden die erwartete Beschleunigung in der Windkraftentwicklung vorerst nicht eingetreten ist Aus institutioneller Sicht koumlnnen wir einige wichtige Nebeneffekte feststellen die die Wirksamkeit der nie-derlaumlndischen Planungspolitik fuumlr den Windkraftausbau wesentlich beeinflusst haben Erstens faumlllt auf dass trotz Zonierung die Genehmigung von Groszligprojekten in den jeweiligen Zonen ein langwieriger und schwieriger Prozess geblieben ist Die Wirkungsweise des strategisch eingesetz-ten bdquoLandscape Narrativeldquo wiederum variiert je nach Region und Gebiet Da landschaftliche Werte (als kulturelle Institutionen) bdquoin the eye of the beholderldquo bestimmt werden bedeutet dies einen gewissen Relativismus es ist dann auch notwendig den bdquobeholderldquo in die Planung einzubeziehen (Wolsink 2017) Durch die Gestaltung des Planungsprozesses und die gesetzlichen Rahmenbedingen hatten Gemein-den insgesamt wenig Spielraum um die Planung und Umsetzung von Groszliganlagen aktiv zu beeinflus-sen Lokale Behoumlrden sind aber wichtige Vertreter von Bewohnerinnen und Bewohnern in der Naumlhe der geplanten Anlagen In einigen SvWOL-Gebieten zum Beispiel in der Provinz Drenthe hatte die Top-down-Politik des SvWOL groszlige Konsequenzen fuumlr die lokale Wahrnehmung (bdquoWir die Lokalen gegen die Regierenden in Den Haagldquo) und fuumlhrte zu einer starken Polarisierung der lokalen Bevoumllkerung ndash trotz der Tatsache dass die dort aktiven Windkraftentwickler lokale Unternehmer waren Die RCR Regelung die erst ab einer Groszliganlage von minimal 100 Megawatt installierter Leistung zum Einsatz kommt hatte wiederum groszlige Konsequenzen fuumlr den Umgang von Windkraftentwicklern mit lokalen Behoumlrden So war es Windkraftentwicklern moumlglich um durch Zusammenfuumlgen von Projekt-anfragen in Anmerkung zu kommen fuumlr das (prioritaumlre) RCR-Verfahren Hierdurch konnten Einzelpro-jekte die auf lokaler Ebene ein hohes Konfliktpotenzial hatten durch strategisches Zusammenlegen auf houmlherer Ebene doch noch durchgesetzt werden (Evers et al 2019) Im Laufe der Zeit entwickelten etliche SvWOL-Gebiete ein Eigenleben sie wurden zu Institutionen (Na-bielek 2020) Auch dies hatte Nebeneffekte denn es handelt sich um unbeabsichtigte indirekte Me-chanismen der Institutionalisierung Im guumlnstigen Fall haben sich innerhalb der festgelegten Zonen neue langfristige Kooperationsstrukturen und Projektallianzen gebildet Ein gutes Vorbild ist die SvWOL-Zone bdquoEnergieinsel Goeree-Overflakkeeldquo in der Provinz Suumldholland die es geschafft hat aus der Windkraft einen deutlichen Mehrwert fuumlr die lokale Bevoumllkerung zu kreieren Andersseits entstand durch das Instrument der Zonierung auch die langfristige Erwartungshaltung dass jene Gebiete die nicht zoniert sind auch frei von Windkraftanlagen bleiben Suumldholland hatte mit dieser Erwartungs-haltung bereits zu kaumlmpfen In dieser Provinz entstand im Zuge der Implementation des SvWOL die Notwendigkeit um zusaumltzlicher Flaumlchen fuumlr die Windkraftnutzung zu sichern Die Suche nach weiteren bdquoakzeptierten Standortenldquo erwies sich als sehr schwierig Wenn Positivzonierung als ein Instrument der institutionellen Gestaltung etabliert und gefestigt ist ist es umso schwieriger den Status der Ge-biete auszligerhalb dieser Zonen zu veraumlndern Im dynamischen Kontext der Energiewende koumlnnte Zoni-erung den Uumlbergang zu neuen und chancenreicheren Planungspraktiken wesentlich behindern

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Schlussfolgerungen

Dieser Beitrag verknuumlpft das theoretische Konzept der institutionellen Gestaltung mit dem energie-raumplanerischen Instrument der Windkraftzonierung und versucht Antworten zu finden auf die Frage Inwiefern kann die Einfuumlhrung von Windkraftzonen gesehen werden als ein Akt der institutio-nellen Gestaltung und welche Implikationen hat dies fuumlr die Planungspraxis Um diese Frage zu beant-worten wurden einige wichtige Komponenten der institutionellen Gestaltung im planungstheoreti-schen Diskurs hervorgehoben institutionelles Unternehmertum Kooperationen und Allianzen und in-stitutionelle Veraumlnderungsstrategien Das Fallbeispiel des SvWOL (Strukturplan fuumlr groszligmaszligstaumlbliche Windkraftentwicklung) zeigt Zonie-rung ist institutionelle Gestaltung Die wesentlichen Bestandteile sind (1) die Entwicklung eines Land-schafts-Narrativs um einen gemeinsamen Referenzrahmen fuumlr Energie- und Landschaftsinteressen (kommunikative Veraumlnderungsstrategie) zu schaffen (2) strategische Allianzen und Kooperationen auf nationalem Niveau wodurch die Zusammenarbeit von Raum- und Energieplanung mittlerweile selbst-verstaumlndlich geworden ist und (3) die Entstehung einer neuen institutionellen Unternehmerschaft in-nerhalb der Windkraftzone Goeree-Overflakkee Manche Institutionen wurden allerdings auch unbe-wusst erschaffen z B die Interpretationen uumlber den genauen Status von Gebieten auszligerhalb der Windkraft-Eignungsgebiete Dieser Komponente und den daraus entstandenen Pfad-Abhaumlngigkeiten sollte mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden Zusammengefasst kann gesagt werden dass die institutionelle Perspektive neue Erkenntnisse und For-schungswege im energieraumplanerischen Kontext bietet Wenn es die Mission der Forschung ist die Planungspraxis zu unterstuumltzen dann ist eine kritische Reflexion auf die institutionelle Gestaltung von energieraumplanerischen Politiken dringend noumltig Energieraumplanung als ein junger und dynami-scher Aufgabenbereich der Raumplanung schafft guumlnstige Konditionen fuumlr aktiv gestaltete Institutio-nen Aber es muss auch das Bewusstsein geschaffen werden dass Planer die Handlungsoptionen ha-ben zum institutionellen Wandel beizutragen und gleichzeitig Faumlhigkeit besitzen zu hinterfragen wel-che Strategien dabei angewendet werden sollten

Danksagung David Evers und Joost Tennekes fuumlr die Zusammenarbeit im Rahmen der PBL Publikation bdquoWind-op-land lessen en ervaringen Een reflectie op de implementatie van windenergie vanuit een ruimtelijk perspectiefrdquo (2019)

Literatur

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Elektromobilitaumlt Integration von Elektromobilitaumlt in die Verkehrspla-nung ndash welche Anpassungen unserer Werkzeuge brauchen wir

Martin Kagerbauer (1)

DOI 10347261027

(1) Dr-Ing Institut fuumlr Verkehrswesen (IfV) Karlsruher Institut fuumlr Technologie (KIT)

Abstract

Die Integration von Elektromobilitaumlt in die Verkehrsplanung und im Speziellen in Verkehrserhebungen und Verkehrsnachfragemodellierung kann mit einigen Anpassungen und der Verwendung von agen-tenbasierten Modellen gut durchgefuumlhrt werden Dabei sind die Charakteristika der NutzendenBesit-zenden von elektrisch betriebenen Fahrzeugen die Eigenschaften der Elektrofahrzeuge va hinsicht-lich Reichweite und die zusaumltzliche Beruumlcksichtigung der Ladevorgaumlnge bzw Ladeinfrastruktur zu be-ruumlcksichtigen Zur Abbildung der Ladevorgaumlnge sind Erhebungs- und Modellierungszeitraumlume notwen-dig die einen so langen Zeitraum umfassen so dass hinreichend viele Ladevorgaumlnge und somit eine Fahrleistung jenseits der Reichweiten vorhanden sind Nur so koumlnnen Variationen im Verkehrsverhal-ten und bei Ladestrategien beruumlcksichtigt werden

Schluumlsselbegriffe

Erhebung agentenbasierte Nachfragemodellierung integrierte Planung Kagerbauer M (2021) Elektromobilitaumlt Integration von Elektromobilitaumlt in die Verkehrsplanung ndash welche Anpassungen unse-rer Werkzeuge brauchen wir In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S83-98

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Inhalt Ausgangslage 85

Definition 86

Anforderungen der Elektromobilitaumlt an die Planungswerkzeuge 87

Anpassung der Planungswerkzeuge 91

Erhebung 91

Modellierung 92

Schlussfolgerung 96

Literatur 96

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Ausgangslage

Elektromobilitaumlt im Personenverkehr loumlst grundsaumltzlich nicht die Verkehrsprobleme in unseren Staumld-ten Selbst wenn Elektrofahrzeuge kleiner waumlren als konventionelle Fahrzeuge beispielsweise der Elektro-Smart oder sich das Fahrverhalten mit Elektro-Pkw hinsichtlich Beschleunigung und Brems-vorgaumlngen veraumlndert handelt es sich immer noch um einen Pkw der Platz benoumltigt und aumlhnlich wie ein konventioneller Privat-Pkw genutzt wird Durch den Elektroantrieb werden jedoch die Emissionen durch das Fahrzeug reduziert beispielsweise hinsichtlich CO2 NOx und im niedrigen Geschwindigkeits-bereich auch Laumlrm Elektro-Pkw sind somit lokal emissionsfrei Die grundsaumltzliche Umweltfreundlich-keit der Elektromobilitaumlt haumlngt jedoch maszliggeblich vom Strommix ab Im 1 Quartal des Jahres 2020 kamen 548 des Stroms in Deutschland aus erneuerbaren Energien (vgl Abb 1)

Abb 1 Nettostromerzeugung zur oumlffentlichen Stromversorgung in Deutschland im ersten Quartal 20201 Quelle Burger 2020

Uumlber die letzten Jahre ist in Deutschland der Anteil an regenerativem Strom wie Abb 2 zeigt massiv gestiegen so dass Elektromobilitaumlt zunehmend umweltfreundlicher wird

1 Die Grafik zeigt die Nettostromerzeugung aus Kraftwerken zur oumlffentlichen Stromversorgung Das ist der Strommix der

tatsaumlchlich aus der Steckdose kommt Die Erzeugung aus Kraftwerken von bdquoBetrieben im verarbeitenden Gewerbe sowie im Bergbau und in der Gewinnung von Steinen und Erdenldquo dh die industrielle Erzeugung fuumlr den Eigenverbrauch ist bei dieser Darstellung nicht beruumlcksichtigt

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Abb 2 Entwicklung der Nettostromerzeugung zur oumlffentlichen Stromversorgung in Deutschland im ersten Quartal von 2015 bis 20202 Quelle Burger 2020 Grundsaumltzlich ist Elektromobilitaumlt also eine umweltfreundlichere Art der Mobilitaumlt im Vergleich zu kon-ventionellen Fahrzeugen vor allem mit Blick auf den Betrieb der Fahrzeuge Wegen steigender Zulas-sungszahlen der Elektrofahrzeuge ist es sinnvoll diese neben den konventionellen Fahrzeugen in kuumlnf-tigen Planungsprozessen gesondert zu beruumlcksichtigen da deren Restriktionen hinsichtlich Reichwei-ten und Ladevorgaumlngen die Verkehrsnachfrage aber auch das Verkehrsangebot (Verfuumlgbarkeit und (Lade-)Infrastruktur) beeinflussen

Definition

Eine Million Elektrofahrzeuge (gemeint waren Pkw) sollten bis zum Jahr 2020 in Deutschland zugelas-sen sein Dieses Ziel wurde im Jahr 2009 von der Bundesregierung im Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilitaumlt (Die Bundesregierung 2009) festgelegt Das Ziel wurde nicht erreicht Im Jahr 2020 waren zum Stand 01012020 136617 Elektro-Pkw 102175 Plug-In-Hybrid-Pkw und 437208 weitere Hybrid-Pkw zugelassen Laut Definition in Deutschland umfasst Elektromobilitaumlt im Sinne der Bundes-regierung nicht nur reine Elektro-Pkw sondern bdquoall jene Fahrzeuge die von einem Elektromotor ange-trieben werden und ihre Energie uumlberwiegend aus dem Stromnetz beziehen also extern aufladbar sind Mit umfasst sind damit auch solche Fahrzeuge die zum Zwecke einer groumlszligeren Reichweite neben einem Elektro- auch uumlber einen Verbrennungsmotor verfuumlgen etwa Plug-In Hybridfahrzeuge (PHEV) und Elektrofahrzeuge mit sogenannten Range Extendern (REEV) Wichtig ist vor allem dass diese Fahr-zeuge extern uumlber das Stromnetz aufgeladen werden koumlnnenldquo (BMU 2017) Nach dieser Zaumlhlart sind zum 01012020 238792 Elektro-Pkw in Deutschland von insgesamt 477 Millionen Pkw also rund 05 zugelassen Diese Steigerungstendenzen an elektromobilen Pkw sind in den meisten Laumlndern der Welt festzustel-len Wie Abbildung 3 zeigt steigen die Bestandsentwicklungen der Elektroautos auch weltweit an Vor allem in China sind die Zuwaumlchse an Elektro-Pkw sehr hoch

2 Siehe Fuszlignote davor

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Abb 3 Bestandsentwicklung von Elektro-Pkw (weltweit und in ausgewaumlhlten Laumlndern in den Jahren 2012 bis 2019) Quelle Statista 2020b

Obwohl die Reichweite der Elektro-Fahrzeuge mit zunehmender technischer Entwicklung steigt ist sie immer noch eine wichtige Charakteristik fuumlr die Akzeptanz und die Nutzung der Elektromobilitaumlt Ak-tuell reicht die Spanne der Reichweite bei Elektrofahrzeugen (BEV) von ca 450 kmBatterieladung bei einem Tesla (Model X 100D) bis zu ca 110 kmBatterieladung bei einem Smart (Modell fortwo coupeacute EQ prime) (ADAC 2020) Maszliggeblich haumlngt die Reichweite von der Groumlszlige der Batterie in den Fahrzeu-gen ab Neben den hohen Anschaffungskosten sind die Restriktionen in der Reichweite und der Mangel an Ladeinfrastruktur (LIS) die Haupthemmnisse der Elektromobilitaumlt (Kagerbauer und Heilig 2013 Gnann et al 2017) So gilt es fuumlr Verkehrsplanungszwecke in der Erhebung und Prognose des Verkehrs in Verbindung mit Elektromobilitaumlt zum einen die technischen Leistungsfaumlhigkeiten der Fahrzeuge und zum anderen die Entscheidungen hinsichtlich der Ziel- und Verkehrsmittelwahl unter diesen Rahmen-bedingungen zu beruumlcksichtigten (FGSV 2018) Dann kann das Verkehrsverhalten der Menschen all-umfassend abgebildet und modelliert werden Daruumlber hinaus ist es sinnvoll die Verfuumlgbarkeit der Ladeinfrastruktur mit zu betrachten Eine Integration der Elektromobilitaumlt in die Verkehrsplanungspro-zesse ist heute und vor allem kuumlnftig notwendig um bedarfsgerechte Infrastruktur planen zu koumlnnen und Finanzmittel beim Aufbau der Ladeinfrastrukturnetze sinnvoll einzusetzen

Anforderungen der Elektromobilitaumlt an die Planungswerkzeuge Der Besitz von Elektrofahrzeugen im Privatgebrauch unterscheidet sich im Vergleich zum Besitz von konventionellen Fahrzeugen vor allem in industrialisierten Laumlndern dass die konventionellen Fahr-zeuge nahezu allen Bevoumllkerungsschichten gleichermaszligen zur Verfuumlgung stehen Gerade die soge-nannten bdquoinnovatorsldquo und bdquoearly adoptersldquo also Personen die nach der Diffusionsforschung sehr fruumlh neue Technologien annehmen sind Gruppen die sich von der Allgemeinheit unterscheiden Vor allem hinsichtlich der Soziodemografie eines houmlheren oumlkonomischen Status und deswegen auch hinsichtlich des Verkehrsverhaltens da mit zunehmendem zur Verfuumlgung stehenden Einkommen das Verkehrsauf-kommen steigt Abb 4 zeigt systematisch die Verteilung der Personengruppen

205380 422870845210

1398050

2156800

3410340

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China USA Japan Deutschland

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Abb 4 Verbrauchergruppen bei der Einfuumlhrung von neuen Technologien (blau) und Marktanteil (gelb) Quelle Rogers 2010

Wie bei vielen neuen Technologien hat sich ebenfalls beim Besitz der Elektro-Pkw herausgestellt dass eher junge Maumlnner mit gutem oumlkonomischen Status Erstanwender der Elektromobilitaumlt waren (Ploumltz et al 2017 Ploumltz et al 2013) Da die Elektromobilitaumlt noch einen geringen Anteil an den Gesamt-Pkw hat (vgl Definition) sind die Charakteristika und das Mobilitaumltsverhalten dieser Besitzenden der Elektro-Fahrzeuge auch ein wesentlicher Aspekt der in der Verkehrsplanung beruumlcksichtigt werden sollte In den Hochlaufszenarien fuumlr Elektromobilitaumlt wurden die Entwicklung z B in Form von Anzahl an Elektro-Fahrzeugen nach Jahren und die Charakteristika der Besitzenden abgeschaumltzt und beruumlck-sichtigt Im Laufe der naumlchsten Jahrzehnte sofern sich die Elektromobilitaumlt zu einem Massenmarkt entwickelt werden Besitzende uumlber alle Bevoumllkerungsschichten hinweg verteilt sein so dass diese Un-terschiede in Soziodemografie und Struktur nicht mehr so ausgepraumlgt sein werden Allerdings kann das je nach gesetzlichen Rahmenbedingungen (Foumlrderung) Verfuumlgbarkeit von verschiedenen (kostenguumlns-tigeren) Modellen und Sensibilisierung der Bevoumllkerung fuumlr umweltfreundliche Pkw-Mobilitaumlt noch et-was dauern Da uumlbliche Planungshorizonte in 10 bis 15 Jahren liegen ist es sinnvoll diese Rahmenbe-dingungen zu beruumlcksichtigen Ein weiterer Grund die Nutzergruppe der Elektromobilitaumlt gesondert zu betrachten ist dass die Betriebskosten fuumlr Elektrofahrzeuge wegen der Strompreise guumlnstiger sind im Vergleich zu konventionellen Fahrzeugen Dadurch werden E-Fahrzeuge unter Umstaumlnden auch haumlufi-ger genutzt Die Fahrleistungen der Elektrofahrzeuge koumlnnen somit tendenziell houmlher sein Dies ist aber in Relation zu den Reichweiten zu betrachten

Folge fuumlr Verkehrsplanungswerkzeuge Integration von Elektro-Pkw-Besitz und die Charakteristika der Nutzenden (z B Soziodemographie oumlkonomischer Status)

In den aktuellen Zulassungszahlen der Elektro-Pkw in Deutschland sieht man auch dass ca 60 in das Fahrzeugsegment bdquoKleinldquo (=Mini Kleinwagen Kompaktklasse) und 25 in das Fahrzeugsegment bdquoGroszligldquo (Oberklasse SUV Sport Gelaumlndewagen) fallen (Statista 2020a) Diese unterschiedlichen Fahr-zeugsegmente haben unterschiedliche Charakteristika Kleinfahrzeuge werden eher als Zweit- oder Drittwagen genutzt mit kleiner Reichweite und haumlufiger Nutzung fuumlr kurze Strecken Die Groszligfahr-zeuge haben eine groszlige Reichweite (z B Tesla- oder Porsche-Fahrzeuge mit ca 400 km) und werden eher fuumlr alle auch weite Fahrten genutzt Diese unterschiedlichen Nutzungen und Charakteristika spie-len fuumlr die Verkehrsnachfrage eine wesentliche Rolle da je nach zur Verfuumlgung stehendem Fahrzeug unterschiedliche Nutzungsmoumlglichkeiten vorhanden sind Eine Diversifizierung der Fahrzeugkatego-rien in Bezug auf Elektromobilitaumlt ist daher sinnvoll Zudem gibt es mit neuen Fahrzeugansaumltzen wie PedelecsE-Bikes neue Moumlglichkeiten Wege zuruumlckzulegen die in verschiedenen Modi wirken Auch hier spielt die Elektromobilitaumlt eine Rolle die in den Planungen zu beruumlcksichtigen ist

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Folge fuumlr Verkehrsplanungswerkzeuge Integration von Eigenschaften der Elektro-Pkw (Fahrzeugart Groumlszlige des Akkus Reichweite)

Grundsaumltzlich unterscheiden sich die Elektrofahrzeuge von konventionellen Fahrzeugen hinsichtlich der Reichweite und der Dauer der Ladevorgaumlnge Waumlhrend auszliger bei speziellen Erhebungen zu Ver-brauch und Fahrleistung (Chlond et al 2009) die Tankvorgaumlnge in der Verkehrsplanung keine groszlige Rolle spielen haben die Ladevorgaumlnge bei der Elektromobilitaumlt ein groumlszligere Bedeutung da das Laden eine groumlszligere Zeitdauer einnimmt und besser geplant werden sollte als das Tanken das innerhalb we-niger Minuten durchgefuumlhrt wird Grundsaumltzlich gibt es zwei Ladearten

bull Normalladen (AC-Laden) Ausschlieszliglich uumlber Wechselstrom in Ladeleistungsbereichen zwischen 37 kW (einphasige) uumlber 11 bzw 22 kW bis zu max 43 kW (dreiphasig)

bull Schnellladen (DC-Laden) Ausschlieszliglich uumlber Gleichstrom mit einer Ladeleistung von bis zu 170 kW

Abhaumlngig von dem Ladestand (SOC state of charge) sowie von der Spezifikation des Akkus dauert eine Ladung eines 30-kW-Akkus mit 37 kW ca 8 Stunden (h) mit 11 kW ca 15 h und mit 170 kW ca 15 bis 30 Minuten Je nach Umfeldsituation (Temperatur Streckenprofil etc) kann damit eine Strecke von ca 150 km zuruumlckgelegt werden Diese unterschiedlichen Ladeeigenschaften haben auch Auswirkun-gen auf den Einsatz der Ladungen Waumlhrend Normalladen geeignet ist fuumlr Situationen in denen das Fahrzeug sowieso steht z B zu Hause nachts oder waumlhrend der Arbeit ist das Schnellladen fuumlr kurze Zwischenstopps z B bei einer Fernreise an Autobahnen geeignet Dazwischen sind alle Variationen denkbar Im Vergleich zum konventionellen Tanken dauert das Laden laumlnger und das Angebot an LIS ist zumindest zu heutiger Zeit noch nicht so dicht so dass die Information uumlber die Existenz und Ver-fuumlgbarkeit von LIS eine groszlige Rolle spielt Mit Hilfe von IKT (Informations- und Kommunikations-Tech-nologie) stehen die Charakteristiken und Verfuumlgbarkeiten von LIS beispielsweise durch Apps und an-deren digitalen Plattformen zur Verfuumlgung Beispiele hierfuumlr sind e-stationsde chargemapcom goin-gelectricde lemnetorg u v a

Folge fuumlr Verkehrsplanungswerkzeuge Integration von Ladeinfrastruktur mit deren Eigenschaften (Kenngroumlszligen Ladedauer Verortung)

Wegen der Reichweiterestriktionen der E-Fahrzeuge kann auch veraumlndertes Verkehrsverhalten der Nutzenden eine Folge sein Falls beispielsweise aufgrund eines aktuell niedrigen SOC eines E-Pkw ei-nige Ziele nicht mehr erreicht werden koumlnnen stehen den Nutzenden verschiedenen alternative Hand-lungsweisen zur Verfuumlgung Erstens kann der Weg auf einen anderen Zeitpunkt oder Tag verschoben werden wenn die Reichweite ausreicht Zweitens kann ein anderes Ziel zur Durchfuumlhrung der Aktivitaumlt gewaumlhlt werden bei dem die Reichweite noch ausreicht oder drittens kann ein anderes Verkehrsmittel fuumlr den Weg gewaumlhlt werden Die beiden letztgenannten Faumllle koumlnnen auch eintreten sofern die Reich-weite auch bei voller Ladung nicht ausreicht Im Verkehrsnachfragemodellierungsprozess bedeutet dies einen Eingriff in die Module VerkehrsentstehungAktivitaumltenwahl Zielwahl undoder Verkehrs-mittelwahl Die Restriktionen der Elektromobilitaumlt und das veraumlnderte Verhalten koumlnnen somit Aus-wirkungen auf die Wahlentscheidungen haben

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Folge fuumlr Verkehrsplanungswerkzeuge Aktivitaumlten- Ziel- und Verkehrsmittelwahl-modelle sind hinsichtlich des Verkehrsverhaltens mit Elektromobilitaumlt anzupassen

Im Alltagsverkehr treten Ereignisse von weiten Fahrten nur selten auf Pkw werden gewoumlhnlich in Deutschland im Mittel an wenigen Tagen uumlber 100 km benutzt (im Jahr 2012 waren es 13 Tage (Streit et al 2014)) Sofern nur ein zufaumllliger Tag im Jahr beruumlcksichtigt wird fahren rund 90 der Fahrzeuge in Deutschland unter 100 km Sofern das ganze Jahr betrachtet wird fahren nur rund 10 der Fahr-zeuge in Deutschland immer unter 100 km Bei der Betrachtung einer Woche sind es 75 bei 8 Wo-chen 30 Das hat zur Folge dass bei Fernfahrten in der Regel ein laumlngerer Betrachtungszeitraum fuumlr Aussagen zu Reich- bzw Fahrtweiten notwendig ist (vgl Abb 5)

Abb 5 Verteilung der maximalen Fahrleistung pro Pkw und Tag fuumlr verschiedene Betrachtungszeitraumlume Quelle Streit et al 2014

Diese Aussage gilt aber nicht nur fuumlr Fernfahrten sondern auch fuumlr Fahrten im Alltagsverkehr da die E-Pkw in der Regel nicht jeden Tag geladen werden und deshalb die Fahrtweiten uumlber mehrere Tage addiert werden muumlssen um die Ladevorgaumlnge Lademengen und Restreichweiten realistisch abzubil-den

Folge fuumlr Verkehrsplanungswerkzeuge Fuumlr die Elektromobilitaumlt sind laumlngere Unter-suchungszeitraumlume notwendig

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Anpassung der Planungswerkzeuge

Eine Umsetzung dieser dargestellten Folgen der Elektromobilitaumlt fuumlr die Verkehrsnachfrageplanung beinhaltet die Anpassungen von Erhebungen und Modellen

Erhebung

Um geeignete Daten als Grundlage fuumlr die Modellierung zu erhalten sind die Erhebungen dahingehend anzupassen dass zuruumlckgelegte Entfernungen mit elektrisch betriebenen Fahrzeugen uumlber einen laumln-geren Zeitraum erhoben werden koumlnnen Laumlngere Zeitraumlume sind hier mindestens eine Woche wegen der Laderhythmen besser noch vier bis acht Wochen3 Optimal ist Wege mit elektrisch betriebenen Pkw zu erheben um so die Ladevorgaumlnge zu ermitteln Wegen der relativ geringen Menge an Elektro-fahrzeugen heutzutage kann die Stichprobengewinnung schwierig sein Hier koumlnnen auch Analogie-schluumlsse mit konventionellen Fahrzeugen helfen indem Fahrtweiten mit den Reichweiten in Beziehung gesetzt werden um Ladevorgaumlnge zu berechnen Voraussetzung dafuumlr ist dass die Fahrtweiten mit konventionellen Fahrzeugen analog den elektrischen Fahrzeugen angenommen werden (Chlond et al) Das Verkehrsaufkommen als Anzahl der durchgefuumlhrten Fahrten zu bestimmten Zwecken mit und ohne Elektromobilitaumlt wird in diesem Fall als gleich vorausgesetzt Hilfreich fuumlr die Modellierung ist zudem wenn zu der Aufzeichnung der Fahrtweiten mit den Fahrzeugen auch Informationen zu den Fahrenden (z B welche Person eines Haushalts faumlhrt) bekannt sind da beispielsweise eine agenten-basierte Modellierung von den Einzelpersonen (Agenten) ausgeht Die Aufzeichnungen der gefahrenen Wegestrecken mit den Fahrzeugen koumlnnen uumlber Fragebogen oder Listen geschehen oder technisch uumlber ein Tracking der Fahrzeuge beispielsweise uumlber GPSApps etc Oft sind hier zusaumltzliche Angaben z B uumlber Wegezwecke Besetzungsgrad etc sinnvoll Vor allem am Anfang stehende Neuerungen auch bei neuen Mobilitaumltsformen haben die Eigenschaft dass Menschen mit spezifischen Charakteristika diese nutzen Dabei ist es fuumlr die Modellierung des Besitzes von Elektrofahrzeugen wichtig diese Charakteristika der Nutzenden zu kennen um den Zu-sammenhang zwischen Mobilitaumltsverhalten und Nutzung von neuen Mobilitaumltsformen gut abbilden zu koumlnnen (Chlond et al 2012) Beispiele fuumlr die Charakteristika sind soziodemografische Eigenschaften (Alter Erwerbsstatus Einkommen) oder auch raumlumliche (Wohnen im Ballungsraum oder im laumlndlichen Bereich) oder mobilitaumltsbezogene Verhaltensweisen (regelmaumlszligiges Pendeln) Diese Charakteristika der Elektromobilitaumltsnutzenden koumlnnen uumlber Befragungen der Fahrzeugnutzenden erhalten werden Dies haumlngt jedoch davon ab wie weit verbreitet die Technik ist und ob ein guter Zugang zu den Elektromo-bilitaumltsnutzenden moumlglich ist Bei der Elektromobilitaumlt befindet man sich derzeit an Grenze hinsichtlich der Besitzquoten (vgl Abb 3) um Menschen mittels Revealed-Preference-Befragungen (RP-Befragun-gen)4 nach dem realisierten Verhalten zu befragen Zu Beginn der technischen Entwicklung oder auch noch im Markthochlauf koumlnnen derartige Daten zudem uumlber Befragungen der beabsichtigten Nutzung oder des Kaufs von Elektromobilitaumlt erhalten werden Dies ist vor allem auch dann sinnvoll wenn In-formationen zum kuumlnftigen Besitz von Elektromobilitaumlt fuumlr Prognosen notwendig sind (Ploumltz et al 2017) Bei konventionellen Fahrzeugen sind diese Informationen meist uumlber Statistiken oder bereits bestehende Erhebungen verfuumlgbar Bei der Elektromobilitaumlt sind dieses Daten nur sehr spaumlrlich vor-handen Im Vergleich zur bisherigen Fahrzeugnutzung mit konventionellen Pkw sind bei der Elektromobilitaumlt die Ladevorgaumlnge und die Rahmenbedingungen des Ladens ein neuer Aspekt Hier handelt es sich um

3 Das MOP (Deutsches Mobilitaumltspanel) fuumlhrt z B die Erhebung zu Fahrleistungen und Tankvorgaumlngen uumlber acht Wochen

durch 4 Revealed-Preference-Befragungen (RP-Befragungen) erheben ein bereits durchgefuumlhrtes Verhalten Es werden z B retro-

spektiv durchgefuumlhrte Wege berichtet

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den Zeitpunkt der Ladung (z B wenn der Akku leer ist wenn sich eine Lademoumlglichkeit bietet waumlhrend der Durchfuumlhrung einer bestimmten Aktivitaumlt oder nur nachts) Die Erhebung dieser Situationen oder der Praumlferenzen zur Ladung der Fahrzeuge kann zum einen durch die Erhebung der Ladevorgaumlnge von Elektrofahrzeugen selbst erfolgen Dies erfordert aber das Vorhandensein von genuumlgend Fallbeispielen in der Praxis analog zum E-Fahrzeug-Besitz Zum anderen koumlnnen diese Informationen mit Stated-Preference-Befragungen (SP-Befragungen)5 erhoben werden In diesen Befragungen werden potenzi-elle Situationen durchgespielt in welchen die Testpersonen entscheiden wann und wie lange sie la-den Fragestellungen waumlren ab welchem SOC Fahrzeuge geladen werden oder bei welchen Situatio-nen (zu Hause am Arbeitsplatz oder beim Einkaufen) Diese Daten ermoumlglichen es in Verbindung mit Eigenschaften der Elektrofahrzeuge und der Nutzenden Ladestrategien abzuleiten und in Modelle zu integrieren (Hilgert et al 2016) Elektromobilitaumlt hat durch Reichweitenrestriktion und Verfuumlgbarkeit der Fahrzeuge fuumlr bestimmte Wege Auswirkungen auf die Ziel- und Verkehrsmittelwahl Grundsaumltzlich koumlnnen die Wahlmodelle so aufgebaut sein dass sie Ziel- und Verkehrsmittel unabhaumlngig voneinander und sukzessiv modellieren Die notwendige Datengrundlage dazu stammt meist aus RP-Befragungen wie beispielsweise Reisezei-ten und die zugespielten Reisezeiten der nicht gewaumlhlten Alternativen Die Alternativen koumlnnen auch aus SP-Befragungen stammen Bei der Elektromobilitaumlt haumlngt die Wahl der Ziele und Verkehrsmittel jedoch enger zusammen als bei konventionellen Verkehrsmitteln da die Reichweiten und SOC der Fahrzeuge sowohl die moumlglichen Weglaumlngen als auch das Infragekommen des Verkehrsmittels E-Fahr-zeug beeinflussen Zum Beispiel koumlnnte eine Person einen Weg zum Einkaufen in einem 40 km ent-fernten Moumlbelhaus mit einer Restreichweite eines E-Fahrzeuges von 30 km nicht mehr mit diesem Fahrzeug zuruumlcklegen Alternativ koumlnnte die Person ein anderes Verkehrsmittel waumlhlen oder zu einem naumlher gelegenen Moumlbelhaus fahren Um diese Zusammenhaumlnge zwischen Reichweite Ladezustand sowie Ziel- und Verkehrsmittelwahl zu erheben bietet sich ein Choice-Experiment in einer SP-Befra-gung an Dabei werden den Testpersonen verschiedene Auswahlmoumlglichkeiten vorgeschlagen aus de-nen sie sich fuumlr eine Alternative entscheiden Durch die vorgeschlagenen Alternativen stehen auch die nicht gewaumlhlten Alternativen zur Verfuumlgung Diese Daten koumlnnen dann zu einer Modellschaumltzung fuumlr die kombinierte Ziel- und Verkehrsmittelwahl verwendet werden (Kagerbauer und Heilig 2013 Heilig et al 2017b)

Modellierung

Die beschriebenen Datengrundlagen aus den an Elektromobilitaumltsanforderungen angepassten Erhe-bungen erlauben es statistische Modelle zu schaumltzen die in die Verkehrsnachfragemodellierung inte-griert werden koumlnnen Die Abbildung von Ladevorgaumlngen und den Ladezustand der E-Fahrzeuge setzt voraus dass die Fahrzeuge einzeln betrachtet und deren Eigenschaften individuell veraumlndert werden koumlnnen Hier bietet sich die Umsetzung der Nachfragemodellierung in einer agentenbasierten Simula-tion an die in diesen Ausfuumlhrungen am Beispiel der am KIT-IfV entwickelten Software mobiTopp dar-gestellt wird In agentenbasierten Modellen werden Personen als Agenten die diese repraumlsentieren abgebildet Die Agenten haben Eigenschaften (zB Alter Geschlecht Erwerbsstatus) und weitere Charakteristika (z B Zeitkarte fuumlr OumlV oder Pkw-Besitz) Zur Abbildung der Elektromobilitaumlt und der Integration von Reich-weiten und Fahrzeugeigenschaften werden die Fahrzeuge ebenfalls als Agenten (Fahrzeug-Agenten) modelliert Die Fahrzeug-Agenten sind Personen bzw Haushalten zugeordnet und haben ebenfalls Ei-genschaften (Antriebsart oder Reichweite) Diese Eigenschaften werden in der Simulation der Wege hinsichtlich der Verfuumlgbarkeit fuumlr bestimmte Einsatzbereiche beruumlcksichtigt und fortgeschrieben Das

5 Stated-Preference-Befragungen (SP-Befragungen) sind Befragungen in hypothetischen Maumlrkten bzw Situationen

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bedeutet wenn mit einem Elektro-Fahrzeug eine bestimmte Strecke zuruumlckgelegt wird reduziert sich dementsprechend die Reichweite Das Verkehrsnachfrageverhalten der Personen-Agenten liegt den Bewegungen der Fahrzeug-Agenten zu Grunde Die Zuordnung der E-Fahrzeuge zu Haushalten erfolgt in mobiTopp mit Hilfe eines Logit-Modells basierend auf Erhebungs- bzw Statistikdaten zum Besitz oder kuumlnftigen Besitzquoten der Fahrzeuge bzw- E-Fahrzeuge Somit koumlnnen auch in Prognosen Wir-kungen kuumlnftiger Durchdringungsquoten mit Elektromobilitaumlt berechnet werden Abb 6 zeigt beispiel-haft das Ergebnis einer Modellierung des E-Fahrzeugbesitzes in der Region Stuttgart fuumlr das Jahr 2030 Zudem unterscheidet mobiTopp verschiedene Fahrzeugtypen derzeit werden meist drei Klassen (klein mittel und groszlig) verwendet die in den Fahrzeugeigenschaften z B hinsichtlich Batteriekapazi-taumlt und Reichweite variieren koumlnnen

Abb 6 Verteilung der E-Fahrzeuge in der Region Stuttgart 2030 Quelle Projekt eVerkehrsraum Stuttgart

Um bei den Fahrzeug-Agenten mit Elektroantrieb die gesamten Ladevorgaumlnge zu modellieren werden neben der Entladung durch Fahrleistung auch die Ladevorgaumlnge der Fahrzeuge integriert Zu diesem Zweck wird die Ladeinfrastruktur (LIS) in Form von Ladeorten mit Ladepunkten abgebildet (Gnann et al 2017) Die Ladepunkte sind die eigentlichen Lademoumlglichkeiten Es koumlnnen mehrere Ladepunkte an einem Ladeort sein Die Ladepunkte haben ebenfalls Eigenschaften wie beispielsweise die Ladeleis-tung Somit ist es moumlglich sowohl Normal-LIS als auch Schnellladeinfrastrukturen (vgl Definition) zu beruumlcksichtigen (Soylu et al 2018a) Die Ladepunkte werden entweder nach aktuellen Gegebenheiten oder kuumlnftigen Ausbauszenarien im Raum angeordnet und in das Modell integriert Sofern sich ein E-Fahrzeug-Agent in der Simulation in der Naumlhe eines Ladeortes befindet dieser nicht durch andere E-Fahrzeug-Agenten belegt ist und die Ladestrategie des E-Fahrzeugs einen Ladevorgang ermoumlglichtbe-noumltigt kann das E-Fahrzeug geladen werden Dabei wird die Ladeleistung der LIS der aktuelle SOC des Fahrzeugs und die Akkukapazitaumlt sowie die Standzeit der E-Fahrzeuge beruumlcksichtigt Durch die minu-tenfeinen Simulationsschritte in mobiTopp koumlnnen alle Ladevorgaumlnge und Ladestaumlnde der Fahrzeuge aber auch der Energiebedarf der LIS ermittelt werden

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Da die meisten taumlglichen Fahrtweiten mit konventionellen Fahrzeugen aber auch mit E-Fahrzeugen unter der Reichweite der E-Fahrzeuge liegen (vgl Abb 5) ist es analog zur Erhebung sinnvoll bzw notwendig in der Modellierung einen laumlngeren Zeitraum zu betrachten um Ladevorgaumlnge und Lade-bedarf auf mikroskopischer Basis abzubilden Nur so ist es moumlglich reale Fahrtweiten und Fahrleistun-gen mit der LIS in Bezug zu setzen da oft wegen geringer Fahrleistung uumlber mehrere Tage nicht gela-den werden muss und Ladestrategien erst uumlber einen laumlngeren Zeitraum abgebildet werden koumlnnen Da mit zunehmendem Simulationszeitraum auch die Anforderungen an Hardware Speicherplatz und Berechnungsdauer steigen ist hier ein sinnvoller Zeitraum zu waumlhlen der lang genug ist um Ladevor-gaumlnge zu erfassen und kurz genug ist um nicht zu hohe Anforderungen an die Simulationsrahmenbe-dingungen zu erzeugen Es hat sich gezeigt dass der Simulationszeitraum von einer Woche ausreicht um beiden Forderungen gerecht zu werden Fast alle E-Fahrzeuge in einer Simulation innerhalb einer Woche laden mindestens einmal und die Rechenzeiten und Speicherbedarfe sind akzeptabel Abb 7 zeigt als Beispiel den aktuellen Ladebedarf auf Grund von Ladevorgaumlngen der E-Fahrzeuge zu einem bestimmten Zeitpunkt (Montag um 828 Uhr) in der Region Stuttgart auf Verkehrszellenbasis Je groumlszliger die blauen Kreise desto houmlher ist der Energiebedarf in der Zelle

Abb 7 Lademenge je Ladeort in der Region Stuttgart Quelle Projekt eVerkehrsraum Stuttgart (Kagerbauer und Heilig 2013)

Grundlage zur Abbildung der Ladevorgaumlnge sind die modellierten Wege der Personen-Agenten E-Fahr-zeuge dienen wie andere Verkehrsmittel dazu Personen-Agenten von einer Quelle zu einem Zielort fuumlr eine Aktivitaumlt fortzubewegen (Wegezweck) Auf Basis von Aktivitaumltsbeduumlrfnissen der Personen-Agenten und der Attraktivitaumlt zur Befriedigung dieser Beduumlrfnisse am Zielort werden die Relation des Weges (von wo nach wo) und die verwendeten Verkehrsmittel bestimmt Insbesondere wenn die Reichweitenrestriktionen am Beginn der technischen Entwicklung noch groszlig sind ist in der Elektromo-bilitaumlt die Beruumlcksichtigung der Reichweiten von E-Fahrzeugen notwendig Daher ist es sinnvoll eine

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Ziel- und Verkehrsmittelwahl kombiniert durchzufuumlhren da Reichweitenrestriktionen bei einem Ver-kehrsmittel die Ziele beeinflussen koumlnnen oder Ziele die Wahl von Verkehrsmitteln (beispielsweise wird im Choice-Set der Verkehrsmittel kein E-Fahrzeug mehr ausgewaumlhlt wenn mit der aktuellen Rest-reichweite das Ziel nicht mehr erreicht werden kann) Abb 8 zeigt den Ablauf einer Schaumltzung eines kombinierten Ziel- und Verkehrsmittelwahlmodells auf Basis einer SP- und RP-Befragung (Ortuacutezar und Willumsen 2011) die im Projekt eVerkehrsraum Stuttgart durchgefuumlhrt wurde (Kagerbauer und Heilig 2013) Mit einem Nested-Logit-Modell wird eine kombinierte Ziel- und Verkehrsmittelwahl je Zielzelle und Verkehrsmittel erstellt Zuerst werden in Ebene 1 die Parameter der Nutzenfunktion der Verkehrs-mittel geschaumltzt Zur kombinierten Schaumltzung dient ein Nested-Logit-Modell in der Ebene Z Dabei sind die Verkehrsmittel jeweils ein eigenes Nest Datengrundlage kann dabei die RP- oder SP-Befragung sein Danach werden die Parameter fuumlr die Zielwahl geschaumltzt indem im Nested-Logit-Modell die Log-Summe der Nutzen aus Ebene 1 bei der Schaumltzung der Parameter der Ebene 2 beruumlcksichtigt wird In der Nutzenfunktion der Zielwahl sind die Anzahl der Gelegenheiten die Anzahl der Ladestationen die Zeit und die Entfernung der jeweiligen Zielzelle enthalten um diese in die Modelle integrieren und abbilden zu koumlnnen Im Modell (unterer Teil der Grafik) wird dann die so ermittelte Nutzenfunktion mit den geschaumltzten Parametern angewendet Somit koumlnnen bei nicht ausreichenden Restreichweiten nur relevante Entscheidungsmoumlglichkeiten beruumlcksichtigt werden so dass nur erreichbare Ziele und nutzbare Verkehrsmittel in den Wahlentscheidungen enthalten sind Es ist moumlglich bei Restreichwei-tenrestriktionen die Wahl von naumlheren Zielen oder anderen Verkehrsmitteln in einem Modellschritt zu beruumlcksichtigen

Abb 8 Beispiel fuumlr ein kombiniertes Ziel- und Verkehrsmittelwahlmodell Quelle Projekt eVerkehrsraum Stuttgart (Kager-bauer und Heilig 2013)

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Mit diesem Vorgehen koumlnnen sowohl moumlgliche Veraumlnderungen durch Elektromobilitaumlt im Verkehrs-verhalten abgebildet (Heilig et al 2017a) als auch die vorhandene oder benoumltigte Ladeinfrastruktur bewertet werden (Heilig et al 2018)

Schlussfolgerung Die Integration von Elektromobilitaumlt in die Verkehrsplanung und im Speziellen in Verkehrserhebungen und Verkehrsnachfragemodellierung kann mit einigen Anpassungen und der Verwendung von Model-len die auf Agentenebene fuumlr Personen und Fahrzeuge arbeiten gut durchgefuumlhrt werden Besonde-res Augenmerk ist auf die Abbildung der Charakteristika der Nutzenden oder Besitzenden von elektrisch betriebenen Fahrzeugen die Eigenschaften der Elektrofahrzeuge vor allem hinsichtlich Reichweite und die zusaumltzliche Beruumlcksichtigung der Ladevorgaumlnge bzw Ladeinfrastruktur zu legen Die Wechselwirkungen zwischen Ziel- und Verkehrsmittelwahl sowie Reichweiten der Fahrzeuge koumln-nen in der Verkehrsnachfragemodellierung mit kombinierten Ziel- und Verkehrsmittelwahlmodellen abgebildet werden Zur sinnvollen Abbildung der Ladevorgaumlnge sollten laumlngere Erhebungs- und Mo-dellierungszeitraumlume angesetzt werden um Variationen im Verkehrsverhalten und Ladestrategien er-fassen zu koumlnnen Diese sollten mindestens eine Woche betragen ndash besser noch laumlnger Im Vergleich zu Tankvorgaumlngen mit konventionellen Fahrzeugen die aufgrund der kurzen Dauer oft nicht oder nur mit einer kurzen Einkaufsaktivitaumlt zum Zwecke des Tankens abgebildet werden setzt das Laden voraus dass die Ladevorgaumlnge waumlhrend einer Aktivitaumlt der Personen durchgefuumlhrt werden und sonst keinen weiteren Einschraumlnkungen unterliegt so dass diese Ladevorgaumlnge nicht explizit in den Aktivitaumltenplaumlnen der Agenten hinterlegt werden muumlssen Allerdings ist es notwendig die Verfuumlg-barkeiten der Ladeinfrastrukturen mit zu betrachten Zu uumlberlegen waumlre ob bei Schnellladevorgaumlngen die je nach Ladebedarf in der Groumlszligenordnung von 5 bis ca 20 Minuten liegen eine zusaumltzliche Aktivitaumlt bdquoLadenldquo in die Aktivitaumltenplaumlne der Personen-Agenten zu integrieren ist Theoretisch ist das moumlglich allerdings ist dies vor dem Hintergrund des Aufwands der Integration und des Nutzens zu entscheiden Da diese Schnellladevorgaumlnge meist fuumlr Langstreckenfahrten noumltig waumlren kann angenommen werden dass der Ladeprozess einer kurzen Pause innerhalb einer Langstrecke entspricht und die Wirkungen auf das Verkehrsverhalten vernachlaumlssigbar sind Fuumlr eine detaillierte und (minuten-)genaue Abbildung des Energiebedarfs aufgrund von Elektromobili-taumlt ist es in der Regel notwendig genaue Modelle zu haben um Prognosen erstellen zu koumlnnen Zur Bewertung und Abschaumltzung der LIS auf einer abstrakteren Ebene ist es auch moumlglich nicht detailliert die Verkehrsnachfrage zu modellieren sondern Abschaumltzungen anhand von Mittelwerten und Vertei-lung der Fahrzeugnutzung und Quelle-Ziel-Relationen sowie der Struktur des Planungsraums durchzu-fuumlhren Moumlgliche Ansaumltze sind der Literatur zu entnehmen (Soylu et al 2018a Ploumltz et al 2016 Soylu et al 2018b)

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Ansaumltze fuumlr die Mobilitaumlts- und Energiewende im staumldtischen Guumlterver-kehr

Bert Leerkamp (1)

DOI 10347261028

(1) Prof Dr-Ing Leiter des Lehr- und Forschungsgebietes Guumlterverkehrsplanung und Transportlogistik Bergische Universitaumlt Wuppertal Fakultaumlt fuumlr Architektur und Bauingenieurwesen

Abstract

Derzeit verfolgte Buumlndelungsstrategien im staumldtischen Wirtschaftsverkehr schoumlpfen das Potenzial ei-ner gebietsbezogenen Fahrleistungseinsparung und der damit verbundenen Reduktion negativer Um-weltwirkungen nicht aus Die aktive Mitwirkung des Handels und der privaten Endverbraucher kann eine weitgehende gebietsbezogene Buumlndelung von KEP- und Stuumlckgutsendungen bewirken Das ko-operative Logistikkonzept ABC Incharge in Duumlsseldorf zeigt beispielhaft dass ein solcher Ansatz unter den derzeitigen Rahmenbedingungen wirtschaftlich tragfaumlhig sein kann Den Kommunen stehen dem-gegenuumlber nur wenige Instrumente zur Verfuumlgung um Buumlndelungskonzepte zu initiieren Von starken Markteingriffen durch die Vergabe von Gebietskonzessionen in Anlehnung an die Abfallwirtschaft wird dennoch abgeraten Die Beschleunigung der Energiewende im staumldtischen Guumlterverkehr wird damit umso dringlicher Die Kommunen sollten Niedrig- und Nullemissionszonen planen und mit angemes-sener Vorlaufzeit umsetzen um die Flottenerneuerung im Nutzfahrzeugsektor zu forcieren Ein ausrei-chendes Logistikflaumlchenangebot in den Kernstaumldten ist ein Beitrag um gebietsbezogene Buumlndelung wirtschaftlich zu ermoumlglichen und steigenden Reichweitenanforderungen der Lieferfahrzeuge zu be-gegnen Komplementaumlr dazu muss das kommunale Mittelspannungsstromnetz schnell ausgebaut werden Current Sustainable Urban Logistic Plans (SULP) focus on reorganising last mile delivery by using micro depots and cargo bikes Consolidation ist a key for successful concepts both in economic and ecologic terms Local planning authorities often focus on area-based consolidation for the inner city and densely populated urban areas while logistic service providers (LSP) focus on optimising delivery in their indi-vidual catchment area While only few governmental instruments are available to force area-based consolidation strategies cooperation between LSP and local commerce is an option to generate sub-stantial effects on reduction of distance driven emissions and retention time of light and heavy trucks in the inner city An ongoing project in Duumlsseldorf shows how the segments general cargo and parcel (CEP) can be consolidated Zero Emission Zones and comparable measures can support cooperation between the economic agents

Schluumlsselbegriffe

Letzte Meile gebietsbezogene Buumlndelung Stadtlogistik KEP Stuumlckgut Leerkamp B (2021) Ansaumltze fuumlr die Mobilitaumlts- und Energiewende im staumldtischen Guumlterverkehr In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S99-109

Leerkamp (2021) Ansaumltze fuumlr die Mobilitaumlts- und Energiewende im staumldtischen Guumlterverkehr DOI 10347261028

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Inhalt Ausgangslage 101

Herausforderungen fuumlr eine gebietsbezogene Buumlndelung 101

Ansaumltze einer gebietsbezogenen Buumlndelung im Bereich der Einzelhandels- und Endkundenversorgung 103

Beispiele fuumlr sektorale gebietsbezogene Buumlndelung (KEP-Logistik) 103

Beispiel fuumlr sektorale kooperative gebietsbezogene Buumlndelung (Stuumlckgutlogistik) 103

Beispiel fuumlr kooperative gebietsbezogene Buumlndelung (Integration von KEP- und Stuumlckgut) 104

Gebietsspediteur Ansatz fuumlr eine regulatorische Gestaltung 105

Initiierung gebietsbezogener Buumlndelungskonzepte durch die Kommunen 105

Steuerung der Energiewende im staumldtischen Lieferverkehr 107

Sicherung von Logistikflaumlchen in der Stadt als Voraussetzung fuumlr Buumlndelung 108

Literatur 109

Leerkamp (2021) Ansaumltze fuumlr die Mobilitaumlts- und Energiewende im staumldtischen Guumlterverkehr DOI 10347261028

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Ausgangslage

Der Guumlterverkehr in der Stadt findet nach zahlreichen gescheiterten Versuchen einer zielorientierten Beeinflussung durch die Raum- und Verkehrsplanung in den 1990er bis 2000er Jahren wieder starke Beachtung Zahlreiche aktuelle Forschungs- und Demonstrationsvorhaben in den D-A-CH-Laumlndern1 be-fassen sich insbesondere mit dem Straszligenguumlterverkehr auf der bdquoletzten Meileldquo Die stark zunehmen-den Kurier- Express- und Paketdienste (KEP) stehen dabei oft im Fokus Die Zunahme des Online-Han-dels waumlhrend der andauernden Corona-Pandemie hat sowohl das Paketaufkommen als auch die oumlf-fentliche Wahrnehmung und den damit verbundenen Lieferverkehr nochmals erhoumlht (vgl BIEK 2020 Handelsverband Oumlsterreich 2020 LeimstollWoumllfe 2020) Herausforderungen einer zielorientierten Gestaltung des staumldtischen Guumlterverkehrs sind aus kommu-naler Sicht Laumlrm- und Luftschadstoffemissionen Verkehrssicherheitsdefizite und Nutzungskonflikte im oumlffentlichen Straszligenraum Aus unternehmerischer Sicht stehen die Kosten und die Servicequalitaumlt der Logistikdienstleistungen im Vordergrund Der vorliegende Beitrag greift die gebietsbezogene Buumlnde-lung als zentralen Optimierungsansatz auf und diskutiert moumlgliche Loumlsungen Anschlieszligend wird kurz auf die Foumlrderung der Energiewende im staumldtischen Guumlterverkehr eingegangen

Herausforderungen fuumlr eine gebietsbezogene Buumlndelung

Kommunale Verkehrsentwicklungsplaumlne Wirtschaftsverkehrskonzepte Green City Plans Luftreinhal-teplaumlne und aumlhnliche Planwerke2 zielen darauf ab die Emissionen des Ver- und Entsorgungsverkehrs in der Stadt zu reduzieren bestehende Konflikte zwischen den Anspruumlchen an die Nutzung des oumlffent-lichen Raumes zu loumlsen und technische Innovationen fuumlr eine Verbesserung der Stadtvertraumlglichkeit Sicherheit und Effizienz der logistischen Prozesse zu nutzen Die Handlungskonzepte konzentrieren sich teilweise auf die Umstellung auf lokal emissionsfreie Antriebe im staumldtischen Lieferverkehr (Bei-trag zur sogenannten bdquoEnergiewende im Verkehrldquo3) Teilweise soll daruumlber hinausgehend eine bdquoMobi-litaumltswendeldquo erreicht werden welche durch die Einsparung von Fahrleistungen und Praumlsenzzeiten des motorisierten Lieferverkehrs in der (inneren) Stadt gekennzeichnet ist4 Dann stehen gebietsbezogene Buumlndelungsstrategien im Zentrum der Handlungsansaumltze Sie erfordern die Veraumlnderung logistischer Prozesse und damit ein aktives Mitwirken der Wirtschaftsakteure Die Herausforderung besteht darin mit den Instrumenten die im originaumlren Zustaumlndigkeitsbereich der Kommunen liegen das bdquoSystem Stadtlogistikldquo so anzuregen dass die Wirtschaftsakteure Loumlsungen finden und umsetzen welche Fahr-leistungen von Nutzfahrzeugen gebietsbezogen reduzieren und so zur Bewaumlltigung straszligenraumlumlicher Konflikte und umweltbezogener Unvertraumlglichkeiten beitragen In der Regel 0+ werden die bdquoInnen-stadtldquo oder bdquoKernstadtldquo mit ihrem Einzelhandelszentrum und den umliegenden gemischt genutzten Buumlro- und Wohngebieten sowie zum Teil die Stadtteilzentren als Planungsraumlume fuumlr die Stadtlogistik deklariert Aus kommunaler Sicht ist dies begruumlndet weil hohe Nutzungsdichten oft enge Straszligen-raumlume ein hoher Parkdruck und hohe Gestaltungsanspruumlche an den oumlffentlichen Raum Konflikte aus-loumlsen sodass Nutzungsbeschraumlnkungen grundsaumltzlich mit den Regelungen des Verkehrs- und Umwelt-rechts gerechtfertigt werden koumlnnen Dazu zaumlhlen u a zeitliche Beschraumlnkungen der Zufahrt zu Ge-

1 D-A-CH-Laumlnder Deutschland Oumlsterreich und Schweiz 2 Fuumlr eine aktuelle Zusammenstellung und Beispiele siehe Aichinger et al 2020 3 Ein aktuelles Beispiel ist das Elektromobilitaumltskonzept fuumlr die Stadt Wuppertal (Kirsch et al 2019) 4 Aktuelle Beispiele sind das bdquoGuumlterverkehrskonzept fuumlr den Kanton Basel-Stadtldquo (Holthaus et al 2016) sowie das zzt noch

in Bearbeitung befindliche bdquoGuumlterkehrs- und Logistikkonzept fuumlr die Stadt Zuumlrichldquo (Leerkamp et al 2020)

Leerkamp (2021) Ansaumltze fuumlr die Mobilitaumlts- und Energiewende im staumldtischen Guumlterverkehr DOI 10347261028

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schaumlften in Fuszliggaumlngerzonen (Lieferzeitfenster) Beschraumlnkungen des zulaumlssigen Gesamtgewichtes o-der Emissionsbeschraumlnkungen5 Folgerichtig zielen Stadtlogistikkonzepte auf eine gebietsbezogene Buumlndelung von Guumlterstroumlmen zwecks Reduzierung von Fahrzeugstroumlmen ab Die Tourenplanung der Logistikdienstleister ist demgegenuumlber auf den durch die Depotstandorte defi-nierten Distributionsraum und hier auf eine Optimierung der Fahrzeugeinsatzzeiten und der Fahrleis-tungen unter Einhaltung vielfaumlltiger Restriktionen und logistischer Serviceanforderungen bei geringst-moumlglichen Kosten ausgerichtet Zu den Restriktionen gehoumlren u a Lieferzeitfenster in Fuszliggaumlngerbe-reichen die es erfordern mit mehreren Fahrzeugen gleichzeitig in das Zustellgebiet hineinzufahren um alle Ziele innerhalb des vorgegebenen Zeitfensters zu erreichen Anschlieszligend wird die Ausliefe-rung in nicht zufahrtbeschraumlnkten Bereichen fortgesetzt Im Ergebnis ist die Tourenplanung zwar res-sourceneffizient aber nutzt die auf die Innenstadt bezogenen Buumlndelungspotenziale nicht aus und er-zeugt dort bdquounnoumltigen Verkehrldquo Terminsendungen mit festem Zustellzeitpunkt Stoumlrungen des Ver-kehrsablaufes auf dem Weg in das Zustellgebiet Innenstadt fehlende Abstellmoumlglichkeiten fuumlr die Lie-ferfahrzeuge im Straszligenraum und ein hoher Anteil persoumlnlicher Zustellungen (verbunden mit Fehlver-suchen und Mehrfachanfahrten) reduzieren die Effizienz des Fahrzeug- und Personaleinsatzes Sie sind komplementaumlre Ausgangspunkte fuumlr umfassende Loumlsungsansaumltze ersetzen aber nicht die Strategie der gebietsbezogenen Buumlndelung Als kontraproduktiv erweist sich in diesem Zusammenhang die Veraumlnderung der logistischen Standort-strukturen fuumlr die Versorgung der Staumldte Unter dem Begriff bdquoLogistics Sprawlldquo (siehe FaumlmigHesse 2011) werden Tendenzen zur Verlagerung von Logistikknoten aus der inneren Stadt in den aumluszligeren Bereich der Verdichtungsraumlume subsummiert Tedesco (Tedesco 2020) analysiert fuumlr den Groszligraum Zuumlrich dass insbesondere Lagerstandorte zwischen 1995 und 2012 dieser Verlagerungstendenz unter-lagen Aktuell kann in einigen Groszligstaumldten beobachtet werden dass Wohnbauflaumlchen fehlen um den Zuzug in die Staumldte aufzufangen Hinzu kommt die Flaumlchenkonkurrenz durch das Buumlrogewerbe sodass es zu einer neuen Herausforderung der Stadtentwicklung wird die fuumlr die Versorgung der Stadt benouml-tigten Umschlag- und Lagerflaumlchen in der bdquoinnerenldquo Stadt planungsrechtlich zu sichern und eine zweck-entsprechende Nutzung zu gewaumlhrleisten Das ist eine wesentliche Voraussetzung fuumlr die Buumlndelung von Guumlterstroumlmen zur Auslieferung auf der bdquoletzten Meileldquo und damit verbundene Kooperationen zwi-schen den an der Lieferkette beteiligten Logistikern Wird diese letzte Meile laumlnger

bull so sinkt der wirtschaftliche Nutzen des zusaumltzlichen Umschlags weil Kooperation dann sinnvoll ist wenn spezialisierte Dienstleister im Auslieferungsverkehr mittels besonders geeigneter Fahrzeuge und Fachpersonal mit guter Ortskenntnis effizienter arbeiten koumln-nen und

bull diese Fahrzeuge bei laumlnger werdenden Fahrtstrecken zwischen Umschlagpunkt und City nicht allein fuumlr den Zustellprozess optimiert werden koumlnnen (dies gilt insbesondere fuumlr den Lastenradeinsatz)

Der Einzelhandel in den Innenstaumldten muss zudem im Wettbewerb mit dem Online-Handel neuen Ser-viceanforderungen seiner Kunden gerecht werden Dazu gehoumlrt insbesondere eine sehr hohe Verfuumlg-barkeit eines sehr breiten Warenangebotes und eine sehr kurzfristige Bereitstellung der nachgefragten Waren im Ladengeschaumlft oder beim Kunden zuhause Im Wareneingang des Einzelhandels nehmen daher die Anzahl der Sendungen und der unterschiedlichen Zusteller zu waumlhrend die Sendungsgroumlszligen 5 In Deutschland ist dies die sog bdquoUmweltzoneldquo die die zulaumlssigen Schadstoffemissionen von Fahrzeugen in abgrenzbaren

Gebieten regelt und derzeit vier Schadstoffklassen unterscheidet (bdquokeineldquo rot gelb gruumln) Eine Verschaumlrfung der Emissi-onsgrenzen wird in Deutschland diskutiert (bdquoblaue Plaketteldquo) um die kuumlnftige Wirksamkeit von Umweltzonen angesichts fortschreitender Antriebstechnik zu gewaumlhrleisten

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sinken Durch Lieferzeitfenster beschraumlnkte Warenannahmezeiten werden als Wettbewerbsnachteil betrachtet waumlhrend gleichzeitig die Zustellung vor der Ladenoumlffnung meist abgelehnt wird In der Folge steigen die Zustellfrequenz und der Logistikaufwand beim Einzelhandel (Annahme Kontrolle Auspacken Regalpflege Ruumlckfuumlhrung von Verpackung) also Aufgaben die parallel zur Kundenbera-tung bewaumlltigt werden muumlssen Gebietsbezogene bzw auf ein Ladengeschaumlft bezogene Buumlndelungs-ansaumltze erfordern daher eine Mitwirkung des Handels dessen zentrale Moumlglichkeit zur Einflussnahme die Bestimmung des Lieferziels ist

Ansaumltze einer gebietsbezogenen Buumlndelung im Bereich der Einzelhandels- und Endkundenversorgung

Die aktuell diskutierten und teilweise erprobten gebietsbezogenen Buumlndelungsansaumltze koumlnnen durch zwei Merkmale unterschieden werden

bull Beteiligte Logistiksektoren Wird im Konsumgutbereich nur die Stuumlckgutlogistik oder nur die Paket-Logistik betrachtet oder werden beide Logistiksektoren in der Buumlndelungsstra-tegie zusammengefuumlhrt

bull Kooperation Findet die gebietsbezogene Buumlndelung unternehmensintern statt oder gibt es eine Kooperation von Unternehmen

Beispiele fuumlr sektorale gebietsbezogene Buumlndelung (KEP-Logistik)

Gebietsbezogene Buumlndelungskonzepte im Sektor bdquoKEP-Logistikldquo werden derzeit nur als unternehmens-interne Loumlsungen umgesetzt Ein weithin bekanntes Beispiel ist der Einsatz von mobilen Umschlag-punkten in Form von Wechselbruumlcken am Rande eines Innenstadtgebietes in Hamburg durch die Firma UPS (vgl Beecken 2017) Aus dem am fruumlhen Morgen abgestellten Wechselbehaumllter der fuumlr die In-nenstadt vorkommissionierte Sendungen beinhaltet werden die Pakete im Tagesverlauf zu Fuszlig oder mit dem Lastenrad zugestellt Das Berliner Stadtlogistik-Projekt Komodo6 ist ebenfalls den sektoralen Loumlsungsansaumltzen ohne Kooperation zuzuordnen da die beteiligten KEP-Dienstleister auf einer von der Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft mbH (BEHALA) bereitgestellten Umschlagflaumlche nebenei-nander agieren jedoch weder in der Nutzung ihrer Umschlagflaumlchen noch in der Zustellung kooperie-ren Mit dem Lastenradeinsatz und der Zustellung zu Fuszlig wird eine ganztaumlgige Zustellung in Fuszliggaumlngerbe-reichen moumlglich Lastenraumlder erhalten gegebenenfalls Ausnahmegenehmigungen fuumlr die ansonsten auch fuumlr den Radverkehr gesperrten Bereiche Im Hinblick auf die Logistikkosten stehen dem zusaumltzli-chen Umschlag und der Beschaffung von Lastenraumldern Einsparungen im Betrieb von motorisierten Zu-stellfahrzeugen sowie die Moumlglichkeit des Einsatzes von Zustellpersonal ohne Berufskraftfahrerquali-fikation gegenuumlber

Beispiel fuumlr sektorale kooperative gebietsbezogene Buumlndelung (Stuumlckgutlogistik)

Kooperative Buumlndelungsstrategien im Logistiksektor bdquoStuumlckgutlogistikldquo wurden u a in Basel beobach-tet (Holthaus et al 2016) Durch die teilweise schwierige Erreichbarkeit baulich enger Altstadtquar-tiere und das resultierende Erfordernis sehr guter Ortskenntnis spezialisierter Fahrzeuge und geeig-neter Speditionsstandorte haben sich dort vier Logistiker herausgebildet welche die Innenstadt taumlglich mit Stuumlckguumltern versorgen Sie uumlbernehmen auf der bdquoletzten Meileldquo die Transportauftraumlge von Logis-tikern die nicht regelmaumlszligig Ziele in der Innenstadt ansteuern

6 Komodo bdquoKooperative Nutzung von Mikro-Depots durch die Kurier- Express- Paket-Branche fuumlr den nachhaltigen Einsatz

von Lastenraumldern in Berlinldquo (wwwkomodoberlin)

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Beispiel fuumlr kooperative gebietsbezogene Buumlndelung (Integration von KEP- und Stuumlckgut)

Eine rein unternehmerisch initiierte gebietsbezogene Buumlndelung die Stuumlckgut und KEP-Sendungen integriert wird aktuell in Duumlsseldorf betrieben Dort kooperieren rund 150 Einzelhandelsbetriebe und Buumlrostandorte in der Kernstadt (bdquoEmpfaumlngerldquo) mit dem Logistiker ABC-Logistik in dem Projekt ABC Incharge Die Empfaumlnger geben als Lieferadresse das Umschlaglager von ABC im nahe gelegenen Rheinhafen an Dort werden die von Stuumlckgut- und KEP-Logistikern angelieferten Sendungen fuumlr die teilnehmenden Einzelhandelsbetriebe und Buumlrostandorte neu kommissioniert Im Ergebnis wird jeder Empfaumlnger durch ein Fahrzeug von ABC Incharge gebuumlndelt angefahren anstatt durch mehrere unter-schiedliche Anlieferer (vgl Abb 1) Seit 2019 wird im Rahmen eines durch Mittel des Nationalen Rad-verkehrsplans (Foumlrdergeber deutsches Bundesministerium fuumlr Verkehr und digitale Infrastruktur BMVI) gefoumlrderten Vorhabens der Einsatz von Lastenraumldern getestet7 Neben der Reduzierung des Auf-wandes fuumlr die Warenannahme Eingangskontrolle etc koumlnnen die teilnehmenden Empfaumlnger zusaumltz-liche logistische Dienstleistungen im Bereich Warehousing in Anspruch nehmen und ihren Online-Han-del uumlber das ABC Incharge Lager abwickeln Sie tragen im Gegenzug die Kosten der gebuumlndelten Zu-stellung zu ihrem Ladengeschaumlft und gegebenenfalls fuumlr weitere logistische Dienstleistungen Online beim stationaumlren Haumlndler oder im Laden gekaufte Produkte werden am ABC Incharge Lager fuumlr den Kundenversand vorbereitet und zugestellt sodass der Transport in das Ladengeschaumlft und die Zustel-lung ab Ladengeschaumlft zum Kunden entfaumlllt Dadurch werden zusaumltzliche Fahrten in die bzw aus der Innenstadt eingespart und die Sendungen erreichen die Kunden schneller Neben der Buumlndelung von Sendungen an den Handel bedient das Incharge-Konzept mit demselben Prinzip auch die Paketzustel-lung zu privaten Endkunden die sich ihre Sendungen an ihren Arbeitsplatz schicken lassen moumlchten Kooperationspartner des Logistikers ist in diesem Falle der Arbeitgeber der seinen Beschaumlftigten die Zustellung privater Sendungen an die Arbeitsstelle ermoumlglicht

Abb 1 Prinzip-skizze der ge-bietsbezogenen Buumlndelung durch Kooperation zwi-schen Empfaumlnger und Logistiker Quelle Eigene Darstellung

7 Projekt LOOP bdquoLogistische Optimierung der Einzelhandelsbelieferungldquo Kooperationsvorhaben der Fa ABC Logistik und der

Bergischen Universitaumlt Wuppertal (laufend)

Leerkamp (2021) Ansaumltze fuumlr die Mobilitaumlts- und Energiewende im staumldtischen Guumlterverkehr DOI 10347261028

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Gebietsspediteur Ansatz fuumlr eine regulatorische Gestaltung

Das vielfach diskutierte aber nach Kenntnis des Autors bislang in der Stadtlogistik nicht erfolgreich umgesetzte Konzessionsmodell lehnt sich an die Regulierung der kommunalen Entsorgungswirtschaft an Ein oder mehrere Konzessionsnehmer erhalten das ausschlieszligliche Recht eine bestimmte logisti-sche Dienstleistung (hier Entsorgung von Hausabfaumlllen) in einem Gebiet zu erbringen Der Konzessi-onsgeber (Stadt) regelt stellvertretend fuumlr die Nutznieszliger (Haushalte) mit dem Leistungserbringer (Ab-fallwirtschaftsbetrieb) die zu erbringende Leistung (u a Haumlufigkeit der Leerung der Muumllltonnen) und den Preis Grundlage der Konzessionsvergabe kann eine Ausschreibung der Leistungen sein Die Uumlbertragung dieses Modells auf die Versorgung des Handels und der privaten Endverbraucher er-scheint auf den ersten Blick erfolgversprechend da aus dem Logistikmarkt heraus derzeit kaum wirk-same gebietsbezogene Buumlndelungskonzepte fuumlr Innenstaumldte entstehen Rechtlich erscheint das Mo-dell moumlglich wenngleich es einen erheblichen Eingriff in den Logistikmarkt darstellt Die Geschaumlftsmo-delle neuer technologischer Konzepte fuumlr die Versorgung der Staumldte mittels unterirdischer Foumlrdersys-teme8 implizieren offenbar ein derartiges ausschlieszligliches Recht der Versorgung von Innenstaumldten Die Erstellungs- Betriebs- und Unterhaltungskosten einer vollstaumlndig neu zu errichtenden unterirdischen Verteilinfrastruktur koumlnnten im Wettbewerb mit Logistiksystemen die auf eine weitgehend kosten-freie oberirdische Verkehrsinfrastruktur in den Staumldten zugreifen koumlnnen vermutlich nur schwer er-wirtschaftet werden Problematisch ist u a die mit dem Konzessionsmodell einhergehende vertragliche Festlegung der lo-gistischen Dienstleistung und die Kontrolle der Leistungserbringung durch den Konzessionsgeber Stadt Individuelle Loumlsungen die sich im Markt etabliert und bewaumlhrt haben wuumlrden durch generali-sierte Leistungen abgeloumlst und die Stadtverwaltung muumlsste die Aufgabe der Leistungskontrolle und gegebenenfalls Sanktionierung ausuumlben Dafuumlr fehlt den Kommunen zurzeit jede fachliche Grundlage Technische und organisatorische Innovationen die derzeit im Wettbewerb entwickelt und erprobt werden wuumlrden vermutlich in einem Konzessionsmodell unterbleiben

Initiierung gebietsbezogener Buumlndelungskonzepte durch die Kommunen Die Kommunen haben wie oben bereits erwaumlhnt nur ein sehr eingeschraumlnktes Repertoire regulatori-scher und infrastruktureller Instrumente um eine gebietsbezogene Buumlndelung von Warenstroumlmen an-zuregen Der direkte Eingriff in den Markt mittels Konzessionsvergabe erscheint zwar vordergruumlndig reizvoll ist jedoch nicht zu empfehlen Die Bereitstellung von kleinen Umschlag- und Lagerflaumlchen (Mikro-Depots) in hochverdichteten Innen-stadtlagen seitens der Stadt ist ein wichtiger Impuls fuumlr eine gebietsbezogene Buumlndelung in der KEP-Logistik Folgerichtig sind Investitionskosten fuumlr kooperativ genutzte Mikro-Depots Gegenstand oumlffent-licher Foumlrderprogramme geworden9 Um die weithin bestehende Flaumlchenknappheit in geeigneten La-gen10 zu uumlberwinden wird von Aichinger et al (2020) vorgeschlagen kleine Logistikflaumlchen fuumlr die In-nenstadtversorgung bauplanungsrechtlich als bdquoGemeinbedarfsflaumlche fuumlr Logistikldquo auszuweisen und dadurch dem Wettbewerb mit anderen Nutzungen zu entziehen Es fehlen aber noch Konzepte und Erfahrungen wie derartige Umschlagpunkte diskriminierungsfrei nutzbar gemacht werden koumlnnen Hier kommen Betreibermodelle mit wettbewerblicher Vergabe in Betracht

8 Z B Cargo sous terrain (Schweiz) oder Cargo Cab (Deutschland) 9 Vgl Foumlrderrichtlinie Staumldtische Logistik des deutschen BMVI vom 05072019 10 Siehe Nitsch L (2020) Flaumlchenanforderungen alternativer Zustellkonzepte fuumlr Pakete in Wohn- und Mischgebieten Ba-

chelor-Thesis am Lehrstuhl fuumlr Guumlterverkehrsplanung und Transportlogistik der Bergischen Universitaumlt Wuppertal Wupper-tal

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Das Buumlndelungspotenzial in der innerstaumldtischen Paketlogistik kann mit derartigen Infrastrukturanrei-zen jedoch nicht vollstaumlndig ausgeschoumlpft werden weil horizontale Kooperationen von der KEP-Lo-gistikbranche regelmaumlszligig abgelehnt werden Mehr als ein bdquoNebeneinanderldquo gleichartiger logistischer Prozesse uumlber den Knoten Mikro-Depot kann so kaum initiiert werden (siehe Beispiel Komodo in Ber-lin) In der Stuumlckgutlogistik ist Kooperation dagegen eine etablierte Handlungsstrategie Durch ambitio-nierte Grenzwerte fuumlr Luftschadstoffe und Laumlrm in sensiblen Kernstadtbereichen kann der Einsatz spe-zialisierter Fahrzeuge im Verteilverkehr (mit batterieelektrischem oder Hybridantrieb sowie besonde-rer Laumlrmminderung bei Antrieb Reifen und Ladeeinrichtungen) wirtschaftlich sinnvoll werden und die Energiewende im Nutzfahrzeugverkehr gefoumlrdert werden Als Nebeneffekt ist eine Zunahme der emp-faumlngerbezogenen Buumlndelung zu erwarten Einzelne Spediteure werden sich auf die Innenstadtbeliefe-rung spezialisieren und die entsprechenden Fahrzeuge vorhalten sodass sich am Markt Gebietsspedi-teure ausbilden ohne dass ein Eingriff seitens der Kommunen erforderlich waumlre Nahezu ausgeschoumlpft werden koumlnnen die gebietsbezogenen Buumlndelungspotenziale wenn die privaten und gewerblichen Empfaumlnger von KEP- und Stuumlckgutsendungen an der Reorganisation der staumldtischen Versorgung aktiv mitwirken Das erwaumlhnte Beispiel aus Duumlsseldorf zeigt dass derartige Loumlsungen heute bereits am Markt etabliert werden koumlnnen Im Rahmen einer transformativ ausgerichteten For-schung sollten die erforderlichen Rahmenbedingungen weiter erkundet werden um das derzeit noch wesentliche Hemmnis fuumlr eine aktive Beteiligung des Handels ndash die heute uumlbliche bdquoFrei-Haus-Zustel-lungldquo ndash auszuraumlumen11 Die fehlende Kostentransparenz ist auch ein wesentliches Hemmnis fuumlr die aktive Mitwirkung privater Endverbraucher an der gebietsbezogenen Sendungsbuumlndelung Die Kosten der Zustellung an die Haus-tuumlr werden bei Online-Geschaumlften entweder nicht ausgewiesen oder sind unabhaumlngig vom Zustellort (Haustuumlr oder PaketshopPaketstation) Auszligerdem fehlt den Konsumenten meist die Moumlglichkeit durch die Auswahl eines KEP-Logistikers bei der Bestellung auf die Buumlndelung einzuwirken Die Kommunen haben keine direkte Einwirkungsmoumlglichkeit auf diese Preisgestaltung Sie koumlnnen mit Pull-Maszlignahmen steuern indem sie in den Wohngebieten und Geschaumlftszentren an gut zugaumlnglichen und stark frequentierten Punkten (u a OumlPNV-Knoten) den Bau von Paketstationen ermoumlglichen so-dass es fuumlr die Empfaumlnger bequemer wird ihre Sendungen dort abzuholen als zu riskieren zuhause nicht angetroffen zu werden Komplementaumlr weisen einige europaumlische Staumldte in ihren Innenstadtla-gen groumlszligere autoverkehrsfreie Bereiche aus in die der Lieferverkehr gegebenenfalls nur zeitlich be-grenzt einfahren darf Dadurch wird ebenfalls die Buumlndelung auf zentrale Zustellpunkte wie Mikro-Depots oder PaketshopsPaketstationen gefoumlrdert

11 Im Rahmen des o g NRVP-Vorhabens LOOP wird derzeit untersucht ob und ggf wie das Duumlsseldorfer Kooperationsmodell

von ABC Incharge auf Wuppertal uumlbertragen werden koumlnnte

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Steuerung der Energiewende im staumldtischen Lieferverkehr

Wenn die Einsparung von Verkehrsleistungen im staumldtischen Lieferverkehr weiterhin unter ihren the-oretischen Moumlglichkeiten bleibt weil die Potenziale einer gebietsbezogenen Sendungsbuumlndelung nicht ausgeschoumlpft werden (koumlnnen) dann erfaumlhrt die Energiewende eine entsprechend houmlhere Dringlich-keit Die Umstellung des Lieferverkehrs auf lokal emissionsfreie Fahrzeuge kommt aus Sicht des Autors allerdings langsamer voran als es moumlglich und geboten waumlre Die Ausweisung von kommunalen Niedrig- und Nullemissionszonen mit ausreichendem zeitlichen Vor-lauf (vgl Aichinger et al 2020) wuumlrde den im Lieferverkehr taumltigen Unternehmen Planungssicherheit fuumlr die Fahrzeugbeschaffung geben und die Fahrzeughersteller koumlnnten eine entsprechende Fahr-zeugnachfrage erwarten Als Hemmnis fuumlr ein solches Vorgehen wirkt in Deutschland die fehlende Rechtssicherheit Vorreiter-Kommunen die derartige Zonenkonzepte einfuumlhren wollten muumlssten der-zeit individuelle Loumlsungen fuumlr die Identifizierung und Kontrolle der einfahrtberechtigten Fahrzeuge er-arbeiten (bdquolokale blaue Plaketteldquo) Wesentlich sinnvoller waumlre eine Fortschreibung des bestehenden bundesgesetzlichen Rahmens der Umweltzonenregelung die ihre Lenkungswirkung verloren hat weil die aktuelle Fahrzeugflotte die Anforderungen fuumlr die sogenannte bdquogruumlne Plaketteldquo fast vollstaumlndig erfuumlllt In den Niederlanden hat die Staatsregierung einen solchen Rechtsrahmen inklusive der Beschil-derung zwischenzeitlich geschaffen (vgl Langenberg 2019) Eine Auswertung des Datensatzes der Erhebung bdquoKraftfahrzeugverkehr in Deutschland 2010ldquo (Wer-muth et al 2012) zeigt dass schon heute die meisten Touren im staumldtischen und regionalen Sammel- und Verteilverkehr durch batterieelektrisch betriebene Fahrzeuge bewaumlltigt werden koumlnnen In Abbil-dung 2 sind Tourlaumlngenverteilungen fuumlr die relevanten Fahrzeugsegmente dargestellt Rund 80 der Touren leichter Nutzfahrzeuge (LNF bis 35 t zulaumlssige Gesamtmasse) erfordern Reichweiten von max 120 km Schwere Nutzfahrzeuge (SNF) mit einer zulaumlssigen Gesamtmasse (zulGM) von 75 t bis 18 t werden auf Touren eingesetzt die zu 80 Reichweiten von bis zu rund 240-280 km erfordern12 Eine Gegenuumlberstellung der batterieelektrischen Reichweiten beispielhafter Nutzfahrzeuge (vgl Aichinger 2020 S 77) zeigt dass schon heute Fahrzeuge am Markt angeboten werden die uumlber maxi-male Reichweiten verfuumlgen um diese Anforderungen zu erfuumlllen Insbesondere die Nutzfahrzeugflotte der Klasse mit 35 t bis 75 t zulGM die in Deutschland ein mittleres Alter von 95 Jahren13 aufweist verspricht hohe Emissionsreduktionen durch den Wechsel auf batterieelektrisch betriebene Fahr-zeuge

12 Die daruumlberhinausgehenden Tourlaumlngen des Fahrzeugsegmentes bis 12 t zulGM sind wahrscheinlich mit der zum Erhe-

bungszeitpunkt guumlltigen Untergrenze des zulaumlssigen Gesamtgewichtes fuumlr die Mautpflicht im deutschen Autobahnnetz zu begruumlnden Dadurch wurden voruumlbergehend zahlreiche Nutzfahrzeuge mit 1199 t zulGM im Fernverkehr eingesetzt und erreichten entsprechend hohe Fahrtweiten

13 Eigene Berechnung auf Grundlage von KBA 2020

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Abb 2 Tourlaumlngenverteilung der relevanten Fahrzeugsegmente im Verteil- und Sammelverkehr (auszliger KEP-Fahrten) Daten-grundlage KiD 2010 eigene Auswertung Die kommunale Flaumlchennutzungsplanung und die Regionalplanung sollten trotz weiterhin erwartbarer Steigerungen der Leistungsfaumlhigkeit und der Reichweiten batterieelektrischer Antriebe darauf hinwir-ken dass Logistikflaumlchen fuumlr die Versorgung der Kernstaumldte nicht aus der Stadt verdraumlngt und dadurch die Fahrtweiten im Lieferverkehr weiter erhoumlht werden (siehe unten) Damit kann ein Beitrag dazu geleistet werden dass die technischen Anforderungen an die Elektrifizierung des staumldtischen Guumlter-verkehrs nicht weiter steigen Komplementaumlr muumlssen Gewerbegebiete an das Mittelspannungsnetz angeschlossen werden um die kuumlnftig steigende elektrische Leistungsaufnahme bei Ladevorgaumlngen zu bewaumlltigen Das von der Fahrzeugindustrie gegenuumlber Batteriewechselsystemen bevorzugte Schnell-laden stellt eine Herausforderung fuumlr die Netzsicherheit der kommunalen Verteilnetze dar

Sicherung von Logistikflaumlchen in der Stadt als Voraussetzung fuumlr Buumlndelung Logistiknutzungen sind im Wettbewerb um innerstaumldtische Grundstuumlcke gegenuumlber Wohnen und Buuml-ronutzungen in der Regel unterlegen weil sie nicht erwuumlnscht sind durch das oumlrtliche Baurecht aus-geschlossen werden oder weil sie die Grunderwerbskosten nicht wirtschaftlich tragen koumlnnen bdquoZur Versorgung der Stadt notwendigeldquo Logistikflaumlchen benoumltigen daher unter Umstaumlnden eine baurechtli-che Sicherung im Rahmen der Bauleitplanung Aichinger et al (2020) schlagen fuumlr das deutsche Bau-recht die Einfuumlhrung einer Gebietskategorie bdquoGemeinbedarfsflaumlche Logistikldquo vor Die schweizerische Staumldtekonferenz Mobilitaumlt empfiehlt eine obligatorische Logistikplanung fuumlr die Quartiersebene (Staumld-tekonferenz Mobilitaumlt 2019) Fuumlr die Nutzung als Mikro-Depot in der innerstaumldtischen Paketlogistik liegen Layout-Entwuumlrfe von kleinen Umschlagflaumlchen vor die die wesentlichen funktionalen und bau-lichen Merkmale detailliert beschreiben (IHK 2019) Beispiele fuumlr die Nutzung oumlffentlicher oder priva-ter aber oumlffentlich zugaumlnglicher Flaumlchen im Rahmen der innerstaumldtischen Logistik sind mittlerweile zahlreich vorhanden In Wien wird z B die temporaumlre Nutzung von Betriebsflaumlchen des oumlffentlichen Nahverkehrs erprobt um den Umschlag auf Lastenraumlder zu ermoumlglichen (siehe wwwremihubat)

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Neue Wege in der Energieraumplanung

Gernot Stoumlglehner (1)

DOI 10347261029

(1) UnivProf Dr Institut fuumlr Raumplanung Umweltplanung und Bodenordnung (IRUB) Department fuumlr Raum Landschaft und Architektur Universitaumlt fuumlr Bodenkultur (BOKU) Wien

Abstract

Die Energiewende zu schaffen ist nicht nur gesellschaftlicher Imperativ sondern auch eine Mammut-aufgabe die gemessen an der Groumlszlige der Aufgabe in relativ kurzer Zeit von sehr vielen Politikbereichen und Stakeholdern umzusetzen ist Daher ist eine strategische Herangehensweise bedeutend Wesent-liche Beitraumlge zur Strategiebildung und Strategieumsetzung kann Energieraumplanung leisten In die-sem Beitrag wird diskutiert worin strategische Aspekte der Energieraumplanung liegen in einer stra-tegischen Datenbasis fuumlr die Energiewende in einer Planungsmethodik zur Schaffung von raumlumlichen Voraussetzungen fuumlr Energieeffizienz und der Nutzung erneuerbarer Energien in institutionellen Rah-menbedingungen fuumlr eine gelingende Umsetzung und in der Unterstuumltzung von Sektorkopplung als wichtiges Element der Energiewende Da ein wesentlicher Teil von Strategiebildung gesellschaftliche Lernprozesse sind schlieszligt der Beitrag mit Uumlberlegungen zur Didaktik der Energieraumplanung und zeigt moumlgliche Beitraumlge der Energieraumplanung zur Energiewende auf

Schluumlsselbegriffe

Energieraumplanung Klimaschutz Energiewende Strategie Stoumlglehner G (2021) Neue Wege in der Energieraumplanung In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Ener-gieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S110-118

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Inhalt Ausgangslage 112

Strategie in der Energieraumplanung 113

Strategische Datenbasis 113

Planungsmethodik 114

Institutionelle Rahmenbedingungen 115

Sektorkopplung als neue Herausforderung fuumlr die Energieraumplanung 115

Didaktik der Energieraumplanung 116

Fazit 116

Literatur 117

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Ausgangslage

Die Energiewende ist aus Klimaschutzgruumlnden nicht nur zwingend umzusetzen sie ist auch mit erheb-lichen Herausforderungen verbunden Diese erwachsen nicht zuletzt aus der Raum- und Siedlungsent-wicklung und der damit verbundenen Mobilitaumlt Waumlhrend die Gesamttreibhausgasemissionen in Oumls-terreich seit 1990 dem Basisjahr des Kyoto-Protokolls leicht gestiegen sind (UBA 2019) und eine sub-stanzielle strukturelle Trendwende abseits von Konjunkturschwankungen nach wie vor nicht zu erken-nen ist ruumlckt der Zeitpunkt der Null-Emissionsziele schon recht nahe Ein wesentlicher Treiber sind raumlumliche Entwicklungen die damit verbundenen Bauten und Anlagen sowie die Art und Weise wie der Raum von Menschen und Unternehmen angeeignet wird Um die Groumlszlige des Problems zu verdeut-lichen wird auf die Baulandreserven in Oumlsterreich verwiesen Diese sind so hoch dass bei Erfuumlllung des 25-Hektar-Bodenschutzziels der Nachhaltigkeitsstrategie 2002 (BMLFUW 2002) und des aktuellen Regierungsprogramms (Die neue Volkspartei amp Die Gruumlnen 2020) ndash das bedeutet dass die taumlgliche zusaumltzliche Flaumlcheninanspruchnahme fuumlr Bauland und Infrastruktur von derzeit ca 13 ha (UBA 2002) auf 25 ha begrenzt werden soll ndash Baulandreserven bis 2100 vorhanden sind (Neugebauer 2020) Es duumlrfte daher in den naumlchsten 80 () Jahren kein Quadratmeter Bauland mehr gewidmet werden ohne an anderer Stelle ruumlckgewidmet zu werden Auch daran erkennt man dass aus Sicht der Raumplanung massive Eingriffe notwendig sein werden um Nachhaltigkeitsziele zu erfuumlllen Mit dieser Flaumlcheninan-spruchnahme geht ein Steigen des Energieverbrauchs einher der insbesondere in den Bereichen graue Energie Waumlrme und Mobilitaumlt auch Treibhausgaswirksamkeit entfaltet Es sind zwar die Treibhaus-gasemissionen im Gebaumludesektor trotz der regen Bautaumltigkeit ruumlcklaumlufig allerdings wird dies durch Zunahme der Treibhausgasemissionen im Verkehr (ca 72 plus seit 1990 dem Basisjahr des Kyoto-Protokolls) sodass seit 1990 die Treibhausgasemissionen insgesamt um knapp 5 gestiegen sind Vor diesem Hintergrund gewinnt Energieraumplanung als bdquojener integrale Bestandteil der Raumpla-nung der sich mit den raumlumlichen Dimensionen von Energieverbrauch und Energieversorgung umfas-send beschaumlftigtldquo (Stoumlglehner et al 2014 S 26) rasant an Bedeutung Die raumlumliche Dimension des Energieverbrauchs bedeutet im Wesentlichen energieeffiziente Raum- und Siedlungsstrukturen zu schaffen die sich durch Funktionsmischung maszligvolle Dichte Kompaktheit Innenentwicklung und die Beruumlcksichtigung von entsprechenden Lagekriterien und energetischen Aspekten wie Topographie und Exposition bei der Standortwahl auszeichnen Damit uumlberdeckt sich Energieraumplanung mit den Ge-staltungsprinzipien diverser Leitbilder einer nachhaltigen Raumentwicklung und wirkt auf den Energie-bedarf von Wirtschaft und Gesellschaft Die raumlumliche Dimension der Energieversorgung umfasst Be-darfsfragen nach Energieversorgungsanlagen (Energiegewinnung -verteilung und -speicherung) die Standortsicherung einschlieszliglich der Vermeidung von Nutzungskonflikten sowie die Ressourcensiche-rung Dies betrifft insbesondere die Freihaltung von zusammenhaumlngenden Landschaftsteilen fuumlr die Energiegewinnung z B Vorrangflaumlchen fuumlr Windkraftanlagen Energieeffiziente Raum- und Siedlungs-strukturen die gleichzeitig eine flaumlchensparende Bauland- und Infrastrukturentwicklung ermoumlglichen unterstuumltzen dieses Ziel Gleichzeitig koumlnnen leitungsgebundene Energieversorgungssysteme besser in diesen Strukturen betrieben werden da Funktionsmischung zur zeitlichen Vergleichmaumlszligigung des Be-darfs im Tagesverlauf und Dichte zu mehr Effizienz von Versorgungsanlagen fuumlhren (Stoeglehner et al 2016) Ergaumlnzung der Planungsziele und -grundsaumltze stufenweise Integration von raumlumlichen Energie- bzw Mobilitaumltskonzepten energieoptimierte und integrierte Flaumlchenwidmungs- und Bebauungsplanung Entwickeln und Anwenden von standardisierten Methoden zur Energieraumplanung Bodenpolitik und Baulandmobilisierung Energieplanung uumlbergeordneter Infrastruktur

Abb 1 Prioritaumlre Handlungsempfehlungen laut OumlROK-Partnerschaft (Auszug Stoumlglehner et al 2014)

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Die OumlREK-Partnerschaft Energieraumplanung I hat daher verschiedene Handlungsempfehlungen un-terbreitet um die raumlumlichen Dimensionen von Energieverbrauch und Energieversorgung in die Raum-planung zu integrieren (vgl Abb 1) Die derzeitig im Amt befindliche Bundesregierung hat in ihrem Regierungsuumlbereinkommen das Thema Energieraumplanung sowohl in Bezug auf den Klimaschutz als auch den Bodenschutz mit Blick auf eine zukunftsfaumlhige Raumordnung aufgenommen bdquoRaumplanerische Aspekte des Klimaschutzes sollen durch eine (auf den derzeit schon bestehenden Bundeskompetenzen basierende) gesetzliche Regelung zur Fachplanungskompetenz des Bundes geregelt werdenldquo (Die neue Volkspartei amp Die Gruumlnen 2020 S 74 104) Vor diesem Hintergrund widmet sich dieser Beitrag in weiterer Folge Moumlglichkeiten mit strategischen Zugaumlngen Energieraumplanung umzusetzen und diskutiert diese anhand von Beispielen aus der For-schung des Instituts fuumlr Raumplanung Umweltplanung und Bodenordnung der Universitaumlt fuumlr Boden-kultur Wien (IRUB)

Strategie in der Energieraumplanung Mit Strategie in der Raumplanung und damit auch in der Energieraumplanung ist grundsaumltzlich die Orientierung an Leitbildern Visionen und Zielen der Blick auf die Gesamtsicht und nicht auf die Details das Denken in Planungsvarianten sowohl in Bezug auf Ziele als auch die daraus abzuleitenden Maszlig-nahmen sowie die Organisation des Planungsprozesses als gesellschaftlicher Lernprozess (Stoumlglehner 2020a) Bezuumlglich der Auffassung von Planen als Lernprozess ist es interessant sich mit didaktischen Fragen zu beschaumlftigen Wird die Wissenstreppe (North et al 2016) dafuumlr herangezogen gilt es im Sinne eines strategischen Wissensmanagements Prozesse der Energieraumplanung so zu gestalten dass Planungsakteurinnen und -akteure aufbauend auf entsprechenden Daten und deren Vernetzung zu einem kompetenten d h zu einem wissensbasierten zielgerichteten und richtigem Handeln kom-men koumlnnen Dafuumlr sind (1) eine strategische Datenbasis (2) entsprechende Planungsmethoden und (3) institutionelle Rahmenbedingungen notwendig wie in weiterer Folge an zwei Beispielen erlaumlutert wird

Strategische Datenbasis

Eine strategische Datenbasis stellt eine wissenschaftlich pruumlfbare Sachebene im Planungsprozess dar Vielfach bestehen Wahrnehmungen auf der Sachebene die mit wissenschaftlich pruumlfbaren Sachver-halten nicht in Einklang zu bringen sind aber massiv handlungsleitend wirken Ein Beispiel waumlren ver-zerrte Wahrnehmungen des fossilen Energieanteils in der Energieversorgung Wenn Akteurinnen den fossilen Energieanteil unterschaumltzen koumlnnen sie notwendige Maszlignahmen als nicht relevant einstufen Diese Einschaumltzung kann selbst bei Akteuren die auf der Werteebene die Energiewende hoch gewich-ten dazu fuumlhren dass notwendige Maszlignahmen fuumlr die Energiewende nicht gesetzt werden (Erker et al 2017) Eine strategische Wissensbasis hilft hier Klarheit auf der Sachebene herzustellen indem nicht nur Basisdaten bereitgestellt werden sondern indem diese auch mit einer Datenanalyse (zur Kenn-zeichnung von Potentialen oder Restriktionen) verbunden werden Damit stellt eine strategische Da-tenbasis strategisch relevantes Wissen fruumlh im Planungsprozess zur Verfuumlgung sodass auch Lernen auf der Wertebene das Verhandeln von Interessen zwischen Akteurinnen und Akteuren sowie das Erken-nen von Planungsfolgen unterstuumltzt wird (Stoeglehner 2020b)

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Ein Beispiel fuumlr eine derartige strategische Datenbasis waumlre das Energiemosaik Oumlsterreich (wwwener-giemosaikat Abart-Heriszt et al 2020) Hier werden Energie- und Treibhausgasbilanzen frei verfuumlgbar im Netz bereitgestellt sodass ein faktenbasierter Einstieg in das Energiethema erleichtert wird So kann die Zielformulierung und das Identifizieren von Handlungsfeldern fuumlr kommunale und regionale Energiestrategien unterstuumltzt werden Einen Schritt weiter geht die Datenbasis fuumlr die Energieraumplanung in der Steiermark die in ein ent-sprechendes Gesamtkonzept eingebunden ist Die Datenbasis besteht zum einen aus Informationen die dem Energiemosaik Oumlsterreich allerdings in feinerer raumlumlicher Aufloumlsung im 250-m-Raster ent-sprechen und mit Abschaumltzungen uumlber energetische Potenziale ergaumlnzt sind Zum anderen werden flauml-chenhafte Auswertungen des Datenbestandes angeboten indem Standortraumlume fuumlr Fernwaumlrmever-sorgung und energiesparende Mobilitaumlt bereitgestellt werden Wie mit diesen Informationen umge-gangen werden kann wurde in einem entsprechenden Planungsleitfaden dargestellt

Abb 2 Standortraumlume fuumlr Fernwaumlrmeversorgung (links) und klimafreundli-che energiesparende Mo-bilitaumlt (rechts) Quelle Ab-art-Heriszt und Stoumlglehner 2019

Planungsmethodik

In der Steiermark wurde eine Planungsmethodik gemeinsam mit Fallbeispielen entwickelt wie die energieraumplanerischen Analysen d h die Energie- und Treibhausgasbilanzen die Potenzialanalysen und die vom IRUB abgegrenzten Standortraumlume fuumlr Fernwaumlrmeversorgung und energiesparende Mo-bilitaumlt in das oumlrtliche Entwicklungskonzept integriert werden koumlnnen (Abart-Heriszt und Stoumlglehner 2019) Dabei wird das Hauptaugenmerk auf die planerische Abwaumlgung zwischen Aspekten der Ener-gieraumplanung und allen weiteren Aspekten der oumlrtlichen Raumplanung gelegt Durch die Standort-raumlume wurde eine Moumlglichkeit geschaffen jene Ortsteile mit einer ausreichend hohen Nutzungsinten-sitaumlt und Nutzungsdichte zu identifizieren die fuumlr Fernwaumlrmeversorgung und energiesparende Mobi-litaumltsformen im Umweltverbund geeignet sind Es werden klare Hinweise gegeben wohin die kuumlnftige Siedlungsentwicklung im Zeichen von Klima-schutz und Energiewende gelenkt werden soll Dies ist durch die Abgrenzungsmethodik der Standort-raumlume gewaumlhrleistet gemaumlszlig der nach funktionsgemischten maszligvoll dichten raumlumlichen Strukturen gesucht wird in denen zum einen Mindestverbrauchsdichten fuumlr leitungsgebundene Energie als auch kurze Wege zwischen den einzelnen Raumfunktionen erzielt werden sollen Nicht zuletzt ermoumlglichen die Standortraumlume zu erkennen wo Innenentwicklung prioritaumlr stattfinden soll und wie damit der uumlberbordenden Flaumlcheninanspruchnahme fuumlr Bauland und Infrastruktur Vorschub geleistet werden kann Damit sind die Voraussetzungen gegeben dass Lernen im Planungsprozess sowohl auf der Sachebene als auch auf der Wertebene unterstuumltzt wird Auf der Sachebene werden potenzielle Wis-sensluumlcken sowie Luumlcken zwischen wissenschaftlich pruumlfbarer und wahrgenommener Sachebene ge-schlossen Auf der Wertebene koumlnnen die Unterstuumltzung von Klimaschutz und Energiewende profund mit weiteren oumlffentlichen Interessen und Entwicklungsperspektiven abgewogen werden

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Institutionelle Rahmenbedingungen

Grundsaumltzlich koumlnnen vier Pfade staatlichen Handelns angewendet werden um Strategien wie jene der Energieraumplanung ganzheitlich umzusetzen (1) rechtliche Rahmenbedingungen (2) finanzielle Anreize (3) oumlffentliche Investitionen sowie (4) Bewusstseinsbildung Am Beispiel der Steiermark kann dargestellt werden dass fast alle Optionen fuumlr die Umsetzung der Energieraumplanung genutzt wer-den

(1) Im rechtlichen Rahmen des Steiermaumlrkischen Raumordnungsgesetzes ist die Erstellung von er-gaumlnzenden Sachbereichskonzepten zum oumlrtlichen Entwicklungskonzept vorgesehen Dieser rechtliche Rahmen wird mit der Initiative Energieraumplanung in der Steiermark mit Leben erfuumlllt

(2) Als finanziellen Anreiz hat das Land Steiermark ein Foumlrderprogramm aufgelegt mit dem die Gemeinden dabei unterstuumltzt werden Sachbereichskonzepte Energie im Rahmen des oumlrtli-chen Entwicklungskonzeptes zu erstellen Planungsziele festzulegen und die Abstimmung von Siedlungsentwicklung und Festlegungen zur Energieraumplanung umzusetzen Auszahlungs-bedingung fuumlr die Foumlrderung ist die Integration in die Verordnung zum oumlrtlichen Entwicklungs-konzept binnen 24 Monaten ab Foumlrderzusage

(3) Wenn ein Sachbereichskonzept Energie vorliegt kann im Rahmen des Foumlrderprogramms auch um die Unterstuumltzung von oumlffentlichen Investitionen in die Energieinfrastruktur angesucht werden Daruumlber hinaus sollen die Festlegungen zur Energieraumplanung auch auf Investitio-nen von Privaten und Kommunen wirken da jene Bereiche dargestellt werden die einen wirt-schaftlichen Betrieb leitungsgebundener Energieinfrastruktur und ein houmlheres Maszlig an Mobi-litaumlt im Umweltverbund erwarten lassen

(4) Bewusstseinsbildung wird zum einen durch die schon angesprochene Datenbasis und den Pla-nungsleitfaden zum anderen durch ein Schulungsprogramm fuumlr Ortsplanerinnen und Gemein-devertreterinnen das stark nachgefragt wurde deutlich gestaumlrkt Zudem haben fast alle in der Steiermark taumltigen Ortsplaner sowie Vertreter von ca einem Drittel aller steiermaumlrkischen Ge-meinden an den Veranstaltungen teilgenommen

Diese Beispiele zeigen dass der anspruchsvolle strategische Zugang zur Energieraumplanung durchaus mit Leben erfuumlllt werden kann wenn eine strategische Datenbasis und eine entsprechende Planungs-methodik angeboten werden deren Anwendung in einen institutionellen Rahmen eingebettet ist der alle Aspekte staatlichen Handelns abdeckt

Sektorkopplung als neue Herausforderung fuumlr die Energieraumplanung

Ein wesentlicher Grund warum ich die Auseinandersetzung mit leitungsgebundenen Energietraumlgern auch in Zukunft fuumlr notwendig erachte ist das Thema der Sektorkopplung Unter diesem Titel sollen Systemloumlsungen fuumlr die Verbindung verschiedener Infrastrukturen Technologien und Dienstleistun-gen fuumlr die Kopplung von Elektrizitaumlt Waumlrme und Mobilitaumlt sowie fuumlr die Integration von volatilen erneuerbaren Energietraumlgern wie Sonne und Wind angeboten werden (BMNT BMVIT 2018) Ein ener-gieraumplanerischer Beitrag zur Unterstuumltzung von Sektorkopplung ist das hochaufgeloumlste raum-zeit-liche Modellieren von Energieverbrauch und lokal verfuumlgbaren Energieversorgungspotenzialen bei dem Nutzungsintensitaumlt (Funktionsmischung und Dichte) und die Integration verschiedener erneuer-barer Energietraumlger zur Ermittlung von Sektorkopplungspotenzialen sowie Netz- bzw Speicherbedarf herangezogen werden (Ramirez-Camargo amp Stoeglehner 2018) Bei Photovoltaik (PV) werden Energie-gewinnungspotenziale auf Dachflaumlchen im 1-m-Raster unter Beruumlcksichtigung des ortsspezifischen me-teorologischen Normjahres mit dem lokal aufgrund der Nutzungsstruktur vorhandenen Energiever-brauch in 1-Stunden-Betrachtungen im Jahresverlauf uumlberlagert

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Werden diese Betrachtungen uumlber ganze Kommunen angestellt kommt man z B zum Ergebnis dass bei voller Ausnutzung der Dachflaumlchen mit PV sehr wahrscheinlich Uumlberschuumlsse in der Stromproduk-tion erzielt werden koumlnnen jedoch nur etwa ein Drittel des gewonnenen Stroms am jeweiligen Ort und zur jeweiligen Zeit unmittelbar benoumltigt werden Zwei Drittel stellen damit das Sektorkopplungs-potenzial dar z B in Power-to-HeatCold- bzw Power-to-Chemicals-Loumlsungen bzw benoumltigen stati-onaumlre oder mobile Speicher insbesondere zur Bereitstellung von Strom fuumlr elektrische Fahrzeuge Je geringer der Anteil des PV-Stroms am Jahresstrombedarf ist desto houmlher steigt der Anteil der Eigen-bedarfsdeckung Mit diesen Ergebnissen koumlnnen jenseits der Jahresbilanz in hoher raumlumlicher und zeitlicher Aufloumlsung realistische Szenarien als strategische Entscheidungsgrundlage fuumlr Energieraumplanung und lokale bzw regionale Energiestrategien erstellt werden Die raumlumliche und zeitliche Betrachtung ermoumlglicht damit einen weiteren Qualitaumltssprung in der Energieraumplanung

Didaktik der Energieraumplanung

Wird das Lernen im Planungsprozess als wesentliches Strategiemerkmal fuumlr Raumplanung einschlieszlig-lich der Energieraumplanung betrachtet stellt sich die Frage der Didaktik fuumlr diese Lernprozesse Hier soll in Analogie zu didaktischen Konzepten (vgl Biggs amp Tang 2011 Gudjons amp Traub 2020 North et al 2016 Winteler 2011) einige Uumlberlegungen angestellt werden Dabei ist zu beruumlcksichtigen dass es sich bei Planungsprozessen um soziale Lernprozesse in informellen Lern- und Planungssituationen handelt an denen in erster Linie Entscheidungstraumlgerinnen und Entscheidungstraumlger die interessierte und die betroffene Oumlffentlichkeit sowie die Planerinnen und Planer beteiligt sind (Peer amp Stoeglehner 2013) Das Ergebnis der Planung ist grundsaumltzlich offen und vom Lernprozess beeinflusst Klassische Didaktikkonzepte beschaumlftigen sich mit Lernzielen Lerninhalten Lernmethoden und Lern-ergebnissen Wird diese Herangehensweise auf Energieraumplanung uumlbertragen so waumlre das Lernziel die Energiewende und den Klimaschutz voranzubringen indem die Siedlungsentwicklung mit diesen Anliegen abgestimmt wird Als Lerninhalt waumlre ein tieferes und systemisches Verstaumlndnis fuumlr Zusam-menhaumlnge von Raumplanung Klimaschutz und Energiewende zu nennen um raumplanerische Gestal-tungsmoumlglichkeiten fuumlr Energiewende und Klimaschutz nutzen zu koumlnnen und gleichzeitig zu erkennen dass diese Anliegen eine nachhaltige raumlumliche Entwicklung und mehr Lebensqualitaumlt fuumlr die Bevoumllke-rung befoumlrdern koumlnnen An Lernmethoden koumlnnen u a Kommunikation Partizipation Einsetzen von strategischen Datenbasen Planungsinstrumenten strategischen Planungsmethoden und Planungs-tools eingesetzt werden um Erkenntnisprozesse auf der Sach- und auf der Wertebene in Gang zu set-zen Schlussendlich waumlre als Lernergebnis die rechtliche Verankerung in den Plaumlnen und Programmen der uumlberoumlrtlichen und oumlrtlichen Raumplanung sowie die praktische Umsetzung von Energieraumpla-nung zu sehen

Fazit Energiewende und Klimaschutz als zentrale gesellschaftliche Herausforderungen brauchen energie-raumplanerische Unterstuumltzung da raumlumliche Strukturen die Gestaltungsmoumlglichkeiten der Energie-wende wesentlich beeinflussen Dafuumlr sind strategische Herangehensweisen notwendig die alle Ebe-nen und Handlungsoptionen staatlichen Handelns einsetzen um nicht nur schluumlssige Planungen vor-legen zu koumlnnen sondern auch deren Umsetzung zu begleiten In diesem Beitrag wurden sowohl grundsaumltzliche Uumlberlegungen vorgestellt die der derzeitigen For-schung zur Energieraumplanung am IRUB zu Grunde liegen als auch Beispiele fuumlr deren Umsetzung diskutiert Damit kann aufgezeigt werden dass Raumplanung in vielerlei Hinsicht einen wesentlichen

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Beitrag fuumlr Klimaschutz und Energiewende leisten kann Raumplanung bietet zunaumlchst rechtliche Rah-menbedingungen um Klimaschutz und Energiewende auf regionaler und lokaler Ebene implementie-ren zu koumlnnen Hier waumlre die Verbindlichkeit von klimaschutz- und energiewendeorientierten Pla-nungszielen zu erhoumlhen um diese Aspekte in der planerischen Abwaumlgung entsprechend hoch zu ge-wichten In Planungsprozessen kann Bewusstseinsbildung unmittelbar vorangetrieben werden sofern diese partizipativ gestaltet werden Daruumlber hinaus besteht das Potenzial energieraumplanerische Herangehensweisen zur Gestaltung von finanziellen Anreizsystemen und Lenkung oumlffentlicher Investi-tionen im Sinne von Klimaschutz und Energiewende anzuwenden wenn energieraumplanerische As-pekte ndash insbesondere auch Lagekriterien sowie bodenpolitische Instrumentarien ndash in die finanziellen Anreiz- und Lenkungssysteme integriert werden Damit bleibt zu hoffen dass diese Moumlglichkeiten umfassend genutzt und laufend weiterentwickelt werden

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Die deutsche Energiewende zwischen Wirtschafts- und Klimazielen ndash eine geographische Perspektive

Britta Klagge (1)

DOI 10347261030

(1) Prof Dr Geographisches Institut der Universitaumlt Bonn

Abstract

Die deutsche Energiewende wird weltweit als Erfolgsmodell fuumlr eine dezentrale Umstellung auf erneu-erbare Energien (EE) diskutiert Dabei wird oft uumlbersehen dass diese sich bisher weitgehend auf den Stromsektor beschraumlnkt hat waumlhrend die Umstellung des Waumlrme- und Verkehrssektors nur zoumlgerlich voranschreitet Weiterhin gingen steigende EE-Anteile in der Stromerzeugung lange nicht mit einer entsprechenden Reduzierung der Treibhausgasemissionen einher Der Beitrag erlaumlutert die zugrunde-liegenden Governance-Strukturen und deren Einordnung im Schnittfeld von Raumplanung Wirt-schafts- und Klimapolitik Anhand von zwei aktuelleren klima- und energiepolitischen Maszlignahmen (Klimapaket 2019 SINTEG-Modellregionen 2017-2020) wird deutlich dass der Fokus der juumlngeren deutschen Energiewendepolitik ndash wie bisher ndash vor allem auf EE als Wirtschaftsfaktor liegt wobei nun eine Ausweitung auf den Waumlrme- und Verkehrssektor angestrebt wird Aus geographischer Perspek-tive laumlsst sich konstatieren dass die Maszlignahmen zwar dezentrale bzw regionale Strukturen beruumlck-sichtigen und nutzen jedoch insbesondere zur Effizienzsteigerung und weniger um damit partizipative Strukturen zivilgesellschaftliches Engagement oder Debatten zur Nachhaltigkeit der Energiewende zu befoumlrdern

Schluumlsselbegriffe

Erneuerbare Energien (Mehrebenen-)Governance Effizienz- und Marktorientierung Klimapolitik Nachhaltigkeitsstrategien

Klagge B (2021) Die deutsche Energiewende zwischen Wirtschafts- und Klimazielen ndash eine geographische Perspektive In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung - ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energie-wende Wien reposiTUm S119-129

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Inhalt Einfuumlhrung 121

Geographien und Governance der deutschen Energiewende 121

Die deutsche Energiewende positive wirtschaftliche Effekte aber klimapolitisch (bisher) kein Erfolg 123

Aktuelle klima- bzw energiepolitische Maszlignahmen Klimapaket (2019) und SINTEG-Modellregionen (2017-2020) 124

Das Klimapaket von 2019 umfangreiches Investitionsprogramm aber klimapolitisch wenig ambitioniert 124

SINTEG 2017-2020 Foumlrderung von Modellregionen fuumlr smarte (Verteil-)Netze und flexible Maumlrkte durch Digitalisierung 125

Fazit und Ausblick 126

Literatur 127

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Einfuumlhrung

Die deutsche Energiewende also der Umbau des deutschen Energiesystems zu erneuerbaren Ener-gien befindet sich an einem kritischen Punkt Bisherige Maszlignahmen haben im Stromsektor viel er-reicht und insbesondere bei der Stromerzeugung aus Wind und Sonne sind groszlige technologische Fort-schritte verbunden mit deutlichen Kostensenkungen zu verzeichnen Dennoch bleiben mit Blick auf das gesamte Energiesystem eine Vielzahl von Herausforderungen die sich stichwortartig folgender-maszligen benennen lassen Oumlkonomische Effizienz undoder soziale Gerechtigkeit Technologieentwick-lung vor allem bei Stromspeicherung und Netzstabilitaumlt Ressourcenverbrauch bzw -effizienz sowie Flaumlchenverbrauch und -konkurrenzen Umwelt- und Klimaschutz vor allem Minderung der CO2-Emis-sionen Ausweitung auf Waumlrme- und Verkehrssektor bzw Sektorkopplung sowie nicht zuletzt die Ak-zeptanz Diese aktuellen Herausforderungen der deutschen Energiewende bewegen sich im Uumlber-schneidungsbereich technologischer soziooumlkonomischer und politisch-planerischer Entwicklungen und erfordern eine integrative Herangehensweise Im vorliegenden Beitrag wird aus Sicht der Geographie die Frage aufgeworfen wie der Next Level also die naumlchste Phase der Energiewende aussehen kann und in welche Richtung die aktuell verfolgte Po-litik weist Dazu wird zum einen die Bedeutung der regionalen Ebene sowie regionaler und zivilgesell-schaftlicher Akteure diskutiert die in der Fruumlhphase eine wichtige Rolle spielten Zum anderen werden Ausrichtung und Erfolge der Energiewende-Politik im Spannungsfeld von Wirtschafts- und Klimazielen analysiert Neben wirtschaftlichen Effekten und der Minderung von CO2-Emissionen geht es auch da-rum inwieweit bisherige und aktuelle Energiewende-Entwicklungen sowie aktuelle politische Maszlig-nahmen als nachhaltig bezeichnet werden koumlnnen Hierzu wird auf die drei in der Literatur diskutierten Nachhaltigkeitsstrategien ndash Effizienz Konsistenz und Suffizienz1 ndash Bezug genommen (Huber 2000 Pufeacute 2017 von Winterfeld 2007) Als Grundlage fuumlr die weiteren Uumlberlegungen folgen zunaumlchst Ausfuumlhrungen zum bisherigen Verlauf der Energiewende aus einer geographischen (Governance-)Perspektive und deren Einordnung im Schnittfeld von Raumplanung Wirtschafts- und Klimapolitik Anschlieszligend wird gezeigt dass die bis-herige Energiewende hinsichtlich der Minderung der CO2-Emissionen erst seit sehr kurzer Zeit erfolg-reich ist und hierfuumlr vor allem externe Entwicklungen verantwortlich sind Vor diesem Hintergrund werden das Klimapaket von 2019 sowie das SINTEG-Modellprogramm (2017-2020) als aktuelle Maszlig-nahmen der deutschen Energiewende-Politik vorgestellt und hinsichtlich ihrer wirtschafts- und klima-politischen Zielsetzungen sowie der Bedeutung von Nachhaltigkeitsstrategien diskutiert Im abschlie-szligenden Fazit werden Schlussfolgerungen zu einem moumlglichen Next Level der deutschen Energiewende gezogen

Geographien und Governance der deutschen Energiewende

Bevor wir uns der Frage nach der Zukunft zuwenden geht der Blick zuruumlck Die deutsche Energiewende hatte am Anfang eine stark dezentrale bzw regionale Dimension (Klagge amp Brocke 2013) Sie war ge-praumlgt durch eine Vielzahl kleinerer und uumlber das ganze Land verteilter Anlagen Dabei orientierten sich die Muster auch an den natuumlrlichen Gegebenheiten mit vielen Windanlagen im Norden und den meis-ten PV2-Anlagen im Suumlden (vgl hier und im Folgenden Campos Silva amp Klagge 2018) Die wichtigsten

1 Effizienz bezieht sich auf ein verbessertes Verhaumlltnis zwischen Ressourceneinsatz und Output also das Verhaumlltnis zwischen

Input und Output ndash z B durch neue wirksamere Technologien ndash zu optimieren Bei Konsistenz geht es um den Erhalt natuumlr-licher Ressourcen durch naturvertraumlgliche Prozesse und Technologien insbesondere im Sinne einer Kreislaufwirtschaft Suf-fizienz richtet sich auf einen geringeren Ressourcenverbrauch durch die Reduktion des Konsums bzw der Nachfrage

2 PV Photovoltaik

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Investoren waren zu Beginn Landwirte und Buumlrger die sich teilweise zu Buumlrgerenergiegenossenschaf-ten bzw in anderen Rechtsformen (z B GmbH amp Co KG) zusammenschlossen Damit verbunden wa-ren vielerorts zivilgesellschaftliche Energiewende- und Klimaschutz-Initiativen als weitere neue Parti-zipations- und Organisationsformen auf lokaler Ebene (Bauriedl 2016 Moss et al 2015) weit verbrei-tete Beispiele sind 100 -Erneuerbare-Energien-Regionen lokale Klimaschutzkonzepte oder Bio-Ener-giedoumlrfer Manche Stadt- und Regionalwerke gehoumlrten als lokale bzw regionale Akteure ebenfalls zu den Treibern allerdings waren diesbezuumlglich zu Beginn der Energiewende groszlige Unterschiede festzu-stellen und nur wenige Pioniere bzw Pionierregionen auszumachen (Klagge amp Brocke 2013) Inzwischen spielen groszlige Anlagen und regionsexterne Investoren eine immer wichtigere Rolle Dazu gehoumlren Projektierungsgesellschaften die vielfach mit der Energiewende gewachsen sind aber auch die lange zoumlgernden groszligen Energiekonzerne sowie viele Stadt- und Regionalwerke (Berkel 2013 Cam-pos Silva amp Klagge 2018 Greenpeace 2011) Ein wachsendes Problembewusstsein fuumlr negative Effekte von Erneuerbare-Energie-Anlagen in deren unmittelbarer Naumlhe haben allerdings Akzeptanzprobleme und Konflikte befoumlrdert und zwar vor allem dort wo vor Ort keine Teilhabe an den positiven insbe-sondere finanziellen Wirkungen besteht (Bosch 2021) Die aktuelle Energiewende-Politik traumlgt dem Rechnung indem sie einerseits auf planerischer Ebene Regeln fuumlr den Abstand von Erneuerbare-Ener-gie-Anlagen zur Wohnbebauung erwaumlgt und festsetzt sowie andererseits die Moumlglichkeiten der lokalen Teilhabe durch politisch-planerische Regelungen diskutiert werden (z B Beirat fuumlr Raumentwicklung 2015 S 10 ff BWE 2020) Jenseits lokaler Loumlsungsansaumltze verbleiben jedoch die oben genannten Her-ausforderungen die einen integrierten Ansatz erfordern der technologische mit wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aspekten verknuumlpft und dabei Fragen des Gemeinwohls sowie der Verfahrens- und Verteilungsgerechtigkeit beruumlcksichtigt Eine offene Frage ist dabei welche Bedeutung regionale und zivilgesellschaftliche Strukturen in den Governance-Strukturen der Energiewende haben sollen bzw koumlnnen Die Energiewende die in der Literatur haumlufig als soziotechnische Transition konzeptualisiert wird ist ein politisch gesteuerter Prozess (Becker amp Klagge 2017 Moss 2021 Schmid et al 2016) Politische Akteure auf unterschiedlichen Maszligstabsebenen setzen Rahmenbedingungen und Anreize innerhalb derer privatwirtschaftlich agierende ndash darunter oumlffentliche und zivilgesellschaftliche ndash Akteure den Ausbau erneuerbarer Energien umsetzen (Klagge 2013) Dieser politische Prozess bzw die Energie-wende-Politik findet im Uumlberschneidungsbereich von Umwelt- und Wirtschaftspolitik sowie Raumpla-nung statt (Abb 1) Dieses Dreieck spiegelt die in der Einleitung benannten Herausforderungen wider und verweist auf das Spannungsfeld zwischen Wirtschafts- und Klimazielen in der Energiepolitik

Abb 1 Energie als integ-ratives Politikfeld Quelle eigene Darstellung

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Die deutsche Energiewende positive wirtschaftliche Effekte aber klimapolitisch (bisher) kein Erfolg

Die deutsche Energiewende wurde weltweit als Erfolgsmodell gefeiert (Jacobsson amp Lauber 2006 Lipp 2007) Ausgehend von relativ groszligzuumlgigen Einspeiseverguumltungen und einem Einspeisevorrang ndash im Jahr 2000 im ersten Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgelegt ndash hat eine groszlige Zahl unterschied-licher Investoren in Erneuerbare-Energie-Anlagen investiert (Campos Silva amp Klagge 2018) In der Folge ist der Anteil des Stroms aus erneuerbaren Energien in Deutschland sukzessive auf inzwischen uumlber 40 gestiegen wodurch verschiedene positive wirtschaftliche Effekte erzielt wurden So sind zu-naumlchst vor allem auf lokaler und regionaler Ebene technologiespezifische Wertschoumlpfungsketten und Arbeitsplaumltze entstanden (Hirschl et al 2010) Mit dem Wachstum der Technologiemaumlrkte im In- und zunehmend im Ausland haben sich in Deutschland exportorientierte Industrien und Zulieferer insbe-sondere in der Wind- und Solarindustrie sowie in damit verbundenen Dienstleistungsbereichen ent-wickelt (Dewald 2021 Lipp 2007 Menzel 2021) In der politischen Diskussion um die Energiewende wurde diese daher vom Bundeswirtschaftsminister auch als bdquoeines der groumlszligten Modernisierungspro-jekte fuumlr den Wirtschaftsstandort Deutschlandldquo beworben (BMWi 2019a) Mit dem Fortschreiten der Energiewende wurden allerdings die kritischen Stimmen lauter Neben lo-kalen Akzeptanzproblemen und -konflikten ging es dabei um die steigenden Strompreise und die Effi-zienz der Foumlrderung durch Einspeiseverguumltungen Vor diesem Hintergrund wurde die Foumlrderung mit der EEG-Novelle von 2017 auf ein Ausschreibungsmodell umgestellt und damit ndash so die Kritiker dieser Novellierung ndash der wirtschaftlich und gesellschaftlich vorteilhafte dezentrale Ausbau ausgebremst Dies ist auch deshalb problematisch weil aufgrund von Rationalisierungs- und Verlagerungsprozessen ndash so der Niedergang der PV-Anlagen-Produktion in Deutschland bei gleichzeitigem Wachstum einer entsprechenden Industrie in China (vgl Dewald 2021) ndash industrielle Wertschoumlpfung und Arbeitsplaumltze im Bereich der erneuerbaren Energien in Deutschland stagnieren bzw bereits wieder zuruumlckgehen (vgl AEE o J) Ein weiterer grundsaumltzlicher Kritikpunkt an der deutschen Energiewende-Politik betrifft den Umgang mit Strom aus Kohle und der daraus resultierenden Entwicklung der CO2-Emissionen So wurden die mit der Energiewende verfolgten Klimaziele in Deutschland nicht erreicht da gleichzeitig mit dem Aus-bau der erneuerbaren Energien die Emissionen aus der Kohleverstromung in einigen Jahren sogar noch anstiegen (Abb 2) Aufgrund der Funktionsweise des Strommarkts (insbes Merit-Order-Effekt) hat sich am Strommarkt neben den erneuerbaren Energien vor allem der guumlnstige Strom aus der sehr schmut-zigen Braunkohle durchgesetzt Hintergrund hierfuumlr waren die lange Zeit sehr niedrigen Preise fuumlr Emissionszertifikate Erst mit deren Preisanstieg sind die CO2-Emissionen der Energiewirtschaft ab 2018 deutlich gesunken Dieser Zusammenhang verdeutlicht dass die EE-Foumlrderung und ein hoher EE-Anteil am Strommarkt allein nicht ausreichen um Klimaziele zu erreichen sondern dass es zusaumltzlich einer Sanktionierung der CO2-intensiven Stromerzeugung bedarf ndash insbesondere vor dem Hintergrund dass der vollstaumlndige Ausstieg aus der Kohleverstromung in Deutschland nach jetzigem Stand der Dinge erst bis 2038 erfolgen soll und sogar dieses spaumlte Datum noch gerichtlich angefochten wird

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Abb 2 Entwicklung der CO2-Emissionen in Deutschland nach Sektoren 1990-2019 und der Preise fuumlr EU-Emissionszertifikate 2008-2019 (bis 2010 gestaucht) Quelle DEHSt o J UBA 2020a eigene Darstellung

Trotz der juumlngsten Erfolge im Stromsektor sind die Herausforderungen zur Minderung der CO2-Emissi-onen in der Energiewirtschaft nach wie vor groszlig Denn eine umfassend verstandene Energiewende muss neben dem Strom- auch den Waumlrme- und den Verkehrssektor beruumlcksichtigen und hier sind bisher wenig Fortschritte zu verzeichnen Waumlhrend der Anteil der erneuerbaren Energien im Stromsek-tor bereits 42 betraumlgt liegt dieser im Waumlrme- und im Verkehrssektor nur bei 145 bzw 56 entsprechend ist im Jahr 2019 die Stromerzeugung fuumlr den weitaus uumlberwiegenden Teil der durch die Nutzung erneuerbarer Energien vermiedenen Treibhausgasemissionen verantwortlich (78 ) wohin-gegen Waumlrme und Verkehr lediglich 18 bzw 4 beitragen (UBA 2020b) Fuumlr die Zukunft bietet daher die Transformation des Waumlrme- und des Verkehrssektors noch groumlszligere Herausforderungen als die wei-tere Energiewende im Stromsektor Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund sind aktuelle klima- und energiepolitische Maszlignahmen breiter angelegt

Aktuelle klima- bzw energiepolitische Maszlignahmen Klimapaket (2019) und SIN-TEG-Modellregionen (2017-2020)

Als Reaktion auf die Herausforderungen der Energiewende sowie des rasch voranschreitenden Klima-wandels hat die Bundesregierung nicht nur das EEG weiterentwickelt sondern zusaumltzliche Maszlignah-men ergriffen Hierzu gehoumlren als wichtige Bausteine die SINTEG-Modellregionen und das Klimapaket die den Umbau des Energiesystems auf erneuerbare Energien beschleunigen die Entwicklung und den Einsatz von neuen Technologien und Geschaumlftsmodellen unterstuumltzen Anreize fuumlr entsprechende In-vestitionen geben und damit helfen sollen die im Klima-Abkommen von Paris (2015) zugesagten Kli-maziele zu erreichen Im Folgenden werden die beiden genannten Maszlignahmen vorgestellt und kritisch diskutiert

Das Klimapaket von 2019 umfangreiches Investitionsprogramm aber klimapolitisch wenig am-bitioniert

Unter dem Stichwort bdquoEntlasten und investierenldquo werden mit dem Klimapaket von 2019 Maszlignahmen gebuumlndelt die einen Beitrag zur Minderung des CO2-Ausstoszliges in Energiewirtschaft Industrie Gebaumlu-den Verkehr Land- und Forstwirtschaft Landnutzung und Abfallwirtschaft leisten sollen (vgl hier und

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im Folgenden Die Bundesregierung 2020) Als bdquoHerzstuumlckldquo besonders positiv hervorzuheben ist die Ein-beziehung des Waumlrme- und des Verkehrssektors in die CO2-Bepreisung in Deutschland nachdem bis-her lediglich Industrie und Stromerzeugung den Verpflichtungen des europaumlischen Emissionshandels unterlagen Allerdings ist die staatlich festgelegte Preisentwicklung mit einem Wert von zunaumlchst EUR 25- im Januar 2021 der bis 2025 auf immerhin EUR 55- ansteigt wenig ambitioniert (Janson 2019) ndash und das obwohl das Beispiel des Stromsektors bereits gezeigt hat dass nur bei einem ausreichend hohen CO2-Preis entsprechende Lenkungswirkungen zu verzeichnen sind Insgesamt zeichnet sich das Klimapaket durch einen starken Fokus auf Effizienz sowie wirtschaftliches Wachstum aus Letzteres soll durch eine Vielzahl unterschiedlicher und teilweise sehr kleinteiliger Foumlr-dermaszlignahmen fuumlr Unternehmen Kommunen und Hauseigentuumlmer angeregt und unterstuumltzt werden (BMWi 2020a) Dabei spielen Aspekte wie Reduktion des Ressourcenverbrauchs (Suffizienz) und Kreis-laufwirtschaft (Konsistenz) keine bzw eine untergeordnete Rolle Auszligerdem weisen die nicht-ver-kehrsbezogenen Maszlignahmen nur eine relativ geringe Anschlussfaumlhigkeit an regionale bzw zivilgesell-schaftliche Initiativen und Kooperationen auf

SINTEG 2017-2020 Foumlrderung von Modellregionen fuumlr smarte (Verteil-)Netze und flexible Maumlrkte durch Digitalisierung

SINTEG steht fuumlr bdquoSchaufenster intelligente Energie ndash Digitale Agenda fuumlr die Energiewendeldquo und soll fuumlnf Modellregionen die Deutschland uumlberschneidungsfrei und weitgehend vollstaumlndig abdecken (Abb 3) dabei foumlrdern technologische wirtschaftliche und rechtliche Musterloumlsungen fuumlr den Ener-giemarkt zu entwickeln (vgl hier und im Folgenden BMWi 2020b) SINTEG setzt bdquoan allen Bausteinen der Energieinfrastruktur und bei allen Akteuren an um sie mit Hilfe digitaler Technologien in einem intelligenten digitalen Energienetz zu verbindenldquo Es geht insbesondere darum die Digitalisierung fuumlr die Energiewende in Wert zu setzen und zwar durch die Nutzung dezentraler Kapazitaumlten der Strom-erzeugung und -speicherung (unter anderem virtuelle Kraftwerke) die effiziente Sektorkopplung von Strom Waumlrme und Verkehr sowie innovative Technologien und flexible Marktmechanismen fuumlr Haus-

halte und Unternehmen bei einem ho-hen Anteil erneuerbarer Energien Ziele sind dementsprechend der effiziente und sichere Netzbetrieb vor allem die effizientere Nutzung der dezentralen Netze das Heben von Effizienz- und Fle-xibilitaumltspotenzialen die Entwicklung neuer Geschaumlftsmodelle sowie das bdquoef-fiziente [hellip] und sichere [hellip] Zusammen-spiel aller Akteure im intelligenten Energienetzldquo Abb 3 SINTEG-Modellregionen Quelle BMWi 2019b eigene Darstellung

Wie bereits die Beschreibung verdeutlicht liegt der Fokus von SINTEG auf der Hebung von Effizienzpo-tenzialen sowie auf der sicheren Stromversorgung Damit werden viele der aktuellen Herausforderun-gen der fortgeschrittenen Energiewende aufgegriffen (siehe oben) Regionale Strukturen sind dabei insofern von Bedeutung als dass auf Ebene der Verteilnetze Effizienzpotenziale ausgelotet und Nut-zungsmodelle entwickelt und ausprobiert werden sollen Spannend ndash und uumlber bisherige Energie-wende-Aktivitaumlten hinausgehend ndash ist dabei das explizite Bemuumlhen um Sektorkopplung also die Ver-knuumlpfung von Strom- Waumlrme- und Verkehrssektor Dazu sollen neben technologischen Herausforde-rungen (Speicherung Power-to-X-Technologien) innovative Marktmechanismen entwickelt werden

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Neben dem starken Fokus auf Effizienz spielen bei SINTEG auch gewisse Aspekte einer Kreislaufwirt-schaft (Konsistenz) im Bereich Stromerzeugung und -speicherung eine Rolle Aus geographischer Per-spektive ist dabei die Foumlrderung regional integrierter Ansaumltze mit einem hohen Innovationspotenzial positiv hervorzuheben die allerdings auf Seite der Akteure von Netzbetreibern Stromversorgern und Industrie sowie von technologischen und marktorientierten Loumlsungen dominiert werden Dementspre-chend ist die Bedeutung zivilgesellschaftlicher Initiativen eher gering und Buumlrger werden vor allem als Marktakteure (Konsumenten bzw Prosumenten) eingebunden

Fazit und Ausblick Erneuerbare Energien haben sich in Deutschland spaumltestens seit der Jahrtausendwende zu einem zent-ralen Gegenstand der Wirtschafts- und Klimapolitik sowie der Raumplanung entwickelt Dabei haben sich Emissionszertifikate als wichtiges Instrument erwiesen deren Wirkung allerdings von ihrem Preis abhaumlngt der lange viel zu niedrig lag Die Ausweitung auf den Waumlrme- und Verkehrssektor im Rahmen des Klimapakets von 2019 ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Erreichung der deutschen Klimaziele allerdings ist auch hier die Preisfrage zentral fuumlr eine signifikante Minderung der CO2-Emis-sionen Daruumlber hinaus foumlrdert die deutsche Politik im Rahmen ihrer Technologiefoumlrderung sowie in den fuumlnf SINTEG-Modellregionen neue technologische Loumlsungen und ihre Umsetzung unter anderem in den Bereichen Speicherung Sektorkopplung und Power-to-X Die damit verbundene Verknuumlpfung und integrative Betrachtung von Strom- Waumlrme- und Verkehrssektor birgt viele Potenziale bei deren ndash auch dezentraler ndash Nutzung digitale Technologien eine zentrale Rolle spielen (sollen) Insgesamt liegt der Fokus der aktuellen Energiewende-Politik stark auf der Effizienzsteigerung und ndash wie bisher ndash erneuerbaren Energien als Wirtschaftsfaktor Neben der sicheren und bdquoleistbarenldquo Strom-versorgung geht es also um die Unterstuumltzung internationaler Wertschoumlpfungsketten sowie die Foumlrde-rung neuer Technologien und exportorientierter Unternehmen in Deutschland Klimapolitisch sind die aktuellen Maszlignahmen dagegen weniger ambitioniert weder wird Wachstum im Sinne einer Suffi-zienzstrategie in Frage gestellt noch werden Ansaumltze der Kreislaufwirtschaft im Sinne einer Konsistenz-strategie an zentraler Stelle beruumlcksichtigt Die regionale Ebene und zivilgesellschaftliche Initiativen sind nur von untergeordneter Bedeutung und dienen ndash so wie bei SINTEG ndash vor allem der Hebung von (weiteren) Effizienzpotenzialen (hier in den regionalen Verteilnetzen) und weniger einer breiten Betei-ligung von Buumlrgern und Zivilgesellschaft Aus geographischer Perspektive laumlsst sich konstatieren dass die hier diskutierten aktuellen Maszlignah-men der Energiewende-Politik zwar dezentrale bzw regionale Strukturen beruumlcksichtigen und nutzen jedoch insbesondere zur Effizienzsteigerung und weniger um damit partizipative Strukturen zivilge-sellschaftliches Engagement oder Debatten zur Nachhaltigkeit der Energiewende zu befoumlrdern Dieses Defizit kann jedoch durch einen kreativen Umgang seitens der genannten Akteure gemildert werden So koumlnnen in den gefoumlrderten Maszlignahmen und Projekten bei entsprechenden Interventionen bzw Engagements neue Formen der lokalen Koordination und Steuerung (weiter)entwickelt bzw auspro-biert werden (Becker amp Naumann 2017) Daruumlber hinaus bieten die Maszlignahmen im Allgemeinen und die konkreten Projekte vor Ort einen Anlass fuumlr Debatten uumlber die damit verfolgten Nachhaltigkeits-strategien In solchen Debatten koumlnnen gegenuumlber der zurzeit vorherrschenden Effizienz- und Markt-orientierung der deutschen Energiewende-Politik Fragen des Gemeinwohls sowie der Verteilungs- und Verfahrensgerechtigkeit staumlrker in den Vordergrund geruumlckt werden So wuumlrde der Next Level der Energiewende nicht der effizienz- und marktorientierten (Wirtschafts-)Politik uumlberlassen sondern eine Mitgestaltung durch Zivilgesellschaft und kritische regionale Akteure erreicht

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10 Jahre Forschung und Lehre zur Energieraumplanung am Institut fuumlr Raumplanung an der TU Wien Erfahrungen und Ausblick

Hartmut Dumke (1) Rudolf Giffinger (2) und Kurt Weninger (3)

DOI 10347261031

(1) UnivAss Dipl-Ing Dr techn Forschungsbereich Regionalplanung und Regionalentwicklung Institut fuumlr Raumplanung TU Wien ORCID 0000-0002-8111-9083

(2) UnivProf Magrernat Drtechn Forschungsbereich Stadt- und Regionalforschung Institut fuumlr Raumplanung TU Wien

(3) Senior Lecturer Dipl-Ing Dipl-Ing Forschungsbereich Bodenpolitik und Bodenmanagement Institut fuumlr Raumplanung TU Wien

Abstract

Nicht erst seit 10 Jahren sind die Anforderungen an die Energiewende verschaumlrft worden aber seit etwa 10 Jahren ist bdquoEnergieraumplanungldquo (ERP) ein wichtiger Forschungs- und Lehrschwerpunkt am Institut fuumlr Raumplanung der TU Wien geworden Der vorliegende Artikel zeigt dazu zunaumlchst die Kon-solidierung im Verstaumlndnis der Energieraumplanung in Oumlsterreich auf und gibt einen Uumlberblick uumlber die vielfaumlltige aber auch sehr heterogene Situation im Umgang mit dem Steuerungsinstrumentarium der Institutionalisierung und den Formen ihrer Verbindlichkeit in den Bundeslaumlndern Danach folgt ein Uumlberblick der wichtigsten Projekte und Lehraktivitaumlten zum Thema ERP seit 2011 am Institut fuumlr Raum-planung Der Artikel schlieszligt mit zwei Anforderungen zur verbesserten Wirksamkeit in Hinblick auf Ziele der Klimapolitik ndash dies vor allem aufgrund unbefriedigender Qualitaumlt und Verfuumlgbarkeit von Grundlagendaten und bislang unzureichender Serialitaumlt und Verbindlichkeit bisheriger ERP-Erfolge

Schluumlsselbegriffe

Energieraumplanung Institut fuumlr Raumplanung ERP Forschungsprojekte und -lehrveranstaltungen Modellierungen Serialitaumlt Verbindlichkeit Dumke H Giffinger R Weninger K (2021) 10 Jahre Forschung und Lehre zur Energieraumplanung am Institut fuumlr Raumpla-nung an der TU Wien Erfahrungen und Ausblick In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumpla-nung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S130-145

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Inhalt Einleitung 132

Zur (Energie-)Raumplanung in Oumlsterreich 133

Rechtlicher Rahmen 133

Konsolidierung im Verstaumlndnis 133

10 Jahre Energieraumplanung in der forschungsgeleiteten Ausbildung 135

Wichtige evidenzbasierte transformative Forschungsprojekte zur Energieraumplanung 137

Problem- und umsetzungsorientierte Lehre zur Energieraumplanung 138

Zukuumlnftige Anforderungen an die Energieraumplanung 139

Resuumlmee und Ausblick 141

Literatur 142

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Einleitung

Vor dem Hintergrund steigender Treibhausgasemissionen aber auch zunehmend klarer klimapoliti-scher Ziele stellen sich in den letzten Jahren verschaumlrfte Anforderungen zur Energiewende Dies sind insbesondere Anforderungen zur Verbesserung der Energieeffizienz (weniger Endenergieeinsatz bei gleichbleibendem Niveau der Lebensqualitaumlt) und Fragen des Umstiegs auf erneuerbare Energien Seit 2015 strebt die Europaumlische Union (Europaumlische Kommission 2015) eine Klimaunion mit dem uumlberge-ordneten Ziel an den Buumlrgern wie Buumlrgerinnen und Betrieben in den Mitgliedsstaaten sichere nach-haltige wettbewerbsfaumlhige und leistbare Energie anzubieten Zur Verminderung von Treibhausgasen (THG) empfehlen die Strategiedokumente der EU neben anderen Domaumlnen vor allem die Verbesserung der Energieeffizienz und den verstaumlrkten Einsatz erneuerbarer Energien auf Basis der Vereinbarungen von Paris (COP 21) Deren Umsetzung soll uumlber verschiedene Ansaumltze auf Ebene der EU und der einzel-nen Mitgliedstaaten erfolgen (Europaumlische Kommission 2015) Die schlieszliglich 2018 uumlberarbeitete Richtlinie von 2010 sieht zudem eine erhoumlhte Reduktion der Emissionen von mindestens 40 bis 2030 (Europaumlische Kommission 2021) vor wobei derzeit diese Ziele auf nationaler Ebene weiter praumlzisiert werden Diese Richtlinie forciert somit Energieeffizienz durch Nutzung geeigneter Technologien und Entwicklung innovativer Produkte durch verstaumlrkte Investitionen im Gebaumludesektor (insbesondere auch thermische Sanierung) (European Commission 2018) Damit im Zusammenhang steht auch das Ziel zum Umstieg und zur Erhoumlhung der Verwendung von erneuerbarer Energie die bis 2030 zumindest auf 32 steigen soll In Oumlsterreich sieht der integrierte nationale Energie- und Klimaplan die Reduktion der THG-Emissionen um 36 (gegenuumlber 2005) sowie die Erhoumlhung des Anteils erneuerbarer Energie am Bruttoendenergieverbrauch auf 46-50 und die 100ige Deckung des Stromverbrauchs aus Er-neuerbaren vor (BMNT 2019) Der Raumplanung und speziell der Energieraumplanung wird dabei eine wichtige integrale Rolle bezuumlglich Energieverbrauch und -versorgung zugemessen Raumplanung beschaumlftigt sich in Oumlsterreich schon seit langem mit Fragen der Trassenplanung zur Ener-gieversorgung und Standortsicherung zur Energieproduktion vor allem von Wasser- und Heizkraftwer-ken Diesen Aufgaben kommt sie aufgrund der verfassungsrechtlich definierten Kompetenzverteilung im Rahmen von Gemeinde- Stadt- und Regionalplanung klar nach Sie muss sich aber neben diesen Aufgaben heute mehr denn je neuen Aufgaben zur Unterstuumltzung der der Energiewende auf unter-schiedlichen Ebenen stellen Es bedarf somit vor allem einer effektiven Energieraumplanung die die Energieeffizienz im Gebaumludesektor und Siedlungsbereich sowie im Verkehrs- und Mobilitaumltsbereich forciert und den Umstieg in der Bereitstellung und Nutzung von erneuerbarer Energie voranbringt Das Institut fuumlr Raumplanung (vormals Department fuumlr Raumentwicklung Infrastruktur- und Umwelt-planung) an der TU Wien traumlgt diesen Herausforderungen seit 10 Jahren verstaumlrkt Rechnung indem es sich in Forschung und Lehre der Themen Energiepotenziale -bedarf -einsparungen und Mobilitaumlt an-nimmt Daraus entstand ein eigenstaumlndiger Ausbildungsschwerpunkt zur Energieraumplanung (ERP) In diesem Beitrag soll nun gezeigt werden wie sich ERP in Oumlsterreich im Laufe der letzten Jahre kon-solidiert und ein gemeinsames Verstaumlndnis herauskristallisiert hat Dazu werden als erstes die wich-tigsten rechtlichen Grundlagen kurz dargestellt und auf Basis verschiedener Beitraumlge und Dokumente aus den letzten Jahren das Verstaumlndnis von ERP zu einer zeitgenoumlssischen Definition verdichtet wozu auch Publikationen aus dem Institut fuumlr Raumplanung wesentlich beigetragen haben Zur Beschrei-bung zeitgenoumlssischer Fragestellungen werden die wichtigsten Schwerpunkte aus Forschung und Lehre aus dem Institut fuumlr Raumplanung aus den letzten Jahren dargestellt Darauf aufbauend werden die wichtigsten zukuumlnftigen Anforderungen an Forschung und Ausbildung zu Problemen der Energie-wende sowie Mitigation und Adaption entwickelt

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Zur (Energie-)Raumplanung in Oumlsterreich

Rechtlicher Rahmen

Gemaumlszlig der Erkenntnis des VfGH ist Raumordnung bdquokeine fuumlr sich stehende Verwaltungsmaterieldquo son-dern ein Buumlndel von Planungsbefugnissen (Verfassungsgerichtshof (VfGH) 1954) Das Raumplanungs-recht gilt somit als Querschnittsmaterie (Leitl 2006 S 106) wobei sie insofern als Landessache gilt als sie nach Art 10 bis 12 B-VG nicht explizit in die Zustaumlndigkeit des Bundes faumlllt Gemaumlszlig Art 15 B-VG faumlllt die allgemeine und integrierte Raumplanung somit den Laumlndern zu was sie sie daher von den Verwal-tungskompetenzen in Deutschland und der Schweiz klar unterscheidet Gleichzeitig durchbrechen sektorale Fachplanungskompetenzen des Bundes wie das Forstwesen der Bergbau das Eisenbahnwe-sen und das Wasserrecht diese grundsaumltzliche Zustaumlndigkeit der oumlsterreichischen Bundeslaumlnder fuumlr Raumplanung (vgl Kanonier 2013 S 24) Auszligerdem faumlllt die Vollziehung der oumlrtlichen Raumplanung nach Art 118 Abs 3 Z 9 B-VG in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden Weiters bestehen zu Aufgaben der Energieraumplanung noch eine Reihe rechtlicher Regelungen ins-besondere Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG zur Luftreinhaltung sowie Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG zur gewerbsmauml-szligigen Versorgung mit Fernwaumlrme und Gas in denen Gesetzgebung und Vollziehung sowie Installati-onsauflagen und Gebaumludestandards als Bundes- oder Landessache geregelt sind Nicht zuletzt ist als neueste rechtliche Regelung das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG 2020) zu nennen zu dem bis Ende Oktober 2020 Stellung genommen werden konnte Mit diesem Gesetz soll der Ausbau von Energie aus erneuerbaren Quellen geregelt werden und gleichzeitig verschiedene Gesetze zu weiteren erneuerba-ren Energiequellen sowie zur Energie- und Elektrizitaumltswirtschaft und zum Infrastrukturausbau geaumln-dert werden Der Beschluss war urspruumlnglich fuumlr den 112021 geplant steht aufgrund von andauern-den politischen Verhandlungen aber nach wie vor aus (DER STANDARD 2021) Das EAG 2020 (Parlament der Rep Oumlsterreich 2020) wird die Rahmenbedingungen fuumlr die Oumlkostromerzeugung weit-gehend aumlndern um in Zukunft privaten Stromerzeugern und Energiegemeinschaften Wege zur dezent-ralen Erzeugung und Nutzung zu ermoumlglichen Durch diese neuen Rahmenbedingungen soll der 100ige Umstieg auf Oumlkostrom1 bis zum Jahr 2030 ermoumlglicht werden indem die Oumlkostromproduk-tion mit zusaumltzlich ca 56 TWh um 48 gegenuumlber der derzeitigen Erzeugung vergroumlszligert wird (KPMG law 2020) Die weitaus groumlszligten Zuwaumlchse werden bei Photovoltaik (+1100 ) und bei Windkraft (+140 ) erwartet Da die Nutzung von beiden erneuerbaren Energiequellen das Mobilisieren groszliger Flaumlchen nebst neuen Standortanforderungen bringt wird rasch einsichtig dass in den naumlchsten Jahren groszlige Anforderungen an die ERP zukommen

Konsolidierung im Verstaumlndnis

Die Diskussion und Kennzeichnung was in Oumlsterreich unter Energieraumplanung zu verstehen sei hat in den letzten Jahren an Intensitaumlt zugenommen und an Praumlzision gewonnen Die Oumlsterreichische Raumordnungskonferenz OumlROK versteht unter Energieraumplanung

bdquoDie Herangehensweise mit der Gemeinden ihre Energie- und Klimazukunft nach-haltig positiv gestalten koumlnnen Das groszlige Ziel dabei ist Energie zu sparen Kosten zu senken und drastisch weniger CO2 auszustoszligenldquo (Oumlsterreichische Raumordnungskonferenz 2019)

1 Gemessen in rechnerischer Gesamtjahresbilanz haumllt Oumlsterreich aktuell bei einem erneuerbar gewonnenen Stromanteil (va

Wasserkraft) von 77 (BMK 2020) Dies ist zwar ein Spitzenwert im europaumlischen Vergleich es sollte dabei aber nicht vergessen werden dass die Energiebedarfe fuumlr Waumlrme und Mobilitaumlt etwa fuumlnf Mal so hoch sind als die fuumlr Elektrizitaumlt - bei gleichzeitig noch erheblich niedrigerem erneuerbaren Energie-Anteil

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Die Taumltigkeitsschwerpunkte liegen auf den drei Themen Energie Mobilitaumlt und Siedlungen also auf dem Umstieg auf erneuerbare Energiequellen auf kompakten Siedlungen mit bdquokurzen Wegenldquo im Sied-lungsgefuumlge (Stadt Region umweltfreundliche Verkehrsverbuumlnden) sowie auf verkuumlrzten Weglaumlngen und Lieferstrecken zwischen Produktion und Konsum von Energie Damit soll insbesondere das Ziel 11

(nachhaltige resiliente Staumldte und Gemeinschaften) der Sustainable Development Goals SDGs (United Nations 2015) unterstuumltzt werden Die Oumlsterreichische Raumordnungskonferenz OumlROK2 als ko-ordinierende Stelle zwischen Fachministerien und den ver-schiedenen Planungsebenen in Oumlsterreich (EU ndash Bund ndash Laumln-der ndash Gemeinden) etablierte die sogenannte Energiepart-nerschaft auf regionaler und lokaler Ebene Damit will die OumlROK strategische Ziele zur Energieeinsparung sowie zum Umstieg aus dem Potentialdreieck Mobilitaumlt - Siedlung ndash Energie forcieren

Abb 1 Das Potenzialdreieck bdquoMobilitaumlt-Siedlung-Energieldquo Quelle Oumls-terreichische Raumordnungskonferenz 2019

Das Umweltbundesamt UBA sieht fuumlr die Energieraumplanung einen neuen Instrumentenmix in den Bereichen Flaumlchenausweisung -recycling Oumlkologisierung des Finanzausgleichs sowie einer Nutzungs-steuer (Umweltbundesamt Oumlsterreich 2020) Deutlich umfassender als die doch sehr heterogenen Auffassungen von Energieraumplanung der Bun-deslaumlnder sind die Definitionen aus der wissenschaftlichen Sicht der Raumplanung Das Institut fuumlr Raumplanung Umweltplanung und Bodenordnung IRUB an der Universitaumlt fuumlr Bodenkultur Wien ver-steht dementsprechend Energieraumplanung

bdquoals Teilgebiet der Raumplanung mit den raumlumlichen Dimensionen von Energiever-brauch und Energieversorgung Sie ist ein wesentlicher Bestandteil zur Erfuumlllung der internationalen Klimaschutzziele Als Pendant zur Energieeffizienz von Gebaumluden gibt es auch energieeffiziente Raum- und Siedlungsstrukturen die sich durch Funk-tionsmischung maszligvolle Dichte kurze Wege und Kompaktheit auszeichnen Raumlum-liche Dimensionen der Energieversorgung liegen in der Standortsicherung von Ener-giegewinnungs- -verteilungs- und -speicheranlagen Daruumlber hinaus sind Flaumlchen fuumlr die Bereitstellung erneuerbarer Ressourcen zu sichern Dies ist unter moumlglichster Vermeidung von Landnutzungskonflikten vorausschauend zu planenldquo (Institut fuumlr Raumplanung Umweltplanung und Bodenordnung (IRUB) 2012)

Am Institut fuumlr Raumplanung an der TU Wien sieht Hartmut Dumke in seiner Dissertation fuumlr die Ener-gieraumplanung sehr heterogene Anforderungen - ausgehend vom sehr groszligen Konfliktpotenzial un-ter sich aumlndernden Bedingungen sowie der Vielfalt an Themen (Waumlrme Elektrizitaumlt Mobilitaumlt) Er de-finiert Energieraumplanung als ein integratives Bemuumlhen um die drei Zieldimensionen energietechni-sche Sanierung von Gebaumluden Erhoumlhung des Anteils erneuerbarer Energie und Senken des Energiebe-darfs im Siedlungsgefuumlge (Dumke 2017 S 21ndash22)

2 In Oumlsterreich ist Raumplanung (siehe dazu naumlchstes Kapitel bdquorechtliche Grundlagenldquo) in der Kompetenz der Bundeslaumlnder

Motivation fuumlr die Gruumlndung OumlROK war ua trotz dieser Tatsache einen bundeslanduumlbergreifenden Diskurs in der Raum-planung und Raumordnung zu ermoumlglichen

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Diese Denkweise haben mittlerweile auch strategische Konzepte auf Bundesebene aufgenommen al-lerdings verbunden mit dem Appell dass die Verankerung im Steuerungsinstrumentarium noch groszlig-teils aussteht

bdquoEine uumlberregional koordinierte und vorausschauende Energieraumplanung vor al-lem in Hinblick auf groszlige Infrastrukturprojekte fuumlhrt zu einer Reduktion des Kon-fliktpotenzials und dadurch zu einer houmlheren Akzeptanz in der Bevoumllkerung [ hellip] Dabei koumlnnen moderne integrierte Energiekonzepte in der Raumplanung zur Ent-scheidungsfindung bei Flaumlchenwidmung der Investition in Infrastruktur sowie Vergabe von Foumlrderungen wie der Wohnbaufoumlrderung eingesetzt werden Wichtig ist auch die Verankerung der Energieraumplanung in den Raumordnungsgesetzen bzw den Bauordnungen der Bundeslaumlnder wofuumlr es bereits erfolgreiche Beispiele gibtldquo (BMNT 2019)

Fasst man diese Perspektiven unter Beruumlcksichtigung der Einwaumlnde und Anforderungen einer Reihe von befragten Experten und Expertinnen an die ERP zusammen dann kann sie folgendermaszligen fuumlr die Planung in Oumlsterreich gekennzeichnet werden (vgl Giffinger et al 2020 S 9)

Energieraumplanung ist als zunehmend eigenstaumlndiges Teilgebiet der Raumpla-nung zu betrachten die unter Beruumlcksichtigung der raumlumlichen Dimensionen darauf abzielt Klimaziele zu unterstuumltzen Dies erfolgt durch Steuerungsansaumltze welche helfen den Energieverbrauch zu reduzieren und Energieversorgung und -bereitstel-lung unter Einsatz moderner Technologien dezentral und nachhaltig zu gestalten Wichtigste drei Zieldimensionen sind Energieeinsparung unter Beibehaltung der Versorgungssicherheit Umstieg und Steigerung des erneuerbaren Energieanteils am Gesamtbedarf und eine Veraumlnderung der Mobilitaumltsentwicklung auf Basis kom-pakter Siedlungen und umweltfreundlicher Mobilitaumltssysteme Angesichts der be-nannten Ziele zaumlhlen (1) das Flaumlchenmanagement zur Reduktion des Flaumlchenver-brauchs (2) die Bereitstellung von Flaumlchen zur Produktion und Nutzung erneuerba-rer Energieressourcen und (3) die Sicherung neuer Trassen zur Energie-Versorgung zu den Hauptaufgaben der Energieraumplanung Energieraumplanung bedarf an-gesichts der territorial spezifischen Rechtsbedingungen (international-national-fouml-deral-kommunal) eines integrierten Ansatzes zur Unterstuumltzung von Transformati-onsprozessen in einer Mehr-Ebenen Perspektive

International ist das Konzept bdquoEnergieraumplanungldquo mittlerweile als bdquoIntegrated spatial and energy planningldquo bekannt geworden und wurde von Oumlsterreich aus in die globale Fachwelt verbreitet Auch wenn der englische Begriff nicht dieselbe Kraft hat wie das deutsche Wort bdquoEnergieraumplanungldquo ist die Synergie zwischen den SDGs und den neun Handlungsfeldern der Energieraumplanung thematisch offensichtlich und wurde mittlerweile auch schluumlssig argumentiert (Stoumlglehner 2020)

10 Jahre Energieraumplanung in der forschungsgeleiteten Ausbildung

In der nun 50-jaumlhrigen Geschichte der Studienrichtung Raumplanung an der TU Wien ist das Thema Raumplanung ndash Energiebedarf ndash Ressourcenverbrauch seit jeher mehr oder weniger explizit in den Forschungs- und Ausbildungsschwerpunkten beruumlcksichtigt worden Einen guten Uumlberblick zur Ent-wicklung und Sichtweisen bieten hierzu die vielfaumlltigen Beitraumlge aus den Forschungsbereichen des In-stituts fuumlr Raumplanung (siehe Dillinger et al (2020) zu einzelnen Thematiken)

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Eine sogenannte Anschubfinanzierung durch die TU Wien fuumlhrte zu einer uumlber mehrere Forschungsbe-reiche koordinierten Beschaumlftigung zu Fragen der Energieraumplanung im Rahmen des Projekts ENUR ndash Energie im urbanen Raum 2012 bis 2014 (Department fuumlr Raumplanung 2013) Wichtige Ergebnisse des Projektes waren Analysen und Modellierungen des Energiebedarfs in den Bereichen WaumlrmeKuumlh-len und Mobilitaumlt in unterschiedlichen Raumbezuumlgen Rebound-Effekte bei Energieeinsparungen Governance-Analysen zur Energieraumplanung sowie Visualisierung von Energiekennzahlen in der oumlrt-lichen Planung Die Forschungsaktivitaumlten brachten eine Reihe von spezifischen Grundlagen wie fol-gende Abbildungen beispielhaft veranschaulichen3

Abb 2 Projekt ENUR Oumlsterreichweites Ras-termodell (250 x 250 m) zum Heizwaumlrmebe-darf in kWh pro Jahr und Einwohner und Ein-wohnerinnen Quelle Department fuumlr Raum-planung 2013

Abb 3 Projekt ENUR Gebaumludegenaue 3D-Modellierung von Energiekennzahl-Werten in Feldkirch Vorarlberg Quelle Department fuumlr Raumplanung 2013

Abb 4 Projekt ENUR Beispiel eines Akteurs-mappings Quelle Department fuumlr Raumpla-nung 2013

Diese Arbeiten waren Ausgangspunkt fuumlr die Etablierung des Themas Ener-gieraumplanung in der Studienrich-tung Raumplanung und Raumord-nung

3 Weitere Informationen und Abbildungen finden sich auf der Projektwebsite httpenurprojecttuwienacat

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Eine inzwischen groszlige Vielfalt von Forschungsprojekten sowie ein Doktoratskolleg zum Thema bdquoEnergy Awareness of urban and regional Developmentldquo erbrachte neben Publikationen eine Reihe entspre-chender praxisorientierter studentischer Projekte Seminare und Vorlesungen in der Studienrichtung vgl hierzu auch die Projektdatenbank der TU Wien (TU Wien 2021a) und die Publikationsdatenbank der TU Wien zum Schwerpunkt Umwelt und Energie (Schlagwort-Suche unter Fakultaumlt fuumlr Architektur und Raumplanung 2021) sowie die Lehrveranstaltungsangebote seit 2010 Da man dieser Vielfalt in der weiteren Darstellung nicht umfassend gerecht werden kann werden im folgendem zwei spezifi-sche Entwicklungslinien in Forschung und Lehre der letzten Jahre im Mittelpunkt erlaumlutert

Wichtige evidenzbasierte transformative Forschungsprojekte zur Energieraumplanung

Auf Basis programmatischer Foumlrderansaumltze zur Forcierung der Energiewende erfolgten im Institut fuumlr Raumplanung eine Reihe von Projekten zur Grundlagenforschung wie auch zur Prozessgestaltung Grundlagenforschung zur Energie- und Mobilitaumltswende erfolgte zum Beispiel in Projekten

bull zum kleinraumlumigen Energiebedarf (HeizenKuumlhlen) in den Siedlungsstrukturen Oumlsterreichs (ENUR ndash Energie im urbanen Raum Energieraumlumliche Typologie Wien AnergieUrban) oder zu den gebaumludespezifischen Energie-Einsparungspotentialen durch Sanierung im Projekt E_Profil

bull in einer bdquoVorstudie zum Fachkonzept bdquoEnergie-Raum-Planungldquo zu einigen Zielstellungen fuumlr verbindliche Verordnungen in der Wiener Bauordnung

bull zu den Erreichbarkeitsbedingungen nach verschiedenen Verkehrstraumlgern und deren subjekti-ver Einschaumltzungen zur Optimierung des Verkehrsangebots (Mobility2know GesMo ENUR active8 Remihub) und Beeinflussung des Nutzerverhaltens im Bereich der Shared Mobility (z B MICHAEL LaraShare Klimaentlaster) fuumlr eine nachhaltige und bedarfsorientierte Mobili-taumltsentwicklung

Forschung zur Prozessgestaltung erfolgte mithilfe sehr unterschiedlicher transdisziplinaumlrer Ansaumltze

bull Unter Verwendung eines mehrdimensionalen Profil-Ansatzes wurde im Projekt E_Profil ein evidenzbasierter Ansatz zum Vergleich IST-Profil und zukuumlnftiges SOLL-Profil zur Gestaltung der Energiewende in Form eines digitalen Tools erarbeitet um auf Ebene von Stadtquartieren Transitionsprozesse transparent zu gestalten

bull Um innovative Energieprojekte in strukturschwachen Regionen zu realisieren wurde im Pro-jekt PLAISIR herausgearbeitet welche Bedeutung dabei insbesondere sozialem Kapital zur Un-terstuumltzung einer an Ressourcen orientierten Energieraumplanung zukommt

bull Um die Mobilitaumltswende zu forcieren wurde im Projekt ULTIMOB vor dem Hintergrund mo-derner Technologien das Hauptaugenmerk auf das Zusammenspiel zwischen Verhalten der Nutzenden und Governance gelegt

bull Im Sinne transdisziplinaumlrer Forschung zur Mobilitaumltswende schafft das urbane Mobilitaumltslabor aspernmobil LAB im Sinne der bdquoquadruple helixldquo eine Forschungsumgebung um effiziente und praxisnahe Mobilitaumltsloumlsungen zu erarbeiten

bull Um die Effektivitaumlt von Strategien von Staumldten und Gemeinden angesichts von Klimawandel und Wettbewerbsdruck zu verbessern sind Projekte zum Thema Smart City durchgefuumlhrt wor-den Diese Projekte (Smart City Graz Planning Energy Efficient Cities ndash PLEEC Smart Kom Kra-kow Smart City Ebreichsdorf) entwickeln unter Einbeziehung von Stakeholdern aus den unter-schiedlichsten Fachbereichen der Stadtentwicklung in Befragungen Workshops und Arbeits-gruppen oder Netzwerken eine Reihe von strategischen Projekten zur Energie- und Mobilitaumlts-wende

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Problem- und umsetzungsorientierte Lehre zur Energieraumplanung

Aufbauend auf den oben beschriebenen Forschungsprojekten wurde mit Einfuumlhrung des Mastercurri-culums im Jahr 2012 das Thema verstaumlrkt in den Grundlagenlehrveranstaltungen und auch als vertie-fender Ausbildungsschwerpunkt in einem Wahlmodul Energieraumplanung verankert Im Fokus steht die Vermittlung von Steuerungsmoumlglichkeiten zu Fragen der energiebewussten Stadt- und Regional-entwicklung vor dem Hintergrund von Klimawandel und Ressourcenknappheit Die dabei benoumltigten Grundlagen zu den treibenden Faktoren im raumlumlich differenzierten Energiebedarf bezuumlglich Infra-strukturen und Mobilitaumlt Bebauungs- und Siedlungsstrukturen sowie Anforderungen an energie- und ressourcenschonende raumlumliche Entwicklung werden von den Studierenden im Rahmen der Lehrver-anstaltungen des Moduls erarbeitet Die Moumlglichkeiten aber auch die Grenzen der Raumplanung zur Reduzierung des Bedarfs einerseits sowie zur Steuerung einer nachhaltigen Versorgung (Einsparung Verlagerung auf erneuerbare Ressourcen) andererseits werden unter strategisch-konzeptiven und in-strumentellen Aspekten identifiziert diskutiert und kreativ weiterentwickelt um die entsprechenden Planungs- und fuumlr maszliggeschneiderte Loumlsungsvorschlaumlge zu definieren In der Hauptvorlesung werden einerseits Grundlagen und Kennzahlen im Bereich Energie rechtliche Rahmenbedingungen und ener-giepolitischen Ziele sowie Potenziale erneuerbarer Energietraumlger (mit Fokus auf Oumlsterreich) vermittelt Andererseits wird groszliges Augenmerk auf die Analyse der Energieeffizienz von Raum- und Siedlungs-strukturen sowie auf die direkten und indirekten Schnittstellen der Bereiche bdquoEnergieldquo (in den Dimen-sionen Waumlrme Strom Mobilitaumlt) und bdquoRaumplanungldquo sowie auf moumlgliche Steuerungsansaumltze gelegt In einer Vorlesungsuumlbung werden anhand ausgewaumlhlter (Praxis-)Beispiele die wesentlichen Schritte fuumlr eine erfolgreiche Energieraumplanung durchgefuumlhrt ndash die Studierenden beschaumlftigen sich dabei eigenstaumlndig mit der Evaluierung des Potenzials erneuerbarer Energietraumlger und Entwicklung von Sze-narien und Entwicklungsstrategien zur Optimierung bzw Weiterentwicklung vorhandener Raum- und Energiestrukturen Erstellung von Energieplaumlnen und Der Vermittlung der Ergebnisse an unterschied-liche Stakeholder Das schematische Vorgehen insbesondere in den praktischen Teilen folgt dem ab-gebildeten Prozess

Abb 5 Schematischer Ablauf der VU Energie- und klimarelevante Ana-lyse und Planung im WS 20192020 in Koopera-tion mit der Klima- und Energiemodell Region so-wie der Marktgemeinde Voumlsendorf Quelle Ei-gene Bearbeitung nach Dumke et al 2017a

Eine Reihe von weite-ren Vorlesungsuumlbun-gen vertiefen die Her-ausforderungen zur Steuerung von mitigativen und adap-tiven Prozessen hin zu

einer klimagerechten Entwicklung Dabei wird das Hauptaugenmerk auf die Qualitaumlt des Steuerungs-verstaumlndnisses gelegt einerseits durch die Analyse und Bewertung von Strategieplaumlnen und Marke-ting-Konzepten und andererseits von neuartigen Living Labs in verschiedenen Varianten Weitere Vor-lesungsuumlbungen fokussieren gezielt auf zukuumlnftige Planungsanforderungen um die Studierenden rechtzeitig auf neue Fragestellungen vorzubereiten

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Das Interesse die Nachfrage und die Leistungsbereitschaft der Studierenden sind dabei erfahrungsge-maumlszlig sehr hoch auch die Resultate wissen zu uumlberzeugen Im Folgenden ein Beispiel hierzu

Abb 6 Ergebnis studenti-scher Projektarbeit Quelle Marktgemeinde Voumlsendorf Klima- und Energiemodellre-gion Voumlsendorf Institut fuumlr Raumplanung (TU Wien) 2019

In Seminaren wird das Verstaumlndnis von Nachhaltigkeit Mitigation und Adaption Smart City oder wie zuletzt von Klimawandel und Resilienz in der Stadt- und Regionalentwicklung kritisch hinterfragt Ziel dieser Seminare ist das Vertiefen konzeptiver Ansaumltze um in eigenstaumlndiger Arbeit entsprechende Strategien von Staumldten und Regionen zu bewerten sowie Empfehlungen aus der Sicht der (Energie-) Raumplanung in einem prozessorientierten Verstaumlndnis zu erarbeiten

Zukuumlnftige Anforderungen an die Energieraumplanung

Betrachtet man Energieraumplanung aus der OumlROK-Perspektive als bdquoTeil der Raumplanungldquo so laumlsst sich sagen dass sowohl das bestehende (klassische) Instrumentarium als auch die (klassischen) Ziele der Raumplanung zur Steuerung der Siedlungsentwicklung auch fuumlr die Energieraumplanung geeignet sind Aufgrund der Erfahrungen zu zunehmend komplexeren Aufgaben der ERP ist aber auch zu beto-nen dass in der Umsetzung aufgrund der Kompetenzsplittung der Raumplanung zwischen Bundeslaumln-dern und Gemeinden sowie von Fachmaterien uumlber verschiedene Bundesministerien ein klares Defizit festzustellen ist (Schremmer 2020) Es braucht offenbar ein klar integratives auf die lokalen Bedingun-gen und Interessen abgestelltes Verstaumlndnis von ERP um veraumlnderte Flaumlchenanspruumlche und -nutzun-

gen zu koordinieren und Transitionsprozesse zur Energiewende effektiv steuern zu koumlnnen Ab-bildung 7 verdeutlicht die heute komplexen Anforderungen und Wir-kungsbereiche noch-mals denen sich die ERP heute gegenuumlbersieht

Abb 7 Wechselwirkungen Raumplanung und Energie Quelle Eigene Abbildung

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Die geaumlnderten Anforderungen spiegeln sich in der aktuellen Studienplanreform wider und gehen ge-meinsam mit dem stark verflochtenen Bereich Mobilitaumlt in ein neues erweitertes und vergroumlszligertes Wahlmodul ein Neben den bereits bestehenden Themen wird besonders Wert auf die integrative Be-trachtung des Bereichs Mobilitaumlt im Kontext von Umwelt und Klima und damit auch in Verbindung mit Energiebedarf als eine unverzichtbare Schnittstelle zur Energieraumplanung gelegt Durch die inte-grierte Betrachtung von Mobilitaumlt Verkehr und Energie sollen planerische Strategien Konzepte und Maszlignahmen unter Einbeziehung spezifischer Wirkungsauspraumlgungen (z B fuumlr Raum Umwelt Wirt-schaft und Gesellschaft) und Wechselwirkungen (z B Energieverbrauch Umweltbeeintraumlchtigung hellip) selbststaumlndig erarbeitet werden (Quelle Moduldeskriptor Wahlmodul 4 ndash Mobilitaumlt und Energie) Fuumlr kuumlnftige Forschungs- und Lehrinhalte ergeben sich aus der bisherigen 10-jaumlhrigen Erfahrung in Lehre und Forschung zwei strategische Anforderungen um die Kompetenz der Absolventinnen und Absolventen zu verbessern Erstens geht es unter dem Begriff bdquoDatenlage Datenschutz und Modellie-rungenldquo darum wie trotz nach wie vor unbefriedigender und sehr heterogener Qualitaumlt der Daten eine Verbesserung in den Modellierungen der Energieraumplanung erreicht werden kann Folgende Anforderungen stellen sich daher

bull Bestehende Datenschichten wie der AGWR (Statistik Austria 2013) liefern derzeit unzu-reichend belastbare Grundlagen fuumlr Aussagen auf Ebene der Gebaumlude- und Siedlungseinheiten zur Modellierung und Abschaumltzung des Energiebedarfs Bislang erfolgte Modellierungsansaumltze ndash ergaumlnzt durch Energiekennzahlen oder Sanierungsraten ndash liefern nur sehr ungenaue Aussa-gen (Department fuumlr Raumplanung 2013) Vielversprechend waumlren etwa lokale Erhebungen (Fachbereich Stadt- und Regionalforschung 2017) oder der verstaumlrkte Einsatz von Open Data und cloudbasierten User- und Userinnendaten Solche Datenquellen sollten dann Zweck ori-entiert den verschiedenen Akteursgruppen und insbesondere jenen in Forschung und Lehre zugaumlnglich gemacht werden

bull Im Bereich der Mobilitaumlt hat sich bezogen auf die Datengrundlagen in den letzten zehn Jahren viel getan Aus Daten der Verkehrsauskunft Oumlsterreich (VAO) der Graphenintegrationsplatt-form (GIP) oder auch den zuletzt entwickelten OumlV-Guumlteklassen wurden Daten- und damit ver-bundene Planungsgrundlagen erarbeitet Im Sinne einer integrierten Planung waumlre es notwen-dig solche Daten in einem einfach handhabbaren Format fuumlr alle Planenden sowie in For-schung und Lehre zur Verfuumlgung zu stellen Zurzeit kommt es zu groszliger Ineffizienz aufgrund mangelnder Moumlglichkeiten des Zugangs zu diesen Datenquellen Zudem fehlen in Oumlsterreich praumlzise und kleinraumlumige Paneldaten zum Mobilitaumltsverhalten uumlber laumlngere Zeitraumlume und mehrere Zeitpunkte die Verhaltensaumlnderungen und -variationen zeigen wuumlrden

bull Die vielgehoumlrte Kritik Analysen und Modelle mit Gebaumlude- oder Quartiersgenauigkeit sei in Oumlsterreich nicht mit dem Datenschutz zu vereinbaren ist zu respektieren aber kritisch zu hin-terfragen Auch in anderen EU-Laumlndern gibt es Datenschutzgesetze aber dort existieren Grundlagendaten gebaumludegenau und diese Informationen sind oumlffentlich und kostenfrei zu-gaumlnglich (vgl u a FIZ Karlsruhe ndash Leibniz-Institut fuumlr Informationsinfrastruktur GmbH 2018 und City of Amsterdam 2018)

bull Zwar gibt es im Sinne der Energieraumplanung mittlerweile interessante rasterbasierte Grund-lagendaten und -auswertungen wenngleich noch bei weitem nicht oumlsterreichweit Bereits be-sonders gut einsetzbare Tools und Daten gibt es derzeit nur in der Steiermark in Wien und in Salzburg) Zugleich bilden aber kleinraumlumige Rasterdaten Siedlungen oder Quartiere als physi-schen und funktional-relationalen Raum ab den sozial-relationalen Entscheidungsraum gilt es durch geeignete Methodentriangulation zu erfassen Die kuumlnftige Lehre und Forschung muss daher in interdisziplinaumlren Ansaumltzen versuchen ERP auf Quartiersebene zu etablieren um sinnvolle Bezuumlge zwischen gebautem unbebautem und sozialen Raum zu entwickeln welche belastbare Aussagen zur Transformationsprozessen ermoumlglichen

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Zweitens muss kuumlnftig auch das bestehende und neu zu entwerfende Instrumentarium der Energie-raumplanung unter dem Blickwinkel von Serialitaumlt und Verbindlichkeit bewertet werden um deren Effektivitaumlt zu verbessern

bull Das bestehende rechtliche Instrumentarium enthaumllt bereits einige Steuerungsoptionen mit Be-zug zur Energieraumplanung ndash etwa direkte Festlegungen im Bebauungsplan die den Einsatz von erneuerbarer Energie unterstuumltzen oder indirekte z B die intensivierte Entwicklung der Siedlungsflaumlchen nach innen o auml Als weiteres Beispiel sei das Instrument von oumlrtlichen Ener-giekonzepten genannt ndash die zwar zum Teil auch als Bestandteile von oumlrtlichen Entwicklungs-konzepten in den Raumordnungsgesetzen genannt allerdings nicht verbindlich sind For-schung und Lehre sollte daher derartige Instrumente auf Ihre Wirksamkeit und Verbindlich-keitsbewerten bzw neue effektivere Instrumente entwickeln

bull Gerade im Bereich der Energieraumplanung stellt sich angesichts regionaler Verflechtungen zur Bereitstellung und zum Bedarf die Frage ob die Lenkungsverantwortung auf der kommu-nalen Ebene ausreichend effektiv sein kann Der Ansatz von Klima- und Energiemodellregionen ist daher unseres Erachtens eher zielfuumlhrend wenn Umsetzbarkeit und Zielerreichung der Energieraumplanung kuumlnftig verbessert werden sollen Nur so waumlren mehr verbindliche Vor-gaben (Empfehlungen aber auch Einschraumlnkungen etwa in Form von Energieraumplaumlnen mit Eignungs- und Ausschlusszonen) auf regionaler Ebene moumlglich um gewisse Energieformen in manchen Regionen gegenuumlber anderen zu priorisieren wie es zB in kantonalen Energiericht-plaumlnen in der Schweiz (Kanton Zuumlrich 2018) der Fall ist Vereinfacht gesagt gehoumlrt erforscht ob eine solche bdquoVerlagerung der Lenkungsverantwortungldquo von der kommunalen zur regiona-len und Bundeslandebene hin die bisherigen Erfolge der Energieraumplanung schneller und einfacher als bisher wiederholbar machen kann Eine Notwendigkeit zur verbesserten Planung und effektiveren Umsetzung ist es daher in der kuumlnftigen Lehre und Forschung der Energie-raumplanung bestehende Geschaumlftsmodelle auf der innerstaumldtischen Quartiersebene oder auf der regionalen Ebene von Territorien kritisch zu bewerten und neue Kooperationsformen zu entwerfen Obwohl es schon einige Vorschlaumlge dazu gibt (siehe u a Essig et al 2017 Madner und Parapatics 2016 Dumke et al 2017b oder Giffinger et al 2020) ist deren Konzeption und Wirksamkeit bislang nicht ausreichend erforscht und findet in der Lehre noch zu wenig Ein-gang

Resuumlmee und Ausblick

Angesichts ehrgeiziger Ziele und Anforderungen im Steuerungsinstrumentarium ist eine Reihe von Neuerungen und Ergaumlnzungen mit speziellem Fokus auf das Thema Energiewende notwendig Insbe-sondere bei der Energieproduktion wurde der Einsatz von eingriffsintensiven und sichtbaren Energie-traumlgern (Landschaftsbild Umwelt Flaumlchenbedarf) staumlrker reglementiert Trotzdem gilt insgesamt dass sich bereits mit dem bestehenden Instrumentarium etliche Aspekte der Energieraumplanung umset-zen lassen z B Beruumlcksichtigung des Themas im oumlrtlichen Entwicklungskonzept Ausweisung der not-wendigen Flaumlchen fuumlr Verdichtung Innenentwicklung sowie Ausweisung von Versorgungsflaumlchen fuumlr Energie Staumlrkere Beruumlcksichtigung energetischer Aspekte im Bebauungsplan etc (Weninger 2016) Allerdings waumlre es sehr wuumlnschenswert die Instrumente in Oumlsterreich auf der Stadtquartiersebene sowie auf der regionalen Ebene staumlrker zu forcieren Angesichts der steigenden Erwartungen werden trotz des umfassenderen Verstaumlndnisses der ERP Defizite zur effektiv gestalteten Energiewende deut-lich Neue Anforderungen an Forschung und Lehre sind deutlich erkennbar um die ERP besser zu etab-lieren und effektiver zu machen Es sind sowohl die Informationsgrundlagen als auch die Verbindlich-keit von Instrumenten auf ihre Brauchbarkeit kritisch in Forschung und Lehre zu bewerten sowie intel-ligente und kreative Vorschlaumlge zu neuen Ansaumltzen und Instrumenten zu entwickeln

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Die Bemuumlhungen um eine bdquoEnergieraumplanungldquo in Oumlsterreich haben etwa 2009 begonnen und seit-her laufend an Bedeutung gewonnen dies ebenso im Institut fuumlr Raumplanung Politisch hat die Ener-gieraumplanung angesichts der draumlngenden Probleme des Klimawandels in den letzten Jahren kraumlftig Ruumlckenwind bekommen ndash sei es durch international koordinierte Initiativen und Vereinbarungen oder auf nationaler Ebene durch neue politische Konstellationen Trotzdem bleibt abzuwarten ob dieser Ruumlckenwind sich auch in einer staumlrker wahrgenommenen Lenkungsverantwortung auf nationaler und foumlderaler Ebene in Oumlsterreich manifestieren wird Eine Staumlrkung der regionalen Ebene aufgrund der erkennbaren Problemlagen aus Forschung und Lehre waumlre jedenfalls sehr dringlich

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United Nations (2015) Sustainable Development Goals (SDG) Online verfuumlgbar unter httpswwwunorgsustainabledevelopmentsustainable-development-goals zuletzt aktualisiert am 23042020 zuletzt gepruumlft am 23042020

Verfassungsgerichtshof (VfGH) (1954) Erkenntnis 2674 Kompetenzfeststellungserkenntnis des VfGH zur Raumordnung als Landessache Online verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatVfghEntschei-dungwxeAbfrage=VfghampDokumentnummer=JFT_19540623_54K0II_2_00ampIncludeSelf=False zuletzt aktualisiert am 20042020 zuletzt gepruumlft am 20042020

Weninger Kurt (2016) Erneuerbare Energie in der Raumplanung Raumordnungsrechtliche und -fachliche Aspekte erneuerbarer Energie in Oumlsterreich Diplomarbeit Wien Online verfuumlgbar unter

Dumke Giffinger Weninger (2021) 10 Jahre Forschung und Lehre zur Energieraumplanung am Institut fuumlr Raumplanung an der TU Wien Erfahrungen und Ausblick DOI 10347261031

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  • Vorwort
    • Rudolf Giffinger Martin Berger Kurt Weninger Sibylla Zech
      • Energie und Klimaschutz in hoheitlichen Planungsprozessen beruumlcksichtigen ndash Bedarf Anwendungsfaumllle und Loumlsungsansaumltze aus der Praxis
        • Alexander Rehbogen (1) und Helmut Strasser (2)
          • Einleitung
          • These 1 Energie- und klimaschutzbezogene Inhalte sollten im Kontext der Raumplanung Beruumlcksichtigung finden
          • These 2 Drei Bereiche sind fuumlr die Beruumlcksichtigung energiebezogener Fragestellungen in der Raumplanung maszliggeblich Siedlungsstruktur und Gebaumludebestand Energieversorgungsinfrastruktur und die Nutzung lokaler erneuerbarer Ressourcen
          • These 3 Energiebezogene Inhalte sollen und koumlnnen direkt an bestehende Prozesse der Raumplanung anknuumlpfen
          • These 4 Die erforderliche Information zur Umsetzung von Raumlumlicher Energieplanung muss und kann standardisiert und effizient bereitgestellt werden
          • These 5 Notwendige Datengrundlagen in moumlglichst feiner Granularitaumlt und hoher Aktualitaumlt sind unter Beruumlcksichtigung des Datenschutzes verfuumlgbar zu machen
          • These 6 Den Bundeslaumlndern kommt eine Schluumlsselrolle in der Implementierung von raumlumlicher Energieplanung zu
          • Schlussfolgerungen Ausblick
          • Literatur
              • Das Sachbereichskonzept Energie in der Steiermark Ein Buumlndel aus rechtlicher Verankerung fachlichen Grundlagen fundierter Beratung und finanzieller Foumlrderung
                • Lore Abart-Heriszt (1) Dieter Preiszlig (2) und Michael Redik (3)
                  • Rahmenbedingungen des Landes fuumlr die Energieraumplanung in der Steiermark
                  • Energie- und Treibhausgasdatenbanken und die Ausweisung energieraumplanerischer Standortraumlume
                    • Kommunale Energie- und Treibhausgasdatenbank
                    • Rasterbasierte Energie- und Treibhausgasdatenbank
                    • Energieraumplanerische Standortraumlume
                      • Klimaschutz und das Foumlrderungsprogramm zur Energieraumplanung in der Steiermark
                      • Schlussbemerkung
                      • Literatur
                          • Energieraumplaumlne ndash ein Meilenstein am Weg zur nachhaltigen Energiezukunft Wiens
                            • Susanna Erker (1) Andrea Kinsperger (2) Herbert Hemis (3) und Bernd Vogl (4)
                              • Einleitung
                              • Wo stehen wir
                                • Die Waumlrmewende
                                • Erdgas und Fernwaumlrme im Waumlrmesektor
                                  • Wo wollen wir hin
                                  • Die Energieraumplaumlne ndash ein neues Planungsinstrument fuumlr die Waumlrmewende
                                    • Die Abgrenzung der Klimaschutz-Gebiete
                                    • Der Prozess hinter den Energieraumplaumlnen
                                    • Die Auswirkungen der Energieraumplaumlne
                                      • Wie geht es weiter
                                      • Literatur
                                          • Energieraumplanung Das oumlsterreichische Instrumentarium im IST und SOLL
                                            • Hartmut Dumke (1) und Stefan Geier (2)
                                              • Einleitung
                                              • Erfolgsgeschichten
                                              • Instrumente der (E)RP
                                              • Fazit
                                              • Literatur
                                                  • Datenlandschaft der Energieraumplanung ndash eine Standortbestimmung
                                                    • Robert Kalasek (1) und Florian Puumlhringer (2)
                                                      • Energieraumplanung braucht Information
                                                      • Datengrundlagen und Datenqualitaumlt
                                                        • Anspruumlche an Datenqualitaumlt
                                                        • Informationen zum Energieverbrauch
                                                        • Gebaumlude- und Wohnungsdaten
                                                        • Energieausweis als Informationssubstitut
                                                        • Daten zur Energieinfrastruktur
                                                          • Informationsaustausch
                                                            • Rolle der oumlffentlichen Verwaltung (Administration)
                                                            • Rolle von Unternehmen aus dem privaten Sektor
                                                              • Fazit
                                                              • Literatur
                                                                  • Das Energiemosaik Austria Eine Energie- und Treibhausgasdatenbank fuumlr alle oumlsterreichischen Staumldte und Gemeinden
                                                                    • Lore Abart-Heriszt (1)
                                                                      • Die Entwicklung einer strategischen Datenbank als Aufgabenfeld der Energieraumplanung
                                                                      • Statistische Datenbasis
                                                                      • Strukturdaten Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen
                                                                      • Nutzungen Verwendungszwecke und Energietraumlger
                                                                      • Raumlumliche Parameter Energiekennzahlen und Emissionsfaktoren
                                                                      • Modellierung des Energieverbrauches und der Treibhausgasemissionen
                                                                      • Energieverbrauch in Oumlsterreich
                                                                      • Treibhausgasemissionen in Oumlsterreich
                                                                      • Schlussfolgerungen
                                                                      • Literatur
                                                                          • Institutionelle Gestaltung von energieraumplanerischen Politiken Das Fallbeispiel der niederlaumlndischen Windkraftzonierung
                                                                            • Pia Nabielek (1)
                                                                              • Einleitung
                                                                              • Institutionelle Gestaltung
                                                                              • Das Fallbeispiel des niederlaumlndischen Strukturplans fuumlr Onshore-Windkraftanlagen
                                                                              • Schlussfolgerungen
                                                                              • Danksagung
                                                                              • Literatur
                                                                                  • Elektromobilitaumlt Integration von Elektromobilitaumlt in die Verkehrsplanung ndash welche Anpassungen unserer Werkzeuge brauchen wir
                                                                                    • Martin Kagerbauer (1)
                                                                                      • Ausgangslage
                                                                                      • Definition
                                                                                      • Anforderungen der Elektromobilitaumlt an die Planungswerkzeuge
                                                                                      • Anpassung der Planungswerkzeuge
                                                                                        • Erhebung
                                                                                        • Modellierung
                                                                                          • Schlussfolgerung
                                                                                          • Literatur
                                                                                              • Ansaumltze fuumlr die Mobilitaumlts- und Energiewende im staumldtischen Guumlterverkehr
                                                                                                • Bert Leerkamp (1)
                                                                                                  • Ausgangslage
                                                                                                  • Herausforderungen fuumlr eine gebietsbezogene Buumlndelung
                                                                                                  • Ansaumltze einer gebietsbezogenen Buumlndelung im Bereich der Einzelhandels- und Endkundenversorgung
                                                                                                    • Beispiele fuumlr sektorale gebietsbezogene Buumlndelung (KEP-Logistik)
                                                                                                    • Beispiel fuumlr sektorale kooperative gebietsbezogene Buumlndelung (Stuumlckgutlogistik)
                                                                                                    • Beispiel fuumlr kooperative gebietsbezogene Buumlndelung (Integration von KEP- und Stuumlckgut)
                                                                                                    • Gebietsspediteur Ansatz fuumlr eine regulatorische Gestaltung
                                                                                                      • Initiierung gebietsbezogener Buumlndelungskonzepte durch die Kommunen
                                                                                                      • Steuerung der Energiewende im staumldtischen Lieferverkehr
                                                                                                      • Sicherung von Logistikflaumlchen in der Stadt als Voraussetzung fuumlr Buumlndelung
                                                                                                      • Literatur
                                                                                                          • Neue Wege in der Energieraumplanung
                                                                                                            • Gernot Stoumlglehner (1)
                                                                                                              • Ausgangslage
                                                                                                              • Strategie in der Energieraumplanung
                                                                                                                • Strategische Datenbasis
                                                                                                                • Planungsmethodik
                                                                                                                • Institutionelle Rahmenbedingungen
                                                                                                                  • Sektorkopplung als neue Herausforderung fuumlr die Energieraumplanung
                                                                                                                  • Didaktik der Energieraumplanung
                                                                                                                  • Fazit
                                                                                                                  • Literatur
                                                                                                                      • Die deutsche Energiewende zwischen Wirtschafts- und Klimazielen ndash eine geographische Perspektive
                                                                                                                        • Britta Klagge (1)
                                                                                                                          • Einfuumlhrung
                                                                                                                          • Geographien und Governance der deutschen Energiewende
                                                                                                                          • Die deutsche Energiewende positive wirtschaftliche Effekte aber klimapolitisch (bisher) kein Erfolg
                                                                                                                          • Aktuelle klima- bzw energiepolitische Maszlignahmen Klimapaket (2019) und SINTEG-Modellregionen (2017-2020)
                                                                                                                            • Das Klimapaket von 2019 umfangreiches Investitionsprogramm aber klimapolitisch wenig ambitioniert
                                                                                                                            • SINTEG 2017-2020 Foumlrderung von Modellregionen fuumlr smarte (Verteil-)Netze und flexible Maumlrkte durch Digitalisierung
                                                                                                                              • Fazit und Ausblick
                                                                                                                              • Literatur
                                                                                                                                  • 10 Jahre Forschung und Lehre zur Energieraumplanung am Institut fuumlr Raumplanung an der TU Wien Erfahrungen und Ausblick
                                                                                                                                    • Hartmut Dumke (1) Rudolf Giffinger (2) und Kurt Weninger (3)
                                                                                                                                      • Einleitung
                                                                                                                                      • Zur (Energie-)Raumplanung in Oumlsterreich
                                                                                                                                        • Rechtlicher Rahmen
                                                                                                                                        • Konsolidierung im Verstaumlndnis
                                                                                                                                          • 10 Jahre Energieraumplanung in der forschungsgeleiteten Ausbildung
                                                                                                                                            • Wichtige evidenzbasierte transformative Forschungsprojekte zur Energieraumplanung
                                                                                                                                            • Problem- und umsetzungsorientierte Lehre zur Energieraumplanung
                                                                                                                                              • Zukuumlnftige Anforderungen an die Energieraumplanung
                                                                                                                                              • Resuumlmee und Ausblick
                                                                                                                                              • Literatur
Page 4: JUNI 2021, WIEN ENERGIE RAUM PLANUNG

3

Inhalt VORWORT 4

RUDOLF GIFFINGER MARTIN BERGER KURT WENINGER SIBYLLA ZECH

ENERGIE UND KLIMASCHUTZ IN HOHEITLICHEN PLANUNGSPROZESSEN BERUumlCKSICHTIGEN ndash BEDARF ANWENDUNGSFAumlLLE UND LOumlSUNGSANSAumlTZE AUS DER PRAXIS 5

ALEXANDER REHBOGEN UND HELMUT STRASSER

DAS SACHBEREICHSKONZEPT ENERGIE IN DER STEIERMARK EIN BUumlNDEL AUS RECHTLICHER VERANKERUNG FACHLICHEN GRUNDLAGEN FUNDIERTER BERATUNG UND FINANZIELLER FOumlRDERUNG

18

LORE ABART-HERISZT DIETER PREIszlig UND MICHAEL REDIK

ENERGIERAUMPLAumlNE ndash EIN MEILENSTEIN AM WEG ZUR NACHHALTIGEN ENERGIEZUKUNFT WIENS 28

SUSANNA ERKER ANDREA KINSPERGER HERBERT HEMIS UND BERND VOGL

ENERGIERAUMPLANUNG DAS OumlSTERREICHISCHE INSTRUMENTARIUM IM IST UND SOLL 38

HARTMUT DUMKE UND STEFAN GEIER

DATENLANDSCHAFT DER ENERGIERAUMPLANUNG ndash EINE STANDORTBESTIMMUNG 48

ROBERT KALASEK UND FLORIAN PUumlHRINGER

DAS ENERGIEMOSAIK AUSTRIA EINE ENERGIE- UND TREIBHAUSGASDATENBANK FUumlR ALLE OumlSTERREICHISCHEN STAumlDTE UND GEMEINDEN 62

LORE ABART-HERISZT

INSTITUTIONELLE GESTALTUNG VON ENERGIERAUMPLANERISCHEN POLITIKEN DAS FALLBEISPIEL DER NIEDERLAumlNDISCHEN WINDKRAFTZONIERUNG 73

PIA NABIELEK

ELEKTROMOBILITAumlT INTEGRATION VON ELEKTROMOBILITAumlT IN DIE VERKEHRSPLANUNG ndash WELCHE ANPASSUNGEN UNSERER WERKZEUGE BRAUCHEN WIR 83

MARTIN KAGERBAUER

ANSAumlTZE FUumlR DIE MOBILITAumlTS- UND ENERGIEWENDE IM STAumlDTISCHEN GUumlTERVERKEHR 99

BERT LEERKAMP

NEUE WEGE IN DER ENERGIERAUMPLANUNG 110

GERNOT STOumlGLEHNER

DIE DEUTSCHE ENERGIEWENDE ZWISCHEN WIRTSCHAFTS- UND KLIMAZIELEN ndash EINE GEOGRAPHISCHE PERSPEKTIVE 119

BRITTA KLAGGE

10 JAHRE FORSCHUNG UND LEHRE ZUR ENERGIERAUMPLANUNG AM INSTITUT FUumlR RAUMPLANUNG AN DER TU WIEN ERFAHRUNGEN UND AUSBLICK 130

HARTMUT DUMKE RUDOLF GIFFINGER UND KURT WENINGER

4

Vorwort

Rudolf Giffinger Martin Berger Kurt Weninger Sibylla Zech

Klimaschutz und Erreichen der Klimaziele stellen angesichts des Klimawandels zentrale Herausforde-rungen fuumlr Politik Gesellschaft und Wirtschaft dar Bisherige Bemuumlhungen in Oumlsterreich aber auch auf Ebene der EU zum verringerten Energieverbrauch zum Umstieg auf erneuerbare Energiequellen oder zur Reduktion von Emissionen sind unterschiedlich erfolgreich Offenbar reichen sie aber ange-sichts der weiter steigenden Emissionen und ihrer Auswirkungen auf den Temperaturanstieg (als trei-bende Kraft des Klimawandels) nicht aus der globalen Klimakrise effektiv entgegenzuwirken wie entsprechende Indikatoren und Analysen zur Entwicklung auf verschiedenen Ebenen zeigen

Blicken wir auf die Situation in Oumlsterreich dann ist leicht erkennbar dass Maszlignahmen zur Reduktion des Energieverbrauchs vor allem in der Verkehrs- und Siedlungsentwicklung bislang nicht ausrei-chend erfolgreich sind Eine Energiewende ndash im Sinne der Reduktion des Energiebedarfs sowie des Umstiegs auf erneuerbare Energiequellen ndash ist daher unerlaumlsslich

Raumplanung ndash zumeist verstanden als eine querschnittsorientierte Materie zur Steuerung der raumlum-lichen Nutzung und Entwicklung ndash kommt damit ein groszliger Stellenwert zu Es geht um den Umbau der Siedlungsstrukturen und der Verkehrssysteme um das Senken des Energieverbrauchs sowie um den Umstieg auf dezentral genutzte erneuerbare Energieressourcen Angesichts vielfaumlltiger neuer Aufgaben und Anforderungen erscheint es daher notwendig den Beitrag der Raumplanung zur Ener-giewende nicht nur als zusaumltzliche Aufgabe zu sehen sondern zu ergruumlnden welche neuartige Ener-gieraumplanung es braucht und welche neuen Ansaumltze ihre Effektivitaumlt verbessern koumlnnen

Diesen Herausforderungen widmet sich diese Publikation

Ausgehend von einer Tagung zum Thema Energieraumplanung ndash Herausforderungen Loumlsungen und Next Level konnten eine Reihe interessanter Beitraumlge gewonnen werden Sie kennzeichnen einerseits aktuelle Anforderungen und Erfahrungen zur Energieraumplanung und diskutieren andererseits An-saumltze und Aktivitaumlten bezuumlglich der derzeitigen Ausbildung zur Energieraumplanung in der Studien-richtung Raumplanung an der TU Wien

Nicht zuletzt ist zu betonen dass diese Publikation nicht ohne Unterstuumltzung des Review-Prozesses sowie beim Korrigieren und Gestalten der Beitraumlge zustande gekommen waumlre Herzlichen Dank hier-fuumlr Unser Dank gilt last but not least insbesondere den Kolleginnen und Kollegen an Universitaumlten sowie an verschiedenen Forschungs- und Planungsinstitutionen in Deutschland und Oumlsterreich fuumlr ihre kompetenten und wertvollen Beitraumlge

Die Herausgeberin und die Herausgeber

5

Energie und Klimaschutz in hoheitlichen Planungsprozessen beruumlcksich-tigen ndash Bedarf Anwendungsfaumllle und Loumlsungsansaumltze aus der Praxis

Alexander Rehbogen (1) und Helmut Strasser (2)

DOI 1034726807

(1) Mag MBA SIR ndash Salzburger Institut fuumlr Raumordnung und Wohnen Fachbereich Energie

(2) Dipl-Ing SIR ndash Salzburger Institut fuumlr Raumordnung und Wohnen Fachbereich Energie

Abstract

Die Themen Energiewende und Klimaschutz sind heute als oumlffentliches Interesse etabliert und erheben sich damit auch in der Raumplanung aus dem bisherigen Schattendasein Energieraumplanung hat in den letzten beiden Jahren groszlige Entwicklungsspruumlnge gemacht und ist in der Praxis angekommen Erste Bundeslaumlnder haben effektive Schritte zur Beruumlcksichtigung von energie- und klimaschutzbezo-genen Fragestellungen in hoheitlichen Planungsprozessen gesetzt In Wien der Steiermark und Salz-burg gibt es heute etablierte Prozesse welche in der Praxis erfolgreich exekutiert werden Datenbereitstellung Datenhosting Datenverarbeitung Informationsaufbereitung und -bereitstellung Qualitaumltssicherung sowie die Schaffung des rechtlichen Rahmens stellen die maszliggeblichen Grundlagen dar Aufgrund der Kompetenzenverteilung und der notwendigen Ressourcen kommt den Bundeslaumln-dern als Institutionen eine Schluumlsselrolle zu um die Integration des neuen Materienkomplexes in be-stehende Prozesse der Raumplanung in der Praxis bewerkstelligen zu koumlnnen Nach der Etablierung erster Prozesse zur Beruumlcksichtigung energie- und klimaschutzbezogener Inhalte in der Raumplanung muss es in den naumlchsten Schritten darum gehen die Instrumente konsequent weiterzuentwickeln zu verbessern und thematisch zu vertiefen eine eindeutige Rechtssicherheit fuumlr die Umsetzung zu schaffen und diese in der Praxis sicherzustellen sowie die nuumltzlichen Erfahrungen auf weitere Bundeslaumlnder zu skalieren

Schluumlsselbegriffe

Energieplanung kommunale Waumlrmeplanung Energieraumplanung Klimaschutz Energiewende Waumlr-mewende Rehbogen A Strasser H (2021) Energie und Klimaschutz in hoheitlichen Planungsprozessen beruumlcksichtigen ndash Bedarf An-wendungsfaumllle und Loumlsungsansaumltze aus der Praxis In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumpla-nung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S5-17

Rehbogen Strasser (2021) Energie und Klimaschutz in hoheitlichen Planungsprozessen beruumlcksichtigen ndash Bedarf Anwen-dungsfaumllle und Loumlsungsansaumltze in der Praxis DOI 1034726807

6

Inhalt Einleitung 7

These 1 Energie- und klimaschutzbezogene Inhalte sollten im Kontext der Raumplanung Beruumlcksichtigung finden 7

These 2 Drei Bereiche sind fuumlr die Beruumlcksichtigung energiebezogener Fragestellungen in der Raumplanung maszliggeblich Siedlungsstruktur und Gebaumludebestand Energieversorgungsinfrastruktur und die Nutzung lokaler erneuerbarer Ressourcen 8

These 3 Energiebezogene Inhalte sollen und koumlnnen direkt an bestehende Prozesse der Raumplanung anknuumlpfen 9

These 4 Die erforderliche Information zur Umsetzung von Raumlumlicher Energieplanung muss und kann standardisiert und effizient bereitgestellt werden 11

These 5 Notwendige Datengrundlagen in moumlglichst feiner Granularitaumlt und hoher Aktualitaumlt sind unter Beruumlcksichtigung des Datenschutzes verfuumlgbar zu machen 12

These 6 Den Bundeslaumlndern kommt eine Schluumlsselrolle in der Implementierung von raumlumlicher Energieplanung zu 13

Schlussfolgerungen Ausblick 15

Literatur 15

Rehbogen Strasser (2021) Energie und Klimaschutz in hoheitlichen Planungsprozessen beruumlcksichtigen ndash Bedarf Anwen-dungsfaumllle und Loumlsungsansaumltze in der Praxis DOI 1034726807

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Einleitung

Die Beruumlcksichtigung von Energie in formellen und informellen Planungsprozessen (von der oumlrtlichen Entwicklungsplanung uumlber staumldtebauliche Wettbewerbe und baubehoumlrdliche Verfahren bis zur Infra-strukturplanung) ist seit vielen Jahren wichtiges Thema in den nationalen Klimaschutzbestrebungen Bereits bei der Entwicklung des bdquoe5-Programms fuumlr energieeffiziente Gemeindenldquo (vgl Onlinequelle e5) vor mehr als 20 Jahren wurde der Raumordnung auf kommunaler Ebene eine groszlige Bedeutung beigemessen Waumlhrend aber seither in zahlreichen anderen klimaschutzrelevanten Handlungsfeldern einer Gemeinde wirksame Instrumente eingesetzt und hunderte Maszlignahmen und best-practices um-gesetzt wurden war lange Zeit relativ unklar wie die Raumordnung konkret zur Erreichung der Klima-schutzziele beitragen kann Zum einen ist die Ursache dafuumlr in den Vorgaben der Raumordnungsgesetze der Bundeslaumlnder zu su-chen die diesbezuumlglich nur sehr vage formuliert sind und wenig Spielraum zulassen Zum anderen aber gestaltete sich auch die Bewertung von Aktivitaumlten und Maszlignahmen von Gemeinden aufgrund fehlen-der Qualitaumltsmaszligstaumlbe und Beurteilungskriterien als schwierig Inzwischen haben sich aus den verschiedenen Bestrebungen und als Ergebnis der Kooperation mehre-rer Bundeslaumlnder unter anderem im Zuge von zwei OumlREK-Partnerschaften (vgl Onlinequelle OumlREK) An-saumltze konkretisiert und erste Schritte zu einer verbindlicheren Verankerung von Klimaschutzaspekten in den hoheitlichen Planungsprozessen wurden gesetzt Ausgehend von sechs Thesen wird in diesem Beitrag versucht einen moumlglichen Weg zu einer verbind-lichen Beruumlcksichtigung des Klimaschutzes in der Raumplanung aufzuzeigen und diesen auf Basis prak-tischer Beispiele darzustellen

These 1 Energie- und klimaschutzbezogene Inhalte sollten im Kontext der Raum-planung Beruumlcksichtigung finden

Raumordnung ist fuumlr die zweckentsprechende raumlumliche Verteilung von Anlagen und Einrichtungen im Sinne des oumlffentlichen Interesses verantwortlich (vgl Mair 2012 S 1) Spaumltestens seit der Etablierung von Klimaschutz als oumlffentliches Interesse (vgl Europaumlisches Parlament 2019 und entsprechende ver-bindliche Zielsetzungen auf allen politischen Ebenen) muumlssten Energie und Klimaschutz in der Raum-ordnung als zusaumltzlicher Materienkomplex eine entsprechende Beruumlcksichtigung finden Dem wird in einer zunehmenden Zahl von Raumordnungsgesetzen (vgl StROG2010 sect 3 (2) z 2i SROG 2009 sect2 (2) z4 BO fuumlr Wien 1930 sect1 Abs2 z4 VGRP 1996 sect 11 (1) bzw sect 28 TROG 2016 sect1 (2i)) Rechnung getragen Klimaschutz ist hier jeweils in den Grundsaumltzen und Zielen sowie teilweise in den Anforderungen vor allem zur Entwicklungsplanung verankert Die Verbindlichkeit variiert dabei zwi-schen Kann- und Muss-Bestimmungen

Aus der Praxis

Konkrete Schritte zur Erhoumlhung der Verbindlichkeit Praumlzisierung der Inhalte und Nutzung von weiteren hoheitlichen Steuerungsinstrumenten wurden in den letzten Jahren vor allem in Wien der Steiermark und Salzburg vorangetrieben Hier gibt es bereits konkrete Anhaltspunkte und Anforderungen die in der Praxis beruumlcksichtigt werden

In der Steiermark sind einerseits ein moumlglicher Anschlusszwang fuumlr Fernwaumlrme in-nerhalb lufthygienischer Sanierungsgebiete (vgl StROG sect22 (9)) der in Graz bereits umgesetzt wurde sowie eine Landes-Foumlrderung fuumlr Aktivitaumlten im Bereich Raumlumli-cher Energieplanung (insbesondere die Erstellung von Sachbereichskonzepten fuumlr Energie (ebd sect21 (3)) zu erwaumlhnen

Rehbogen Strasser (2021) Energie und Klimaschutz in hoheitlichen Planungsprozessen beruumlcksichtigen ndash Bedarf Anwen-dungsfaumllle und Loumlsungsansaumltze in der Praxis DOI 1034726807

8

In Wien wurde mit der Novelle der BO fuumlr Wien 2018 (LGBI 201869) eine Verord-nungsermaumlchtigung fuumlr sogenannte Energieraumplaumlne geschaffen Gemaumlszlig sect 2b BO fuumlr Wien kann fuumlr Teile des Stadtgebietes ein Energieraumplan als Verordnung er-lassen werden In den festgelegten Gebieten sind fuumlr Heizungs- und Warmwasser-bereitungsanlagen in Neubauten nur hocheffiziente Fernwaumlrme oder andere hoch-effiziente alternative Systeme (sect 118 Abs 3 BO fuumlr Wien) zulaumlssig Diese Verordnun-gen werden bezirksweise erarbeitet Die ersten drei Energieraumplaumlne wurden be-reits beschlossen und traten mit 23102020 in Kraft

In Salzburg gibt es seit der letzten Novellierung des SROG mit 112018 Anforderun-gen hinsichtlich Darstellung der energiebezogenen Inhalte in den Bestandsanalysen (vgl SROG sect 24 (1) z2) bzw betreffend der Aussagen zur angestrebten Energiever-sorgung (vgl ebd sect25 (2) z5) in den raumlumlichen Entwicklungskonzepten (fortan bdquoREKldquo) Die Qualitaumltssicherung erfolgt im Rahmen des Amtshilfeverfahrens durch das fachlich zustaumlndige Referat 404 Energiewirtschaft und -beratung des Amtes der Salzburger Landesregierung und ist mit einem kostenlosen Informationsservice fuumlr die Gemeinden verknuumlpft

Die Beruumlcksichtigung energie- und klimaschutzbezogener Fragen ist in einigen Bundeslaumlndern bereits moumlglich oder sogar gefordert Die Umsetzung hat sich in den letzten zwei Jahren mit konkreten An-wendungen etabliert

These 2 Drei Bereiche sind fuumlr die Beruumlcksichtigung energiebezogener Fragestel-lungen in der Raumplanung maszliggeblich Siedlungsstruktur und Gebaumludebestand Energieversorgungsinfrastruktur und die Nutzung lokaler erneuerbarer Ressour-cen

Zahlreiche Studien belegen dass raumordnungsrelevante Festlegungen maszliggeblich zum Klimaschutz beitragen Eine Untersuchung von bestehenden Siedlungen ergab einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Bebauungsdichte und Primaumlrenergieverbrauch (vgl Ott 2008 S 5) Ebenso ist der Motorisie-rungsgrad bei houmlherer Besiedlungsdichte geringer (VCOuml 2019) Die Bebauungsdichte ist daruumlber hinaus ausschlaggebend fuumlr die Versorgungsinfrastrukturen Die Moumlglichkeit zum wirtschaftlichen Betrieb von netzgebundener Waumlrmeversorgung die als Schluumlssel fuumlr die Energiewende im Bereich der Waumlrme gesehen wird (vgl Maaszlig et al 2015) ist direkt von kompak-ten und nutzungsgemischten Siedlungsstrukturen abhaumlngig Durch Vorzieheffekte kann die Fern-waumlrme maszliggeblich zum Tausch fossiler Heizsysteme beitragen Das politische Ziel des Phase-Outs fos-siler Energietraumlger wird durch das Verbot des Einbaus von Oumllkesseln im Neubau (vgl OumlKEVG 2019) bereits aktiv forciert Fuumlr den Bereich der Gasversorgung muumlssen im Hinblick auf eine Erreichung der Klimaschutzziele aumlhnliche Maszlignahmen folgen (vgl Oumlsterreichische Bundesregierung 2020 S 110) Sie werden aktuell in der Entwicklung einer oumlsterreichischen Waumlrmestrategie (vgl Onlinequelle BMLRT) diskutiert und sind als Ziele in einigen Bundeslaumlndern bereits verankert (vgl Land Salzburg 2015 S 10) Die Forcierung von Fernwaumlrme (aus erneuerbaren Energiequellen) auch uumlber Instrumente der Raum-ordnung genauso wie der kuumlnftige Umgang mit bestehenden Gasinfrastrukturen erheben sich zu raum-ordnungsrelevanten Fragestellungen Mit der Frage der Energieversorgungsinfrastruktur verbunden ist die Nutzung lokaler erneuerbarer Energiequellen Das Beispiel Salzburg in dem die Zahl der Biomasse-Waumlrmenetze die Zahl der Gemein-den uumlbersteigt verdeutlicht die Kompatibilitaumlt von nachhaltiger Energie- und Wirtschaftspolitik indem die lokale Biomasse sinnvoll in nachhaltiger netzgebundener Waumlrmeversorgung in Wert gesetzt wird Synonym koumlnnen auch lokale Abwaumlrmepotenziale aus Gewerbe und Industrie erst uumlber Waumlrmenetze

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nutzbar gemacht werden Neben der Nutzung lokaler Ressourcen ist auch die Nutzung von Raum fuumlr die Energieerzeugung zu reflektieren Die Energiewende benoumltigt zusaumltzliche Flaumlchen fuumlr die Energie-gewinnung aus nachhaltigen Quellen Niederoumlsterreich und die Steiermark zeigen hier mit den Wind-energie-Eignungsflaumlchen strukturierte Ansaumltze fuumlr flaumlchendeckende Loumlsungen Eine weitere raumord-nungsrelevante Diskussion im Kontext der Raumnutzung betrifft die Freiflaumlchenanlagen fuumlr die Solar-energiegewinnung (Solarthermie oder Photovoltaik) Zuletzt kommt der hoheitlichen Planung im Kon-text der erneuerbaren Potenziale auch eine koordinierende Rolle zu wenn es darum geht die gegen-seitige negative Beeinflussung von Erd- oder Grundwasserwaumlrmepumpen zu vermeiden Aus den Ausfuumlhrungen lassen sich drei Bereiche ableiten in denen die Beruumlcksichtigung energiebezo-gener Inhalte in der Raumplanung eine besondere Relevanz aufweist Die zukunftsfaumlhige Raument-wicklung und Siedlungsstruktur die planvolle Entwicklung der Energieversorgungsinfrastruktur und die Nutzung der verfuumlgbaren erneuerbaren Energiepotenziale

Abb 1 3x3 Energie im REK eigene Abbildung

These 3 Energiebezogene Inhalte sollen und koumlnnen direkt an bestehende Pro-zesse der Raumplanung anknuumlpfen

In weiterer Folge stellt sich die Frage wie diese Inhalte in den betreffenden Prozessen und Instrumen-ten der Raumordnung beruumlcksichtigt werden koumlnnen Da die betreffenden Rechtsmaterien Raumord-nung und Baurecht im verfassungsmaumlszligigen Kompetenzbereich der Laumlnder liegen unterscheiden sich die Rahmenbedingungen zwischen den einzelnen Bundeslaumlndern (vgl auch These 1) Eine detaillierte Darstellung (fuumlr eine Uumlbersicht sei auf MadnerParapatics 2016 verwiesen) und Reflexion wuumlrden den Rahmen dieses Beitrags sprengen weshalb an dieser Stelle primaumlr die strukturellen Aspekte in den Vordergrund geruumlckt werden sollen In Anlehnung an das Vorreiterland Schweiz gehen wir davon aus dass die dargestellten Inhalte direkt an bestehende Raumplanungsprozesse anknuumlpfen koumlnnen Das bedeutet dass fuumlr die Beruumlcksichti-gung energiebezogener Inhalte in der hoheitlichen Planung keine neuen Prozesse entwickelt werden

Effiziente Infrastruktur bull Bestehende nachhaltige Energieinfrastruktur (va Fernwaumlrmenetze) beachten

und Nutzung staumlrken bull Bei Standortentwicklungen Potenziale fuumlr die Errichtung nachhaltiger Energie-

infrastruktur beachten und Ausbau von Gasinfrastruktur vermeidenbull Gegenseitige negative Beeinflussung von Infrastruktur (Umgebungswaumlrmenutzung)

vermeiden

Optimale Nutzung von lokalen Ressourcen bull Bestehende Potenziale (insbesondere Sonne Biomasse Wind

Wasser Umgebungswaumlrme) maximal nutzenbull Verschwendung lokaler Energiepotenziale (va Abwaumlrme Industrie

Gewerbe Reinhaltung) vermeiden bull Importe von Energie minimieren - lokale Wertschoumlpfung maximieren

Zukunftsfaumlhige Raumentwicklungbull KompaktheitBebauungsdichte und Nutzungmischung forcieren und damit

- den durch die Mobilitaumlt induzierten Energiebedarf reduzieren- die Energieeffizienz der Gebaumlude erhoumlhen- eine nachhaltige netzgebundene Waumlrmeversorgung ermoumlglichen

bull Alle Entwicklungen in der Peripherie vermeiden

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muumlssen Vielmehr geht es darum die relevanten Raumplanungsprozesse zu identifizieren in denen die Beruumlcksichtigung von Energie und Klimaschutz sowohl sinnvoll als auch rechtlich und kompetenz-maumlszligig moumlglich ist In weiterer Folge wird vorgeschlagen die Be- und Erarbeitung der energie- und kli-maschutzbezogenen Inhalte bei den jeweils kompetenten Stellen zu belassen (Amtshilfeverfahren) und Wege zur direkten Einbindung in den bestehenden Prozessen zu identifizieren und implementie-ren

Aus der Praxis

In Wien wird im Zuge des baubehoumlrdlichen Verfahrens durch die zustaumlndige Be-houmlrde gepruumlft ob das entsprechende Bauvorhaben innerhalb eines Gebietes des Energieraumplans liegt Wenn dies zutrifft sind fuumlr die Versorgung mit Raumwaumlrme oder Warmwasser keine fossilen Energietraumlger zulaumlssig und die Alternativenpruuml-fung entfaumlllt Auszligerhalb der Gebiete gelten die allgemeinen Anforderungen fuumlr Neu-bauten wo im Falle einer geplanten fossilen Waumlrmeversorgung (Gas) eine Alterna-tivenpruumlfung durchzufuumlhren ist

Im Bundesland Salzburg werden im Zuge des Amtshilfeverfahrens seit 2019 alle ein-gereichten Raumlumlichen Entwicklungskonzepte in allen Verfahrensstufen fundierten fachdienstlichen Stellungnahmen von Seiten des Referats 404 Energiewirtschaft und -beratung des Amtes der Salzburger Landesregierung unterzogen Als Basis fuumlr die Beurteilung dienen profunde Analysen (siehe These 4) Darauf aufbauend bietet das Referat auszligerdem eine direkte und kostenfreie Unterstuumltzung bei der Entwick-lung der Inhalte uumlber die Bereitstellung von Analysen und Praumlsenztermine zur Dis-kussion der energie- und klimaschutzbezogenen Inhalte

Im Rahmen der nationalen Vorzeigeregion Energie des Klima- und Energiefonds GREEN ENERGY LAB bdquoSpatial Energy Planning for Energy Transitionldquo (fortan GEL SEP Onlinequelle GEL SEP) wurden die folgenden drei Planungsebenen als relevant identifiziert (siehe Abb 2)

Abb 2 Relevante Planungsebenen zur Beruumlcksichtigung energie- und klimaschutzbezogener Inhalte

Fuumlr diese wird nun an konkreten Implementierungen zur Beruumlcksichtigung energie- und klimaschutz-bezogener Fragestellungen in den drei beteiligten Bundeslaumlndern Salzburg Steiermark und Wien in Abhaumlngigkeit der jeweiligen rechtlichen Rahmen und bestehenden Verwaltungsstrukturen gearbeitet Zu beachten ist dabei der Zusammenhang zwischen den Planungsebenen Ziel jeder Aktivitaumlt im Be-reich Raumlumlicher Energieplanung ist es Planungsentscheidungen in Richtung einer houmlheren Klimaver-traumlglichkeit zu verbessern d h eine Oumlkologisierung im konkreten Bauprojekt zu erwirken Verbindli-

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che Vorgaben beispielsweise uumlber die Bebauungsplanung sind (selbst im Falle des Vorliegens entspre-chender rechtlicher Ermaumlchtigungen) von einer entsprechenden Zielsetzung auf der uumlbergeordneten Ebene abhaumlngig Die Formulierung entsprechender Ziele in der oumlrtlichen Entwicklungsplanung wird damit zur Basis fuumlr die Umsetzung in den Einzelprojekten Des Weiteren koumlnnen auch hier allgemein die Zielsetzung auf Landesebene (z B Formulierung von Grundsaumltzen im ROG) und politische Ziele auf Gemeindeebene notwendige Bedingungen sein um die Themen in den Entwicklungskonzepten ent-sprechend adressieren und festlegen zu koumlnnen Insgesamt ist die Beruumlcksichtigung energiebezogener Inhalte in der Raumplanung noch Neuland Es bedarf der Entwicklung neuer Rollen und der sensiblen Anpassung von bestehenden Prozessen inklu-sive der dafuumlr mitunter notwendigen Genese der rechtlichen Rahmenbedingungen Erste Implemen-tierungen in der Praxis zeigen wie energie- und klimaschutzbezogene Fragestellungen in bestehenden Raumplanungsprozessen effektiv und effizient beruumlcksichtigt werden koumlnnen

These 4 Die erforderliche Information zur Umsetzung von Raumlumlicher Energiepla-nung muss und kann standardisiert und effizient bereitgestellt werden

Die Integration eines neuen Materienkomplexes fordert einerseits die Entwicklung und Verfuumlgbarkeit der entsprechenden Kompetenzen Durch die in These 3 vorgeschlagene Rollenteilung und Auslage-rung der energiebezogenen Informationsaufbereitung und Qualitaumltssicherung an die fachlich zustaumln-digen Verwaltungseinheiten kann dieser Herausforderung entgegengetreten werden Andererseits im-plizieren die neuen Aufgaben fuumlr beide Seiten und insbesondere fuumlr Letztere in jedem Fall einen zu-saumltzlichen Aufwand Die Schaffung neuer Planstellen in Landes- oder Gemeindeverwaltung ist gerade in der Anfangsphase schwer darzustellen Spaumltestens bei kleineren Staumldten oder gar Gemeinden muumls-sen die neuen Aufgaben zwangslaumlufig zu einer kompetenz- und ressourcenmaumlszligigen Uumlberforderung fuumlhren Um eine Chance auf die Beruumlcksichtigung der neuen Inhalte zu haben sind demzufolge einer-seits der Aufwand und andererseits die notwendige Kompetenz so weit wie moumlglich zu reduzieren Die Bereitstellung der notwendigen Informationen fuumlr die Staumldte und Gemeinden erscheint vor diesem Hintergrund als notwendig Eine umfassende Praumlzisierung und Standardisierung der zu beruumlcksichti-genden Inhalte ermoumlglicht eine effiziente Bearbeitung welche durch moderne Informationssysteme gestuumltzt werden kann Zu erwaumlhnen sind in diesem Kontext die uumlber die LandesGIS verfuumlgbaren ener-giebezogenen Informationen (vor allem Solar- und Windpotenziale aber auch weiterfuumlhrende Infor-mationen wie Umgebungswaumlrmepotenziale Energienetzdaten Energieerzeugungsanlagen Waumlrme-netzpotenziale und bis hin zur Verortung von Musterprojekten (vgl z B Onlinequellen ViennaGIS und SAGIS) welche einige Bundeslaumlnder in den letzten Jahren schrittweise aufgebaut haben Eine Standar-disierung der darzustellenden Inhalte bringt daruumlber hinaus weitere Vorteile mit sich Einerseits wird dadurch eine strukturierte Schulung der betroffenen Akteure (primaumlr Baubehoumlrden und Ortsplaner) ermoumlglicht Andererseits wird fuumlr die pruumlfbehoumlrdlichen Verfahren die notwendige Vergleichbarkeit und Gleichbehandlung sichergestellt

Aus der Praxis

Das Land Steiermark hat mit dem Leitfaden zum Sachbereichskonzept Energie (Ab-art-HerisztStoumlglehner 2019) einen Standard fuumlr die Beruumlcksichtigung energiebezo-gener Inhalte in der oumlrtlichen Entwicklungsplanung geschaffen und zur Nutzung umfassend geschult

Im Projekt GEL SEP (Onlinequelle GEL SEP) gehen die Bundeslaumlnder Steiermark Wien und Salzburg den naumlchsten Schritt und entwickeln fuumlr definierte Planungspro-zesse (primaumlr in den Bereichen Entwicklungsplanung und Projekt-Arealentwick-lung) automatisiert generierte Berichte und Analysen Diese konzentrieren sich vor-

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erst auf den im Hinblick auf die induzierten Emissionen und die vorhandenen ord-nungspolitischen Instrumente relevantesten Sektor Waumlrme Als Ergebnis des Pro-jektes werden Mitte 2021 insgesamt zehn verschiedene automatisierte Analysedo-kumente fuumlr Anwendungen in allen drei Planungsebenen in allen drei Bundeslaumln-dern verfuumlgbar und uumlber die LandesGIS abrufbar sein Mobilitaumlt und Strom sollen in einem naumlchsten Schritt in die entwickelten Strukturen integriert werden

Auf dieser Basis der Arbeit des Projektes erhalten Salzburger Gemeinden bereits seit 2020 in Prozessen zur Erstellung von REKs umfassende standardisierte Be-standsanalysen welche alle notwendigen Informationen zur Beruumlcksichtigung ener-giebezogener Inhalte in den REKs enthalten Das Service wird durch das Referat 404 Energiewirtschaft und -beratung des Amtes der Salzburger Landesregierung kostenfrei zur Verfuumlgung gestellt Mit der Schaffung dieser Basis konnten die Anfor-derungen zur Darstellung energie- und klimaschutzbezogener Inhalte in den REKs schrittweise erhoumlht werden

These 5 Notwendige Datengrundlagen in moumlglichst feiner Granularitaumlt und hoher Aktualitaumlt sind unter Beruumlcksichtigung des Datenschutzes verfuumlgbar zu machen

Die Erstellung der Analysen setzt die Verfuumlgbarkeit der notwendigen Daten und Informationen voraus In Bezug auf die Bereitstellung der Daten wurde bisher primaumlr der Weg der anlassbezogenen Datenak-quise beschritten Dieser Weg wird auch in Deutschland begangen wo beispielsweise in Schleswig-Holstein das Gesetz zur Energiewende und Klimaschutz eine Verfuumlgung zur Datenuumlbermittlung von Seiten Schornsteinfegern oumlffentlichen Stellen und Energieversorgungsunternehmen umfasst (vgl Ge-setz zur Energiewende und zum Klimaschutz 2017 sect7 (2)) Aumlhnliche Vorgangsweisen gibt es in Ham-burg Bayern und Baden-Wuumlrttemberg (in Vorbereitung) In Abhaumlngigkeit von der Breite und Tiefe der Analysen wird eine hohe Zahl an Datenquellen benoumltigt Die Vollstaumlndigkeit Richtigkeit und Aktualitaumlt der Datenquellen sind dabei ausschlaggebend fuumlr die Qualitaumlt der Analysen Entsprechend ist eine exakte Kenntnis dieser Parameter fuumlr alle verwendeten Datenquellen unabdingbar In Abhaumlngigkeit der raumlumlichen Granularitaumlt der Daten sind raumlumlich kon-kretere oder weniger konkrete Aussagen moumlglich Im Lichte der jeweils angestrebten Aussage und raumsachlichen Festlegung ist eine Reflexion der notwendigen und verfuumlgbaren Datenqualitaumlt anzu-stellen Mit dem Energiemosaik Oumlsterreich (Onlinequelle Energiemosaik) gibt es seit 2019 eine Darstellung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen fuumlr alle oumlsterreichischen Gemeinden Als Datenbasis werden dafuumlr primaumlr statistische Daten herangezogen und auf Gemeindeebene disaggregiert Diese erlauben grobe Aussagen auf Gemeindeebene fuumlr eine erste Einschaumltzung Strategische Richtungsent-scheidungen beispielsweise zur Eignung von Siedlungsgebieten unter Beruumlcksichtigung von Waumlrme-versorgung und Mobilitaumltsbedarf koumlnnen sich daraus nach Pruumlfung der Plausibilitaumlt uumlber Realdaten und ndashwissen ableiten lassen Die Reichweite ist gleichzeitig mit der Granularitaumlt und Datenqualitaumlt be-grenzt Fuumlr Festlegungen (beispielsweise zu Vorranggebieten fuumlr die netzgebundene Waumlrmeversor-gung) oder Planungsentscheidungen auf Arealebene werden feinere Granularitaumlten (gebaumlude- bzw grundstuumlcksgenau gegebenenfalls ha-Raster) und houmlhere Aussagegenauigkeiten benoumltigt als durch statistische Daten ableitbar waumlren Je houmlher die Qualitaumlt Granularitaumlt und Zahl der verfuumlgbaren Daten desto breiter wird die Eignung als Planungsgrundlage Das Projekt Enerspired Cities (Onlinequelle Enerspired Cities) hat fuumlr die Darstel-lung der wichtigsten energiebezogenen Informationen (Energieversorgungsinfrastruktur Energiebe-darfe und erneuerbare Energiepotenziale vgl These 2) eine dreistellige Anzahl an notwendigen Da-tenquellen identifiziert und diese einzeln bewertet und katalogisiert Die verfuumlgbaren und nutzbaren

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Datenquellen unterscheiden sich dabei aufgrund der abweichenden Verwaltungsstrukturen teilweise deutlich zwischen den Bundeslaumlndern Fuumlr die Nutzung dieser Daten zu Planungszwecken sind auch im Falle der Verfuumlgbarkeit in ausreichen-der Qualitaumlt weitere Herausforderungen gegeben Im Sinne einer laufend aktuellen Datenbasis sind kontinuierliche Updates und die entsprechenden Uumlbergabepunkte sicherzustellen Eine relevante Huumlrde stellt schlussendlich der Datenschutz dar Spaumltestens mit der DSGVO ist fuumlr Daten mit Personen-bezug ein umfassendes Datenschutzmanagement inklusive Zugriffssteuerung erforderlich

Aus der Praxis

Das Datenmanagement ndash allen voran die Katalogisierung und das Aufbereiten von Metadaten - bildet eine zentrale Grundlage zur Nutzung der Daten und ist zudem Basis fuumlr das Datenschutzmanagement In der Implementierung des Waumlrmeatlas in den Bundeslaumlndern Wien Steiermark und Salzburg werden unter anderem Daten mit Personenbezug verwendet Die Nutzung der personenbezogenen Daten ist fuumlr die definierten Planungsprozesse (siehe These 3) in den Gemeinden teilweise (ab-haumlngig vom konkreten Prozess sowie Bundesland) rechtlich gedeckt In der Umset-zung ist sicherzustellen dass die Daten nur von jenen Stellen verarbeitet und ge-nutzt werden welche dazu rechtlich legitimiert sind Da groszlige Teile der Datenquel-len in Haumlnden der Bundeslaumlnder liegen und die Darstellung uumlber die Landes-GIS er-folgen soll kommt den Aumlmtern der Landesregierungen als gemeinsame Verant-wortliche mit den Gemeinden eine wichtige Rolle beim Datenhosting und der Da-tenverarbeitung zu

These 6 Den Bundeslaumlndern kommt eine Schluumlsselrolle in der Implementierung von raumlumlicher Energieplanung zu

Abb 3 Schluumlsselrollen der Bundeslaumlnder bei der Implementierung raumlumlicher Energieplanung

Die letzte These leitet sich als Fazit aus den vorangegangenen Thesen ab Aus Sicht der Autoren kommt in der Beruumlcksichtigung energiebezogener Fragestellungen in hoheitlichen Planungsprozessen den Bundeslaumlndern eine Schluumlsselrolle zu Die Aufgaben lassen sich wie folgt zusammenfassen

Datenbereitstellung

Datenhosting und -verarbeitung inklusive Datenschutzmanagement

Informationsaufbereitung und -bereitstellung

Rechtsrahmen

Qualitaumltssicherung

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(1) Datenbereitstellung Viele der benoumltigten Daten liegen in der Hand der Landesverwaltungen Die langfristige Bereitstellung die Sicherstellung und Erhoumlhung von Aktualitaumlt und Qualitaumlt sowie die Harmonisierung der Adresser-kennung tragen maszliggeblich zur Schaffung verlaumlsslicher Planungsgrundlagen bei Gleichzeitig muss si-chergestellt werden dass energierelevante Datengrundlagen im Verantwortungsbereich der Gemein-den (z B AGWR digitale Katastermappe fuumlr Gebaumlude) aktuell gehalten werden (2) Datenhosting und -verarbeitung inklusive Datenschutzmanagement Neben den landesinternen Daten sind auch externe Datenquellen zu verarbeiten Dafuumlr benoumltigt es eine verantwortliche Stelle welche Datensicherheit und Datenschutz gewaumlhrleistet und uumlber die ent-sprechenden Infrastrukturen verfuumlgt Die Verarbeitung von Daten und das Einbinden in entsprechende Modelle (oder Entwickeln von Modellen) um Fragestellungen zu beantworten ist Teil der Grundlagen-forschung Die Erfuumlllung dieser Aufgaben ist aufgrund der notwendigen Kompetenzen und Ressourcen Gemeinden und Ortsplanern nicht zumutbar und wuumlrde daruumlber hinaus eine Vergleichbarkeit unter-minieren Mit der Umsetzung uumlber die Landesregierungen als gemeinsame Verantwortliche kann ma-ximale Effizienz Sicherheit und Standardisierung gewaumlhrleistet werden Gleichzeitig erscheint eine Uumlbertragung auf Bundesebene aufgrund der groszligen Heterogenitaumlt der Da-tenquellen zwischen den einzelnen Bundeslaumlndern der fehlenden Kompetenzen sowohl in der Daten-haltung als auch in den Zustaumlndigkeiten im Planungsbereich sowie der reduzierten Moumlglichkeit zur Qualitaumltssicherung und -verbesserung der Daten als nicht zielfuumlhrend (3) Informationsaufbereitung und -bereitstellung Die Landes-GIS sind optimal fuumlr die Informationsbereitstellung geeignet Sie koumlnnen direkt auf die im Rahmen der Landesverwaltungen gewarteten Daten (vgl Punkt 2) zugreifen Die Landes-GIS erlauben ein Benutzermanagement mit Klassifizierung der Zugriffsrechte und eine Teilung in oumlffentliche und eingeschraumlnkte Karten und ermoumlglichen damit die Bereitstellung weniger sensibler Daten (va erneu-erbare Energiepotenziale) an eine breite Oumlffentlichkeit Gleichzeitig besteht die Moumlglichkeit der einge-schraumlnkten Bereitstellung von Informationen fuumlr Gemeinden inklusive Spiegelung der relevanten Kar-ten in den Gemeinde-GIS uumlber verfuumlgbare Schnittstellen In diesem Sinne sind die Landes-GIS in vielen Faumlllen die direkte Grundlage fuumlr die Raumplanungsprozesse Zuletzt ist auch die Bereitstellung auto-matisierter Analysen uumlber die Landes-GIS moumlglich (4) Rechtsrahmen Die fuumlr die Beruumlcksichtigung energiebezogener Inhalte in hoheitlichen Planungsprozessen wichtigsten Gesetzesmaterien sind das Raumordnungsrecht und das Baurecht Beide befinden sich im Kompetenz-bereich der Bundeslaumlnder Der in einigen Bundeslaumlndern begonnene Trend der Ermaumlchtigung bzw Verpflichtung zur Beruumlcksichtigung von energie- und klimaschutzbezogenen Fragestellungen vor allem in der Entwicklungsplanung birgt das Potenzial zur Verbreitung auf andere Bundeslaumlnder und zur Ver-tiefung sowie Praumlzisierung der adressierten Inhalte Gleichzeitig ist es wichtig dass die Bruumlcke zum Baurecht geschaffen wird Die Ermaumlchtigung zu energiebezogenen Festlegungen im Bebauungsplan ist eine wichtige Grundlage um die Exekutierung der in der Entwicklungsplanung formulierten Ziele zu ermoumlglichen Neben den direkt relevanten Rechtsmaterien gibt es weitere mit indirekter Relevanz Darunter fallen beispielsweise die Bereitstellungsverpflichtung Definition der Qualitaumltsanforderung und die Nutzungsermaumlchtigung fuumlr die benoumltigten Daten oder die Verbindung der Instrumente der Raumordnung mit weiteren hoheitlichen Steuerungsinstrumenten (z B Wohnbaufoumlrderung Energie-foumlrderung Beratung Bewusstseinsbildung)

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(5) Qualitaumltssicherung Der Erfolg der Aktivitaumlten raumlumlicher Energieplanung haumlngt von einer effektiven Umsetzung ab - alle Vorhaben sind nur so gut wie sie auch konsequent und qualitaumltsvoll umgesetzt werden und somit zu einer signifikanten und moumlglichst raschen Reduktion des CO2-Ausstoszliges beitragen Qualitaumltssicherung beginnt bei den genutzten Datengrundlagen und der Informationsaufbereitung Als fuumlr die Raumord-nung verantwortliche Pruumlfbehoumlrde nehmen die Bundeslaumlnder daruumlber hinaus auch im Verfahren selbst im Hinblick auf die Qualitaumltssicherung eine Schluumlsselrolle ein Schlussendlich koumlnnen nur sie sicherstel-len dass die sachlichen Erkenntnisse der energieraumlumlichen Analysen in der praktischen Umsetzung in den Gemeinden auch Beruumlcksichtigung finden

Aus der Praxis

Die Bundeslaumlnder Wien Steiermark und Salzburg haben in den letzten Jahren so-wohl im Hinblick auf die rechtlichen Grundlagen als auch im Hinblick auf die Bereit-stellung der Informationen viele wichtige Grundlagen geschaffen Dabei werden je-weils Ansaumltze verfolgt in denen die Landesregierungen die Verantwortung fuumlr die Beruumlcksichtigung energie- und klimaschutzbezogener Fragestellungen aktiv wahr-nehmen Der Entwicklung der Anforderungen steht jeweils ein direktes Service fuumlr die Gemeinden (in Form von Informationsbereitstellung Beratung Schulung und Foumlrderung) gegenuumlber

Schlussfolgerungen Ausblick Die Themen Energiewende und Klimaschutz sind heute als oumlffentliches Interesse etabliert und erheben sich damit auch in der Raumplanung aus dem bisherigen Schattendasein Energieraumplanung hat in den letzten beiden Jahren groszlige Entwicklungsspruumlnge gemacht und ist in der Praxis angekommen Erste Bundeslaumlnder haben effektive Schritte zur Beruumlcksichtigung von energie- und klimaschutzbezo-genen Fragestellungen in hoheitlichen Planungsprozessen gesetzt In Wien der Steiermark und Salz-burg gibt es heute etablierte Prozesse die in der Praxis erfolgreich exekutiert werden Datenbereitstellung Datenhosting Datenverarbeitung Informationsaufbereitung und -bereitstellung Qualitaumltssicherung sowie die Schaffung des rechtlichen Rahmens stellen die maszliggeblichen Grundlagen dar Aufgrund der Kompetenzenverteilung und der notwendigen Ressourcen kommt den Bundeslaumln-dern als Institutionen eine Schluumlsselrolle zu um die Integration des neuen Materienkomplexes in be-stehende Prozesse der Raumplanung in der Praxis bewerkstelligen zu koumlnnen Nach der Etablierung erster Prozesse zur Beruumlcksichtigung energie- und klimaschutzbezogener Inhalte in der Raumplanung muss es in den naumlchsten Schritten darum gehen die Instrumente konsequent weiterzuentwickeln zu verbessern und thematisch zu vertiefen eine eindeutige Rechtssicherheit fuumlr die Umsetzung zu schaffen und diese in der Praxis sicherzustellen sowie die nuumltzlichen Erfahrungen auf weitere Bundeslaumlnder zu skalieren

Literatur

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Europaumlisches Parlament (2019) Eurobarometer 922 httpswwweuroparleuropaeuaustriare-sourcestaticfilesimportpr_2019_nov_9parlemeter-2019_at-de-pdf

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Maaszlig C Sandrock M Schaeffer R (2015) Fernwaumlrme 30 Strategien fuumlr eine zukunftsorientierte Fernwaumlrmepolitik Hamburg HIR ndash Hamburg Institut Research gGmbH httpswwwhamburg-insti-tutcomimagespdfstudien15021920Fernwrme203_0apdf (letzter Zugriff 24092020)

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Gesetzesquellen

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Salzburger RaumordnungsgesetzSROG 2009 LGBl Nr 302009 idF LGBl Nr 772020 httpswwwrisbkagvatGeltendeFassungwxeAbfrage=LrSbgampGesetzesnummer=20000615

Steiermaumlrkisches RaumordnungsgesetzStROG 2010 LGBl Nr 492010 idF LGBl Nr 62020 httpswwwrisbkagvatGeltendeFassungwxeAbfrage=LrStmkampGesetzesnummer=20000069

Tiroler RaumordnungsgesetzTROG 2016 LGBl Nr 1012016 idF LGBl Nr 512020 httpswwwrisbkagvatGeltendeFassungwxeAbfrage=LrTampGesetzesnummer=20000647

Vorarlberger Gesetz uumlber die RaumplanungVGRP 1996 LGBlNr 391996 idF LGBlNr 192020 httpswwwrisbkagvatGeltendeFassungwxeAbfrage=LrVbgampGesetzesnummer=20000653

Wiener Stadtentwicklungs- Stadtplanungs- und BaugesetzbuchWrBO 1930 idF LGBl Nr 712018 httpswwwrisbkagvatGeltendeFassungwxeAbfrage=LrWampGesetzesnummer=20000006

Onlinequellen

BMLRT-Waumlrmestrategie (httpswwwbmlrtgvatumweltenergiewendewaermestrategiehtml)

e5-Energieeffiziente Gemeinden (wwwe5-gemeindenat)

Enco2Web (httpsprojekteffgatprojekt2808525)

Energiemosaik (httpswwwenergiemosaikatintro)

Rehbogen Strasser (2021) Energie und Klimaschutz in hoheitlichen Planungsprozessen beruumlcksichtigen ndash Bedarf Anwen-dungsfaumllle und Loumlsungsansaumltze in der Praxis DOI 1034726807

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Energieraumplaumlne (Klimaschutzgebiete) der Stadt Wien (httpswwwwiengvatstadtentwick-lungenergieerp)

Enerspired Cities (wwwenerspiredcity)

GREEN ENERGY LAB Spatial Energy Planning for Energy Transition (wwwwaermeplanungat)

OumlREK (httpswwwoerokgvatraumthemenenergieraumplanung)

SAGIS (httpswwwsalzburggvatsagismobilesagisonline)

ViennaGIS (httpswwwwiengvatumweltgutpublic)

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Das Sachbereichskonzept Energie in der Steiermark Ein Buumlndel aus rechtlicher Verankerung fachlichen Grundlagen fundierter Beratung und finanzieller Foumlrderung

Lore Abart-Heriszt (1) Dieter Preiszlig (2) und Michael Redik (3)

DOI 10347261021

(1) Dipl-Ing Dr Institut fuumlr Raumplanung Umweltplanung und Bodenordnung (IRUB) Department fuumlr Raum Landschaft und Infrastruktur (RALI) Universitaumlt fuumlr Bodenkultur (BOKU) Wien

(2) Dipl-Ing Amt der Steiermaumlrkischen Landesregierung Abteilung 15 ndash Energie Wohnbau Technik Referat fuumlr Energietechnik und Klimaschutz

(3) Dipl-Ing Amt der Steiermaumlrkischen Landesregierung Abteilung 13 ndash Umwelt und Raumordnung Referat fuumlr Bau- und Raumordnung

Abstract

Die energieraumplanerischen Standortraumlume kennzeichnen innerhalb von Gemeinden Siedlungsge-biete die als besonders energieeffizient und klimafreundlich gelten Identifiziert werden einerseits Standortraumlume fuumlr Fernwaumlrmeversorgung unter Beruumlcksichtigung von Waumlrmebedarfs- und Bebau-ungsdichten Andererseits werden Standortraumlume fuumlr klimafreundliche Mobilitaumlt identifiziert die auf-grund ihrer Nutzungsmischung und -dichte sowie ihrer oumlV-Guumlte uumlber optimale Rahmenbedingungen fuumlr den Fuszlig- und Radverkehr sowie den oumlffentlichen Verkehr verfuumlgen Die Uumlberlagerung der Stand-ortraumlume fuumlr Fernwaumlrmeversorgung mit den Standortraumlumen fuumlr klimafreundliche Mobilitaumlt kenn-zeichnet jene Siedlungsgebiete innerhalb von Gemeinden auf die mit den Instrumenten der oumlrtlichen Raumplanung die kuumlnftige bauliche Entwicklung gelenkt werden soll Diese Flaumlchen stehen im Allge-meinen auch im Fokus der Strategien zur Innenentwicklung Die energieraumplanerischen Standort-raumlume bilden vornehmlich eine Grundlage fuumlr das Oumlrtliche Entwicklungskonzept aber auch fuumlr den Flaumlchenwidmungsplan sowie den Bebauungsplan Sie gehen in den raumordnungspolitischen Mei-nungsbildungsprozess ein in dem uumlber die kuumlnftige raumlumliche Entwicklung einer Gemeinde entschie-den wird

Schluumlsselbegriffe

Energieeffiziente Siedlungsstrukturen energieraumplanerische Standortraumlume oumlrtliche (Energie-) Raumplanung Abart-Heriszt L Preiszlig D Redik M (2021) Das Sachbereichskonzept Energie in der Steiermark Ein Buumlndel aus rechtlicher Verankerung fachlichen Grundlagen fundierter Beratung und finanzieller Foumlrderung In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S18-27

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Inhalt Rahmenbedingungen des Landes fuumlr die Energieraumplanung in der Steiermark 20

Energie- und Treibhausgasdatenbanken und die Ausweisung energieraumplanerischer Standortraumlume 21

Kommunale Energie- und Treibhausgasdatenbank 21

Rasterbasierte Energie- und Treibhausgasdatenbank 22

Energieraumplanerische Standortraumlume 22

Klimaschutz und das Foumlrderungsprogramm zur Energieraumplanung in der Steiermark 25

Schlussbemerkung 26

Literatur 27

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Rahmenbedingungen des Landes fuumlr die Energieraumplanung in der Steiermark

Das energiepolitische Engagement der steiermaumlrkischen Raumplanung hat lange Tradition Schon seit Jahrzehnten ist den Verantwortlichen in der Steiermark der Raumbezug energierelevanter Aspekte bewusst Bereits im Landesentwicklungsprogramm 1977 hat sich das Land Steiermark mit dem Thema Energie befasst Die Erstellung eines Sachprogramms fuumlr den Themenbereich Rohstoff- und Energie-versorgung wurde vorgesehen und im Jahr 1984 (allerdings als unverbindliches Konzept) umgesetzt In der zweiten Haumllfte der 1980er-Jahre wurden die energetischen Potenziale der Planungsregionen (im Wesentlichen war das die Bezirksebene) als Grundlage fuumlr die regionalen Entwicklungsprogramme der ersten Generation erfasst rechtlich verbindliche Vorgaben wurden daraus aber nicht abgeleitet Einen weiteren Anlass sich mit dem Thema Energie auseinanderzusetzen bot im Jahr 1993 das Entwick-lungsprogramm fuumlr die Reinhaltung der Luft Darin wurden lufthygienische Sanierungsgebiete abge-grenzt und fuumlr den Grazer Zentralraum Moumlglichkeiten zur Festlegung von verpflichtenden Fernwaumlrme-anschlussbereichen eroumlffnet eine Umsetzung erfolgte aber nur in Teilbereichen der Landeshauptstadt Graz Seit den 1990er Jahren richtete sich das Hauptaugenmerk auf zahlreiche Standortpruumlfungen bzw -planungen fuumlr Energieerzeugungsanlagen (Kleinwasserkraft Photovoltaik Windparks Biomasse) zu-letzt muumlndeten diese Arbeiten in die Novelle des Entwicklungsprogramms fuumlr den Sachbereich Wind-energie (2019) Mit bdquoEnergieraumplanungldquo im Sinne der Definition der OumlROK (bdquoEnergieraumplanung ist jener integrale Bestandteil der Raumplanung der sich mit den raumlumlichen Dimensionen von Energieverbrauch und Energieversorgung umfassend beschaumlftigtldquo) befasste sich das EU-Projekt SPECIAL (Spatial planning and energy for communities in all landscapes) an dem sich das Land Steiermark beteiligte (2013-2016) Als Umsetzungsmaszlignahme dieses EU-Projekts wurde das Institut fuumlr Raumplanung Umweltplanung und Bodenordnung der Universitaumlt fuumlr Bodenkultur Wien (BOKU) damit beauftragt sogenannte bdquoSach-bereichskonzepte Energieldquo (SKE) fuumlr zwei Fallbeispielgemeinden sowie einen Leitfaden fuumlr die Entwick-lung solcher SKEs in der Steiermark zu erarbeiten Basierend auf den Erfahrungen in diesem Pilotpro-jekt beauftragte das Land Steiermark anschlieszligend die BOKU mit der Bereitstellung einer kommunalen und rasterbasierten Energie- und Treibhausgasdatenbank einschlieszliglich der flaumlchendeckenden Aus-weisung energieraumplanerischer Standortraumlume nach einer einheitlichen Methodik fuumlr alle 287 Ge-meinden in der Steiermark (vgl Kap 2) Die umfangreichen Datensaumltze wurden den Gemeinden kos-tenlos in digitaler Form zur Verfuumlgung gestellt und dienen steiermarkweit als Grundlage fuumlr die Erar-beitung von SKEs In diesem Rahmen wurde auch der Leitfaden adaptiert (bdquoDas Sachbereichskonzept Energie ndash ein Beitrag zum Oumlrtlichen Entwicklungskonzept Leitfaden Version 20ldquo) Er soll Akteure in der oumlrtlichen Raumplanung dabei unterstuumltzen auf Basis der Datenbanken und Standortraumlume plane-rische Strategien zu erarbeiten die in Festlegungen fuumlr eine energie- und klimaoptimierte raumlumliche Entwicklung muumlnden Im Vordergrund der Betrachtungen stehen dabei Aspekte der Waumlrmeversorgung und der Mobilitaumlt Aufgrund der Bestimmungen des Steiermaumlrkischen Raumordnungsgesetzes 2010 (StROG 2010) bildet das SKE nicht nur eine unerlaumlssliche Planungsgrundlage fuumlr die Beruumlcksichtigung von Energiewende und Klimaschutz in der oumlrtlichen Raumplanung Vielmehr ist ein Energiekonzept als (vorwiegend) fa-kultatives Sachbereichskonzept zum oumlrtlichen Entwicklungskonzept (OumlEK) im StROG explizit verankert (vgl dazu sect 21 (3)) Diese Bestimmung ist im Vergleich zu den gesetzlichen Regelungen in anderen Bundeslaumlndern bemerkenswert und eroumlffnet die Moumlglichkeit wesentliche Inhalte des SKE im OumlEK der Gemeinde verbindlich festzulegen Mit dem SKE wird demnach das zentrale strategische Planungs-instrument auf kommunaler Ebene um energieraumplanerische Aspekte ergaumlnzt Energie- und klima-relevante Aussagen erhalten durch die Integration in den fachuumlbergreifenden Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozess sowie durch den Verordnungscharakter des OumlEK besondere Bedeutung Die

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rechtliche Verankerung energieraumplanerischer Bestimmungen im OumlEK ist gemeinsam mit der Wahr-nehmung von einschlaumlgigen Weiterbildungsangeboten seitens der kommunalen Akteure die zentrale Voraussetzung fuumlr die Ausschuumlttung von Mitteln aus dem Oumlkofonds Steiermark Uumlber diesen Fonds ist es gelungen eine finanzielle Unterstuumltzung fuumlr Gemeinden bei der Erstellung und Umsetzung der SKEs aufzustellen (vgl Klimaschutz und das Foumlrderungsprogramm zur Energieraumplanung in der Steier-mark)

Energie- und Treibhausgasdatenbanken und die Ausweisung energieraumplaneri-scher Standortraumlume Fuumlr eine vorausschauende Planung wie im Falle des OumlEK bzw des SKE ist die genaue Kenntnis und Analyse der Ausgangssituation unabdingbar Das SKE basiert daher einerseits auf einer raumlumlich und sachlich hoch aufgeloumlsten energie- und mobilitaumltsrelevanten Bestands- und Potenzialanalyse die so-wohl auf Gemeindeebene als auch im 250-m-Raster erfolgt (kommunale und rasterbasierte Energie- und Treibhausgasdatenbank) Andererseits bilden die energieraumplanerischen Standortraumlume eine unerlaumlssliche Grundlage fuumlr die Entwicklung von Strategien zugunsten energie- und klimaeffizienter Raum- und Siedlungsstrukturen im Rahmen des SKE Der Leitfaden bdquoDas Sachbereichskonzept Energieldquo unterstuumltzt die kommunalen Akteure allen voran die oumlrtlichen Raumplaner bei der Analyse und Inter-pretation der umfangreichen Datensaumltze

Kommunale Energie- und Treibhausgasdatenbank

Fuumlr die Entwicklung kommunaler Strategien zur Energiewende und zum Klimaschutz ist eine profunde Charakterisierung der Gemeinde im Hinblick auf Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen im Status quo (Eroumlffnungsbilanz) ebenso unerlaumlsslich wie die Darstellung der energetischen Potenziale der Gemeinde

Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen der Gemeinde

Im Hinblick auf den Energieverbrauch und die Treibhausgasemissionen auf Gemeindeebene stuumltzt sich das SKE auf das bdquoEnergiemosaik Austrialdquo Diese Datenbank bildet den Energieverbrauch und die damit verbundenen Treibhausgasemissionen fuumlr alle oumlsterreichischen Staumldte und Gemeinden ab und bietet damit umfangreiche energie- und klimarelevante Entscheidungsgrundlagen auf Gemeindeebene Das Energiemosaik Austria steht seit Jaumlnner 2020 unter wwwenergiemosaikat mit interaktiven Karten umfangreichen Tabellen und weiterfuumlhrenden Diagrammen zur Verfuumlgung (Abart-Heriszt et al 2019a und 2019b) Die Ergebnisse des Energiemosaiks Austria wurden fuumlr die steiermaumlrkischen Gemeinden in einer sepa-raten Datenbank abgelegt (kommunale Energie- und Treibhausgasdatenbank Steiermark) die uumlber eine eigens entwickelte Excel-Abfrageoberflaumlche zugaumlnglich ist (Abart-Heriszt et al 2020) Sie wurde den Gemeinden in der Steiermark schon im Sommer 2018 vorweg zur Verfuumlgung gestellt und im Winter 2020 auf den aktuellen Stand des Energiemosaiks Austria gebracht

Energetische Potenziale der Gemeinde

In der kommunalen Energie- und Treibhausgasdatenbank Steiermark werden nicht nur die im Energie-mosaik Austria getroffenen Aussagen zum Energieverbrauch und zu den Treibhausgasemissionen be-reitgestellt sondern auch energetische Potenziale der Gemeinden dokumentiert Dabei steht die Dar-stellung thermischer Potenziale mit teilweise hoher Ortsgebundenheit als Grundlage fuumlr die Entwick-lung von Strategien zur Waumlrmeversorgung im Vordergrund der Betrachtungen Besondere Bedeutung kommt hierbei Effizienzpotenzialen zu Der Energieverbrauch und damit das Ausmaszlig der Treibhausgasemissionen koumlnnen durch Maszlignahmen zur Steigerung der Energieeffizienz erheblich vermindert werden Dies gilt auch fuumlr den Waumlrmebedarf von Siedlungen der mittel- bis lang-fristig durch die energetische Sanierung der bestehenden Bausubstanz verringert werden kann In der

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kommunalen Energie- und Treibhausgasdatenbank Steiermark werden die Energieeffizienzpotenziale fuumlr die Wohngebaumlude ausgewiesen In diesem Rahmen wird (ebenso wie im Status quo) auf bereits erfolgte energetische Sanierungen der Gebaumlude grundsaumltzlich Bedacht genommen wobei angesichts unzureichender Datengrundlagen keine gemeindespezifische oder inneroumlrtliche Differenzierung der bisherigen Sanierungstaumltigkeit erfolgt Fuumlr die Ermittlung der kuumlnftigen Energieeffizienzpotenziale wer-den unterschiedliche Gebaumludekategorien und Bauperioden in ihrer raumlumlichen Verteilung beruumlcksich-tigt Im Hinblick auf die Verminderung der Treibhausgasemissionen spielen die sogenannten Substitutions-potenziale eine besondere Rolle Sie beschreiben in welchem Ausmaszlig fossile Energie zum Einsatz kommt die durch erneuerbare Energie substituiert werden kann In der kommunalen Energie- und Treibhausgasdatenbank Steiermark ist der fossile Anteil am Waumlrmebedarf dargestellt Die erneuerbaren Energiepotenziale sind vielseitig In der kommunalen Energie- und Treibhausgasda-tenbank Steiermark werden die Abwaumlrmepotenziale aus industriell-gewerblicher Produktion und aus Einrichtungen der technischen Infrastruktur sowie (gebaumludeintegrierte) Solarwaumlrmepotenziale Bio-masse- und Biogaspotenziale ausgewiesen

Rasterbasierte Energie- und Treibhausgasdatenbank

Waumlhrend Aussagen auf Gemeindeebene eine wichtige Referenz fuumlr die Formulierung kommunaler Strategien fuumlr die Energiewende und den Klimaschutz darstellen erweist sich fuumlr Festlegungen der oumlrtlichen Raumplanung eine inneroumlrtliche Differenzierung als erforderlich Aus diesem Grund wurde eine landesweite rasterbasierte Energie- und Treibhausgasdatenbank entwickelt die im digitalen At-las Steiermark abrufbar ist (wwwgisstmkgvat)

Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen im 250-m-Raster

Fuumlr die rasterbasierte Energie- und Treibhausgasdatenbank erfolgt die Ermittlung von Energiever-brauch und Treibhausgasemissionen der Wohnnutzung und der wirtschaftlichen Nutzungen flaumlchen-deckend in einem 250-m-Raster in Analogie zur Modellierung auf Gemeindeebene Die statistische Da-tenbasis beruht auf einer Sonderauswertung der Gebaumlude- und Wohnungszaumlhlung sowie der Arbeits-staumlttenzaumlhlung im 250-m-Raster seitens der Statistik Austria wobei aufgrund von Datenschutzbestim-mungen einzelne Angaben (unterhalb gewisser Schwellenwerte) unterdruumlckt werden Im Allgemeinen stehen demnach im Raster dieselben Strukturdaten (70 Parameter zu Wohnflaumlchen und Beschaumlftigten) in derselben sachlichen Differenzierung zur Verfuumlgung und kommen dieselben Energiekennzahlen und Emissionsfaktoren zur Anwendung wie auf Gemeindeebene Fuumlr jede Rasterzelle werden Energiever-brauch und Treibhausgasemissionen als Summe aller Produkte von Strukturdaten und Energiekenn-zahlen bzw unter Heranziehung energietraumlgerspezifischer Emissionsfaktoren ermittelt wobei auf die Berechnung von Waumlrmebedarf und Waumlrmebedarfsdichten ein Hauptaugenmerk gelegt wird

Energetische Potenziale im 250-m-Raster

Ergaumlnzend zu den Angaben zum Energieverbrauch und zu den Treibhausgasemissionen werden in der rasterbasierten Energie- und Treibhausgasdatenbank auch die Effizienz- und Solarwaumlrmepotenziale (analog zur Darstellung auf Gemeindeebene) ausgewiesen

Energieraumplanerische Standortraumlume

Die rasterbasierten Daten bilden eine wesentliche Grundlage fuumlr die landesweite Identifikation der energieraumplanerischen Standortraumlume die ebenfalls im digitalen Atlas Steiermark oumlffentlich zur Verfuumlgung stehen (wwwgisstmkgvat) Entsprechend der thematischen Schwerpunktsetzung im SKE werden Standortraumlume fuumlr Fernwaumlrmeversorgung und klimafreundliche Mobilitaumlt ausgewiesen

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Standortraumlume fuumlr Fernwaumlrmeversorgung

Im Vordergrund der Betrachtungen stehen Uumlberlegungen zur Verfolgung raumlumlich differenzierter Stra-tegien zur Waumlrmeversorgung und zur Konzentration der kuumlnftigen Siedlungsentwicklung auf Standort-raumlume die mit Fernwaumlrme versorgt werden koumlnnen wobei dies nur im Falle der Nutzung uumlberwiegend erneuerbarer Energietraumlger hocheffizienter Kraft-Waumlrme-Kopplungs-Anlagen oder bedeutender Ab-waumlrmepotenziale forciert werden soll Waumlrmenetze haben den Vorteil dass sie im Hinblick auf dendie eingesetzten Energietraumlger sehr flexibel sind und dass sie die Volatilitaumlt der erneuerbaren Energietrauml-ger (vornehmlich der Solar- und Windenergie) ausgleichen koumlnnen Sie eignen sich daher besonders fuumlr den mittel- bis langfristig erforderlichen Ausstieg aus der fossilen bzw den zunehmenden Einsatz erneuerbarer Energie in der Waumlrmebereitstellung

Kriterien fuumlr die Ausweisung von Standortraumlumen fuumlr Fernwaumlrmeversorgung sind die im 250-m-Raster ermittelte Waumlrmebedarfsdichte und die im Flaumlchenwidmungsplan jeweils ausgewiesene maximal zu-laumlssige Geschoszligflaumlchenzahl als Maszligzahl fuumlr die Bebauungsdichte Damit wird der Uumlberlegung Rech-nung getragen dass eine hohe Effizienz und Wirtschaftlichkeit der investitionskostenintensiven Fern-waumlrmeversorgung nur bei kurzen Transportwegen mit minimalen Waumlrmeverlusten gewaumlhrleistet sind Optionen fuumlr die Fernwaumlrmeversorgung muumlssen demnach in einem engen Zusammenhang mit einer angemessenen Bebauungsdichte einer ausgewogenen Mischung verschiedener Nutzungen mit zeit-lich variierender Waumlrmenachfrage und mit den Standorten von Groszligabnehmern betrachtet werden Letztere spiegeln sich im Allgemeinen in hohen Waumlrmebedarfsdichten wider werden damit auch in den energieraumplanerischen Standortraumlumen sichtbar und koumlnnen im Sachbereichskonzept Energie in Kenntnis der oumlrtlichen Gegebenheiten besonders beruumlcksichtigt werden

Je houmlher die genannten Dichten sind (vgl Abb 1) desto eher eignen sich Siedlungsgebiete fuumlr die Versorgung mit Waumlrme- (und allenfalls auch Kaumllte-) netzen ndash selbst im Falle einer Verringerung des Waumlrmebedarfs durch die fortschreitende ener-getische Sanierung im Gebaumludebestand

Abb 1 Standortraumlume fuumlr Fernwaumlrmeversorgung Quelle eigene Darstellung

Standortraumlume fuumlr klimafreundliche Mobilitaumlt

Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Lenkung der kuumlnftigen raumlumlichen Entwicklung jener Sied-lungsgebiete die sich besonders fuumlr eine energiesparende und klimafreundliche Mobilitaumlt eignen Im Rahmen der Ausweisung von Standortraumlumen fuumlr klimafreundliche Mobilitaumlt werden die Nutzungsin-tensitaumlt von Standorten und die Guumlteklassen des oumlffentlichen Verkehrs beruumlcksichtigt Fuumlr die Beurteilung der Nutzungsintensitaumlt von Standorten kommt ein eigens fuumlr das SKE entwickeltes Modell zur Anwendung das die Nutzungsvielfalt und Nutzungsdichte von Siedlungsstrukturen abbil-det Das Modell traumlgt der Uumlberlegung Rechnung dass eine kompakte Siedlungsstruktur mit einer aus-gewogenen Nutzungsmischung und angemessenen Dichten die besten raumlumlichen Voraussetzungen fuumlr kurze Wege und einen hohen Anteil des Fuszlig- und Radverkehrs schafft Auszligerdem wird dem Um-stand Rechnung getragen dass Standorte mit houmlheren Nutzungsintensitaumlten Synergiepotenziale eroumlff-nen und die Verknuumlpfung von Wegen zu Wegeketten (Erfuumlllung mehrerer Wegezwecke) erlaubt und

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dadurch attraktiver sind Die Ermittlung der Nutzungsintensitaumlt beruht auf den Strukturdaten im 250-m-Raster (Einwohner und Beschaumlftigte bzw Arbeitsstaumltten im Dienstleistungssektor) Die Angaben zur OumlV-Guumlteklasse basieren auf der im Rahmen der OumlROK-Partnerschaft Raumordnung und Verkehr erarbeiteten Studie bdquoBedienungsqualitaumlt und Erschlieszligungsguumlte im oumlffentlichen Verkehrldquo (OumlROK 2017) die Daten wurden von der AustriaTech GmbH zur Verfuumlgung gestellt Die Studie nimmt sowohl auf die Qualitaumlt des oumlffentlichen Verkehrsangebotes als auch auf die Erreichbarkeit von Halte-stellen Bezug Demnach beruumlcksichtigt die Festlegung der OumlV-Guumlteklasse eines Standortes einerseits die Haltestellenkategorie die aus der Art des Verkehrsmittels sowie der Bedienungshaumlufigkeit (reprauml-sentiert durch die werktaumlglichen Kursintervalle) resultiert Andererseits flieszligen fuumlnf verschiedene Dis-tanzklassen zur Haltestelle (Fuszligwege bis maximal 1250 m Realdistanz) in die Beurteilung der OumlV-Guuml-teklasse eines Standortes ein Insgesamt werden in dieser Studie sieben OumlV-Guumlteklassen abgegrenzt Mikro-OumlV-Systeme sind in den OumlV-Guumlteklassen nicht abgebildet

Je houmlher die Nutzungsin-tensitaumlt und die Attrakti-vitaumlt der OumlV-Erschlieszligung sind (vgl Abb 2) desto eher eignen sich Sied-lungsgebiete fuumlr eine Verlagerung von Ver-kehrsleistungen des mo-torisierten Individualver-kehrs auf den Fuszlig- und Radverkehr sowie auf den oumlffentlichen Verkehr und damit fuumlr eine klima-freundliche Mobilitaumlt

Abb 2 Standortraumlume fuumlr klimafreundliche Mobilitaumlt Quelle eigene Darstellung

Synthese Uumlberlagerung der energieraumplanerischen Standortraumlume

Die eingehende Analyse bzw Uumlberlagerung der Standortraumlume fuumlr Fernwaumlrmeversorgung und fuumlr kli-mafreundliche Mobilitaumlt erlaubt jene Standorte innerhalb einer Gemeinde zu identifizieren die so-wohl hinsichtlich der Waumlrmeversorgung als auch der Mobilitaumlt energie- und klimaoptimierte Rahmen-bedingungen aufweisen Es sind dies im Allgemeinen kompakte nutzungsgemischte Siedlungsstruktu-ren mit maszligvoller Dichte der Bebauung die sich an den Erfordernissen des Fuszlig- und Radverkehrs so-

wie an attraktiven oumlffent-lichen Verkehrsangebo-ten orientieren Insofern bieten sie gute Voraus-setzungen fuumlr die Fern-waumlrmeversorgung (vor-nehmlich aus erneuerba-ren Energietraumlgern oder Abwaumlrme) sowie fuumlr die Nutzung des Umweltver-bundes aus Zu-Fuszlig-Ge-hen Radfahren und oumlf-fentlichem Verkehr (vgl Abb 3)

Abb 3 Uumlberlagerung der energieraumplanerischen Standortraumlume Quelle eigene Darstellung

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Die Strategien der Energieraumplanung zielen darauf ab diesen Standortraumlumen kuumlnftig eine hohe Prioritaumlt in der Siedlungsentwicklung einzuraumlumen Daraus sind unter Beruumlcksichtigung der besonde-ren oumlrtlichen Gegebenheiten sowie vor dem Hintergrund der aktuellen demographischen und wirt-schaftlichen Entwicklung vor Ort entsprechende Schlussfolgerungen fuumlr raumrelevante Festlegungen bzw im Hinblick auf die Lagegunst oder -ungunst bisher in Erwaumlgung gezogener Siedlungsentwick-lungspotenziale zu ziehen Dabei praumlzisiert der Leitfaden bdquoDas Sachbereichskonzept Energieldquo die sied-lungsstrukturellen Rahmenbedingungen und zeigt Anhaltspunkte fuumlr die planungsrechtliche Umset-zung energieraumplanerischer Strategien auf

Klimaschutz und das Foumlrderungsprogramm zur Energieraumplanung in der Steiermark

Der uumlberwiegende Teil der Treibhausgasemissionen ndash in der Steiermark sind es rund 85 ndash entsteht durch die Umwandlung fossiler Brennstoffe in Energie Der Sektor Verkehr und der Gebaumludebereich verursachen insgesamt 34 bzw ndash einschlieszliglich der indirekten Emissionen bei der Bereitstellung von Fernwaumlrme und Strom fuumlr die Gebaumlude ndash uumlber 40 der steirischen Treibhausgasemissionen (Klimabe-richt Steiermark 2019) Soll das international vereinbarte Ziel die Klimaerwaumlrmung im globalen Mittel mit maximal 2degC zu be-grenzen erreicht werden ist rasches Handeln auf allen Ebenen der Gesellschaft zur Verringerung der Treibhausgasemissionen erforderlich Daher wurde mit der integrierten Klima- und Energiestrategie Steiermark 2030 ein strategischer Rahmen geschaffen der zukunftsweisende Handlungsoptionen auf Bundeslandebene darlegt Die Raumplanung wird dort als zentrales strategisches Instrument fuumlr den Klimaschutz und die Versor-gung mit Energie auf kommunaler Ebene mit der Begruumlndung angefuumlhrt dass kompakte Siedlungs-strukturen die Voraussetzung fuumlr eine klimaoptimierte Energieversorgung sowie attraktive klima-freundliche Mobilitaumltsangebote sind Als Schwerpunktziel wurde bdquoDie Energieraumplanung als integ-rierender Bestandteil der Raumplanung entwickelnldquo definiert Darauf basierend wurde im Aktionsplan zur Klima- und Energiestrategie die Maszlignahme bdquoDas Sachbereichskonzept Energie in Gemeinden stra-tegisch verankernldquo beschlossen Eine zentrale Rolle spielen dabei die Raumplanerinnen und Raumpla-ner die als Multiplikatoren in den Gemeinden fungieren Das Sachbereichskonzept Energie unterscheidet sich dabei wesentlich von den Energiekonzepten die in der Vergangenheit erarbeitet wurden Sie hatten naumlmlich den entscheidenden Nachteil dass sie nicht in den Instrumenten der oumlrtlichen Raumplanung verankert wurden Sie haben deshalb in das Denken der fuumlr die Raumplanung Verantwortlichen kaum Eingang gefunden womit die Umsetzung so gut wie verspielt war Die Aussagen des SKE werden hingegen in das oumlrtliche Entwicklungskonzept der Gemeinde integriert Um das neue Instrument des SKE in die Umsetzung zu bringen wurde von den mit Raumplanung und Energie betrauten Stellen in den Abteilungen des Landes gemeinsam ein Foumlrderungsprogramm aus dem Oumlkofonds Steiermark aufgesetzt Die eingereichten Foumlrderungsansuchen werden von einer Jury ndash bestehend aus wissenschaftlichen Vertretern den betroffenen Landesdienststellen sowie dem Buumlro der zustaumlndigen Landesraumltin ndash vor Erteilung einer Foumlrderungszusage gepruumlft Dabei ist die Ausschrei-bung modular gestaltet Das erste Modul zielt auf die Foumlrderung von Planungsleistungen entsprechend dem Leitfaden bdquoDas Sachbereichskonzept Energieldquo ab um Klimaschutz- und Energieaspekte uumlber das SKE in die Instrumente der oumlrtlichen Raumplanung einzuarbeiten wobei die Raumplaner diesen Pro-zess in den Gemeinden organisieren Zusaumltzlich zum raumordnungsrechtlich verbindlichen Stake-

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holderprozess kann auch eine aktive Buumlrgerbeteiligung finanziell unterstuumltzt werden um eine Identi-fikation aller Betroffenen mit dem SKE zu schaffen und mit einer offenen und sachlichen Informations-politik die notwendige Transparenz im Planungsprozess zu gewaumlhrleisten Interessenskonflikten ist da-bei bestmoumlglich zu begegnen und sie sind sofern moumlglich waumlhrend der Erarbeitungszeit beizulegen Aufbauend auf der Entwicklung des SKE koumlnnen uumlber zwei weitere Module vornehmlich Machbarkeits-studien und Detailplanungen sowie die Vorbereitung und Ausschreibung von Umsetzungsvorhaben gefoumlrdert werden Fuumlr die Inanspruchnahme einer Foumlrderung ist auch die Wahrnehmung spezieller Schulungs- und Bera-tungsangebote durch die jeweilige Gemeinde und die Ortsplaner verpflichtend Diese Veranstaltungen wurden vom Land Steiermark gemeinsam mit der BOKU angeboten An den Schulungen bzw Beratun-gen nahmen Vertreterinnen und Vertreter aus uumlber siebzig Gemeinden teil In der Haumllfte der Gemein-den wird aktuell aktiv an den SKEs gearbeitet Bereits angekuumlndigt und auch in der Klima- und Energie-strategie festgehalten ist eine zukuumlnftige gesetzliche Verpflichtung im steirischen Raumordnungsge-setz zur Erarbeitung der SKEs Mit einer solch konsistenten Vorgehensweise nimmt die Steiermark eine Vorreiterrolle in Oumlsterreich ein

Schlussbemerkung Eine verstaumlrkte Beruumlcksichtigung der Raumrelevanz von Energiewende und Klimaschutz in Strategien zur raumlumlichen Entwicklung von Gemeinden zeigt angesichts der Langlebigkeit der baulichen Struktu-ren der Verkehrs- und Leitungsinfrastruktur sowie der sozialen Infrastruktur (einschlieszliglich weiterer Daseinsvorsorgeeinrichtungen) mittel- bis langfristig Wirkung Vorausschauend und fruumlhzeitig muumlssen daher Uumlberlegungen zur erneuerbaren Energieversorgung und Optionen fuumlr eine klimafreundliche Mo-bilitaumlt in die Planung insbesondere in das oumlrtliche Entwicklungskonzept einflieszligen Auf der Ebene des Flaumlchenwidmungsplanes sind diese Vorgaben im Hinblick auf eine energiebewusste bauliche Entwick-lung zu praumlzisieren Fuumlr die Bebauungsplanung ist ein integrierender Ansatz wichtig der Bebauungs- Energie- Verkehrs- und Gruumlnraumkonzept aufeinander abstimmt bdquoLeistbares Wohnenldquo darf in dieser Hinsicht nicht mit bdquoBillig bauenldquo gleichgesetzt werden Die planerischen Festlegungen zur Auswahl von Standorten fuumlr die Siedlungsentwicklung und zur Ausgestaltung der baulichen Entwicklung an diesen Standorten sollen begleitet werden von weiterfuumlhrenden Uumlberlegungen beispielsweise zur Gestaltung der oumlffentlichen Verkehrsinfrastruktur oder zur Entwicklung von Fernwaumlrmenetzen Auf der projekt-planerischen Ebene die jedoch nicht Gegenstand des SKE ist koumlnnen die Aussagen zu den Standort-raumlumen vertieft und dafuumlr allenfalls weitere Datenquellen beruumlcksichtigt werden (beispielsweise die Heizungsdatenbank die Energieausweisdatenbank das Gebaumlude- und Wohnungsregister) Dadurch kann sichergestellt werden dass eine vorausschauende raumlumliche Entwicklung von einem oumlkonomi-schen und effizienten Umgang mit der Energieinfrastruktur begleitet wird und Energieversorgungssys-teme nicht am Rande der Wirtschaftlichkeit betrieben werden muumlssen Es braucht daher eine Entflech-tung und Ordnung der Energieinfrastruktur wobei der Fernwaumlrmeversorgung aus erneuerbaren Quel-len oder Abwaumlrme Vorrang einzuraumlumen ist Damit besteht der laumlngerfristige Nutzen raumrelevanter Strategien zugunsten der Energiewende und des Klimaschutzes in einer Abkehr von der flaumlchenhaften Ausdehnung der Siedlungsgebiete und von baulichen Entwicklungstendenzen an den Siedlungsraumlndern bzw in Siedlungssplittern zugunsten kom-pakter angemessen dichter und nutzungsgemischter Siedlungsstrukturen Diese Strategien der Innen-entwicklung bieten nicht nur optimale raumlumliche Rahmenbedingungen fuumlr die leitungsgebundene Waumlrmeversorgung und die klimafreundliche Mobilitaumlt sondern wirken sich auch positiv auf einen sorg-samen Umgang mit Grund und Boden und die Sicherung hochwertiger land- und forstwirtschaftlicher Flaumlchen aus Angesichts der Multifunktionalitaumlt dieser Flaumlchen ist die mit der Innenentwicklung der

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Siedlungsgebiete einhergehende Verringerung des Siedlungsdrucks auf den Freiraum auch aus ande-ren Gruumlnden (Nahrungsmittelproduktion Hochwasserschutz Ressourcensicherung Erholungsfunk-tion langfristige Flaumlchenvorhaltung) jedenfalls zu begruumlszligen Strategien zur Innenentwicklung tragen zur Staumlrkung zentral gelegener multifunktionaler Standorte und zur Minimierung der Kosten bzw des Einsatzes oumlffentlicher Finanzmittel fuumlr die Errichtung die Instandhaltung und den Betrieb sozialer und technischer Infrastrukturen bei Sie gewaumlhrleisten die wirtschaftliche Tragfaumlhigkeit und eine hohe Attraktivitaumlt von Dienstleistungseinrichtungen bzw oumlffent-lichen Verkehrsangeboten und damit die Versorgbarkeit bzw Versorgungssicherheit der Bevoumllkerung Sie stellen gute Erreichbarkeitsverhaumlltnisse fuumlr nicht-motorisierte Verkehrsteilnehmer und die Abde-ckung der Mobilitaumltsbeduumlrfnisse aller Bevoumllkerungsgruppen sicher Angesichts der Kuumlrze der Wege und der alternativen Angebote zur motorisierten Mobilitaumlt sind erhebliche Erleichterungen im Alltag die Folge In diesem Sinne leisten energie- und klimaoptimierte Siedlungsstrukturen laumlngerfristig nicht nur einen Beitrag zur Energiewende und zum Klimaschutz sondern tragen auch zur Attraktivierung von Ortszentren und zur Aufwertung der Wohn- und Wohnumfeldqualitaumlt und damit zur Verbesserung der Lebensqualitaumlt der Bevoumllkerung bei Auszligerdem steckt in den Infrastrukturen und Gebaumluden von ange-messen dichten und funktionsgemischten Siedlungsstrukturen nur ein geringes Maszlig an grauer Energie fuumlr deren Errichtung Instandhaltung und Betrieb Diese Gebiete sind demnach auch unter diesem Ge-sichtspunkt ressourcen- und klimaschonend

Literatur Abart-Heriszt L Erker S Reichel S Schoumlndorfer H Weinke E Lang S (2019a) Energiemosaik Austria Oumlsterreichweite Visualisierung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen auf Ge-meindeebene EnCO2Web FFG BMVIT Stadt der Zukunft Wien Salzburg Lizenz CC BY-NC-SA 30 AT vgl wwwenergiemosaikat

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Digitaler Atlas Steiermark (o J) Rasterbasierte Energie- und Treibhausgasdatenbank sowie energie-raumplanerische Standortraumlume vgl httpsgisstmkgvatatlas (Planung und KatasterSachbe-reichsplanung Energie)

bdquoDas Sachbereichskonzept Energie ndash Ein Beitrag zum Oumlrtlichen Entwicklungskonzept Leitfaden Ver-sion 20ldquo (2019) vgl httpswwwverwaltungsteiermarkatcmsdoku-mente12663031_1443818266a64edd420190125_Leitfaden_20pdf

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Energieraumplaumlne ndash ein Meilenstein am Weg zur nachhaltigen Energie-zukunft Wiens

Susanna Erker (1) Andrea Kinsperger (2) Herbert Hemis (3) und Bernd Vogl (4)

DOI 10347261022

(1) Dipl-Ing Dipl-Ing Drnattechn Magistrat der Stadt Wien Magistratsabteilung 20 ndash Energieplanung ORCID 0000-0001-7076-846X

(2) Dipl-Ing Magistrat der Stadt Wien Magistratsabteilung 20 ndash Energieplanung

(3) Dipl-Ing Magistrat der Stadt Wien Magistratsabteilung 20 ndash Energieplanung

(4) Mag Magistrat der Stadt Wien Leiter der Magistratsabteilung 20 ndash Energieplanung

Abstract

Die Energieraumplanung ruumlckt Fragen nach unserem Energiebedarf den erneuerbaren Energiepoten-zialen und der Energieinfrastruktur in den Fokus der Stadtplanung Ziel ist die Schaffung von standort- und klimagerechten Energieversorgungsloumlsungen Mit der Verordnung von Energieraumplaumlnen kommt die Stadt Wien diesem Ziel einen groszligen Schritt naumlher Neubauten die sich innerhalb ausgewiesener Klimaschutz-Gebiete befinden duumlrfen aus-schlieszliglich mit hocheffizienten alternativen Energiesystemen zur Aufbereitung von Raumwaumlrme und Warmwasser versorgt werden Dazu zaumlhlen unter anderem Systeme wie die Wiener Fernwaumlrme oder Waumlrmepumpen Im Umkehrschluss sind Oumll- oder Erdgasheizungen verboten Neben der Einsparung von Treibhausgasen im Sinne des Klimaschutzes werden mit dem Instrument der Energieraumplaumlne doppelte Infrastrukturen - dh Fernwaumlrme- und Gasnetze - entflochten und da-mit volkswirtschaftliche Kosten reduziert Schlieszliglich erhoumlht die raumlumliche Steuerung von Versor-gungsoptionen die Planungssicherheit fuumlr Investierende Stadtentwicklung und Energieversorgungsun-ternehmen

Schluumlsselbegriffe

Energieraumplanung Verordnung von Energieraumplaumlnen Energiewende Bauordnung Wien Klima-schutz Erker S Kinsperger A Hemis H Vogl B (2021) Energieraumplaumlne ndash ein Meilenstein am Weg zur nachhaltigen Energiezu-kunft Wiens In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelin-gen der Energiewende Wien reposiTUm S28-37

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Inhalt Einleitung 30

Wo stehen wir 30

Die Waumlrmewende 31

Erdgas und Fernwaumlrme im Waumlrmesektor 31

Wo wollen wir hin 31

Die Energieraumplaumlne ndash ein neues Planungsinstrument fuumlr die Waumlrmewende 33

Die Abgrenzung der Klimaschutz-Gebiete 34

Der Prozess hinter den Energieraumplaumlnen 35

Die Auswirkungen der Energieraumplaumlne 35

Wie geht es weiter 35

Literatur 37

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Einleitung

Fuumlr die Smart City Wien ist Klimaschutz eine vordringliche Aufgabe Dabei ist klar dass zur Erreichung der ambitionierten und notwendigen Klimaziele ein umfassendes Set an Maszlignahmen zur Reduktion der klimaschaumldlichen Treibhausgase benoumltigt wird Unserem staumldtischen Energiesystem kommt hier eine entscheidende Rolle zu Ziel ist die Schaffung eines krisensicheren klimavertraumlglichen und erneu-erbaren Energiesystems das fuumlr alle Wienerinnen und Wiener leistbar bleibt Um dies zu bewerkstel-ligen muumlssen wir weniger Energie verbrauchen die Energieinfrastruktur optimieren den Energiebe-darf mit erneuerbarer Energie und Abwaumlrme decken und den Einsatz von innovativen Energieloumlsungen vorantreiben Alles in allem braucht die sogenannte Energiewende eine tiefgreifende und systemati-sche Umstellung der bestehenden Energieversorgung Am Weg zur nachhaltigen Energiezukunft Wiens ist es noumltig aktuelle Trends und Entwicklungen mit zu beruumlcksichtigen Dazu zaumlhlt beispielsweise das Bevoumllkerungswachstum Im kommenden Jahrzehnt wird Wien auf zwei Millionen Einwohnerinnen und Einwohner anwachsen (MA 23 2019) Daraus re-sultiert nicht nur ein erhoumlhter Bedarf an Wohnraum und Arbeitsplaumltzen sondern auch an Energie so-wie der dazu noumltigen Infrastruktur Ebenso werden die Auswirkungen des Klimawandels immer spuumlr-barer Maszlignahmen zur Klimawandelanpassung ndash etwa das Kuumlhlen von Gebaumluden im Sommer ndash werden in Zukunft an Bedeutung gewinnen Der nachhaltige und klimagerechte Umbau unserer Stadt ist daher untrennbar mit der Neugestaltung unseres Energiesystems verbunden Dies spiegelt sich auch im 2019 erschienenen bdquoSTEP 2025 ndash Fachkonzept Energieraumplanungrdquo wider das einen wichtigen Schritt zur Dekarbonisierung der Stadt Wien setzt Darin wird Energieraumplanung als die Verschraumlnkung von Raum- und Energieplanung definiert und als neue Kompetenz der Stadtpla-nung etabliert (MA 20 2019a) Die Wiener Energieraumplanung soll unter anderem dabei helfen den Einsatz leitungsgebundener Infrastruktur vorausschauend zu planen und erneuerbare Energiequellen sowie Abwaumlrme innerhalb des Stadtgebiets koordiniert nutzbar zu machen Es geht um das Ausrollen von innovativen Loumlsungen auf das gesamte Stadtgebiet vom Neubau zum Bestand von der netzge-bundenen zur dezentralen Versorgung vom Quartier zum Gebaumlude Schlieszliglich bietet Energieraum-planung die Chance mit Hilfe des Raumordnungs- und Baurechts einen noch deutlicheren Beitrag zum Klimaschutz und zur Energiewende zu leisten homogene Voraussetzungen zu schaffen und damit Pla-nungssicherheit zu gewaumlhrleisten Doch welche konkreten Schritte sind zu setzen um das Potenzial der Energieraumplanung voll entfalten zu koumlnnen Hierzu bedarf es eines naumlheren Blickes auf unseren derzeitigen Umgang mit Energie

Wo stehen wir Wien leistet bereits heute einen wichtigen Beitrag zur eigenen Energieversorgung Derzeit werden rund 18 des staumldtischen Energiebedarfs durch eine Kombination aus Muumlllverbrennung Kraft-Waumlrme-Kopplung Windkraft Solarenergie bioge-nen Brennstoffen Wasserkraft und Umgebungs-waumlrme von der Stadt selbst bereitgestellt (MA 20 2019b) Der Groszligteil unseres Bedarfs wird jedoch durch Importe von Erdgas Oumll und Strom gedeckt Unter Beruumlcksichtigung des weiterhin hohen Anteils an fossiler Energie in unserem System erweist sich ein Bereich als besonders relevant wenn es um Fra-gen wie Energiewende oder Klimaschutz geht der Waumlrmesektor (vgl Abb 1)

Abb 1 Der Endenergieverbrauch nach Anwendungen in Wien Quelle MA 20 2019b eigene Darstellung

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Die Waumlrmewende

Die Haumllfte und damit der Groszligteil unseres jaumlhrlichen Endenergieverbrauchs in Wien kann dem Waumlr-mebedarf zugeordnet werden Darunter fallen die Bereitstellung von Raumwaumlrme Warmwasser Kuumlh-lenergie sowie die Dampferzeugung und die Prozesswaumlrme die etwa bei der industriellen Fertigung benoumltigt werden Der Groszligteil dieses Waumlrmebedarfs wird mittels fossiler Energie gedeckt insbeson-dere wenn der fossile Energieeinsatz im Fernwaumlrmebereich mitberuumlcksichtigt wird (Statistik Austria 2020 MA 20 2019b) Die angestrebte Reduktion des fossilen Anteils im Waumlrmesektor ist planungs- und kostenintensiv da damit eine Umstellung von der Waumlrmeproduktion und -speicherung bis zur -verteilung einhergeht Besonders relevant ist dabei der Bedarf an niedertemperierter Waumlrme also kurz gesagt die Energie die wir zum Heizen und zur Aufbereitung von Warmwasser benoumltigen Die beiden wichtigsten Sekto-ren die diese Form der Waumlrme fast zur Gaumlnze beanspruchen sind die privaten Haushalte sowie die oumlffentlichen und privaten Dienstleistungen (Statistik Austria 2020) Der Bedarf an Raumwaumlrme und Warmwasser verteilt sich dabei uumlber das gesamte Stadtgebiet Anders als hochtemperierte Waumlrme mit mehreren hundert Grad die beispielsweise punktuell im produzierenden Bereich beansprucht wird muss die Umstellung der Heiz- und Warmwasserversorgung groszligflaumlchig gedacht werden Doch wieviel muss tatsaumlchlich umgestellt werden

Erdgas und Fernwaumlrme im Waumlrmesektor

Mit Erdgas dem derzeit wichtigsten Brennstoff im Wiener Waumlrmesektor wird rund die Haumllfte der knapp eine Million Wohnungen in Wien beheizt bzw mit warmem Wasser versorgt (Statistik Austria 2013 Statistik Austria 2014) Dabei haben sich zwei Technologien zur Erdgasnutzung etabliert die Gas-Zentralheizung fuumlr ganze Gebaumlude und die Gas-Therme (bdquoEtagenheizungrdquo) in einzelnen Wohnun-gen Neben Erdgas konnte sich die Fernwaumlrme als zweiter groszliger Player am Waumlrmemarkt etablieren Das heutige Fernwaumlrmenetz umfasst insgesamt mehr als 1200 km und ist damit eines der groumlszligten in Eu-ropa Mit Fernwaumlrme werden in Wien rund ein Drittel aller Haushalte und 60 des Dienstleistungsbe-reichs versorgt (MA 20 2019b Wien Energie 2019 Statistik Austria 2020) Dabei stammt die produ-zierte Fernwaumlrme zu rund einem Viertel aus den Muumlllverbrennungsanlagen Floumltzersteig Spittelau Sim-meringer Haide und Pfaffenau sowie dem Wald-Biomasse-Kraftwerk in Simmering Rund drei Viertel liefern Kraft-Waumlrme-Kopplungs-Anlagen und Abwaumlrmequellen Zur Spitzenlastabdeckung kommen erdgasbetriebene Heiszligwasserkessel und seit Neuestem ein Waumlrmegroszligspeicher E-Heizer sowie Waumlr-mepumpen zum Einsatz (Wien Energie 2020)

Wo wollen wir hin In der vom Wiener Gemeinderat beschlossenen bdquoSmart-City-Wien-Rahmenstrategie 2019 bis 2050ldquo wurde verankert dass der Endenergieverbrauch fuumlr Heizen Kuumlhlen und Warmwasser in Gebaumluden um ein Prozent pro Kopf und Jahr sowie die damit verbundenen CO2-Emissionen um zwei Prozent pro Kopf und Jahr sinken sollen Das Ziel bezieht sich auf die Wiener Treibhausgasemissionen auszligerhalb des EU-Emissionshandels Die angesetzten Werte beruumlcksichtigen dabei sowohl das starke Bevoumllkerungs-wachstum in der Stadt Wien als auch die damit verbundenen niedrigen Emissionen des Neubausektors (Magistrat der Stadt Wien 2019) Diese bereits ambitionierten Zielsetzungen sollen im Jahr 2021 nach-geschaumlrft werden Im aktuellen Koalitionsprogramm wurde Wiens Klimaneutralitaumlt bis 2040 verankert Damit muss das Klimaschutzziel fuumlr 2040 auf netto null Treibhausgase angepasst werden (Koalitions-programm 2020) Eine Erreichung dieses Ziels ist allerdings nur dann moumlglich wenn sowohl der Gebaumludesanierung als auch dem Tausch von bestehenden fossilen Heizsystemen durch hocheffiziente alternative Heizsys-

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teme ndash also Fernwaumlrme oder dezentrale erneuerbare Loumlsungen - hohe Prioritaumlt eingeraumlumt wird Dar-uumlber hinaus dient es der Zielerreichung wenn nicht nur im Gebaumludebestand Maszlignahmen gesetzt wer-den Auch in Neubauten muss dafuumlr Sorge getragen werden dass hocheffiziente alternative Heizsys-teme zum Einsatz kommen Erst dann ruumlckt die in Abb 2 skizzierte Reduktion des Energiebedarfs sowie die Umstellung auf eine erneuerbare emissionsarme Versorgung bis 2040 in greifbare Naumlhe

Abb 2 Moumlgliche Entwicklungen des Endenergieverbrauchs bis 2040 in Wien Quelle Abschaumltzungen des Magistrats der Stadt Wien gem SCWR Stand April 2021 (Annahme Strom- und Fernwaumlrmeerzeugung aus fossilen Abfaumlllen auf aktuellem Niveau restliche Erzeugung und Importe vollstaumlndig erneuerbar) und der Wien Energie 2020b eigene Darstellung

Neben Maszlignahmen auf Seiten der Energieabnahme werden auch konkrete Ziele auf der Produktions-seite formuliert Beispielsweise strebt die Wien Energie GmbH als groumlszligte Fernwaumlrmeversorgerin in Wien eine Diversifizierung und Dekarbonisierung der Erzeugungsstruktur der Fernwaumlrme an Bis 2030 sollen nicht mehr wie bislang 20 sondern 40 der Fernwaumlrme aus erneuerbaren Quellen bezogen werden (Wien Energie 2020a Wien Energie 2020b) Eine zentrale Rolle spielt hierbei die Integration von Abwaumlrmequellen auf niedrigem Temperaturniveau die durch Groszligwaumlrmepumpen auf die ge-wuumlnschte Versorgungstemperatur des Primaumlr- bzw Sekundaumlrnetzes gehoben wird Dazu zaumlhlt bei-spielsweise Abwaumlrme aus Industrieprozessen aber auch aus dem Donauwasser dem Grundwasser dem Abwasser oder dem Erdreich Da sowohl die Stadt als auch die Stadtwerke an einer schrittweisen Dekarbonisierung der Fernwaumlrmeerzeugungsstruktur arbeiten ist die oben angefuumlhrte Entflechtung der leitungsgebundenen Energieinfrastruktur und Erhoumlhung der Anschlussdichte zugunsten der Fern-waumlrme ein sinnvoller und wichtiger Schritt Denn durch den jahrelangen Ausbau von zwei leitungsge-bundenen Netzen innerhalb des Stadtgebiets haben sich Gebaumlude Straszligenzuumlge oder Netzbereiche entwickelt in denen Erdgas und Fernwaumlrme parallel angeboten werden Fuumlr beide Netze ergeben sich daraus unbefriedigende Anschlussgrade und insgesamt houmlhere volkswirtschaftliche Kosten Die Ent-flechtung dieser Netze zugunsten umweltfreundlicher Nah- und Fernwaumlrme wird daher als wesentli-cher Schritt in Richtung einer erfolgreichen Waumlrmewende gesehen Flankiert wird diese Maszlignahme durch die zunehmende Nutzung von dezentralen Loumlsungen wie Waumlr-mepumpen um in Lagen ohne Rohrleitungsinfrastruktur eine umweltfreundliche und kostenguumlnstige Waumlrme- und Kaumllteversorgung mittels Anergienetzen oder nicht netzgebundenen Einzelloumlsungen si-cherstellen zu koumlnnen Dies funktioniert beispielsweise mit Hilfe von Erdsonden die dem Erdreich im Winter Waumlrme entziehen um damit Wohnungen zu heizen oder Duschwasser zu erwaumlrmen Im Som-mer wird die uumlberschuumlssige Waumlrme aus den Gebaumluden in die Erdsonden eingeleitet und die Tempera-tur des Untergrunds regeneriert Durch die Moumlglichkeit zu heizen und zu kuumlhlen steigen der Nutzwert und die Zukunftstauglichkeit des versorgten Gebaumludes deutlich an Solche Einzelsysteme auf Basis er-neuerbarer Energietraumlger sind mittlerweile oumlkonomisch vergleichbar und konkurrenzfaumlhig mit einer

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Gasversorgung Das zeigen sowohl Praxiserfahrungen aus dem Wohn- und Schulbau ndash z B die Muumlhl-grundgasse oder der Bildungscampus Seestadt Aspern Nord ndash als auch ein von der Energieplanung der Stadt Wien beauftragtes Gutachten (Treberspurg amp Partner 2019) Im Falle einer Gesamtkostenbe-trachtung uumlber 20 Jahre hinweg oder unter Beruumlcksichtigung der Kuumlhlmoumlglichkeiten durch Waumlrme-pumpen an heiszligen Sommertagen sind derartige Systeme bereits heute kostenguumlnstiger als der Einsatz von Gasthermen Gerade in weniger dichten Gebieten der Stadt die sich kaum fuumlr eine Fernwaumlrme-versorgung oder andere Netzloumlsungen eignen wird kuumlnftig mit einer Ausweitung von dezentralen Ein-zelloumlsungen gerechnet

Die Energieraumplaumlne ndash ein neues Planungsinstrument fuumlr die Waumlrmewende

Um die Waumlrmewende erfolgreich umsetzen zu koumlnnen braucht es Weitblick und klare Vorgaben Der derzeit noch von Gas dominierte Gebaumludebereich ist dabei ein zentraler Hebel Eben hier knuumlpft die Novelle der Bauordnung fuumlr Wien 2018 an Mit den sogenannten Energieraumplaumlnen nach sect 2b der Bauordnung fuumlr Wien wurde ein neues Instrument geschaffen das den Einsatz von Energietraumlgern fuumlr die Bereitstellung von Raumwaumlrme und Warmwasser bei Neubauten gezielt und nachhaltig steuert Die Energieraumplaumlne sind Verordnungen Sie aumlhneln den sektoralen Raumordnungsprogrammen in anderen Bundeslaumlndern wie etwa der Windkraftnutzung in Niederoumlsterreich Die Planungsebene ent-spricht damit der uumlberoumlrtlichen Raumplanung die gesamtstaumldtisch zu betrachten ist Mit Hilfe der Energieraumplaumlne koumlnnen sogenannte Klimaschutz-Gebiete festgesetzt werden in denen fossile Energietraumlger zur Raumwaumlrme- und Warmwasserbereitstellung im Neubaubereich weitestge-hend verboten sind Stattdessen wird eine nachhaltige Waumlrmeversorgung auf Basis von hocheffizien-ten alternativen Systemen vorgeschrieben Dazu zaumlhlen nach sect 118 Abs 3 der Bauordnung fuumlr Wien

bull dezentrale Energieversorgungssysteme auf der Grundlage von Energie aus erneuerbaren Quel-len

bull Kraft-Waumlrme-Kopplungs-Anlagen bull Fern-Nahwaumlrme oder Fern-Nahkaumllte insbesondere wenn sie ganz oder teilweise auf Energie

aus erneuerbaren Quellen beruht oder aus hocheffizienten Kraft-Waumlrme-Kopplungs-Anlagen stammt und

bull Waumlrmepumpen

Energieraumplaumlne koumlnnen dann fuumlr ein Gebiet erlassen werden wenn in diesem Gebiet bereits eine Fernwaumlrmeinfrastruktur als hocheffizientes alternatives System oder ausreichend technische Kapazi-taumlt fuumlr eine Erweiterung der Fernwaumlrmeinfrastruktur verfuumlgbar ist Zudem muss zumindest ein weite-res hocheffizientes alternatives System realisierbar sein Damit bleibt die Wahlfreiheit bestehen ledig-lich klimaschaumldliche fossile Energietraumlger sind fuumlr die Waumlrmeversorgung Geschichte Die Novelle der Bauordnung fuumlr Wien stellt dabei keine radikale Neuerung sondern vielmehr eine Ver-schaumlrfung der bisherigen Fassung dar Bislang war die Ausstattung von Neubauten mit hocheffizienten alternativen Energiesystem bereits verpflichtend Wenn die Errichtung eines entsprechenden Energie-systems aus wirtschaftlichen oder technischen Gruumlnden jedoch nicht moumlglich war konnte im Einzelfall die Verpflichtung weitestgehend entfallen Nur die Versorgung mit mindestens 20 erneuerbarer Energie fuumlr Warmwasser- Raumwaumlrme- oder Stromversorgung musste sichergestellt werden In den durch die Energieraumplaumlne ausgewiesenen Klimaschutz-Gebieten sind solche Ausnahmen kuumlnftig nicht mehr zulaumlssig Klimafreundliche Systeme werden zum neuen Standard ndash ein Meilenstein fuumlr die Klimazukunft

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Die Abgrenzung der Klimaschutz-Gebiete

Im Zuge der Erarbeitung der gegenstaumlndlichen Verordnungen wurden jene Bereiche als Klimaschutz-Gebiete ausgewiesen in denen Fernwaumlrme und zumindest ein weiteres hocheffizientes Energiesystem eingesetzt werden koumlnnen Damit bildet hocheffizient alternativ gefuumlhrte Fernwaumlrme die Grundlage der Gebietsabgrenzung Darunter fallen im Sinne der Energieraumplaumlne jene Netze deren Energie zu-mindest zu 80 aus Kraft-Waumlrme-Kopplungs-Anlagen undoder aus Abwaumlrme undoder aus erneuer-baren Energien (Umgebungswaumlrme Biomasse etc) stammt Die Fernwaumlrme der Wien Energie GmbH entspricht derzeit als einziges Netz diesen Kriterien Um die bestehende hocheffizient alternativ gefuumlhrte Netzinfrastruktur der Wien Energie mit ihren Ka-pazitaumlten bestmoumlglich ausnuumltzen zu koumlnnen wurde das Erweiterungs- und Verdichtungspotenzial des Netzes untersucht Dazu wurden technisch-oumlkonomische Analysen erstellt und gutachterlich uumlber-pruumlft Im Falle der technischen Bewertung waren Restriktionen des bestehenden Netzes von zentraler Bedeutung Darunter fallen moumlgliche Komplikationen die sich aufgrund der Verlegeart bzw der Di-mension von Leitungen sowie der beschraumlnkten Leistungsfaumlhigkeit der Gebietsumformer- und Uumlber-gabestationen ergeben koumlnnen Anschlieszligend wurden die Kosten eines moumlglichen Anschlusses unter-sucht Darunter fallen jene Kosten die beim Energieversorger und Netzbetreiber entstehen wie Inves-titionskosten im Zusammenhang mit dem Anschluss eines Gebaumludes an das Waumlrmenetz oder laufende Kosten im Zusammenhang mit der Erzeugung und dem Transport der Waumlrme Wenn durch die Ertraumlge aus dem Waumlrmeverkauf die angefuumlhrten Kosten gedeckt werden koumlnnen faumlllt die wirtschaftliche Be-wertung positiv aus Ein positives Ergebnis der technisch-oumlkonomischen Bewertung resultiert in einer Erweiterung bzw Verdichtung der derzeitigen hocheffizient alternativ gefuumlhrten Fernwaumlrmeversorgungsbereiche In ei-nem abschlieszligenden Schritt wurde ermittelt ob in den ausgewiesenen Zonen zumindest ein weiteres hocheffizientes alternatives System neben der Fernwaumlrme betrieben werden kann Dies wurde gut-achterlich untersucht und fuumlr alle Gebiete bestaumltigt Das Ergebnis dieser stufenweisen Vorgehensweise sind die Energieraumplaumlne und die darin parzellenscharf ausgewiesenen Klimaschutz-Gebiete

Abb 3 Orangedruck eines Wiener Energieraumplans Wien Ottakring Quelle MA 20 2020

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Wie in Abb 3 ersichtlich werden die Klimaschutz-Gebiete bezirksweise erlassen Gemeinsam mit den Bezirken Leopoldstadt und Neubau wurde der Energieraumplan Ottakring im Juni 2020 vom Wiener Gemeinderat beschlossen Im September 2020 folgten die Bezirke Landstraszlige Josefstadt Alsergrund Waumlhring und Doumlbling Die uumlbrigen 15 Wiener Gemeindebezirke sollen in den kommenden Monaten beschlossen werden

Der Prozess hinter den Energieraumplaumlnen

Das Verfahren zur Erstellung der Energieraumplaumlne und den darin kenntlich gemachten Klimaschutz-Gebieten orientiert sich am Ablauf zur Erarbeitung der Flaumlchenwidmungs- und Bebauungsplaumlne Im Rahmen der Vorentwurfsphase werden Grundlagen aufbereitet und die Ergebnisse stadtintern reflek-tiert Auf dieser Basis wird ein Entwurf erarbeitet der einer oumlffentlichen Auflage unterzogen wird Et-waige Stellungnahmen werden aufgenommen und gegebenenfalls in die Energieraumplaumlne eingear-beitet Anschlieszligend werden die Verordnungen von der Europaumlischen Kommission mittels Notifizie-rung bestaumltigt Weder von Seiten der Europaumlischen Kommission aus anderen Mitgliedstaaten noch von Unternehmen kamen diesbezuumlglich bislang Einwaumlnde Das Fehlen eines solchen Einwandes kann als richtungsweisend im Sinne des Klimaschutzes interpretiert werden Klimaschutz wird damit uumlber den Schutz des Binnenmarktes fuumlr fossile Heizungen gestellt Schlieszliglich gelangen die Energieraum-plaumlne in den Wiener Gemeinderat und erlangen drei Monate nach Kundmachung ihre Guumlltigkeit

Die Auswirkungen der Energieraumplaumlne

Etwa acht von zehn Neubauten in Wien befinden sich kuumlnftig in einem Klimaschutz-Gebiet Die Stadt Wien rechnet mit etwa 8000 neuen Wohneinheiten innerhalb dieser Gebiete pro Jahr Durch die Vor-schreibung hocheffizienter alternativer Systeme fuumlr Raumwaumlrme und Warmwasser haben die Klima-schutz-Gebiete daher direkten Einfluss auf die staumldtische Treibhausgasbilanz Das geplante Monitoring der Energieraumplaumlne wird zeigen wie wirksam diese Maszlignahme bezuumlglich des staumldtischen Treib-hausgasbudgets ist Daruumlber hinaus hemmen die gegenstaumlndlichen Verordnungen den parallelen Leitungsausbau in Neu-baugebieten etwa von Gas und Fernwaumlrme Damit werden eine leistbare Waumlrmeversorgung fuumlr End-kundinnen und Endkunden sichergestellt und Planungssicherheit fuumlr Investorinnen und Investoren ge-schaffen Ausnahmen ergeben sich lediglich im Falle von Industrie- und Gewerbegebieten wenn diese einen Gasanschluss fuumlr ihre Produktionsprozesse benoumltigen Im Bereich der bestehenden Gebaumludestruktur kann durch die gegenstaumlndlichen Verordnungen kurz- bis mittelfristig keine Entflechtung der doppelten Rohrleitungsinfrastruktur erreicht werden Um das zu bewirken muumlssten auch entsprechende Regelungen fuumlr die Umstellung von fossilen Heizungsanla-gen in Bestandsbauten ergriffen werden Trotzdem soll durch Anschluumlsse von Neubauten die Fern-waumlrme-Anschlussdichte in der Bestandsstadt erhoumlht werden Das unterstuumltzt den kosteneffizienten Betrieb und traumlgt zur Leistbarkeit der Energieversorgung bei Schlieszliglich ruumlstet sich die Stadt Wien durch die vermehrte Nutzung von erneuerbarer Energie fuumlr die Zukunft und wird damit europaweit Vorreiterin denn mit gruumlner Energie aus der Region wird Wien unabhaumlngiger von Erdgasimporten aus dem Ausland

Wie geht es weiter

Mit den Energieraumplaumlnen setzt Wien einen wichtigen Meilenstein fuumlr eine krisensichere und erneu-erbare Energiezukunft Im Sommer 2020 begann mit der Verordnung der ersten acht Klimaschutz-Ge-biete der Ausstieg aus der fossilen Gasversorgung von Neubauten Aber was ist mit dem Gebaumludebe-stand

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Die Dekarbonisierung von Bestandsbauten ist die logische Folge der aktuellen Energieraumplaumlne und wurde auch im aktuellen Koalitionsuumlbereinkommen verankert Dabei wird es wichtig sein auf die Aus-gangslage des Bestands einzugehen (z B Sanierungszustand Nutzung bauliche Dichte etc) und vor diesem Hintergrund die unterschiedlichen Moumlglichkeiten eines Energietraumlgerwechsels zu beleuchten Nach derzeitiger Sicht lassen sich grob folgende Versorgungsoptionen unterscheiden

bull Fernwaumlrme wird auch im Gebaumludebestand eine wichtige Rolle fuumlr die Raumwaumlrme- und Warm-wasserversorgung spielen Einerseits koumlnnten jene Gebaumlude kuumlnftig mit Fernwaumlrme versorgt werden die bereits heute uumlber einen Fernwaumlrmeanschluss verfuumlgen aber nur teilweise oder gar nicht mit Fernwaumlrme versorgt werden Andererseits koumlnnten auch jene Gebaumlude ange-schlossen werden die in unmittelbarer Naumlhe zu einer bestehenden Fernwaumlrmeleitung bzw in einem Fernwaumlrmeausbaugebiet mit ausreichender Kapazitaumlt liegen Sinnvolle Loumlsungen zur Gebaumludekuumlhlung im Sommer muumlssen zusaumltzlich etabliert werden Ebenso wird die Sanierung der Bestandsstadt eine wichtige Rolle spielen um den Waumlrmebedarf zu senken und damit noch mehr Wienerinnen und Wiener mit kuumlnftig fossilfreier Fernwaumlrme versorgen zu koumlnnen

bull In den fuumlr die Fernwaumlrme ungeeigneten Lagen koumlnnten die uumlbrigen hocheffizienten alternati-ven Energiesysteme gemaumlszlig sect 118 (3) Bauordnung fuumlr Wien zum Einsatz kommen Bereits heute zeichnen sich umfangreiche Potenziale an vor Ort verfuumlgbarer Erdwaumlrme ab die sowohl den Bedarf an Waumlrme als auch an Kaumllte in weiten Teilen des Stadtgebiets decken koumlnnten Die Versorgung einzelner Gebaumlude kann dabei dezentral die Versorgung mehrerer Gebaumlude mit-tels innovativer Nahwaumlrmenetze erfolgen

bull Schlieszliglich wird es Gebiete geben in denen nur bedingt hocheffiziente alternative Waumlrmever-sorgungssysteme realisiert werden koumlnnen Dazu zaumlhlen etwa Industriegebiete die hochtem-perierte Waumlrme fuumlr industrielle oder gewerbliche Prozesse benoumltigen Ebenso wird es Ge-baumlude geben die beispielsweise aufgrund des Denkmal- oder Ensembleschutzes nur einge-schraumlnkt saniert oder aus technischen Gruumlnden nur schwer nachgeruumlstet werden koumlnnen Fuumlr diese Faumllle koumlnnte aus derzeitiger Sicht bdquogruumlnes Gasldquo eine Moumlglichkeit zur Waumlrmebereitstel-lung bieten Dabei muumlssen das Potenzial die Verfuumlgbarkeit und die Transportfaumlhigkeit von bdquogruumlnem Gasldquo im Auge behalten werden um eine langfristige Versorgung gewaumlhrleisten zu koumlnnen

Neben der schrittweisen Umstellung auf eine erneuerbare Energieversorgung darf die Steigerung der Energieeffizienz nicht auszliger Acht gelassen werden Darunter faumlllt beispielsweise die thermische Ge-baumludesanierung mit der der Waumlrme- und Kuumlhlbedarf gesenkt und damit eine erneuerbare Versorgung unterstuumltzt werden kann Erst durch die Verschneidung beider Handlungsfelder kann ein nachhaltiges Energiesystem entstehen Naumlhere Informationen dazu finden sich im SEP ndash Staumldtisches Energieeffizi-enz-Programm 2030 (MA 20 2019c) und in der Energierahmenstrategie 2030 fuumlr Wien (Stadt Wien 2016) Als Energieplanungsabteilung der Stadt Wien versuchen wir den hier skizzierten Weg zu verfolgen und die Entwicklungen im Energiesektor in geregelte Bahnen zu lenken Dabei gilt es flexibel und system-offen zu bleiben um bestmoumlglich auf die bevorstehenden Systemaumlnderungen eingehen zu koumlnnen Nur so kann die Energieraumplanung als neue Kompetenz der Stadtplanung zur Entfaltung kommen und immer deutlicher in der gebauten Stadt wirksam werden Je mehr neue und bestehende Objekte mit klimaschonender Energieversorgung entstehen desto sichtbarer und spuumlrbarer wird der Klima-schutz fuumlr alle Die kommenden Jahrzehnte werden jedenfalls einige Umbruumlche bereithalten die die Stadt Wien bereits heute als Chance versteht um bestmoumlgliche Loumlsungen fuumlr ihre Bewohnerinnen und Bewohner vorzubereiten

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Literatur

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Energieraumplanung Das oumlsterreichische Instrumentarium im IST und SOLL

Hartmut Dumke (1) und Stefan Geier (2)

DOI 10347261023

(1) UnivAss Dipl-Ing Drtechn Forschungsbereich Regionalplanung und Regionalentwicklung Institut fuumlr Raumplanung TU Wien ORCID 0000-0002-8111-9083

(2) Dipl-Ing Institut fuumlr Raumplanung Umweltplanung und Bodenordnung (IRUB) Department fuumlr Raum Landschaft und Architektur Universitaumlt fuumlr Bodenkultur (BOKU) Wien

Abstract

In einer bundeslanduumlbergreifenden Konsensdefinition wurde Energieraumplanung (ERP) 2014 als bdquoTeil der Raumplanung der sich umfassend [hellip] mit Energiebedarf und -gewinnungldquo beschaumlftigt definiert Seither sind zahlreiche Erfolgsgeschichten in den 9 Handlungsfeldern der ERP gelungen aber die Frage wie der bdquoNext Levelldquo im Sinne der Energiewende und der Klimawandelanpassung erreicht werden kann ist offen Dazu systematisiert der vorliegende Artikel zunaumlchst das Instrumentarium im IST Zu-stand nach Raumbezuumlgen und Wirkungsweisen Dieser Befund zeigt insbesondere bei der Verbindlich-keit und Wiederholbarkeit deutliche Schwaumlchen in der bdquoMatrixldquo der Steuerungsinstrumente deshalb werden 6 neue Handlungsfelder vorgeschlagen die dem kuumlnftigen Anspruch der ERP moumlglicherweise besser gerecht werden koumlnnten Das Fazit schlieszligt mit einem Appell fuumlr mehr Lenkungsverantwortung bei den Bundeslaumlndern und den Energieversorgungsunternehmen und definiert die SOLL-ERP als bdquoneueldquo Disziplin die mehr andere Disziplinen als bisher enthaumllt u a natuumlrlich auch die Raumplanung

Schluumlsselbegriffe

Energieraumplanung ERP Steuerungsinstrumente Energiewende Dumke H Geier S (2021) Energieraumplanung Das oumlsterreichische Instrumentarium im IST und SOLL In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S38-47

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Inhalt Einleitung 40

Erfolgsgeschichten 41

Instrumente der (E)RP 42

Fazit 44

Literatur 46

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Einleitung

Die bisher einzige bundeslanduumlbergreifende Konsens-Definition aus 2014 lautet wie folgt (Stoumlglehner et al 2014 S 12) bdquoEnergieraumplanung ist jener integrale Bestandteil der Raumplanung der sich mit den raumlumlichen Dimensionen von Energieverbrauch und Energieversorgung umfassend beschaumlftigtldquo Damit erscheint einerseits in der OumlROK-Definition aus 2014 die Beruumlcksichtigung komplexer integrier-ter wirkmaumlchtiger Handlungsfelder der ERP abgedeckt Andererseits war diese Definition von einem die Bundeslaumlnder uumlbergreifenden Konsens motiviert der Raumplanung keine Verantwortung fuumlr kom-plexe Steuerungsaufgaben der ERP zuzumuten fuumlr die ihr Instrumentarium derzeit nicht gebaut ist Zu diesen komplexen Steuerungsaufgaben gehoumlrt u a die integrierte Beruumlcksichtigung der Ziele Ener-giesparen Steigerung der Versorgungsanteile aus erneuerbaren und CO2-armen Gewinnungsformen und Entwicklung der Siedlungsstrukturen zu Gunsten umweltfreundlicher Verkehrsmittel Aber nicht alle dieser Ziele koumlnnen nur mit Raumplanungsinstrumenten unterstuumltzt bzw erreicht werden Der vorliegende Artikel diskutiert demzufolge das IST und SOLL zum Instrumentarium der oumlsterreichi-schen Energieraumplanung (ERP) Im Sinne der ERP-Konferenz die am 20 und 21022020 an der TU Wien stattfand (TU Wien Institut fuumlr Raumplanung 2020) geht es dabei insbesondere um einen Be-fund zu Wirkungsweisen und -staumlrken die benoumltigt werden um von vielen Teil-Erfolgen der ERP zum bdquoNext Levelrdquo zu gelangen bdquoNext Levelrdquo wuumlrde dabei bedeuten dass bereits umgesetzte Erfolgsgeschichten der Energieraumpla-nung (vgl Tab 1) kuumlnftig deutlich haumlufiger schneller und unkomplizierter als bisher umgesetzt werden koumlnnen Neben diesen Reflexionen diskutiert dieser Beitrag somit ob die aktuell konsensuale Defini-tion der ERP zu diesem Anspruch eines deutlichen bdquoUpscalingsrdquo passt und auch die Anspruumlche der Mi-tigation und Adaptation im Klimaschutz bedienen kann

Abb 1 ERP im IST als Teilmenge von Raumplanung Quelle eigene Darstellung

Nach der benannten Definition von ERP kann diese als Teilmenge von RP (neben anderen wie Ver-kehrsplanung Gruumlnraumplanung Tourismusplanung etc) betrachtet werden Der vorliegende Artikel diskutiert daher ob dieses bislang vorherrschende Verstaumlndnis im IST (ERP ist als Element in der Raum-planung enthalten) dem Next Level der ERP im SOLL uumlberhaupt gerecht werden kann Zunaumlchst werden bestehende Erfolgsgeschichten (ERP IST) aufgezeigt danach werden die Steuerungsinstrumente mit Energierelevanz diskutiert und auch bdquoalterdquo und bdquoneuerdquo Handlungsfelder der Energieraumplanung ge-listet Im Fazit wird zusammenfassend aus diesen Erkenntnissen ein ERP SOLL inclusive einer anderen bdquoMengenlehreldquo entworfen

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Erfolgsgeschichten

Exemplarisch fuumlr bdquoErfolgsgeschichtenrdquo listet Tab 1 umgesetzte Praxisbeispiele auf der Quartiers- und Siedlungsebene die aufgrund Ihrer integrierten Zugaumlnge nach Ansicht der Autoren das Branding bdquoEner-gieraumplanungrdquo wirklich verdienen weil sie integriert Umsetzungen in mindestens vier aus den neun Handlungsfeldern der ERP realisiert haben

Lage Umsetzungen Instrumentarium ERP-Handlungsfelder gemaumlszlig OumlROK 2014

Energiezonenplanung Freistadt Oberoumlsterreich

Festlegung von Vorrang- und Ausbaugebieten fuumlr Fernwaumlrme raumlumliche Ent-wicklung nach den Prinzi-pien Funktionsmischung raumlumliche Dichte und Kom-paktheit in den Vorrangflauml-chen

Energiezonenplan 3 4 5 6 7 8

Siedlung bdquoRosa Zukunftrdquo Salzburg

Neubausiedlung Passiv-hausstandard Erdwaumlrme + Fotovoltaik + Solarthermie E-Car-Sharing Smart-Grid-Evaluierung

Gefoumlrdertes Leuchtturm-projekt der Smart-Grids-Modellregion Salzburg Wohnbaufoumlrderung

4 6 7 8 9

Smart Block Geblergasse (Wien)

Thermische Sanierung im Bestand Geothermie + So-larthermie Energiebedarfs- und verbrauchsmonitoring Mobilitaumlts- und Freiraum-konzept

FFG-Forschungsfoumlrderung Smart-City-Rahmenstrate-gie THEWOSAN-Foumlrderung

4 6 7 8 9

Zell am See ndash Sonnengarten Limberg (Salzburg)

Neubau-Quartiersentwick-lung nach den bdquoklimaaktiv-Standards fuumlr Siedlungen und Quartiererdquo Energie- Mobilitaumlts- und Partizipati-onskonzept

klimaaktiv-Standards fuumlr Siedlungen und Quartiere klimaaktiv-Gold-Standard fuumlr die Gebaumlude

3 4 5 6

Tab 1 Oumlsterreichische bdquoErfolgsgeschichtenrdquo erfolgreich umgesetzter Energieraumplanung

Neun Handlungsfelder

1) Freihaltung von geeigneten Raumlumen zur Gewinnung Speicherung und Verteilung erneuer-barer Energien von konflikttraumlchtigen Nutzungen einschlieszliglich Erhaltung von Pufferflauml-chen

2) Freigabe von geeigneten Raumlumen zur Gewinnung Speicherung und Verteilung erneuerba-rer Energien

3) Bereitstellung von Planungsgrundlagen und Planungsmethoden fuumlr oumlrtliche und uumlberoumlrtli-che Energie- und Mobilitaumltskonzepte

4) Wahrnehmung der Rolle als Plattform zum Interessenausgleich 5) Staumlrkung von Zentralitaumlt und kurzen Wegen 6) Anstreben von Dichte und Funktionsmischung 7) Innen- vor Auszligenentwicklung 8) Abstimmung von Nutzungsentwicklung und Mobilitaumltsangebot (im Umweltverbund) 9) Optimierung und Attraktivierung ungenutzter Energiepotenziale

Quelle eigene Darstellung neun Handlungsfelder nach (Stoumlglehner et al 2014)

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Instrumente der (E)RP

In der Unterscheidung zwischen Raumplanung und Energieraumplanung stellt sich uumlberhaupt die Frage was denn eigentlich keine Energieraumplanung ist Wichtiger als eine solche philosophische De-batte ist fuumlr die Planungspraxis im IST und SOLL aber ein systematischer Zugang Was gibt es uumlberall was nicht In Tab 2 wird diese Systematisierung von Steuerungsinstrumenten mit Energierelevanz nach dem Raumbezug und der Wirkungsweise versucht Das erhebt keinen Anspruch auf Vollstaumlndig-keit fasst aber sowohl Steuerungsansaumltze zusammen die in allen Bundeslaumlndern vorkommen als auch manche die (Stand 2020) nur in einzelnen Bundeslaumlndern vorkommen Letztere sind mit Bundesland-Kuumlrzeln markiert Die sechs Spalten der Wirkungsweisen und -arten (direkt undoder indirekt) basieren urspruumlnglich auf dem Systemansatz von Klaus Selle (Selle 2005) und wurden seit 2013 im Zuge des Forschungsprojektes ENUR (und nachfolgenden auch in anderen Forschungsprojekten am Institut fuumlr Raumplanung) um die Unterscheidung nach raumlumlichen Wirkungsebenen ergaumlnzt Die Indirekten haumlufig zeitig bdquolangsamenrdquo Ansaumltze definieren dabei den Rahmen in dem die bdquoschnellenrdquo direkt raumwirksamen Ansaumltze sich bewegen koumlnnen Die Zuordnung der Instrumente entspricht ausschlieszliglich der Auffassung der Auto-ren und koumlnnte aus anderen Perspektiven heraus unterschiedlich ausfallen eine interdisziplinaumlr kon-sensierte Version waumlre fuumlr sich ein interessantes Projekt und ein wichtiger bdquoMeilensteinrdquo der ERP im SOLL Anmerkung In Gebieten welche in Wien von Energieraumplaumlnen erfasst sind wird per Verordnung die Wahl des Heizungs- und Warmwasserbereitungssystems von Neubauten beschraumlnkt Bestandsge-baumlude sind davon nicht beruumlhrt Fuumlr Neubauten sind zur Beheizung und Warmwasserbereitung die innerhalb eines Energieraumplanes (MA 20 Energieplanung Wien 2020) errichtet werden nur mehr eines der bdquohocheffizienten alternativen Systemeldquo gemaumlszlig Wiener Bauordnung sect 118 Absatz 3 (Wien 2020) erlaubt Energieraumplaumlne koumlnnen in allen Bundeslaumlndern auszliger Wien grundsaumltzlich der regio-nalen Ebene zugeordnet werden aber in Wien entspricht dies eher der Quartiers- oder Siedlungs-ebene Neben der Unterscheidung nach Raumbezug und Wirkungsweise ist es aber auch wichtig die Entste-hung all dieser Steuerungsinstrumente im IST zu systematisieren Wie ist die Verbindlichkeit besichert wer war bei der Entwicklung eines Instrumentes (nicht) beteiligt und wie ist die bdquoDatenlandschaftrdquo aufgestellt an die die Energieraumplanung hohe Anspruumlche hat Die folgende Einschaumltzung gibt einen Uumlberblick wo die ERP 2020 nach Ansicht der Autoren steht

1 Energieversorger und Netzbetreiber fehlen bisher noch weitgehend als BeteiligteMitgestal-ter

2 Die regionale Ebene verfuumlgt uumlber zu wenige verbindliche Steuerungsansaumltze die uumlber die lo-kalen Ebenen (vor allem auf die Gebaumludeebene aber auch pro Siedlung und Gemeinde) wir-ken

3 Erst wenige Bundeslaumlnder verfuumlgen uumlber eine konsistent und frei zugaumlngliche Datenbasis die kleinraumlumige Aussagen und Entscheidungen ermoumlglicht

4 Die rechtsverbindlichen Instrumente Flaumlchenwidmungs- und Bebauungsplan adressieren die Energierelevanz implizit aber nicht explizit

5 Andere verbindliche Instrumente wie die Bauordnungen bdquowirkenrdquo im Sinne der Energieraum-planung vor allem am einzelnen Gebaumlude weniger in Gebaumludeensembles auf der Quartiers- und Siedlungsebene

6 Auch auf Quartiers- und Siedlungsebene fehlt es nicht an Steuerungsansaumltzen aber Ihre bdquoWirk-machtrdquo hat im Sinne der Energieraumplanung bisher noch zu wenig Serialitaumlt erlangt Analy-sen die sich der Erklaumlrung der fehlenden Serialitaumlt widmen stehen noch aus

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Raumbezug Wirkungsweise und Raumwirksamkeit (indirekt und direkt raumveraumlndernd)

Bundesland Raum- ordnungs- und Raum- planungs- gesetze

Bauordnungen OIB-Richtlinien

Landesenergie-konzepte (Energie Zukunft

Mobilitaumlt Klimaschutz) Waumlrmeatlas (Stmk W S)

Foumlrderungen Wohnbau Sanierungen Produktion erneuerbarer

Energien Sachbereichskonzept Energie

(Stmk)

Windkraft-Sachpro-

gramme und -konzepte

(K NOuml OOuml Stmk)

PV Konzepte (K B)

Region Regionale Energiekon-zepte Smart Regions- und Mobilitaumlts- konzepte Klima- und

Energiemodell-regionskon-

zepte LEADER-Konzepte

Entwicklung von Regional-entwickungs-managements

und Interessens-verbaumlnden

Stadt Gemeinde

Oumlrtliche Entwicklungs-

konzepte Masterplaumlne

Stadt- entwicklungs-

plaumlne Sachbereichs-

konzept Energie (Stmk)

Energie- und Klimakonzept

(NOuml)

Kommunale Energieleitbilder und -konzepte e5-Gemeinden-

Konzepte

Waumlrmenetz-betrieb

Energiegewin-nung

Flaumlchenwid-mungsplaumlne Bebauungs-

plaumlne

Mobilitaumlts-zentralen Beratungs-

stellen Gebietsbe-treuungen

(W)

Quartier Siedlung Gebaumlude- ensembles

Energieraum-plaumlne (W)

Energiekon-zepte sanfte Stadterneue-

rung (W) Energieraum-planerische

Standortraumlume (Stmk)

Waumlrmeatlas (S)

Vertraumlge Public-Private Partnerships Bodenfonds Steuer- und

Einspeisereg-lements der

Erneuerbare-Energie-

Gewinnung

Investoren- wettbe-werbe

Nutzungs- beitraumlge

Grundstuumlcks-aufschlieszligun-gen Bauland-umlegungen

staumldtebau- liche Vertraumlge

ERP- Simulations-

und Berechnungs-

tools Entwicklungs-

gesell- schaften

Sanfte Stadt-erneuerung

(W)

Einzelne Gebaumlude

Beratungs- angebote

(Miete und Eigentum)

Zertifi- zierungs- systeme

Eigentuumlmer-vertraumlge und -beschluumlsse

regulativ (indirekt)

kommunikativ bewusstseins-

bildend (indirekt)

finanzierend (indirekt)

markt- aktivierend

(direkt)

standort- entwickelnd

(direkt)

Prozesse steuernd

(direkt und oder indirekt)

Tab 2 Steuerungsinstrumente mit Energierelevanz nach raumlumlichen Beschluss- und Wirkungsebenen und Wirkungswei-sen Bundesland-Kuumlrzel Stmk = Steiermark W = Wien S = Salzburg K = Kaumlrnten B = Burgenland NOuml = Niederoumlsterreich Quelle Eigene Darstellung und Erweiterung 2021 nach Department fuumlr Raumplanung 2013 und Weninger 2017 Die Tabelle erhebt keinen Anspruch auf Vollstaumlndigkeit

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Die bisher beschriebenen Befunde zum Stand der Energieraumplanung im IST lassen ein Bild entste-hen wie die Energieraumplanung im SOLL beschaffen sein koumlnnte Einen neuen Vorschlag dieser bdquoMengenlehrerdquo schlaumlgt die Abb 5 (vgl Fazit) vor Im Sinne der ERP im SOLL geht es um die folgenden zusaumltzlichen Handlungsfelder

bull Infrastrukturplanung und -koordination in Richtung Dekarbonisierung bull sektoruumlbergreifende Planungs- und Entscheidungsprozesse bull Erhebung von erneuerbaren Energiepotenzialen inkl Abwaumlrme bull Waumlrmebedarfsprognosen und -planung mit Hilfe von Waumlrmekatastern (ISTSOLL) bull sektoruumlbergreifende Datengrundlagen bull regionale- und kleinraumlumige Mobilitaumltsmodelle

Diese sechs neuen Handlungsfelder stehen zwar im Kontext der bisherigen neun Handlungsfelder aus der OumlROK Definition 2014 konkretisieren aber in der Akteurinnen- und Akteurslandschaft und auch raumlumlich differenzierender wie der bdquoNext Levelrdquo der Energieraumplanung Fahrt aufnehmen koumlnnte Die sektorenuumlbergreifenden Expertisen und Grundlagen der Raum- und Energieplanung flieszligen noch nicht in gemeinsame integrierte Planungen ein Um strategische raumlumliche Ziele aufgrund von Ener-giequellen und -senken und Infrastruktur zu bdquoerreichenrdquo muumlssen sektoruumlbergreifende Planungs- und Entscheidungsgrundlagen sowie eine gemeinsame Datenbasis geschaffen werden Christoph Schrem-mer fordert dazu die bdquofachlich zielbezogene Integration von Siedlungsentwicklung und Energiesektorldquo um moderne Infrastruktur nachhaltige Mobilitaumlt und hohe Lebensqualitaumlt erreichen zu koumlnnen In sol-chen Prozessen waumlre dabei kuumlnftig in erheblich staumlrkerem Ausmaszlig eine staumlrkere Formalisierung der Zustaumlndigkeiten und Verantwortlichkeiten anzustreben - wer hat fuumlr welches Kooperationsprodukt auf welcher raumlumlichen Ebene die Hauptverantwortung wer bdquonurrdquo eine Mitarbeitsverantwortung Liegt derzeit moumlglicherweise noch deutlich zu viel Verantwortung auf der kommunalen Ebene und deutlich zu wenig auf der regionalen- und der Bundeslandebene Tab 3 bietet anhand von Plan- und Koopera-tionsprodukten zur Energieraumplanung einen Vorschlag zum kuumlnftigen ERP-SOLL

Fazit

Der vorliegende Beitrag argumentiert dass die ERP im IST uumlber ein vielseitiges und vielartiges Instru-mentarium verfuumlgt Trotzdem gibt es bisher erst wenige ERP-Erfolgsgeschichten Deshalb braucht es wenn der bdquoNext Levelrdquo im ERP-SOLL konkret werden soll eine problemfokussierte Wirkungsanalyse Wie sind die ERP-Erfolge kuumlnftig einfacher haumlufiger und seriell wiederholbarer moumlglich Die Gestaltung eines nachhaltigen Energiesystems kann aufgrund der Komplexitaumlt und Langfristigkeit dieser Aufga-benstellung offenbar nicht durch Einzelentscheidungen entstehen Diese interdisziplinaumlre Denkweise bringt die Raumplanung schon bislang in die Energieplanung ein Die Wirkungen von bestehenden ERP-Instrumenten sind somit bisher vorwiegend fuumlr die Klimawandelanpassung (bdquoAdaptationrdquo) geeignet der Klimaschutz durch Mitigation wird demgegenuumlber allerdings eine ERP im SOLL brauchen Energieraumplanung ernst nehmen wuumlrde im SOLL bedeuten die dafuumlr notwendigen Planungs- und Entscheidungsprozesse grundlegend neu zu gestalten Dies bedeutet dass Akteurinnen- und Akteurs-gruppen miteinander sprechen sollen die das bisher noch nicht getan haben um gemeinsam Koope-rationsprodukte und Plaumlne auf allen raumlumlichen Ebenen beschlieszligen zu koumlnnen Gemeinden insbe-sondere kleine und finanzschwache duumlrfen nicht laumlnger mit den Aufgaben der Energieraumplanung uumlberfordert werden aber dazu braucht es eine deutliche Staumlrkung der Lenkungsverantwortung auf regionaler- und Bundeslandebene Auch muss die Landesplanungsebene nicht die kommunale Ebene deutlich haumlufiger und intensiver als bisher an der Verbesserung der bdquoDatenlandschaftrdquo arbeiten und dabei auch die Energieversorgungsunternehmen staumlrker in die Pflicht nehmen Dies ist sehr wohl unter

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Einhaltung des Datenschutzes moumlglich Plan- und Rasterkartenprodukte aus anderen Laumlndern bewei-sen es

Kooperationsprodukt Inhalte der Kooperationsprodukte Bundesland Region Gemeinden

Potenzialkarten Biomasse und Bio-gas Windkraft Solarthermie Pho-tovoltaik Wasserkraft Abwaumlrme Geothermie

Flaumlchen im bebauten und unbebauten Raum die ein zusaumltzlich (zum bereits aktiven Potenzial) moumlgliches erneuer-bares Energiepotenzial enthalten

X (X) (X)

Status quo des Energiesystems Kraftwerke (Leistungen und Ener-giemengen pro Jahr) Lage und Zu-stand leitungsgebundener Energie-infrastrukturen (insbesondere Strom Waumlrme Gas)

Uumlbersicht systemrelevanter interkom-munal bedeutsamer Anlagen Bei der Leitungsinfrastruktur braucht es die Ko-operation mit den Energieversorgungs-unternehmen

X (X)

Potenzialstudie bdquoVirtuelles regiona-les Kraftwerkldquo

Auf Basis der zeitlich vorgelagerten Po-tenzialkarten Ausschluss- und Eig-nungskriterien fuumlr erneuerbare Ener-giepotenziale auf regionaler Ebene in-klusive einfacher Abschaumltzung des Selbstversorgungsgrades im IST und SOLL

X (X)

Regionaler Energieraumplan mit IST- und SOLL-Inhalten zur Energie-nachfrage Anteil der erneuerbaren Energieversorgung und Mobilitaumlts-aspekten

Grenzen energieraumlumlicher Typologien auf regionaler Ebene (Siedlungs- und Landschaftsteile) Vorschlaumlge fuumlr quar-tiersgenaue bdquoUntertypenldquo Eignungs- und oder Ausschlussgebiete fuumlr Ener-gietraumlger oder Heizsysteme mit Fokus auf leitungsgebundenen Energietrauml-gern

X (X)

Potenzialkarten Geothermie Solar-energie Einsparungen beim Heiz-waumlrmebedarf Potenzial fuumlr thermi-sche Sanierungen Nachverdich-tungspotenzial

Raumlumliche und zeitliche Entwicklungs-prioritaumlten Fokus auf Bestandskonver-sion

(X) X

Kooperationsvertrag zur Priorisie-rung der Umsetzungs- und Maszlig-nahmenschritte inklusive bdquoWar-tungsdesignldquo des regionalen Ener-gieraumplanes

Agreement uumlber Finanzierung Ziele und Monitoring der energieraumplane-rischen Kooperation

(X) X (X)

Bewertung der Auswirkungen des regionalen Energieraumplans auf die Energiestrategie des Bundeslan-des und auf die Ziele internationa-ler Klimaschutzvereinbarungen

Kriterien-Set (etwa CO2-Emissionen) zur Uumlberpruumlfung der Policy-Wirksamkeit

X

Tab 3 Kooperationsprodukte und Rollen in der bdquoNext Levelrdquo ERP SOLL Die Rolle von Bundesland Region und Gemeinde wird unterschieden in X = Federfuumlhrung und Hauptverantwortung (X) = Kontrolle Mitarbeit Quelle eigene Bearbeitung nach (Dumke 2017)

Diese erweiterte Lenkungsverantwortung auf Bundeslandebene muss auch mit Instrumenten ausge-stattet werden welche ausgehend von den oben genannten Kooperationsprodukten (z B regionale Potenzialkarten und Eignungszonen) eine raumlumlich differenzierte Steuerung mit mehr Verbindlichkeit als bisher ermoumlglicht

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Dafuumlr muss auch ein bisher in Oumlsterreich noch voumlllig fehlendes bdquoGegenstromprinziprdquo der Behoumlrdenver-bindlichkeit nach Schweizer Vorbild (Kanton Basel 2010) fuumlr Planinhalte und Grundlagendaten im In-formationsfluss zwischen QuartierenSiedlungen Gemeinden Regionen Bundeslaumlndern und dem Staat erarbeitet werden Im Schweizer Gegenstromprinzip werden Daten- und Planinhalte sowohl bdquotop downrdquo als auch bdquobottom uprdquo abgeglichen und die Inhalte sind auch in beide Richtungen behoumlrdenver-bindlich Sollte sich dieses bdquoGegenstromprinziprdquo in Oumlsterreich etablieren koumlnnte ergaumlnzend auch zu-saumltzlich der horizontale Informationsfluss zwischen Quartieren und Siedlungen verbessert werden Die in Tab 3 genannten Kooperationsprodukte sollten als gemeinsame Grundlagen fuumlr die unter-schiedlichen raumlumlichen Ebenen aber auch sektoruumlbergreifend frei verfuumlgbar sein Die Palette dieser Instrumente kann von Foumlrderungen (Wohnbaufoumlrderung ausgerichtet auf den oumlffentlichen Verkehr) bis hin zu Zonen fuumlr Anschlusspflicht oder Ausschlusszonen fuumlr bestimmte Energietraumlger gehen In einer SOLL-ERP-Akteurinnen- und Akteurslandkarte (vgl nebenstehende Abb) muumlssen sich deutlich mehr Disziplinen als bisher wiederfinden koumlnnen Am Instrumentarium der Energieraumplanung bis-her klar unterrepraumlsentierte Rollen sind etwa die Energieversorgungsunternehmen die Netzbetreiber die Landwirtschaft und der Umweltschutz Abschlieszligend zeigt die folgende Grafik die ERP im SOLL Die erheblichen Unterschiede zur Abb 1 (ERP-IST) sind nicht zu uumlbersehen

Abb 2 ERP SOLL Quelle eigene Darstellung

Literatur

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Datenlandschaft der Energieraumplanung ndash eine Standortbestimmung

Robert Kalasek (1) und Florian Puumlhringer (2)

DOI 10347261024

(1) Senior Scientist Dipl-Ing Forschungsbereich Stadt- und Regionalforschung Institut fuumlr Raumplanung TU Wien

(2) UnivAss Dipl-Ing Forschungsbereich Stadt- und Regionalforschung Institut fuumlr Raumplanung TU Wien

Abstract

Raumlumliche differenzierte und treffsichere Entscheidungen im Bereich der Energieraumplanung benouml-tigen als Fundament inhaltlich adaumlquate und raumlumlich hoch aufgeloumlste Informationsgrundlagen Die Anforderungen an den Detaillierungsgrad haumlngen von der Maszligstabsebene des Taumltigkeitsfeldes ab Auf Basis der Erfahrungen aus mehreren Forschungsprojekten werden die Anspruumlche an Datengrundlagen und Datenqualitaumlt der unterschiedlichen Akteure im Prozess von der (Energie-)Raumplanung uumlber den Bau bis zum Betrieb von Gebaumluden reflektiert Ein Schwerpunkt liegt dabei auch auf dem Aspekt des Informationsaustausches zwischen den unterschiedlichen Themenfeldern und Rollen der im Prozess auftretenden Akteuren wie der oumlffentlichen Verwaltung oder Unternehmen aus dem privaten Sektor Dabei wird die Bedeutung des themenspezifischen Detaillierungsgrades der raumlumlichen Granularitaumlt sowie der Aktualitaumlt der Informationsgrundlagen deutlich Die Anforderungen einer evidenzbasierten und effektiven Energieraumplanung an die Datenqualitaumlt werden als hoch eingeschaumltzt waumlhrend die derzeit bestehende Verfuumlgbarkeit und Qualitaumlt aktueller Daten sehr kritisch beurteilt wird

Schluumlsselbegriffe

Datengrundlagen Datenqualitaumlt Informationsaustausch Raumlumliche Analyse

Kalasek R Puumlhringer F (2021) Datenlandschaft der Energieraumplanung ndash eine Standortbestimmung In Giffinger R Ber-ger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S48-61

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Inhalt Energieraumplanung braucht Information 50

Datengrundlagen und Datenqualitaumlt 51

Anspruumlche an Datenqualitaumlt 52

Informationen zum Energieverbrauch 54

Gebaumlude- und Wohnungsdaten 55

Energieausweis als Informationssubstitut 56

Daten zur Energieinfrastruktur 57

Informationsaustausch 57

Rolle der oumlffentlichen Verwaltung (Administration) 58

Rolle von Unternehmen aus dem privaten Sektor 59

Fazit 59

Literatur 60

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Energieraumplanung braucht Information

Energieraumplanung verknuumlpft traditionelle Raumplanung (im Sinn von Regional- Stadt- und Ortspla-nung) mit Energieplanung (vgl Magistratsabteilung 20 2019) Nach dem Verstaumlndnis der Oumlsterreichi-sche Raumordnungskonferenz (2019) ist damit jene Herangehensweise gemeint mit deren Hilfe Ge-meinden Ziele zur Energieeinsparung Kostensenkung und Reduktion von Emissionen verfolgen Zur Staumlrkung nachhaltiger Entwicklung basiert sie daher notwendigerweise auf dem Wissen uumlber die raumlum-lichen Dimensionen von Energieverbrauch- und -gewinnung Angesichts der Notwendigkeit wirksame Strategien zur Energiewende bereits kurzfristig zu implementieren bedarf es raumlumlich differenzierter und treffsicherer Entscheidungen im Rahmen des Planungsprozesses Deren Fundament muumlssen in-haltlich adaumlquate raumlumlich hoch aufgeloumlste und aktuelle Informationsgrundlagen bilden Im folgenden Beitrag greifen wir auf Erfahrungen aus dem im Jahr 2020 am Forschungsbereich Stadt- und Regionalforschung (Institut fuumlr Raumplanung TU Wien) bearbeiteten und abgeschlossenen For-schungsprojekt bdquoPlanen-Bauen-Managen Digitalisierung in der Stadtplanung ndash von der Raumplanung bis zur Digitalisierung im Bauwesen (PBM_integrativ)ldquo im Auftrag des Bundesministeriums fuumlr Verkehr Infrastruktur und Technologie (2019) auf (Giffinger amp Brugger 2019) In dessen Rahmen wurden vor dem Hintergrund der Vielfalt institutioneller Regelungen und Verfahren die Prozesse im thematischen Bogen von der strategischen Raumplanung uumlber Gebaumludeentwurf und -ausfuumlhrung bis zur Nut-zungBetrieb von Gebaumluden (inklusive Erhaltung und Sanierung) beleuchtet Ziel des Auftraggebers war es zukuumlnftige Forschungsbedarfe zu identifizieren bzw einzugrenzen Zahlreiche Expertinnen- und Experteninterviews mit unterschiedlichen Akteuren des genannten Prozesses bilden einen zent-ralen methodischen Baustein des Projekts Innerhalb der Interviews wurden verschiedene thematische Aspekte aus dem breiten und vielschichtigen Themenfeld des Projektes angesprochen - in diesem Bei-trag greifen wir auf die Ergebnisse zu den Interview-Schwerpunkten bdquoDatengrundlagenldquo und bdquoDaten-austauschldquo zuruumlck In der Folge beschraumlnken wir uns zum einen auf den ersten Prozessabschnitt die Planung ndash im Sinn von Raumplanung und Energieraumplanung ndash und zum anderen auf den Aspekt der Raumwaumlrme in Wohngebaumluden Letzteres vor allem deshalb weil dieser Aspekt sowohl hinsichtlich der oumlffentlichen Wahrnehmung im Zusammenhang mit bdquoEnergieverbrauchldquo und damit auch Klimaschutz bereits als re-levantes Handlungsfeld verankert ist (vgl Abb 1) aber auch weil das thematische Segment der bdquoRaumwaumlrmeldquo in Bezug auf die aktuell zur Verfuumlgung stehende Informationsbasis eine Sonderstellung einnimmt Gegenuumlber anderen Sparten des Energiebedarfs aus dem Bereich bdquogebaute Umweltldquo ist die Ausgangslage hinsichtlich Verfuumlgbarkeit und Qualitaumlt der Daten noch vergleichsweise guumlnstig Inwie-weit die Daten fuumlr Planungsaufgaben hinreichend geeignet sind wird in der Folge diskutiert

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Abb 1 Energie in Oumlsterreich 2018 ndash Zahlen Daten Fakten Quelle Bundesministerium fuumlr Nachhaltigkeit und Tourismus 2018 e-control ndash Umweltthemen ndash Energieverbrauch der Haushalte httpswwwe-controlatkonsumentenenergie-spa-renthema-energieverbrauch

Datengrundlagen und Datenqualitaumlt

Die Ergebnisse der Interviews im Projekt PBM bestaumltigen die Vielfalt an Inhalten und Quellen die aus unterschiedlichen disziplin-spezifischen Perspektiven unter dem Begriff bdquoDatengrundlageldquo zusammen-gefasst werden Alle Interviewpartner aus den verschiedenen Taumltigkeitsfeldern innerhalb des Prozes-ses von der Raumplanung uumlber das Bauen bis hin zum Betrieb und zur Nachnutzung wurde um Nen-nung relevanter Datengrundlagen und Datenquellen gebeten Im Bereich der Raumplanung wurden hier die meisten bzw unterschiedlichsten Datenquellen genannt wobei ein groszliger Teil davon als Open Government Data (OGD) frei zugaumlnglich ist Die Datenquellen und Datengrundlagen AGWR (Adress- Gebaumlude- und Wohnungsregister) DKM (Digitale Katastralmappe) Energieausweis sowie Informatio-nen zum Energieverbrauch wurden von Akteurinnen aus mehreren Bereichen des Prozesses genannt (z B sowohl von Personen aus der Raumplanung als auch aus der Bauwirtschaft) Diese haumlufig als re-levant bezeichneten Datenquellen werden auch im Rahmen dieses Artikels noch naumlher beleuchtet In der Auswertung der Interviews zeigte sich auch dass ndash mit Ausnahme von Informationen zum Ener-gieverbrauch ndash de facto kein Datensatz bzw keine Datenquelle von Akteuren aus allen drei Bereichen des Prozesses genannt wurde Die wenigsten Uumlberschneidungen mit anderen Bereichen gab es bei Nennungen von Personen aus dem Bereich Betrieb

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Anspruumlche an Datenqualitaumlt

Innerhalb der Raumplanung haumlngen die Anspruumlche hinsichtlich des raumlumlichen und inhaltlichen Detail-lierungsgrades sicher von der Maszligstabsebene des Taumltigkeitsfeldes ab die von der Bundeslandebene bis in den einzelnen Ortsteil reichen kann Generell bestehen aber vor allem in Bezug auf die zentralen Datenbestaumlnde zum Gebaumludebestand zur Nutzungsverteilung und den Energiebedarfen sowie zu ge-gebenenfalls bestehenden planerischen Vorgaben und Regelungen hohe Anforderungen an Aktualitaumlt Konsistenz und Vollstaumlndigkeit Der uumlberwiegende Teil der im Bereich der Raumplanung genannten Datenquellen wird im Rahmen hoheitlicher Aufgaben erstellt wobei im Zuge der Datenerfassung- und Aufbereitung in der Regel der Anspruch besteht die Datenbestaumlnde in moumlglichst vielen und moumlglichst unterschiedlichen Anwen-dungsfeldern nutzen zu koumlnnen Dennoch gilt aus Anwendersicht folgende Forderung die einer der PBM-Interviewpartner knapp und praumlzise auf den Punkt gebracht hat der Anspruch an Daten muss jeweils lauten bdquoFit for Purposeldquo Aus eigener Erfahrung sowie aus den Ergebnissen der PBM-Interviews laumlsst sich ein Datenset ableiten das den Kern eines Datenbestands fuumlr die Energieraumplanung bildet Dieser Basisbestand muss so-wohl die Energienachfrage als auch die Angebotssituation raumlumlich differenziert abbilden wobei die Abbildung in regelmaumlszligigen und angemessen kurzen Abstaumlnden zu erfolgen hat Letzteres bildet einer-seits die Voraussetzung dafuumlr Trends identifizieren zu koumlnnen und andererseits die Grundlage fuumlr Wirksamkeitsanalysen von Maszlignahmen bzw Maszlignahmenbuumlndeln Aufgrund des Aufwands den raumlumlich hochaufloumlsende und gleichzeitig inhaltlich differenzierte Erfas-sungskonzepte mit sich bringen ist es daher notwendig die Aufmerksamkeit auf die relevantesten Einflussfaktoren bzw Determinanten des bdquoEnergieverbrauchsldquo zu buumlndeln Am Beispiel des vergleichsweise einfach abzubildenden Heizenergiebedarfs von Wohngebaumluden las-sen sich die Anforderungen an die Datenbasis anschaulich darstellen Auf der (Energie-)Nachfrageseite sind jedenfalls die folgenden Informationen erforderlich

bull Gebaumludespezifische Informationen zu Merkmalen mit erheblichem Einfluss auf den Energie-bedarf wie thermische Eigenschaften der Gebaumludehuumllle Nutzungsverteilung und -intensitaumlt (Alterswohnsitz vs Studierenden-WG Hauptwohnsitz vs Nebenwohnsitz) etc

bull Eigenschaften der gebaumludeinternen Waumlrmebereitstellungsinfrastruktur wie Art Ausstattung und Alter der Waumlrmebereitstellungssysteme Energietraumlger bzw Energietraumlgermix

bull Veraumlnderungspotenziale von Gebaumludeeigenschaften und Anlagen wie Sanierungsstatus und daraus ableitbare Sparpotenziale durch Sanierungen einen zeitgemaumlszligen Standard moumlgliche aktivierbare Potenziale durch Nutzungsaumlnderungen und Nachverdichtungspotenziale

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Abb 2 Modellergebnis Heiz-waumlrmebedarf auf der Grund-lage von Gebaumludeform Bau-periode und Klima fuumlr ausge-waumlhlte Bebauungsstrukturen in Wien Quelle Brus T und Kalasek R (2020)

Zur Abbildung der (Energie-)Angebotsseite werden zumindest zu folgenden Bereichen Grundlagenda-ten benoumltigt

bull bestehende Versorgungssysteme-strukturen Erdgas Fernwaumlrme Nahwaumlrme Anergienetze individuelle Versorgung (mit Heizoumll Holz Pellets etc)

bull Angebotspotenziale alternativer Energietraumlger und -infrastrukturen lokaleregionale alterna-tive Energietraumlger Vernetzungspotenziale (Kapazitaumltsreserven der Netzinfrastruktur Waumlrme-bedarfsdichten etc)

Abb 3 Angebotspotenziale ErdwaumlrmesondenModellierung potenzieller Bohrlochstandorte zur Abschaumltzung des Erdwaumlr-mepotentials im Rahmen der Anergie-Studie Anergie Urban Links Potenzialflaumlchen fuumlr Bohrungen rechts Ausschnitt Mo-dellierung Bohrlochverteilung Quelle Brus T und Kalasek R (2020)

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Informationen zum Energieverbrauch

Unter Daten zum bdquoEnergieverbrauchldquo werden hier jene Informationen verstanden die den tatsaumlchli-chen Bedarf der Nachfrageseite (der sogenannte bdquoVerbraucherldquo) in seiner kleinraumlumigen Verteilung abbilden Es ist also jene Energiemenge die am Uumlbergabepunkt abgenommen und genutzt wird Der bdquoEnergieverbrauchldquo wurde (als einziger Datenbestand) im Projekt PBM von Interviewpartnern aus allen drei abgefragten Bereichen Raumplanung Bauen und Betrieb explizit als hoch relevante Kenn-groumlszlige fuumlr Planungsaufgaben auf unterschiedlichen Maszligstabsebenen angesprochen In den Interviews wurde allerdings nicht thematisiert ob die von Haushalten und Unternehmen tatsaumlchlich bdquokonsu-mierteldquo Energiemenge ein aussagekraumlftiger Indikator fuumlr den jeweils bestehenden Bedarf ist oder sein kann Der gemessene bdquoEnergieverbrauchldquo z B im Bereich Raumwaumlrme enthaumllt Faktoren die nicht in unmit-telbarem Zusammenhang mit bauphysikalischen Gebaumludeeigenschaften und Systemeigenschaften der Waumlrmebereitstellungstechnologien stehen und die damit den eigentlichen jeweils gebaumludespezifi-schen Energiebedarf quasi uumlberlagern Ganz besonders gilt das fuumlr jene Anteile am Energieverbrauch fuumlr Raumwaumlrme die auf den Einfluss von Witterungsbedingungen (z B mildestrenge Winter) oder Unterschiede im Nutzerverhalten (z B individuelles Temperaturempfinden lebenszyklusabhaumlngige Verhaltensmuster etc) zuruumlckzufuumlhren sind Auch fuumlr den Strombedarf laumlsst sich ein aumlhnliches Bild zeichnen wobei neben Faktoren wie der Haushaltsgroumlszlige oder des genutzten Energietraumlgers fuumlr Nah-rungszubereitung (Strom vs Gas) auch hier das individuelle Verhalten von zentraler Bedeutung ist Damit die Energieraumplanung aussagekraumlftige treffsichere Planungsgrundlagen erarbeiten und letzt-lich auch Strategien entwickeln kann bedarf es entsprechend differenzierter Informationsgrundlagen Die raumbezogenen Statistiken zum Energiebedarf muumlssen daher die angesprochenen Ebenen Gebaumlu-demerkmale Standortbedingungen und Verhalten klar unterscheiden Detaillierte Daten zum bdquoEnergieverbrauchldquo auf Objekt-Adressebene stehen den Energieanbietern un-ternehmensintern in all jenen Faumlllen zur Verfuumlgung in denen leitungsgebundene Versorgungssysteme zum Einsatz kommen Eine Veroumlffentlichung derartiger im Fall von Gebaumluden mit Wohnnutzung letzt-lich eindeutig personenbezogenen Detailinformationen im Sinn von Open Data ist aber aus Gruumlnden des Schutzes der Privatsphaumlre (im Sinne Richtlinie 9546EWG des Europaumlischen Parlamentes und des Rates vom 24 Oktober 1995 zum Schutz natuumlrlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezoge-ner Daten und zum freien Datenverkehr) in diesem Detaillierungsgrad nicht moumlglich Der Bezug zur Privatsphaumlre laumlsst sich an folgendem Beispiel veranschaulichen Anhand gegebenenfalls auf Gebaumlude-ebene veroumlffentlichter Heizwaumlrmebedarfsdaten lieszlige sich ndash die noumltige fachliche Qualifikation voraus-gesetzt ndash anhand spezifischer Referenzwerte der Beitrag von Heiztechnologie und thermischen Gebaumlu-demerkmalen in seiner Groumlszligenordnung relativ treffsicher abschaumltzen Abweichungen von diesem Wert lieszligen sich folglich im konkreten Fall auf das Nutzerverhalten zuruumlckfuumlhren Im Fall von Ein- und (kleinen) Mehrfamiliengebaumluden bestuumlnde also ein unmittelbarer Bezug zu konkreten Personen Sehr wohl denkbar ist die Veroumlffentlichung entsprechender Daten allerdings in aggregierter Form auf einem Niveau das eine datenschutzkonforme Granularitaumlt garantiert In Raumlumen mit niedriger Bebau-ungsdichte waumlren vor diesem Hintergrund ausgedehntere raumlumlich-statistische Einheiten zu definie-ren als in solchen mit hohen Dichtewerten Nach dem Kenntnisstand der Verfasser und der Auswertung der PBM-Interviews werden allerdings derzeit Veroumlffentlichungen zum Energiebedarf auf kleinraumlumiger Ebene von den Energiebetreibern mit dem Hinweis auf Datenschutz undoder Betriebsgeheimnisse weitestgehend verweigert

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Gebaumlude- und Wohnungsdaten

Das gemaumlszlig GWR-Gesetz (Bundesgesetz uumlber das Gebaumlude- und Wohnungsregister) von der Bundes-anstalt fuumlr Statistik Oumlsterreich (Statistik Austria) zu fuumlhrenden bdquoAdress- Gebaumlude- und Wohnungsre-gister (AGWR II)ldquo ist jene bundesweite Datenbank in der gebaumludebezogene Daten in einheitlicher und strukturierter Form erfasst werden Zu den im Zusammenhang mit Fragen des Energiebedarfs relevan-ten Schluumlsselinformationen in der Datenbank zaumlhlen Merkmale wie Gebaumludealter Nutzflaumlche und Ge-schoszliganzahl sowie die Art der Beheizung und der Warmwasseraufbereitung Weiters sind Angaben zu Nutzungsart und Nutzungsintensitaumlt (z B Anzahl Hauptwohnsitze) von Gebaumluden und Nutzungsein-heiten Teil des umfangreichen Merkmalskatalogs Neben einer Reihe anderer Informationen enthaumllt dieses Register also grundsaumltzlich die im Rahmen der Energieraumplanung wesentlichen Gebaumlude- und Wohnungsmerkmale In den PBM-Interviews wird allerdings deutliche Kritik an der Vollstaumlndigkeit der Plausibilitaumlt und der Aktualitaumlt dieses fuumlr Energiethemen so bedeutenden Datenbestands laut Diese Kritik wird auch von Interviewpartnerinnen im Projekt artikuliert die in der staumldtischen Verwaltung beschaumlftigt sind Das ist insofern von Interesse als die Daten lt GWR-Gesetz durch bdquoBeschaffung bei den Gemeindenldquo (sect 4 (1) GWR-Gesetz) erhoben werden und die Verantwortung fuumlr die Daten und deren Qualitaumlt daher zu einem guten Teil eben bei den Staumldten und Gemeinden selbst liegt Nachdem der AGWR II zurzeit allerdings weder valide flaumlchendeckend verfuumlgbare Aussagen zu ther-mischen Eigenschaften der Gebaumludehuumllle noch belastbare Daten zu Heizsystem und Energietraumlger ent-haumllt und daruumlber hinaus auch Sanierungsstatus und -historie nicht dokumentiert besteht gerade bei jenen Merkmalen die hinsichtlich Energiebedarf besonders relevant sind eine eklatante Luumlcke im in-haltlichen Spektrum systematisch erfasster Daten Zur Verdeutlichung dieser Aussage Das Einspa-rungspotenzial durch thermische Sanierungsmaszlignahmen erreicht je nach Ausgangssituation und Maszlig-nahmenbuumlndel bis uumlber 50 wobei die houmlchsten Werte bei Gebaumluden in den Perioden zwischen 1950 und 1980 erreicht werden Abhaumlngig von der Altersstruktur der Gebaumlude besteht ohne die konkrete Kenntnis uumlber den aktuellen Zustand der Gebaumludehuumllle auf Gebaumludeebene daher erhebliche Unsicher-heit bzgl moumlglicher Sparpotenziale auf Stadtteil- oder Quartiersebene und zwar in einem Ausmaszlig das gerade bei Fragen der wirtschaftlichen Zweckmaumlszligigkeit von Investitionen in Nah- oder Fernwaumlr-meinfrastruktur entscheidend sein kann Vor diesem Hintergrund ist die Frage zu stellen ob ndash angesichts der aktuell bestehenden Maumlngel des AGWR II ndash benutzergenerierte Ansaumltze der Datenerhebung Abhilfe schaffen koumlnnen bzw koumlnnten Die Idee wirkt im Lichte der Erfolgsgeschichte benutzergenerierter Datenbestaumlnde wie OpenStreetMap verlockend schlieszliglich stellt die Community lokales Know-How in erheblichem Umfang und unentgelt-lich zur Verfuumlgung Dennoch ist aus unserer Sicht Vorsicht geboten Gebietskoumlrperschaften und andere Koumlrperschaften oumlffentlichen Rechts nutzen Daten sowohl im Rahmen ihrer hoheitlichen als auch ihrer privatwirtschaft-lichen Aufgaben Daher waumlre jedenfalls aus rechtlicher Sicht zu klaumlren inwieweit benutzergenerierte Inhalte die formalen und qualitativen Anforderungen an Geoinformation grundsaumltzlich erfuumlllen koumln-nen Wie Hiltgartner et al bereits 2004 in ihrer Studie zu Rechtsvorschriften fuumlr Geodaten in Oumlsterreich ausfuumlhrlich darstellen werden in diesem Zusammenhang Haftungsfragen und damit sensible Themen beruumlhrt Insbesondere dort wo die Erfassung und Fuumlhrung von Geodatenbestaumlnden spezielle Faumlhig-keiten erfordern sind je nach Kontext unterschiedliche Aspekte der Amtshaftung Produkthaftung und Gewaumlhrleistung von Bedeutung Beispielsweise ist die Vermessung und digitale Dokumentation eines Grenzkatasters ohne entsprechend befugte Fachkraumlfte kaum vorstellbar da mit diesem Katasterwerk umfangreiche dingliche Rechte verknuumlpft sind Ob und inwiefern die Anforderungen an eine Gebaumlude-dokumentation wie sie der AGWR II darstellt aumlhnlich hoch sind ist offen Nach Ansicht der Autoren

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sprechen allerdings zwei Argumente dafuumlr derartige Datensammlungen auch weiterhin unter staatli-cher Obhut zu erfassen zum einen weil fuumlr die systematische Erfassung von Gebaumluden anhand der deutlich mehr als 100 Erhebungskategorien des AGWR ein hohes Maszlig an Fachwissen erforderlich ist zum anderen weil mit zunehmender Implementierung von Instrumenten der Energieraumplanung auch entsprechende unmittelbare Folgen fuumlr Eigentuumlmer undoder Nutzer zu erwarten sind Objektiv bestehende oder subjektiv wahrgenommene Eingriffe in die Moumlglichkeiten der Nutzung des Privatei-gentums werden jedenfalls das Problem der Haftung im Fall von tatsaumlchlichen oder vermeintlichen Datenfehlern aufwerfen

Energieausweis als Informationssubstitut

An dieser Stelle ist auch der Energieausweis (gemaumlszlig Energieausweis-Vorlage-Gesetz (EAVG)) sowie die Energieausweisdatenbank (EADB) (Statistik Austria 2020) zu nennen Letztere ist bzw sollte laut GWR-Gesetz Teil des AGWR-II-Datenbestands sein Der Energieausweis enthaumllt neben den zentralen Aussagen zu gebaumludespezifischen Energiekennzahlen wie Heizwaumlrme- und Warmwasserbedarf auch weitere wichtige gebaumludebezogene Informationen Dazu gehoumlren den Verbrauch bestimmende Parameter wie die charakteristische Laumlnge (lc)1 Angaben zu den thermischen Eigenschaften der Gebaumludehuumllle aber auch Details zur genutzten Waumlrmebereit-stellungstechnologie (Waumlrmebereitstellungs-Waumlrmeabgabesystem Energietraumlger Warmwasserbe-reitstellung) Angesichts der im vorangegangenen Abschnitt zum AGWR II beschriebenen Defizite wird der Energie-ausweis haumlufig als Quasi-Substitut fuumlr die dort fehlende bzw unzulaumlngliche Informationsbasis zu den Gebaumludemerkmalen bzw fuumlr die in der Regel fehlenden realen Verbrauchszahlen betrachtet Diese Anforderung kann bdquoder Energieausweisldquo aus einer Reihe von Gruumlnden nicht erfuumlllen Laut EAVG ist ein aktueller Energieausweis im Zuge der (Neu-)Vermietung der Verpachtung und des Verkaufs eines Gebaumludes oder Nutzungsobjektes vorzulegen Der Energieausweis-Datenbestand waumlchst folglich in genau jenem Ausmaszlig in dem die genannten Anlaumlsse tatsaumlchlich auftreten umge-kehrt formuliert Ein Zeithorizont innerhalb dessen der Datenbestand zumindest weitgehend flaumlchen-deckend erfasst sein wird ist nicht absehbar Die in raumlumlich-statistischem Sinn nicht repraumlsentativen Daten der Energieausweisdatenbank koumlnnten daher im guumlnstigsten Fall als Datenbasis fuumlr die Entwick-lung bzgl Validierung typologischer Ansaumltze genutzt werden Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Beitrags wurden die Energieausweise in einigen Bundeslaumlndern mit jeweils unterschiedlichen Datenbankloumlsungen verwaltet in anderen Bundeslaumlndern fehlt eine zentrale Erfassung nach wie vor ganz Der vorgesehene Abgleich der Datenbanken der Laumlnder mit der EADB der Statistik Austria ist zwar grundsaumltzlich seit laumlngerer Zeit geregelt wird aber immer noch nicht systematisch durchgefuumlhrt (Amann et al 2020 Austrian Energy Agency 2020) Eine zentrale und be-zuumlglich qualitativer Anforderungen weitestgehend homogene Datenbasis mit den Inhalten der Ener-gieausweise fehlt also derzeit und ist bis auf Weiteres auch nicht in Sicht Angesichts der auch in Fachdiskussionen haumlufig genannten Erwartungen hinsichtlich der Treffsicher-heit und Aussagekraft des Energieausweises ist festzuhalten dass es sich bei den konkreten Aussagen zum Energiebedarf im Energieausweis in aller Regel um Ergebnisse eines Berechnungsmodells handelt Neben den Modellergebnissen zu den unterschiedlichen energetischen Kennwerten gilt das Interesse den bereits mehrfach angesprochenen gebaumludespezifischen Eigenschaften Diese werden im Zuge der Erstellung des Energieausweises allerdings vielfach nicht vor Ort im Detail erfasst sondern auf der Grundlage eines bautypologischen Ansatzes angenommen

1 Die charakteristische Laumlnge (lc) wird als Verhaumlltnis von Gebaumludevolumen (V) und Gebaumludeoberflaumlche (A) berechnet (i e der

Kehrwert des AV-Verhaumlltnisses) und ist ein Maszlig fuumlr die Kompaktheit eines Gebaumludes Letztere ist fuumlr das von der Gebaumlu-deform bestimmte Ausmaszlig der Energieabstrahlung von Bedeutung

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Daten zur Energieinfrastruktur

Digitale Leitungsdokumentationen ndash sogenannte Leitungskataster ndash bestehen in zahlreichen Gemein-den Oumlsterreichs in unterschiedlicher Qualitaumlt und Aktualitaumlt Sie repraumlsentieren in ihrer raumlumlichen Abdeckung und Topologie die bestehenden Angebotsstrukturen leitungsgebundener Energietraumlger und dokumentieren damit z B im Bereich der Raumwaumlrme oumlsterreichischer Haushalte die Infrastruk-tur von etwa 47 aller fuumlr Raumwaumlrme eingesetzten Energietraumlger In aller Regel sind Netzbetreiber fuumlr Auf-Ausbau und Erhaltung der Netzinfrastruktur verantwortlich und uumlberlassen der planenden Verwaltung in unterschiedlichem Umfang und zu unterschiedlichen Be-dingungen planungsrelevante Daten In vielen Faumlllen sind diese Netzbetreiber ausgegliederte Unter-nehmen mit substanziellen Beteiligungen der oumlffentlichen Hand Leitungsdokumentationen wurden zwar in den Interviews des Projekts PBM explizit als wesentliche Planungsgrundlage genannt allerdings ohne dabei auf konkrete inhaltliche und qualitative Anforde-rungen naumlher einzugehen Angesichts der Bedeutung der Energieinfrastruktur fuumlr das gesamte Hand-lungsfeld der raumbezogenen Planung ndash von der strategischen Planung auf Stadt- bzw Stadtteilebene bis zur Detailplanung im Quartier ndash muss das uumlberraschen Schlieszliglich gilt es ndash aumlhnlich wie das z B in ZuumlrichSchweiz bereits erfolgreich vorgelebt wird (vgl Energie360 2020) ndash auf der Grundlage valider Fakten Gebietstypen auszuweisen die sich durch ihr Infrastrukturangebot (z B Gas vs Fernwaumlrme) bzw durch Vorgaben hinsichtlich zulaumlssiger Technologien oder Verpflichtungen zur Nutzung von Tech-nologien mit festgelegten Verbrauchs-Emissionslimits auszeichnen Dabei ist bereits absehbar dass vermehrt dezentrale Ansaumltze der Energieversorgung in diese bdquoZonierungldquo einbezogen werden muumlssen zum einen aufgrund der zunehmenden raumlumlichen Verflechtungen zwischen Energieangebot und Energienachfrage unter anderem durch die Installation von sogenannten Distributed Energy Resources in Verbraucherhaushalten (Stichwort bdquoProsumerldquo) (vgl Beestermoumlller 2017 Karg et al 2014 p 32) und zum anderen aufgrund der deutlich geringeren Krisenanfaumllligkeit derartiger Konzepte (Stichwort bdquoResilienzldquo) (vgl Fulterer amp Leusbrock 2018) Ohne solide Datenbasis zur bestehenden Infrastruktur die jedenfalls neben der Leitungsdokumenta-tion auch die Dokumentation bestehender Kapazitaumlten und anderer in der Regel technischer Engpass-faktoren umfassen muss werden derartige Vorhaben nur schwer umzusetzen sein Aktuell ist fuumlr die planende Verwaltung wenn uumlberhaupt meist nur eine rudimentaumlre Leitungsdokumentation im Sinn einer Verortung von Netzelementen zugaumlnglich Auf deren Grundlage lassen sich zwar Aussagen zu bestehenden und potenziellen Versorgungsbereichen ableiten Versorgungspotenziale im Sinn raumlum-lich differenzierter Aussagen uumlber das Ausmaszlig lokal bereitstellbarer Energiemengen beduumlrfen aber der Information uumlber Kapazitaumltsreserven und Engpaumlsse im bestehenden Netz sowie uumlber realisierbare Netzausbau-Szenarien Der breiten Oumlffentlichkeit koumlnnen Daten uumlber den Verlauf und insbesondere die Eigenschaften lei-tungsgebundener Infrastruktur aufgrund von deren Einstufung als bdquokritische Infrastrukturldquo im Sinne der EU-Richtlinie 2008114EG nicht zur Verfuumlgung gestellt werden Insgesamt faumlllt aber auf dass von den Betreibern unter Verweis auf Datenschutz undoder Betriebsgeheimnis in vielen Faumlllen selbst der oumlffentlichen Verwaltung qualitativ hochwertige und aktuelle Daten nicht zur Verfuumlgung gestellt wer-den und damit neben den angesprochenen qualitativen Maumlngeln auch die grundsaumltzliche Verfuumlgbar-keit ein Problem darstellt

Informationsaustausch

Neben der Verfuumlgbarkeit und Qualitaumlt von Daten bestimmt ein weiterer Gesichtspunkt deren Nutzbar-keit jener des Datenaustausches und der Datendistribution Waumlhrend in den vorigen Abschnitten die konkreten Inhalte essentieller Datengrundlagen fuumlr die Energieraumplanung beleuchtet wurden liegt der Fokus in der Folge auf der Betrachtung der Akteure sowie auf aktuellen Entwicklungen im Zusam-menhang mit Datenweitergabe und Datenaustausch

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Rolle der oumlffentlichen Verwaltung (Administration)

In den vergangenen Jahren vollzogen sowohl einige oumlffentliche Verwaltungen sowie teilweise auch ausgegliederte Unternehmen bezuumlglich der Veroumlffentlichung raumbezogener Daten einen deutlichen Kurswechsel Dieser ist vor allem durch den Uumlbergang vom Konzept der finanziellen Verwertung der Datenbestaumlnde hin zur deren oumlffentlicher Bereitstellung gekennzeichnet Damit wird die lange gelebte Praxis fuumlr die Abgabe von Daten sowie fuumlr deren Nutzung ndash sowohl anderen Verwaltungseinheiten als auch externen UnternehmenInstitutionen ndash Entgelt zu verrechnen sukzessive aufgegeben Kern die-ses unter dem Begriff Open Government Data (OGD) zusammengefassten Konzeptes ist die Veroumlffent-lichung von Daten die im Verantwortungsbereich der oumlffentlichen Verwaltung erfasst und verwaltet werden in allgemein zugaumlnglicher und maschinenlesbarer Form ohne die Verrechnung jeder Art von Gebuumlhren (Digitales Wien 2020 Kalasek amp Weninger 2015) Hintergrund der sich stetig ausbreitenden Initiative ist die Auffassung Information sei ein wertvoller Produktionsfaktor dessen Verfuumlgbarkeit und Zugaumlnglichkeit im Rahmen der voranschreitenden Digitalisierung eine Schluumlsselrolle zukommt Innerhalb Oumlsterreichs ist die Stadt Wien auf diesem Gebiet sicher unter den Vorreitern zu finden Am OGD-Konzept der Stadt Wien ist insbesondere interessant dass die Moumlglichkeit den Aufwand fuumlr den Vertrieb der Daten deutlich zu reduzieren sehr fruumlh erkannt wurde Im Zuge der Reorganisation der Infrastruktur rund um die Abgabe von Daten wurden die dafuumlr notwendigen Prozesse als Distributi-onsaufgabe identifiziert und diese in der Folge in Form eines zentralen bdquoDistributionsdienstesldquo imple-mentiert Gleichzeitig wurde der Grundsatz bdquoopen by defaultldquo fuumlr saumlmtliche (nicht klassifizierten) Daten der Stadt Wien verankert und daran anschlieszligend die fuumlr die Bereitstellung der Daten auf OGD-Platt-formen notwendigen Strukturen auf der Ebene der jeweiligen Fachabteilungen etabliert Insgesamt konnte laut Aussagen der Stadtverwaltung der Gesamtaufwand fuumlr den Vertrieb von Daten deutlich reduziert und gleichzeitig die Nutzungsintensitaumlt auf ein Vielfaches gesteigert werden (vgl Lutz 2020) Naheliegenderweise wurden im Rahmen der Interviews im Projekt PBM konkrete Datenbestaumlnde aus dem OGD-Angebotsbuumlndel sowohl von Vertretern der planenden Verwaltung als auch von Planungs-buumlros explizit als fuumlr den eigenen Wirkungsbereich relevante Datengrundlagen genannt Groszlige Teile dieses Buumlndels sind Basisdaten im Sinn von fachspezifischen Grundlagendaten zu jenen raumlumlichen Voraussetzungen die fuumlr die Energieraumplanung von Interesse sind Und es sind eben diese Daten die uumlber Distributionskanaumlle wie sie oben am Beispiel der Stadt Wien angesprochen wurden der All-gemeinheit einfach zur Verfuumlgung gestellt werden koumlnnen Obwohl der beschriebene Trend zu Open Data-Strategien auf allen Ebenen oumlffentlicher Verwaltung an der Zahl der entsprechenden Veroumlffentlichen auf Open Data Oumlsterreich (wwwdatagvat) zu erkennen ist (vgl Lutz 2020) existieren nach wie vor einige Sektoren in denen Daten nicht veroumlffentlicht bzw ausschlieszliglich gegen Entgelt abgegeben werden Zu den auch fuumlr die Energieraumplanung relevanten und prominentesten Beispielen zaumlhlen die Datenbestaumlnde der (ebenfalls in den PBM-Interviews ge-nannten) Digitalen Katastralmappe (DKM) und ein groszliger Teil der soziodemographischen Daten des Bundesamts fuumlr Statistik (Statistik Austria) auf der raumlumlichen Ebene der Gemeinden und darunter (z B Zaumlhlsprengel Raster 250 x 250m) Etablierte und eingespielte Loumlsungen fuumlr den Datenaustausch bestehen allerdings dort wo Daten von Institutionen der oumlffentlichen Verwaltung an Gebietskoumlrperschaften und Koumlrperschaften oumlffentlichen Rechts abgeben werden ndash und zwar insbesondere dann wenn beide hoheitliche Aufgaben wahrneh-men Diese Regelungen werden auch dort wirksam wo oumlffentliche Verwaltungen privatwirtschaftliche Unternehmen damit beauftragen im Planungsprozess mitzuwirken Gerade im thematischen Feld der Energieraumplanung ist diese Konstellation im Rahmen der Erarbeitung von Grundlagen und der Vor-bereitung konkreter Strategiepapiere und Plandokumente haumlufig Den Auftragnehmern werden die vorhandenen Daten dabei auf der Grundlage umfangreicher und komplexer zeitlich befristeter Nut-zungsvereinbarungen zur Verfuumlgung gestellt

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Rolle von Unternehmen aus dem privaten Sektor

Bei den Unternehmen handelt es sich haumlufig um ausgegliederte ehemalige Einheiten der oumlffentlichen Verwaltung oder Unternehmen aus dem Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung Der Datenaustausch zwischen den so definierten Unternehmen und der oumlffentlichen Verwaltung unterliegt den strikten Normen bestehender Datenschutzbestimmungen Diese Regelungen werden wie bereits erwaumlhnt entsprechend haumlufig von den Unternehmen als Hintergrund fuumlr die Weigerung planungsrelevante Da-ten aus der Hand zu geben angefuumlhrt Streng genommen handelt es sich allerdings in diesem Fall we-niger um Datenaustausch als vielmehr um Informationstransfer Der Transfer von Daten solcher Un-ternehmen zur oumlffentlichen Verwaltung betrifft primaumlr jene Basisinformation die zur Besorgung der planmaumlszligigen Gestaltung des Raums im Rahmen der Hoheitsverwaltung notwendig ist Informationen die im Zuge der Erledigung dieser Aufgabe fuumlr die Bewertung und Beruumlcksichtigung wirtschaftlicher sozialer gesundheitlicher und kultureller Beduumlrfnisse der Bevoumllkerung maszliggeblich sind haben diese Bedeutung grundsaumltzlich unabhaumlngig von der Rechtsform des Unternehmensder Institution dasdie die Datenbestaumlnde aufbaut und fuumlhrt Gerade eine evidenzbasierte Energieraumplanung ist klar ab-haumlngig von belastbaren Fakten zu jenen Faktoren die starken Einfluss auf den raumlumlich variierenden Bedarf haben Insofern ist der Transfer planungsrelevanter Daten aus dem Bereich ausgegliederter Unternehmen eine wesentliche Voraussetzung fuumlr die vorausschauende und nachhaltige Veraumlnderung der Angebots- und Nachfragestrukturen In diesem Zusammenhang ist eine konkrete Initiative in der Stadt Salzburg zu nennen der sogenannte bdquoDatenaustauschvertragldquo der zwischen dem Energieversorger Salzburg AG (uumlberwiegend im Eigentum des Landes Salzburg und der Stadt Salzburg) die Bedingungen der wechselseitigen Weitergabe jeweils planungsrelevanter Daten regelt Aus Sicht der Autoren waumlre ein deutlich houmlheres Maszlig an Transparenz in diesem Zusammenhang zu begruumlszligen ndash nicht zuletzt deshalb weil von prominenten und erfolgrei-chen Beispielen immer auch eine entsprechende Wirkung auf weitere Initiativen zu erwarten ist

Fazit Aus den Interviews im Rahmen des Projektes PBM geht insbesondere die Bedeutung des themenspe-zifischen Detaillierungsgrades der raumlumliche Granularitaumlt und der Aktualitaumlt der Datengrundlagen klar hervor Mit anderen Worten Die Anforderungen einer evidenzbasierten und effektiven Energieraum-planung an die Datenqualitaumlt werden als hoch eingeschaumltzt waumlhrend die derzeit bestehende Verfuumlg-barkeit und Qualitaumlt aktueller Daten sehr kritisch beurteilt wird In juumlngster Zeit wurden in zahlreichen Forschungsinitiativen ebenso zahlreiche Ansaumltze zur Abschaumlt-zung des Energiebedarfs im Themenfeld WohnenWohngebaumlude entwickelt Die Notwendigkeit kom-plexe Methoden fuumlr diese Fragestellung zu entwickeln ergibt sich primaumlr aus dem Mangel an konkre-ten empirischen Daten zu den Determinanten des Energiebedarfs auf disaggregierter Ebene (Gebaumlude Gebaumludegruppen Gemeinden) Ohne hier auf methodische Staumlrken und Schwaumlchen der angesproche-nen AnsaumltzeArbeiten im Detail einzugehen verdeutlicht jedes weitere derartige Projekt das Problem es besteht weiterhin Bedarf an belastbaren Daten Die bdquobewaumlhrteldquo Praxis mangelnde raumlumliche Differenzierung durch die Umlegung von Merkmalen von houmlheren raumlumlichen Aggregationsebenen auf niederrangige Ebenen zu beheben liefert keine entspre-chende Datenbasis Die Ergebnisse dieser Ansaumltze sind in hohem Maszlig von den im Zuge der Umlegung zu treffenden Annahmen abhaumlngig und beruhen aufgrund des bestehenden Informationsdefizits im inhaltlichen und raumlumlichen Detail haumlufig auf Durchschnittswerten Wenn beispielsweise nur in wenigen Ausnahmefaumlllen fuumlr die vor 2000 errichteten Bestandsgebaumlude valide Information uumlber die thermischen Eigenschaften der Gebaumludehuumllle und die eingesetzte Heiztechnologie zur Verfuumlgung steht liegt der Unschaumlrfebereich moumlglicher Modellergebnisse in der Groumlszligenordnung des Energiebedarfs eines zeitgemaumlszlig sanierten Gebaumludes Diese Unschaumlrfe ist auf der

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Grundlage gaumlngiger Schaumltzverfahren nicht zu beheben ndash und zwar primaumlr deshalb weil in der Vergan-genheit keine raumlumlich differenzierte Erfassung von Sanierungsaktiviaumlten erfolgt ist Letztlich wird die Grundlage fuumlr jede kleinraumlumig differenzierte Strategie im Zusammenhang mit dem Energiebedarf und der Aktivierung von Reduktionspotenzialen aus einer Kombination aus flaumlchende-ckend erfassten gebaumludebezogenen Eigenschaften und realen Verbrauchsdaten bestehen muumlssen Auf dieser Grundlage kann

bull der Zusammenhang zwischen Gebaumludeeigenschaften und Energiebedarf in statistischem Sinn bewertet

bull der Einfluss nicht gebaumludebezogener Einflussfaktoren in seiner Groumlszligenordnung festgemacht bull und auf dieser Grundlage eine treffsichere Gebaumludetypologie entwickelt oder bestehende

typologische Ansaumltze verfeinert werden

Dieser Informationsgewinn in Bezug auf die Qualitaumlt und die raumlumliche Differenzierung der Ver-brauchsschaumltzung ist eine unverzichtbare Voraussetzung fuumlr aktuell anstehende Konzepte zur Energie-wende um lokal eingebettete Angebots- und Nachfrageverflechtungen zu optimieren

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Das Energiemosaik Austria Eine Energie- und Treibhausgasdatenbank fuumlr alle oumlsterreichischen Staumldte und Gemeinden

Lore Abart-Heriszt (1)

DOI 10347261025

(1) Dipl-Ing Dr Institut fuumlr Raumplanung Umweltplanung und Bodenordnung (IRUB) Department fuumlr Raum Landschaft und Infrastruktur (RALI) Universitaumlt fuumlr Bodenkultur (BOKU) Wien

Abstract

Das Energiemosaik Austria ist eine Energie- und Treibhausgasdatenbank fuumlr alle oumlsterreichischen Staumldte und Gemeinden Die Datenbank beruht auf einem flaumlchendeckenden Modell zur Ermittlung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen das bei der Gesamtheit der raumgebundenen Nut-zungen (Wohnen Land- und Forstwirtschaft Industrie und Gewerbe sowie Dienstleistungen) ansetzt und auch die damit verbundenen Mobilitaumltsbeduumlrfnisse beruumlcksichtigt In der Datenbank sind dem-nach alle Verbraucher von Energie und alle Verursacher von Treibhausgasemissionen gleichwertig ab-gebildet Die Angaben zum Energieverbrauch werden konsequent nach Verwendungszwecken und Energietraumlgern differenziert Die gemeinsame statistische Datenbasis die standardisierte Modellierung und die einheitliche Darstel-lung der Ergebnisse gewaumlhrleisten die Vergleichbarkeit unter den rund 2100 Gemeinden Die Gesamt-schau des Energiemosaiks Austria - in allen oumlsterreichischen Gemeinden werden alle Verbraucher von Energie beruumlcksichtigt - stellt sicher dass sich der oumlsterreichweite Energieverbrauch in den kommuna-len Datensaumltzen des Energiemosaiks Austria widerspiegelt Das Energiemosaik Austria ist auf einer ei-genen Webseite (wwwenergiemosaikat) verfuumlgbar

Schluumlsselbegriffe

Oumlsterreichweite Datenbank kommunaler Energieverbrauch kommunale Treibhausgasemissionen Webseite Abart-Heriszt L (2021) Das Energiemosaik Austria Eine Energie- und Treibhausgasdatenbank fuumlr alle oumlsterreichischen Staumldte und Gemeinden In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S62-72

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Inhalt Die Entwicklung einer strategischen Datenbank als Aufgabenfeld der Energieraumplanung 64

Statistische Datenbasis 64

Strukturdaten Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen 65

Nutzungen Verwendungszwecke und Energietraumlger 65

Raumlumliche Parameter Energiekennzahlen und Emissionsfaktoren 66

Modellierung des Energieverbrauches und der Treibhausgasemissionen 67

Energieverbrauch in Oumlsterreich 69

Treibhausgasemissionen in Oumlsterreich 70

Schlussfolgerungen 71

Literatur 71

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Die Entwicklung einer strategischen Datenbank als Aufgabenfeld der Energie-raumplanung

Die Gemeinden sind wichtige Akteure im Hinblick auf die Entwicklung von Strategien zur Verringerung des Energieverbrauches und der Treibhausgasemissionen Als Grundlage dafuumlr sind Kenntnisse hin-sichtlich der Ausgangslage unerlaumlsslich Auf kommunaler Ebene standen in Oumlsterreich bislang jedoch weder statistische Daten zum Energieverbrauch zur Verfuumlgung noch lagen Angaben zu den Treibhaus-gasemissionen vor Um diese Luumlcke zu schlieszligen wurde eine Methode zur Modellierung von Energie-verbrauch und Treibhausgasemissionen auf Gemeindeebene entwickelt und im Rahmen eines von der FFG (Oumlsterreichischen Forschungsfoumlrderungsgesellschaft) gefoumlrderten Projektes oumlsterreichweit umge-setzt (Abart-Heriszt et al 2019a und 2019b BMK 2020) Mit dem sogenannten bdquoEnergiemosaik Austrialdquo stehen allen oumlsterreichischen Staumldten und Gemeinden energie- und klimarelevante Entscheidungsgrundlagen und eine Referenz fuumlr die Formulierung kuumlnfti-ger Strategien zur Energiewende und zum Klimaschutz zur Verfuumlgung Dabei gewaumlhrleisten die gemein-same statistische Datenbasis die standardisierte Modellierung und die einheitliche Darstellung der Ergebnisse die Vergleichbarkeit unter den Gemeinden Das Energiemosaik erlaubt die Aggregation der gemeindespezifischen Ergebnisse und deren Abfrage auch auf uumlbergeordneter insbesondere regiona-ler Ebene (zB KEM- KLAR- und Leader-Regionen) Das Energiemosaik Austria stellt eine kommunale Energie- und Treibhausgasdatenbank dar die unter wwwenergiemosaikat mit interaktiven Karten umfangreichen Tabellen und weiterfuumlhrenden Dia-grammen oumlffentlich zur Verfuumlgung steht Das Energiemosaik bietet einen umfangreichen Einblick in den Energieverbrauch und in die Treibhausgasemissionen auf der Ebene der Gemeinden und versetzt damit die Akteure in der lokalen Politik Verwaltung Wirtschaft und Zivilgesellschaft in die Lage dem betraumlchtlichen Handlungsbedarf zur Verringerung des Klimawandels mit energie- und klimapolitischen Strategien zu begegnen Das Energiemosaik Austria unterstuumltzt die Energiewende und den Klimaschutz insofern als es dem wachsenden Anspruch Rechnung traumlgt energie- und klimapolitische Strategien um die raumlumliche Di-mension zu erweitern Dieser sogenannte bdquospatial turnldquo unterstreicht die zentrale Bedeutung von Land und Raum in der Energie- und Klimapolitik Dabei werden die raumlumlichen Rahmenbedingungen d h energie- und klimaoptimierte Raum- und Siedlungsstrukturen als Schluumlsselgroumlszligen fuumlr den Umstieg auf erneuerbare Energietraumlger sowie fuumlr die Etablierung einer umweltfreundlichen Mobilitaumlt und damit fuumlr eine maszliggebliche Verringerung der Treibhausgasemissionen erachtet

Statistische Datenbasis Das Energiemosaik Austria stellt ein quantitatives Modell dar das ausschlieszliglich auf Daten der amtli-chen Statistik beruht und unabhaumlngig von benutzerdefinierten Eingaben oder von Messergebnissen ist Das Energiemosaik stuumltzt sich auf oumlsterreichweit verfuumlgbare konsistente Datensaumltze fuumlr alle Ver-brauchergruppen sowie auf die Mobilitaumltserhebung Oumlsterreich unterwegs (vgl Tab 1)

Registerzaumlhlung 2011 Gebaumlude- und Wohnungszaumlhlung Registerzaumlhlung 2011 Arbeitsstaumlttenzaumlhlung Registerzaumlhlung 2011 PersonenPendlerzaumlhlung Agrarstrukturerhebung 2010Uumlberblick landwirtschaftliche Kulturflaumlchen nach Flaumlchenart Nutzenergieanalyse 2011 (Stand 2018) Energetischer Endverbrauch nach Bundeslaumlndern Energiegesamtrechnung Oumlsterreich 2011 Bundesforschungszentrum fuumlr Wald (BFW) Waldkarte (Stand 2019) BMVIT 2016 Oumlsterreich unterwegs 20132014 BMVIT 2017 Bericht aus Energie- und Umweltforschung 392017 Zweiter Oumlsterreichischer Baukulturreport 2011 Umweltbundesamt CO2-Rechner (Stand 2011)

Tab 1 Datengrundlagen fuumlr das Energiemosaik Austria Eigene Darstellung

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Strukturdaten Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen

Im Energiemosaik Austria sind umfassende Angaben zum Energieverbrauch und zu den damit verbun-denen Treibhausgasemissionen der Gemeinden gemeinsam mit den zugrundeliegenden Strukturdaten abgelegt Die Strukturdaten umfassen umfangreiche Datensaumltze zur Charakterisierung der raumlumlichen Struktu-ren in den einzelnen Gemeinden Sie geben demnach detailliert Auskunft uumlber die wesentlichen Merk-male der raumgebundenen Nutzungen sowie der Mobilitaumltsbeduumlrfnisse die mit diesen Nutzungen ver-bunden sind Der Energieverbrauch bezieht sich auf den energetischen Endverbrauch in Megawattstunden (MWh) also auf jene Energiemenge die bei den Verbrauchern nach Umwandlung und Transport ankommt und fuumlr den Einsatz in Anlagen der Verbraucher zur Verfuumlgung steht Die modellierten Werte bilden Jahres-werte ab (MWha) und beziehen sich vornehmlich auf den Ist-Zustand mit Datengrundlagen aus dem Jahr 2011 (ergaumlnzt um Datensaumltze aus den Jahren 2010 20132014 2017 und 2019) Daruumlber hinaus wird eine Vision fuumlr das Jahr 2050 entwickelt die sich mit der oumlsterreichweiten Verringerung der Treib-hausgasemissionen um rund 80 Prozent auseinandersetzt Die Treibhausgasemissionen umfassen die CO2-Emissionen die bei Verbrennungsvorgaumlngen entste-hen diese decken in Oumlsterreich rund 85 aller Treibhausgasemissionen ab (UBA 2019) Beruumlcksichtigt werden direkte und indirekte Emissionen dh sowohl jene Emissionen die unmittelbar am Ort der Energienutzung entstehen als auch jene Emissionen die zusaumltzlich bei der Bereitstellung der Energie-traumlger anfallen und die Auswirkungen vorgelagerter Prozessketten beruumlcksichtigen Jene Treibhaus-gasemissionen die bei der Erzeugung von Strom und Fernwaumlrme entstehen finden demnach als indi-rekte Emissionen im Energiemosaik Beruumlcksichtigung Sie werden den jeweiligen Gemeinden bzw Nut-zungen in dem Maszlige zugeordnet in dem Strom und Fernwaumlrme zum Einsatz kommt Die Treibhaus-gasemissionen (Stand 2011) werden in Tonnen CO2-Aumlquivalent pro Jahr (t CO2-Aumlquiva) angegeben

Nutzungen Verwendungszwecke und Energietraumlger

Das Modell zur Ermittlung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen verfolgt einen pla-nungsbezogenen Ansatz und geht davon aus dass sich der Energieverbrauch und die damit verbunde-nen Treibhausgasemissionen auf raumlumliche Strukturen zuruumlckfuumlhren lassen Daher setzt das Ener-giemosaik Austria bei der Gesamtheit der raumgebundenen Nutzungen an (Wohnnutzung Land- und Forstwirtschaft Industrie und Gewerbe Dienstleistungen) und beruumlcksichtigt auch die damit einher-gehenden Mobilitaumltsbeduumlrfnisse Somit finden alle Verbraucher von Energie und alle Verursacher von Treibhausgasemissionen gleichwertig Eingang in das Modell Die Modellierung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen erfolgt dabei nicht nur nach Nut-zungen sondern auch nach Verwendungszwecken und Energietraumlgern differenziert Unter den Ver-wendungszwecken werden verschiedene Aktivitaumlten gebuumlndelt fuumlr die Energie genutzt wird fuumlr die Abdeckung des Waumlrmebedarfs als Prozessenergie oder zur Sicherstellung von Transportleistungen Der Verwendungszweck Waumlrme umfasst die Beheizung von Raumlumen und die Bereitung von Warmwas-ser Die Prozessenergie die vornehmlich Prozesswaumlrme und Antriebsenergie umfasst dient dem Be-trieb industriell-gewerblicher Produktionsanlagen sowie von Anlagen und Geraumlten im Dienstleistungs-sektor aber auch von Haushaltsgeraumlten und Geraumlten der Buumlro- und Unterhaltungselektronik sowie der Beleuchtung Der Transport beschreibt den Antrieb von Fahrzeugen zur Abdeckung der Mobilitaumltsbe-duumlrfnisse sowie zur Abwicklung des Baustellen- Werks- und Wirtschaftsverkehrs Im Zuge der Modellierung werden acht verschiedene Energietraumlger beruumlcksichtigt Kohle Oumll (ein-schlieszliglich Benzin und Diesel) Gas Strom und Fernwaumlrme (unter Beachtung ihrer Bereitstellung aus einem Mix von fossilen und erneuerbaren Energietraumlgern) Biomasse brennbare Abfaumllle und Umge-bungswaumlrme

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Raumlumliche Parameter Energiekennzahlen und Emissionsfaktoren

Im Energiemosaik Austria kommen die in Tab 2 dargelegten Parameter zum Einsatz um die Nutzungs- und Mobilitaumltsstrukturen der Gemeinden umfassend abzubilden

Wohnnutzung Quadratmeter Wohnnutzflaumlche nach Gebaumludekategorie Bauperiode sowie Wohnsitzart (Haupt- und Nebenwohnsitze)

32 Parameter

Land- und Forst-wirtschaft

Hektar Kulturflaumlche der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung 4 Parameter

Industrie und Ge-werbe

Beschaumlftigte in der Arbeitsstaumltte nach Branchen gemaumlszlig der OumlNACE-Klassifi-kation der Wirtschaftstaumltigkeiten

27 Parameter

Dienstleistungen Beschaumlftigte in der Arbeitsstaumltte nach Branchen gemaumlszlig der OumlNACE-Klassifi-kation der Wirtschaftstaumltigkeiten

12 Parameter

Mobilitaumlt Verkehrsleistungen (zuruumlckgelegte Kilometer) des Personen- und Guumlterver-kehrs

17 Parameter

Tab 2 Raumlumliche Parameter im Energiemosaik Austria Eigene Darstellung

Die Datensaumltze liegen oumlsterreichweit in einheitlicher Struktur und Qualitaumlt vor bzw werden fuumlr die Mobilitaumlt basierend auf einem eigens entwickelten Verkehrsmodell fuumlr alle Gemeinden nach einer ein-heitlichen Systematik ermittelt Die Datenbasis gewaumlhrleistet eine profunde energie- und klimarele-vante Charakterisierung der Gemeinden hinsichtlich ihrer Nutzungs- und Mobilitaumltsstrukturen und stellt damit eine zuverlaumlssige Grundlage fuumlr die Modellierung des Energieverbrauches und der Treib-hausgasemissionen auf kommunaler Ebene dar Die Vielzahl von Parametern stellt sicher dass sich allfaumlllige Unterschiede zwischen tatsaumlchlichen und modellierten Werten fuumlr die einzelnen Parameter im Rahmen der Aggregation auf Gemeindeebene ausgleichen koumlnnen Die detaillierte Beschreibung der raumgebundenen Nutzungen auf Gemeindeebene gewaumlhrleistet dass sich die Modellierung des Energieverbrauches und der damit einhergehenden Treibhausgasemis-sionen bestmoumlglich an die jeweils besondere Situation auf Gemeindeebene annaumlhert Die umfangrei-chen Angaben zu den Strukturdaten im Energiemosaik erlauben den Energieverbrauch und die Treib-hausgasemissionen unter Beruumlcksichtigung der zugrundeliegenden raumlumlichen Strukturen zu diskutie-ren Die Beruumlcksichtigung dieser raumlumlich hoch aufgeloumlsten Daten im Energiemosaik ist ein Hauptau-genmerk von Bottom-Up-Ansaumltzen Zur Ermittlung des kommunalen Energieverbrauches (vgl Abb 1) werden die Parameter zur Beschrei-bung der Nutzungs- und Mobilitaumltsstrukturen mit spezifischen Energiekennzahlen multipliziert (z B Megawattstunde Energie je Beschaumlftigten) Dabei gewaumlhrleistet die Vielzahl der Parameter den Einsatz moumlglichst spezifischer und praumlziser Energiekennzahlen und damit minimale Abweichungen der tat-saumlchlichen Werte von der jeweiligen Energiekennzahl im Modell Die Ermittlung der Energiekennzah-len beruht im Energiemosaik auf einem Top-Down-Ansatz Die Energiekennzahlen werden vornehm-lich aus der Nutzenergieanalyse der Statistik Austria sowie den Analysen zur Mobilitaumltserhebung Oumls-terreich unterwegs (BMVIT 2017) abgeleitet Dieses Vorgehen hat zwar den Nachteil dass besondere Variationen der raumgebundenen Nutzungen Details des individuellen Verhaltens oder spezifische Technologien und Innovationen in den einzelnen Gemeinden nicht vollumfaumlnglich in den Energiekenn-zahlen abgebildet werden koumlnnen Hingegen besteht der groszlige Vorteil dieser Methode darin dass die Ergebnisse fuumlr die einzelnen Gemeinden mit den Datensaumltzen auf der Ebene der Bundeslaumlnder konsis-tent sind Werden die kommunalen Werte aggregiert resultieren die Werte auf Landesebene Daruumlber hinaus stellt das Energiemosaik nicht nur eine vollstaumlndige und konsistente Modellierung sicher son-dern kann mit dem Einsatz der solcherart ermittelten Energiekennzahlen die von Jahr zu Jahr zu ver-zeichnenden witterungsbedingten und konjunkturellen Schwankungen des Energieverbrauches aus-gleichen Die Energiekennzahlen sind nach Verwendungszwecken (Waumlrme Prozesse und Transport) sowie nach acht Energietraumlgern differenziert Auf der Webseite werden die erneuerbaren und fossilen Energietraumlger jeweils zusammengefasst

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Unter Beruumlcksichtigung von energietraumlgerspezifischen Faktoren fuumlr die Treibhausgasemissionen (Ton-nen CO2-Aumlquivalent je Megawattstunde eingesetzter Energie entsprechend dem CO2-Rechner des Um-weltbundesamtes) werden die kommunalen Treibhausgasemissionen berechnet (vgl Abb 1)

Abb 1 Modell zur Ermittlung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen im Energiemosaik Austria (nach Abart-Heriszt et al 2019b)

Modellierung des Energieverbrauches und der Treibhausgasemissionen

Wohnnutzung

Die Modellierung des Energieverbrauches und der Treibhausgasemissionen fuumlr die Wohnnutzung ba-siert im Energiemosaik Austria auf dem Ausmaszlig der Wohnnutzflaumlchen und erfolgt aufgrund des unter-schiedlichen Heizwaumlrmebedarfs differenziert nach Gebaumludekategorien Bauperioden und Wohnsitzart (wobei auf der Webseite Haupt- und Nebenwohnsitze zusammengefasst werden) Damit wird dem hohen Stellenwert Rechnung getragen den der Waumlrmebedarf in der Wohnnutzung hat

Wirtschaftliche Nutzungen

Fuumlr die Land- und Forstwirtschaft erfolgt die Modellierung von Energieverbrauch und Treibhausgas-emissionen aufgrund unterschiedlich energieintensiver Bewirtschaftung differenziert nach Kulturar-ten Die Land- und Forstwirtschaft ist grundsaumltzlich ein nicht zu vernachlaumlssigender Emittent von Treib-hausgasen Besondere Bedeutung kommt dabei allerdings den Emissionen von Lachgas und Methan zu die aus der Bewirtschaftung landwirtschaftlich genutzter Flaumlchen und aus der Viehhaltung stam-men In das Energiemosaik finden hingegen nur die vergleichsweise geringen CO2-Emissionen aus Ver-brennungsvorgaumlngen (zB Wirtschaftsverkehr) Eingang Unter Industrie und Gewerbe wird im Energiemosaik die Erzeugung von Sachguumltern einschlieszliglich der Branchen Bau und Bergbau zusammengefasst Angesichts der Vielfalt unterschiedlicher Produktions-verfahren weisen der spezifische Energieverbrauch und die Treibhausgasemissionen von Industrie und Gewerbe eine groszlige Schwankungsbreite auf Diesem Umstand wird durch die Beruumlcksichtigung von uumlber 25 Branchen des produzierenden Sektors einschlieszliglich Bau und Bergbau bestmoumlglich Rechnung getragen Auf der Webseite werden die Branchen entsprechend der OumlNACE-Klassifikation der Wirt-schaftstaumltigkeiten zusammengefasst Allerdings kann auch innerhalb einer Branche der Energiever-brauch in Abhaumlngigkeit von den spezifischen Prozessen betraumlchtlich schwanken Dazu kommt dass

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sich nicht an allen industriell-gewerblichen Standorten tatsaumlchlich Produktionsstaumltten befinden son-dern teilweise reine Managementfunktionen erfuumlllt werden Diese Gegebenheiten koumlnnen mangels oumlsterreichweit verfuumlgbarer Informationen nicht beruumlcksichtigt werden und in Einzelfaumlllen zu Fehlein-schaumltzungen des Energieverbrauches und der damit einhergehenden Treibhausgasemissionen von In-dustrie und Gewerbe fuumlhren In Industrie und Gewerbe wird Energie vornehmlich als Prozessenergie fuumlr den Betrieb von Produktionsanlagen eingesetzt waumlhrend der Energieverbrauch fuumlr Waumlrme und Transport (Baustellen- und Werksverkehr) eine vergleichsweise geringe Rolle spielt Die Dienstleistungen umfassen zwoumllf verschiedene Branchen der privaten und oumlffentlichen Dienstleis-tungserbringung (z B Geschaumlfte Gaststaumltten Schulen Krankenhaumluser Banken Aumlmter hellip) Die Unter-schiede zwischen den verschiedenen Dienstleistungsbranchen sind hinsichtlich des Energieverbrau-ches im Allgemeinen gering Die Branchen werden auf der Webseite weitgehend OumlNACE-konform zu-sammengefasst Die Energie wird im Dienstleistungssektor etwa zur Haumllfte fuumlr die Waumlrmebereitstel-lung benoumltigt der restliche Energieverbrauch entfaumlllt zu etwa gleichen Teilen auf Prozesse und Trans-port

Mobilitaumlt

Der Energieverbrauch der Mobilitaumlt und die damit verbundenen Treibhausgasemissionen haumlngen so-wohl von der Weglaumlnge als auch von den genutzten Verkehrsmitteln ab Diese Merkmale sind in Oumls-terreich sehr unterschiedlich ausgepraumlgt und haumlngen wesentlich von den raumlumlichen Rahmenbedin-gungen wie etwa der Kompaktheit der Raum- und Siedlungsstrukturen sowie der Nutzungsmischung ab Im Energiemosaik Austria wird ein besonderes Augenmerk auf die Vernetzung der unterschiedlichen Standorte von Wohnungen Arbeitsplaumltzen Bildungs- Handels- Gesundheits- Sozial- und Freizeitein-richtungen etc gelegt die unter dem Begriff der Alltagsmobilitaumlt zusammengefasst wird Die Model-lierung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen der Alltagsmobilitaumlt beruht auf umfangrei-chen statistischen Daten zu den Pendlern (differenziert nach Wohn- Arbeits- bzw Schulort und Pen-deltyp sowie Pendeldistanzen) ergaumlnzt um Aussagen und Analysen aus der Mobilitaumltserhebung Oumlster-reich unterwegs (BMVIT 2016 und BMVIT 2017) betreffend die Bedeutung verschiedener Wegezwecke sowie gemeindetypenspezifischer Modal-Splits Darauf basierend werden Verkehrsleistungen model-liert wobei die Zuordnung der Verkehrsleistungen zu den Gemeinden auf einem nutzungsbezogenen Ansatz beruht Daher wird jede Gemeinde als Wohnort als Arbeits- und Schulort als Standort kunden-orientierter Dienstleistungen (z B Handel) sowie als Produktionsstandort betrachtet Die Verkehrs-leistungen der Alltagsmobilitaumlt werden im Allgemeinen jeweils dem Zielort eines Weges abhaumlngig vom Wegezweck und damit den in Tab 3 genannten Kategorien zugeordnet

Haushaltsmobilitaumlt Alle Wege zu den Wohnsitzen und die meisten Verkehrsleistungen in der Freizeit wer-den dem Wohnort zugeordnet

Beschaumlftigtenmobilitaumlt Die Wege der Beschaumlftigten und Schuumller zur Arbeit bzw zur Ausbildung werden der Standortgemeinde der Arbeitsstaumltte bzw Schule zugeordnet

Kundenmobilitaumlt Die Wege der Kunden zu Dienstleistungseinrichtungen werden den Standorten dieser Einrichtungen zugeordnet

Tab 3 Kategorien der Alltagsmobilitaumlt im Energiemosaik Austria Eigene Darstellung

Zudem werden sowohl inlaumlndische Urlaubs- und Geschaumlftsreisen als auch der Transport von land- und forstwirtschaftlichen sowie industriell-gewerblichen Guumltern im Inland beruumlcksichtigt Die Zuordnung zu den Gemeinden erfolgt nach dem Wohnort (Urlaubsreisen) dem Arbeitsort (Geschaumlftsreisen) und dem Standort der Produktionsstaumltten (Guumlterverkehr) Auf der Webseite werden unterschiedliche We-gezwecke und Verkehrsmittel zusammengefasst

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Energieverbrauch in Oumlsterreich

In Abb 2 wird die absolute Houmlhe des Energieverbrauches insgesamt in den einzelnen Gemeinden Oumls-terreichs dargestellt Im Allgemeinen weisen Gemeinden mit einer hohen Einwohnerzahl und einer Vielzahl von wirtschaftlichen Aktivitaumlten begleitet von einem hohen Verkehrsaufkommen einen houmlhe-ren Energieverbrauch auf als kleinere Gemeinden Dieser enge Zusammenhang erklaumlrt aber nur einen Teil der Unterschiede zwischen den Gemeinden Daneben hat die Nutzungsmischung einen erhebli-chen Einfluss auf die Houmlhe und insbesondere die Struktur des Energieverbrauches denn in den einzel-nen Gemeinden koumlnnen unterschiedliche Verbrauchergruppen die Energie fuumlr unterschiedliche Zwe-cke einsetzen Gleich groszlige Gemeinden koumlnnen demnach unterschiedlich hohen Energieverbrauch aufweisen wenn sie durch unterschiedliche raumlumliche Strukturen gekennzeichnet sind Daher nimmt Abbildung 2 bewusst auf die absolute Houmlhe des Energieverbrauches Bezug und stellt nicht Dichtewerte (etwa pro Kopf oder pro Flaumlcheneinheit) dar Denn darin waumlre die Komplexitaumlt der Nutzungsstrukturen sowie der raumlumlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den einzelnen Gemeinden nicht abgebildet Vielmehr lassen sich unterschiedliche Muster des Energieverbrauches bzw unterschiedli-che Typen von Gemeinden in Abhaumlngigkeit vom Beitrag der einzelnen raumgebundenen Nutzungen zum Energieverbrauch identifizieren Im Energiemosaik Austria wird zwischen Gemeinden die vorran-gig Wohnfunktion uumlbernehmen Wohngemeinden mit betrieblicher Funktion funktionsgemischten bzw dienstleistungsorientierten Gemeinden sowie Gemeinden mit industriell-gewerblicher Produk-tion unterschieden Diese Kenntnis uumlber die Bedeutung der einzelnen Verbrauchergruppen ist eine unabdingbare Voraussetzung fuumlr die Formulierung maszliggeschneiderter energiepolitischer Strategien

Abb 2 Kommunaler Energieverbrauch (2011) Quelle wwwenergiemosaikat

Werden die im Energiemosaik ausgewiesenen Angaben uumlber alle Gemeinden Oumlsterreichs summiert resultiert ein Energieverbrauch in der Houmlhe von rund 278 Mio MWh (Stand 2011) Dieser Wert stimmt weitgehend mit der Nutzenergieanalyse fuumlr Oumlsterreich (Statistik Austria 2018) uumlberein Der gesamte Energieverbrauch Oumlsterreichs spiegelt sich demnach in den Datensaumltzen aller rund 2100 oumlsterreichi-schen Staumldte und Gemeinden (ergaumlnzt um die 23 Wiener Stadtbezirke) wider Das Energiemosaik Aus-tria stellt daher eine Energie- und Treibhausgasdatenbank dar die weder eine generelle Uumlber- noch eine Unterschaumltzung des Energieverbrauchs aufweist Diese Konsistenz der Modellierung uumlber ver-schiedene raumlumliche Ebenen hinweg ist eine besondere Staumlrke des Energiemosaiks Geringfuumlgige Abweichungen des Energiemosaiks von der Nutzenergieanalyse resultieren insbesondere aus dem Umstand dass im Falle der Mobilitaumlt im Energiemosaik ein von der Nutzenergieanalyse grund-

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saumltzlich abweichender Ansatz verfolgt wird Waumlhrend die Nutzenergieanalyse auf dem Ausmaszlig an ab-gesetzten Treibstoffen in Oumlsterreich basiert (und damit auch den Kraftstoffexport ins Ausland beinhal-tet) orientiert sich das Energiemosaik an den gemeindespezifischen Nutzungen und den dadurch ver-ursachten Verkehrsleistungen (vgl Kap 6) Dadurch ist keine unmittelbare Vergleichbarkeit des Ener-gieverbrauches mit der amtlichen Statistik gegeben Hingegen stimmt fuumlr die im Energiemosaik mo-dellierten Verkehrsleistungen der Alltagsmobilitaumlt die Summe uumlber alle oumlsterreichischen Gemeinden mit den diesbezuumlglichen Ergebnissen der Mobilitaumltserhebung Oumlsterreich unterwegs uumlberein Waumlhrend demnach weder eine generelle Uumlber- noch eine Unterschaumltzung des Energieverbrauches und der damit einhergehenden Treibhausgasemissionen erfolgt koumlnnen fuumlr einzelne Gemeinden oder ein-zelne Parameter Ungenauigkeiten auftreten die insbesondere auf die moumlgliche Unschaumlrfe einiger Energiekennzahlen zuruumlckzufuumlhren ist Dies trifft vornehmlich auf ausgewaumlhlte Standorte energiein-tensiver industriell-gewerblicher Produktionsanlagen zu

Treibhausgasemissionen in Oumlsterreich

Abb 3 zeigt die absolute Houmlhe der Treibhausgasemissionen insgesamt fuumlr die einzelnen oumlsterreichi-schen Gemeinden Demnach werden in Oumlsterreich Treibhausgasemissionen aus Verbrennungsvorgaumln-gen in der Houmlhe von rund 70 Mio t CO2-Aumlquivalent ausgewiesen (Stand 2011) Die im Energiemosaik Austria getroffenen Aussagen zu den Treibhausgasemissionen decken sich nicht mit den Ergebnissen der oumlsterreichischen Luftschadstoffinventur (UBA 2018) Dies liegt einerseits daran dass im Energie-mosaik konsequent direkte und indirekte Treibhausgasemissionen beruumlcksichtigt werden wohingegen dies auf die Schadstoffinventur nicht zutrifft Andererseits beschraumlnken sich die Aussagen des Energie-mosaiks auf die Treibhausgasemissionen aus dem Energieverbrauch waumlhrend die Schadstoffinventur auch die prozessbedingten Emissionen von Treibhausgasen (z B bei der Verfluumlssigung von Schlacke in der Metallindustrie) sowie die Emissionen aus der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung (Lachgas oder Methan) beruumlcksichtigt

Abb 3 Kommunale Treibhausgasemissionen (2011) Quelle wwwenergiemosaikat

Allerdings wird im Rahmen der Luftschadstoffinventur fuumlr die Treibhausgasemissionen der Mobilitaumlt auch eine alternative Berechnung vorgenommen (bdquoSecond Estimateldquo) Sie beruht nicht auf der Nutz-energieanalyse und auf dem Absatz von Treibstoffen sondern auf einem detaillierten Modell zur Ab-bildung der Straszligenverkehrsleistungen in den einzelnen Bundeslaumlndern Die im Rahmen der Second-Estimate-Berechnung angegebene Houmlhe der Treibhausgasemissionen in den oumlsterreichischen Bundes-laumlndern stimmt mit den Werten des Energiemosaiks uumlberein

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Im Energiemosaik wird fuumlr die Treibhausgasemissionen auch eine Vision fuumlr das Jahr 2050 und damit eine moumlgliche Option aufgezeigt wie unter Beruumlcksichtigung der raumlumlichen Dynamik mit Strategien zur Vermeidung des Energieverbrauches zur Erhoumlhung der Energieeffizienz und zum verstaumlrkten Ein-satz erneuerbarer Energie eine rund 80ige Verringerung der Treibhausgasemissionen gegenuumlber 1990 erreicht werden koumlnnte

Schlussfolgerungen

Das Energiemosaik Austria bildet eine Orientierungshilfe fuumlr die Entwicklung von Strategien zur Ener-giewende und zum Klimaschutz auf lokaler und regionaler Ebene Die Ergebnisse der Modellierung stellen insbesondere angesichts der Vollstaumlndigkeit und der Multisektoralitaumlt des Energiemosaiks eine gute Grundlage fuumlr politische und strategische Entscheidungsprozesse dar Dabei traumlgt die konse-quente Zuordnung des Energieverbrauches und der Treibhausgasemissionen zu den wichtigsten Ver-brauchergruppen (Haushalte Wirtschaft Mobilitaumlt) dem Verursacherprinzip Rechnung und erlaubt eine zielgerichtete Entwicklung von energie- und klimarelevanten Strategien Die einheitliche Struktur und Qualitaumlt der Eingangsdaten sowie die standardisierte Modellierung gewaumlhrleisten eine gemein-same und vergleichbare Ausgangsbasis fuumlr alle Gemeinden und Regionen Daruumlber hinaus koumlnnen uumlbergeordnete Planungsebenen (Laumlnder Bund EU) von dem Wissen um die moumlglichen Beitraumlge un-terschiedlicher raumlumlicher Strukturen in Zentren Kleinstaumldten suburbanen und laumlndlichen Gemeinden zu den uumlbergeordneten klima- und energiebezogenen Strategien profitieren Das Energiemosaik Austria stellt nicht nur eine unerlaumlssliche strategische Planungs- und Entschei-dungsgrundlage fuumlr Akteure aus Politik und Verwaltung Wissenschaft und Praxis sowie Planung und Wirtschaft dar Die Einsatzgebiete des Energiemosaiks reichen dabei von der Erarbeitung von Energie-konzepten und Klimaschutzstrategien die Infrastrukturentwicklung die Raumplanung die Erstellung integrierter Mobilitaumltskonzepte bis zur Regionalentwicklung Daruumlber hinaus traumlgt das Energiemosaik auch zur Sensibilisierung von Akteuren mit energie- klima- raum- umwelt- und mobilitaumltsrelevanten Agenden sowie der interessierten (Fach-)Oumlffentlichkeit bei Schlieszliglich beguumlnstigt das Energiemosaik die Einleitung von Lernprozessen uumlber die Anliegen des Klimaschutzes sowie die raumlumliche Dimension der Energiewende

Literatur Abart-Heriszt L Erker S Reichel S Schoumlndorfer H Weinke E Lang S (2019a) Energiemosaik Austria Oumlsterreichweite Modellierung und webbasierte Visualisierung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen auf Gemeindeebene EnCO2Web FFG BMVIT Stadt der Zukunft Wien Salzburg Lizenz CC BY-NC-SA 30 AT Vgl wwwenergiemosaikat (letzter Zugriff 18122020)

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laumlndischen Landesregierung Amt der Niederoumlsterreichischen Landesregierung Amt der Steiermaumlrki-schen Landesregierung Amt der Tiroler Landesregierung Bundesministerium fuumlr Verkehr Innovation und Technologie Wien

BMVIT (Hrsg 2017) Mair am Tinkhof O Strasser H Prinz T Herbst S Schuster M Tomschy R Figl H Fellner M Ploszlig M Roszligkopf T Richt- und Zielwerte fuumlr Siedlungen zur integralen Bewer-tung der Klimavertraumlglichkeit von Gebaumluden und Mobilitaumltsinfrastruktur in Neubausiedlungen Be-richte aus Energie- und Umweltforschung 392017 Bundesministerium fuumlr Verkehr Innovation und Technologie Wien

Statistik Austria (2018) Nutzenergieanalyse fuumlr die neun oumlsterreichischen Bundeslaumlnder 2011 Ver-fuumlgbar online httpwwwstatistikatweb_destatistikenenergie_umwelt_innovation_mobilitaet energie_ und_umweltenergienutzenergieanalyseindexhtml (letzter Zugriff 13012019)

UBA (Umweltbundesamt 2018) Bundeslaumlnder Luftschadstoff-Inventur (BLI) 1990ndash2016 Umwelt-bundesamt Wien

UBA (Umweltbundesamt 2019) Klimaschutzbericht 2019 Umweltbundesamt Wien

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Institutionelle Gestaltung von energieraumplanerischen Politiken Das Fallbeispiel der niederlaumlndischen Windkraftzonierung

Pia Nabielek (1)

DOI 10347261026

(1) Dipl-Ing Dr PBL Netherlands Environmental Assessment Agency Department of Integral Environmental Policy Analysis

Abstract

Aktiv gestaltete Innovation im institutionellen Bereich gilt als eine wesentliche Voraussetzung fuumlr eine erfolgreiche Energiewende Heutige gesellschaftliche Routinen sollen aufgebrochen und durch Prakti-ken ersetzt werden die nachhaltiger sind und deshalb wert sind nachgeahmt und institutionalisiert zu werden Dieser Beitrag geht der Frage nach inwiefern Energieraumplanung zielgerichtet und bewusst neue Institutionen einfuumlhren kann und ob damit tatsaumlchlich langfristig nachhaltigere Rahmenbedin-gungen geschaffen werden In planungstheoretischer Literatur wird institutionelle Gestaltung als ein wichtiger Bereich der Raumplanung hervorgehoben Damit gemeint ist das Veraumlndern und Einfuumlhren von allgemeinen Werten und Normen ndash Regelungen Praktiken und Sichtweisen ndash die die Interaktion eines breiten Spektrums von Akteurinnen und Akteuren strukturieren In diesem Beitrag wird institu-tionelle Gestaltung am Beispiel der Windkraftzonierung untersucht Anhand des Praxisbeispiels des niederlaumlndischen Strukturplans fuumlr Onshore-Windkraftanlagen wird aufgezeigt inwiefern die raumlum-lich-geografische Abgrenzung von Gebieten fuumlr nachhaltige Energiegewinnung zur Entwicklung von neuen Institutionen gefuumlhrt hat und welche Pfad-Abhaumlngigkeiten dies mit sich bringt

Schluumlsselbegriffe

Raumordnung Energiewende Institutionelle Gestaltung Institutionalisierungsprozesse Niederlaumlndi-sche Windkraftpolitik Nabielek P (2021) Institutionelle Gestaltung von energieraumplanerischen Politiken Das Fallbeispiel der niederlaumlndischen Windkraftzonierung In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S73-82

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Inhalt Einleitung 75

Institutionelle Gestaltung 76

Das Fallbeispiel des niederlaumlndischen Strukturplans fuumlr Onshore-Windkraftanlagen 77

Schlussfolgerungen 81

Danksagung 81

Literatur 81

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Einleitung

Bei der Entwicklung von Planungspolitiken fuumlr den Ausbau der erneuerbaren Energiegewinnung dreht sich vieles um Institutionen Institutionen formen die Rahmenbedingungen in denen Planungspolitiken fuumlr nachhaltige Energie entworfen und umgesetzt werden koumlnnen Sie sorgen fuumlr eine normative Ori-entierungshilfe bei der Suche nach Loumlsungen fuumlr konkrete Probleme und legitimieren die strategische Ausrichtung die eine Planungspolitik einschlaumlgt Tatsaumlchlich wird die Ignoranz von institutionellen As-pekten bei groszligen politischen Themen wie dem Klimawandel und der damit zusammenhaumlngenden Energiewende im zunehmenden Maszlige ein Problem (Healey 2018) Lange hat man sich auf instrumen-telle Herausforderungen konzentriert waumlhrend die zugrundeliegenden allgemeinguumlltigen Normen und Verhaltensweisen die die Wirkungsweise von technischen Loumlsungen beeinflussen oft im Dunkeln bleiben Institutionen sind bdquosets of public norms that condition the interaction between subjectsldquo (Salet 2018 S 1) Zu diesen allgemeinen Normen gehoumlren sowohl gesetzliche als informelle Regelungen soziale Muster und Verhaltensregeln und organisatorische Einheiten die als selbstverstaumlndlich angesehen werden Fuumlr die Energieraumplanung sind Institutionen aus zwei Gruumlnden interessant Zum einem wer-den durch Institutionen viele offene Fragen geregelt die mit der Akzeptanz von Energieloumlsungen zu-sammenhaumlngen Was gibt Parteien das Recht zu handeln Welche Handlungsoptionen gibt es Welche Kontrollmechanismen gibt es Zum anderen gibt es das Problem der institutionellen Traumlgheit (Salet 2018) ndash Institutionen haben im dynamischen Kontext in der Nachhaltigkeitspolitik den fuumlrchterlichen Ruf unsere Handlungsoptionen wesentlich einzuschraumlnken ndash es sind Gewohnheiten und Weisheiten die sich in der Vergangenheit bewahrheitet haben und durchwirken bis in die Gegenwart Wenn Institutionen nicht mehr als zeitgemaumlszlig aufgefasst werden kommt der Prozess des institutionel-len Wandels ins Bild In der planungstheoretischen Literatur wird das Erhalten Veraumlndern und Neuer-schaffen von institutionellen Strukturen als ein wesentlicher Aufgabenbereich der Raumplanung gese-hen Alexander (2005) hat die Moumlglichkeiten untersucht in der Planung institutionell zu denken und zu handeln Er stellt fest bdquoinstitutions are a critical aspect of everything planners doldquo (Alexander 2005 S 210) Wenn die Raumplanung im Kontext der Energiewende das Ziel hat um einen fundamentalen Wandel zu erreichen dann muumlssen Institutionen ein wichtiger Teil des raumplanerischen Handelns sein Dies weil es nur zwei Wege gibt um Gesellschaften zu aumlndern den Menschen selbst zu veraumlndern oder Institutionen zu veraumlndern (Alexander 2005) Diese Sichtweise wird untermauert durch die Per-spektive einer sbquoengagiertenlsquo klimafreundlichen Politik die die Anfechtung von gaumlngigen Werten in Kauf nimmt (Lowndes amp Roberts 2013) Im folgenden Teil dieses Artikels wird das Konzept der institutionellen Gestaltung aufgegriffen und angewendet auf die energieraumplanerische Praxis Zu diesem Zweck wird auf die strategische Arbeit der EU zuruumlckgegriffen die in letzten 10 Jahren gezielt den Ausbau der Windkraft vorangetrieben hat Im Rahmen des europaumlischen Klima- und Energiepaket 2020 hat die Raumplanung die wichtige Rolle uumlbernommen ausreichend Standorte fuumlr die Errichtung von Groszliganlagen zu sichern In vielen Laumlndern Europas wurde dabei auf ein gaumlngiges und wirkungsstarkes Instrument zuruumlckgegriffen das Instru-ment der Zonierung Die Ausweisung von Windkraftzonen kann aus langfristiger Sicht eine Reihe von unerwuumlnschten Nebeneffekten haben (Nabielek 2020 Evers et al 2019 Cowell 2010) Anhand des Fallbeispiels der niederlaumlndischen Raumplanungspolitik fuumlr groszligmaszligstaumlbliche Windkraftanlagen geht dieser Beitrag der folgenden Frage nach Inwiefern kann die Einfuumlhrung von Windkraftzonen als ein Akt der institutionellen Gestaltung gesehen werden und welche Implikationen hat dies fuumlr die Pla-nungspraxis Das Konzept der institutionellen Gestaltung entlehne ich aus Literatur uumlber institutionelle Theorie und Planungstheorie Der Teilbereich des bdquoinstitutionellen Unternehmertumsldquo (Di Maggio 1988) ist dabei besonders relevant da dieser die prozessorientierte Seite von bdquoAgencyldquo untersucht d h die Kapazitaumlt von Akteuren um selbststaumlndig (unabhaumlngig von ihrem Umfeld) zu handeln

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Institutionelle Gestaltung

Der Begriff der institutionellen Gestaltung wird in einem Teilbereich der institutionellen Theorie auf-gearbeitet der sich mit strukturellen Veraumlnderungsprozessen und dem Einfluss von sbquoAgencylsquo beschaumlf-tigt Dieser Teilbereich hinterfragt die Denkweise dass Institutionen sich grundsaumltzlich durch sbquoschock-artige Einfluumlsse von auszligenlsquo veraumlndern (Van Doren et al 2020 Leca et al 2008) und unterstreicht den Einfluss des sozialen Handelns auf Institutionen bdquoAkteure koumlnnen steuern was institutionell ist und was nicht Institutionen brauchen Anerkennung Wartung und Innovation um zu uumlberlebenldquo (Salet 2018) Diese Denkrichtung unterstreicht die Bedeutung von Institutionen als Konstrukte des mensch-lichen Handelns und ermoumlglicht damit neue Forschungswege die Erklaumlrungen liefern fuumlr eine Art der institutionellen Innovation die sich von innen heraus entwickelt D h durch soziale Interaktion und die bewusste Entscheidung von Akteurinnen und Akteuren um bdquoanders als die gaumlngige Normldquo zu han-deln Dies muumlssen nicht unbedingt groszlige und einschneidende Gesten sein sondern auch geringfuumlgige Anpassungen oder schrittweise eingefuumlhrte strategische Handlungen koumlnnen institutionelle Transfor-mation ausloumlsen (Lowndes amp Roberts 2013) DiMaggio (1988) hat dabei das Konzept des bdquoinstitutionellen Unternehmertumsldquo eingefuumlhrt Dieses Unternehmertum besteht aus hochgradig organsierten AkteurInnen mit ausreichenden Ressourcen die aufgrund bestimmter Interessen zur Entstehung von neuen Institutionen beitragen Unternehme-risch-institutionelle Akteurinnen und Akteure verfuumlgen uumlber ausreichende Kapazitaumlten oder Befaumlhi-gungen um eigenstaumlndig denken und handeln zu koumlnnen (Van Doren et al 2020) Das Konzept des einflussreichen politischen Unternehmertums das sich uumlber Grenzen und Werte hinwegsetzt bringt allerdings auch ein klassisches wissenschaftliches Dilemma mit sich Inwiefern koumlnnen Akteure Institu-tionen bewusst transformieren wenn sie gleichzeitig und unbewusst durch bestehende Institutionen beeinflusst werden Lowndes und Roberts (2013 S 185-186) bezeichnen dies als das Paradox der in-stitutionellen Gestaltung bdquoGestaltung im Sinne von ergebnisorientierter Planung ist zum Scheitern ver-urteilt [] die Ergebnisse von bewussten Bemuumlhungen um Institutionen zu reformieren lassen oft zu wuumlnschen uumlbrigldquo (S 185) Aus der Perspektive von Lowndes und Roberts existieren bdquoalteldquo und bdquoneueldquo Institutionen nebeneinander ndash neu geschaffene Institutionen sind instabil und Innovationsprozesse schwer zu kontrollieren weil sie den Einschraumlnkungen bestehender politischer Machtverhaumlltnisse un-terworfen sind Goodin (1996) spricht sogar von dem bdquoMythosldquo des bewussten und zielgerichteten Gestaltens Aus seiner Sicht sollte der Fokus auf die indirekten Mechanismen liegen die zu institutio-neller Transformation beitragen Diese Perspektive unterstreicht dass institutionelle Innovation eben auch unbewusst und indirekt stattfinden kann d h neben unternehmerisch-institutionellen Bemuuml-hungen gibt es auch Nebeneffekte und (un)beabsichtigte Folgehandlungen von verschiedensten Akt-euren die dazu beitragen um Institutionen zu gestalten und reproduzieren (Van Doren et al 2020) Im Gegensatz zur institutionellen Theorie ist die Planungstheorie optimistischer was die bewusst her-beigefuumlhrte institutionelle Veraumlnderung betrifft Der Begriff der institutionellen Gestaltung ist eng ver-bunden mit dem Aufkommen der institutionell gerichteten und kommunikativen Planungstheorie (Healey 1997) Alexander (2005) definiert institutionelle Gestaltung als bdquodas zielgerichtete und be-wusste Erschaffen von Gesetzen Praktiken und organisatorischen Strukturen die soziales Handeln [] sowohl unterstuumltzen als auch einschraumlnkenldquo (Alexander 2005 S 213) Inspiriert unter anderem von Habermasrsquo bdquoTheorie des kommunikativen Handelnsldquo beschaumlftigten sich Planungstheoretiker zuneh-mend mit Fragestellungen die die Gestaltung des Planungsprozesses betreffen (Healey 1997 Fischer amp Forester 1993 Innes 2017 zitiert in Evers et al 2019) Es geht nicht mehr um den Abstracten Begriff des Ordnens von bdquoRaumldquo (im Sinne einer technischen Aufgabe) sondern um das (Selbst-)Regieren von bdquoOrtenldquo (Evers et al 2019) Dies hatte zur Folge dass die Gestaltung diverser Governance-Praktiken immer mehr ins Blickfeld der Forschung im Planungsbereich geruumlckt ist und damit auch die Frage der dahinterliegenden bdquoinstitutionellen Dynamikldquo (Healey 2018) Staumlrker noch institutionelle Gestaltung

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scheint aus dieser Sichtweise quasi automatisch einherzugehen mit planerischer Aktivitaumlt Innes (1995 S 40 zitiert in Alexander 2005) beispielsweise schreibt bdquoPlanning is institutional designldquo Um die institutionelle Dynamik besser zu verstehen die hinter dem Kommunikations- und Entschei-dungsprozess einer Planungspolitik steckt ist es laut Scharpf (1997) notwendig die Akteurskonstella-tionen besser zu verstehen die aufgrund von Interessen und Machtverhaumlltnissen auf die Entwicklung von Institutionen einwirken Diese Sichtweise deckt sich weitgehend mit dem durch DiMaggio einge-fuumlhrten Konzept des institutionellen Unternehmertums aber auch der Lowndes und Roberts Sicht-weise des eingeschraumlnkten Gestaltens Da die unternehmerisch-institutionellen Akteure Institutionen selten alleine veraumlndern koumlnnen muumlssen diese typischerweise Verbuumlndete mobilisieren (Leca et al 2009) d h sie entwickeln Allianzen und Kooperationen um ihre strategischen Interessen durchzu-setzen Diese Kooperationen und Allianzen oder bdquoinstitutional-agent interactionsldquo (Alexander 2005) sind das Basismaterial der institutionellen Gestaltung Die Werkzeuge von institutioneller Gestaltung sind dann die vielfaumlltigen Strategien die strategische Kooperationen und Allianzen ermoumlglichen Van Doren et al (2020) praumlsentieren auf der Basis eines Literatur-Reviews eine Palette von moumlglichen Stra-tegien diese reichen von politischer Aktion (z B Mobilisieren von Interessensgruppen) zu technischen Konsultationen (uumlber Kosten und Gewinne) und kommunikativen Strategien (z B Diskurs)

Das Fallbeispiel des niederlaumlndischen Strukturplans fuumlr Onshore-Windkraftanla-gen

Anhand dieses kurzen Einblicks in institutionellen Gestaltung aus der Sicht der Planungstheorie und institutionellen Theorie versuche ich im Folgenden zu demonstrieren welchen Wissensbeitrag diese Sichtweise im Rahmen der Evaluierung von energieraumplanerischen Instrumenten liefern kann In-nerhalb der letzten 15 Jahre wurde Windkraft in vielen Laumlndern Europas zu einer der groumlszligten infra-strukturellen Aufgabenstellungen und es entstanden neue Planungspolitiken durch welche die zuneh-menden Interessenskonflikte geschlichtet werden sollten (Szarka et al 2012) In diesen Strategien wur-den neue Arten von sbquoGrenzenlsquo und Zielwerten fuumlr die Windenergie eingefuumlhrt Abgrenzung von Gebie-ten Abgrenzung von Verantwortlichkeiten und die Festlegung quantitativer Ziele (Nabielek 2020 E-vers et al 2019) Eine bestimmte Planungsherangehensweise wird dabei als besonders effektiv erach-tet Zonierung Zonierung bietet Windkraftentwicklern die Sicherheit dass (Groszlig-)Projekte in be-stimmten Gebieten fortgesetzt werden koumlnnen gleichzeitig wird die Entwicklung in anderen Gebieten untersagt Diese Zonierungsstrategien koumlnnen sowohl Ausschluss- als auch Eignungsgebiete auswei-sen und wird daher passenderweise auch bezeichnet als negative bzw positive Zonierung (Nabielek 2020) Der juridische Status dieser Zonen kann je nach Land und Region variieren Eine Gemeinsamkeit dieser Zonierungsstrategien ist die Annahme dass es sich bei positiven Zonen um konfliktarme Gebiete handelt D h dass diese Gebiete einen sozialen Konsensus darstellen wo Windkraftanlagen akzepta-bel sind und wo nicht Hier ist es durchaus uumlblich um Standortentscheidungen ohne aktive Miteinbe-ziehung derjenigen zu treffen deren Lebensumfeld direkt davon betroffen ist Cowell (2010) zum Bei-spiel untersuchte in Wales wie technische Verfahren Zonierungsentscheidungen in der Raumplanung dominieren Er stellte fest dass die Gebietsauswahl in der Regel von unabhaumlngigen Beratern getroffen wird oft ohne Konsultation mit lokalen Interessensgruppen Es wurde als zu problematisch empfun-den um Stakeholder in den Planungsprozess miteinzubeziehen (Cowell 2010 S 224)

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Abb 1 Die 11 Windkraftzonen des SvWOL 2014 in den Niederlanden Quelle PBL 2019

Auch in den Niederlanden entscheidet man sich fuumlr die Ausweisung von Eignungszonen und verfolgt damit einen landesweit einheitlichen und positiven Zonierungsansatz Das Land ist klein und dicht be-siedelt und Zonierung schafft Klarheit Im Jahr 2014 wird der SvWOL-Strukturplan fuumlr Onshore-Wind-kraftanlagen von der niederlaumlndischen Regierung verabschiedet Im SvWOL werden landesweit elf Ge-biete ausgewiesen die fuumlr die groszligmaszligstaumlbliche Windkraftentwicklung vorgesehen sind Der Richtwert fuumlr Groszliganlagen die in diesen Gebieten errichtet werden koumlnnen ist eine installierte Leistung von mindestens 100 Megawatt (IenM amp EZ 2014) Dies entspricht einem Windpark von rund 30 modernen Windturbinen Durch die zuumlgige und kompakte Aufstellung solcher groszligen Windparks in SvWOL Zonen sollte die Umsetzung von einem Groszligteil der nationalen Windkraftziele (insgesamt 6000 Megawatt fuumlr Onshore-Anlagen) gesichert werden Fuumlr die Auswahl der SvWOL-Gebiete wurde ein eigenes Landschafts-Narrativ entwickelt das argumen-tiert warum diese Gebiete fuumlr die Errichtung von groszligen Windkraftanlagen besonders gut geeignet sind zum Beispiel wegen des weitlaumlufigen und industriellen Charakters der Landschaft oder wegen ihren geschichtlichen Bezug zu Energiegewinnung bzw chancenreichen Zukunft als bdquoEnergieland-schaftldquo Diese Landschaftsnarrativ fuumlhrt geht davon aus dass durch die Buumlndelung von Windkraft in grossen Industriegebieten wie zum Beispiel der Hafen von Rotterdam und in einige wenige landwirt-schaftliche Gebiete wichtige kulturhistorische Landschaften und Naturgebiete erhalten werden Das durch ein Expertenteam sorgfaumlltig ausgearbeitete Landschaftskonzept soll fuumlr eine breite Unterstuumlt-zung von Buumlrgerinnen und Buumlrgern sorgen die durch den SvWOL von maszliggeblichen Veraumlnderungen in ihrem Lebensumfeld betroffen sind

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Abb 2 Unternehmerisch-institutionelle Akteure und Kooperationen im Rahmen des SvWOL 2014 Quelle Nabielek 2020

Die Gebietsabgrenzungen des SvWOL sind das Ergebnis eines komplexen zweijaumlhrigen Entscheidungs-prozesses zwischen nationalen und provinzialen Behoumlrden unter der Mitwirkung von diversen uumlberre-gionalen Interessensgemeinschaften hauptsaumlchlich in Bereich von Naturschutz Windkraftentwicklung und Landschaftsschutz Die obenstehende Grafik zeigt am Beispiel der Provinz Suumldholland einen Uumlber-blick welche Kooperationsstrukturen im Planungsprozess des SvWOL stattgefunden haben Auffallend ist dass Allianzen zwischen institutionell-unternehmerischen Akteuren in der SvWOL-Arena stark auf der nationalen Steuerungsebene vertreten sind (Ministerien Beratungsagenturen und diverse Lob-byorganisationen) waumlhrend es insgesamt wenig Abstimmungsmechanismen gab mit lokalen Parteien (Buumlrger Grundbesitzer Unternehmer lokale Politik und Behoumlrden) Eine zweite Auffaumllligkeit ist die enge Zusammenarbeit zwischen Raumplanungs- und Energieplanungsbehoumlrden Der SvWOL war das erste landesweite politische Instrument die diese zwei Perspektiven vereint bisher waren nationale Raumordnungspolitik und Energiepolitik naumlmlich grundsaumltzlich getrennt (Evers et al 2019) Die strate-gische Entscheidung lokale Parteien bei Zonierungsentscheidungen nur auf ein Mindestmaszlig reduziert

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zu beteiligen hat viele Gruumlnde zum Beispiel Zeitdruck die Orientierung auf technische Entscheidungs-kriterien und die Bewahrung von politischer Neutralitaumlt in einem konfliktreichen Thema (Nabielek 2020) Die gesetzlichen Rahmenbedingungen fuumlr die Entwicklung und Planung von Groszliganlagen sorgen dafuumlr dass lokale Parteien im Konfliktfall das Nachsehen haben Durch das RCR Landeskoordinations-gesetz fuumlr Groszligprojekte unterliegen Windkraftanlagen mit einem Umfang von mehr als 100 Megawatt installierter Leistung der Entscheidungskompetenz des zustaumlndigen Ministers fuumlr Energiepolitik (Dutch Electricity Act 1998) Im Jahr 2019 fuumlnf Jahre nach der Einfuumlhrung des SvWOL zeigt sich dass trotz Landschaftsstrategie Windrafteignungszonen und weitreichende Planungskompetenzen von nationalen und provinzialen Behoumlrden die erwartete Beschleunigung in der Windkraftentwicklung vorerst nicht eingetreten ist Aus institutioneller Sicht koumlnnen wir einige wichtige Nebeneffekte feststellen die die Wirksamkeit der nie-derlaumlndischen Planungspolitik fuumlr den Windkraftausbau wesentlich beeinflusst haben Erstens faumlllt auf dass trotz Zonierung die Genehmigung von Groszligprojekten in den jeweiligen Zonen ein langwieriger und schwieriger Prozess geblieben ist Die Wirkungsweise des strategisch eingesetz-ten bdquoLandscape Narrativeldquo wiederum variiert je nach Region und Gebiet Da landschaftliche Werte (als kulturelle Institutionen) bdquoin the eye of the beholderldquo bestimmt werden bedeutet dies einen gewissen Relativismus es ist dann auch notwendig den bdquobeholderldquo in die Planung einzubeziehen (Wolsink 2017) Durch die Gestaltung des Planungsprozesses und die gesetzlichen Rahmenbedingen hatten Gemein-den insgesamt wenig Spielraum um die Planung und Umsetzung von Groszliganlagen aktiv zu beeinflus-sen Lokale Behoumlrden sind aber wichtige Vertreter von Bewohnerinnen und Bewohnern in der Naumlhe der geplanten Anlagen In einigen SvWOL-Gebieten zum Beispiel in der Provinz Drenthe hatte die Top-down-Politik des SvWOL groszlige Konsequenzen fuumlr die lokale Wahrnehmung (bdquoWir die Lokalen gegen die Regierenden in Den Haagldquo) und fuumlhrte zu einer starken Polarisierung der lokalen Bevoumllkerung ndash trotz der Tatsache dass die dort aktiven Windkraftentwickler lokale Unternehmer waren Die RCR Regelung die erst ab einer Groszliganlage von minimal 100 Megawatt installierter Leistung zum Einsatz kommt hatte wiederum groszlige Konsequenzen fuumlr den Umgang von Windkraftentwicklern mit lokalen Behoumlrden So war es Windkraftentwicklern moumlglich um durch Zusammenfuumlgen von Projekt-anfragen in Anmerkung zu kommen fuumlr das (prioritaumlre) RCR-Verfahren Hierdurch konnten Einzelpro-jekte die auf lokaler Ebene ein hohes Konfliktpotenzial hatten durch strategisches Zusammenlegen auf houmlherer Ebene doch noch durchgesetzt werden (Evers et al 2019) Im Laufe der Zeit entwickelten etliche SvWOL-Gebiete ein Eigenleben sie wurden zu Institutionen (Na-bielek 2020) Auch dies hatte Nebeneffekte denn es handelt sich um unbeabsichtigte indirekte Me-chanismen der Institutionalisierung Im guumlnstigen Fall haben sich innerhalb der festgelegten Zonen neue langfristige Kooperationsstrukturen und Projektallianzen gebildet Ein gutes Vorbild ist die SvWOL-Zone bdquoEnergieinsel Goeree-Overflakkeeldquo in der Provinz Suumldholland die es geschafft hat aus der Windkraft einen deutlichen Mehrwert fuumlr die lokale Bevoumllkerung zu kreieren Andersseits entstand durch das Instrument der Zonierung auch die langfristige Erwartungshaltung dass jene Gebiete die nicht zoniert sind auch frei von Windkraftanlagen bleiben Suumldholland hatte mit dieser Erwartungs-haltung bereits zu kaumlmpfen In dieser Provinz entstand im Zuge der Implementation des SvWOL die Notwendigkeit um zusaumltzlicher Flaumlchen fuumlr die Windkraftnutzung zu sichern Die Suche nach weiteren bdquoakzeptierten Standortenldquo erwies sich als sehr schwierig Wenn Positivzonierung als ein Instrument der institutionellen Gestaltung etabliert und gefestigt ist ist es umso schwieriger den Status der Ge-biete auszligerhalb dieser Zonen zu veraumlndern Im dynamischen Kontext der Energiewende koumlnnte Zoni-erung den Uumlbergang zu neuen und chancenreicheren Planungspraktiken wesentlich behindern

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Schlussfolgerungen

Dieser Beitrag verknuumlpft das theoretische Konzept der institutionellen Gestaltung mit dem energie-raumplanerischen Instrument der Windkraftzonierung und versucht Antworten zu finden auf die Frage Inwiefern kann die Einfuumlhrung von Windkraftzonen gesehen werden als ein Akt der institutio-nellen Gestaltung und welche Implikationen hat dies fuumlr die Planungspraxis Um diese Frage zu beant-worten wurden einige wichtige Komponenten der institutionellen Gestaltung im planungstheoreti-schen Diskurs hervorgehoben institutionelles Unternehmertum Kooperationen und Allianzen und in-stitutionelle Veraumlnderungsstrategien Das Fallbeispiel des SvWOL (Strukturplan fuumlr groszligmaszligstaumlbliche Windkraftentwicklung) zeigt Zonie-rung ist institutionelle Gestaltung Die wesentlichen Bestandteile sind (1) die Entwicklung eines Land-schafts-Narrativs um einen gemeinsamen Referenzrahmen fuumlr Energie- und Landschaftsinteressen (kommunikative Veraumlnderungsstrategie) zu schaffen (2) strategische Allianzen und Kooperationen auf nationalem Niveau wodurch die Zusammenarbeit von Raum- und Energieplanung mittlerweile selbst-verstaumlndlich geworden ist und (3) die Entstehung einer neuen institutionellen Unternehmerschaft in-nerhalb der Windkraftzone Goeree-Overflakkee Manche Institutionen wurden allerdings auch unbe-wusst erschaffen z B die Interpretationen uumlber den genauen Status von Gebieten auszligerhalb der Windkraft-Eignungsgebiete Dieser Komponente und den daraus entstandenen Pfad-Abhaumlngigkeiten sollte mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden Zusammengefasst kann gesagt werden dass die institutionelle Perspektive neue Erkenntnisse und For-schungswege im energieraumplanerischen Kontext bietet Wenn es die Mission der Forschung ist die Planungspraxis zu unterstuumltzen dann ist eine kritische Reflexion auf die institutionelle Gestaltung von energieraumplanerischen Politiken dringend noumltig Energieraumplanung als ein junger und dynami-scher Aufgabenbereich der Raumplanung schafft guumlnstige Konditionen fuumlr aktiv gestaltete Institutio-nen Aber es muss auch das Bewusstsein geschaffen werden dass Planer die Handlungsoptionen ha-ben zum institutionellen Wandel beizutragen und gleichzeitig Faumlhigkeit besitzen zu hinterfragen wel-che Strategien dabei angewendet werden sollten

Danksagung David Evers und Joost Tennekes fuumlr die Zusammenarbeit im Rahmen der PBL Publikation bdquoWind-op-land lessen en ervaringen Een reflectie op de implementatie van windenergie vanuit een ruimtelijk perspectiefrdquo (2019)

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Elektromobilitaumlt Integration von Elektromobilitaumlt in die Verkehrspla-nung ndash welche Anpassungen unserer Werkzeuge brauchen wir

Martin Kagerbauer (1)

DOI 10347261027

(1) Dr-Ing Institut fuumlr Verkehrswesen (IfV) Karlsruher Institut fuumlr Technologie (KIT)

Abstract

Die Integration von Elektromobilitaumlt in die Verkehrsplanung und im Speziellen in Verkehrserhebungen und Verkehrsnachfragemodellierung kann mit einigen Anpassungen und der Verwendung von agen-tenbasierten Modellen gut durchgefuumlhrt werden Dabei sind die Charakteristika der NutzendenBesit-zenden von elektrisch betriebenen Fahrzeugen die Eigenschaften der Elektrofahrzeuge va hinsicht-lich Reichweite und die zusaumltzliche Beruumlcksichtigung der Ladevorgaumlnge bzw Ladeinfrastruktur zu be-ruumlcksichtigen Zur Abbildung der Ladevorgaumlnge sind Erhebungs- und Modellierungszeitraumlume notwen-dig die einen so langen Zeitraum umfassen so dass hinreichend viele Ladevorgaumlnge und somit eine Fahrleistung jenseits der Reichweiten vorhanden sind Nur so koumlnnen Variationen im Verkehrsverhal-ten und bei Ladestrategien beruumlcksichtigt werden

Schluumlsselbegriffe

Erhebung agentenbasierte Nachfragemodellierung integrierte Planung Kagerbauer M (2021) Elektromobilitaumlt Integration von Elektromobilitaumlt in die Verkehrsplanung ndash welche Anpassungen unse-rer Werkzeuge brauchen wir In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S83-98

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Inhalt Ausgangslage 85

Definition 86

Anforderungen der Elektromobilitaumlt an die Planungswerkzeuge 87

Anpassung der Planungswerkzeuge 91

Erhebung 91

Modellierung 92

Schlussfolgerung 96

Literatur 96

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Ausgangslage

Elektromobilitaumlt im Personenverkehr loumlst grundsaumltzlich nicht die Verkehrsprobleme in unseren Staumld-ten Selbst wenn Elektrofahrzeuge kleiner waumlren als konventionelle Fahrzeuge beispielsweise der Elektro-Smart oder sich das Fahrverhalten mit Elektro-Pkw hinsichtlich Beschleunigung und Brems-vorgaumlngen veraumlndert handelt es sich immer noch um einen Pkw der Platz benoumltigt und aumlhnlich wie ein konventioneller Privat-Pkw genutzt wird Durch den Elektroantrieb werden jedoch die Emissionen durch das Fahrzeug reduziert beispielsweise hinsichtlich CO2 NOx und im niedrigen Geschwindigkeits-bereich auch Laumlrm Elektro-Pkw sind somit lokal emissionsfrei Die grundsaumltzliche Umweltfreundlich-keit der Elektromobilitaumlt haumlngt jedoch maszliggeblich vom Strommix ab Im 1 Quartal des Jahres 2020 kamen 548 des Stroms in Deutschland aus erneuerbaren Energien (vgl Abb 1)

Abb 1 Nettostromerzeugung zur oumlffentlichen Stromversorgung in Deutschland im ersten Quartal 20201 Quelle Burger 2020

Uumlber die letzten Jahre ist in Deutschland der Anteil an regenerativem Strom wie Abb 2 zeigt massiv gestiegen so dass Elektromobilitaumlt zunehmend umweltfreundlicher wird

1 Die Grafik zeigt die Nettostromerzeugung aus Kraftwerken zur oumlffentlichen Stromversorgung Das ist der Strommix der

tatsaumlchlich aus der Steckdose kommt Die Erzeugung aus Kraftwerken von bdquoBetrieben im verarbeitenden Gewerbe sowie im Bergbau und in der Gewinnung von Steinen und Erdenldquo dh die industrielle Erzeugung fuumlr den Eigenverbrauch ist bei dieser Darstellung nicht beruumlcksichtigt

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Abb 2 Entwicklung der Nettostromerzeugung zur oumlffentlichen Stromversorgung in Deutschland im ersten Quartal von 2015 bis 20202 Quelle Burger 2020 Grundsaumltzlich ist Elektromobilitaumlt also eine umweltfreundlichere Art der Mobilitaumlt im Vergleich zu kon-ventionellen Fahrzeugen vor allem mit Blick auf den Betrieb der Fahrzeuge Wegen steigender Zulas-sungszahlen der Elektrofahrzeuge ist es sinnvoll diese neben den konventionellen Fahrzeugen in kuumlnf-tigen Planungsprozessen gesondert zu beruumlcksichtigen da deren Restriktionen hinsichtlich Reichwei-ten und Ladevorgaumlngen die Verkehrsnachfrage aber auch das Verkehrsangebot (Verfuumlgbarkeit und (Lade-)Infrastruktur) beeinflussen

Definition

Eine Million Elektrofahrzeuge (gemeint waren Pkw) sollten bis zum Jahr 2020 in Deutschland zugelas-sen sein Dieses Ziel wurde im Jahr 2009 von der Bundesregierung im Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilitaumlt (Die Bundesregierung 2009) festgelegt Das Ziel wurde nicht erreicht Im Jahr 2020 waren zum Stand 01012020 136617 Elektro-Pkw 102175 Plug-In-Hybrid-Pkw und 437208 weitere Hybrid-Pkw zugelassen Laut Definition in Deutschland umfasst Elektromobilitaumlt im Sinne der Bundes-regierung nicht nur reine Elektro-Pkw sondern bdquoall jene Fahrzeuge die von einem Elektromotor ange-trieben werden und ihre Energie uumlberwiegend aus dem Stromnetz beziehen also extern aufladbar sind Mit umfasst sind damit auch solche Fahrzeuge die zum Zwecke einer groumlszligeren Reichweite neben einem Elektro- auch uumlber einen Verbrennungsmotor verfuumlgen etwa Plug-In Hybridfahrzeuge (PHEV) und Elektrofahrzeuge mit sogenannten Range Extendern (REEV) Wichtig ist vor allem dass diese Fahr-zeuge extern uumlber das Stromnetz aufgeladen werden koumlnnenldquo (BMU 2017) Nach dieser Zaumlhlart sind zum 01012020 238792 Elektro-Pkw in Deutschland von insgesamt 477 Millionen Pkw also rund 05 zugelassen Diese Steigerungstendenzen an elektromobilen Pkw sind in den meisten Laumlndern der Welt festzustel-len Wie Abbildung 3 zeigt steigen die Bestandsentwicklungen der Elektroautos auch weltweit an Vor allem in China sind die Zuwaumlchse an Elektro-Pkw sehr hoch

2 Siehe Fuszlignote davor

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Abb 3 Bestandsentwicklung von Elektro-Pkw (weltweit und in ausgewaumlhlten Laumlndern in den Jahren 2012 bis 2019) Quelle Statista 2020b

Obwohl die Reichweite der Elektro-Fahrzeuge mit zunehmender technischer Entwicklung steigt ist sie immer noch eine wichtige Charakteristik fuumlr die Akzeptanz und die Nutzung der Elektromobilitaumlt Ak-tuell reicht die Spanne der Reichweite bei Elektrofahrzeugen (BEV) von ca 450 kmBatterieladung bei einem Tesla (Model X 100D) bis zu ca 110 kmBatterieladung bei einem Smart (Modell fortwo coupeacute EQ prime) (ADAC 2020) Maszliggeblich haumlngt die Reichweite von der Groumlszlige der Batterie in den Fahrzeu-gen ab Neben den hohen Anschaffungskosten sind die Restriktionen in der Reichweite und der Mangel an Ladeinfrastruktur (LIS) die Haupthemmnisse der Elektromobilitaumlt (Kagerbauer und Heilig 2013 Gnann et al 2017) So gilt es fuumlr Verkehrsplanungszwecke in der Erhebung und Prognose des Verkehrs in Verbindung mit Elektromobilitaumlt zum einen die technischen Leistungsfaumlhigkeiten der Fahrzeuge und zum anderen die Entscheidungen hinsichtlich der Ziel- und Verkehrsmittelwahl unter diesen Rahmen-bedingungen zu beruumlcksichtigten (FGSV 2018) Dann kann das Verkehrsverhalten der Menschen all-umfassend abgebildet und modelliert werden Daruumlber hinaus ist es sinnvoll die Verfuumlgbarkeit der Ladeinfrastruktur mit zu betrachten Eine Integration der Elektromobilitaumlt in die Verkehrsplanungspro-zesse ist heute und vor allem kuumlnftig notwendig um bedarfsgerechte Infrastruktur planen zu koumlnnen und Finanzmittel beim Aufbau der Ladeinfrastrukturnetze sinnvoll einzusetzen

Anforderungen der Elektromobilitaumlt an die Planungswerkzeuge Der Besitz von Elektrofahrzeugen im Privatgebrauch unterscheidet sich im Vergleich zum Besitz von konventionellen Fahrzeugen vor allem in industrialisierten Laumlndern dass die konventionellen Fahr-zeuge nahezu allen Bevoumllkerungsschichten gleichermaszligen zur Verfuumlgung stehen Gerade die soge-nannten bdquoinnovatorsldquo und bdquoearly adoptersldquo also Personen die nach der Diffusionsforschung sehr fruumlh neue Technologien annehmen sind Gruppen die sich von der Allgemeinheit unterscheiden Vor allem hinsichtlich der Soziodemografie eines houmlheren oumlkonomischen Status und deswegen auch hinsichtlich des Verkehrsverhaltens da mit zunehmendem zur Verfuumlgung stehenden Einkommen das Verkehrsauf-kommen steigt Abb 4 zeigt systematisch die Verteilung der Personengruppen

205380 422870845210

1398050

2156800

3410340

5607150

7886500

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2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019

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China USA Japan Deutschland

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Abb 4 Verbrauchergruppen bei der Einfuumlhrung von neuen Technologien (blau) und Marktanteil (gelb) Quelle Rogers 2010

Wie bei vielen neuen Technologien hat sich ebenfalls beim Besitz der Elektro-Pkw herausgestellt dass eher junge Maumlnner mit gutem oumlkonomischen Status Erstanwender der Elektromobilitaumlt waren (Ploumltz et al 2017 Ploumltz et al 2013) Da die Elektromobilitaumlt noch einen geringen Anteil an den Gesamt-Pkw hat (vgl Definition) sind die Charakteristika und das Mobilitaumltsverhalten dieser Besitzenden der Elektro-Fahrzeuge auch ein wesentlicher Aspekt der in der Verkehrsplanung beruumlcksichtigt werden sollte In den Hochlaufszenarien fuumlr Elektromobilitaumlt wurden die Entwicklung z B in Form von Anzahl an Elektro-Fahrzeugen nach Jahren und die Charakteristika der Besitzenden abgeschaumltzt und beruumlck-sichtigt Im Laufe der naumlchsten Jahrzehnte sofern sich die Elektromobilitaumlt zu einem Massenmarkt entwickelt werden Besitzende uumlber alle Bevoumllkerungsschichten hinweg verteilt sein so dass diese Un-terschiede in Soziodemografie und Struktur nicht mehr so ausgepraumlgt sein werden Allerdings kann das je nach gesetzlichen Rahmenbedingungen (Foumlrderung) Verfuumlgbarkeit von verschiedenen (kostenguumlns-tigeren) Modellen und Sensibilisierung der Bevoumllkerung fuumlr umweltfreundliche Pkw-Mobilitaumlt noch et-was dauern Da uumlbliche Planungshorizonte in 10 bis 15 Jahren liegen ist es sinnvoll diese Rahmenbe-dingungen zu beruumlcksichtigen Ein weiterer Grund die Nutzergruppe der Elektromobilitaumlt gesondert zu betrachten ist dass die Betriebskosten fuumlr Elektrofahrzeuge wegen der Strompreise guumlnstiger sind im Vergleich zu konventionellen Fahrzeugen Dadurch werden E-Fahrzeuge unter Umstaumlnden auch haumlufi-ger genutzt Die Fahrleistungen der Elektrofahrzeuge koumlnnen somit tendenziell houmlher sein Dies ist aber in Relation zu den Reichweiten zu betrachten

Folge fuumlr Verkehrsplanungswerkzeuge Integration von Elektro-Pkw-Besitz und die Charakteristika der Nutzenden (z B Soziodemographie oumlkonomischer Status)

In den aktuellen Zulassungszahlen der Elektro-Pkw in Deutschland sieht man auch dass ca 60 in das Fahrzeugsegment bdquoKleinldquo (=Mini Kleinwagen Kompaktklasse) und 25 in das Fahrzeugsegment bdquoGroszligldquo (Oberklasse SUV Sport Gelaumlndewagen) fallen (Statista 2020a) Diese unterschiedlichen Fahr-zeugsegmente haben unterschiedliche Charakteristika Kleinfahrzeuge werden eher als Zweit- oder Drittwagen genutzt mit kleiner Reichweite und haumlufiger Nutzung fuumlr kurze Strecken Die Groszligfahr-zeuge haben eine groszlige Reichweite (z B Tesla- oder Porsche-Fahrzeuge mit ca 400 km) und werden eher fuumlr alle auch weite Fahrten genutzt Diese unterschiedlichen Nutzungen und Charakteristika spie-len fuumlr die Verkehrsnachfrage eine wesentliche Rolle da je nach zur Verfuumlgung stehendem Fahrzeug unterschiedliche Nutzungsmoumlglichkeiten vorhanden sind Eine Diversifizierung der Fahrzeugkatego-rien in Bezug auf Elektromobilitaumlt ist daher sinnvoll Zudem gibt es mit neuen Fahrzeugansaumltzen wie PedelecsE-Bikes neue Moumlglichkeiten Wege zuruumlckzulegen die in verschiedenen Modi wirken Auch hier spielt die Elektromobilitaumlt eine Rolle die in den Planungen zu beruumlcksichtigen ist

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Folge fuumlr Verkehrsplanungswerkzeuge Integration von Eigenschaften der Elektro-Pkw (Fahrzeugart Groumlszlige des Akkus Reichweite)

Grundsaumltzlich unterscheiden sich die Elektrofahrzeuge von konventionellen Fahrzeugen hinsichtlich der Reichweite und der Dauer der Ladevorgaumlnge Waumlhrend auszliger bei speziellen Erhebungen zu Ver-brauch und Fahrleistung (Chlond et al 2009) die Tankvorgaumlnge in der Verkehrsplanung keine groszlige Rolle spielen haben die Ladevorgaumlnge bei der Elektromobilitaumlt ein groumlszligere Bedeutung da das Laden eine groumlszligere Zeitdauer einnimmt und besser geplant werden sollte als das Tanken das innerhalb we-niger Minuten durchgefuumlhrt wird Grundsaumltzlich gibt es zwei Ladearten

bull Normalladen (AC-Laden) Ausschlieszliglich uumlber Wechselstrom in Ladeleistungsbereichen zwischen 37 kW (einphasige) uumlber 11 bzw 22 kW bis zu max 43 kW (dreiphasig)

bull Schnellladen (DC-Laden) Ausschlieszliglich uumlber Gleichstrom mit einer Ladeleistung von bis zu 170 kW

Abhaumlngig von dem Ladestand (SOC state of charge) sowie von der Spezifikation des Akkus dauert eine Ladung eines 30-kW-Akkus mit 37 kW ca 8 Stunden (h) mit 11 kW ca 15 h und mit 170 kW ca 15 bis 30 Minuten Je nach Umfeldsituation (Temperatur Streckenprofil etc) kann damit eine Strecke von ca 150 km zuruumlckgelegt werden Diese unterschiedlichen Ladeeigenschaften haben auch Auswirkun-gen auf den Einsatz der Ladungen Waumlhrend Normalladen geeignet ist fuumlr Situationen in denen das Fahrzeug sowieso steht z B zu Hause nachts oder waumlhrend der Arbeit ist das Schnellladen fuumlr kurze Zwischenstopps z B bei einer Fernreise an Autobahnen geeignet Dazwischen sind alle Variationen denkbar Im Vergleich zum konventionellen Tanken dauert das Laden laumlnger und das Angebot an LIS ist zumindest zu heutiger Zeit noch nicht so dicht so dass die Information uumlber die Existenz und Ver-fuumlgbarkeit von LIS eine groszlige Rolle spielt Mit Hilfe von IKT (Informations- und Kommunikations-Tech-nologie) stehen die Charakteristiken und Verfuumlgbarkeiten von LIS beispielsweise durch Apps und an-deren digitalen Plattformen zur Verfuumlgung Beispiele hierfuumlr sind e-stationsde chargemapcom goin-gelectricde lemnetorg u v a

Folge fuumlr Verkehrsplanungswerkzeuge Integration von Ladeinfrastruktur mit deren Eigenschaften (Kenngroumlszligen Ladedauer Verortung)

Wegen der Reichweiterestriktionen der E-Fahrzeuge kann auch veraumlndertes Verkehrsverhalten der Nutzenden eine Folge sein Falls beispielsweise aufgrund eines aktuell niedrigen SOC eines E-Pkw ei-nige Ziele nicht mehr erreicht werden koumlnnen stehen den Nutzenden verschiedenen alternative Hand-lungsweisen zur Verfuumlgung Erstens kann der Weg auf einen anderen Zeitpunkt oder Tag verschoben werden wenn die Reichweite ausreicht Zweitens kann ein anderes Ziel zur Durchfuumlhrung der Aktivitaumlt gewaumlhlt werden bei dem die Reichweite noch ausreicht oder drittens kann ein anderes Verkehrsmittel fuumlr den Weg gewaumlhlt werden Die beiden letztgenannten Faumllle koumlnnen auch eintreten sofern die Reich-weite auch bei voller Ladung nicht ausreicht Im Verkehrsnachfragemodellierungsprozess bedeutet dies einen Eingriff in die Module VerkehrsentstehungAktivitaumltenwahl Zielwahl undoder Verkehrs-mittelwahl Die Restriktionen der Elektromobilitaumlt und das veraumlnderte Verhalten koumlnnen somit Aus-wirkungen auf die Wahlentscheidungen haben

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Folge fuumlr Verkehrsplanungswerkzeuge Aktivitaumlten- Ziel- und Verkehrsmittelwahl-modelle sind hinsichtlich des Verkehrsverhaltens mit Elektromobilitaumlt anzupassen

Im Alltagsverkehr treten Ereignisse von weiten Fahrten nur selten auf Pkw werden gewoumlhnlich in Deutschland im Mittel an wenigen Tagen uumlber 100 km benutzt (im Jahr 2012 waren es 13 Tage (Streit et al 2014)) Sofern nur ein zufaumllliger Tag im Jahr beruumlcksichtigt wird fahren rund 90 der Fahrzeuge in Deutschland unter 100 km Sofern das ganze Jahr betrachtet wird fahren nur rund 10 der Fahr-zeuge in Deutschland immer unter 100 km Bei der Betrachtung einer Woche sind es 75 bei 8 Wo-chen 30 Das hat zur Folge dass bei Fernfahrten in der Regel ein laumlngerer Betrachtungszeitraum fuumlr Aussagen zu Reich- bzw Fahrtweiten notwendig ist (vgl Abb 5)

Abb 5 Verteilung der maximalen Fahrleistung pro Pkw und Tag fuumlr verschiedene Betrachtungszeitraumlume Quelle Streit et al 2014

Diese Aussage gilt aber nicht nur fuumlr Fernfahrten sondern auch fuumlr Fahrten im Alltagsverkehr da die E-Pkw in der Regel nicht jeden Tag geladen werden und deshalb die Fahrtweiten uumlber mehrere Tage addiert werden muumlssen um die Ladevorgaumlnge Lademengen und Restreichweiten realistisch abzubil-den

Folge fuumlr Verkehrsplanungswerkzeuge Fuumlr die Elektromobilitaumlt sind laumlngere Unter-suchungszeitraumlume notwendig

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Anpassung der Planungswerkzeuge

Eine Umsetzung dieser dargestellten Folgen der Elektromobilitaumlt fuumlr die Verkehrsnachfrageplanung beinhaltet die Anpassungen von Erhebungen und Modellen

Erhebung

Um geeignete Daten als Grundlage fuumlr die Modellierung zu erhalten sind die Erhebungen dahingehend anzupassen dass zuruumlckgelegte Entfernungen mit elektrisch betriebenen Fahrzeugen uumlber einen laumln-geren Zeitraum erhoben werden koumlnnen Laumlngere Zeitraumlume sind hier mindestens eine Woche wegen der Laderhythmen besser noch vier bis acht Wochen3 Optimal ist Wege mit elektrisch betriebenen Pkw zu erheben um so die Ladevorgaumlnge zu ermitteln Wegen der relativ geringen Menge an Elektro-fahrzeugen heutzutage kann die Stichprobengewinnung schwierig sein Hier koumlnnen auch Analogie-schluumlsse mit konventionellen Fahrzeugen helfen indem Fahrtweiten mit den Reichweiten in Beziehung gesetzt werden um Ladevorgaumlnge zu berechnen Voraussetzung dafuumlr ist dass die Fahrtweiten mit konventionellen Fahrzeugen analog den elektrischen Fahrzeugen angenommen werden (Chlond et al) Das Verkehrsaufkommen als Anzahl der durchgefuumlhrten Fahrten zu bestimmten Zwecken mit und ohne Elektromobilitaumlt wird in diesem Fall als gleich vorausgesetzt Hilfreich fuumlr die Modellierung ist zudem wenn zu der Aufzeichnung der Fahrtweiten mit den Fahrzeugen auch Informationen zu den Fahrenden (z B welche Person eines Haushalts faumlhrt) bekannt sind da beispielsweise eine agenten-basierte Modellierung von den Einzelpersonen (Agenten) ausgeht Die Aufzeichnungen der gefahrenen Wegestrecken mit den Fahrzeugen koumlnnen uumlber Fragebogen oder Listen geschehen oder technisch uumlber ein Tracking der Fahrzeuge beispielsweise uumlber GPSApps etc Oft sind hier zusaumltzliche Angaben z B uumlber Wegezwecke Besetzungsgrad etc sinnvoll Vor allem am Anfang stehende Neuerungen auch bei neuen Mobilitaumltsformen haben die Eigenschaft dass Menschen mit spezifischen Charakteristika diese nutzen Dabei ist es fuumlr die Modellierung des Besitzes von Elektrofahrzeugen wichtig diese Charakteristika der Nutzenden zu kennen um den Zu-sammenhang zwischen Mobilitaumltsverhalten und Nutzung von neuen Mobilitaumltsformen gut abbilden zu koumlnnen (Chlond et al 2012) Beispiele fuumlr die Charakteristika sind soziodemografische Eigenschaften (Alter Erwerbsstatus Einkommen) oder auch raumlumliche (Wohnen im Ballungsraum oder im laumlndlichen Bereich) oder mobilitaumltsbezogene Verhaltensweisen (regelmaumlszligiges Pendeln) Diese Charakteristika der Elektromobilitaumltsnutzenden koumlnnen uumlber Befragungen der Fahrzeugnutzenden erhalten werden Dies haumlngt jedoch davon ab wie weit verbreitet die Technik ist und ob ein guter Zugang zu den Elektromo-bilitaumltsnutzenden moumlglich ist Bei der Elektromobilitaumlt befindet man sich derzeit an Grenze hinsichtlich der Besitzquoten (vgl Abb 3) um Menschen mittels Revealed-Preference-Befragungen (RP-Befragun-gen)4 nach dem realisierten Verhalten zu befragen Zu Beginn der technischen Entwicklung oder auch noch im Markthochlauf koumlnnen derartige Daten zudem uumlber Befragungen der beabsichtigten Nutzung oder des Kaufs von Elektromobilitaumlt erhalten werden Dies ist vor allem auch dann sinnvoll wenn In-formationen zum kuumlnftigen Besitz von Elektromobilitaumlt fuumlr Prognosen notwendig sind (Ploumltz et al 2017) Bei konventionellen Fahrzeugen sind diese Informationen meist uumlber Statistiken oder bereits bestehende Erhebungen verfuumlgbar Bei der Elektromobilitaumlt sind dieses Daten nur sehr spaumlrlich vor-handen Im Vergleich zur bisherigen Fahrzeugnutzung mit konventionellen Pkw sind bei der Elektromobilitaumlt die Ladevorgaumlnge und die Rahmenbedingungen des Ladens ein neuer Aspekt Hier handelt es sich um

3 Das MOP (Deutsches Mobilitaumltspanel) fuumlhrt z B die Erhebung zu Fahrleistungen und Tankvorgaumlngen uumlber acht Wochen

durch 4 Revealed-Preference-Befragungen (RP-Befragungen) erheben ein bereits durchgefuumlhrtes Verhalten Es werden z B retro-

spektiv durchgefuumlhrte Wege berichtet

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den Zeitpunkt der Ladung (z B wenn der Akku leer ist wenn sich eine Lademoumlglichkeit bietet waumlhrend der Durchfuumlhrung einer bestimmten Aktivitaumlt oder nur nachts) Die Erhebung dieser Situationen oder der Praumlferenzen zur Ladung der Fahrzeuge kann zum einen durch die Erhebung der Ladevorgaumlnge von Elektrofahrzeugen selbst erfolgen Dies erfordert aber das Vorhandensein von genuumlgend Fallbeispielen in der Praxis analog zum E-Fahrzeug-Besitz Zum anderen koumlnnen diese Informationen mit Stated-Preference-Befragungen (SP-Befragungen)5 erhoben werden In diesen Befragungen werden potenzi-elle Situationen durchgespielt in welchen die Testpersonen entscheiden wann und wie lange sie la-den Fragestellungen waumlren ab welchem SOC Fahrzeuge geladen werden oder bei welchen Situatio-nen (zu Hause am Arbeitsplatz oder beim Einkaufen) Diese Daten ermoumlglichen es in Verbindung mit Eigenschaften der Elektrofahrzeuge und der Nutzenden Ladestrategien abzuleiten und in Modelle zu integrieren (Hilgert et al 2016) Elektromobilitaumlt hat durch Reichweitenrestriktion und Verfuumlgbarkeit der Fahrzeuge fuumlr bestimmte Wege Auswirkungen auf die Ziel- und Verkehrsmittelwahl Grundsaumltzlich koumlnnen die Wahlmodelle so aufgebaut sein dass sie Ziel- und Verkehrsmittel unabhaumlngig voneinander und sukzessiv modellieren Die notwendige Datengrundlage dazu stammt meist aus RP-Befragungen wie beispielsweise Reisezei-ten und die zugespielten Reisezeiten der nicht gewaumlhlten Alternativen Die Alternativen koumlnnen auch aus SP-Befragungen stammen Bei der Elektromobilitaumlt haumlngt die Wahl der Ziele und Verkehrsmittel jedoch enger zusammen als bei konventionellen Verkehrsmitteln da die Reichweiten und SOC der Fahrzeuge sowohl die moumlglichen Weglaumlngen als auch das Infragekommen des Verkehrsmittels E-Fahr-zeug beeinflussen Zum Beispiel koumlnnte eine Person einen Weg zum Einkaufen in einem 40 km ent-fernten Moumlbelhaus mit einer Restreichweite eines E-Fahrzeuges von 30 km nicht mehr mit diesem Fahrzeug zuruumlcklegen Alternativ koumlnnte die Person ein anderes Verkehrsmittel waumlhlen oder zu einem naumlher gelegenen Moumlbelhaus fahren Um diese Zusammenhaumlnge zwischen Reichweite Ladezustand sowie Ziel- und Verkehrsmittelwahl zu erheben bietet sich ein Choice-Experiment in einer SP-Befra-gung an Dabei werden den Testpersonen verschiedene Auswahlmoumlglichkeiten vorgeschlagen aus de-nen sie sich fuumlr eine Alternative entscheiden Durch die vorgeschlagenen Alternativen stehen auch die nicht gewaumlhlten Alternativen zur Verfuumlgung Diese Daten koumlnnen dann zu einer Modellschaumltzung fuumlr die kombinierte Ziel- und Verkehrsmittelwahl verwendet werden (Kagerbauer und Heilig 2013 Heilig et al 2017b)

Modellierung

Die beschriebenen Datengrundlagen aus den an Elektromobilitaumltsanforderungen angepassten Erhe-bungen erlauben es statistische Modelle zu schaumltzen die in die Verkehrsnachfragemodellierung inte-griert werden koumlnnen Die Abbildung von Ladevorgaumlngen und den Ladezustand der E-Fahrzeuge setzt voraus dass die Fahrzeuge einzeln betrachtet und deren Eigenschaften individuell veraumlndert werden koumlnnen Hier bietet sich die Umsetzung der Nachfragemodellierung in einer agentenbasierten Simula-tion an die in diesen Ausfuumlhrungen am Beispiel der am KIT-IfV entwickelten Software mobiTopp dar-gestellt wird In agentenbasierten Modellen werden Personen als Agenten die diese repraumlsentieren abgebildet Die Agenten haben Eigenschaften (zB Alter Geschlecht Erwerbsstatus) und weitere Charakteristika (z B Zeitkarte fuumlr OumlV oder Pkw-Besitz) Zur Abbildung der Elektromobilitaumlt und der Integration von Reich-weiten und Fahrzeugeigenschaften werden die Fahrzeuge ebenfalls als Agenten (Fahrzeug-Agenten) modelliert Die Fahrzeug-Agenten sind Personen bzw Haushalten zugeordnet und haben ebenfalls Ei-genschaften (Antriebsart oder Reichweite) Diese Eigenschaften werden in der Simulation der Wege hinsichtlich der Verfuumlgbarkeit fuumlr bestimmte Einsatzbereiche beruumlcksichtigt und fortgeschrieben Das

5 Stated-Preference-Befragungen (SP-Befragungen) sind Befragungen in hypothetischen Maumlrkten bzw Situationen

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bedeutet wenn mit einem Elektro-Fahrzeug eine bestimmte Strecke zuruumlckgelegt wird reduziert sich dementsprechend die Reichweite Das Verkehrsnachfrageverhalten der Personen-Agenten liegt den Bewegungen der Fahrzeug-Agenten zu Grunde Die Zuordnung der E-Fahrzeuge zu Haushalten erfolgt in mobiTopp mit Hilfe eines Logit-Modells basierend auf Erhebungs- bzw Statistikdaten zum Besitz oder kuumlnftigen Besitzquoten der Fahrzeuge bzw- E-Fahrzeuge Somit koumlnnen auch in Prognosen Wir-kungen kuumlnftiger Durchdringungsquoten mit Elektromobilitaumlt berechnet werden Abb 6 zeigt beispiel-haft das Ergebnis einer Modellierung des E-Fahrzeugbesitzes in der Region Stuttgart fuumlr das Jahr 2030 Zudem unterscheidet mobiTopp verschiedene Fahrzeugtypen derzeit werden meist drei Klassen (klein mittel und groszlig) verwendet die in den Fahrzeugeigenschaften z B hinsichtlich Batteriekapazi-taumlt und Reichweite variieren koumlnnen

Abb 6 Verteilung der E-Fahrzeuge in der Region Stuttgart 2030 Quelle Projekt eVerkehrsraum Stuttgart

Um bei den Fahrzeug-Agenten mit Elektroantrieb die gesamten Ladevorgaumlnge zu modellieren werden neben der Entladung durch Fahrleistung auch die Ladevorgaumlnge der Fahrzeuge integriert Zu diesem Zweck wird die Ladeinfrastruktur (LIS) in Form von Ladeorten mit Ladepunkten abgebildet (Gnann et al 2017) Die Ladepunkte sind die eigentlichen Lademoumlglichkeiten Es koumlnnen mehrere Ladepunkte an einem Ladeort sein Die Ladepunkte haben ebenfalls Eigenschaften wie beispielsweise die Ladeleis-tung Somit ist es moumlglich sowohl Normal-LIS als auch Schnellladeinfrastrukturen (vgl Definition) zu beruumlcksichtigen (Soylu et al 2018a) Die Ladepunkte werden entweder nach aktuellen Gegebenheiten oder kuumlnftigen Ausbauszenarien im Raum angeordnet und in das Modell integriert Sofern sich ein E-Fahrzeug-Agent in der Simulation in der Naumlhe eines Ladeortes befindet dieser nicht durch andere E-Fahrzeug-Agenten belegt ist und die Ladestrategie des E-Fahrzeugs einen Ladevorgang ermoumlglichtbe-noumltigt kann das E-Fahrzeug geladen werden Dabei wird die Ladeleistung der LIS der aktuelle SOC des Fahrzeugs und die Akkukapazitaumlt sowie die Standzeit der E-Fahrzeuge beruumlcksichtigt Durch die minu-tenfeinen Simulationsschritte in mobiTopp koumlnnen alle Ladevorgaumlnge und Ladestaumlnde der Fahrzeuge aber auch der Energiebedarf der LIS ermittelt werden

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Da die meisten taumlglichen Fahrtweiten mit konventionellen Fahrzeugen aber auch mit E-Fahrzeugen unter der Reichweite der E-Fahrzeuge liegen (vgl Abb 5) ist es analog zur Erhebung sinnvoll bzw notwendig in der Modellierung einen laumlngeren Zeitraum zu betrachten um Ladevorgaumlnge und Lade-bedarf auf mikroskopischer Basis abzubilden Nur so ist es moumlglich reale Fahrtweiten und Fahrleistun-gen mit der LIS in Bezug zu setzen da oft wegen geringer Fahrleistung uumlber mehrere Tage nicht gela-den werden muss und Ladestrategien erst uumlber einen laumlngeren Zeitraum abgebildet werden koumlnnen Da mit zunehmendem Simulationszeitraum auch die Anforderungen an Hardware Speicherplatz und Berechnungsdauer steigen ist hier ein sinnvoller Zeitraum zu waumlhlen der lang genug ist um Ladevor-gaumlnge zu erfassen und kurz genug ist um nicht zu hohe Anforderungen an die Simulationsrahmenbe-dingungen zu erzeugen Es hat sich gezeigt dass der Simulationszeitraum von einer Woche ausreicht um beiden Forderungen gerecht zu werden Fast alle E-Fahrzeuge in einer Simulation innerhalb einer Woche laden mindestens einmal und die Rechenzeiten und Speicherbedarfe sind akzeptabel Abb 7 zeigt als Beispiel den aktuellen Ladebedarf auf Grund von Ladevorgaumlngen der E-Fahrzeuge zu einem bestimmten Zeitpunkt (Montag um 828 Uhr) in der Region Stuttgart auf Verkehrszellenbasis Je groumlszliger die blauen Kreise desto houmlher ist der Energiebedarf in der Zelle

Abb 7 Lademenge je Ladeort in der Region Stuttgart Quelle Projekt eVerkehrsraum Stuttgart (Kagerbauer und Heilig 2013)

Grundlage zur Abbildung der Ladevorgaumlnge sind die modellierten Wege der Personen-Agenten E-Fahr-zeuge dienen wie andere Verkehrsmittel dazu Personen-Agenten von einer Quelle zu einem Zielort fuumlr eine Aktivitaumlt fortzubewegen (Wegezweck) Auf Basis von Aktivitaumltsbeduumlrfnissen der Personen-Agenten und der Attraktivitaumlt zur Befriedigung dieser Beduumlrfnisse am Zielort werden die Relation des Weges (von wo nach wo) und die verwendeten Verkehrsmittel bestimmt Insbesondere wenn die Reichweitenrestriktionen am Beginn der technischen Entwicklung noch groszlig sind ist in der Elektromo-bilitaumlt die Beruumlcksichtigung der Reichweiten von E-Fahrzeugen notwendig Daher ist es sinnvoll eine

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Ziel- und Verkehrsmittelwahl kombiniert durchzufuumlhren da Reichweitenrestriktionen bei einem Ver-kehrsmittel die Ziele beeinflussen koumlnnen oder Ziele die Wahl von Verkehrsmitteln (beispielsweise wird im Choice-Set der Verkehrsmittel kein E-Fahrzeug mehr ausgewaumlhlt wenn mit der aktuellen Rest-reichweite das Ziel nicht mehr erreicht werden kann) Abb 8 zeigt den Ablauf einer Schaumltzung eines kombinierten Ziel- und Verkehrsmittelwahlmodells auf Basis einer SP- und RP-Befragung (Ortuacutezar und Willumsen 2011) die im Projekt eVerkehrsraum Stuttgart durchgefuumlhrt wurde (Kagerbauer und Heilig 2013) Mit einem Nested-Logit-Modell wird eine kombinierte Ziel- und Verkehrsmittelwahl je Zielzelle und Verkehrsmittel erstellt Zuerst werden in Ebene 1 die Parameter der Nutzenfunktion der Verkehrs-mittel geschaumltzt Zur kombinierten Schaumltzung dient ein Nested-Logit-Modell in der Ebene Z Dabei sind die Verkehrsmittel jeweils ein eigenes Nest Datengrundlage kann dabei die RP- oder SP-Befragung sein Danach werden die Parameter fuumlr die Zielwahl geschaumltzt indem im Nested-Logit-Modell die Log-Summe der Nutzen aus Ebene 1 bei der Schaumltzung der Parameter der Ebene 2 beruumlcksichtigt wird In der Nutzenfunktion der Zielwahl sind die Anzahl der Gelegenheiten die Anzahl der Ladestationen die Zeit und die Entfernung der jeweiligen Zielzelle enthalten um diese in die Modelle integrieren und abbilden zu koumlnnen Im Modell (unterer Teil der Grafik) wird dann die so ermittelte Nutzenfunktion mit den geschaumltzten Parametern angewendet Somit koumlnnen bei nicht ausreichenden Restreichweiten nur relevante Entscheidungsmoumlglichkeiten beruumlcksichtigt werden so dass nur erreichbare Ziele und nutzbare Verkehrsmittel in den Wahlentscheidungen enthalten sind Es ist moumlglich bei Restreichwei-tenrestriktionen die Wahl von naumlheren Zielen oder anderen Verkehrsmitteln in einem Modellschritt zu beruumlcksichtigen

Abb 8 Beispiel fuumlr ein kombiniertes Ziel- und Verkehrsmittelwahlmodell Quelle Projekt eVerkehrsraum Stuttgart (Kager-bauer und Heilig 2013)

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Mit diesem Vorgehen koumlnnen sowohl moumlgliche Veraumlnderungen durch Elektromobilitaumlt im Verkehrs-verhalten abgebildet (Heilig et al 2017a) als auch die vorhandene oder benoumltigte Ladeinfrastruktur bewertet werden (Heilig et al 2018)

Schlussfolgerung Die Integration von Elektromobilitaumlt in die Verkehrsplanung und im Speziellen in Verkehrserhebungen und Verkehrsnachfragemodellierung kann mit einigen Anpassungen und der Verwendung von Model-len die auf Agentenebene fuumlr Personen und Fahrzeuge arbeiten gut durchgefuumlhrt werden Besonde-res Augenmerk ist auf die Abbildung der Charakteristika der Nutzenden oder Besitzenden von elektrisch betriebenen Fahrzeugen die Eigenschaften der Elektrofahrzeuge vor allem hinsichtlich Reichweite und die zusaumltzliche Beruumlcksichtigung der Ladevorgaumlnge bzw Ladeinfrastruktur zu legen Die Wechselwirkungen zwischen Ziel- und Verkehrsmittelwahl sowie Reichweiten der Fahrzeuge koumln-nen in der Verkehrsnachfragemodellierung mit kombinierten Ziel- und Verkehrsmittelwahlmodellen abgebildet werden Zur sinnvollen Abbildung der Ladevorgaumlnge sollten laumlngere Erhebungs- und Mo-dellierungszeitraumlume angesetzt werden um Variationen im Verkehrsverhalten und Ladestrategien er-fassen zu koumlnnen Diese sollten mindestens eine Woche betragen ndash besser noch laumlnger Im Vergleich zu Tankvorgaumlngen mit konventionellen Fahrzeugen die aufgrund der kurzen Dauer oft nicht oder nur mit einer kurzen Einkaufsaktivitaumlt zum Zwecke des Tankens abgebildet werden setzt das Laden voraus dass die Ladevorgaumlnge waumlhrend einer Aktivitaumlt der Personen durchgefuumlhrt werden und sonst keinen weiteren Einschraumlnkungen unterliegt so dass diese Ladevorgaumlnge nicht explizit in den Aktivitaumltenplaumlnen der Agenten hinterlegt werden muumlssen Allerdings ist es notwendig die Verfuumlg-barkeiten der Ladeinfrastrukturen mit zu betrachten Zu uumlberlegen waumlre ob bei Schnellladevorgaumlngen die je nach Ladebedarf in der Groumlszligenordnung von 5 bis ca 20 Minuten liegen eine zusaumltzliche Aktivitaumlt bdquoLadenldquo in die Aktivitaumltenplaumlne der Personen-Agenten zu integrieren ist Theoretisch ist das moumlglich allerdings ist dies vor dem Hintergrund des Aufwands der Integration und des Nutzens zu entscheiden Da diese Schnellladevorgaumlnge meist fuumlr Langstreckenfahrten noumltig waumlren kann angenommen werden dass der Ladeprozess einer kurzen Pause innerhalb einer Langstrecke entspricht und die Wirkungen auf das Verkehrsverhalten vernachlaumlssigbar sind Fuumlr eine detaillierte und (minuten-)genaue Abbildung des Energiebedarfs aufgrund von Elektromobili-taumlt ist es in der Regel notwendig genaue Modelle zu haben um Prognosen erstellen zu koumlnnen Zur Bewertung und Abschaumltzung der LIS auf einer abstrakteren Ebene ist es auch moumlglich nicht detailliert die Verkehrsnachfrage zu modellieren sondern Abschaumltzungen anhand von Mittelwerten und Vertei-lung der Fahrzeugnutzung und Quelle-Ziel-Relationen sowie der Struktur des Planungsraums durchzu-fuumlhren Moumlgliche Ansaumltze sind der Literatur zu entnehmen (Soylu et al 2018a Ploumltz et al 2016 Soylu et al 2018b)

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Ansaumltze fuumlr die Mobilitaumlts- und Energiewende im staumldtischen Guumlterver-kehr

Bert Leerkamp (1)

DOI 10347261028

(1) Prof Dr-Ing Leiter des Lehr- und Forschungsgebietes Guumlterverkehrsplanung und Transportlogistik Bergische Universitaumlt Wuppertal Fakultaumlt fuumlr Architektur und Bauingenieurwesen

Abstract

Derzeit verfolgte Buumlndelungsstrategien im staumldtischen Wirtschaftsverkehr schoumlpfen das Potenzial ei-ner gebietsbezogenen Fahrleistungseinsparung und der damit verbundenen Reduktion negativer Um-weltwirkungen nicht aus Die aktive Mitwirkung des Handels und der privaten Endverbraucher kann eine weitgehende gebietsbezogene Buumlndelung von KEP- und Stuumlckgutsendungen bewirken Das ko-operative Logistikkonzept ABC Incharge in Duumlsseldorf zeigt beispielhaft dass ein solcher Ansatz unter den derzeitigen Rahmenbedingungen wirtschaftlich tragfaumlhig sein kann Den Kommunen stehen dem-gegenuumlber nur wenige Instrumente zur Verfuumlgung um Buumlndelungskonzepte zu initiieren Von starken Markteingriffen durch die Vergabe von Gebietskonzessionen in Anlehnung an die Abfallwirtschaft wird dennoch abgeraten Die Beschleunigung der Energiewende im staumldtischen Guumlterverkehr wird damit umso dringlicher Die Kommunen sollten Niedrig- und Nullemissionszonen planen und mit angemes-sener Vorlaufzeit umsetzen um die Flottenerneuerung im Nutzfahrzeugsektor zu forcieren Ein ausrei-chendes Logistikflaumlchenangebot in den Kernstaumldten ist ein Beitrag um gebietsbezogene Buumlndelung wirtschaftlich zu ermoumlglichen und steigenden Reichweitenanforderungen der Lieferfahrzeuge zu be-gegnen Komplementaumlr dazu muss das kommunale Mittelspannungsstromnetz schnell ausgebaut werden Current Sustainable Urban Logistic Plans (SULP) focus on reorganising last mile delivery by using micro depots and cargo bikes Consolidation ist a key for successful concepts both in economic and ecologic terms Local planning authorities often focus on area-based consolidation for the inner city and densely populated urban areas while logistic service providers (LSP) focus on optimising delivery in their indi-vidual catchment area While only few governmental instruments are available to force area-based consolidation strategies cooperation between LSP and local commerce is an option to generate sub-stantial effects on reduction of distance driven emissions and retention time of light and heavy trucks in the inner city An ongoing project in Duumlsseldorf shows how the segments general cargo and parcel (CEP) can be consolidated Zero Emission Zones and comparable measures can support cooperation between the economic agents

Schluumlsselbegriffe

Letzte Meile gebietsbezogene Buumlndelung Stadtlogistik KEP Stuumlckgut Leerkamp B (2021) Ansaumltze fuumlr die Mobilitaumlts- und Energiewende im staumldtischen Guumlterverkehr In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S99-109

Leerkamp (2021) Ansaumltze fuumlr die Mobilitaumlts- und Energiewende im staumldtischen Guumlterverkehr DOI 10347261028

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Inhalt Ausgangslage 101

Herausforderungen fuumlr eine gebietsbezogene Buumlndelung 101

Ansaumltze einer gebietsbezogenen Buumlndelung im Bereich der Einzelhandels- und Endkundenversorgung 103

Beispiele fuumlr sektorale gebietsbezogene Buumlndelung (KEP-Logistik) 103

Beispiel fuumlr sektorale kooperative gebietsbezogene Buumlndelung (Stuumlckgutlogistik) 103

Beispiel fuumlr kooperative gebietsbezogene Buumlndelung (Integration von KEP- und Stuumlckgut) 104

Gebietsspediteur Ansatz fuumlr eine regulatorische Gestaltung 105

Initiierung gebietsbezogener Buumlndelungskonzepte durch die Kommunen 105

Steuerung der Energiewende im staumldtischen Lieferverkehr 107

Sicherung von Logistikflaumlchen in der Stadt als Voraussetzung fuumlr Buumlndelung 108

Literatur 109

Leerkamp (2021) Ansaumltze fuumlr die Mobilitaumlts- und Energiewende im staumldtischen Guumlterverkehr DOI 10347261028

101

Ausgangslage

Der Guumlterverkehr in der Stadt findet nach zahlreichen gescheiterten Versuchen einer zielorientierten Beeinflussung durch die Raum- und Verkehrsplanung in den 1990er bis 2000er Jahren wieder starke Beachtung Zahlreiche aktuelle Forschungs- und Demonstrationsvorhaben in den D-A-CH-Laumlndern1 be-fassen sich insbesondere mit dem Straszligenguumlterverkehr auf der bdquoletzten Meileldquo Die stark zunehmen-den Kurier- Express- und Paketdienste (KEP) stehen dabei oft im Fokus Die Zunahme des Online-Han-dels waumlhrend der andauernden Corona-Pandemie hat sowohl das Paketaufkommen als auch die oumlf-fentliche Wahrnehmung und den damit verbundenen Lieferverkehr nochmals erhoumlht (vgl BIEK 2020 Handelsverband Oumlsterreich 2020 LeimstollWoumllfe 2020) Herausforderungen einer zielorientierten Gestaltung des staumldtischen Guumlterverkehrs sind aus kommu-naler Sicht Laumlrm- und Luftschadstoffemissionen Verkehrssicherheitsdefizite und Nutzungskonflikte im oumlffentlichen Straszligenraum Aus unternehmerischer Sicht stehen die Kosten und die Servicequalitaumlt der Logistikdienstleistungen im Vordergrund Der vorliegende Beitrag greift die gebietsbezogene Buumlnde-lung als zentralen Optimierungsansatz auf und diskutiert moumlgliche Loumlsungen Anschlieszligend wird kurz auf die Foumlrderung der Energiewende im staumldtischen Guumlterverkehr eingegangen

Herausforderungen fuumlr eine gebietsbezogene Buumlndelung

Kommunale Verkehrsentwicklungsplaumlne Wirtschaftsverkehrskonzepte Green City Plans Luftreinhal-teplaumlne und aumlhnliche Planwerke2 zielen darauf ab die Emissionen des Ver- und Entsorgungsverkehrs in der Stadt zu reduzieren bestehende Konflikte zwischen den Anspruumlchen an die Nutzung des oumlffent-lichen Raumes zu loumlsen und technische Innovationen fuumlr eine Verbesserung der Stadtvertraumlglichkeit Sicherheit und Effizienz der logistischen Prozesse zu nutzen Die Handlungskonzepte konzentrieren sich teilweise auf die Umstellung auf lokal emissionsfreie Antriebe im staumldtischen Lieferverkehr (Bei-trag zur sogenannten bdquoEnergiewende im Verkehrldquo3) Teilweise soll daruumlber hinausgehend eine bdquoMobi-litaumltswendeldquo erreicht werden welche durch die Einsparung von Fahrleistungen und Praumlsenzzeiten des motorisierten Lieferverkehrs in der (inneren) Stadt gekennzeichnet ist4 Dann stehen gebietsbezogene Buumlndelungsstrategien im Zentrum der Handlungsansaumltze Sie erfordern die Veraumlnderung logistischer Prozesse und damit ein aktives Mitwirken der Wirtschaftsakteure Die Herausforderung besteht darin mit den Instrumenten die im originaumlren Zustaumlndigkeitsbereich der Kommunen liegen das bdquoSystem Stadtlogistikldquo so anzuregen dass die Wirtschaftsakteure Loumlsungen finden und umsetzen welche Fahr-leistungen von Nutzfahrzeugen gebietsbezogen reduzieren und so zur Bewaumlltigung straszligenraumlumlicher Konflikte und umweltbezogener Unvertraumlglichkeiten beitragen In der Regel 0+ werden die bdquoInnen-stadtldquo oder bdquoKernstadtldquo mit ihrem Einzelhandelszentrum und den umliegenden gemischt genutzten Buumlro- und Wohngebieten sowie zum Teil die Stadtteilzentren als Planungsraumlume fuumlr die Stadtlogistik deklariert Aus kommunaler Sicht ist dies begruumlndet weil hohe Nutzungsdichten oft enge Straszligen-raumlume ein hoher Parkdruck und hohe Gestaltungsanspruumlche an den oumlffentlichen Raum Konflikte aus-loumlsen sodass Nutzungsbeschraumlnkungen grundsaumltzlich mit den Regelungen des Verkehrs- und Umwelt-rechts gerechtfertigt werden koumlnnen Dazu zaumlhlen u a zeitliche Beschraumlnkungen der Zufahrt zu Ge-

1 D-A-CH-Laumlnder Deutschland Oumlsterreich und Schweiz 2 Fuumlr eine aktuelle Zusammenstellung und Beispiele siehe Aichinger et al 2020 3 Ein aktuelles Beispiel ist das Elektromobilitaumltskonzept fuumlr die Stadt Wuppertal (Kirsch et al 2019) 4 Aktuelle Beispiele sind das bdquoGuumlterverkehrskonzept fuumlr den Kanton Basel-Stadtldquo (Holthaus et al 2016) sowie das zzt noch

in Bearbeitung befindliche bdquoGuumlterkehrs- und Logistikkonzept fuumlr die Stadt Zuumlrichldquo (Leerkamp et al 2020)

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schaumlften in Fuszliggaumlngerzonen (Lieferzeitfenster) Beschraumlnkungen des zulaumlssigen Gesamtgewichtes o-der Emissionsbeschraumlnkungen5 Folgerichtig zielen Stadtlogistikkonzepte auf eine gebietsbezogene Buumlndelung von Guumlterstroumlmen zwecks Reduzierung von Fahrzeugstroumlmen ab Die Tourenplanung der Logistikdienstleister ist demgegenuumlber auf den durch die Depotstandorte defi-nierten Distributionsraum und hier auf eine Optimierung der Fahrzeugeinsatzzeiten und der Fahrleis-tungen unter Einhaltung vielfaumlltiger Restriktionen und logistischer Serviceanforderungen bei geringst-moumlglichen Kosten ausgerichtet Zu den Restriktionen gehoumlren u a Lieferzeitfenster in Fuszliggaumlngerbe-reichen die es erfordern mit mehreren Fahrzeugen gleichzeitig in das Zustellgebiet hineinzufahren um alle Ziele innerhalb des vorgegebenen Zeitfensters zu erreichen Anschlieszligend wird die Ausliefe-rung in nicht zufahrtbeschraumlnkten Bereichen fortgesetzt Im Ergebnis ist die Tourenplanung zwar res-sourceneffizient aber nutzt die auf die Innenstadt bezogenen Buumlndelungspotenziale nicht aus und er-zeugt dort bdquounnoumltigen Verkehrldquo Terminsendungen mit festem Zustellzeitpunkt Stoumlrungen des Ver-kehrsablaufes auf dem Weg in das Zustellgebiet Innenstadt fehlende Abstellmoumlglichkeiten fuumlr die Lie-ferfahrzeuge im Straszligenraum und ein hoher Anteil persoumlnlicher Zustellungen (verbunden mit Fehlver-suchen und Mehrfachanfahrten) reduzieren die Effizienz des Fahrzeug- und Personaleinsatzes Sie sind komplementaumlre Ausgangspunkte fuumlr umfassende Loumlsungsansaumltze ersetzen aber nicht die Strategie der gebietsbezogenen Buumlndelung Als kontraproduktiv erweist sich in diesem Zusammenhang die Veraumlnderung der logistischen Standort-strukturen fuumlr die Versorgung der Staumldte Unter dem Begriff bdquoLogistics Sprawlldquo (siehe FaumlmigHesse 2011) werden Tendenzen zur Verlagerung von Logistikknoten aus der inneren Stadt in den aumluszligeren Bereich der Verdichtungsraumlume subsummiert Tedesco (Tedesco 2020) analysiert fuumlr den Groszligraum Zuumlrich dass insbesondere Lagerstandorte zwischen 1995 und 2012 dieser Verlagerungstendenz unter-lagen Aktuell kann in einigen Groszligstaumldten beobachtet werden dass Wohnbauflaumlchen fehlen um den Zuzug in die Staumldte aufzufangen Hinzu kommt die Flaumlchenkonkurrenz durch das Buumlrogewerbe sodass es zu einer neuen Herausforderung der Stadtentwicklung wird die fuumlr die Versorgung der Stadt benouml-tigten Umschlag- und Lagerflaumlchen in der bdquoinnerenldquo Stadt planungsrechtlich zu sichern und eine zweck-entsprechende Nutzung zu gewaumlhrleisten Das ist eine wesentliche Voraussetzung fuumlr die Buumlndelung von Guumlterstroumlmen zur Auslieferung auf der bdquoletzten Meileldquo und damit verbundene Kooperationen zwi-schen den an der Lieferkette beteiligten Logistikern Wird diese letzte Meile laumlnger

bull so sinkt der wirtschaftliche Nutzen des zusaumltzlichen Umschlags weil Kooperation dann sinnvoll ist wenn spezialisierte Dienstleister im Auslieferungsverkehr mittels besonders geeigneter Fahrzeuge und Fachpersonal mit guter Ortskenntnis effizienter arbeiten koumln-nen und

bull diese Fahrzeuge bei laumlnger werdenden Fahrtstrecken zwischen Umschlagpunkt und City nicht allein fuumlr den Zustellprozess optimiert werden koumlnnen (dies gilt insbesondere fuumlr den Lastenradeinsatz)

Der Einzelhandel in den Innenstaumldten muss zudem im Wettbewerb mit dem Online-Handel neuen Ser-viceanforderungen seiner Kunden gerecht werden Dazu gehoumlrt insbesondere eine sehr hohe Verfuumlg-barkeit eines sehr breiten Warenangebotes und eine sehr kurzfristige Bereitstellung der nachgefragten Waren im Ladengeschaumlft oder beim Kunden zuhause Im Wareneingang des Einzelhandels nehmen daher die Anzahl der Sendungen und der unterschiedlichen Zusteller zu waumlhrend die Sendungsgroumlszligen 5 In Deutschland ist dies die sog bdquoUmweltzoneldquo die die zulaumlssigen Schadstoffemissionen von Fahrzeugen in abgrenzbaren

Gebieten regelt und derzeit vier Schadstoffklassen unterscheidet (bdquokeineldquo rot gelb gruumln) Eine Verschaumlrfung der Emissi-onsgrenzen wird in Deutschland diskutiert (bdquoblaue Plaketteldquo) um die kuumlnftige Wirksamkeit von Umweltzonen angesichts fortschreitender Antriebstechnik zu gewaumlhrleisten

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sinken Durch Lieferzeitfenster beschraumlnkte Warenannahmezeiten werden als Wettbewerbsnachteil betrachtet waumlhrend gleichzeitig die Zustellung vor der Ladenoumlffnung meist abgelehnt wird In der Folge steigen die Zustellfrequenz und der Logistikaufwand beim Einzelhandel (Annahme Kontrolle Auspacken Regalpflege Ruumlckfuumlhrung von Verpackung) also Aufgaben die parallel zur Kundenbera-tung bewaumlltigt werden muumlssen Gebietsbezogene bzw auf ein Ladengeschaumlft bezogene Buumlndelungs-ansaumltze erfordern daher eine Mitwirkung des Handels dessen zentrale Moumlglichkeit zur Einflussnahme die Bestimmung des Lieferziels ist

Ansaumltze einer gebietsbezogenen Buumlndelung im Bereich der Einzelhandels- und Endkundenversorgung

Die aktuell diskutierten und teilweise erprobten gebietsbezogenen Buumlndelungsansaumltze koumlnnen durch zwei Merkmale unterschieden werden

bull Beteiligte Logistiksektoren Wird im Konsumgutbereich nur die Stuumlckgutlogistik oder nur die Paket-Logistik betrachtet oder werden beide Logistiksektoren in der Buumlndelungsstra-tegie zusammengefuumlhrt

bull Kooperation Findet die gebietsbezogene Buumlndelung unternehmensintern statt oder gibt es eine Kooperation von Unternehmen

Beispiele fuumlr sektorale gebietsbezogene Buumlndelung (KEP-Logistik)

Gebietsbezogene Buumlndelungskonzepte im Sektor bdquoKEP-Logistikldquo werden derzeit nur als unternehmens-interne Loumlsungen umgesetzt Ein weithin bekanntes Beispiel ist der Einsatz von mobilen Umschlag-punkten in Form von Wechselbruumlcken am Rande eines Innenstadtgebietes in Hamburg durch die Firma UPS (vgl Beecken 2017) Aus dem am fruumlhen Morgen abgestellten Wechselbehaumllter der fuumlr die In-nenstadt vorkommissionierte Sendungen beinhaltet werden die Pakete im Tagesverlauf zu Fuszlig oder mit dem Lastenrad zugestellt Das Berliner Stadtlogistik-Projekt Komodo6 ist ebenfalls den sektoralen Loumlsungsansaumltzen ohne Kooperation zuzuordnen da die beteiligten KEP-Dienstleister auf einer von der Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft mbH (BEHALA) bereitgestellten Umschlagflaumlche nebenei-nander agieren jedoch weder in der Nutzung ihrer Umschlagflaumlchen noch in der Zustellung kooperie-ren Mit dem Lastenradeinsatz und der Zustellung zu Fuszlig wird eine ganztaumlgige Zustellung in Fuszliggaumlngerbe-reichen moumlglich Lastenraumlder erhalten gegebenenfalls Ausnahmegenehmigungen fuumlr die ansonsten auch fuumlr den Radverkehr gesperrten Bereiche Im Hinblick auf die Logistikkosten stehen dem zusaumltzli-chen Umschlag und der Beschaffung von Lastenraumldern Einsparungen im Betrieb von motorisierten Zu-stellfahrzeugen sowie die Moumlglichkeit des Einsatzes von Zustellpersonal ohne Berufskraftfahrerquali-fikation gegenuumlber

Beispiel fuumlr sektorale kooperative gebietsbezogene Buumlndelung (Stuumlckgutlogistik)

Kooperative Buumlndelungsstrategien im Logistiksektor bdquoStuumlckgutlogistikldquo wurden u a in Basel beobach-tet (Holthaus et al 2016) Durch die teilweise schwierige Erreichbarkeit baulich enger Altstadtquar-tiere und das resultierende Erfordernis sehr guter Ortskenntnis spezialisierter Fahrzeuge und geeig-neter Speditionsstandorte haben sich dort vier Logistiker herausgebildet welche die Innenstadt taumlglich mit Stuumlckguumltern versorgen Sie uumlbernehmen auf der bdquoletzten Meileldquo die Transportauftraumlge von Logis-tikern die nicht regelmaumlszligig Ziele in der Innenstadt ansteuern

6 Komodo bdquoKooperative Nutzung von Mikro-Depots durch die Kurier- Express- Paket-Branche fuumlr den nachhaltigen Einsatz

von Lastenraumldern in Berlinldquo (wwwkomodoberlin)

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Beispiel fuumlr kooperative gebietsbezogene Buumlndelung (Integration von KEP- und Stuumlckgut)

Eine rein unternehmerisch initiierte gebietsbezogene Buumlndelung die Stuumlckgut und KEP-Sendungen integriert wird aktuell in Duumlsseldorf betrieben Dort kooperieren rund 150 Einzelhandelsbetriebe und Buumlrostandorte in der Kernstadt (bdquoEmpfaumlngerldquo) mit dem Logistiker ABC-Logistik in dem Projekt ABC Incharge Die Empfaumlnger geben als Lieferadresse das Umschlaglager von ABC im nahe gelegenen Rheinhafen an Dort werden die von Stuumlckgut- und KEP-Logistikern angelieferten Sendungen fuumlr die teilnehmenden Einzelhandelsbetriebe und Buumlrostandorte neu kommissioniert Im Ergebnis wird jeder Empfaumlnger durch ein Fahrzeug von ABC Incharge gebuumlndelt angefahren anstatt durch mehrere unter-schiedliche Anlieferer (vgl Abb 1) Seit 2019 wird im Rahmen eines durch Mittel des Nationalen Rad-verkehrsplans (Foumlrdergeber deutsches Bundesministerium fuumlr Verkehr und digitale Infrastruktur BMVI) gefoumlrderten Vorhabens der Einsatz von Lastenraumldern getestet7 Neben der Reduzierung des Auf-wandes fuumlr die Warenannahme Eingangskontrolle etc koumlnnen die teilnehmenden Empfaumlnger zusaumltz-liche logistische Dienstleistungen im Bereich Warehousing in Anspruch nehmen und ihren Online-Han-del uumlber das ABC Incharge Lager abwickeln Sie tragen im Gegenzug die Kosten der gebuumlndelten Zu-stellung zu ihrem Ladengeschaumlft und gegebenenfalls fuumlr weitere logistische Dienstleistungen Online beim stationaumlren Haumlndler oder im Laden gekaufte Produkte werden am ABC Incharge Lager fuumlr den Kundenversand vorbereitet und zugestellt sodass der Transport in das Ladengeschaumlft und die Zustel-lung ab Ladengeschaumlft zum Kunden entfaumlllt Dadurch werden zusaumltzliche Fahrten in die bzw aus der Innenstadt eingespart und die Sendungen erreichen die Kunden schneller Neben der Buumlndelung von Sendungen an den Handel bedient das Incharge-Konzept mit demselben Prinzip auch die Paketzustel-lung zu privaten Endkunden die sich ihre Sendungen an ihren Arbeitsplatz schicken lassen moumlchten Kooperationspartner des Logistikers ist in diesem Falle der Arbeitgeber der seinen Beschaumlftigten die Zustellung privater Sendungen an die Arbeitsstelle ermoumlglicht

Abb 1 Prinzip-skizze der ge-bietsbezogenen Buumlndelung durch Kooperation zwi-schen Empfaumlnger und Logistiker Quelle Eigene Darstellung

7 Projekt LOOP bdquoLogistische Optimierung der Einzelhandelsbelieferungldquo Kooperationsvorhaben der Fa ABC Logistik und der

Bergischen Universitaumlt Wuppertal (laufend)

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Gebietsspediteur Ansatz fuumlr eine regulatorische Gestaltung

Das vielfach diskutierte aber nach Kenntnis des Autors bislang in der Stadtlogistik nicht erfolgreich umgesetzte Konzessionsmodell lehnt sich an die Regulierung der kommunalen Entsorgungswirtschaft an Ein oder mehrere Konzessionsnehmer erhalten das ausschlieszligliche Recht eine bestimmte logisti-sche Dienstleistung (hier Entsorgung von Hausabfaumlllen) in einem Gebiet zu erbringen Der Konzessi-onsgeber (Stadt) regelt stellvertretend fuumlr die Nutznieszliger (Haushalte) mit dem Leistungserbringer (Ab-fallwirtschaftsbetrieb) die zu erbringende Leistung (u a Haumlufigkeit der Leerung der Muumllltonnen) und den Preis Grundlage der Konzessionsvergabe kann eine Ausschreibung der Leistungen sein Die Uumlbertragung dieses Modells auf die Versorgung des Handels und der privaten Endverbraucher er-scheint auf den ersten Blick erfolgversprechend da aus dem Logistikmarkt heraus derzeit kaum wirk-same gebietsbezogene Buumlndelungskonzepte fuumlr Innenstaumldte entstehen Rechtlich erscheint das Mo-dell moumlglich wenngleich es einen erheblichen Eingriff in den Logistikmarkt darstellt Die Geschaumlftsmo-delle neuer technologischer Konzepte fuumlr die Versorgung der Staumldte mittels unterirdischer Foumlrdersys-teme8 implizieren offenbar ein derartiges ausschlieszligliches Recht der Versorgung von Innenstaumldten Die Erstellungs- Betriebs- und Unterhaltungskosten einer vollstaumlndig neu zu errichtenden unterirdischen Verteilinfrastruktur koumlnnten im Wettbewerb mit Logistiksystemen die auf eine weitgehend kosten-freie oberirdische Verkehrsinfrastruktur in den Staumldten zugreifen koumlnnen vermutlich nur schwer er-wirtschaftet werden Problematisch ist u a die mit dem Konzessionsmodell einhergehende vertragliche Festlegung der lo-gistischen Dienstleistung und die Kontrolle der Leistungserbringung durch den Konzessionsgeber Stadt Individuelle Loumlsungen die sich im Markt etabliert und bewaumlhrt haben wuumlrden durch generali-sierte Leistungen abgeloumlst und die Stadtverwaltung muumlsste die Aufgabe der Leistungskontrolle und gegebenenfalls Sanktionierung ausuumlben Dafuumlr fehlt den Kommunen zurzeit jede fachliche Grundlage Technische und organisatorische Innovationen die derzeit im Wettbewerb entwickelt und erprobt werden wuumlrden vermutlich in einem Konzessionsmodell unterbleiben

Initiierung gebietsbezogener Buumlndelungskonzepte durch die Kommunen Die Kommunen haben wie oben bereits erwaumlhnt nur ein sehr eingeschraumlnktes Repertoire regulatori-scher und infrastruktureller Instrumente um eine gebietsbezogene Buumlndelung von Warenstroumlmen an-zuregen Der direkte Eingriff in den Markt mittels Konzessionsvergabe erscheint zwar vordergruumlndig reizvoll ist jedoch nicht zu empfehlen Die Bereitstellung von kleinen Umschlag- und Lagerflaumlchen (Mikro-Depots) in hochverdichteten Innen-stadtlagen seitens der Stadt ist ein wichtiger Impuls fuumlr eine gebietsbezogene Buumlndelung in der KEP-Logistik Folgerichtig sind Investitionskosten fuumlr kooperativ genutzte Mikro-Depots Gegenstand oumlffent-licher Foumlrderprogramme geworden9 Um die weithin bestehende Flaumlchenknappheit in geeigneten La-gen10 zu uumlberwinden wird von Aichinger et al (2020) vorgeschlagen kleine Logistikflaumlchen fuumlr die In-nenstadtversorgung bauplanungsrechtlich als bdquoGemeinbedarfsflaumlche fuumlr Logistikldquo auszuweisen und dadurch dem Wettbewerb mit anderen Nutzungen zu entziehen Es fehlen aber noch Konzepte und Erfahrungen wie derartige Umschlagpunkte diskriminierungsfrei nutzbar gemacht werden koumlnnen Hier kommen Betreibermodelle mit wettbewerblicher Vergabe in Betracht

8 Z B Cargo sous terrain (Schweiz) oder Cargo Cab (Deutschland) 9 Vgl Foumlrderrichtlinie Staumldtische Logistik des deutschen BMVI vom 05072019 10 Siehe Nitsch L (2020) Flaumlchenanforderungen alternativer Zustellkonzepte fuumlr Pakete in Wohn- und Mischgebieten Ba-

chelor-Thesis am Lehrstuhl fuumlr Guumlterverkehrsplanung und Transportlogistik der Bergischen Universitaumlt Wuppertal Wupper-tal

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Das Buumlndelungspotenzial in der innerstaumldtischen Paketlogistik kann mit derartigen Infrastrukturanrei-zen jedoch nicht vollstaumlndig ausgeschoumlpft werden weil horizontale Kooperationen von der KEP-Lo-gistikbranche regelmaumlszligig abgelehnt werden Mehr als ein bdquoNebeneinanderldquo gleichartiger logistischer Prozesse uumlber den Knoten Mikro-Depot kann so kaum initiiert werden (siehe Beispiel Komodo in Ber-lin) In der Stuumlckgutlogistik ist Kooperation dagegen eine etablierte Handlungsstrategie Durch ambitio-nierte Grenzwerte fuumlr Luftschadstoffe und Laumlrm in sensiblen Kernstadtbereichen kann der Einsatz spe-zialisierter Fahrzeuge im Verteilverkehr (mit batterieelektrischem oder Hybridantrieb sowie besonde-rer Laumlrmminderung bei Antrieb Reifen und Ladeeinrichtungen) wirtschaftlich sinnvoll werden und die Energiewende im Nutzfahrzeugverkehr gefoumlrdert werden Als Nebeneffekt ist eine Zunahme der emp-faumlngerbezogenen Buumlndelung zu erwarten Einzelne Spediteure werden sich auf die Innenstadtbeliefe-rung spezialisieren und die entsprechenden Fahrzeuge vorhalten sodass sich am Markt Gebietsspedi-teure ausbilden ohne dass ein Eingriff seitens der Kommunen erforderlich waumlre Nahezu ausgeschoumlpft werden koumlnnen die gebietsbezogenen Buumlndelungspotenziale wenn die privaten und gewerblichen Empfaumlnger von KEP- und Stuumlckgutsendungen an der Reorganisation der staumldtischen Versorgung aktiv mitwirken Das erwaumlhnte Beispiel aus Duumlsseldorf zeigt dass derartige Loumlsungen heute bereits am Markt etabliert werden koumlnnen Im Rahmen einer transformativ ausgerichteten For-schung sollten die erforderlichen Rahmenbedingungen weiter erkundet werden um das derzeit noch wesentliche Hemmnis fuumlr eine aktive Beteiligung des Handels ndash die heute uumlbliche bdquoFrei-Haus-Zustel-lungldquo ndash auszuraumlumen11 Die fehlende Kostentransparenz ist auch ein wesentliches Hemmnis fuumlr die aktive Mitwirkung privater Endverbraucher an der gebietsbezogenen Sendungsbuumlndelung Die Kosten der Zustellung an die Haus-tuumlr werden bei Online-Geschaumlften entweder nicht ausgewiesen oder sind unabhaumlngig vom Zustellort (Haustuumlr oder PaketshopPaketstation) Auszligerdem fehlt den Konsumenten meist die Moumlglichkeit durch die Auswahl eines KEP-Logistikers bei der Bestellung auf die Buumlndelung einzuwirken Die Kommunen haben keine direkte Einwirkungsmoumlglichkeit auf diese Preisgestaltung Sie koumlnnen mit Pull-Maszlignahmen steuern indem sie in den Wohngebieten und Geschaumlftszentren an gut zugaumlnglichen und stark frequentierten Punkten (u a OumlPNV-Knoten) den Bau von Paketstationen ermoumlglichen so-dass es fuumlr die Empfaumlnger bequemer wird ihre Sendungen dort abzuholen als zu riskieren zuhause nicht angetroffen zu werden Komplementaumlr weisen einige europaumlische Staumldte in ihren Innenstadtla-gen groumlszligere autoverkehrsfreie Bereiche aus in die der Lieferverkehr gegebenenfalls nur zeitlich be-grenzt einfahren darf Dadurch wird ebenfalls die Buumlndelung auf zentrale Zustellpunkte wie Mikro-Depots oder PaketshopsPaketstationen gefoumlrdert

11 Im Rahmen des o g NRVP-Vorhabens LOOP wird derzeit untersucht ob und ggf wie das Duumlsseldorfer Kooperationsmodell

von ABC Incharge auf Wuppertal uumlbertragen werden koumlnnte

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Steuerung der Energiewende im staumldtischen Lieferverkehr

Wenn die Einsparung von Verkehrsleistungen im staumldtischen Lieferverkehr weiterhin unter ihren the-oretischen Moumlglichkeiten bleibt weil die Potenziale einer gebietsbezogenen Sendungsbuumlndelung nicht ausgeschoumlpft werden (koumlnnen) dann erfaumlhrt die Energiewende eine entsprechend houmlhere Dringlich-keit Die Umstellung des Lieferverkehrs auf lokal emissionsfreie Fahrzeuge kommt aus Sicht des Autors allerdings langsamer voran als es moumlglich und geboten waumlre Die Ausweisung von kommunalen Niedrig- und Nullemissionszonen mit ausreichendem zeitlichen Vor-lauf (vgl Aichinger et al 2020) wuumlrde den im Lieferverkehr taumltigen Unternehmen Planungssicherheit fuumlr die Fahrzeugbeschaffung geben und die Fahrzeughersteller koumlnnten eine entsprechende Fahr-zeugnachfrage erwarten Als Hemmnis fuumlr ein solches Vorgehen wirkt in Deutschland die fehlende Rechtssicherheit Vorreiter-Kommunen die derartige Zonenkonzepte einfuumlhren wollten muumlssten der-zeit individuelle Loumlsungen fuumlr die Identifizierung und Kontrolle der einfahrtberechtigten Fahrzeuge er-arbeiten (bdquolokale blaue Plaketteldquo) Wesentlich sinnvoller waumlre eine Fortschreibung des bestehenden bundesgesetzlichen Rahmens der Umweltzonenregelung die ihre Lenkungswirkung verloren hat weil die aktuelle Fahrzeugflotte die Anforderungen fuumlr die sogenannte bdquogruumlne Plaketteldquo fast vollstaumlndig erfuumlllt In den Niederlanden hat die Staatsregierung einen solchen Rechtsrahmen inklusive der Beschil-derung zwischenzeitlich geschaffen (vgl Langenberg 2019) Eine Auswertung des Datensatzes der Erhebung bdquoKraftfahrzeugverkehr in Deutschland 2010ldquo (Wer-muth et al 2012) zeigt dass schon heute die meisten Touren im staumldtischen und regionalen Sammel- und Verteilverkehr durch batterieelektrisch betriebene Fahrzeuge bewaumlltigt werden koumlnnen In Abbil-dung 2 sind Tourlaumlngenverteilungen fuumlr die relevanten Fahrzeugsegmente dargestellt Rund 80 der Touren leichter Nutzfahrzeuge (LNF bis 35 t zulaumlssige Gesamtmasse) erfordern Reichweiten von max 120 km Schwere Nutzfahrzeuge (SNF) mit einer zulaumlssigen Gesamtmasse (zulGM) von 75 t bis 18 t werden auf Touren eingesetzt die zu 80 Reichweiten von bis zu rund 240-280 km erfordern12 Eine Gegenuumlberstellung der batterieelektrischen Reichweiten beispielhafter Nutzfahrzeuge (vgl Aichinger 2020 S 77) zeigt dass schon heute Fahrzeuge am Markt angeboten werden die uumlber maxi-male Reichweiten verfuumlgen um diese Anforderungen zu erfuumlllen Insbesondere die Nutzfahrzeugflotte der Klasse mit 35 t bis 75 t zulGM die in Deutschland ein mittleres Alter von 95 Jahren13 aufweist verspricht hohe Emissionsreduktionen durch den Wechsel auf batterieelektrisch betriebene Fahr-zeuge

12 Die daruumlberhinausgehenden Tourlaumlngen des Fahrzeugsegmentes bis 12 t zulGM sind wahrscheinlich mit der zum Erhe-

bungszeitpunkt guumlltigen Untergrenze des zulaumlssigen Gesamtgewichtes fuumlr die Mautpflicht im deutschen Autobahnnetz zu begruumlnden Dadurch wurden voruumlbergehend zahlreiche Nutzfahrzeuge mit 1199 t zulGM im Fernverkehr eingesetzt und erreichten entsprechend hohe Fahrtweiten

13 Eigene Berechnung auf Grundlage von KBA 2020

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Abb 2 Tourlaumlngenverteilung der relevanten Fahrzeugsegmente im Verteil- und Sammelverkehr (auszliger KEP-Fahrten) Daten-grundlage KiD 2010 eigene Auswertung Die kommunale Flaumlchennutzungsplanung und die Regionalplanung sollten trotz weiterhin erwartbarer Steigerungen der Leistungsfaumlhigkeit und der Reichweiten batterieelektrischer Antriebe darauf hinwir-ken dass Logistikflaumlchen fuumlr die Versorgung der Kernstaumldte nicht aus der Stadt verdraumlngt und dadurch die Fahrtweiten im Lieferverkehr weiter erhoumlht werden (siehe unten) Damit kann ein Beitrag dazu geleistet werden dass die technischen Anforderungen an die Elektrifizierung des staumldtischen Guumlter-verkehrs nicht weiter steigen Komplementaumlr muumlssen Gewerbegebiete an das Mittelspannungsnetz angeschlossen werden um die kuumlnftig steigende elektrische Leistungsaufnahme bei Ladevorgaumlngen zu bewaumlltigen Das von der Fahrzeugindustrie gegenuumlber Batteriewechselsystemen bevorzugte Schnell-laden stellt eine Herausforderung fuumlr die Netzsicherheit der kommunalen Verteilnetze dar

Sicherung von Logistikflaumlchen in der Stadt als Voraussetzung fuumlr Buumlndelung Logistiknutzungen sind im Wettbewerb um innerstaumldtische Grundstuumlcke gegenuumlber Wohnen und Buuml-ronutzungen in der Regel unterlegen weil sie nicht erwuumlnscht sind durch das oumlrtliche Baurecht aus-geschlossen werden oder weil sie die Grunderwerbskosten nicht wirtschaftlich tragen koumlnnen bdquoZur Versorgung der Stadt notwendigeldquo Logistikflaumlchen benoumltigen daher unter Umstaumlnden eine baurechtli-che Sicherung im Rahmen der Bauleitplanung Aichinger et al (2020) schlagen fuumlr das deutsche Bau-recht die Einfuumlhrung einer Gebietskategorie bdquoGemeinbedarfsflaumlche Logistikldquo vor Die schweizerische Staumldtekonferenz Mobilitaumlt empfiehlt eine obligatorische Logistikplanung fuumlr die Quartiersebene (Staumld-tekonferenz Mobilitaumlt 2019) Fuumlr die Nutzung als Mikro-Depot in der innerstaumldtischen Paketlogistik liegen Layout-Entwuumlrfe von kleinen Umschlagflaumlchen vor die die wesentlichen funktionalen und bau-lichen Merkmale detailliert beschreiben (IHK 2019) Beispiele fuumlr die Nutzung oumlffentlicher oder priva-ter aber oumlffentlich zugaumlnglicher Flaumlchen im Rahmen der innerstaumldtischen Logistik sind mittlerweile zahlreich vorhanden In Wien wird z B die temporaumlre Nutzung von Betriebsflaumlchen des oumlffentlichen Nahverkehrs erprobt um den Umschlag auf Lastenraumlder zu ermoumlglichen (siehe wwwremihubat)

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Neue Wege in der Energieraumplanung

Gernot Stoumlglehner (1)

DOI 10347261029

(1) UnivProf Dr Institut fuumlr Raumplanung Umweltplanung und Bodenordnung (IRUB) Department fuumlr Raum Landschaft und Architektur Universitaumlt fuumlr Bodenkultur (BOKU) Wien

Abstract

Die Energiewende zu schaffen ist nicht nur gesellschaftlicher Imperativ sondern auch eine Mammut-aufgabe die gemessen an der Groumlszlige der Aufgabe in relativ kurzer Zeit von sehr vielen Politikbereichen und Stakeholdern umzusetzen ist Daher ist eine strategische Herangehensweise bedeutend Wesent-liche Beitraumlge zur Strategiebildung und Strategieumsetzung kann Energieraumplanung leisten In die-sem Beitrag wird diskutiert worin strategische Aspekte der Energieraumplanung liegen in einer stra-tegischen Datenbasis fuumlr die Energiewende in einer Planungsmethodik zur Schaffung von raumlumlichen Voraussetzungen fuumlr Energieeffizienz und der Nutzung erneuerbarer Energien in institutionellen Rah-menbedingungen fuumlr eine gelingende Umsetzung und in der Unterstuumltzung von Sektorkopplung als wichtiges Element der Energiewende Da ein wesentlicher Teil von Strategiebildung gesellschaftliche Lernprozesse sind schlieszligt der Beitrag mit Uumlberlegungen zur Didaktik der Energieraumplanung und zeigt moumlgliche Beitraumlge der Energieraumplanung zur Energiewende auf

Schluumlsselbegriffe

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Inhalt Ausgangslage 112

Strategie in der Energieraumplanung 113

Strategische Datenbasis 113

Planungsmethodik 114

Institutionelle Rahmenbedingungen 115

Sektorkopplung als neue Herausforderung fuumlr die Energieraumplanung 115

Didaktik der Energieraumplanung 116

Fazit 116

Literatur 117

Stoumlglehner (2021) Neue Wege in der Energieraumplanung DOI 10347261029

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Ausgangslage

Die Energiewende ist aus Klimaschutzgruumlnden nicht nur zwingend umzusetzen sie ist auch mit erheb-lichen Herausforderungen verbunden Diese erwachsen nicht zuletzt aus der Raum- und Siedlungsent-wicklung und der damit verbundenen Mobilitaumlt Waumlhrend die Gesamttreibhausgasemissionen in Oumls-terreich seit 1990 dem Basisjahr des Kyoto-Protokolls leicht gestiegen sind (UBA 2019) und eine sub-stanzielle strukturelle Trendwende abseits von Konjunkturschwankungen nach wie vor nicht zu erken-nen ist ruumlckt der Zeitpunkt der Null-Emissionsziele schon recht nahe Ein wesentlicher Treiber sind raumlumliche Entwicklungen die damit verbundenen Bauten und Anlagen sowie die Art und Weise wie der Raum von Menschen und Unternehmen angeeignet wird Um die Groumlszlige des Problems zu verdeut-lichen wird auf die Baulandreserven in Oumlsterreich verwiesen Diese sind so hoch dass bei Erfuumlllung des 25-Hektar-Bodenschutzziels der Nachhaltigkeitsstrategie 2002 (BMLFUW 2002) und des aktuellen Regierungsprogramms (Die neue Volkspartei amp Die Gruumlnen 2020) ndash das bedeutet dass die taumlgliche zusaumltzliche Flaumlcheninanspruchnahme fuumlr Bauland und Infrastruktur von derzeit ca 13 ha (UBA 2002) auf 25 ha begrenzt werden soll ndash Baulandreserven bis 2100 vorhanden sind (Neugebauer 2020) Es duumlrfte daher in den naumlchsten 80 () Jahren kein Quadratmeter Bauland mehr gewidmet werden ohne an anderer Stelle ruumlckgewidmet zu werden Auch daran erkennt man dass aus Sicht der Raumplanung massive Eingriffe notwendig sein werden um Nachhaltigkeitsziele zu erfuumlllen Mit dieser Flaumlcheninan-spruchnahme geht ein Steigen des Energieverbrauchs einher der insbesondere in den Bereichen graue Energie Waumlrme und Mobilitaumlt auch Treibhausgaswirksamkeit entfaltet Es sind zwar die Treibhaus-gasemissionen im Gebaumludesektor trotz der regen Bautaumltigkeit ruumlcklaumlufig allerdings wird dies durch Zunahme der Treibhausgasemissionen im Verkehr (ca 72 plus seit 1990 dem Basisjahr des Kyoto-Protokolls) sodass seit 1990 die Treibhausgasemissionen insgesamt um knapp 5 gestiegen sind Vor diesem Hintergrund gewinnt Energieraumplanung als bdquojener integrale Bestandteil der Raumpla-nung der sich mit den raumlumlichen Dimensionen von Energieverbrauch und Energieversorgung umfas-send beschaumlftigtldquo (Stoumlglehner et al 2014 S 26) rasant an Bedeutung Die raumlumliche Dimension des Energieverbrauchs bedeutet im Wesentlichen energieeffiziente Raum- und Siedlungsstrukturen zu schaffen die sich durch Funktionsmischung maszligvolle Dichte Kompaktheit Innenentwicklung und die Beruumlcksichtigung von entsprechenden Lagekriterien und energetischen Aspekten wie Topographie und Exposition bei der Standortwahl auszeichnen Damit uumlberdeckt sich Energieraumplanung mit den Ge-staltungsprinzipien diverser Leitbilder einer nachhaltigen Raumentwicklung und wirkt auf den Energie-bedarf von Wirtschaft und Gesellschaft Die raumlumliche Dimension der Energieversorgung umfasst Be-darfsfragen nach Energieversorgungsanlagen (Energiegewinnung -verteilung und -speicherung) die Standortsicherung einschlieszliglich der Vermeidung von Nutzungskonflikten sowie die Ressourcensiche-rung Dies betrifft insbesondere die Freihaltung von zusammenhaumlngenden Landschaftsteilen fuumlr die Energiegewinnung z B Vorrangflaumlchen fuumlr Windkraftanlagen Energieeffiziente Raum- und Siedlungs-strukturen die gleichzeitig eine flaumlchensparende Bauland- und Infrastrukturentwicklung ermoumlglichen unterstuumltzen dieses Ziel Gleichzeitig koumlnnen leitungsgebundene Energieversorgungssysteme besser in diesen Strukturen betrieben werden da Funktionsmischung zur zeitlichen Vergleichmaumlszligigung des Be-darfs im Tagesverlauf und Dichte zu mehr Effizienz von Versorgungsanlagen fuumlhren (Stoeglehner et al 2016) Ergaumlnzung der Planungsziele und -grundsaumltze stufenweise Integration von raumlumlichen Energie- bzw Mobilitaumltskonzepten energieoptimierte und integrierte Flaumlchenwidmungs- und Bebauungsplanung Entwickeln und Anwenden von standardisierten Methoden zur Energieraumplanung Bodenpolitik und Baulandmobilisierung Energieplanung uumlbergeordneter Infrastruktur

Abb 1 Prioritaumlre Handlungsempfehlungen laut OumlROK-Partnerschaft (Auszug Stoumlglehner et al 2014)

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Die OumlREK-Partnerschaft Energieraumplanung I hat daher verschiedene Handlungsempfehlungen un-terbreitet um die raumlumlichen Dimensionen von Energieverbrauch und Energieversorgung in die Raum-planung zu integrieren (vgl Abb 1) Die derzeitig im Amt befindliche Bundesregierung hat in ihrem Regierungsuumlbereinkommen das Thema Energieraumplanung sowohl in Bezug auf den Klimaschutz als auch den Bodenschutz mit Blick auf eine zukunftsfaumlhige Raumordnung aufgenommen bdquoRaumplanerische Aspekte des Klimaschutzes sollen durch eine (auf den derzeit schon bestehenden Bundeskompetenzen basierende) gesetzliche Regelung zur Fachplanungskompetenz des Bundes geregelt werdenldquo (Die neue Volkspartei amp Die Gruumlnen 2020 S 74 104) Vor diesem Hintergrund widmet sich dieser Beitrag in weiterer Folge Moumlglichkeiten mit strategischen Zugaumlngen Energieraumplanung umzusetzen und diskutiert diese anhand von Beispielen aus der For-schung des Instituts fuumlr Raumplanung Umweltplanung und Bodenordnung der Universitaumlt fuumlr Boden-kultur Wien (IRUB)

Strategie in der Energieraumplanung Mit Strategie in der Raumplanung und damit auch in der Energieraumplanung ist grundsaumltzlich die Orientierung an Leitbildern Visionen und Zielen der Blick auf die Gesamtsicht und nicht auf die Details das Denken in Planungsvarianten sowohl in Bezug auf Ziele als auch die daraus abzuleitenden Maszlig-nahmen sowie die Organisation des Planungsprozesses als gesellschaftlicher Lernprozess (Stoumlglehner 2020a) Bezuumlglich der Auffassung von Planen als Lernprozess ist es interessant sich mit didaktischen Fragen zu beschaumlftigen Wird die Wissenstreppe (North et al 2016) dafuumlr herangezogen gilt es im Sinne eines strategischen Wissensmanagements Prozesse der Energieraumplanung so zu gestalten dass Planungsakteurinnen und -akteure aufbauend auf entsprechenden Daten und deren Vernetzung zu einem kompetenten d h zu einem wissensbasierten zielgerichteten und richtigem Handeln kom-men koumlnnen Dafuumlr sind (1) eine strategische Datenbasis (2) entsprechende Planungsmethoden und (3) institutionelle Rahmenbedingungen notwendig wie in weiterer Folge an zwei Beispielen erlaumlutert wird

Strategische Datenbasis

Eine strategische Datenbasis stellt eine wissenschaftlich pruumlfbare Sachebene im Planungsprozess dar Vielfach bestehen Wahrnehmungen auf der Sachebene die mit wissenschaftlich pruumlfbaren Sachver-halten nicht in Einklang zu bringen sind aber massiv handlungsleitend wirken Ein Beispiel waumlren ver-zerrte Wahrnehmungen des fossilen Energieanteils in der Energieversorgung Wenn Akteurinnen den fossilen Energieanteil unterschaumltzen koumlnnen sie notwendige Maszlignahmen als nicht relevant einstufen Diese Einschaumltzung kann selbst bei Akteuren die auf der Werteebene die Energiewende hoch gewich-ten dazu fuumlhren dass notwendige Maszlignahmen fuumlr die Energiewende nicht gesetzt werden (Erker et al 2017) Eine strategische Wissensbasis hilft hier Klarheit auf der Sachebene herzustellen indem nicht nur Basisdaten bereitgestellt werden sondern indem diese auch mit einer Datenanalyse (zur Kenn-zeichnung von Potentialen oder Restriktionen) verbunden werden Damit stellt eine strategische Da-tenbasis strategisch relevantes Wissen fruumlh im Planungsprozess zur Verfuumlgung sodass auch Lernen auf der Wertebene das Verhandeln von Interessen zwischen Akteurinnen und Akteuren sowie das Erken-nen von Planungsfolgen unterstuumltzt wird (Stoeglehner 2020b)

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Ein Beispiel fuumlr eine derartige strategische Datenbasis waumlre das Energiemosaik Oumlsterreich (wwwener-giemosaikat Abart-Heriszt et al 2020) Hier werden Energie- und Treibhausgasbilanzen frei verfuumlgbar im Netz bereitgestellt sodass ein faktenbasierter Einstieg in das Energiethema erleichtert wird So kann die Zielformulierung und das Identifizieren von Handlungsfeldern fuumlr kommunale und regionale Energiestrategien unterstuumltzt werden Einen Schritt weiter geht die Datenbasis fuumlr die Energieraumplanung in der Steiermark die in ein ent-sprechendes Gesamtkonzept eingebunden ist Die Datenbasis besteht zum einen aus Informationen die dem Energiemosaik Oumlsterreich allerdings in feinerer raumlumlicher Aufloumlsung im 250-m-Raster ent-sprechen und mit Abschaumltzungen uumlber energetische Potenziale ergaumlnzt sind Zum anderen werden flauml-chenhafte Auswertungen des Datenbestandes angeboten indem Standortraumlume fuumlr Fernwaumlrmever-sorgung und energiesparende Mobilitaumlt bereitgestellt werden Wie mit diesen Informationen umge-gangen werden kann wurde in einem entsprechenden Planungsleitfaden dargestellt

Abb 2 Standortraumlume fuumlr Fernwaumlrmeversorgung (links) und klimafreundli-che energiesparende Mo-bilitaumlt (rechts) Quelle Ab-art-Heriszt und Stoumlglehner 2019

Planungsmethodik

In der Steiermark wurde eine Planungsmethodik gemeinsam mit Fallbeispielen entwickelt wie die energieraumplanerischen Analysen d h die Energie- und Treibhausgasbilanzen die Potenzialanalysen und die vom IRUB abgegrenzten Standortraumlume fuumlr Fernwaumlrmeversorgung und energiesparende Mo-bilitaumlt in das oumlrtliche Entwicklungskonzept integriert werden koumlnnen (Abart-Heriszt und Stoumlglehner 2019) Dabei wird das Hauptaugenmerk auf die planerische Abwaumlgung zwischen Aspekten der Ener-gieraumplanung und allen weiteren Aspekten der oumlrtlichen Raumplanung gelegt Durch die Standort-raumlume wurde eine Moumlglichkeit geschaffen jene Ortsteile mit einer ausreichend hohen Nutzungsinten-sitaumlt und Nutzungsdichte zu identifizieren die fuumlr Fernwaumlrmeversorgung und energiesparende Mobi-litaumltsformen im Umweltverbund geeignet sind Es werden klare Hinweise gegeben wohin die kuumlnftige Siedlungsentwicklung im Zeichen von Klima-schutz und Energiewende gelenkt werden soll Dies ist durch die Abgrenzungsmethodik der Standort-raumlume gewaumlhrleistet gemaumlszlig der nach funktionsgemischten maszligvoll dichten raumlumlichen Strukturen gesucht wird in denen zum einen Mindestverbrauchsdichten fuumlr leitungsgebundene Energie als auch kurze Wege zwischen den einzelnen Raumfunktionen erzielt werden sollen Nicht zuletzt ermoumlglichen die Standortraumlume zu erkennen wo Innenentwicklung prioritaumlr stattfinden soll und wie damit der uumlberbordenden Flaumlcheninanspruchnahme fuumlr Bauland und Infrastruktur Vorschub geleistet werden kann Damit sind die Voraussetzungen gegeben dass Lernen im Planungsprozess sowohl auf der Sachebene als auch auf der Wertebene unterstuumltzt wird Auf der Sachebene werden potenzielle Wis-sensluumlcken sowie Luumlcken zwischen wissenschaftlich pruumlfbarer und wahrgenommener Sachebene ge-schlossen Auf der Wertebene koumlnnen die Unterstuumltzung von Klimaschutz und Energiewende profund mit weiteren oumlffentlichen Interessen und Entwicklungsperspektiven abgewogen werden

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Institutionelle Rahmenbedingungen

Grundsaumltzlich koumlnnen vier Pfade staatlichen Handelns angewendet werden um Strategien wie jene der Energieraumplanung ganzheitlich umzusetzen (1) rechtliche Rahmenbedingungen (2) finanzielle Anreize (3) oumlffentliche Investitionen sowie (4) Bewusstseinsbildung Am Beispiel der Steiermark kann dargestellt werden dass fast alle Optionen fuumlr die Umsetzung der Energieraumplanung genutzt wer-den

(1) Im rechtlichen Rahmen des Steiermaumlrkischen Raumordnungsgesetzes ist die Erstellung von er-gaumlnzenden Sachbereichskonzepten zum oumlrtlichen Entwicklungskonzept vorgesehen Dieser rechtliche Rahmen wird mit der Initiative Energieraumplanung in der Steiermark mit Leben erfuumlllt

(2) Als finanziellen Anreiz hat das Land Steiermark ein Foumlrderprogramm aufgelegt mit dem die Gemeinden dabei unterstuumltzt werden Sachbereichskonzepte Energie im Rahmen des oumlrtli-chen Entwicklungskonzeptes zu erstellen Planungsziele festzulegen und die Abstimmung von Siedlungsentwicklung und Festlegungen zur Energieraumplanung umzusetzen Auszahlungs-bedingung fuumlr die Foumlrderung ist die Integration in die Verordnung zum oumlrtlichen Entwicklungs-konzept binnen 24 Monaten ab Foumlrderzusage

(3) Wenn ein Sachbereichskonzept Energie vorliegt kann im Rahmen des Foumlrderprogramms auch um die Unterstuumltzung von oumlffentlichen Investitionen in die Energieinfrastruktur angesucht werden Daruumlber hinaus sollen die Festlegungen zur Energieraumplanung auch auf Investitio-nen von Privaten und Kommunen wirken da jene Bereiche dargestellt werden die einen wirt-schaftlichen Betrieb leitungsgebundener Energieinfrastruktur und ein houmlheres Maszlig an Mobi-litaumlt im Umweltverbund erwarten lassen

(4) Bewusstseinsbildung wird zum einen durch die schon angesprochene Datenbasis und den Pla-nungsleitfaden zum anderen durch ein Schulungsprogramm fuumlr Ortsplanerinnen und Gemein-devertreterinnen das stark nachgefragt wurde deutlich gestaumlrkt Zudem haben fast alle in der Steiermark taumltigen Ortsplaner sowie Vertreter von ca einem Drittel aller steiermaumlrkischen Ge-meinden an den Veranstaltungen teilgenommen

Diese Beispiele zeigen dass der anspruchsvolle strategische Zugang zur Energieraumplanung durchaus mit Leben erfuumlllt werden kann wenn eine strategische Datenbasis und eine entsprechende Planungs-methodik angeboten werden deren Anwendung in einen institutionellen Rahmen eingebettet ist der alle Aspekte staatlichen Handelns abdeckt

Sektorkopplung als neue Herausforderung fuumlr die Energieraumplanung

Ein wesentlicher Grund warum ich die Auseinandersetzung mit leitungsgebundenen Energietraumlgern auch in Zukunft fuumlr notwendig erachte ist das Thema der Sektorkopplung Unter diesem Titel sollen Systemloumlsungen fuumlr die Verbindung verschiedener Infrastrukturen Technologien und Dienstleistun-gen fuumlr die Kopplung von Elektrizitaumlt Waumlrme und Mobilitaumlt sowie fuumlr die Integration von volatilen erneuerbaren Energietraumlgern wie Sonne und Wind angeboten werden (BMNT BMVIT 2018) Ein ener-gieraumplanerischer Beitrag zur Unterstuumltzung von Sektorkopplung ist das hochaufgeloumlste raum-zeit-liche Modellieren von Energieverbrauch und lokal verfuumlgbaren Energieversorgungspotenzialen bei dem Nutzungsintensitaumlt (Funktionsmischung und Dichte) und die Integration verschiedener erneuer-barer Energietraumlger zur Ermittlung von Sektorkopplungspotenzialen sowie Netz- bzw Speicherbedarf herangezogen werden (Ramirez-Camargo amp Stoeglehner 2018) Bei Photovoltaik (PV) werden Energie-gewinnungspotenziale auf Dachflaumlchen im 1-m-Raster unter Beruumlcksichtigung des ortsspezifischen me-teorologischen Normjahres mit dem lokal aufgrund der Nutzungsstruktur vorhandenen Energiever-brauch in 1-Stunden-Betrachtungen im Jahresverlauf uumlberlagert

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Werden diese Betrachtungen uumlber ganze Kommunen angestellt kommt man z B zum Ergebnis dass bei voller Ausnutzung der Dachflaumlchen mit PV sehr wahrscheinlich Uumlberschuumlsse in der Stromproduk-tion erzielt werden koumlnnen jedoch nur etwa ein Drittel des gewonnenen Stroms am jeweiligen Ort und zur jeweiligen Zeit unmittelbar benoumltigt werden Zwei Drittel stellen damit das Sektorkopplungs-potenzial dar z B in Power-to-HeatCold- bzw Power-to-Chemicals-Loumlsungen bzw benoumltigen stati-onaumlre oder mobile Speicher insbesondere zur Bereitstellung von Strom fuumlr elektrische Fahrzeuge Je geringer der Anteil des PV-Stroms am Jahresstrombedarf ist desto houmlher steigt der Anteil der Eigen-bedarfsdeckung Mit diesen Ergebnissen koumlnnen jenseits der Jahresbilanz in hoher raumlumlicher und zeitlicher Aufloumlsung realistische Szenarien als strategische Entscheidungsgrundlage fuumlr Energieraumplanung und lokale bzw regionale Energiestrategien erstellt werden Die raumlumliche und zeitliche Betrachtung ermoumlglicht damit einen weiteren Qualitaumltssprung in der Energieraumplanung

Didaktik der Energieraumplanung

Wird das Lernen im Planungsprozess als wesentliches Strategiemerkmal fuumlr Raumplanung einschlieszlig-lich der Energieraumplanung betrachtet stellt sich die Frage der Didaktik fuumlr diese Lernprozesse Hier soll in Analogie zu didaktischen Konzepten (vgl Biggs amp Tang 2011 Gudjons amp Traub 2020 North et al 2016 Winteler 2011) einige Uumlberlegungen angestellt werden Dabei ist zu beruumlcksichtigen dass es sich bei Planungsprozessen um soziale Lernprozesse in informellen Lern- und Planungssituationen handelt an denen in erster Linie Entscheidungstraumlgerinnen und Entscheidungstraumlger die interessierte und die betroffene Oumlffentlichkeit sowie die Planerinnen und Planer beteiligt sind (Peer amp Stoeglehner 2013) Das Ergebnis der Planung ist grundsaumltzlich offen und vom Lernprozess beeinflusst Klassische Didaktikkonzepte beschaumlftigen sich mit Lernzielen Lerninhalten Lernmethoden und Lern-ergebnissen Wird diese Herangehensweise auf Energieraumplanung uumlbertragen so waumlre das Lernziel die Energiewende und den Klimaschutz voranzubringen indem die Siedlungsentwicklung mit diesen Anliegen abgestimmt wird Als Lerninhalt waumlre ein tieferes und systemisches Verstaumlndnis fuumlr Zusam-menhaumlnge von Raumplanung Klimaschutz und Energiewende zu nennen um raumplanerische Gestal-tungsmoumlglichkeiten fuumlr Energiewende und Klimaschutz nutzen zu koumlnnen und gleichzeitig zu erkennen dass diese Anliegen eine nachhaltige raumlumliche Entwicklung und mehr Lebensqualitaumlt fuumlr die Bevoumllke-rung befoumlrdern koumlnnen An Lernmethoden koumlnnen u a Kommunikation Partizipation Einsetzen von strategischen Datenbasen Planungsinstrumenten strategischen Planungsmethoden und Planungs-tools eingesetzt werden um Erkenntnisprozesse auf der Sach- und auf der Wertebene in Gang zu set-zen Schlussendlich waumlre als Lernergebnis die rechtliche Verankerung in den Plaumlnen und Programmen der uumlberoumlrtlichen und oumlrtlichen Raumplanung sowie die praktische Umsetzung von Energieraumpla-nung zu sehen

Fazit Energiewende und Klimaschutz als zentrale gesellschaftliche Herausforderungen brauchen energie-raumplanerische Unterstuumltzung da raumlumliche Strukturen die Gestaltungsmoumlglichkeiten der Energie-wende wesentlich beeinflussen Dafuumlr sind strategische Herangehensweisen notwendig die alle Ebe-nen und Handlungsoptionen staatlichen Handelns einsetzen um nicht nur schluumlssige Planungen vor-legen zu koumlnnen sondern auch deren Umsetzung zu begleiten In diesem Beitrag wurden sowohl grundsaumltzliche Uumlberlegungen vorgestellt die der derzeitigen For-schung zur Energieraumplanung am IRUB zu Grunde liegen als auch Beispiele fuumlr deren Umsetzung diskutiert Damit kann aufgezeigt werden dass Raumplanung in vielerlei Hinsicht einen wesentlichen

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Beitrag fuumlr Klimaschutz und Energiewende leisten kann Raumplanung bietet zunaumlchst rechtliche Rah-menbedingungen um Klimaschutz und Energiewende auf regionaler und lokaler Ebene implementie-ren zu koumlnnen Hier waumlre die Verbindlichkeit von klimaschutz- und energiewendeorientierten Pla-nungszielen zu erhoumlhen um diese Aspekte in der planerischen Abwaumlgung entsprechend hoch zu ge-wichten In Planungsprozessen kann Bewusstseinsbildung unmittelbar vorangetrieben werden sofern diese partizipativ gestaltet werden Daruumlber hinaus besteht das Potenzial energieraumplanerische Herangehensweisen zur Gestaltung von finanziellen Anreizsystemen und Lenkung oumlffentlicher Investi-tionen im Sinne von Klimaschutz und Energiewende anzuwenden wenn energieraumplanerische As-pekte ndash insbesondere auch Lagekriterien sowie bodenpolitische Instrumentarien ndash in die finanziellen Anreiz- und Lenkungssysteme integriert werden Damit bleibt zu hoffen dass diese Moumlglichkeiten umfassend genutzt und laufend weiterentwickelt werden

Literatur

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Die deutsche Energiewende zwischen Wirtschafts- und Klimazielen ndash eine geographische Perspektive

Britta Klagge (1)

DOI 10347261030

(1) Prof Dr Geographisches Institut der Universitaumlt Bonn

Abstract

Die deutsche Energiewende wird weltweit als Erfolgsmodell fuumlr eine dezentrale Umstellung auf erneu-erbare Energien (EE) diskutiert Dabei wird oft uumlbersehen dass diese sich bisher weitgehend auf den Stromsektor beschraumlnkt hat waumlhrend die Umstellung des Waumlrme- und Verkehrssektors nur zoumlgerlich voranschreitet Weiterhin gingen steigende EE-Anteile in der Stromerzeugung lange nicht mit einer entsprechenden Reduzierung der Treibhausgasemissionen einher Der Beitrag erlaumlutert die zugrunde-liegenden Governance-Strukturen und deren Einordnung im Schnittfeld von Raumplanung Wirt-schafts- und Klimapolitik Anhand von zwei aktuelleren klima- und energiepolitischen Maszlignahmen (Klimapaket 2019 SINTEG-Modellregionen 2017-2020) wird deutlich dass der Fokus der juumlngeren deutschen Energiewendepolitik ndash wie bisher ndash vor allem auf EE als Wirtschaftsfaktor liegt wobei nun eine Ausweitung auf den Waumlrme- und Verkehrssektor angestrebt wird Aus geographischer Perspek-tive laumlsst sich konstatieren dass die Maszlignahmen zwar dezentrale bzw regionale Strukturen beruumlck-sichtigen und nutzen jedoch insbesondere zur Effizienzsteigerung und weniger um damit partizipative Strukturen zivilgesellschaftliches Engagement oder Debatten zur Nachhaltigkeit der Energiewende zu befoumlrdern

Schluumlsselbegriffe

Erneuerbare Energien (Mehrebenen-)Governance Effizienz- und Marktorientierung Klimapolitik Nachhaltigkeitsstrategien

Klagge B (2021) Die deutsche Energiewende zwischen Wirtschafts- und Klimazielen ndash eine geographische Perspektive In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung - ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energie-wende Wien reposiTUm S119-129

Klagge (2021) Die deutsche Energiewende zwischen Wirtschafts- und Klimazielen ndash eine geographische Perspektive DOI 10347261030

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Inhalt Einfuumlhrung 121

Geographien und Governance der deutschen Energiewende 121

Die deutsche Energiewende positive wirtschaftliche Effekte aber klimapolitisch (bisher) kein Erfolg 123

Aktuelle klima- bzw energiepolitische Maszlignahmen Klimapaket (2019) und SINTEG-Modellregionen (2017-2020) 124

Das Klimapaket von 2019 umfangreiches Investitionsprogramm aber klimapolitisch wenig ambitioniert 124

SINTEG 2017-2020 Foumlrderung von Modellregionen fuumlr smarte (Verteil-)Netze und flexible Maumlrkte durch Digitalisierung 125

Fazit und Ausblick 126

Literatur 127

Klagge (2021) Die deutsche Energiewende zwischen Wirtschafts- und Klimazielen ndash eine geographische Perspektive DOI 10347261030

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Einfuumlhrung

Die deutsche Energiewende also der Umbau des deutschen Energiesystems zu erneuerbaren Ener-gien befindet sich an einem kritischen Punkt Bisherige Maszlignahmen haben im Stromsektor viel er-reicht und insbesondere bei der Stromerzeugung aus Wind und Sonne sind groszlige technologische Fort-schritte verbunden mit deutlichen Kostensenkungen zu verzeichnen Dennoch bleiben mit Blick auf das gesamte Energiesystem eine Vielzahl von Herausforderungen die sich stichwortartig folgender-maszligen benennen lassen Oumlkonomische Effizienz undoder soziale Gerechtigkeit Technologieentwick-lung vor allem bei Stromspeicherung und Netzstabilitaumlt Ressourcenverbrauch bzw -effizienz sowie Flaumlchenverbrauch und -konkurrenzen Umwelt- und Klimaschutz vor allem Minderung der CO2-Emis-sionen Ausweitung auf Waumlrme- und Verkehrssektor bzw Sektorkopplung sowie nicht zuletzt die Ak-zeptanz Diese aktuellen Herausforderungen der deutschen Energiewende bewegen sich im Uumlber-schneidungsbereich technologischer soziooumlkonomischer und politisch-planerischer Entwicklungen und erfordern eine integrative Herangehensweise Im vorliegenden Beitrag wird aus Sicht der Geographie die Frage aufgeworfen wie der Next Level also die naumlchste Phase der Energiewende aussehen kann und in welche Richtung die aktuell verfolgte Po-litik weist Dazu wird zum einen die Bedeutung der regionalen Ebene sowie regionaler und zivilgesell-schaftlicher Akteure diskutiert die in der Fruumlhphase eine wichtige Rolle spielten Zum anderen werden Ausrichtung und Erfolge der Energiewende-Politik im Spannungsfeld von Wirtschafts- und Klimazielen analysiert Neben wirtschaftlichen Effekten und der Minderung von CO2-Emissionen geht es auch da-rum inwieweit bisherige und aktuelle Energiewende-Entwicklungen sowie aktuelle politische Maszlig-nahmen als nachhaltig bezeichnet werden koumlnnen Hierzu wird auf die drei in der Literatur diskutierten Nachhaltigkeitsstrategien ndash Effizienz Konsistenz und Suffizienz1 ndash Bezug genommen (Huber 2000 Pufeacute 2017 von Winterfeld 2007) Als Grundlage fuumlr die weiteren Uumlberlegungen folgen zunaumlchst Ausfuumlhrungen zum bisherigen Verlauf der Energiewende aus einer geographischen (Governance-)Perspektive und deren Einordnung im Schnittfeld von Raumplanung Wirtschafts- und Klimapolitik Anschlieszligend wird gezeigt dass die bis-herige Energiewende hinsichtlich der Minderung der CO2-Emissionen erst seit sehr kurzer Zeit erfolg-reich ist und hierfuumlr vor allem externe Entwicklungen verantwortlich sind Vor diesem Hintergrund werden das Klimapaket von 2019 sowie das SINTEG-Modellprogramm (2017-2020) als aktuelle Maszlig-nahmen der deutschen Energiewende-Politik vorgestellt und hinsichtlich ihrer wirtschafts- und klima-politischen Zielsetzungen sowie der Bedeutung von Nachhaltigkeitsstrategien diskutiert Im abschlie-szligenden Fazit werden Schlussfolgerungen zu einem moumlglichen Next Level der deutschen Energiewende gezogen

Geographien und Governance der deutschen Energiewende

Bevor wir uns der Frage nach der Zukunft zuwenden geht der Blick zuruumlck Die deutsche Energiewende hatte am Anfang eine stark dezentrale bzw regionale Dimension (Klagge amp Brocke 2013) Sie war ge-praumlgt durch eine Vielzahl kleinerer und uumlber das ganze Land verteilter Anlagen Dabei orientierten sich die Muster auch an den natuumlrlichen Gegebenheiten mit vielen Windanlagen im Norden und den meis-ten PV2-Anlagen im Suumlden (vgl hier und im Folgenden Campos Silva amp Klagge 2018) Die wichtigsten

1 Effizienz bezieht sich auf ein verbessertes Verhaumlltnis zwischen Ressourceneinsatz und Output also das Verhaumlltnis zwischen

Input und Output ndash z B durch neue wirksamere Technologien ndash zu optimieren Bei Konsistenz geht es um den Erhalt natuumlr-licher Ressourcen durch naturvertraumlgliche Prozesse und Technologien insbesondere im Sinne einer Kreislaufwirtschaft Suf-fizienz richtet sich auf einen geringeren Ressourcenverbrauch durch die Reduktion des Konsums bzw der Nachfrage

2 PV Photovoltaik

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Investoren waren zu Beginn Landwirte und Buumlrger die sich teilweise zu Buumlrgerenergiegenossenschaf-ten bzw in anderen Rechtsformen (z B GmbH amp Co KG) zusammenschlossen Damit verbunden wa-ren vielerorts zivilgesellschaftliche Energiewende- und Klimaschutz-Initiativen als weitere neue Parti-zipations- und Organisationsformen auf lokaler Ebene (Bauriedl 2016 Moss et al 2015) weit verbrei-tete Beispiele sind 100 -Erneuerbare-Energien-Regionen lokale Klimaschutzkonzepte oder Bio-Ener-giedoumlrfer Manche Stadt- und Regionalwerke gehoumlrten als lokale bzw regionale Akteure ebenfalls zu den Treibern allerdings waren diesbezuumlglich zu Beginn der Energiewende groszlige Unterschiede festzu-stellen und nur wenige Pioniere bzw Pionierregionen auszumachen (Klagge amp Brocke 2013) Inzwischen spielen groszlige Anlagen und regionsexterne Investoren eine immer wichtigere Rolle Dazu gehoumlren Projektierungsgesellschaften die vielfach mit der Energiewende gewachsen sind aber auch die lange zoumlgernden groszligen Energiekonzerne sowie viele Stadt- und Regionalwerke (Berkel 2013 Cam-pos Silva amp Klagge 2018 Greenpeace 2011) Ein wachsendes Problembewusstsein fuumlr negative Effekte von Erneuerbare-Energie-Anlagen in deren unmittelbarer Naumlhe haben allerdings Akzeptanzprobleme und Konflikte befoumlrdert und zwar vor allem dort wo vor Ort keine Teilhabe an den positiven insbe-sondere finanziellen Wirkungen besteht (Bosch 2021) Die aktuelle Energiewende-Politik traumlgt dem Rechnung indem sie einerseits auf planerischer Ebene Regeln fuumlr den Abstand von Erneuerbare-Ener-gie-Anlagen zur Wohnbebauung erwaumlgt und festsetzt sowie andererseits die Moumlglichkeiten der lokalen Teilhabe durch politisch-planerische Regelungen diskutiert werden (z B Beirat fuumlr Raumentwicklung 2015 S 10 ff BWE 2020) Jenseits lokaler Loumlsungsansaumltze verbleiben jedoch die oben genannten Her-ausforderungen die einen integrierten Ansatz erfordern der technologische mit wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aspekten verknuumlpft und dabei Fragen des Gemeinwohls sowie der Verfahrens- und Verteilungsgerechtigkeit beruumlcksichtigt Eine offene Frage ist dabei welche Bedeutung regionale und zivilgesellschaftliche Strukturen in den Governance-Strukturen der Energiewende haben sollen bzw koumlnnen Die Energiewende die in der Literatur haumlufig als soziotechnische Transition konzeptualisiert wird ist ein politisch gesteuerter Prozess (Becker amp Klagge 2017 Moss 2021 Schmid et al 2016) Politische Akteure auf unterschiedlichen Maszligstabsebenen setzen Rahmenbedingungen und Anreize innerhalb derer privatwirtschaftlich agierende ndash darunter oumlffentliche und zivilgesellschaftliche ndash Akteure den Ausbau erneuerbarer Energien umsetzen (Klagge 2013) Dieser politische Prozess bzw die Energie-wende-Politik findet im Uumlberschneidungsbereich von Umwelt- und Wirtschaftspolitik sowie Raumpla-nung statt (Abb 1) Dieses Dreieck spiegelt die in der Einleitung benannten Herausforderungen wider und verweist auf das Spannungsfeld zwischen Wirtschafts- und Klimazielen in der Energiepolitik

Abb 1 Energie als integ-ratives Politikfeld Quelle eigene Darstellung

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Die deutsche Energiewende positive wirtschaftliche Effekte aber klimapolitisch (bisher) kein Erfolg

Die deutsche Energiewende wurde weltweit als Erfolgsmodell gefeiert (Jacobsson amp Lauber 2006 Lipp 2007) Ausgehend von relativ groszligzuumlgigen Einspeiseverguumltungen und einem Einspeisevorrang ndash im Jahr 2000 im ersten Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgelegt ndash hat eine groszlige Zahl unterschied-licher Investoren in Erneuerbare-Energie-Anlagen investiert (Campos Silva amp Klagge 2018) In der Folge ist der Anteil des Stroms aus erneuerbaren Energien in Deutschland sukzessive auf inzwischen uumlber 40 gestiegen wodurch verschiedene positive wirtschaftliche Effekte erzielt wurden So sind zu-naumlchst vor allem auf lokaler und regionaler Ebene technologiespezifische Wertschoumlpfungsketten und Arbeitsplaumltze entstanden (Hirschl et al 2010) Mit dem Wachstum der Technologiemaumlrkte im In- und zunehmend im Ausland haben sich in Deutschland exportorientierte Industrien und Zulieferer insbe-sondere in der Wind- und Solarindustrie sowie in damit verbundenen Dienstleistungsbereichen ent-wickelt (Dewald 2021 Lipp 2007 Menzel 2021) In der politischen Diskussion um die Energiewende wurde diese daher vom Bundeswirtschaftsminister auch als bdquoeines der groumlszligten Modernisierungspro-jekte fuumlr den Wirtschaftsstandort Deutschlandldquo beworben (BMWi 2019a) Mit dem Fortschreiten der Energiewende wurden allerdings die kritischen Stimmen lauter Neben lo-kalen Akzeptanzproblemen und -konflikten ging es dabei um die steigenden Strompreise und die Effi-zienz der Foumlrderung durch Einspeiseverguumltungen Vor diesem Hintergrund wurde die Foumlrderung mit der EEG-Novelle von 2017 auf ein Ausschreibungsmodell umgestellt und damit ndash so die Kritiker dieser Novellierung ndash der wirtschaftlich und gesellschaftlich vorteilhafte dezentrale Ausbau ausgebremst Dies ist auch deshalb problematisch weil aufgrund von Rationalisierungs- und Verlagerungsprozessen ndash so der Niedergang der PV-Anlagen-Produktion in Deutschland bei gleichzeitigem Wachstum einer entsprechenden Industrie in China (vgl Dewald 2021) ndash industrielle Wertschoumlpfung und Arbeitsplaumltze im Bereich der erneuerbaren Energien in Deutschland stagnieren bzw bereits wieder zuruumlckgehen (vgl AEE o J) Ein weiterer grundsaumltzlicher Kritikpunkt an der deutschen Energiewende-Politik betrifft den Umgang mit Strom aus Kohle und der daraus resultierenden Entwicklung der CO2-Emissionen So wurden die mit der Energiewende verfolgten Klimaziele in Deutschland nicht erreicht da gleichzeitig mit dem Aus-bau der erneuerbaren Energien die Emissionen aus der Kohleverstromung in einigen Jahren sogar noch anstiegen (Abb 2) Aufgrund der Funktionsweise des Strommarkts (insbes Merit-Order-Effekt) hat sich am Strommarkt neben den erneuerbaren Energien vor allem der guumlnstige Strom aus der sehr schmut-zigen Braunkohle durchgesetzt Hintergrund hierfuumlr waren die lange Zeit sehr niedrigen Preise fuumlr Emissionszertifikate Erst mit deren Preisanstieg sind die CO2-Emissionen der Energiewirtschaft ab 2018 deutlich gesunken Dieser Zusammenhang verdeutlicht dass die EE-Foumlrderung und ein hoher EE-Anteil am Strommarkt allein nicht ausreichen um Klimaziele zu erreichen sondern dass es zusaumltzlich einer Sanktionierung der CO2-intensiven Stromerzeugung bedarf ndash insbesondere vor dem Hintergrund dass der vollstaumlndige Ausstieg aus der Kohleverstromung in Deutschland nach jetzigem Stand der Dinge erst bis 2038 erfolgen soll und sogar dieses spaumlte Datum noch gerichtlich angefochten wird

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Abb 2 Entwicklung der CO2-Emissionen in Deutschland nach Sektoren 1990-2019 und der Preise fuumlr EU-Emissionszertifikate 2008-2019 (bis 2010 gestaucht) Quelle DEHSt o J UBA 2020a eigene Darstellung

Trotz der juumlngsten Erfolge im Stromsektor sind die Herausforderungen zur Minderung der CO2-Emissi-onen in der Energiewirtschaft nach wie vor groszlig Denn eine umfassend verstandene Energiewende muss neben dem Strom- auch den Waumlrme- und den Verkehrssektor beruumlcksichtigen und hier sind bisher wenig Fortschritte zu verzeichnen Waumlhrend der Anteil der erneuerbaren Energien im Stromsek-tor bereits 42 betraumlgt liegt dieser im Waumlrme- und im Verkehrssektor nur bei 145 bzw 56 entsprechend ist im Jahr 2019 die Stromerzeugung fuumlr den weitaus uumlberwiegenden Teil der durch die Nutzung erneuerbarer Energien vermiedenen Treibhausgasemissionen verantwortlich (78 ) wohin-gegen Waumlrme und Verkehr lediglich 18 bzw 4 beitragen (UBA 2020b) Fuumlr die Zukunft bietet daher die Transformation des Waumlrme- und des Verkehrssektors noch groumlszligere Herausforderungen als die wei-tere Energiewende im Stromsektor Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund sind aktuelle klima- und energiepolitische Maszlignahmen breiter angelegt

Aktuelle klima- bzw energiepolitische Maszlignahmen Klimapaket (2019) und SIN-TEG-Modellregionen (2017-2020)

Als Reaktion auf die Herausforderungen der Energiewende sowie des rasch voranschreitenden Klima-wandels hat die Bundesregierung nicht nur das EEG weiterentwickelt sondern zusaumltzliche Maszlignah-men ergriffen Hierzu gehoumlren als wichtige Bausteine die SINTEG-Modellregionen und das Klimapaket die den Umbau des Energiesystems auf erneuerbare Energien beschleunigen die Entwicklung und den Einsatz von neuen Technologien und Geschaumlftsmodellen unterstuumltzen Anreize fuumlr entsprechende In-vestitionen geben und damit helfen sollen die im Klima-Abkommen von Paris (2015) zugesagten Kli-maziele zu erreichen Im Folgenden werden die beiden genannten Maszlignahmen vorgestellt und kritisch diskutiert

Das Klimapaket von 2019 umfangreiches Investitionsprogramm aber klimapolitisch wenig am-bitioniert

Unter dem Stichwort bdquoEntlasten und investierenldquo werden mit dem Klimapaket von 2019 Maszlignahmen gebuumlndelt die einen Beitrag zur Minderung des CO2-Ausstoszliges in Energiewirtschaft Industrie Gebaumlu-den Verkehr Land- und Forstwirtschaft Landnutzung und Abfallwirtschaft leisten sollen (vgl hier und

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im Folgenden Die Bundesregierung 2020) Als bdquoHerzstuumlckldquo besonders positiv hervorzuheben ist die Ein-beziehung des Waumlrme- und des Verkehrssektors in die CO2-Bepreisung in Deutschland nachdem bis-her lediglich Industrie und Stromerzeugung den Verpflichtungen des europaumlischen Emissionshandels unterlagen Allerdings ist die staatlich festgelegte Preisentwicklung mit einem Wert von zunaumlchst EUR 25- im Januar 2021 der bis 2025 auf immerhin EUR 55- ansteigt wenig ambitioniert (Janson 2019) ndash und das obwohl das Beispiel des Stromsektors bereits gezeigt hat dass nur bei einem ausreichend hohen CO2-Preis entsprechende Lenkungswirkungen zu verzeichnen sind Insgesamt zeichnet sich das Klimapaket durch einen starken Fokus auf Effizienz sowie wirtschaftliches Wachstum aus Letzteres soll durch eine Vielzahl unterschiedlicher und teilweise sehr kleinteiliger Foumlr-dermaszlignahmen fuumlr Unternehmen Kommunen und Hauseigentuumlmer angeregt und unterstuumltzt werden (BMWi 2020a) Dabei spielen Aspekte wie Reduktion des Ressourcenverbrauchs (Suffizienz) und Kreis-laufwirtschaft (Konsistenz) keine bzw eine untergeordnete Rolle Auszligerdem weisen die nicht-ver-kehrsbezogenen Maszlignahmen nur eine relativ geringe Anschlussfaumlhigkeit an regionale bzw zivilgesell-schaftliche Initiativen und Kooperationen auf

SINTEG 2017-2020 Foumlrderung von Modellregionen fuumlr smarte (Verteil-)Netze und flexible Maumlrkte durch Digitalisierung

SINTEG steht fuumlr bdquoSchaufenster intelligente Energie ndash Digitale Agenda fuumlr die Energiewendeldquo und soll fuumlnf Modellregionen die Deutschland uumlberschneidungsfrei und weitgehend vollstaumlndig abdecken (Abb 3) dabei foumlrdern technologische wirtschaftliche und rechtliche Musterloumlsungen fuumlr den Ener-giemarkt zu entwickeln (vgl hier und im Folgenden BMWi 2020b) SINTEG setzt bdquoan allen Bausteinen der Energieinfrastruktur und bei allen Akteuren an um sie mit Hilfe digitaler Technologien in einem intelligenten digitalen Energienetz zu verbindenldquo Es geht insbesondere darum die Digitalisierung fuumlr die Energiewende in Wert zu setzen und zwar durch die Nutzung dezentraler Kapazitaumlten der Strom-erzeugung und -speicherung (unter anderem virtuelle Kraftwerke) die effiziente Sektorkopplung von Strom Waumlrme und Verkehr sowie innovative Technologien und flexible Marktmechanismen fuumlr Haus-

halte und Unternehmen bei einem ho-hen Anteil erneuerbarer Energien Ziele sind dementsprechend der effiziente und sichere Netzbetrieb vor allem die effizientere Nutzung der dezentralen Netze das Heben von Effizienz- und Fle-xibilitaumltspotenzialen die Entwicklung neuer Geschaumlftsmodelle sowie das bdquoef-fiziente [hellip] und sichere [hellip] Zusammen-spiel aller Akteure im intelligenten Energienetzldquo Abb 3 SINTEG-Modellregionen Quelle BMWi 2019b eigene Darstellung

Wie bereits die Beschreibung verdeutlicht liegt der Fokus von SINTEG auf der Hebung von Effizienzpo-tenzialen sowie auf der sicheren Stromversorgung Damit werden viele der aktuellen Herausforderun-gen der fortgeschrittenen Energiewende aufgegriffen (siehe oben) Regionale Strukturen sind dabei insofern von Bedeutung als dass auf Ebene der Verteilnetze Effizienzpotenziale ausgelotet und Nut-zungsmodelle entwickelt und ausprobiert werden sollen Spannend ndash und uumlber bisherige Energie-wende-Aktivitaumlten hinausgehend ndash ist dabei das explizite Bemuumlhen um Sektorkopplung also die Ver-knuumlpfung von Strom- Waumlrme- und Verkehrssektor Dazu sollen neben technologischen Herausforde-rungen (Speicherung Power-to-X-Technologien) innovative Marktmechanismen entwickelt werden

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Neben dem starken Fokus auf Effizienz spielen bei SINTEG auch gewisse Aspekte einer Kreislaufwirt-schaft (Konsistenz) im Bereich Stromerzeugung und -speicherung eine Rolle Aus geographischer Per-spektive ist dabei die Foumlrderung regional integrierter Ansaumltze mit einem hohen Innovationspotenzial positiv hervorzuheben die allerdings auf Seite der Akteure von Netzbetreibern Stromversorgern und Industrie sowie von technologischen und marktorientierten Loumlsungen dominiert werden Dementspre-chend ist die Bedeutung zivilgesellschaftlicher Initiativen eher gering und Buumlrger werden vor allem als Marktakteure (Konsumenten bzw Prosumenten) eingebunden

Fazit und Ausblick Erneuerbare Energien haben sich in Deutschland spaumltestens seit der Jahrtausendwende zu einem zent-ralen Gegenstand der Wirtschafts- und Klimapolitik sowie der Raumplanung entwickelt Dabei haben sich Emissionszertifikate als wichtiges Instrument erwiesen deren Wirkung allerdings von ihrem Preis abhaumlngt der lange viel zu niedrig lag Die Ausweitung auf den Waumlrme- und Verkehrssektor im Rahmen des Klimapakets von 2019 ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Erreichung der deutschen Klimaziele allerdings ist auch hier die Preisfrage zentral fuumlr eine signifikante Minderung der CO2-Emis-sionen Daruumlber hinaus foumlrdert die deutsche Politik im Rahmen ihrer Technologiefoumlrderung sowie in den fuumlnf SINTEG-Modellregionen neue technologische Loumlsungen und ihre Umsetzung unter anderem in den Bereichen Speicherung Sektorkopplung und Power-to-X Die damit verbundene Verknuumlpfung und integrative Betrachtung von Strom- Waumlrme- und Verkehrssektor birgt viele Potenziale bei deren ndash auch dezentraler ndash Nutzung digitale Technologien eine zentrale Rolle spielen (sollen) Insgesamt liegt der Fokus der aktuellen Energiewende-Politik stark auf der Effizienzsteigerung und ndash wie bisher ndash erneuerbaren Energien als Wirtschaftsfaktor Neben der sicheren und bdquoleistbarenldquo Strom-versorgung geht es also um die Unterstuumltzung internationaler Wertschoumlpfungsketten sowie die Foumlrde-rung neuer Technologien und exportorientierter Unternehmen in Deutschland Klimapolitisch sind die aktuellen Maszlignahmen dagegen weniger ambitioniert weder wird Wachstum im Sinne einer Suffi-zienzstrategie in Frage gestellt noch werden Ansaumltze der Kreislaufwirtschaft im Sinne einer Konsistenz-strategie an zentraler Stelle beruumlcksichtigt Die regionale Ebene und zivilgesellschaftliche Initiativen sind nur von untergeordneter Bedeutung und dienen ndash so wie bei SINTEG ndash vor allem der Hebung von (weiteren) Effizienzpotenzialen (hier in den regionalen Verteilnetzen) und weniger einer breiten Betei-ligung von Buumlrgern und Zivilgesellschaft Aus geographischer Perspektive laumlsst sich konstatieren dass die hier diskutierten aktuellen Maszlignah-men der Energiewende-Politik zwar dezentrale bzw regionale Strukturen beruumlcksichtigen und nutzen jedoch insbesondere zur Effizienzsteigerung und weniger um damit partizipative Strukturen zivilge-sellschaftliches Engagement oder Debatten zur Nachhaltigkeit der Energiewende zu befoumlrdern Dieses Defizit kann jedoch durch einen kreativen Umgang seitens der genannten Akteure gemildert werden So koumlnnen in den gefoumlrderten Maszlignahmen und Projekten bei entsprechenden Interventionen bzw Engagements neue Formen der lokalen Koordination und Steuerung (weiter)entwickelt bzw auspro-biert werden (Becker amp Naumann 2017) Daruumlber hinaus bieten die Maszlignahmen im Allgemeinen und die konkreten Projekte vor Ort einen Anlass fuumlr Debatten uumlber die damit verfolgten Nachhaltigkeits-strategien In solchen Debatten koumlnnen gegenuumlber der zurzeit vorherrschenden Effizienz- und Markt-orientierung der deutschen Energiewende-Politik Fragen des Gemeinwohls sowie der Verteilungs- und Verfahrensgerechtigkeit staumlrker in den Vordergrund geruumlckt werden So wuumlrde der Next Level der Energiewende nicht der effizienz- und marktorientierten (Wirtschafts-)Politik uumlberlassen sondern eine Mitgestaltung durch Zivilgesellschaft und kritische regionale Akteure erreicht

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10 Jahre Forschung und Lehre zur Energieraumplanung am Institut fuumlr Raumplanung an der TU Wien Erfahrungen und Ausblick

Hartmut Dumke (1) Rudolf Giffinger (2) und Kurt Weninger (3)

DOI 10347261031

(1) UnivAss Dipl-Ing Dr techn Forschungsbereich Regionalplanung und Regionalentwicklung Institut fuumlr Raumplanung TU Wien ORCID 0000-0002-8111-9083

(2) UnivProf Magrernat Drtechn Forschungsbereich Stadt- und Regionalforschung Institut fuumlr Raumplanung TU Wien

(3) Senior Lecturer Dipl-Ing Dipl-Ing Forschungsbereich Bodenpolitik und Bodenmanagement Institut fuumlr Raumplanung TU Wien

Abstract

Nicht erst seit 10 Jahren sind die Anforderungen an die Energiewende verschaumlrft worden aber seit etwa 10 Jahren ist bdquoEnergieraumplanungldquo (ERP) ein wichtiger Forschungs- und Lehrschwerpunkt am Institut fuumlr Raumplanung der TU Wien geworden Der vorliegende Artikel zeigt dazu zunaumlchst die Kon-solidierung im Verstaumlndnis der Energieraumplanung in Oumlsterreich auf und gibt einen Uumlberblick uumlber die vielfaumlltige aber auch sehr heterogene Situation im Umgang mit dem Steuerungsinstrumentarium der Institutionalisierung und den Formen ihrer Verbindlichkeit in den Bundeslaumlndern Danach folgt ein Uumlberblick der wichtigsten Projekte und Lehraktivitaumlten zum Thema ERP seit 2011 am Institut fuumlr Raum-planung Der Artikel schlieszligt mit zwei Anforderungen zur verbesserten Wirksamkeit in Hinblick auf Ziele der Klimapolitik ndash dies vor allem aufgrund unbefriedigender Qualitaumlt und Verfuumlgbarkeit von Grundlagendaten und bislang unzureichender Serialitaumlt und Verbindlichkeit bisheriger ERP-Erfolge

Schluumlsselbegriffe

Energieraumplanung Institut fuumlr Raumplanung ERP Forschungsprojekte und -lehrveranstaltungen Modellierungen Serialitaumlt Verbindlichkeit Dumke H Giffinger R Weninger K (2021) 10 Jahre Forschung und Lehre zur Energieraumplanung am Institut fuumlr Raumpla-nung an der TU Wien Erfahrungen und Ausblick In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumpla-nung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S130-145

Dumke Giffinger Weninger (2021) 10 Jahre Forschung und Lehre zur Energieraumplanung am Institut fuumlr Raumplanung an der TU Wien Erfahrungen und Ausblick DOI 10347261031

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Inhalt Einleitung 132

Zur (Energie-)Raumplanung in Oumlsterreich 133

Rechtlicher Rahmen 133

Konsolidierung im Verstaumlndnis 133

10 Jahre Energieraumplanung in der forschungsgeleiteten Ausbildung 135

Wichtige evidenzbasierte transformative Forschungsprojekte zur Energieraumplanung 137

Problem- und umsetzungsorientierte Lehre zur Energieraumplanung 138

Zukuumlnftige Anforderungen an die Energieraumplanung 139

Resuumlmee und Ausblick 141

Literatur 142

Dumke Giffinger Weninger (2021) 10 Jahre Forschung und Lehre zur Energieraumplanung am Institut fuumlr Raumplanung an der TU Wien Erfahrungen und Ausblick DOI 10347261031

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Einleitung

Vor dem Hintergrund steigender Treibhausgasemissionen aber auch zunehmend klarer klimapoliti-scher Ziele stellen sich in den letzten Jahren verschaumlrfte Anforderungen zur Energiewende Dies sind insbesondere Anforderungen zur Verbesserung der Energieeffizienz (weniger Endenergieeinsatz bei gleichbleibendem Niveau der Lebensqualitaumlt) und Fragen des Umstiegs auf erneuerbare Energien Seit 2015 strebt die Europaumlische Union (Europaumlische Kommission 2015) eine Klimaunion mit dem uumlberge-ordneten Ziel an den Buumlrgern wie Buumlrgerinnen und Betrieben in den Mitgliedsstaaten sichere nach-haltige wettbewerbsfaumlhige und leistbare Energie anzubieten Zur Verminderung von Treibhausgasen (THG) empfehlen die Strategiedokumente der EU neben anderen Domaumlnen vor allem die Verbesserung der Energieeffizienz und den verstaumlrkten Einsatz erneuerbarer Energien auf Basis der Vereinbarungen von Paris (COP 21) Deren Umsetzung soll uumlber verschiedene Ansaumltze auf Ebene der EU und der einzel-nen Mitgliedstaaten erfolgen (Europaumlische Kommission 2015) Die schlieszliglich 2018 uumlberarbeitete Richtlinie von 2010 sieht zudem eine erhoumlhte Reduktion der Emissionen von mindestens 40 bis 2030 (Europaumlische Kommission 2021) vor wobei derzeit diese Ziele auf nationaler Ebene weiter praumlzisiert werden Diese Richtlinie forciert somit Energieeffizienz durch Nutzung geeigneter Technologien und Entwicklung innovativer Produkte durch verstaumlrkte Investitionen im Gebaumludesektor (insbesondere auch thermische Sanierung) (European Commission 2018) Damit im Zusammenhang steht auch das Ziel zum Umstieg und zur Erhoumlhung der Verwendung von erneuerbarer Energie die bis 2030 zumindest auf 32 steigen soll In Oumlsterreich sieht der integrierte nationale Energie- und Klimaplan die Reduktion der THG-Emissionen um 36 (gegenuumlber 2005) sowie die Erhoumlhung des Anteils erneuerbarer Energie am Bruttoendenergieverbrauch auf 46-50 und die 100ige Deckung des Stromverbrauchs aus Er-neuerbaren vor (BMNT 2019) Der Raumplanung und speziell der Energieraumplanung wird dabei eine wichtige integrale Rolle bezuumlglich Energieverbrauch und -versorgung zugemessen Raumplanung beschaumlftigt sich in Oumlsterreich schon seit langem mit Fragen der Trassenplanung zur Ener-gieversorgung und Standortsicherung zur Energieproduktion vor allem von Wasser- und Heizkraftwer-ken Diesen Aufgaben kommt sie aufgrund der verfassungsrechtlich definierten Kompetenzverteilung im Rahmen von Gemeinde- Stadt- und Regionalplanung klar nach Sie muss sich aber neben diesen Aufgaben heute mehr denn je neuen Aufgaben zur Unterstuumltzung der der Energiewende auf unter-schiedlichen Ebenen stellen Es bedarf somit vor allem einer effektiven Energieraumplanung die die Energieeffizienz im Gebaumludesektor und Siedlungsbereich sowie im Verkehrs- und Mobilitaumltsbereich forciert und den Umstieg in der Bereitstellung und Nutzung von erneuerbarer Energie voranbringt Das Institut fuumlr Raumplanung (vormals Department fuumlr Raumentwicklung Infrastruktur- und Umwelt-planung) an der TU Wien traumlgt diesen Herausforderungen seit 10 Jahren verstaumlrkt Rechnung indem es sich in Forschung und Lehre der Themen Energiepotenziale -bedarf -einsparungen und Mobilitaumlt an-nimmt Daraus entstand ein eigenstaumlndiger Ausbildungsschwerpunkt zur Energieraumplanung (ERP) In diesem Beitrag soll nun gezeigt werden wie sich ERP in Oumlsterreich im Laufe der letzten Jahre kon-solidiert und ein gemeinsames Verstaumlndnis herauskristallisiert hat Dazu werden als erstes die wich-tigsten rechtlichen Grundlagen kurz dargestellt und auf Basis verschiedener Beitraumlge und Dokumente aus den letzten Jahren das Verstaumlndnis von ERP zu einer zeitgenoumlssischen Definition verdichtet wozu auch Publikationen aus dem Institut fuumlr Raumplanung wesentlich beigetragen haben Zur Beschrei-bung zeitgenoumlssischer Fragestellungen werden die wichtigsten Schwerpunkte aus Forschung und Lehre aus dem Institut fuumlr Raumplanung aus den letzten Jahren dargestellt Darauf aufbauend werden die wichtigsten zukuumlnftigen Anforderungen an Forschung und Ausbildung zu Problemen der Energie-wende sowie Mitigation und Adaption entwickelt

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Zur (Energie-)Raumplanung in Oumlsterreich

Rechtlicher Rahmen

Gemaumlszlig der Erkenntnis des VfGH ist Raumordnung bdquokeine fuumlr sich stehende Verwaltungsmaterieldquo son-dern ein Buumlndel von Planungsbefugnissen (Verfassungsgerichtshof (VfGH) 1954) Das Raumplanungs-recht gilt somit als Querschnittsmaterie (Leitl 2006 S 106) wobei sie insofern als Landessache gilt als sie nach Art 10 bis 12 B-VG nicht explizit in die Zustaumlndigkeit des Bundes faumlllt Gemaumlszlig Art 15 B-VG faumlllt die allgemeine und integrierte Raumplanung somit den Laumlndern zu was sie sie daher von den Verwal-tungskompetenzen in Deutschland und der Schweiz klar unterscheidet Gleichzeitig durchbrechen sektorale Fachplanungskompetenzen des Bundes wie das Forstwesen der Bergbau das Eisenbahnwe-sen und das Wasserrecht diese grundsaumltzliche Zustaumlndigkeit der oumlsterreichischen Bundeslaumlnder fuumlr Raumplanung (vgl Kanonier 2013 S 24) Auszligerdem faumlllt die Vollziehung der oumlrtlichen Raumplanung nach Art 118 Abs 3 Z 9 B-VG in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden Weiters bestehen zu Aufgaben der Energieraumplanung noch eine Reihe rechtlicher Regelungen ins-besondere Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG zur Luftreinhaltung sowie Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG zur gewerbsmauml-szligigen Versorgung mit Fernwaumlrme und Gas in denen Gesetzgebung und Vollziehung sowie Installati-onsauflagen und Gebaumludestandards als Bundes- oder Landessache geregelt sind Nicht zuletzt ist als neueste rechtliche Regelung das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG 2020) zu nennen zu dem bis Ende Oktober 2020 Stellung genommen werden konnte Mit diesem Gesetz soll der Ausbau von Energie aus erneuerbaren Quellen geregelt werden und gleichzeitig verschiedene Gesetze zu weiteren erneuerba-ren Energiequellen sowie zur Energie- und Elektrizitaumltswirtschaft und zum Infrastrukturausbau geaumln-dert werden Der Beschluss war urspruumlnglich fuumlr den 112021 geplant steht aufgrund von andauern-den politischen Verhandlungen aber nach wie vor aus (DER STANDARD 2021) Das EAG 2020 (Parlament der Rep Oumlsterreich 2020) wird die Rahmenbedingungen fuumlr die Oumlkostromerzeugung weit-gehend aumlndern um in Zukunft privaten Stromerzeugern und Energiegemeinschaften Wege zur dezent-ralen Erzeugung und Nutzung zu ermoumlglichen Durch diese neuen Rahmenbedingungen soll der 100ige Umstieg auf Oumlkostrom1 bis zum Jahr 2030 ermoumlglicht werden indem die Oumlkostromproduk-tion mit zusaumltzlich ca 56 TWh um 48 gegenuumlber der derzeitigen Erzeugung vergroumlszligert wird (KPMG law 2020) Die weitaus groumlszligten Zuwaumlchse werden bei Photovoltaik (+1100 ) und bei Windkraft (+140 ) erwartet Da die Nutzung von beiden erneuerbaren Energiequellen das Mobilisieren groszliger Flaumlchen nebst neuen Standortanforderungen bringt wird rasch einsichtig dass in den naumlchsten Jahren groszlige Anforderungen an die ERP zukommen

Konsolidierung im Verstaumlndnis

Die Diskussion und Kennzeichnung was in Oumlsterreich unter Energieraumplanung zu verstehen sei hat in den letzten Jahren an Intensitaumlt zugenommen und an Praumlzision gewonnen Die Oumlsterreichische Raumordnungskonferenz OumlROK versteht unter Energieraumplanung

bdquoDie Herangehensweise mit der Gemeinden ihre Energie- und Klimazukunft nach-haltig positiv gestalten koumlnnen Das groszlige Ziel dabei ist Energie zu sparen Kosten zu senken und drastisch weniger CO2 auszustoszligenldquo (Oumlsterreichische Raumordnungskonferenz 2019)

1 Gemessen in rechnerischer Gesamtjahresbilanz haumllt Oumlsterreich aktuell bei einem erneuerbar gewonnenen Stromanteil (va

Wasserkraft) von 77 (BMK 2020) Dies ist zwar ein Spitzenwert im europaumlischen Vergleich es sollte dabei aber nicht vergessen werden dass die Energiebedarfe fuumlr Waumlrme und Mobilitaumlt etwa fuumlnf Mal so hoch sind als die fuumlr Elektrizitaumlt - bei gleichzeitig noch erheblich niedrigerem erneuerbaren Energie-Anteil

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Die Taumltigkeitsschwerpunkte liegen auf den drei Themen Energie Mobilitaumlt und Siedlungen also auf dem Umstieg auf erneuerbare Energiequellen auf kompakten Siedlungen mit bdquokurzen Wegenldquo im Sied-lungsgefuumlge (Stadt Region umweltfreundliche Verkehrsverbuumlnden) sowie auf verkuumlrzten Weglaumlngen und Lieferstrecken zwischen Produktion und Konsum von Energie Damit soll insbesondere das Ziel 11

(nachhaltige resiliente Staumldte und Gemeinschaften) der Sustainable Development Goals SDGs (United Nations 2015) unterstuumltzt werden Die Oumlsterreichische Raumordnungskonferenz OumlROK2 als ko-ordinierende Stelle zwischen Fachministerien und den ver-schiedenen Planungsebenen in Oumlsterreich (EU ndash Bund ndash Laumln-der ndash Gemeinden) etablierte die sogenannte Energiepart-nerschaft auf regionaler und lokaler Ebene Damit will die OumlROK strategische Ziele zur Energieeinsparung sowie zum Umstieg aus dem Potentialdreieck Mobilitaumlt - Siedlung ndash Energie forcieren

Abb 1 Das Potenzialdreieck bdquoMobilitaumlt-Siedlung-Energieldquo Quelle Oumls-terreichische Raumordnungskonferenz 2019

Das Umweltbundesamt UBA sieht fuumlr die Energieraumplanung einen neuen Instrumentenmix in den Bereichen Flaumlchenausweisung -recycling Oumlkologisierung des Finanzausgleichs sowie einer Nutzungs-steuer (Umweltbundesamt Oumlsterreich 2020) Deutlich umfassender als die doch sehr heterogenen Auffassungen von Energieraumplanung der Bun-deslaumlnder sind die Definitionen aus der wissenschaftlichen Sicht der Raumplanung Das Institut fuumlr Raumplanung Umweltplanung und Bodenordnung IRUB an der Universitaumlt fuumlr Bodenkultur Wien ver-steht dementsprechend Energieraumplanung

bdquoals Teilgebiet der Raumplanung mit den raumlumlichen Dimensionen von Energiever-brauch und Energieversorgung Sie ist ein wesentlicher Bestandteil zur Erfuumlllung der internationalen Klimaschutzziele Als Pendant zur Energieeffizienz von Gebaumluden gibt es auch energieeffiziente Raum- und Siedlungsstrukturen die sich durch Funk-tionsmischung maszligvolle Dichte kurze Wege und Kompaktheit auszeichnen Raumlum-liche Dimensionen der Energieversorgung liegen in der Standortsicherung von Ener-giegewinnungs- -verteilungs- und -speicheranlagen Daruumlber hinaus sind Flaumlchen fuumlr die Bereitstellung erneuerbarer Ressourcen zu sichern Dies ist unter moumlglichster Vermeidung von Landnutzungskonflikten vorausschauend zu planenldquo (Institut fuumlr Raumplanung Umweltplanung und Bodenordnung (IRUB) 2012)

Am Institut fuumlr Raumplanung an der TU Wien sieht Hartmut Dumke in seiner Dissertation fuumlr die Ener-gieraumplanung sehr heterogene Anforderungen - ausgehend vom sehr groszligen Konfliktpotenzial un-ter sich aumlndernden Bedingungen sowie der Vielfalt an Themen (Waumlrme Elektrizitaumlt Mobilitaumlt) Er de-finiert Energieraumplanung als ein integratives Bemuumlhen um die drei Zieldimensionen energietechni-sche Sanierung von Gebaumluden Erhoumlhung des Anteils erneuerbarer Energie und Senken des Energiebe-darfs im Siedlungsgefuumlge (Dumke 2017 S 21ndash22)

2 In Oumlsterreich ist Raumplanung (siehe dazu naumlchstes Kapitel bdquorechtliche Grundlagenldquo) in der Kompetenz der Bundeslaumlnder

Motivation fuumlr die Gruumlndung OumlROK war ua trotz dieser Tatsache einen bundeslanduumlbergreifenden Diskurs in der Raum-planung und Raumordnung zu ermoumlglichen

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Diese Denkweise haben mittlerweile auch strategische Konzepte auf Bundesebene aufgenommen al-lerdings verbunden mit dem Appell dass die Verankerung im Steuerungsinstrumentarium noch groszlig-teils aussteht

bdquoEine uumlberregional koordinierte und vorausschauende Energieraumplanung vor al-lem in Hinblick auf groszlige Infrastrukturprojekte fuumlhrt zu einer Reduktion des Kon-fliktpotenzials und dadurch zu einer houmlheren Akzeptanz in der Bevoumllkerung [ hellip] Dabei koumlnnen moderne integrierte Energiekonzepte in der Raumplanung zur Ent-scheidungsfindung bei Flaumlchenwidmung der Investition in Infrastruktur sowie Vergabe von Foumlrderungen wie der Wohnbaufoumlrderung eingesetzt werden Wichtig ist auch die Verankerung der Energieraumplanung in den Raumordnungsgesetzen bzw den Bauordnungen der Bundeslaumlnder wofuumlr es bereits erfolgreiche Beispiele gibtldquo (BMNT 2019)

Fasst man diese Perspektiven unter Beruumlcksichtigung der Einwaumlnde und Anforderungen einer Reihe von befragten Experten und Expertinnen an die ERP zusammen dann kann sie folgendermaszligen fuumlr die Planung in Oumlsterreich gekennzeichnet werden (vgl Giffinger et al 2020 S 9)

Energieraumplanung ist als zunehmend eigenstaumlndiges Teilgebiet der Raumpla-nung zu betrachten die unter Beruumlcksichtigung der raumlumlichen Dimensionen darauf abzielt Klimaziele zu unterstuumltzen Dies erfolgt durch Steuerungsansaumltze welche helfen den Energieverbrauch zu reduzieren und Energieversorgung und -bereitstel-lung unter Einsatz moderner Technologien dezentral und nachhaltig zu gestalten Wichtigste drei Zieldimensionen sind Energieeinsparung unter Beibehaltung der Versorgungssicherheit Umstieg und Steigerung des erneuerbaren Energieanteils am Gesamtbedarf und eine Veraumlnderung der Mobilitaumltsentwicklung auf Basis kom-pakter Siedlungen und umweltfreundlicher Mobilitaumltssysteme Angesichts der be-nannten Ziele zaumlhlen (1) das Flaumlchenmanagement zur Reduktion des Flaumlchenver-brauchs (2) die Bereitstellung von Flaumlchen zur Produktion und Nutzung erneuerba-rer Energieressourcen und (3) die Sicherung neuer Trassen zur Energie-Versorgung zu den Hauptaufgaben der Energieraumplanung Energieraumplanung bedarf an-gesichts der territorial spezifischen Rechtsbedingungen (international-national-fouml-deral-kommunal) eines integrierten Ansatzes zur Unterstuumltzung von Transformati-onsprozessen in einer Mehr-Ebenen Perspektive

International ist das Konzept bdquoEnergieraumplanungldquo mittlerweile als bdquoIntegrated spatial and energy planningldquo bekannt geworden und wurde von Oumlsterreich aus in die globale Fachwelt verbreitet Auch wenn der englische Begriff nicht dieselbe Kraft hat wie das deutsche Wort bdquoEnergieraumplanungldquo ist die Synergie zwischen den SDGs und den neun Handlungsfeldern der Energieraumplanung thematisch offensichtlich und wurde mittlerweile auch schluumlssig argumentiert (Stoumlglehner 2020)

10 Jahre Energieraumplanung in der forschungsgeleiteten Ausbildung

In der nun 50-jaumlhrigen Geschichte der Studienrichtung Raumplanung an der TU Wien ist das Thema Raumplanung ndash Energiebedarf ndash Ressourcenverbrauch seit jeher mehr oder weniger explizit in den Forschungs- und Ausbildungsschwerpunkten beruumlcksichtigt worden Einen guten Uumlberblick zur Ent-wicklung und Sichtweisen bieten hierzu die vielfaumlltigen Beitraumlge aus den Forschungsbereichen des In-stituts fuumlr Raumplanung (siehe Dillinger et al (2020) zu einzelnen Thematiken)

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Eine sogenannte Anschubfinanzierung durch die TU Wien fuumlhrte zu einer uumlber mehrere Forschungsbe-reiche koordinierten Beschaumlftigung zu Fragen der Energieraumplanung im Rahmen des Projekts ENUR ndash Energie im urbanen Raum 2012 bis 2014 (Department fuumlr Raumplanung 2013) Wichtige Ergebnisse des Projektes waren Analysen und Modellierungen des Energiebedarfs in den Bereichen WaumlrmeKuumlh-len und Mobilitaumlt in unterschiedlichen Raumbezuumlgen Rebound-Effekte bei Energieeinsparungen Governance-Analysen zur Energieraumplanung sowie Visualisierung von Energiekennzahlen in der oumlrt-lichen Planung Die Forschungsaktivitaumlten brachten eine Reihe von spezifischen Grundlagen wie fol-gende Abbildungen beispielhaft veranschaulichen3

Abb 2 Projekt ENUR Oumlsterreichweites Ras-termodell (250 x 250 m) zum Heizwaumlrmebe-darf in kWh pro Jahr und Einwohner und Ein-wohnerinnen Quelle Department fuumlr Raum-planung 2013

Abb 3 Projekt ENUR Gebaumludegenaue 3D-Modellierung von Energiekennzahl-Werten in Feldkirch Vorarlberg Quelle Department fuumlr Raumplanung 2013

Abb 4 Projekt ENUR Beispiel eines Akteurs-mappings Quelle Department fuumlr Raumpla-nung 2013

Diese Arbeiten waren Ausgangspunkt fuumlr die Etablierung des Themas Ener-gieraumplanung in der Studienrich-tung Raumplanung und Raumord-nung

3 Weitere Informationen und Abbildungen finden sich auf der Projektwebsite httpenurprojecttuwienacat

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Eine inzwischen groszlige Vielfalt von Forschungsprojekten sowie ein Doktoratskolleg zum Thema bdquoEnergy Awareness of urban and regional Developmentldquo erbrachte neben Publikationen eine Reihe entspre-chender praxisorientierter studentischer Projekte Seminare und Vorlesungen in der Studienrichtung vgl hierzu auch die Projektdatenbank der TU Wien (TU Wien 2021a) und die Publikationsdatenbank der TU Wien zum Schwerpunkt Umwelt und Energie (Schlagwort-Suche unter Fakultaumlt fuumlr Architektur und Raumplanung 2021) sowie die Lehrveranstaltungsangebote seit 2010 Da man dieser Vielfalt in der weiteren Darstellung nicht umfassend gerecht werden kann werden im folgendem zwei spezifi-sche Entwicklungslinien in Forschung und Lehre der letzten Jahre im Mittelpunkt erlaumlutert

Wichtige evidenzbasierte transformative Forschungsprojekte zur Energieraumplanung

Auf Basis programmatischer Foumlrderansaumltze zur Forcierung der Energiewende erfolgten im Institut fuumlr Raumplanung eine Reihe von Projekten zur Grundlagenforschung wie auch zur Prozessgestaltung Grundlagenforschung zur Energie- und Mobilitaumltswende erfolgte zum Beispiel in Projekten

bull zum kleinraumlumigen Energiebedarf (HeizenKuumlhlen) in den Siedlungsstrukturen Oumlsterreichs (ENUR ndash Energie im urbanen Raum Energieraumlumliche Typologie Wien AnergieUrban) oder zu den gebaumludespezifischen Energie-Einsparungspotentialen durch Sanierung im Projekt E_Profil

bull in einer bdquoVorstudie zum Fachkonzept bdquoEnergie-Raum-Planungldquo zu einigen Zielstellungen fuumlr verbindliche Verordnungen in der Wiener Bauordnung

bull zu den Erreichbarkeitsbedingungen nach verschiedenen Verkehrstraumlgern und deren subjekti-ver Einschaumltzungen zur Optimierung des Verkehrsangebots (Mobility2know GesMo ENUR active8 Remihub) und Beeinflussung des Nutzerverhaltens im Bereich der Shared Mobility (z B MICHAEL LaraShare Klimaentlaster) fuumlr eine nachhaltige und bedarfsorientierte Mobili-taumltsentwicklung

Forschung zur Prozessgestaltung erfolgte mithilfe sehr unterschiedlicher transdisziplinaumlrer Ansaumltze

bull Unter Verwendung eines mehrdimensionalen Profil-Ansatzes wurde im Projekt E_Profil ein evidenzbasierter Ansatz zum Vergleich IST-Profil und zukuumlnftiges SOLL-Profil zur Gestaltung der Energiewende in Form eines digitalen Tools erarbeitet um auf Ebene von Stadtquartieren Transitionsprozesse transparent zu gestalten

bull Um innovative Energieprojekte in strukturschwachen Regionen zu realisieren wurde im Pro-jekt PLAISIR herausgearbeitet welche Bedeutung dabei insbesondere sozialem Kapital zur Un-terstuumltzung einer an Ressourcen orientierten Energieraumplanung zukommt

bull Um die Mobilitaumltswende zu forcieren wurde im Projekt ULTIMOB vor dem Hintergrund mo-derner Technologien das Hauptaugenmerk auf das Zusammenspiel zwischen Verhalten der Nutzenden und Governance gelegt

bull Im Sinne transdisziplinaumlrer Forschung zur Mobilitaumltswende schafft das urbane Mobilitaumltslabor aspernmobil LAB im Sinne der bdquoquadruple helixldquo eine Forschungsumgebung um effiziente und praxisnahe Mobilitaumltsloumlsungen zu erarbeiten

bull Um die Effektivitaumlt von Strategien von Staumldten und Gemeinden angesichts von Klimawandel und Wettbewerbsdruck zu verbessern sind Projekte zum Thema Smart City durchgefuumlhrt wor-den Diese Projekte (Smart City Graz Planning Energy Efficient Cities ndash PLEEC Smart Kom Kra-kow Smart City Ebreichsdorf) entwickeln unter Einbeziehung von Stakeholdern aus den unter-schiedlichsten Fachbereichen der Stadtentwicklung in Befragungen Workshops und Arbeits-gruppen oder Netzwerken eine Reihe von strategischen Projekten zur Energie- und Mobilitaumlts-wende

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Problem- und umsetzungsorientierte Lehre zur Energieraumplanung

Aufbauend auf den oben beschriebenen Forschungsprojekten wurde mit Einfuumlhrung des Mastercurri-culums im Jahr 2012 das Thema verstaumlrkt in den Grundlagenlehrveranstaltungen und auch als vertie-fender Ausbildungsschwerpunkt in einem Wahlmodul Energieraumplanung verankert Im Fokus steht die Vermittlung von Steuerungsmoumlglichkeiten zu Fragen der energiebewussten Stadt- und Regional-entwicklung vor dem Hintergrund von Klimawandel und Ressourcenknappheit Die dabei benoumltigten Grundlagen zu den treibenden Faktoren im raumlumlich differenzierten Energiebedarf bezuumlglich Infra-strukturen und Mobilitaumlt Bebauungs- und Siedlungsstrukturen sowie Anforderungen an energie- und ressourcenschonende raumlumliche Entwicklung werden von den Studierenden im Rahmen der Lehrver-anstaltungen des Moduls erarbeitet Die Moumlglichkeiten aber auch die Grenzen der Raumplanung zur Reduzierung des Bedarfs einerseits sowie zur Steuerung einer nachhaltigen Versorgung (Einsparung Verlagerung auf erneuerbare Ressourcen) andererseits werden unter strategisch-konzeptiven und in-strumentellen Aspekten identifiziert diskutiert und kreativ weiterentwickelt um die entsprechenden Planungs- und fuumlr maszliggeschneiderte Loumlsungsvorschlaumlge zu definieren In der Hauptvorlesung werden einerseits Grundlagen und Kennzahlen im Bereich Energie rechtliche Rahmenbedingungen und ener-giepolitischen Ziele sowie Potenziale erneuerbarer Energietraumlger (mit Fokus auf Oumlsterreich) vermittelt Andererseits wird groszliges Augenmerk auf die Analyse der Energieeffizienz von Raum- und Siedlungs-strukturen sowie auf die direkten und indirekten Schnittstellen der Bereiche bdquoEnergieldquo (in den Dimen-sionen Waumlrme Strom Mobilitaumlt) und bdquoRaumplanungldquo sowie auf moumlgliche Steuerungsansaumltze gelegt In einer Vorlesungsuumlbung werden anhand ausgewaumlhlter (Praxis-)Beispiele die wesentlichen Schritte fuumlr eine erfolgreiche Energieraumplanung durchgefuumlhrt ndash die Studierenden beschaumlftigen sich dabei eigenstaumlndig mit der Evaluierung des Potenzials erneuerbarer Energietraumlger und Entwicklung von Sze-narien und Entwicklungsstrategien zur Optimierung bzw Weiterentwicklung vorhandener Raum- und Energiestrukturen Erstellung von Energieplaumlnen und Der Vermittlung der Ergebnisse an unterschied-liche Stakeholder Das schematische Vorgehen insbesondere in den praktischen Teilen folgt dem ab-gebildeten Prozess

Abb 5 Schematischer Ablauf der VU Energie- und klimarelevante Ana-lyse und Planung im WS 20192020 in Koopera-tion mit der Klima- und Energiemodell Region so-wie der Marktgemeinde Voumlsendorf Quelle Ei-gene Bearbeitung nach Dumke et al 2017a

Eine Reihe von weite-ren Vorlesungsuumlbun-gen vertiefen die Her-ausforderungen zur Steuerung von mitigativen und adap-tiven Prozessen hin zu

einer klimagerechten Entwicklung Dabei wird das Hauptaugenmerk auf die Qualitaumlt des Steuerungs-verstaumlndnisses gelegt einerseits durch die Analyse und Bewertung von Strategieplaumlnen und Marke-ting-Konzepten und andererseits von neuartigen Living Labs in verschiedenen Varianten Weitere Vor-lesungsuumlbungen fokussieren gezielt auf zukuumlnftige Planungsanforderungen um die Studierenden rechtzeitig auf neue Fragestellungen vorzubereiten

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Das Interesse die Nachfrage und die Leistungsbereitschaft der Studierenden sind dabei erfahrungsge-maumlszlig sehr hoch auch die Resultate wissen zu uumlberzeugen Im Folgenden ein Beispiel hierzu

Abb 6 Ergebnis studenti-scher Projektarbeit Quelle Marktgemeinde Voumlsendorf Klima- und Energiemodellre-gion Voumlsendorf Institut fuumlr Raumplanung (TU Wien) 2019

In Seminaren wird das Verstaumlndnis von Nachhaltigkeit Mitigation und Adaption Smart City oder wie zuletzt von Klimawandel und Resilienz in der Stadt- und Regionalentwicklung kritisch hinterfragt Ziel dieser Seminare ist das Vertiefen konzeptiver Ansaumltze um in eigenstaumlndiger Arbeit entsprechende Strategien von Staumldten und Regionen zu bewerten sowie Empfehlungen aus der Sicht der (Energie-) Raumplanung in einem prozessorientierten Verstaumlndnis zu erarbeiten

Zukuumlnftige Anforderungen an die Energieraumplanung

Betrachtet man Energieraumplanung aus der OumlROK-Perspektive als bdquoTeil der Raumplanungldquo so laumlsst sich sagen dass sowohl das bestehende (klassische) Instrumentarium als auch die (klassischen) Ziele der Raumplanung zur Steuerung der Siedlungsentwicklung auch fuumlr die Energieraumplanung geeignet sind Aufgrund der Erfahrungen zu zunehmend komplexeren Aufgaben der ERP ist aber auch zu beto-nen dass in der Umsetzung aufgrund der Kompetenzsplittung der Raumplanung zwischen Bundeslaumln-dern und Gemeinden sowie von Fachmaterien uumlber verschiedene Bundesministerien ein klares Defizit festzustellen ist (Schremmer 2020) Es braucht offenbar ein klar integratives auf die lokalen Bedingun-gen und Interessen abgestelltes Verstaumlndnis von ERP um veraumlnderte Flaumlchenanspruumlche und -nutzun-

gen zu koordinieren und Transitionsprozesse zur Energiewende effektiv steuern zu koumlnnen Ab-bildung 7 verdeutlicht die heute komplexen Anforderungen und Wir-kungsbereiche noch-mals denen sich die ERP heute gegenuumlbersieht

Abb 7 Wechselwirkungen Raumplanung und Energie Quelle Eigene Abbildung

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Die geaumlnderten Anforderungen spiegeln sich in der aktuellen Studienplanreform wider und gehen ge-meinsam mit dem stark verflochtenen Bereich Mobilitaumlt in ein neues erweitertes und vergroumlszligertes Wahlmodul ein Neben den bereits bestehenden Themen wird besonders Wert auf die integrative Be-trachtung des Bereichs Mobilitaumlt im Kontext von Umwelt und Klima und damit auch in Verbindung mit Energiebedarf als eine unverzichtbare Schnittstelle zur Energieraumplanung gelegt Durch die inte-grierte Betrachtung von Mobilitaumlt Verkehr und Energie sollen planerische Strategien Konzepte und Maszlignahmen unter Einbeziehung spezifischer Wirkungsauspraumlgungen (z B fuumlr Raum Umwelt Wirt-schaft und Gesellschaft) und Wechselwirkungen (z B Energieverbrauch Umweltbeeintraumlchtigung hellip) selbststaumlndig erarbeitet werden (Quelle Moduldeskriptor Wahlmodul 4 ndash Mobilitaumlt und Energie) Fuumlr kuumlnftige Forschungs- und Lehrinhalte ergeben sich aus der bisherigen 10-jaumlhrigen Erfahrung in Lehre und Forschung zwei strategische Anforderungen um die Kompetenz der Absolventinnen und Absolventen zu verbessern Erstens geht es unter dem Begriff bdquoDatenlage Datenschutz und Modellie-rungenldquo darum wie trotz nach wie vor unbefriedigender und sehr heterogener Qualitaumlt der Daten eine Verbesserung in den Modellierungen der Energieraumplanung erreicht werden kann Folgende Anforderungen stellen sich daher

bull Bestehende Datenschichten wie der AGWR (Statistik Austria 2013) liefern derzeit unzu-reichend belastbare Grundlagen fuumlr Aussagen auf Ebene der Gebaumlude- und Siedlungseinheiten zur Modellierung und Abschaumltzung des Energiebedarfs Bislang erfolgte Modellierungsansaumltze ndash ergaumlnzt durch Energiekennzahlen oder Sanierungsraten ndash liefern nur sehr ungenaue Aussa-gen (Department fuumlr Raumplanung 2013) Vielversprechend waumlren etwa lokale Erhebungen (Fachbereich Stadt- und Regionalforschung 2017) oder der verstaumlrkte Einsatz von Open Data und cloudbasierten User- und Userinnendaten Solche Datenquellen sollten dann Zweck ori-entiert den verschiedenen Akteursgruppen und insbesondere jenen in Forschung und Lehre zugaumlnglich gemacht werden

bull Im Bereich der Mobilitaumlt hat sich bezogen auf die Datengrundlagen in den letzten zehn Jahren viel getan Aus Daten der Verkehrsauskunft Oumlsterreich (VAO) der Graphenintegrationsplatt-form (GIP) oder auch den zuletzt entwickelten OumlV-Guumlteklassen wurden Daten- und damit ver-bundene Planungsgrundlagen erarbeitet Im Sinne einer integrierten Planung waumlre es notwen-dig solche Daten in einem einfach handhabbaren Format fuumlr alle Planenden sowie in For-schung und Lehre zur Verfuumlgung zu stellen Zurzeit kommt es zu groszliger Ineffizienz aufgrund mangelnder Moumlglichkeiten des Zugangs zu diesen Datenquellen Zudem fehlen in Oumlsterreich praumlzise und kleinraumlumige Paneldaten zum Mobilitaumltsverhalten uumlber laumlngere Zeitraumlume und mehrere Zeitpunkte die Verhaltensaumlnderungen und -variationen zeigen wuumlrden

bull Die vielgehoumlrte Kritik Analysen und Modelle mit Gebaumlude- oder Quartiersgenauigkeit sei in Oumlsterreich nicht mit dem Datenschutz zu vereinbaren ist zu respektieren aber kritisch zu hin-terfragen Auch in anderen EU-Laumlndern gibt es Datenschutzgesetze aber dort existieren Grundlagendaten gebaumludegenau und diese Informationen sind oumlffentlich und kostenfrei zu-gaumlnglich (vgl u a FIZ Karlsruhe ndash Leibniz-Institut fuumlr Informationsinfrastruktur GmbH 2018 und City of Amsterdam 2018)

bull Zwar gibt es im Sinne der Energieraumplanung mittlerweile interessante rasterbasierte Grund-lagendaten und -auswertungen wenngleich noch bei weitem nicht oumlsterreichweit Bereits be-sonders gut einsetzbare Tools und Daten gibt es derzeit nur in der Steiermark in Wien und in Salzburg) Zugleich bilden aber kleinraumlumige Rasterdaten Siedlungen oder Quartiere als physi-schen und funktional-relationalen Raum ab den sozial-relationalen Entscheidungsraum gilt es durch geeignete Methodentriangulation zu erfassen Die kuumlnftige Lehre und Forschung muss daher in interdisziplinaumlren Ansaumltzen versuchen ERP auf Quartiersebene zu etablieren um sinnvolle Bezuumlge zwischen gebautem unbebautem und sozialen Raum zu entwickeln welche belastbare Aussagen zur Transformationsprozessen ermoumlglichen

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Zweitens muss kuumlnftig auch das bestehende und neu zu entwerfende Instrumentarium der Energie-raumplanung unter dem Blickwinkel von Serialitaumlt und Verbindlichkeit bewertet werden um deren Effektivitaumlt zu verbessern

bull Das bestehende rechtliche Instrumentarium enthaumllt bereits einige Steuerungsoptionen mit Be-zug zur Energieraumplanung ndash etwa direkte Festlegungen im Bebauungsplan die den Einsatz von erneuerbarer Energie unterstuumltzen oder indirekte z B die intensivierte Entwicklung der Siedlungsflaumlchen nach innen o auml Als weiteres Beispiel sei das Instrument von oumlrtlichen Ener-giekonzepten genannt ndash die zwar zum Teil auch als Bestandteile von oumlrtlichen Entwicklungs-konzepten in den Raumordnungsgesetzen genannt allerdings nicht verbindlich sind For-schung und Lehre sollte daher derartige Instrumente auf Ihre Wirksamkeit und Verbindlich-keitsbewerten bzw neue effektivere Instrumente entwickeln

bull Gerade im Bereich der Energieraumplanung stellt sich angesichts regionaler Verflechtungen zur Bereitstellung und zum Bedarf die Frage ob die Lenkungsverantwortung auf der kommu-nalen Ebene ausreichend effektiv sein kann Der Ansatz von Klima- und Energiemodellregionen ist daher unseres Erachtens eher zielfuumlhrend wenn Umsetzbarkeit und Zielerreichung der Energieraumplanung kuumlnftig verbessert werden sollen Nur so waumlren mehr verbindliche Vor-gaben (Empfehlungen aber auch Einschraumlnkungen etwa in Form von Energieraumplaumlnen mit Eignungs- und Ausschlusszonen) auf regionaler Ebene moumlglich um gewisse Energieformen in manchen Regionen gegenuumlber anderen zu priorisieren wie es zB in kantonalen Energiericht-plaumlnen in der Schweiz (Kanton Zuumlrich 2018) der Fall ist Vereinfacht gesagt gehoumlrt erforscht ob eine solche bdquoVerlagerung der Lenkungsverantwortungldquo von der kommunalen zur regiona-len und Bundeslandebene hin die bisherigen Erfolge der Energieraumplanung schneller und einfacher als bisher wiederholbar machen kann Eine Notwendigkeit zur verbesserten Planung und effektiveren Umsetzung ist es daher in der kuumlnftigen Lehre und Forschung der Energie-raumplanung bestehende Geschaumlftsmodelle auf der innerstaumldtischen Quartiersebene oder auf der regionalen Ebene von Territorien kritisch zu bewerten und neue Kooperationsformen zu entwerfen Obwohl es schon einige Vorschlaumlge dazu gibt (siehe u a Essig et al 2017 Madner und Parapatics 2016 Dumke et al 2017b oder Giffinger et al 2020) ist deren Konzeption und Wirksamkeit bislang nicht ausreichend erforscht und findet in der Lehre noch zu wenig Ein-gang

Resuumlmee und Ausblick

Angesichts ehrgeiziger Ziele und Anforderungen im Steuerungsinstrumentarium ist eine Reihe von Neuerungen und Ergaumlnzungen mit speziellem Fokus auf das Thema Energiewende notwendig Insbe-sondere bei der Energieproduktion wurde der Einsatz von eingriffsintensiven und sichtbaren Energie-traumlgern (Landschaftsbild Umwelt Flaumlchenbedarf) staumlrker reglementiert Trotzdem gilt insgesamt dass sich bereits mit dem bestehenden Instrumentarium etliche Aspekte der Energieraumplanung umset-zen lassen z B Beruumlcksichtigung des Themas im oumlrtlichen Entwicklungskonzept Ausweisung der not-wendigen Flaumlchen fuumlr Verdichtung Innenentwicklung sowie Ausweisung von Versorgungsflaumlchen fuumlr Energie Staumlrkere Beruumlcksichtigung energetischer Aspekte im Bebauungsplan etc (Weninger 2016) Allerdings waumlre es sehr wuumlnschenswert die Instrumente in Oumlsterreich auf der Stadtquartiersebene sowie auf der regionalen Ebene staumlrker zu forcieren Angesichts der steigenden Erwartungen werden trotz des umfassenderen Verstaumlndnisses der ERP Defizite zur effektiv gestalteten Energiewende deut-lich Neue Anforderungen an Forschung und Lehre sind deutlich erkennbar um die ERP besser zu etab-lieren und effektiver zu machen Es sind sowohl die Informationsgrundlagen als auch die Verbindlich-keit von Instrumenten auf ihre Brauchbarkeit kritisch in Forschung und Lehre zu bewerten sowie intel-ligente und kreative Vorschlaumlge zu neuen Ansaumltzen und Instrumenten zu entwickeln

Dumke Giffinger Weninger (2021) 10 Jahre Forschung und Lehre zur Energieraumplanung am Institut fuumlr Raumplanung an der TU Wien Erfahrungen und Ausblick DOI 10347261031

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Die Bemuumlhungen um eine bdquoEnergieraumplanungldquo in Oumlsterreich haben etwa 2009 begonnen und seit-her laufend an Bedeutung gewonnen dies ebenso im Institut fuumlr Raumplanung Politisch hat die Ener-gieraumplanung angesichts der draumlngenden Probleme des Klimawandels in den letzten Jahren kraumlftig Ruumlckenwind bekommen ndash sei es durch international koordinierte Initiativen und Vereinbarungen oder auf nationaler Ebene durch neue politische Konstellationen Trotzdem bleibt abzuwarten ob dieser Ruumlckenwind sich auch in einer staumlrker wahrgenommenen Lenkungsverantwortung auf nationaler und foumlderaler Ebene in Oumlsterreich manifestieren wird Eine Staumlrkung der regionalen Ebene aufgrund der erkennbaren Problemlagen aus Forschung und Lehre waumlre jedenfalls sehr dringlich

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  • Vorwort
    • Rudolf Giffinger Martin Berger Kurt Weninger Sibylla Zech
      • Energie und Klimaschutz in hoheitlichen Planungsprozessen beruumlcksichtigen ndash Bedarf Anwendungsfaumllle und Loumlsungsansaumltze aus der Praxis
        • Alexander Rehbogen (1) und Helmut Strasser (2)
          • Einleitung
          • These 1 Energie- und klimaschutzbezogene Inhalte sollten im Kontext der Raumplanung Beruumlcksichtigung finden
          • These 2 Drei Bereiche sind fuumlr die Beruumlcksichtigung energiebezogener Fragestellungen in der Raumplanung maszliggeblich Siedlungsstruktur und Gebaumludebestand Energieversorgungsinfrastruktur und die Nutzung lokaler erneuerbarer Ressourcen
          • These 3 Energiebezogene Inhalte sollen und koumlnnen direkt an bestehende Prozesse der Raumplanung anknuumlpfen
          • These 4 Die erforderliche Information zur Umsetzung von Raumlumlicher Energieplanung muss und kann standardisiert und effizient bereitgestellt werden
          • These 5 Notwendige Datengrundlagen in moumlglichst feiner Granularitaumlt und hoher Aktualitaumlt sind unter Beruumlcksichtigung des Datenschutzes verfuumlgbar zu machen
          • These 6 Den Bundeslaumlndern kommt eine Schluumlsselrolle in der Implementierung von raumlumlicher Energieplanung zu
          • Schlussfolgerungen Ausblick
          • Literatur
              • Das Sachbereichskonzept Energie in der Steiermark Ein Buumlndel aus rechtlicher Verankerung fachlichen Grundlagen fundierter Beratung und finanzieller Foumlrderung
                • Lore Abart-Heriszt (1) Dieter Preiszlig (2) und Michael Redik (3)
                  • Rahmenbedingungen des Landes fuumlr die Energieraumplanung in der Steiermark
                  • Energie- und Treibhausgasdatenbanken und die Ausweisung energieraumplanerischer Standortraumlume
                    • Kommunale Energie- und Treibhausgasdatenbank
                    • Rasterbasierte Energie- und Treibhausgasdatenbank
                    • Energieraumplanerische Standortraumlume
                      • Klimaschutz und das Foumlrderungsprogramm zur Energieraumplanung in der Steiermark
                      • Schlussbemerkung
                      • Literatur
                          • Energieraumplaumlne ndash ein Meilenstein am Weg zur nachhaltigen Energiezukunft Wiens
                            • Susanna Erker (1) Andrea Kinsperger (2) Herbert Hemis (3) und Bernd Vogl (4)
                              • Einleitung
                              • Wo stehen wir
                                • Die Waumlrmewende
                                • Erdgas und Fernwaumlrme im Waumlrmesektor
                                  • Wo wollen wir hin
                                  • Die Energieraumplaumlne ndash ein neues Planungsinstrument fuumlr die Waumlrmewende
                                    • Die Abgrenzung der Klimaschutz-Gebiete
                                    • Der Prozess hinter den Energieraumplaumlnen
                                    • Die Auswirkungen der Energieraumplaumlne
                                      • Wie geht es weiter
                                      • Literatur
                                          • Energieraumplanung Das oumlsterreichische Instrumentarium im IST und SOLL
                                            • Hartmut Dumke (1) und Stefan Geier (2)
                                              • Einleitung
                                              • Erfolgsgeschichten
                                              • Instrumente der (E)RP
                                              • Fazit
                                              • Literatur
                                                  • Datenlandschaft der Energieraumplanung ndash eine Standortbestimmung
                                                    • Robert Kalasek (1) und Florian Puumlhringer (2)
                                                      • Energieraumplanung braucht Information
                                                      • Datengrundlagen und Datenqualitaumlt
                                                        • Anspruumlche an Datenqualitaumlt
                                                        • Informationen zum Energieverbrauch
                                                        • Gebaumlude- und Wohnungsdaten
                                                        • Energieausweis als Informationssubstitut
                                                        • Daten zur Energieinfrastruktur
                                                          • Informationsaustausch
                                                            • Rolle der oumlffentlichen Verwaltung (Administration)
                                                            • Rolle von Unternehmen aus dem privaten Sektor
                                                              • Fazit
                                                              • Literatur
                                                                  • Das Energiemosaik Austria Eine Energie- und Treibhausgasdatenbank fuumlr alle oumlsterreichischen Staumldte und Gemeinden
                                                                    • Lore Abart-Heriszt (1)
                                                                      • Die Entwicklung einer strategischen Datenbank als Aufgabenfeld der Energieraumplanung
                                                                      • Statistische Datenbasis
                                                                      • Strukturdaten Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen
                                                                      • Nutzungen Verwendungszwecke und Energietraumlger
                                                                      • Raumlumliche Parameter Energiekennzahlen und Emissionsfaktoren
                                                                      • Modellierung des Energieverbrauches und der Treibhausgasemissionen
                                                                      • Energieverbrauch in Oumlsterreich
                                                                      • Treibhausgasemissionen in Oumlsterreich
                                                                      • Schlussfolgerungen
                                                                      • Literatur
                                                                          • Institutionelle Gestaltung von energieraumplanerischen Politiken Das Fallbeispiel der niederlaumlndischen Windkraftzonierung
                                                                            • Pia Nabielek (1)
                                                                              • Einleitung
                                                                              • Institutionelle Gestaltung
                                                                              • Das Fallbeispiel des niederlaumlndischen Strukturplans fuumlr Onshore-Windkraftanlagen
                                                                              • Schlussfolgerungen
                                                                              • Danksagung
                                                                              • Literatur
                                                                                  • Elektromobilitaumlt Integration von Elektromobilitaumlt in die Verkehrsplanung ndash welche Anpassungen unserer Werkzeuge brauchen wir
                                                                                    • Martin Kagerbauer (1)
                                                                                      • Ausgangslage
                                                                                      • Definition
                                                                                      • Anforderungen der Elektromobilitaumlt an die Planungswerkzeuge
                                                                                      • Anpassung der Planungswerkzeuge
                                                                                        • Erhebung
                                                                                        • Modellierung
                                                                                          • Schlussfolgerung
                                                                                          • Literatur
                                                                                              • Ansaumltze fuumlr die Mobilitaumlts- und Energiewende im staumldtischen Guumlterverkehr
                                                                                                • Bert Leerkamp (1)
                                                                                                  • Ausgangslage
                                                                                                  • Herausforderungen fuumlr eine gebietsbezogene Buumlndelung
                                                                                                  • Ansaumltze einer gebietsbezogenen Buumlndelung im Bereich der Einzelhandels- und Endkundenversorgung
                                                                                                    • Beispiele fuumlr sektorale gebietsbezogene Buumlndelung (KEP-Logistik)
                                                                                                    • Beispiel fuumlr sektorale kooperative gebietsbezogene Buumlndelung (Stuumlckgutlogistik)
                                                                                                    • Beispiel fuumlr kooperative gebietsbezogene Buumlndelung (Integration von KEP- und Stuumlckgut)
                                                                                                    • Gebietsspediteur Ansatz fuumlr eine regulatorische Gestaltung
                                                                                                      • Initiierung gebietsbezogener Buumlndelungskonzepte durch die Kommunen
                                                                                                      • Steuerung der Energiewende im staumldtischen Lieferverkehr
                                                                                                      • Sicherung von Logistikflaumlchen in der Stadt als Voraussetzung fuumlr Buumlndelung
                                                                                                      • Literatur
                                                                                                          • Neue Wege in der Energieraumplanung
                                                                                                            • Gernot Stoumlglehner (1)
                                                                                                              • Ausgangslage
                                                                                                              • Strategie in der Energieraumplanung
                                                                                                                • Strategische Datenbasis
                                                                                                                • Planungsmethodik
                                                                                                                • Institutionelle Rahmenbedingungen
                                                                                                                  • Sektorkopplung als neue Herausforderung fuumlr die Energieraumplanung
                                                                                                                  • Didaktik der Energieraumplanung
                                                                                                                  • Fazit
                                                                                                                  • Literatur
                                                                                                                      • Die deutsche Energiewende zwischen Wirtschafts- und Klimazielen ndash eine geographische Perspektive
                                                                                                                        • Britta Klagge (1)
                                                                                                                          • Einfuumlhrung
                                                                                                                          • Geographien und Governance der deutschen Energiewende
                                                                                                                          • Die deutsche Energiewende positive wirtschaftliche Effekte aber klimapolitisch (bisher) kein Erfolg
                                                                                                                          • Aktuelle klima- bzw energiepolitische Maszlignahmen Klimapaket (2019) und SINTEG-Modellregionen (2017-2020)
                                                                                                                            • Das Klimapaket von 2019 umfangreiches Investitionsprogramm aber klimapolitisch wenig ambitioniert
                                                                                                                            • SINTEG 2017-2020 Foumlrderung von Modellregionen fuumlr smarte (Verteil-)Netze und flexible Maumlrkte durch Digitalisierung
                                                                                                                              • Fazit und Ausblick
                                                                                                                              • Literatur
                                                                                                                                  • 10 Jahre Forschung und Lehre zur Energieraumplanung am Institut fuumlr Raumplanung an der TU Wien Erfahrungen und Ausblick
                                                                                                                                    • Hartmut Dumke (1) Rudolf Giffinger (2) und Kurt Weninger (3)
                                                                                                                                      • Einleitung
                                                                                                                                      • Zur (Energie-)Raumplanung in Oumlsterreich
                                                                                                                                        • Rechtlicher Rahmen
                                                                                                                                        • Konsolidierung im Verstaumlndnis
                                                                                                                                          • 10 Jahre Energieraumplanung in der forschungsgeleiteten Ausbildung
                                                                                                                                            • Wichtige evidenzbasierte transformative Forschungsprojekte zur Energieraumplanung
                                                                                                                                            • Problem- und umsetzungsorientierte Lehre zur Energieraumplanung
                                                                                                                                              • Zukuumlnftige Anforderungen an die Energieraumplanung
                                                                                                                                              • Resuumlmee und Ausblick
                                                                                                                                              • Literatur
Page 5: JUNI 2021, WIEN ENERGIE RAUM PLANUNG

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Vorwort

Rudolf Giffinger Martin Berger Kurt Weninger Sibylla Zech

Klimaschutz und Erreichen der Klimaziele stellen angesichts des Klimawandels zentrale Herausforde-rungen fuumlr Politik Gesellschaft und Wirtschaft dar Bisherige Bemuumlhungen in Oumlsterreich aber auch auf Ebene der EU zum verringerten Energieverbrauch zum Umstieg auf erneuerbare Energiequellen oder zur Reduktion von Emissionen sind unterschiedlich erfolgreich Offenbar reichen sie aber ange-sichts der weiter steigenden Emissionen und ihrer Auswirkungen auf den Temperaturanstieg (als trei-bende Kraft des Klimawandels) nicht aus der globalen Klimakrise effektiv entgegenzuwirken wie entsprechende Indikatoren und Analysen zur Entwicklung auf verschiedenen Ebenen zeigen

Blicken wir auf die Situation in Oumlsterreich dann ist leicht erkennbar dass Maszlignahmen zur Reduktion des Energieverbrauchs vor allem in der Verkehrs- und Siedlungsentwicklung bislang nicht ausrei-chend erfolgreich sind Eine Energiewende ndash im Sinne der Reduktion des Energiebedarfs sowie des Umstiegs auf erneuerbare Energiequellen ndash ist daher unerlaumlsslich

Raumplanung ndash zumeist verstanden als eine querschnittsorientierte Materie zur Steuerung der raumlum-lichen Nutzung und Entwicklung ndash kommt damit ein groszliger Stellenwert zu Es geht um den Umbau der Siedlungsstrukturen und der Verkehrssysteme um das Senken des Energieverbrauchs sowie um den Umstieg auf dezentral genutzte erneuerbare Energieressourcen Angesichts vielfaumlltiger neuer Aufgaben und Anforderungen erscheint es daher notwendig den Beitrag der Raumplanung zur Ener-giewende nicht nur als zusaumltzliche Aufgabe zu sehen sondern zu ergruumlnden welche neuartige Ener-gieraumplanung es braucht und welche neuen Ansaumltze ihre Effektivitaumlt verbessern koumlnnen

Diesen Herausforderungen widmet sich diese Publikation

Ausgehend von einer Tagung zum Thema Energieraumplanung ndash Herausforderungen Loumlsungen und Next Level konnten eine Reihe interessanter Beitraumlge gewonnen werden Sie kennzeichnen einerseits aktuelle Anforderungen und Erfahrungen zur Energieraumplanung und diskutieren andererseits An-saumltze und Aktivitaumlten bezuumlglich der derzeitigen Ausbildung zur Energieraumplanung in der Studien-richtung Raumplanung an der TU Wien

Nicht zuletzt ist zu betonen dass diese Publikation nicht ohne Unterstuumltzung des Review-Prozesses sowie beim Korrigieren und Gestalten der Beitraumlge zustande gekommen waumlre Herzlichen Dank hier-fuumlr Unser Dank gilt last but not least insbesondere den Kolleginnen und Kollegen an Universitaumlten sowie an verschiedenen Forschungs- und Planungsinstitutionen in Deutschland und Oumlsterreich fuumlr ihre kompetenten und wertvollen Beitraumlge

Die Herausgeberin und die Herausgeber

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Energie und Klimaschutz in hoheitlichen Planungsprozessen beruumlcksich-tigen ndash Bedarf Anwendungsfaumllle und Loumlsungsansaumltze aus der Praxis

Alexander Rehbogen (1) und Helmut Strasser (2)

DOI 1034726807

(1) Mag MBA SIR ndash Salzburger Institut fuumlr Raumordnung und Wohnen Fachbereich Energie

(2) Dipl-Ing SIR ndash Salzburger Institut fuumlr Raumordnung und Wohnen Fachbereich Energie

Abstract

Die Themen Energiewende und Klimaschutz sind heute als oumlffentliches Interesse etabliert und erheben sich damit auch in der Raumplanung aus dem bisherigen Schattendasein Energieraumplanung hat in den letzten beiden Jahren groszlige Entwicklungsspruumlnge gemacht und ist in der Praxis angekommen Erste Bundeslaumlnder haben effektive Schritte zur Beruumlcksichtigung von energie- und klimaschutzbezo-genen Fragestellungen in hoheitlichen Planungsprozessen gesetzt In Wien der Steiermark und Salz-burg gibt es heute etablierte Prozesse welche in der Praxis erfolgreich exekutiert werden Datenbereitstellung Datenhosting Datenverarbeitung Informationsaufbereitung und -bereitstellung Qualitaumltssicherung sowie die Schaffung des rechtlichen Rahmens stellen die maszliggeblichen Grundlagen dar Aufgrund der Kompetenzenverteilung und der notwendigen Ressourcen kommt den Bundeslaumln-dern als Institutionen eine Schluumlsselrolle zu um die Integration des neuen Materienkomplexes in be-stehende Prozesse der Raumplanung in der Praxis bewerkstelligen zu koumlnnen Nach der Etablierung erster Prozesse zur Beruumlcksichtigung energie- und klimaschutzbezogener Inhalte in der Raumplanung muss es in den naumlchsten Schritten darum gehen die Instrumente konsequent weiterzuentwickeln zu verbessern und thematisch zu vertiefen eine eindeutige Rechtssicherheit fuumlr die Umsetzung zu schaffen und diese in der Praxis sicherzustellen sowie die nuumltzlichen Erfahrungen auf weitere Bundeslaumlnder zu skalieren

Schluumlsselbegriffe

Energieplanung kommunale Waumlrmeplanung Energieraumplanung Klimaschutz Energiewende Waumlr-mewende Rehbogen A Strasser H (2021) Energie und Klimaschutz in hoheitlichen Planungsprozessen beruumlcksichtigen ndash Bedarf An-wendungsfaumllle und Loumlsungsansaumltze aus der Praxis In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumpla-nung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S5-17

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Inhalt Einleitung 7

These 1 Energie- und klimaschutzbezogene Inhalte sollten im Kontext der Raumplanung Beruumlcksichtigung finden 7

These 2 Drei Bereiche sind fuumlr die Beruumlcksichtigung energiebezogener Fragestellungen in der Raumplanung maszliggeblich Siedlungsstruktur und Gebaumludebestand Energieversorgungsinfrastruktur und die Nutzung lokaler erneuerbarer Ressourcen 8

These 3 Energiebezogene Inhalte sollen und koumlnnen direkt an bestehende Prozesse der Raumplanung anknuumlpfen 9

These 4 Die erforderliche Information zur Umsetzung von Raumlumlicher Energieplanung muss und kann standardisiert und effizient bereitgestellt werden 11

These 5 Notwendige Datengrundlagen in moumlglichst feiner Granularitaumlt und hoher Aktualitaumlt sind unter Beruumlcksichtigung des Datenschutzes verfuumlgbar zu machen 12

These 6 Den Bundeslaumlndern kommt eine Schluumlsselrolle in der Implementierung von raumlumlicher Energieplanung zu 13

Schlussfolgerungen Ausblick 15

Literatur 15

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Einleitung

Die Beruumlcksichtigung von Energie in formellen und informellen Planungsprozessen (von der oumlrtlichen Entwicklungsplanung uumlber staumldtebauliche Wettbewerbe und baubehoumlrdliche Verfahren bis zur Infra-strukturplanung) ist seit vielen Jahren wichtiges Thema in den nationalen Klimaschutzbestrebungen Bereits bei der Entwicklung des bdquoe5-Programms fuumlr energieeffiziente Gemeindenldquo (vgl Onlinequelle e5) vor mehr als 20 Jahren wurde der Raumordnung auf kommunaler Ebene eine groszlige Bedeutung beigemessen Waumlhrend aber seither in zahlreichen anderen klimaschutzrelevanten Handlungsfeldern einer Gemeinde wirksame Instrumente eingesetzt und hunderte Maszlignahmen und best-practices um-gesetzt wurden war lange Zeit relativ unklar wie die Raumordnung konkret zur Erreichung der Klima-schutzziele beitragen kann Zum einen ist die Ursache dafuumlr in den Vorgaben der Raumordnungsgesetze der Bundeslaumlnder zu su-chen die diesbezuumlglich nur sehr vage formuliert sind und wenig Spielraum zulassen Zum anderen aber gestaltete sich auch die Bewertung von Aktivitaumlten und Maszlignahmen von Gemeinden aufgrund fehlen-der Qualitaumltsmaszligstaumlbe und Beurteilungskriterien als schwierig Inzwischen haben sich aus den verschiedenen Bestrebungen und als Ergebnis der Kooperation mehre-rer Bundeslaumlnder unter anderem im Zuge von zwei OumlREK-Partnerschaften (vgl Onlinequelle OumlREK) An-saumltze konkretisiert und erste Schritte zu einer verbindlicheren Verankerung von Klimaschutzaspekten in den hoheitlichen Planungsprozessen wurden gesetzt Ausgehend von sechs Thesen wird in diesem Beitrag versucht einen moumlglichen Weg zu einer verbind-lichen Beruumlcksichtigung des Klimaschutzes in der Raumplanung aufzuzeigen und diesen auf Basis prak-tischer Beispiele darzustellen

These 1 Energie- und klimaschutzbezogene Inhalte sollten im Kontext der Raum-planung Beruumlcksichtigung finden

Raumordnung ist fuumlr die zweckentsprechende raumlumliche Verteilung von Anlagen und Einrichtungen im Sinne des oumlffentlichen Interesses verantwortlich (vgl Mair 2012 S 1) Spaumltestens seit der Etablierung von Klimaschutz als oumlffentliches Interesse (vgl Europaumlisches Parlament 2019 und entsprechende ver-bindliche Zielsetzungen auf allen politischen Ebenen) muumlssten Energie und Klimaschutz in der Raum-ordnung als zusaumltzlicher Materienkomplex eine entsprechende Beruumlcksichtigung finden Dem wird in einer zunehmenden Zahl von Raumordnungsgesetzen (vgl StROG2010 sect 3 (2) z 2i SROG 2009 sect2 (2) z4 BO fuumlr Wien 1930 sect1 Abs2 z4 VGRP 1996 sect 11 (1) bzw sect 28 TROG 2016 sect1 (2i)) Rechnung getragen Klimaschutz ist hier jeweils in den Grundsaumltzen und Zielen sowie teilweise in den Anforderungen vor allem zur Entwicklungsplanung verankert Die Verbindlichkeit variiert dabei zwi-schen Kann- und Muss-Bestimmungen

Aus der Praxis

Konkrete Schritte zur Erhoumlhung der Verbindlichkeit Praumlzisierung der Inhalte und Nutzung von weiteren hoheitlichen Steuerungsinstrumenten wurden in den letzten Jahren vor allem in Wien der Steiermark und Salzburg vorangetrieben Hier gibt es bereits konkrete Anhaltspunkte und Anforderungen die in der Praxis beruumlcksichtigt werden

In der Steiermark sind einerseits ein moumlglicher Anschlusszwang fuumlr Fernwaumlrme in-nerhalb lufthygienischer Sanierungsgebiete (vgl StROG sect22 (9)) der in Graz bereits umgesetzt wurde sowie eine Landes-Foumlrderung fuumlr Aktivitaumlten im Bereich Raumlumli-cher Energieplanung (insbesondere die Erstellung von Sachbereichskonzepten fuumlr Energie (ebd sect21 (3)) zu erwaumlhnen

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In Wien wurde mit der Novelle der BO fuumlr Wien 2018 (LGBI 201869) eine Verord-nungsermaumlchtigung fuumlr sogenannte Energieraumplaumlne geschaffen Gemaumlszlig sect 2b BO fuumlr Wien kann fuumlr Teile des Stadtgebietes ein Energieraumplan als Verordnung er-lassen werden In den festgelegten Gebieten sind fuumlr Heizungs- und Warmwasser-bereitungsanlagen in Neubauten nur hocheffiziente Fernwaumlrme oder andere hoch-effiziente alternative Systeme (sect 118 Abs 3 BO fuumlr Wien) zulaumlssig Diese Verordnun-gen werden bezirksweise erarbeitet Die ersten drei Energieraumplaumlne wurden be-reits beschlossen und traten mit 23102020 in Kraft

In Salzburg gibt es seit der letzten Novellierung des SROG mit 112018 Anforderun-gen hinsichtlich Darstellung der energiebezogenen Inhalte in den Bestandsanalysen (vgl SROG sect 24 (1) z2) bzw betreffend der Aussagen zur angestrebten Energiever-sorgung (vgl ebd sect25 (2) z5) in den raumlumlichen Entwicklungskonzepten (fortan bdquoREKldquo) Die Qualitaumltssicherung erfolgt im Rahmen des Amtshilfeverfahrens durch das fachlich zustaumlndige Referat 404 Energiewirtschaft und -beratung des Amtes der Salzburger Landesregierung und ist mit einem kostenlosen Informationsservice fuumlr die Gemeinden verknuumlpft

Die Beruumlcksichtigung energie- und klimaschutzbezogener Fragen ist in einigen Bundeslaumlndern bereits moumlglich oder sogar gefordert Die Umsetzung hat sich in den letzten zwei Jahren mit konkreten An-wendungen etabliert

These 2 Drei Bereiche sind fuumlr die Beruumlcksichtigung energiebezogener Fragestel-lungen in der Raumplanung maszliggeblich Siedlungsstruktur und Gebaumludebestand Energieversorgungsinfrastruktur und die Nutzung lokaler erneuerbarer Ressour-cen

Zahlreiche Studien belegen dass raumordnungsrelevante Festlegungen maszliggeblich zum Klimaschutz beitragen Eine Untersuchung von bestehenden Siedlungen ergab einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Bebauungsdichte und Primaumlrenergieverbrauch (vgl Ott 2008 S 5) Ebenso ist der Motorisie-rungsgrad bei houmlherer Besiedlungsdichte geringer (VCOuml 2019) Die Bebauungsdichte ist daruumlber hinaus ausschlaggebend fuumlr die Versorgungsinfrastrukturen Die Moumlglichkeit zum wirtschaftlichen Betrieb von netzgebundener Waumlrmeversorgung die als Schluumlssel fuumlr die Energiewende im Bereich der Waumlrme gesehen wird (vgl Maaszlig et al 2015) ist direkt von kompak-ten und nutzungsgemischten Siedlungsstrukturen abhaumlngig Durch Vorzieheffekte kann die Fern-waumlrme maszliggeblich zum Tausch fossiler Heizsysteme beitragen Das politische Ziel des Phase-Outs fos-siler Energietraumlger wird durch das Verbot des Einbaus von Oumllkesseln im Neubau (vgl OumlKEVG 2019) bereits aktiv forciert Fuumlr den Bereich der Gasversorgung muumlssen im Hinblick auf eine Erreichung der Klimaschutzziele aumlhnliche Maszlignahmen folgen (vgl Oumlsterreichische Bundesregierung 2020 S 110) Sie werden aktuell in der Entwicklung einer oumlsterreichischen Waumlrmestrategie (vgl Onlinequelle BMLRT) diskutiert und sind als Ziele in einigen Bundeslaumlndern bereits verankert (vgl Land Salzburg 2015 S 10) Die Forcierung von Fernwaumlrme (aus erneuerbaren Energiequellen) auch uumlber Instrumente der Raum-ordnung genauso wie der kuumlnftige Umgang mit bestehenden Gasinfrastrukturen erheben sich zu raum-ordnungsrelevanten Fragestellungen Mit der Frage der Energieversorgungsinfrastruktur verbunden ist die Nutzung lokaler erneuerbarer Energiequellen Das Beispiel Salzburg in dem die Zahl der Biomasse-Waumlrmenetze die Zahl der Gemein-den uumlbersteigt verdeutlicht die Kompatibilitaumlt von nachhaltiger Energie- und Wirtschaftspolitik indem die lokale Biomasse sinnvoll in nachhaltiger netzgebundener Waumlrmeversorgung in Wert gesetzt wird Synonym koumlnnen auch lokale Abwaumlrmepotenziale aus Gewerbe und Industrie erst uumlber Waumlrmenetze

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nutzbar gemacht werden Neben der Nutzung lokaler Ressourcen ist auch die Nutzung von Raum fuumlr die Energieerzeugung zu reflektieren Die Energiewende benoumltigt zusaumltzliche Flaumlchen fuumlr die Energie-gewinnung aus nachhaltigen Quellen Niederoumlsterreich und die Steiermark zeigen hier mit den Wind-energie-Eignungsflaumlchen strukturierte Ansaumltze fuumlr flaumlchendeckende Loumlsungen Eine weitere raumord-nungsrelevante Diskussion im Kontext der Raumnutzung betrifft die Freiflaumlchenanlagen fuumlr die Solar-energiegewinnung (Solarthermie oder Photovoltaik) Zuletzt kommt der hoheitlichen Planung im Kon-text der erneuerbaren Potenziale auch eine koordinierende Rolle zu wenn es darum geht die gegen-seitige negative Beeinflussung von Erd- oder Grundwasserwaumlrmepumpen zu vermeiden Aus den Ausfuumlhrungen lassen sich drei Bereiche ableiten in denen die Beruumlcksichtigung energiebezo-gener Inhalte in der Raumplanung eine besondere Relevanz aufweist Die zukunftsfaumlhige Raument-wicklung und Siedlungsstruktur die planvolle Entwicklung der Energieversorgungsinfrastruktur und die Nutzung der verfuumlgbaren erneuerbaren Energiepotenziale

Abb 1 3x3 Energie im REK eigene Abbildung

These 3 Energiebezogene Inhalte sollen und koumlnnen direkt an bestehende Pro-zesse der Raumplanung anknuumlpfen

In weiterer Folge stellt sich die Frage wie diese Inhalte in den betreffenden Prozessen und Instrumen-ten der Raumordnung beruumlcksichtigt werden koumlnnen Da die betreffenden Rechtsmaterien Raumord-nung und Baurecht im verfassungsmaumlszligigen Kompetenzbereich der Laumlnder liegen unterscheiden sich die Rahmenbedingungen zwischen den einzelnen Bundeslaumlndern (vgl auch These 1) Eine detaillierte Darstellung (fuumlr eine Uumlbersicht sei auf MadnerParapatics 2016 verwiesen) und Reflexion wuumlrden den Rahmen dieses Beitrags sprengen weshalb an dieser Stelle primaumlr die strukturellen Aspekte in den Vordergrund geruumlckt werden sollen In Anlehnung an das Vorreiterland Schweiz gehen wir davon aus dass die dargestellten Inhalte direkt an bestehende Raumplanungsprozesse anknuumlpfen koumlnnen Das bedeutet dass fuumlr die Beruumlcksichti-gung energiebezogener Inhalte in der hoheitlichen Planung keine neuen Prozesse entwickelt werden

Effiziente Infrastruktur bull Bestehende nachhaltige Energieinfrastruktur (va Fernwaumlrmenetze) beachten

und Nutzung staumlrken bull Bei Standortentwicklungen Potenziale fuumlr die Errichtung nachhaltiger Energie-

infrastruktur beachten und Ausbau von Gasinfrastruktur vermeidenbull Gegenseitige negative Beeinflussung von Infrastruktur (Umgebungswaumlrmenutzung)

vermeiden

Optimale Nutzung von lokalen Ressourcen bull Bestehende Potenziale (insbesondere Sonne Biomasse Wind

Wasser Umgebungswaumlrme) maximal nutzenbull Verschwendung lokaler Energiepotenziale (va Abwaumlrme Industrie

Gewerbe Reinhaltung) vermeiden bull Importe von Energie minimieren - lokale Wertschoumlpfung maximieren

Zukunftsfaumlhige Raumentwicklungbull KompaktheitBebauungsdichte und Nutzungmischung forcieren und damit

- den durch die Mobilitaumlt induzierten Energiebedarf reduzieren- die Energieeffizienz der Gebaumlude erhoumlhen- eine nachhaltige netzgebundene Waumlrmeversorgung ermoumlglichen

bull Alle Entwicklungen in der Peripherie vermeiden

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muumlssen Vielmehr geht es darum die relevanten Raumplanungsprozesse zu identifizieren in denen die Beruumlcksichtigung von Energie und Klimaschutz sowohl sinnvoll als auch rechtlich und kompetenz-maumlszligig moumlglich ist In weiterer Folge wird vorgeschlagen die Be- und Erarbeitung der energie- und kli-maschutzbezogenen Inhalte bei den jeweils kompetenten Stellen zu belassen (Amtshilfeverfahren) und Wege zur direkten Einbindung in den bestehenden Prozessen zu identifizieren und implementie-ren

Aus der Praxis

In Wien wird im Zuge des baubehoumlrdlichen Verfahrens durch die zustaumlndige Be-houmlrde gepruumlft ob das entsprechende Bauvorhaben innerhalb eines Gebietes des Energieraumplans liegt Wenn dies zutrifft sind fuumlr die Versorgung mit Raumwaumlrme oder Warmwasser keine fossilen Energietraumlger zulaumlssig und die Alternativenpruuml-fung entfaumlllt Auszligerhalb der Gebiete gelten die allgemeinen Anforderungen fuumlr Neu-bauten wo im Falle einer geplanten fossilen Waumlrmeversorgung (Gas) eine Alterna-tivenpruumlfung durchzufuumlhren ist

Im Bundesland Salzburg werden im Zuge des Amtshilfeverfahrens seit 2019 alle ein-gereichten Raumlumlichen Entwicklungskonzepte in allen Verfahrensstufen fundierten fachdienstlichen Stellungnahmen von Seiten des Referats 404 Energiewirtschaft und -beratung des Amtes der Salzburger Landesregierung unterzogen Als Basis fuumlr die Beurteilung dienen profunde Analysen (siehe These 4) Darauf aufbauend bietet das Referat auszligerdem eine direkte und kostenfreie Unterstuumltzung bei der Entwick-lung der Inhalte uumlber die Bereitstellung von Analysen und Praumlsenztermine zur Dis-kussion der energie- und klimaschutzbezogenen Inhalte

Im Rahmen der nationalen Vorzeigeregion Energie des Klima- und Energiefonds GREEN ENERGY LAB bdquoSpatial Energy Planning for Energy Transitionldquo (fortan GEL SEP Onlinequelle GEL SEP) wurden die folgenden drei Planungsebenen als relevant identifiziert (siehe Abb 2)

Abb 2 Relevante Planungsebenen zur Beruumlcksichtigung energie- und klimaschutzbezogener Inhalte

Fuumlr diese wird nun an konkreten Implementierungen zur Beruumlcksichtigung energie- und klimaschutz-bezogener Fragestellungen in den drei beteiligten Bundeslaumlndern Salzburg Steiermark und Wien in Abhaumlngigkeit der jeweiligen rechtlichen Rahmen und bestehenden Verwaltungsstrukturen gearbeitet Zu beachten ist dabei der Zusammenhang zwischen den Planungsebenen Ziel jeder Aktivitaumlt im Be-reich Raumlumlicher Energieplanung ist es Planungsentscheidungen in Richtung einer houmlheren Klimaver-traumlglichkeit zu verbessern d h eine Oumlkologisierung im konkreten Bauprojekt zu erwirken Verbindli-

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che Vorgaben beispielsweise uumlber die Bebauungsplanung sind (selbst im Falle des Vorliegens entspre-chender rechtlicher Ermaumlchtigungen) von einer entsprechenden Zielsetzung auf der uumlbergeordneten Ebene abhaumlngig Die Formulierung entsprechender Ziele in der oumlrtlichen Entwicklungsplanung wird damit zur Basis fuumlr die Umsetzung in den Einzelprojekten Des Weiteren koumlnnen auch hier allgemein die Zielsetzung auf Landesebene (z B Formulierung von Grundsaumltzen im ROG) und politische Ziele auf Gemeindeebene notwendige Bedingungen sein um die Themen in den Entwicklungskonzepten ent-sprechend adressieren und festlegen zu koumlnnen Insgesamt ist die Beruumlcksichtigung energiebezogener Inhalte in der Raumplanung noch Neuland Es bedarf der Entwicklung neuer Rollen und der sensiblen Anpassung von bestehenden Prozessen inklu-sive der dafuumlr mitunter notwendigen Genese der rechtlichen Rahmenbedingungen Erste Implemen-tierungen in der Praxis zeigen wie energie- und klimaschutzbezogene Fragestellungen in bestehenden Raumplanungsprozessen effektiv und effizient beruumlcksichtigt werden koumlnnen

These 4 Die erforderliche Information zur Umsetzung von Raumlumlicher Energiepla-nung muss und kann standardisiert und effizient bereitgestellt werden

Die Integration eines neuen Materienkomplexes fordert einerseits die Entwicklung und Verfuumlgbarkeit der entsprechenden Kompetenzen Durch die in These 3 vorgeschlagene Rollenteilung und Auslage-rung der energiebezogenen Informationsaufbereitung und Qualitaumltssicherung an die fachlich zustaumln-digen Verwaltungseinheiten kann dieser Herausforderung entgegengetreten werden Andererseits im-plizieren die neuen Aufgaben fuumlr beide Seiten und insbesondere fuumlr Letztere in jedem Fall einen zu-saumltzlichen Aufwand Die Schaffung neuer Planstellen in Landes- oder Gemeindeverwaltung ist gerade in der Anfangsphase schwer darzustellen Spaumltestens bei kleineren Staumldten oder gar Gemeinden muumls-sen die neuen Aufgaben zwangslaumlufig zu einer kompetenz- und ressourcenmaumlszligigen Uumlberforderung fuumlhren Um eine Chance auf die Beruumlcksichtigung der neuen Inhalte zu haben sind demzufolge einer-seits der Aufwand und andererseits die notwendige Kompetenz so weit wie moumlglich zu reduzieren Die Bereitstellung der notwendigen Informationen fuumlr die Staumldte und Gemeinden erscheint vor diesem Hintergrund als notwendig Eine umfassende Praumlzisierung und Standardisierung der zu beruumlcksichti-genden Inhalte ermoumlglicht eine effiziente Bearbeitung welche durch moderne Informationssysteme gestuumltzt werden kann Zu erwaumlhnen sind in diesem Kontext die uumlber die LandesGIS verfuumlgbaren ener-giebezogenen Informationen (vor allem Solar- und Windpotenziale aber auch weiterfuumlhrende Infor-mationen wie Umgebungswaumlrmepotenziale Energienetzdaten Energieerzeugungsanlagen Waumlrme-netzpotenziale und bis hin zur Verortung von Musterprojekten (vgl z B Onlinequellen ViennaGIS und SAGIS) welche einige Bundeslaumlnder in den letzten Jahren schrittweise aufgebaut haben Eine Standar-disierung der darzustellenden Inhalte bringt daruumlber hinaus weitere Vorteile mit sich Einerseits wird dadurch eine strukturierte Schulung der betroffenen Akteure (primaumlr Baubehoumlrden und Ortsplaner) ermoumlglicht Andererseits wird fuumlr die pruumlfbehoumlrdlichen Verfahren die notwendige Vergleichbarkeit und Gleichbehandlung sichergestellt

Aus der Praxis

Das Land Steiermark hat mit dem Leitfaden zum Sachbereichskonzept Energie (Ab-art-HerisztStoumlglehner 2019) einen Standard fuumlr die Beruumlcksichtigung energiebezo-gener Inhalte in der oumlrtlichen Entwicklungsplanung geschaffen und zur Nutzung umfassend geschult

Im Projekt GEL SEP (Onlinequelle GEL SEP) gehen die Bundeslaumlnder Steiermark Wien und Salzburg den naumlchsten Schritt und entwickeln fuumlr definierte Planungspro-zesse (primaumlr in den Bereichen Entwicklungsplanung und Projekt-Arealentwick-lung) automatisiert generierte Berichte und Analysen Diese konzentrieren sich vor-

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erst auf den im Hinblick auf die induzierten Emissionen und die vorhandenen ord-nungspolitischen Instrumente relevantesten Sektor Waumlrme Als Ergebnis des Pro-jektes werden Mitte 2021 insgesamt zehn verschiedene automatisierte Analysedo-kumente fuumlr Anwendungen in allen drei Planungsebenen in allen drei Bundeslaumln-dern verfuumlgbar und uumlber die LandesGIS abrufbar sein Mobilitaumlt und Strom sollen in einem naumlchsten Schritt in die entwickelten Strukturen integriert werden

Auf dieser Basis der Arbeit des Projektes erhalten Salzburger Gemeinden bereits seit 2020 in Prozessen zur Erstellung von REKs umfassende standardisierte Be-standsanalysen welche alle notwendigen Informationen zur Beruumlcksichtigung ener-giebezogener Inhalte in den REKs enthalten Das Service wird durch das Referat 404 Energiewirtschaft und -beratung des Amtes der Salzburger Landesregierung kostenfrei zur Verfuumlgung gestellt Mit der Schaffung dieser Basis konnten die Anfor-derungen zur Darstellung energie- und klimaschutzbezogener Inhalte in den REKs schrittweise erhoumlht werden

These 5 Notwendige Datengrundlagen in moumlglichst feiner Granularitaumlt und hoher Aktualitaumlt sind unter Beruumlcksichtigung des Datenschutzes verfuumlgbar zu machen

Die Erstellung der Analysen setzt die Verfuumlgbarkeit der notwendigen Daten und Informationen voraus In Bezug auf die Bereitstellung der Daten wurde bisher primaumlr der Weg der anlassbezogenen Datenak-quise beschritten Dieser Weg wird auch in Deutschland begangen wo beispielsweise in Schleswig-Holstein das Gesetz zur Energiewende und Klimaschutz eine Verfuumlgung zur Datenuumlbermittlung von Seiten Schornsteinfegern oumlffentlichen Stellen und Energieversorgungsunternehmen umfasst (vgl Ge-setz zur Energiewende und zum Klimaschutz 2017 sect7 (2)) Aumlhnliche Vorgangsweisen gibt es in Ham-burg Bayern und Baden-Wuumlrttemberg (in Vorbereitung) In Abhaumlngigkeit von der Breite und Tiefe der Analysen wird eine hohe Zahl an Datenquellen benoumltigt Die Vollstaumlndigkeit Richtigkeit und Aktualitaumlt der Datenquellen sind dabei ausschlaggebend fuumlr die Qualitaumlt der Analysen Entsprechend ist eine exakte Kenntnis dieser Parameter fuumlr alle verwendeten Datenquellen unabdingbar In Abhaumlngigkeit der raumlumlichen Granularitaumlt der Daten sind raumlumlich kon-kretere oder weniger konkrete Aussagen moumlglich Im Lichte der jeweils angestrebten Aussage und raumsachlichen Festlegung ist eine Reflexion der notwendigen und verfuumlgbaren Datenqualitaumlt anzu-stellen Mit dem Energiemosaik Oumlsterreich (Onlinequelle Energiemosaik) gibt es seit 2019 eine Darstellung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen fuumlr alle oumlsterreichischen Gemeinden Als Datenbasis werden dafuumlr primaumlr statistische Daten herangezogen und auf Gemeindeebene disaggregiert Diese erlauben grobe Aussagen auf Gemeindeebene fuumlr eine erste Einschaumltzung Strategische Richtungsent-scheidungen beispielsweise zur Eignung von Siedlungsgebieten unter Beruumlcksichtigung von Waumlrme-versorgung und Mobilitaumltsbedarf koumlnnen sich daraus nach Pruumlfung der Plausibilitaumlt uumlber Realdaten und ndashwissen ableiten lassen Die Reichweite ist gleichzeitig mit der Granularitaumlt und Datenqualitaumlt be-grenzt Fuumlr Festlegungen (beispielsweise zu Vorranggebieten fuumlr die netzgebundene Waumlrmeversor-gung) oder Planungsentscheidungen auf Arealebene werden feinere Granularitaumlten (gebaumlude- bzw grundstuumlcksgenau gegebenenfalls ha-Raster) und houmlhere Aussagegenauigkeiten benoumltigt als durch statistische Daten ableitbar waumlren Je houmlher die Qualitaumlt Granularitaumlt und Zahl der verfuumlgbaren Daten desto breiter wird die Eignung als Planungsgrundlage Das Projekt Enerspired Cities (Onlinequelle Enerspired Cities) hat fuumlr die Darstel-lung der wichtigsten energiebezogenen Informationen (Energieversorgungsinfrastruktur Energiebe-darfe und erneuerbare Energiepotenziale vgl These 2) eine dreistellige Anzahl an notwendigen Da-tenquellen identifiziert und diese einzeln bewertet und katalogisiert Die verfuumlgbaren und nutzbaren

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Datenquellen unterscheiden sich dabei aufgrund der abweichenden Verwaltungsstrukturen teilweise deutlich zwischen den Bundeslaumlndern Fuumlr die Nutzung dieser Daten zu Planungszwecken sind auch im Falle der Verfuumlgbarkeit in ausreichen-der Qualitaumlt weitere Herausforderungen gegeben Im Sinne einer laufend aktuellen Datenbasis sind kontinuierliche Updates und die entsprechenden Uumlbergabepunkte sicherzustellen Eine relevante Huumlrde stellt schlussendlich der Datenschutz dar Spaumltestens mit der DSGVO ist fuumlr Daten mit Personen-bezug ein umfassendes Datenschutzmanagement inklusive Zugriffssteuerung erforderlich

Aus der Praxis

Das Datenmanagement ndash allen voran die Katalogisierung und das Aufbereiten von Metadaten - bildet eine zentrale Grundlage zur Nutzung der Daten und ist zudem Basis fuumlr das Datenschutzmanagement In der Implementierung des Waumlrmeatlas in den Bundeslaumlndern Wien Steiermark und Salzburg werden unter anderem Daten mit Personenbezug verwendet Die Nutzung der personenbezogenen Daten ist fuumlr die definierten Planungsprozesse (siehe These 3) in den Gemeinden teilweise (ab-haumlngig vom konkreten Prozess sowie Bundesland) rechtlich gedeckt In der Umset-zung ist sicherzustellen dass die Daten nur von jenen Stellen verarbeitet und ge-nutzt werden welche dazu rechtlich legitimiert sind Da groszlige Teile der Datenquel-len in Haumlnden der Bundeslaumlnder liegen und die Darstellung uumlber die Landes-GIS er-folgen soll kommt den Aumlmtern der Landesregierungen als gemeinsame Verant-wortliche mit den Gemeinden eine wichtige Rolle beim Datenhosting und der Da-tenverarbeitung zu

These 6 Den Bundeslaumlndern kommt eine Schluumlsselrolle in der Implementierung von raumlumlicher Energieplanung zu

Abb 3 Schluumlsselrollen der Bundeslaumlnder bei der Implementierung raumlumlicher Energieplanung

Die letzte These leitet sich als Fazit aus den vorangegangenen Thesen ab Aus Sicht der Autoren kommt in der Beruumlcksichtigung energiebezogener Fragestellungen in hoheitlichen Planungsprozessen den Bundeslaumlndern eine Schluumlsselrolle zu Die Aufgaben lassen sich wie folgt zusammenfassen

Datenbereitstellung

Datenhosting und -verarbeitung inklusive Datenschutzmanagement

Informationsaufbereitung und -bereitstellung

Rechtsrahmen

Qualitaumltssicherung

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(1) Datenbereitstellung Viele der benoumltigten Daten liegen in der Hand der Landesverwaltungen Die langfristige Bereitstellung die Sicherstellung und Erhoumlhung von Aktualitaumlt und Qualitaumlt sowie die Harmonisierung der Adresser-kennung tragen maszliggeblich zur Schaffung verlaumlsslicher Planungsgrundlagen bei Gleichzeitig muss si-chergestellt werden dass energierelevante Datengrundlagen im Verantwortungsbereich der Gemein-den (z B AGWR digitale Katastermappe fuumlr Gebaumlude) aktuell gehalten werden (2) Datenhosting und -verarbeitung inklusive Datenschutzmanagement Neben den landesinternen Daten sind auch externe Datenquellen zu verarbeiten Dafuumlr benoumltigt es eine verantwortliche Stelle welche Datensicherheit und Datenschutz gewaumlhrleistet und uumlber die ent-sprechenden Infrastrukturen verfuumlgt Die Verarbeitung von Daten und das Einbinden in entsprechende Modelle (oder Entwickeln von Modellen) um Fragestellungen zu beantworten ist Teil der Grundlagen-forschung Die Erfuumlllung dieser Aufgaben ist aufgrund der notwendigen Kompetenzen und Ressourcen Gemeinden und Ortsplanern nicht zumutbar und wuumlrde daruumlber hinaus eine Vergleichbarkeit unter-minieren Mit der Umsetzung uumlber die Landesregierungen als gemeinsame Verantwortliche kann ma-ximale Effizienz Sicherheit und Standardisierung gewaumlhrleistet werden Gleichzeitig erscheint eine Uumlbertragung auf Bundesebene aufgrund der groszligen Heterogenitaumlt der Da-tenquellen zwischen den einzelnen Bundeslaumlndern der fehlenden Kompetenzen sowohl in der Daten-haltung als auch in den Zustaumlndigkeiten im Planungsbereich sowie der reduzierten Moumlglichkeit zur Qualitaumltssicherung und -verbesserung der Daten als nicht zielfuumlhrend (3) Informationsaufbereitung und -bereitstellung Die Landes-GIS sind optimal fuumlr die Informationsbereitstellung geeignet Sie koumlnnen direkt auf die im Rahmen der Landesverwaltungen gewarteten Daten (vgl Punkt 2) zugreifen Die Landes-GIS erlauben ein Benutzermanagement mit Klassifizierung der Zugriffsrechte und eine Teilung in oumlffentliche und eingeschraumlnkte Karten und ermoumlglichen damit die Bereitstellung weniger sensibler Daten (va erneu-erbare Energiepotenziale) an eine breite Oumlffentlichkeit Gleichzeitig besteht die Moumlglichkeit der einge-schraumlnkten Bereitstellung von Informationen fuumlr Gemeinden inklusive Spiegelung der relevanten Kar-ten in den Gemeinde-GIS uumlber verfuumlgbare Schnittstellen In diesem Sinne sind die Landes-GIS in vielen Faumlllen die direkte Grundlage fuumlr die Raumplanungsprozesse Zuletzt ist auch die Bereitstellung auto-matisierter Analysen uumlber die Landes-GIS moumlglich (4) Rechtsrahmen Die fuumlr die Beruumlcksichtigung energiebezogener Inhalte in hoheitlichen Planungsprozessen wichtigsten Gesetzesmaterien sind das Raumordnungsrecht und das Baurecht Beide befinden sich im Kompetenz-bereich der Bundeslaumlnder Der in einigen Bundeslaumlndern begonnene Trend der Ermaumlchtigung bzw Verpflichtung zur Beruumlcksichtigung von energie- und klimaschutzbezogenen Fragestellungen vor allem in der Entwicklungsplanung birgt das Potenzial zur Verbreitung auf andere Bundeslaumlnder und zur Ver-tiefung sowie Praumlzisierung der adressierten Inhalte Gleichzeitig ist es wichtig dass die Bruumlcke zum Baurecht geschaffen wird Die Ermaumlchtigung zu energiebezogenen Festlegungen im Bebauungsplan ist eine wichtige Grundlage um die Exekutierung der in der Entwicklungsplanung formulierten Ziele zu ermoumlglichen Neben den direkt relevanten Rechtsmaterien gibt es weitere mit indirekter Relevanz Darunter fallen beispielsweise die Bereitstellungsverpflichtung Definition der Qualitaumltsanforderung und die Nutzungsermaumlchtigung fuumlr die benoumltigten Daten oder die Verbindung der Instrumente der Raumordnung mit weiteren hoheitlichen Steuerungsinstrumenten (z B Wohnbaufoumlrderung Energie-foumlrderung Beratung Bewusstseinsbildung)

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(5) Qualitaumltssicherung Der Erfolg der Aktivitaumlten raumlumlicher Energieplanung haumlngt von einer effektiven Umsetzung ab - alle Vorhaben sind nur so gut wie sie auch konsequent und qualitaumltsvoll umgesetzt werden und somit zu einer signifikanten und moumlglichst raschen Reduktion des CO2-Ausstoszliges beitragen Qualitaumltssicherung beginnt bei den genutzten Datengrundlagen und der Informationsaufbereitung Als fuumlr die Raumord-nung verantwortliche Pruumlfbehoumlrde nehmen die Bundeslaumlnder daruumlber hinaus auch im Verfahren selbst im Hinblick auf die Qualitaumltssicherung eine Schluumlsselrolle ein Schlussendlich koumlnnen nur sie sicherstel-len dass die sachlichen Erkenntnisse der energieraumlumlichen Analysen in der praktischen Umsetzung in den Gemeinden auch Beruumlcksichtigung finden

Aus der Praxis

Die Bundeslaumlnder Wien Steiermark und Salzburg haben in den letzten Jahren so-wohl im Hinblick auf die rechtlichen Grundlagen als auch im Hinblick auf die Bereit-stellung der Informationen viele wichtige Grundlagen geschaffen Dabei werden je-weils Ansaumltze verfolgt in denen die Landesregierungen die Verantwortung fuumlr die Beruumlcksichtigung energie- und klimaschutzbezogener Fragestellungen aktiv wahr-nehmen Der Entwicklung der Anforderungen steht jeweils ein direktes Service fuumlr die Gemeinden (in Form von Informationsbereitstellung Beratung Schulung und Foumlrderung) gegenuumlber

Schlussfolgerungen Ausblick Die Themen Energiewende und Klimaschutz sind heute als oumlffentliches Interesse etabliert und erheben sich damit auch in der Raumplanung aus dem bisherigen Schattendasein Energieraumplanung hat in den letzten beiden Jahren groszlige Entwicklungsspruumlnge gemacht und ist in der Praxis angekommen Erste Bundeslaumlnder haben effektive Schritte zur Beruumlcksichtigung von energie- und klimaschutzbezo-genen Fragestellungen in hoheitlichen Planungsprozessen gesetzt In Wien der Steiermark und Salz-burg gibt es heute etablierte Prozesse die in der Praxis erfolgreich exekutiert werden Datenbereitstellung Datenhosting Datenverarbeitung Informationsaufbereitung und -bereitstellung Qualitaumltssicherung sowie die Schaffung des rechtlichen Rahmens stellen die maszliggeblichen Grundlagen dar Aufgrund der Kompetenzenverteilung und der notwendigen Ressourcen kommt den Bundeslaumln-dern als Institutionen eine Schluumlsselrolle zu um die Integration des neuen Materienkomplexes in be-stehende Prozesse der Raumplanung in der Praxis bewerkstelligen zu koumlnnen Nach der Etablierung erster Prozesse zur Beruumlcksichtigung energie- und klimaschutzbezogener Inhalte in der Raumplanung muss es in den naumlchsten Schritten darum gehen die Instrumente konsequent weiterzuentwickeln zu verbessern und thematisch zu vertiefen eine eindeutige Rechtssicherheit fuumlr die Umsetzung zu schaffen und diese in der Praxis sicherzustellen sowie die nuumltzlichen Erfahrungen auf weitere Bundeslaumlnder zu skalieren

Literatur

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Gesetzesquellen

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Salzburger RaumordnungsgesetzSROG 2009 LGBl Nr 302009 idF LGBl Nr 772020 httpswwwrisbkagvatGeltendeFassungwxeAbfrage=LrSbgampGesetzesnummer=20000615

Steiermaumlrkisches RaumordnungsgesetzStROG 2010 LGBl Nr 492010 idF LGBl Nr 62020 httpswwwrisbkagvatGeltendeFassungwxeAbfrage=LrStmkampGesetzesnummer=20000069

Tiroler RaumordnungsgesetzTROG 2016 LGBl Nr 1012016 idF LGBl Nr 512020 httpswwwrisbkagvatGeltendeFassungwxeAbfrage=LrTampGesetzesnummer=20000647

Vorarlberger Gesetz uumlber die RaumplanungVGRP 1996 LGBlNr 391996 idF LGBlNr 192020 httpswwwrisbkagvatGeltendeFassungwxeAbfrage=LrVbgampGesetzesnummer=20000653

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Onlinequellen

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e5-Energieeffiziente Gemeinden (wwwe5-gemeindenat)

Enco2Web (httpsprojekteffgatprojekt2808525)

Energiemosaik (httpswwwenergiemosaikatintro)

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Energieraumplaumlne (Klimaschutzgebiete) der Stadt Wien (httpswwwwiengvatstadtentwick-lungenergieerp)

Enerspired Cities (wwwenerspiredcity)

GREEN ENERGY LAB Spatial Energy Planning for Energy Transition (wwwwaermeplanungat)

OumlREK (httpswwwoerokgvatraumthemenenergieraumplanung)

SAGIS (httpswwwsalzburggvatsagismobilesagisonline)

ViennaGIS (httpswwwwiengvatumweltgutpublic)

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Das Sachbereichskonzept Energie in der Steiermark Ein Buumlndel aus rechtlicher Verankerung fachlichen Grundlagen fundierter Beratung und finanzieller Foumlrderung

Lore Abart-Heriszt (1) Dieter Preiszlig (2) und Michael Redik (3)

DOI 10347261021

(1) Dipl-Ing Dr Institut fuumlr Raumplanung Umweltplanung und Bodenordnung (IRUB) Department fuumlr Raum Landschaft und Infrastruktur (RALI) Universitaumlt fuumlr Bodenkultur (BOKU) Wien

(2) Dipl-Ing Amt der Steiermaumlrkischen Landesregierung Abteilung 15 ndash Energie Wohnbau Technik Referat fuumlr Energietechnik und Klimaschutz

(3) Dipl-Ing Amt der Steiermaumlrkischen Landesregierung Abteilung 13 ndash Umwelt und Raumordnung Referat fuumlr Bau- und Raumordnung

Abstract

Die energieraumplanerischen Standortraumlume kennzeichnen innerhalb von Gemeinden Siedlungsge-biete die als besonders energieeffizient und klimafreundlich gelten Identifiziert werden einerseits Standortraumlume fuumlr Fernwaumlrmeversorgung unter Beruumlcksichtigung von Waumlrmebedarfs- und Bebau-ungsdichten Andererseits werden Standortraumlume fuumlr klimafreundliche Mobilitaumlt identifiziert die auf-grund ihrer Nutzungsmischung und -dichte sowie ihrer oumlV-Guumlte uumlber optimale Rahmenbedingungen fuumlr den Fuszlig- und Radverkehr sowie den oumlffentlichen Verkehr verfuumlgen Die Uumlberlagerung der Stand-ortraumlume fuumlr Fernwaumlrmeversorgung mit den Standortraumlumen fuumlr klimafreundliche Mobilitaumlt kenn-zeichnet jene Siedlungsgebiete innerhalb von Gemeinden auf die mit den Instrumenten der oumlrtlichen Raumplanung die kuumlnftige bauliche Entwicklung gelenkt werden soll Diese Flaumlchen stehen im Allge-meinen auch im Fokus der Strategien zur Innenentwicklung Die energieraumplanerischen Standort-raumlume bilden vornehmlich eine Grundlage fuumlr das Oumlrtliche Entwicklungskonzept aber auch fuumlr den Flaumlchenwidmungsplan sowie den Bebauungsplan Sie gehen in den raumordnungspolitischen Mei-nungsbildungsprozess ein in dem uumlber die kuumlnftige raumlumliche Entwicklung einer Gemeinde entschie-den wird

Schluumlsselbegriffe

Energieeffiziente Siedlungsstrukturen energieraumplanerische Standortraumlume oumlrtliche (Energie-) Raumplanung Abart-Heriszt L Preiszlig D Redik M (2021) Das Sachbereichskonzept Energie in der Steiermark Ein Buumlndel aus rechtlicher Verankerung fachlichen Grundlagen fundierter Beratung und finanzieller Foumlrderung In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S18-27

Abart-Heriszt Preiszlig Redik (2021) Das Sachbereichskonzept Energie in der Steiermark Ein Buumlndel aus rechtlicher Veranke-rung fachlichen Grundlagen fundierter Beratung und finanzieller Foumlrderung DOI 10347261021

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Inhalt Rahmenbedingungen des Landes fuumlr die Energieraumplanung in der Steiermark 20

Energie- und Treibhausgasdatenbanken und die Ausweisung energieraumplanerischer Standortraumlume 21

Kommunale Energie- und Treibhausgasdatenbank 21

Rasterbasierte Energie- und Treibhausgasdatenbank 22

Energieraumplanerische Standortraumlume 22

Klimaschutz und das Foumlrderungsprogramm zur Energieraumplanung in der Steiermark 25

Schlussbemerkung 26

Literatur 27

Abart-Heriszt Preiszlig Redik (2021) Das Sachbereichskonzept Energie in der Steiermark Ein Buumlndel aus rechtlicher Veranke-rung fachlichen Grundlagen fundierter Beratung und finanzieller Foumlrderung DOI 10347261021

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Rahmenbedingungen des Landes fuumlr die Energieraumplanung in der Steiermark

Das energiepolitische Engagement der steiermaumlrkischen Raumplanung hat lange Tradition Schon seit Jahrzehnten ist den Verantwortlichen in der Steiermark der Raumbezug energierelevanter Aspekte bewusst Bereits im Landesentwicklungsprogramm 1977 hat sich das Land Steiermark mit dem Thema Energie befasst Die Erstellung eines Sachprogramms fuumlr den Themenbereich Rohstoff- und Energie-versorgung wurde vorgesehen und im Jahr 1984 (allerdings als unverbindliches Konzept) umgesetzt In der zweiten Haumllfte der 1980er-Jahre wurden die energetischen Potenziale der Planungsregionen (im Wesentlichen war das die Bezirksebene) als Grundlage fuumlr die regionalen Entwicklungsprogramme der ersten Generation erfasst rechtlich verbindliche Vorgaben wurden daraus aber nicht abgeleitet Einen weiteren Anlass sich mit dem Thema Energie auseinanderzusetzen bot im Jahr 1993 das Entwick-lungsprogramm fuumlr die Reinhaltung der Luft Darin wurden lufthygienische Sanierungsgebiete abge-grenzt und fuumlr den Grazer Zentralraum Moumlglichkeiten zur Festlegung von verpflichtenden Fernwaumlrme-anschlussbereichen eroumlffnet eine Umsetzung erfolgte aber nur in Teilbereichen der Landeshauptstadt Graz Seit den 1990er Jahren richtete sich das Hauptaugenmerk auf zahlreiche Standortpruumlfungen bzw -planungen fuumlr Energieerzeugungsanlagen (Kleinwasserkraft Photovoltaik Windparks Biomasse) zu-letzt muumlndeten diese Arbeiten in die Novelle des Entwicklungsprogramms fuumlr den Sachbereich Wind-energie (2019) Mit bdquoEnergieraumplanungldquo im Sinne der Definition der OumlROK (bdquoEnergieraumplanung ist jener integrale Bestandteil der Raumplanung der sich mit den raumlumlichen Dimensionen von Energieverbrauch und Energieversorgung umfassend beschaumlftigtldquo) befasste sich das EU-Projekt SPECIAL (Spatial planning and energy for communities in all landscapes) an dem sich das Land Steiermark beteiligte (2013-2016) Als Umsetzungsmaszlignahme dieses EU-Projekts wurde das Institut fuumlr Raumplanung Umweltplanung und Bodenordnung der Universitaumlt fuumlr Bodenkultur Wien (BOKU) damit beauftragt sogenannte bdquoSach-bereichskonzepte Energieldquo (SKE) fuumlr zwei Fallbeispielgemeinden sowie einen Leitfaden fuumlr die Entwick-lung solcher SKEs in der Steiermark zu erarbeiten Basierend auf den Erfahrungen in diesem Pilotpro-jekt beauftragte das Land Steiermark anschlieszligend die BOKU mit der Bereitstellung einer kommunalen und rasterbasierten Energie- und Treibhausgasdatenbank einschlieszliglich der flaumlchendeckenden Aus-weisung energieraumplanerischer Standortraumlume nach einer einheitlichen Methodik fuumlr alle 287 Ge-meinden in der Steiermark (vgl Kap 2) Die umfangreichen Datensaumltze wurden den Gemeinden kos-tenlos in digitaler Form zur Verfuumlgung gestellt und dienen steiermarkweit als Grundlage fuumlr die Erar-beitung von SKEs In diesem Rahmen wurde auch der Leitfaden adaptiert (bdquoDas Sachbereichskonzept Energie ndash ein Beitrag zum Oumlrtlichen Entwicklungskonzept Leitfaden Version 20ldquo) Er soll Akteure in der oumlrtlichen Raumplanung dabei unterstuumltzen auf Basis der Datenbanken und Standortraumlume plane-rische Strategien zu erarbeiten die in Festlegungen fuumlr eine energie- und klimaoptimierte raumlumliche Entwicklung muumlnden Im Vordergrund der Betrachtungen stehen dabei Aspekte der Waumlrmeversorgung und der Mobilitaumlt Aufgrund der Bestimmungen des Steiermaumlrkischen Raumordnungsgesetzes 2010 (StROG 2010) bildet das SKE nicht nur eine unerlaumlssliche Planungsgrundlage fuumlr die Beruumlcksichtigung von Energiewende und Klimaschutz in der oumlrtlichen Raumplanung Vielmehr ist ein Energiekonzept als (vorwiegend) fa-kultatives Sachbereichskonzept zum oumlrtlichen Entwicklungskonzept (OumlEK) im StROG explizit verankert (vgl dazu sect 21 (3)) Diese Bestimmung ist im Vergleich zu den gesetzlichen Regelungen in anderen Bundeslaumlndern bemerkenswert und eroumlffnet die Moumlglichkeit wesentliche Inhalte des SKE im OumlEK der Gemeinde verbindlich festzulegen Mit dem SKE wird demnach das zentrale strategische Planungs-instrument auf kommunaler Ebene um energieraumplanerische Aspekte ergaumlnzt Energie- und klima-relevante Aussagen erhalten durch die Integration in den fachuumlbergreifenden Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozess sowie durch den Verordnungscharakter des OumlEK besondere Bedeutung Die

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rechtliche Verankerung energieraumplanerischer Bestimmungen im OumlEK ist gemeinsam mit der Wahr-nehmung von einschlaumlgigen Weiterbildungsangeboten seitens der kommunalen Akteure die zentrale Voraussetzung fuumlr die Ausschuumlttung von Mitteln aus dem Oumlkofonds Steiermark Uumlber diesen Fonds ist es gelungen eine finanzielle Unterstuumltzung fuumlr Gemeinden bei der Erstellung und Umsetzung der SKEs aufzustellen (vgl Klimaschutz und das Foumlrderungsprogramm zur Energieraumplanung in der Steier-mark)

Energie- und Treibhausgasdatenbanken und die Ausweisung energieraumplaneri-scher Standortraumlume Fuumlr eine vorausschauende Planung wie im Falle des OumlEK bzw des SKE ist die genaue Kenntnis und Analyse der Ausgangssituation unabdingbar Das SKE basiert daher einerseits auf einer raumlumlich und sachlich hoch aufgeloumlsten energie- und mobilitaumltsrelevanten Bestands- und Potenzialanalyse die so-wohl auf Gemeindeebene als auch im 250-m-Raster erfolgt (kommunale und rasterbasierte Energie- und Treibhausgasdatenbank) Andererseits bilden die energieraumplanerischen Standortraumlume eine unerlaumlssliche Grundlage fuumlr die Entwicklung von Strategien zugunsten energie- und klimaeffizienter Raum- und Siedlungsstrukturen im Rahmen des SKE Der Leitfaden bdquoDas Sachbereichskonzept Energieldquo unterstuumltzt die kommunalen Akteure allen voran die oumlrtlichen Raumplaner bei der Analyse und Inter-pretation der umfangreichen Datensaumltze

Kommunale Energie- und Treibhausgasdatenbank

Fuumlr die Entwicklung kommunaler Strategien zur Energiewende und zum Klimaschutz ist eine profunde Charakterisierung der Gemeinde im Hinblick auf Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen im Status quo (Eroumlffnungsbilanz) ebenso unerlaumlsslich wie die Darstellung der energetischen Potenziale der Gemeinde

Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen der Gemeinde

Im Hinblick auf den Energieverbrauch und die Treibhausgasemissionen auf Gemeindeebene stuumltzt sich das SKE auf das bdquoEnergiemosaik Austrialdquo Diese Datenbank bildet den Energieverbrauch und die damit verbundenen Treibhausgasemissionen fuumlr alle oumlsterreichischen Staumldte und Gemeinden ab und bietet damit umfangreiche energie- und klimarelevante Entscheidungsgrundlagen auf Gemeindeebene Das Energiemosaik Austria steht seit Jaumlnner 2020 unter wwwenergiemosaikat mit interaktiven Karten umfangreichen Tabellen und weiterfuumlhrenden Diagrammen zur Verfuumlgung (Abart-Heriszt et al 2019a und 2019b) Die Ergebnisse des Energiemosaiks Austria wurden fuumlr die steiermaumlrkischen Gemeinden in einer sepa-raten Datenbank abgelegt (kommunale Energie- und Treibhausgasdatenbank Steiermark) die uumlber eine eigens entwickelte Excel-Abfrageoberflaumlche zugaumlnglich ist (Abart-Heriszt et al 2020) Sie wurde den Gemeinden in der Steiermark schon im Sommer 2018 vorweg zur Verfuumlgung gestellt und im Winter 2020 auf den aktuellen Stand des Energiemosaiks Austria gebracht

Energetische Potenziale der Gemeinde

In der kommunalen Energie- und Treibhausgasdatenbank Steiermark werden nicht nur die im Energie-mosaik Austria getroffenen Aussagen zum Energieverbrauch und zu den Treibhausgasemissionen be-reitgestellt sondern auch energetische Potenziale der Gemeinden dokumentiert Dabei steht die Dar-stellung thermischer Potenziale mit teilweise hoher Ortsgebundenheit als Grundlage fuumlr die Entwick-lung von Strategien zur Waumlrmeversorgung im Vordergrund der Betrachtungen Besondere Bedeutung kommt hierbei Effizienzpotenzialen zu Der Energieverbrauch und damit das Ausmaszlig der Treibhausgasemissionen koumlnnen durch Maszlignahmen zur Steigerung der Energieeffizienz erheblich vermindert werden Dies gilt auch fuumlr den Waumlrmebedarf von Siedlungen der mittel- bis lang-fristig durch die energetische Sanierung der bestehenden Bausubstanz verringert werden kann In der

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kommunalen Energie- und Treibhausgasdatenbank Steiermark werden die Energieeffizienzpotenziale fuumlr die Wohngebaumlude ausgewiesen In diesem Rahmen wird (ebenso wie im Status quo) auf bereits erfolgte energetische Sanierungen der Gebaumlude grundsaumltzlich Bedacht genommen wobei angesichts unzureichender Datengrundlagen keine gemeindespezifische oder inneroumlrtliche Differenzierung der bisherigen Sanierungstaumltigkeit erfolgt Fuumlr die Ermittlung der kuumlnftigen Energieeffizienzpotenziale wer-den unterschiedliche Gebaumludekategorien und Bauperioden in ihrer raumlumlichen Verteilung beruumlcksich-tigt Im Hinblick auf die Verminderung der Treibhausgasemissionen spielen die sogenannten Substitutions-potenziale eine besondere Rolle Sie beschreiben in welchem Ausmaszlig fossile Energie zum Einsatz kommt die durch erneuerbare Energie substituiert werden kann In der kommunalen Energie- und Treibhausgasdatenbank Steiermark ist der fossile Anteil am Waumlrmebedarf dargestellt Die erneuerbaren Energiepotenziale sind vielseitig In der kommunalen Energie- und Treibhausgasda-tenbank Steiermark werden die Abwaumlrmepotenziale aus industriell-gewerblicher Produktion und aus Einrichtungen der technischen Infrastruktur sowie (gebaumludeintegrierte) Solarwaumlrmepotenziale Bio-masse- und Biogaspotenziale ausgewiesen

Rasterbasierte Energie- und Treibhausgasdatenbank

Waumlhrend Aussagen auf Gemeindeebene eine wichtige Referenz fuumlr die Formulierung kommunaler Strategien fuumlr die Energiewende und den Klimaschutz darstellen erweist sich fuumlr Festlegungen der oumlrtlichen Raumplanung eine inneroumlrtliche Differenzierung als erforderlich Aus diesem Grund wurde eine landesweite rasterbasierte Energie- und Treibhausgasdatenbank entwickelt die im digitalen At-las Steiermark abrufbar ist (wwwgisstmkgvat)

Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen im 250-m-Raster

Fuumlr die rasterbasierte Energie- und Treibhausgasdatenbank erfolgt die Ermittlung von Energiever-brauch und Treibhausgasemissionen der Wohnnutzung und der wirtschaftlichen Nutzungen flaumlchen-deckend in einem 250-m-Raster in Analogie zur Modellierung auf Gemeindeebene Die statistische Da-tenbasis beruht auf einer Sonderauswertung der Gebaumlude- und Wohnungszaumlhlung sowie der Arbeits-staumlttenzaumlhlung im 250-m-Raster seitens der Statistik Austria wobei aufgrund von Datenschutzbestim-mungen einzelne Angaben (unterhalb gewisser Schwellenwerte) unterdruumlckt werden Im Allgemeinen stehen demnach im Raster dieselben Strukturdaten (70 Parameter zu Wohnflaumlchen und Beschaumlftigten) in derselben sachlichen Differenzierung zur Verfuumlgung und kommen dieselben Energiekennzahlen und Emissionsfaktoren zur Anwendung wie auf Gemeindeebene Fuumlr jede Rasterzelle werden Energiever-brauch und Treibhausgasemissionen als Summe aller Produkte von Strukturdaten und Energiekenn-zahlen bzw unter Heranziehung energietraumlgerspezifischer Emissionsfaktoren ermittelt wobei auf die Berechnung von Waumlrmebedarf und Waumlrmebedarfsdichten ein Hauptaugenmerk gelegt wird

Energetische Potenziale im 250-m-Raster

Ergaumlnzend zu den Angaben zum Energieverbrauch und zu den Treibhausgasemissionen werden in der rasterbasierten Energie- und Treibhausgasdatenbank auch die Effizienz- und Solarwaumlrmepotenziale (analog zur Darstellung auf Gemeindeebene) ausgewiesen

Energieraumplanerische Standortraumlume

Die rasterbasierten Daten bilden eine wesentliche Grundlage fuumlr die landesweite Identifikation der energieraumplanerischen Standortraumlume die ebenfalls im digitalen Atlas Steiermark oumlffentlich zur Verfuumlgung stehen (wwwgisstmkgvat) Entsprechend der thematischen Schwerpunktsetzung im SKE werden Standortraumlume fuumlr Fernwaumlrmeversorgung und klimafreundliche Mobilitaumlt ausgewiesen

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Standortraumlume fuumlr Fernwaumlrmeversorgung

Im Vordergrund der Betrachtungen stehen Uumlberlegungen zur Verfolgung raumlumlich differenzierter Stra-tegien zur Waumlrmeversorgung und zur Konzentration der kuumlnftigen Siedlungsentwicklung auf Standort-raumlume die mit Fernwaumlrme versorgt werden koumlnnen wobei dies nur im Falle der Nutzung uumlberwiegend erneuerbarer Energietraumlger hocheffizienter Kraft-Waumlrme-Kopplungs-Anlagen oder bedeutender Ab-waumlrmepotenziale forciert werden soll Waumlrmenetze haben den Vorteil dass sie im Hinblick auf dendie eingesetzten Energietraumlger sehr flexibel sind und dass sie die Volatilitaumlt der erneuerbaren Energietrauml-ger (vornehmlich der Solar- und Windenergie) ausgleichen koumlnnen Sie eignen sich daher besonders fuumlr den mittel- bis langfristig erforderlichen Ausstieg aus der fossilen bzw den zunehmenden Einsatz erneuerbarer Energie in der Waumlrmebereitstellung

Kriterien fuumlr die Ausweisung von Standortraumlumen fuumlr Fernwaumlrmeversorgung sind die im 250-m-Raster ermittelte Waumlrmebedarfsdichte und die im Flaumlchenwidmungsplan jeweils ausgewiesene maximal zu-laumlssige Geschoszligflaumlchenzahl als Maszligzahl fuumlr die Bebauungsdichte Damit wird der Uumlberlegung Rech-nung getragen dass eine hohe Effizienz und Wirtschaftlichkeit der investitionskostenintensiven Fern-waumlrmeversorgung nur bei kurzen Transportwegen mit minimalen Waumlrmeverlusten gewaumlhrleistet sind Optionen fuumlr die Fernwaumlrmeversorgung muumlssen demnach in einem engen Zusammenhang mit einer angemessenen Bebauungsdichte einer ausgewogenen Mischung verschiedener Nutzungen mit zeit-lich variierender Waumlrmenachfrage und mit den Standorten von Groszligabnehmern betrachtet werden Letztere spiegeln sich im Allgemeinen in hohen Waumlrmebedarfsdichten wider werden damit auch in den energieraumplanerischen Standortraumlumen sichtbar und koumlnnen im Sachbereichskonzept Energie in Kenntnis der oumlrtlichen Gegebenheiten besonders beruumlcksichtigt werden

Je houmlher die genannten Dichten sind (vgl Abb 1) desto eher eignen sich Siedlungsgebiete fuumlr die Versorgung mit Waumlrme- (und allenfalls auch Kaumllte-) netzen ndash selbst im Falle einer Verringerung des Waumlrmebedarfs durch die fortschreitende ener-getische Sanierung im Gebaumludebestand

Abb 1 Standortraumlume fuumlr Fernwaumlrmeversorgung Quelle eigene Darstellung

Standortraumlume fuumlr klimafreundliche Mobilitaumlt

Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Lenkung der kuumlnftigen raumlumlichen Entwicklung jener Sied-lungsgebiete die sich besonders fuumlr eine energiesparende und klimafreundliche Mobilitaumlt eignen Im Rahmen der Ausweisung von Standortraumlumen fuumlr klimafreundliche Mobilitaumlt werden die Nutzungsin-tensitaumlt von Standorten und die Guumlteklassen des oumlffentlichen Verkehrs beruumlcksichtigt Fuumlr die Beurteilung der Nutzungsintensitaumlt von Standorten kommt ein eigens fuumlr das SKE entwickeltes Modell zur Anwendung das die Nutzungsvielfalt und Nutzungsdichte von Siedlungsstrukturen abbil-det Das Modell traumlgt der Uumlberlegung Rechnung dass eine kompakte Siedlungsstruktur mit einer aus-gewogenen Nutzungsmischung und angemessenen Dichten die besten raumlumlichen Voraussetzungen fuumlr kurze Wege und einen hohen Anteil des Fuszlig- und Radverkehrs schafft Auszligerdem wird dem Um-stand Rechnung getragen dass Standorte mit houmlheren Nutzungsintensitaumlten Synergiepotenziale eroumlff-nen und die Verknuumlpfung von Wegen zu Wegeketten (Erfuumlllung mehrerer Wegezwecke) erlaubt und

Abart-Heriszt Preiszlig Redik (2021) Das Sachbereichskonzept Energie in der Steiermark Ein Buumlndel aus rechtlicher Veranke-rung fachlichen Grundlagen fundierter Beratung und finanzieller Foumlrderung DOI 10347261021

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dadurch attraktiver sind Die Ermittlung der Nutzungsintensitaumlt beruht auf den Strukturdaten im 250-m-Raster (Einwohner und Beschaumlftigte bzw Arbeitsstaumltten im Dienstleistungssektor) Die Angaben zur OumlV-Guumlteklasse basieren auf der im Rahmen der OumlROK-Partnerschaft Raumordnung und Verkehr erarbeiteten Studie bdquoBedienungsqualitaumlt und Erschlieszligungsguumlte im oumlffentlichen Verkehrldquo (OumlROK 2017) die Daten wurden von der AustriaTech GmbH zur Verfuumlgung gestellt Die Studie nimmt sowohl auf die Qualitaumlt des oumlffentlichen Verkehrsangebotes als auch auf die Erreichbarkeit von Halte-stellen Bezug Demnach beruumlcksichtigt die Festlegung der OumlV-Guumlteklasse eines Standortes einerseits die Haltestellenkategorie die aus der Art des Verkehrsmittels sowie der Bedienungshaumlufigkeit (reprauml-sentiert durch die werktaumlglichen Kursintervalle) resultiert Andererseits flieszligen fuumlnf verschiedene Dis-tanzklassen zur Haltestelle (Fuszligwege bis maximal 1250 m Realdistanz) in die Beurteilung der OumlV-Guuml-teklasse eines Standortes ein Insgesamt werden in dieser Studie sieben OumlV-Guumlteklassen abgegrenzt Mikro-OumlV-Systeme sind in den OumlV-Guumlteklassen nicht abgebildet

Je houmlher die Nutzungsin-tensitaumlt und die Attrakti-vitaumlt der OumlV-Erschlieszligung sind (vgl Abb 2) desto eher eignen sich Sied-lungsgebiete fuumlr eine Verlagerung von Ver-kehrsleistungen des mo-torisierten Individualver-kehrs auf den Fuszlig- und Radverkehr sowie auf den oumlffentlichen Verkehr und damit fuumlr eine klima-freundliche Mobilitaumlt

Abb 2 Standortraumlume fuumlr klimafreundliche Mobilitaumlt Quelle eigene Darstellung

Synthese Uumlberlagerung der energieraumplanerischen Standortraumlume

Die eingehende Analyse bzw Uumlberlagerung der Standortraumlume fuumlr Fernwaumlrmeversorgung und fuumlr kli-mafreundliche Mobilitaumlt erlaubt jene Standorte innerhalb einer Gemeinde zu identifizieren die so-wohl hinsichtlich der Waumlrmeversorgung als auch der Mobilitaumlt energie- und klimaoptimierte Rahmen-bedingungen aufweisen Es sind dies im Allgemeinen kompakte nutzungsgemischte Siedlungsstruktu-ren mit maszligvoller Dichte der Bebauung die sich an den Erfordernissen des Fuszlig- und Radverkehrs so-

wie an attraktiven oumlffent-lichen Verkehrsangebo-ten orientieren Insofern bieten sie gute Voraus-setzungen fuumlr die Fern-waumlrmeversorgung (vor-nehmlich aus erneuerba-ren Energietraumlgern oder Abwaumlrme) sowie fuumlr die Nutzung des Umweltver-bundes aus Zu-Fuszlig-Ge-hen Radfahren und oumlf-fentlichem Verkehr (vgl Abb 3)

Abb 3 Uumlberlagerung der energieraumplanerischen Standortraumlume Quelle eigene Darstellung

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Die Strategien der Energieraumplanung zielen darauf ab diesen Standortraumlumen kuumlnftig eine hohe Prioritaumlt in der Siedlungsentwicklung einzuraumlumen Daraus sind unter Beruumlcksichtigung der besonde-ren oumlrtlichen Gegebenheiten sowie vor dem Hintergrund der aktuellen demographischen und wirt-schaftlichen Entwicklung vor Ort entsprechende Schlussfolgerungen fuumlr raumrelevante Festlegungen bzw im Hinblick auf die Lagegunst oder -ungunst bisher in Erwaumlgung gezogener Siedlungsentwick-lungspotenziale zu ziehen Dabei praumlzisiert der Leitfaden bdquoDas Sachbereichskonzept Energieldquo die sied-lungsstrukturellen Rahmenbedingungen und zeigt Anhaltspunkte fuumlr die planungsrechtliche Umset-zung energieraumplanerischer Strategien auf

Klimaschutz und das Foumlrderungsprogramm zur Energieraumplanung in der Steiermark

Der uumlberwiegende Teil der Treibhausgasemissionen ndash in der Steiermark sind es rund 85 ndash entsteht durch die Umwandlung fossiler Brennstoffe in Energie Der Sektor Verkehr und der Gebaumludebereich verursachen insgesamt 34 bzw ndash einschlieszliglich der indirekten Emissionen bei der Bereitstellung von Fernwaumlrme und Strom fuumlr die Gebaumlude ndash uumlber 40 der steirischen Treibhausgasemissionen (Klimabe-richt Steiermark 2019) Soll das international vereinbarte Ziel die Klimaerwaumlrmung im globalen Mittel mit maximal 2degC zu be-grenzen erreicht werden ist rasches Handeln auf allen Ebenen der Gesellschaft zur Verringerung der Treibhausgasemissionen erforderlich Daher wurde mit der integrierten Klima- und Energiestrategie Steiermark 2030 ein strategischer Rahmen geschaffen der zukunftsweisende Handlungsoptionen auf Bundeslandebene darlegt Die Raumplanung wird dort als zentrales strategisches Instrument fuumlr den Klimaschutz und die Versor-gung mit Energie auf kommunaler Ebene mit der Begruumlndung angefuumlhrt dass kompakte Siedlungs-strukturen die Voraussetzung fuumlr eine klimaoptimierte Energieversorgung sowie attraktive klima-freundliche Mobilitaumltsangebote sind Als Schwerpunktziel wurde bdquoDie Energieraumplanung als integ-rierender Bestandteil der Raumplanung entwickelnldquo definiert Darauf basierend wurde im Aktionsplan zur Klima- und Energiestrategie die Maszlignahme bdquoDas Sachbereichskonzept Energie in Gemeinden stra-tegisch verankernldquo beschlossen Eine zentrale Rolle spielen dabei die Raumplanerinnen und Raumpla-ner die als Multiplikatoren in den Gemeinden fungieren Das Sachbereichskonzept Energie unterscheidet sich dabei wesentlich von den Energiekonzepten die in der Vergangenheit erarbeitet wurden Sie hatten naumlmlich den entscheidenden Nachteil dass sie nicht in den Instrumenten der oumlrtlichen Raumplanung verankert wurden Sie haben deshalb in das Denken der fuumlr die Raumplanung Verantwortlichen kaum Eingang gefunden womit die Umsetzung so gut wie verspielt war Die Aussagen des SKE werden hingegen in das oumlrtliche Entwicklungskonzept der Gemeinde integriert Um das neue Instrument des SKE in die Umsetzung zu bringen wurde von den mit Raumplanung und Energie betrauten Stellen in den Abteilungen des Landes gemeinsam ein Foumlrderungsprogramm aus dem Oumlkofonds Steiermark aufgesetzt Die eingereichten Foumlrderungsansuchen werden von einer Jury ndash bestehend aus wissenschaftlichen Vertretern den betroffenen Landesdienststellen sowie dem Buumlro der zustaumlndigen Landesraumltin ndash vor Erteilung einer Foumlrderungszusage gepruumlft Dabei ist die Ausschrei-bung modular gestaltet Das erste Modul zielt auf die Foumlrderung von Planungsleistungen entsprechend dem Leitfaden bdquoDas Sachbereichskonzept Energieldquo ab um Klimaschutz- und Energieaspekte uumlber das SKE in die Instrumente der oumlrtlichen Raumplanung einzuarbeiten wobei die Raumplaner diesen Pro-zess in den Gemeinden organisieren Zusaumltzlich zum raumordnungsrechtlich verbindlichen Stake-

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holderprozess kann auch eine aktive Buumlrgerbeteiligung finanziell unterstuumltzt werden um eine Identi-fikation aller Betroffenen mit dem SKE zu schaffen und mit einer offenen und sachlichen Informations-politik die notwendige Transparenz im Planungsprozess zu gewaumlhrleisten Interessenskonflikten ist da-bei bestmoumlglich zu begegnen und sie sind sofern moumlglich waumlhrend der Erarbeitungszeit beizulegen Aufbauend auf der Entwicklung des SKE koumlnnen uumlber zwei weitere Module vornehmlich Machbarkeits-studien und Detailplanungen sowie die Vorbereitung und Ausschreibung von Umsetzungsvorhaben gefoumlrdert werden Fuumlr die Inanspruchnahme einer Foumlrderung ist auch die Wahrnehmung spezieller Schulungs- und Bera-tungsangebote durch die jeweilige Gemeinde und die Ortsplaner verpflichtend Diese Veranstaltungen wurden vom Land Steiermark gemeinsam mit der BOKU angeboten An den Schulungen bzw Beratun-gen nahmen Vertreterinnen und Vertreter aus uumlber siebzig Gemeinden teil In der Haumllfte der Gemein-den wird aktuell aktiv an den SKEs gearbeitet Bereits angekuumlndigt und auch in der Klima- und Energie-strategie festgehalten ist eine zukuumlnftige gesetzliche Verpflichtung im steirischen Raumordnungsge-setz zur Erarbeitung der SKEs Mit einer solch konsistenten Vorgehensweise nimmt die Steiermark eine Vorreiterrolle in Oumlsterreich ein

Schlussbemerkung Eine verstaumlrkte Beruumlcksichtigung der Raumrelevanz von Energiewende und Klimaschutz in Strategien zur raumlumlichen Entwicklung von Gemeinden zeigt angesichts der Langlebigkeit der baulichen Struktu-ren der Verkehrs- und Leitungsinfrastruktur sowie der sozialen Infrastruktur (einschlieszliglich weiterer Daseinsvorsorgeeinrichtungen) mittel- bis langfristig Wirkung Vorausschauend und fruumlhzeitig muumlssen daher Uumlberlegungen zur erneuerbaren Energieversorgung und Optionen fuumlr eine klimafreundliche Mo-bilitaumlt in die Planung insbesondere in das oumlrtliche Entwicklungskonzept einflieszligen Auf der Ebene des Flaumlchenwidmungsplanes sind diese Vorgaben im Hinblick auf eine energiebewusste bauliche Entwick-lung zu praumlzisieren Fuumlr die Bebauungsplanung ist ein integrierender Ansatz wichtig der Bebauungs- Energie- Verkehrs- und Gruumlnraumkonzept aufeinander abstimmt bdquoLeistbares Wohnenldquo darf in dieser Hinsicht nicht mit bdquoBillig bauenldquo gleichgesetzt werden Die planerischen Festlegungen zur Auswahl von Standorten fuumlr die Siedlungsentwicklung und zur Ausgestaltung der baulichen Entwicklung an diesen Standorten sollen begleitet werden von weiterfuumlhrenden Uumlberlegungen beispielsweise zur Gestaltung der oumlffentlichen Verkehrsinfrastruktur oder zur Entwicklung von Fernwaumlrmenetzen Auf der projekt-planerischen Ebene die jedoch nicht Gegenstand des SKE ist koumlnnen die Aussagen zu den Standort-raumlumen vertieft und dafuumlr allenfalls weitere Datenquellen beruumlcksichtigt werden (beispielsweise die Heizungsdatenbank die Energieausweisdatenbank das Gebaumlude- und Wohnungsregister) Dadurch kann sichergestellt werden dass eine vorausschauende raumlumliche Entwicklung von einem oumlkonomi-schen und effizienten Umgang mit der Energieinfrastruktur begleitet wird und Energieversorgungssys-teme nicht am Rande der Wirtschaftlichkeit betrieben werden muumlssen Es braucht daher eine Entflech-tung und Ordnung der Energieinfrastruktur wobei der Fernwaumlrmeversorgung aus erneuerbaren Quel-len oder Abwaumlrme Vorrang einzuraumlumen ist Damit besteht der laumlngerfristige Nutzen raumrelevanter Strategien zugunsten der Energiewende und des Klimaschutzes in einer Abkehr von der flaumlchenhaften Ausdehnung der Siedlungsgebiete und von baulichen Entwicklungstendenzen an den Siedlungsraumlndern bzw in Siedlungssplittern zugunsten kom-pakter angemessen dichter und nutzungsgemischter Siedlungsstrukturen Diese Strategien der Innen-entwicklung bieten nicht nur optimale raumlumliche Rahmenbedingungen fuumlr die leitungsgebundene Waumlrmeversorgung und die klimafreundliche Mobilitaumlt sondern wirken sich auch positiv auf einen sorg-samen Umgang mit Grund und Boden und die Sicherung hochwertiger land- und forstwirtschaftlicher Flaumlchen aus Angesichts der Multifunktionalitaumlt dieser Flaumlchen ist die mit der Innenentwicklung der

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Siedlungsgebiete einhergehende Verringerung des Siedlungsdrucks auf den Freiraum auch aus ande-ren Gruumlnden (Nahrungsmittelproduktion Hochwasserschutz Ressourcensicherung Erholungsfunk-tion langfristige Flaumlchenvorhaltung) jedenfalls zu begruumlszligen Strategien zur Innenentwicklung tragen zur Staumlrkung zentral gelegener multifunktionaler Standorte und zur Minimierung der Kosten bzw des Einsatzes oumlffentlicher Finanzmittel fuumlr die Errichtung die Instandhaltung und den Betrieb sozialer und technischer Infrastrukturen bei Sie gewaumlhrleisten die wirtschaftliche Tragfaumlhigkeit und eine hohe Attraktivitaumlt von Dienstleistungseinrichtungen bzw oumlffent-lichen Verkehrsangeboten und damit die Versorgbarkeit bzw Versorgungssicherheit der Bevoumllkerung Sie stellen gute Erreichbarkeitsverhaumlltnisse fuumlr nicht-motorisierte Verkehrsteilnehmer und die Abde-ckung der Mobilitaumltsbeduumlrfnisse aller Bevoumllkerungsgruppen sicher Angesichts der Kuumlrze der Wege und der alternativen Angebote zur motorisierten Mobilitaumlt sind erhebliche Erleichterungen im Alltag die Folge In diesem Sinne leisten energie- und klimaoptimierte Siedlungsstrukturen laumlngerfristig nicht nur einen Beitrag zur Energiewende und zum Klimaschutz sondern tragen auch zur Attraktivierung von Ortszentren und zur Aufwertung der Wohn- und Wohnumfeldqualitaumlt und damit zur Verbesserung der Lebensqualitaumlt der Bevoumllkerung bei Auszligerdem steckt in den Infrastrukturen und Gebaumluden von ange-messen dichten und funktionsgemischten Siedlungsstrukturen nur ein geringes Maszlig an grauer Energie fuumlr deren Errichtung Instandhaltung und Betrieb Diese Gebiete sind demnach auch unter diesem Ge-sichtspunkt ressourcen- und klimaschonend

Literatur Abart-Heriszt L Erker S Reichel S Schoumlndorfer H Weinke E Lang S (2019a) Energiemosaik Austria Oumlsterreichweite Visualisierung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen auf Ge-meindeebene EnCO2Web FFG BMVIT Stadt der Zukunft Wien Salzburg Lizenz CC BY-NC-SA 30 AT vgl wwwenergiemosaikat

Abart-Heriszt L Erker S Stoeglehner G (2019b) The Energy Mosaic Austria ndash a Nationwide Energy and Greenhouse Gas Inventory on Municipal Level as Action Field of Integrated Spatial and Energy Planning In ENERGIES 12 (16) 3065

Abart-Heriszt L Erker S Stoumlglehner G (2020) ERPS ndash Kommunale Energie- und Treibhausgasda-tenbank Steiermark einschlieszliglich ERPS-Abfrageoberflaumlche Version 20 Im Auftrag der Steiermaumlrki-schen Landesregierung Abteilungen 13 15 und 17 Graz Wien Datensatz Abart-Heriszt L und Er-ker S (2019) Energiemosaik Austria Lizenz CC BY-NC-SA 30 AT

Digitaler Atlas Steiermark (o J) Rasterbasierte Energie- und Treibhausgasdatenbank sowie energie-raumplanerische Standortraumlume vgl httpsgisstmkgvatatlas (Planung und KatasterSachbe-reichsplanung Energie)

bdquoDas Sachbereichskonzept Energie ndash Ein Beitrag zum Oumlrtlichen Entwicklungskonzept Leitfaden Ver-sion 20ldquo (2019) vgl httpswwwverwaltungsteiermarkatcmsdoku-mente12663031_1443818266a64edd420190125_Leitfaden_20pdf

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Energieraumplaumlne ndash ein Meilenstein am Weg zur nachhaltigen Energie-zukunft Wiens

Susanna Erker (1) Andrea Kinsperger (2) Herbert Hemis (3) und Bernd Vogl (4)

DOI 10347261022

(1) Dipl-Ing Dipl-Ing Drnattechn Magistrat der Stadt Wien Magistratsabteilung 20 ndash Energieplanung ORCID 0000-0001-7076-846X

(2) Dipl-Ing Magistrat der Stadt Wien Magistratsabteilung 20 ndash Energieplanung

(3) Dipl-Ing Magistrat der Stadt Wien Magistratsabteilung 20 ndash Energieplanung

(4) Mag Magistrat der Stadt Wien Leiter der Magistratsabteilung 20 ndash Energieplanung

Abstract

Die Energieraumplanung ruumlckt Fragen nach unserem Energiebedarf den erneuerbaren Energiepoten-zialen und der Energieinfrastruktur in den Fokus der Stadtplanung Ziel ist die Schaffung von standort- und klimagerechten Energieversorgungsloumlsungen Mit der Verordnung von Energieraumplaumlnen kommt die Stadt Wien diesem Ziel einen groszligen Schritt naumlher Neubauten die sich innerhalb ausgewiesener Klimaschutz-Gebiete befinden duumlrfen aus-schlieszliglich mit hocheffizienten alternativen Energiesystemen zur Aufbereitung von Raumwaumlrme und Warmwasser versorgt werden Dazu zaumlhlen unter anderem Systeme wie die Wiener Fernwaumlrme oder Waumlrmepumpen Im Umkehrschluss sind Oumll- oder Erdgasheizungen verboten Neben der Einsparung von Treibhausgasen im Sinne des Klimaschutzes werden mit dem Instrument der Energieraumplaumlne doppelte Infrastrukturen - dh Fernwaumlrme- und Gasnetze - entflochten und da-mit volkswirtschaftliche Kosten reduziert Schlieszliglich erhoumlht die raumlumliche Steuerung von Versor-gungsoptionen die Planungssicherheit fuumlr Investierende Stadtentwicklung und Energieversorgungsun-ternehmen

Schluumlsselbegriffe

Energieraumplanung Verordnung von Energieraumplaumlnen Energiewende Bauordnung Wien Klima-schutz Erker S Kinsperger A Hemis H Vogl B (2021) Energieraumplaumlne ndash ein Meilenstein am Weg zur nachhaltigen Energiezu-kunft Wiens In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelin-gen der Energiewende Wien reposiTUm S28-37

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Inhalt Einleitung 30

Wo stehen wir 30

Die Waumlrmewende 31

Erdgas und Fernwaumlrme im Waumlrmesektor 31

Wo wollen wir hin 31

Die Energieraumplaumlne ndash ein neues Planungsinstrument fuumlr die Waumlrmewende 33

Die Abgrenzung der Klimaschutz-Gebiete 34

Der Prozess hinter den Energieraumplaumlnen 35

Die Auswirkungen der Energieraumplaumlne 35

Wie geht es weiter 35

Literatur 37

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Einleitung

Fuumlr die Smart City Wien ist Klimaschutz eine vordringliche Aufgabe Dabei ist klar dass zur Erreichung der ambitionierten und notwendigen Klimaziele ein umfassendes Set an Maszlignahmen zur Reduktion der klimaschaumldlichen Treibhausgase benoumltigt wird Unserem staumldtischen Energiesystem kommt hier eine entscheidende Rolle zu Ziel ist die Schaffung eines krisensicheren klimavertraumlglichen und erneu-erbaren Energiesystems das fuumlr alle Wienerinnen und Wiener leistbar bleibt Um dies zu bewerkstel-ligen muumlssen wir weniger Energie verbrauchen die Energieinfrastruktur optimieren den Energiebe-darf mit erneuerbarer Energie und Abwaumlrme decken und den Einsatz von innovativen Energieloumlsungen vorantreiben Alles in allem braucht die sogenannte Energiewende eine tiefgreifende und systemati-sche Umstellung der bestehenden Energieversorgung Am Weg zur nachhaltigen Energiezukunft Wiens ist es noumltig aktuelle Trends und Entwicklungen mit zu beruumlcksichtigen Dazu zaumlhlt beispielsweise das Bevoumllkerungswachstum Im kommenden Jahrzehnt wird Wien auf zwei Millionen Einwohnerinnen und Einwohner anwachsen (MA 23 2019) Daraus re-sultiert nicht nur ein erhoumlhter Bedarf an Wohnraum und Arbeitsplaumltzen sondern auch an Energie so-wie der dazu noumltigen Infrastruktur Ebenso werden die Auswirkungen des Klimawandels immer spuumlr-barer Maszlignahmen zur Klimawandelanpassung ndash etwa das Kuumlhlen von Gebaumluden im Sommer ndash werden in Zukunft an Bedeutung gewinnen Der nachhaltige und klimagerechte Umbau unserer Stadt ist daher untrennbar mit der Neugestaltung unseres Energiesystems verbunden Dies spiegelt sich auch im 2019 erschienenen bdquoSTEP 2025 ndash Fachkonzept Energieraumplanungrdquo wider das einen wichtigen Schritt zur Dekarbonisierung der Stadt Wien setzt Darin wird Energieraumplanung als die Verschraumlnkung von Raum- und Energieplanung definiert und als neue Kompetenz der Stadtpla-nung etabliert (MA 20 2019a) Die Wiener Energieraumplanung soll unter anderem dabei helfen den Einsatz leitungsgebundener Infrastruktur vorausschauend zu planen und erneuerbare Energiequellen sowie Abwaumlrme innerhalb des Stadtgebiets koordiniert nutzbar zu machen Es geht um das Ausrollen von innovativen Loumlsungen auf das gesamte Stadtgebiet vom Neubau zum Bestand von der netzge-bundenen zur dezentralen Versorgung vom Quartier zum Gebaumlude Schlieszliglich bietet Energieraum-planung die Chance mit Hilfe des Raumordnungs- und Baurechts einen noch deutlicheren Beitrag zum Klimaschutz und zur Energiewende zu leisten homogene Voraussetzungen zu schaffen und damit Pla-nungssicherheit zu gewaumlhrleisten Doch welche konkreten Schritte sind zu setzen um das Potenzial der Energieraumplanung voll entfalten zu koumlnnen Hierzu bedarf es eines naumlheren Blickes auf unseren derzeitigen Umgang mit Energie

Wo stehen wir Wien leistet bereits heute einen wichtigen Beitrag zur eigenen Energieversorgung Derzeit werden rund 18 des staumldtischen Energiebedarfs durch eine Kombination aus Muumlllverbrennung Kraft-Waumlrme-Kopplung Windkraft Solarenergie bioge-nen Brennstoffen Wasserkraft und Umgebungs-waumlrme von der Stadt selbst bereitgestellt (MA 20 2019b) Der Groszligteil unseres Bedarfs wird jedoch durch Importe von Erdgas Oumll und Strom gedeckt Unter Beruumlcksichtigung des weiterhin hohen Anteils an fossiler Energie in unserem System erweist sich ein Bereich als besonders relevant wenn es um Fra-gen wie Energiewende oder Klimaschutz geht der Waumlrmesektor (vgl Abb 1)

Abb 1 Der Endenergieverbrauch nach Anwendungen in Wien Quelle MA 20 2019b eigene Darstellung

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Die Waumlrmewende

Die Haumllfte und damit der Groszligteil unseres jaumlhrlichen Endenergieverbrauchs in Wien kann dem Waumlr-mebedarf zugeordnet werden Darunter fallen die Bereitstellung von Raumwaumlrme Warmwasser Kuumlh-lenergie sowie die Dampferzeugung und die Prozesswaumlrme die etwa bei der industriellen Fertigung benoumltigt werden Der Groszligteil dieses Waumlrmebedarfs wird mittels fossiler Energie gedeckt insbeson-dere wenn der fossile Energieeinsatz im Fernwaumlrmebereich mitberuumlcksichtigt wird (Statistik Austria 2020 MA 20 2019b) Die angestrebte Reduktion des fossilen Anteils im Waumlrmesektor ist planungs- und kostenintensiv da damit eine Umstellung von der Waumlrmeproduktion und -speicherung bis zur -verteilung einhergeht Besonders relevant ist dabei der Bedarf an niedertemperierter Waumlrme also kurz gesagt die Energie die wir zum Heizen und zur Aufbereitung von Warmwasser benoumltigen Die beiden wichtigsten Sekto-ren die diese Form der Waumlrme fast zur Gaumlnze beanspruchen sind die privaten Haushalte sowie die oumlffentlichen und privaten Dienstleistungen (Statistik Austria 2020) Der Bedarf an Raumwaumlrme und Warmwasser verteilt sich dabei uumlber das gesamte Stadtgebiet Anders als hochtemperierte Waumlrme mit mehreren hundert Grad die beispielsweise punktuell im produzierenden Bereich beansprucht wird muss die Umstellung der Heiz- und Warmwasserversorgung groszligflaumlchig gedacht werden Doch wieviel muss tatsaumlchlich umgestellt werden

Erdgas und Fernwaumlrme im Waumlrmesektor

Mit Erdgas dem derzeit wichtigsten Brennstoff im Wiener Waumlrmesektor wird rund die Haumllfte der knapp eine Million Wohnungen in Wien beheizt bzw mit warmem Wasser versorgt (Statistik Austria 2013 Statistik Austria 2014) Dabei haben sich zwei Technologien zur Erdgasnutzung etabliert die Gas-Zentralheizung fuumlr ganze Gebaumlude und die Gas-Therme (bdquoEtagenheizungrdquo) in einzelnen Wohnun-gen Neben Erdgas konnte sich die Fernwaumlrme als zweiter groszliger Player am Waumlrmemarkt etablieren Das heutige Fernwaumlrmenetz umfasst insgesamt mehr als 1200 km und ist damit eines der groumlszligten in Eu-ropa Mit Fernwaumlrme werden in Wien rund ein Drittel aller Haushalte und 60 des Dienstleistungsbe-reichs versorgt (MA 20 2019b Wien Energie 2019 Statistik Austria 2020) Dabei stammt die produ-zierte Fernwaumlrme zu rund einem Viertel aus den Muumlllverbrennungsanlagen Floumltzersteig Spittelau Sim-meringer Haide und Pfaffenau sowie dem Wald-Biomasse-Kraftwerk in Simmering Rund drei Viertel liefern Kraft-Waumlrme-Kopplungs-Anlagen und Abwaumlrmequellen Zur Spitzenlastabdeckung kommen erdgasbetriebene Heiszligwasserkessel und seit Neuestem ein Waumlrmegroszligspeicher E-Heizer sowie Waumlr-mepumpen zum Einsatz (Wien Energie 2020)

Wo wollen wir hin In der vom Wiener Gemeinderat beschlossenen bdquoSmart-City-Wien-Rahmenstrategie 2019 bis 2050ldquo wurde verankert dass der Endenergieverbrauch fuumlr Heizen Kuumlhlen und Warmwasser in Gebaumluden um ein Prozent pro Kopf und Jahr sowie die damit verbundenen CO2-Emissionen um zwei Prozent pro Kopf und Jahr sinken sollen Das Ziel bezieht sich auf die Wiener Treibhausgasemissionen auszligerhalb des EU-Emissionshandels Die angesetzten Werte beruumlcksichtigen dabei sowohl das starke Bevoumllkerungs-wachstum in der Stadt Wien als auch die damit verbundenen niedrigen Emissionen des Neubausektors (Magistrat der Stadt Wien 2019) Diese bereits ambitionierten Zielsetzungen sollen im Jahr 2021 nach-geschaumlrft werden Im aktuellen Koalitionsprogramm wurde Wiens Klimaneutralitaumlt bis 2040 verankert Damit muss das Klimaschutzziel fuumlr 2040 auf netto null Treibhausgase angepasst werden (Koalitions-programm 2020) Eine Erreichung dieses Ziels ist allerdings nur dann moumlglich wenn sowohl der Gebaumludesanierung als auch dem Tausch von bestehenden fossilen Heizsystemen durch hocheffiziente alternative Heizsys-

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teme ndash also Fernwaumlrme oder dezentrale erneuerbare Loumlsungen - hohe Prioritaumlt eingeraumlumt wird Dar-uumlber hinaus dient es der Zielerreichung wenn nicht nur im Gebaumludebestand Maszlignahmen gesetzt wer-den Auch in Neubauten muss dafuumlr Sorge getragen werden dass hocheffiziente alternative Heizsys-teme zum Einsatz kommen Erst dann ruumlckt die in Abb 2 skizzierte Reduktion des Energiebedarfs sowie die Umstellung auf eine erneuerbare emissionsarme Versorgung bis 2040 in greifbare Naumlhe

Abb 2 Moumlgliche Entwicklungen des Endenergieverbrauchs bis 2040 in Wien Quelle Abschaumltzungen des Magistrats der Stadt Wien gem SCWR Stand April 2021 (Annahme Strom- und Fernwaumlrmeerzeugung aus fossilen Abfaumlllen auf aktuellem Niveau restliche Erzeugung und Importe vollstaumlndig erneuerbar) und der Wien Energie 2020b eigene Darstellung

Neben Maszlignahmen auf Seiten der Energieabnahme werden auch konkrete Ziele auf der Produktions-seite formuliert Beispielsweise strebt die Wien Energie GmbH als groumlszligte Fernwaumlrmeversorgerin in Wien eine Diversifizierung und Dekarbonisierung der Erzeugungsstruktur der Fernwaumlrme an Bis 2030 sollen nicht mehr wie bislang 20 sondern 40 der Fernwaumlrme aus erneuerbaren Quellen bezogen werden (Wien Energie 2020a Wien Energie 2020b) Eine zentrale Rolle spielt hierbei die Integration von Abwaumlrmequellen auf niedrigem Temperaturniveau die durch Groszligwaumlrmepumpen auf die ge-wuumlnschte Versorgungstemperatur des Primaumlr- bzw Sekundaumlrnetzes gehoben wird Dazu zaumlhlt bei-spielsweise Abwaumlrme aus Industrieprozessen aber auch aus dem Donauwasser dem Grundwasser dem Abwasser oder dem Erdreich Da sowohl die Stadt als auch die Stadtwerke an einer schrittweisen Dekarbonisierung der Fernwaumlrmeerzeugungsstruktur arbeiten ist die oben angefuumlhrte Entflechtung der leitungsgebundenen Energieinfrastruktur und Erhoumlhung der Anschlussdichte zugunsten der Fern-waumlrme ein sinnvoller und wichtiger Schritt Denn durch den jahrelangen Ausbau von zwei leitungsge-bundenen Netzen innerhalb des Stadtgebiets haben sich Gebaumlude Straszligenzuumlge oder Netzbereiche entwickelt in denen Erdgas und Fernwaumlrme parallel angeboten werden Fuumlr beide Netze ergeben sich daraus unbefriedigende Anschlussgrade und insgesamt houmlhere volkswirtschaftliche Kosten Die Ent-flechtung dieser Netze zugunsten umweltfreundlicher Nah- und Fernwaumlrme wird daher als wesentli-cher Schritt in Richtung einer erfolgreichen Waumlrmewende gesehen Flankiert wird diese Maszlignahme durch die zunehmende Nutzung von dezentralen Loumlsungen wie Waumlr-mepumpen um in Lagen ohne Rohrleitungsinfrastruktur eine umweltfreundliche und kostenguumlnstige Waumlrme- und Kaumllteversorgung mittels Anergienetzen oder nicht netzgebundenen Einzelloumlsungen si-cherstellen zu koumlnnen Dies funktioniert beispielsweise mit Hilfe von Erdsonden die dem Erdreich im Winter Waumlrme entziehen um damit Wohnungen zu heizen oder Duschwasser zu erwaumlrmen Im Som-mer wird die uumlberschuumlssige Waumlrme aus den Gebaumluden in die Erdsonden eingeleitet und die Tempera-tur des Untergrunds regeneriert Durch die Moumlglichkeit zu heizen und zu kuumlhlen steigen der Nutzwert und die Zukunftstauglichkeit des versorgten Gebaumludes deutlich an Solche Einzelsysteme auf Basis er-neuerbarer Energietraumlger sind mittlerweile oumlkonomisch vergleichbar und konkurrenzfaumlhig mit einer

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Gasversorgung Das zeigen sowohl Praxiserfahrungen aus dem Wohn- und Schulbau ndash z B die Muumlhl-grundgasse oder der Bildungscampus Seestadt Aspern Nord ndash als auch ein von der Energieplanung der Stadt Wien beauftragtes Gutachten (Treberspurg amp Partner 2019) Im Falle einer Gesamtkostenbe-trachtung uumlber 20 Jahre hinweg oder unter Beruumlcksichtigung der Kuumlhlmoumlglichkeiten durch Waumlrme-pumpen an heiszligen Sommertagen sind derartige Systeme bereits heute kostenguumlnstiger als der Einsatz von Gasthermen Gerade in weniger dichten Gebieten der Stadt die sich kaum fuumlr eine Fernwaumlrme-versorgung oder andere Netzloumlsungen eignen wird kuumlnftig mit einer Ausweitung von dezentralen Ein-zelloumlsungen gerechnet

Die Energieraumplaumlne ndash ein neues Planungsinstrument fuumlr die Waumlrmewende

Um die Waumlrmewende erfolgreich umsetzen zu koumlnnen braucht es Weitblick und klare Vorgaben Der derzeit noch von Gas dominierte Gebaumludebereich ist dabei ein zentraler Hebel Eben hier knuumlpft die Novelle der Bauordnung fuumlr Wien 2018 an Mit den sogenannten Energieraumplaumlnen nach sect 2b der Bauordnung fuumlr Wien wurde ein neues Instrument geschaffen das den Einsatz von Energietraumlgern fuumlr die Bereitstellung von Raumwaumlrme und Warmwasser bei Neubauten gezielt und nachhaltig steuert Die Energieraumplaumlne sind Verordnungen Sie aumlhneln den sektoralen Raumordnungsprogrammen in anderen Bundeslaumlndern wie etwa der Windkraftnutzung in Niederoumlsterreich Die Planungsebene ent-spricht damit der uumlberoumlrtlichen Raumplanung die gesamtstaumldtisch zu betrachten ist Mit Hilfe der Energieraumplaumlne koumlnnen sogenannte Klimaschutz-Gebiete festgesetzt werden in denen fossile Energietraumlger zur Raumwaumlrme- und Warmwasserbereitstellung im Neubaubereich weitestge-hend verboten sind Stattdessen wird eine nachhaltige Waumlrmeversorgung auf Basis von hocheffizien-ten alternativen Systemen vorgeschrieben Dazu zaumlhlen nach sect 118 Abs 3 der Bauordnung fuumlr Wien

bull dezentrale Energieversorgungssysteme auf der Grundlage von Energie aus erneuerbaren Quel-len

bull Kraft-Waumlrme-Kopplungs-Anlagen bull Fern-Nahwaumlrme oder Fern-Nahkaumllte insbesondere wenn sie ganz oder teilweise auf Energie

aus erneuerbaren Quellen beruht oder aus hocheffizienten Kraft-Waumlrme-Kopplungs-Anlagen stammt und

bull Waumlrmepumpen

Energieraumplaumlne koumlnnen dann fuumlr ein Gebiet erlassen werden wenn in diesem Gebiet bereits eine Fernwaumlrmeinfrastruktur als hocheffizientes alternatives System oder ausreichend technische Kapazi-taumlt fuumlr eine Erweiterung der Fernwaumlrmeinfrastruktur verfuumlgbar ist Zudem muss zumindest ein weite-res hocheffizientes alternatives System realisierbar sein Damit bleibt die Wahlfreiheit bestehen ledig-lich klimaschaumldliche fossile Energietraumlger sind fuumlr die Waumlrmeversorgung Geschichte Die Novelle der Bauordnung fuumlr Wien stellt dabei keine radikale Neuerung sondern vielmehr eine Ver-schaumlrfung der bisherigen Fassung dar Bislang war die Ausstattung von Neubauten mit hocheffizienten alternativen Energiesystem bereits verpflichtend Wenn die Errichtung eines entsprechenden Energie-systems aus wirtschaftlichen oder technischen Gruumlnden jedoch nicht moumlglich war konnte im Einzelfall die Verpflichtung weitestgehend entfallen Nur die Versorgung mit mindestens 20 erneuerbarer Energie fuumlr Warmwasser- Raumwaumlrme- oder Stromversorgung musste sichergestellt werden In den durch die Energieraumplaumlne ausgewiesenen Klimaschutz-Gebieten sind solche Ausnahmen kuumlnftig nicht mehr zulaumlssig Klimafreundliche Systeme werden zum neuen Standard ndash ein Meilenstein fuumlr die Klimazukunft

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Die Abgrenzung der Klimaschutz-Gebiete

Im Zuge der Erarbeitung der gegenstaumlndlichen Verordnungen wurden jene Bereiche als Klimaschutz-Gebiete ausgewiesen in denen Fernwaumlrme und zumindest ein weiteres hocheffizientes Energiesystem eingesetzt werden koumlnnen Damit bildet hocheffizient alternativ gefuumlhrte Fernwaumlrme die Grundlage der Gebietsabgrenzung Darunter fallen im Sinne der Energieraumplaumlne jene Netze deren Energie zu-mindest zu 80 aus Kraft-Waumlrme-Kopplungs-Anlagen undoder aus Abwaumlrme undoder aus erneuer-baren Energien (Umgebungswaumlrme Biomasse etc) stammt Die Fernwaumlrme der Wien Energie GmbH entspricht derzeit als einziges Netz diesen Kriterien Um die bestehende hocheffizient alternativ gefuumlhrte Netzinfrastruktur der Wien Energie mit ihren Ka-pazitaumlten bestmoumlglich ausnuumltzen zu koumlnnen wurde das Erweiterungs- und Verdichtungspotenzial des Netzes untersucht Dazu wurden technisch-oumlkonomische Analysen erstellt und gutachterlich uumlber-pruumlft Im Falle der technischen Bewertung waren Restriktionen des bestehenden Netzes von zentraler Bedeutung Darunter fallen moumlgliche Komplikationen die sich aufgrund der Verlegeart bzw der Di-mension von Leitungen sowie der beschraumlnkten Leistungsfaumlhigkeit der Gebietsumformer- und Uumlber-gabestationen ergeben koumlnnen Anschlieszligend wurden die Kosten eines moumlglichen Anschlusses unter-sucht Darunter fallen jene Kosten die beim Energieversorger und Netzbetreiber entstehen wie Inves-titionskosten im Zusammenhang mit dem Anschluss eines Gebaumludes an das Waumlrmenetz oder laufende Kosten im Zusammenhang mit der Erzeugung und dem Transport der Waumlrme Wenn durch die Ertraumlge aus dem Waumlrmeverkauf die angefuumlhrten Kosten gedeckt werden koumlnnen faumlllt die wirtschaftliche Be-wertung positiv aus Ein positives Ergebnis der technisch-oumlkonomischen Bewertung resultiert in einer Erweiterung bzw Verdichtung der derzeitigen hocheffizient alternativ gefuumlhrten Fernwaumlrmeversorgungsbereiche In ei-nem abschlieszligenden Schritt wurde ermittelt ob in den ausgewiesenen Zonen zumindest ein weiteres hocheffizientes alternatives System neben der Fernwaumlrme betrieben werden kann Dies wurde gut-achterlich untersucht und fuumlr alle Gebiete bestaumltigt Das Ergebnis dieser stufenweisen Vorgehensweise sind die Energieraumplaumlne und die darin parzellenscharf ausgewiesenen Klimaschutz-Gebiete

Abb 3 Orangedruck eines Wiener Energieraumplans Wien Ottakring Quelle MA 20 2020

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Wie in Abb 3 ersichtlich werden die Klimaschutz-Gebiete bezirksweise erlassen Gemeinsam mit den Bezirken Leopoldstadt und Neubau wurde der Energieraumplan Ottakring im Juni 2020 vom Wiener Gemeinderat beschlossen Im September 2020 folgten die Bezirke Landstraszlige Josefstadt Alsergrund Waumlhring und Doumlbling Die uumlbrigen 15 Wiener Gemeindebezirke sollen in den kommenden Monaten beschlossen werden

Der Prozess hinter den Energieraumplaumlnen

Das Verfahren zur Erstellung der Energieraumplaumlne und den darin kenntlich gemachten Klimaschutz-Gebieten orientiert sich am Ablauf zur Erarbeitung der Flaumlchenwidmungs- und Bebauungsplaumlne Im Rahmen der Vorentwurfsphase werden Grundlagen aufbereitet und die Ergebnisse stadtintern reflek-tiert Auf dieser Basis wird ein Entwurf erarbeitet der einer oumlffentlichen Auflage unterzogen wird Et-waige Stellungnahmen werden aufgenommen und gegebenenfalls in die Energieraumplaumlne eingear-beitet Anschlieszligend werden die Verordnungen von der Europaumlischen Kommission mittels Notifizie-rung bestaumltigt Weder von Seiten der Europaumlischen Kommission aus anderen Mitgliedstaaten noch von Unternehmen kamen diesbezuumlglich bislang Einwaumlnde Das Fehlen eines solchen Einwandes kann als richtungsweisend im Sinne des Klimaschutzes interpretiert werden Klimaschutz wird damit uumlber den Schutz des Binnenmarktes fuumlr fossile Heizungen gestellt Schlieszliglich gelangen die Energieraum-plaumlne in den Wiener Gemeinderat und erlangen drei Monate nach Kundmachung ihre Guumlltigkeit

Die Auswirkungen der Energieraumplaumlne

Etwa acht von zehn Neubauten in Wien befinden sich kuumlnftig in einem Klimaschutz-Gebiet Die Stadt Wien rechnet mit etwa 8000 neuen Wohneinheiten innerhalb dieser Gebiete pro Jahr Durch die Vor-schreibung hocheffizienter alternativer Systeme fuumlr Raumwaumlrme und Warmwasser haben die Klima-schutz-Gebiete daher direkten Einfluss auf die staumldtische Treibhausgasbilanz Das geplante Monitoring der Energieraumplaumlne wird zeigen wie wirksam diese Maszlignahme bezuumlglich des staumldtischen Treib-hausgasbudgets ist Daruumlber hinaus hemmen die gegenstaumlndlichen Verordnungen den parallelen Leitungsausbau in Neu-baugebieten etwa von Gas und Fernwaumlrme Damit werden eine leistbare Waumlrmeversorgung fuumlr End-kundinnen und Endkunden sichergestellt und Planungssicherheit fuumlr Investorinnen und Investoren ge-schaffen Ausnahmen ergeben sich lediglich im Falle von Industrie- und Gewerbegebieten wenn diese einen Gasanschluss fuumlr ihre Produktionsprozesse benoumltigen Im Bereich der bestehenden Gebaumludestruktur kann durch die gegenstaumlndlichen Verordnungen kurz- bis mittelfristig keine Entflechtung der doppelten Rohrleitungsinfrastruktur erreicht werden Um das zu bewirken muumlssten auch entsprechende Regelungen fuumlr die Umstellung von fossilen Heizungsanla-gen in Bestandsbauten ergriffen werden Trotzdem soll durch Anschluumlsse von Neubauten die Fern-waumlrme-Anschlussdichte in der Bestandsstadt erhoumlht werden Das unterstuumltzt den kosteneffizienten Betrieb und traumlgt zur Leistbarkeit der Energieversorgung bei Schlieszliglich ruumlstet sich die Stadt Wien durch die vermehrte Nutzung von erneuerbarer Energie fuumlr die Zukunft und wird damit europaweit Vorreiterin denn mit gruumlner Energie aus der Region wird Wien unabhaumlngiger von Erdgasimporten aus dem Ausland

Wie geht es weiter

Mit den Energieraumplaumlnen setzt Wien einen wichtigen Meilenstein fuumlr eine krisensichere und erneu-erbare Energiezukunft Im Sommer 2020 begann mit der Verordnung der ersten acht Klimaschutz-Ge-biete der Ausstieg aus der fossilen Gasversorgung von Neubauten Aber was ist mit dem Gebaumludebe-stand

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Die Dekarbonisierung von Bestandsbauten ist die logische Folge der aktuellen Energieraumplaumlne und wurde auch im aktuellen Koalitionsuumlbereinkommen verankert Dabei wird es wichtig sein auf die Aus-gangslage des Bestands einzugehen (z B Sanierungszustand Nutzung bauliche Dichte etc) und vor diesem Hintergrund die unterschiedlichen Moumlglichkeiten eines Energietraumlgerwechsels zu beleuchten Nach derzeitiger Sicht lassen sich grob folgende Versorgungsoptionen unterscheiden

bull Fernwaumlrme wird auch im Gebaumludebestand eine wichtige Rolle fuumlr die Raumwaumlrme- und Warm-wasserversorgung spielen Einerseits koumlnnten jene Gebaumlude kuumlnftig mit Fernwaumlrme versorgt werden die bereits heute uumlber einen Fernwaumlrmeanschluss verfuumlgen aber nur teilweise oder gar nicht mit Fernwaumlrme versorgt werden Andererseits koumlnnten auch jene Gebaumlude ange-schlossen werden die in unmittelbarer Naumlhe zu einer bestehenden Fernwaumlrmeleitung bzw in einem Fernwaumlrmeausbaugebiet mit ausreichender Kapazitaumlt liegen Sinnvolle Loumlsungen zur Gebaumludekuumlhlung im Sommer muumlssen zusaumltzlich etabliert werden Ebenso wird die Sanierung der Bestandsstadt eine wichtige Rolle spielen um den Waumlrmebedarf zu senken und damit noch mehr Wienerinnen und Wiener mit kuumlnftig fossilfreier Fernwaumlrme versorgen zu koumlnnen

bull In den fuumlr die Fernwaumlrme ungeeigneten Lagen koumlnnten die uumlbrigen hocheffizienten alternati-ven Energiesysteme gemaumlszlig sect 118 (3) Bauordnung fuumlr Wien zum Einsatz kommen Bereits heute zeichnen sich umfangreiche Potenziale an vor Ort verfuumlgbarer Erdwaumlrme ab die sowohl den Bedarf an Waumlrme als auch an Kaumllte in weiten Teilen des Stadtgebiets decken koumlnnten Die Versorgung einzelner Gebaumlude kann dabei dezentral die Versorgung mehrerer Gebaumlude mit-tels innovativer Nahwaumlrmenetze erfolgen

bull Schlieszliglich wird es Gebiete geben in denen nur bedingt hocheffiziente alternative Waumlrmever-sorgungssysteme realisiert werden koumlnnen Dazu zaumlhlen etwa Industriegebiete die hochtem-perierte Waumlrme fuumlr industrielle oder gewerbliche Prozesse benoumltigen Ebenso wird es Ge-baumlude geben die beispielsweise aufgrund des Denkmal- oder Ensembleschutzes nur einge-schraumlnkt saniert oder aus technischen Gruumlnden nur schwer nachgeruumlstet werden koumlnnen Fuumlr diese Faumllle koumlnnte aus derzeitiger Sicht bdquogruumlnes Gasldquo eine Moumlglichkeit zur Waumlrmebereitstel-lung bieten Dabei muumlssen das Potenzial die Verfuumlgbarkeit und die Transportfaumlhigkeit von bdquogruumlnem Gasldquo im Auge behalten werden um eine langfristige Versorgung gewaumlhrleisten zu koumlnnen

Neben der schrittweisen Umstellung auf eine erneuerbare Energieversorgung darf die Steigerung der Energieeffizienz nicht auszliger Acht gelassen werden Darunter faumlllt beispielsweise die thermische Ge-baumludesanierung mit der der Waumlrme- und Kuumlhlbedarf gesenkt und damit eine erneuerbare Versorgung unterstuumltzt werden kann Erst durch die Verschneidung beider Handlungsfelder kann ein nachhaltiges Energiesystem entstehen Naumlhere Informationen dazu finden sich im SEP ndash Staumldtisches Energieeffizi-enz-Programm 2030 (MA 20 2019c) und in der Energierahmenstrategie 2030 fuumlr Wien (Stadt Wien 2016) Als Energieplanungsabteilung der Stadt Wien versuchen wir den hier skizzierten Weg zu verfolgen und die Entwicklungen im Energiesektor in geregelte Bahnen zu lenken Dabei gilt es flexibel und system-offen zu bleiben um bestmoumlglich auf die bevorstehenden Systemaumlnderungen eingehen zu koumlnnen Nur so kann die Energieraumplanung als neue Kompetenz der Stadtplanung zur Entfaltung kommen und immer deutlicher in der gebauten Stadt wirksam werden Je mehr neue und bestehende Objekte mit klimaschonender Energieversorgung entstehen desto sichtbarer und spuumlrbarer wird der Klima-schutz fuumlr alle Die kommenden Jahrzehnte werden jedenfalls einige Umbruumlche bereithalten die die Stadt Wien bereits heute als Chance versteht um bestmoumlgliche Loumlsungen fuumlr ihre Bewohnerinnen und Bewohner vorzubereiten

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Literatur

Koalitionsprogramm (2020) Die Fortschrittskoalition fuumlr Wien Wien httpswwwwiengvatpoli-tik-verwaltungpdfkoalitionsabkommenpdf (letzter Zugriff 15122020)

Magistrat der Stadt Wien (2019) Smart-City-Wien-Rahmenstrategie 2019ndash2050 Wien httpswwwwiengvatstadtentwicklungstudienpdfb008551pdf (letzter Zugriff 07092020)

MA 20 (2019a) STEP 2025 Fachkonzept Energieraumplanung Werkstattbericht 182 Wien httpswwwwiengvatstadtentwicklungenergiepdffachkonzept-energieraumplanungpdf (letz-ter Zugriff 07092020)

MA 20 (2019b) Energievoraus Energiebericht der Stadt Wien Daten 2017 Berichtsjahr 2019 Wien httpswwwwiengvatstadtentwicklungenergiepdfenergiebericht2019pdf (letzter Zugriff 07092020)

MA 20 (2019c) SEP2030 Staumldtisches Energieeffizienzprogramm Wien httpswwwwiengvatstadtentwicklungenergiepdfsep2030pdf (letzter Zugriff 07092020)

MA 20 (2020) Energieraumplan fuumlr den 16 Wiener Gemeindebezirk Verordnung Wien httpswwwwiengvatstadtentwicklungenergieerppdfplan-erp-1160pdf (letzter Zugriff 07092020)

MA 23 (2019) Statistisches Jahrbuch der Stadt Wien 2019 httpswwwwiengvatstatis-tikpdfjahrbuch-2019pdf (letzter Zugriff 07092020)

Stadt Wien ndash Arbeitsgruppe der Geschaumlftsgruppe ndash Stadtentwicklung Verkehr Klimaschutz Energie-planung und BuumlrgerInnenbeteiligung sowie der Geschaumlftsgruppe Umwelt und Wiener Stadtwerke (2016) Energierahmenstrategie 2030 httpswwwwiengvatstadtentwicklungenergiepdfener-gierahmenstrategie-2030pdf (letzter Zugriff 07092020)

Statistik Austria (2013) Census 2011 - Gebaumlude- und Wohnungszaumlhlung Ergebnisse zu Gebaumluden und Wohnungen aus der Registerzaumlhlung 2011 httpwwwstatistikatweb_deservicespublikatio-nen7indexhtmlincludePage=detailedViewampsectionName=WohnenamppubId=674 (letzter Zugriff 07092020)

Statistik Austria (2014) Gebaumlude- und Wohnungszaumlhlung Hauptergebnisse Wien httpwwwstatis-tikatweb_deservicespublikationen7indexhtmlincludePage=detailedViewampsectionName=Woh-nenamppubId=126 (letzter Zugriff 07092020)

Statistik Austria (2020) Nutzenergieanalyse 2018 EEV 1993 bis 2018 nach ET und Nutzenergiekate-gorien fuumlr Wien (Detailinformation) httpswwwstatistikatweb_destatistikenenergie_um-welt_innovation_mobilitaetenergie_und_umweltenergienutzenergieanalyseindexhtml (letzter Zugriff 07092020)

Treberspurg amp Partner (2019) Wirtschaftlichkeitsvergleich unterschiedlicher Heizungs- und Warm-wasserbereitungsanlagen Technisches Gutachten zur Novelle der BO f Wien 2018 (sect 2b Energie-raumplaumlne) Wien

Wien Energie (2019) Wiener heizen derzeit doppelt so viel wie im Vorjahr Presseaussendung httpswwwotsatpresseaussendungOTS_20190516_OTS0025wiener-heizen-derzeit-doppelt-so-viel-wie-im-vorjahr (letzter Zugriff 07092020)

Wien Energie (2020a) Geschaumlftsbericht 2019 httpswwwwienenergieatwp-contentuplo-ads202006wienenergie_geschaeftsverlauf2019_350450pdf (letzter Zugriff 07092020)

Wien Energie (2020b) Studie zur Dekarbonisierung Wiens 2050 Unsere Vision fuumlr ein CO2-freies Wien Position Wien Energie httpspositionenwienenergieatbeitraegedecarb-studie (letzter Zugriff 07092020)

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Energieraumplanung Das oumlsterreichische Instrumentarium im IST und SOLL

Hartmut Dumke (1) und Stefan Geier (2)

DOI 10347261023

(1) UnivAss Dipl-Ing Drtechn Forschungsbereich Regionalplanung und Regionalentwicklung Institut fuumlr Raumplanung TU Wien ORCID 0000-0002-8111-9083

(2) Dipl-Ing Institut fuumlr Raumplanung Umweltplanung und Bodenordnung (IRUB) Department fuumlr Raum Landschaft und Architektur Universitaumlt fuumlr Bodenkultur (BOKU) Wien

Abstract

In einer bundeslanduumlbergreifenden Konsensdefinition wurde Energieraumplanung (ERP) 2014 als bdquoTeil der Raumplanung der sich umfassend [hellip] mit Energiebedarf und -gewinnungldquo beschaumlftigt definiert Seither sind zahlreiche Erfolgsgeschichten in den 9 Handlungsfeldern der ERP gelungen aber die Frage wie der bdquoNext Levelldquo im Sinne der Energiewende und der Klimawandelanpassung erreicht werden kann ist offen Dazu systematisiert der vorliegende Artikel zunaumlchst das Instrumentarium im IST Zu-stand nach Raumbezuumlgen und Wirkungsweisen Dieser Befund zeigt insbesondere bei der Verbindlich-keit und Wiederholbarkeit deutliche Schwaumlchen in der bdquoMatrixldquo der Steuerungsinstrumente deshalb werden 6 neue Handlungsfelder vorgeschlagen die dem kuumlnftigen Anspruch der ERP moumlglicherweise besser gerecht werden koumlnnten Das Fazit schlieszligt mit einem Appell fuumlr mehr Lenkungsverantwortung bei den Bundeslaumlndern und den Energieversorgungsunternehmen und definiert die SOLL-ERP als bdquoneueldquo Disziplin die mehr andere Disziplinen als bisher enthaumllt u a natuumlrlich auch die Raumplanung

Schluumlsselbegriffe

Energieraumplanung ERP Steuerungsinstrumente Energiewende Dumke H Geier S (2021) Energieraumplanung Das oumlsterreichische Instrumentarium im IST und SOLL In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S38-47

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Inhalt Einleitung 40

Erfolgsgeschichten 41

Instrumente der (E)RP 42

Fazit 44

Literatur 46

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Einleitung

Die bisher einzige bundeslanduumlbergreifende Konsens-Definition aus 2014 lautet wie folgt (Stoumlglehner et al 2014 S 12) bdquoEnergieraumplanung ist jener integrale Bestandteil der Raumplanung der sich mit den raumlumlichen Dimensionen von Energieverbrauch und Energieversorgung umfassend beschaumlftigtldquo Damit erscheint einerseits in der OumlROK-Definition aus 2014 die Beruumlcksichtigung komplexer integrier-ter wirkmaumlchtiger Handlungsfelder der ERP abgedeckt Andererseits war diese Definition von einem die Bundeslaumlnder uumlbergreifenden Konsens motiviert der Raumplanung keine Verantwortung fuumlr kom-plexe Steuerungsaufgaben der ERP zuzumuten fuumlr die ihr Instrumentarium derzeit nicht gebaut ist Zu diesen komplexen Steuerungsaufgaben gehoumlrt u a die integrierte Beruumlcksichtigung der Ziele Ener-giesparen Steigerung der Versorgungsanteile aus erneuerbaren und CO2-armen Gewinnungsformen und Entwicklung der Siedlungsstrukturen zu Gunsten umweltfreundlicher Verkehrsmittel Aber nicht alle dieser Ziele koumlnnen nur mit Raumplanungsinstrumenten unterstuumltzt bzw erreicht werden Der vorliegende Artikel diskutiert demzufolge das IST und SOLL zum Instrumentarium der oumlsterreichi-schen Energieraumplanung (ERP) Im Sinne der ERP-Konferenz die am 20 und 21022020 an der TU Wien stattfand (TU Wien Institut fuumlr Raumplanung 2020) geht es dabei insbesondere um einen Be-fund zu Wirkungsweisen und -staumlrken die benoumltigt werden um von vielen Teil-Erfolgen der ERP zum bdquoNext Levelrdquo zu gelangen bdquoNext Levelrdquo wuumlrde dabei bedeuten dass bereits umgesetzte Erfolgsgeschichten der Energieraumpla-nung (vgl Tab 1) kuumlnftig deutlich haumlufiger schneller und unkomplizierter als bisher umgesetzt werden koumlnnen Neben diesen Reflexionen diskutiert dieser Beitrag somit ob die aktuell konsensuale Defini-tion der ERP zu diesem Anspruch eines deutlichen bdquoUpscalingsrdquo passt und auch die Anspruumlche der Mi-tigation und Adaptation im Klimaschutz bedienen kann

Abb 1 ERP im IST als Teilmenge von Raumplanung Quelle eigene Darstellung

Nach der benannten Definition von ERP kann diese als Teilmenge von RP (neben anderen wie Ver-kehrsplanung Gruumlnraumplanung Tourismusplanung etc) betrachtet werden Der vorliegende Artikel diskutiert daher ob dieses bislang vorherrschende Verstaumlndnis im IST (ERP ist als Element in der Raum-planung enthalten) dem Next Level der ERP im SOLL uumlberhaupt gerecht werden kann Zunaumlchst werden bestehende Erfolgsgeschichten (ERP IST) aufgezeigt danach werden die Steuerungsinstrumente mit Energierelevanz diskutiert und auch bdquoalterdquo und bdquoneuerdquo Handlungsfelder der Energieraumplanung ge-listet Im Fazit wird zusammenfassend aus diesen Erkenntnissen ein ERP SOLL inclusive einer anderen bdquoMengenlehreldquo entworfen

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Erfolgsgeschichten

Exemplarisch fuumlr bdquoErfolgsgeschichtenrdquo listet Tab 1 umgesetzte Praxisbeispiele auf der Quartiers- und Siedlungsebene die aufgrund Ihrer integrierten Zugaumlnge nach Ansicht der Autoren das Branding bdquoEner-gieraumplanungrdquo wirklich verdienen weil sie integriert Umsetzungen in mindestens vier aus den neun Handlungsfeldern der ERP realisiert haben

Lage Umsetzungen Instrumentarium ERP-Handlungsfelder gemaumlszlig OumlROK 2014

Energiezonenplanung Freistadt Oberoumlsterreich

Festlegung von Vorrang- und Ausbaugebieten fuumlr Fernwaumlrme raumlumliche Ent-wicklung nach den Prinzi-pien Funktionsmischung raumlumliche Dichte und Kom-paktheit in den Vorrangflauml-chen

Energiezonenplan 3 4 5 6 7 8

Siedlung bdquoRosa Zukunftrdquo Salzburg

Neubausiedlung Passiv-hausstandard Erdwaumlrme + Fotovoltaik + Solarthermie E-Car-Sharing Smart-Grid-Evaluierung

Gefoumlrdertes Leuchtturm-projekt der Smart-Grids-Modellregion Salzburg Wohnbaufoumlrderung

4 6 7 8 9

Smart Block Geblergasse (Wien)

Thermische Sanierung im Bestand Geothermie + So-larthermie Energiebedarfs- und verbrauchsmonitoring Mobilitaumlts- und Freiraum-konzept

FFG-Forschungsfoumlrderung Smart-City-Rahmenstrate-gie THEWOSAN-Foumlrderung

4 6 7 8 9

Zell am See ndash Sonnengarten Limberg (Salzburg)

Neubau-Quartiersentwick-lung nach den bdquoklimaaktiv-Standards fuumlr Siedlungen und Quartiererdquo Energie- Mobilitaumlts- und Partizipati-onskonzept

klimaaktiv-Standards fuumlr Siedlungen und Quartiere klimaaktiv-Gold-Standard fuumlr die Gebaumlude

3 4 5 6

Tab 1 Oumlsterreichische bdquoErfolgsgeschichtenrdquo erfolgreich umgesetzter Energieraumplanung

Neun Handlungsfelder

1) Freihaltung von geeigneten Raumlumen zur Gewinnung Speicherung und Verteilung erneuer-barer Energien von konflikttraumlchtigen Nutzungen einschlieszliglich Erhaltung von Pufferflauml-chen

2) Freigabe von geeigneten Raumlumen zur Gewinnung Speicherung und Verteilung erneuerba-rer Energien

3) Bereitstellung von Planungsgrundlagen und Planungsmethoden fuumlr oumlrtliche und uumlberoumlrtli-che Energie- und Mobilitaumltskonzepte

4) Wahrnehmung der Rolle als Plattform zum Interessenausgleich 5) Staumlrkung von Zentralitaumlt und kurzen Wegen 6) Anstreben von Dichte und Funktionsmischung 7) Innen- vor Auszligenentwicklung 8) Abstimmung von Nutzungsentwicklung und Mobilitaumltsangebot (im Umweltverbund) 9) Optimierung und Attraktivierung ungenutzter Energiepotenziale

Quelle eigene Darstellung neun Handlungsfelder nach (Stoumlglehner et al 2014)

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Instrumente der (E)RP

In der Unterscheidung zwischen Raumplanung und Energieraumplanung stellt sich uumlberhaupt die Frage was denn eigentlich keine Energieraumplanung ist Wichtiger als eine solche philosophische De-batte ist fuumlr die Planungspraxis im IST und SOLL aber ein systematischer Zugang Was gibt es uumlberall was nicht In Tab 2 wird diese Systematisierung von Steuerungsinstrumenten mit Energierelevanz nach dem Raumbezug und der Wirkungsweise versucht Das erhebt keinen Anspruch auf Vollstaumlndig-keit fasst aber sowohl Steuerungsansaumltze zusammen die in allen Bundeslaumlndern vorkommen als auch manche die (Stand 2020) nur in einzelnen Bundeslaumlndern vorkommen Letztere sind mit Bundesland-Kuumlrzeln markiert Die sechs Spalten der Wirkungsweisen und -arten (direkt undoder indirekt) basieren urspruumlnglich auf dem Systemansatz von Klaus Selle (Selle 2005) und wurden seit 2013 im Zuge des Forschungsprojektes ENUR (und nachfolgenden auch in anderen Forschungsprojekten am Institut fuumlr Raumplanung) um die Unterscheidung nach raumlumlichen Wirkungsebenen ergaumlnzt Die Indirekten haumlufig zeitig bdquolangsamenrdquo Ansaumltze definieren dabei den Rahmen in dem die bdquoschnellenrdquo direkt raumwirksamen Ansaumltze sich bewegen koumlnnen Die Zuordnung der Instrumente entspricht ausschlieszliglich der Auffassung der Auto-ren und koumlnnte aus anderen Perspektiven heraus unterschiedlich ausfallen eine interdisziplinaumlr kon-sensierte Version waumlre fuumlr sich ein interessantes Projekt und ein wichtiger bdquoMeilensteinrdquo der ERP im SOLL Anmerkung In Gebieten welche in Wien von Energieraumplaumlnen erfasst sind wird per Verordnung die Wahl des Heizungs- und Warmwasserbereitungssystems von Neubauten beschraumlnkt Bestandsge-baumlude sind davon nicht beruumlhrt Fuumlr Neubauten sind zur Beheizung und Warmwasserbereitung die innerhalb eines Energieraumplanes (MA 20 Energieplanung Wien 2020) errichtet werden nur mehr eines der bdquohocheffizienten alternativen Systemeldquo gemaumlszlig Wiener Bauordnung sect 118 Absatz 3 (Wien 2020) erlaubt Energieraumplaumlne koumlnnen in allen Bundeslaumlndern auszliger Wien grundsaumltzlich der regio-nalen Ebene zugeordnet werden aber in Wien entspricht dies eher der Quartiers- oder Siedlungs-ebene Neben der Unterscheidung nach Raumbezug und Wirkungsweise ist es aber auch wichtig die Entste-hung all dieser Steuerungsinstrumente im IST zu systematisieren Wie ist die Verbindlichkeit besichert wer war bei der Entwicklung eines Instrumentes (nicht) beteiligt und wie ist die bdquoDatenlandschaftrdquo aufgestellt an die die Energieraumplanung hohe Anspruumlche hat Die folgende Einschaumltzung gibt einen Uumlberblick wo die ERP 2020 nach Ansicht der Autoren steht

1 Energieversorger und Netzbetreiber fehlen bisher noch weitgehend als BeteiligteMitgestal-ter

2 Die regionale Ebene verfuumlgt uumlber zu wenige verbindliche Steuerungsansaumltze die uumlber die lo-kalen Ebenen (vor allem auf die Gebaumludeebene aber auch pro Siedlung und Gemeinde) wir-ken

3 Erst wenige Bundeslaumlnder verfuumlgen uumlber eine konsistent und frei zugaumlngliche Datenbasis die kleinraumlumige Aussagen und Entscheidungen ermoumlglicht

4 Die rechtsverbindlichen Instrumente Flaumlchenwidmungs- und Bebauungsplan adressieren die Energierelevanz implizit aber nicht explizit

5 Andere verbindliche Instrumente wie die Bauordnungen bdquowirkenrdquo im Sinne der Energieraum-planung vor allem am einzelnen Gebaumlude weniger in Gebaumludeensembles auf der Quartiers- und Siedlungsebene

6 Auch auf Quartiers- und Siedlungsebene fehlt es nicht an Steuerungsansaumltzen aber Ihre bdquoWirk-machtrdquo hat im Sinne der Energieraumplanung bisher noch zu wenig Serialitaumlt erlangt Analy-sen die sich der Erklaumlrung der fehlenden Serialitaumlt widmen stehen noch aus

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Raumbezug Wirkungsweise und Raumwirksamkeit (indirekt und direkt raumveraumlndernd)

Bundesland Raum- ordnungs- und Raum- planungs- gesetze

Bauordnungen OIB-Richtlinien

Landesenergie-konzepte (Energie Zukunft

Mobilitaumlt Klimaschutz) Waumlrmeatlas (Stmk W S)

Foumlrderungen Wohnbau Sanierungen Produktion erneuerbarer

Energien Sachbereichskonzept Energie

(Stmk)

Windkraft-Sachpro-

gramme und -konzepte

(K NOuml OOuml Stmk)

PV Konzepte (K B)

Region Regionale Energiekon-zepte Smart Regions- und Mobilitaumlts- konzepte Klima- und

Energiemodell-regionskon-

zepte LEADER-Konzepte

Entwicklung von Regional-entwickungs-managements

und Interessens-verbaumlnden

Stadt Gemeinde

Oumlrtliche Entwicklungs-

konzepte Masterplaumlne

Stadt- entwicklungs-

plaumlne Sachbereichs-

konzept Energie (Stmk)

Energie- und Klimakonzept

(NOuml)

Kommunale Energieleitbilder und -konzepte e5-Gemeinden-

Konzepte

Waumlrmenetz-betrieb

Energiegewin-nung

Flaumlchenwid-mungsplaumlne Bebauungs-

plaumlne

Mobilitaumlts-zentralen Beratungs-

stellen Gebietsbe-treuungen

(W)

Quartier Siedlung Gebaumlude- ensembles

Energieraum-plaumlne (W)

Energiekon-zepte sanfte Stadterneue-

rung (W) Energieraum-planerische

Standortraumlume (Stmk)

Waumlrmeatlas (S)

Vertraumlge Public-Private Partnerships Bodenfonds Steuer- und

Einspeisereg-lements der

Erneuerbare-Energie-

Gewinnung

Investoren- wettbe-werbe

Nutzungs- beitraumlge

Grundstuumlcks-aufschlieszligun-gen Bauland-umlegungen

staumldtebau- liche Vertraumlge

ERP- Simulations-

und Berechnungs-

tools Entwicklungs-

gesell- schaften

Sanfte Stadt-erneuerung

(W)

Einzelne Gebaumlude

Beratungs- angebote

(Miete und Eigentum)

Zertifi- zierungs- systeme

Eigentuumlmer-vertraumlge und -beschluumlsse

regulativ (indirekt)

kommunikativ bewusstseins-

bildend (indirekt)

finanzierend (indirekt)

markt- aktivierend

(direkt)

standort- entwickelnd

(direkt)

Prozesse steuernd

(direkt und oder indirekt)

Tab 2 Steuerungsinstrumente mit Energierelevanz nach raumlumlichen Beschluss- und Wirkungsebenen und Wirkungswei-sen Bundesland-Kuumlrzel Stmk = Steiermark W = Wien S = Salzburg K = Kaumlrnten B = Burgenland NOuml = Niederoumlsterreich Quelle Eigene Darstellung und Erweiterung 2021 nach Department fuumlr Raumplanung 2013 und Weninger 2017 Die Tabelle erhebt keinen Anspruch auf Vollstaumlndigkeit

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Die bisher beschriebenen Befunde zum Stand der Energieraumplanung im IST lassen ein Bild entste-hen wie die Energieraumplanung im SOLL beschaffen sein koumlnnte Einen neuen Vorschlag dieser bdquoMengenlehrerdquo schlaumlgt die Abb 5 (vgl Fazit) vor Im Sinne der ERP im SOLL geht es um die folgenden zusaumltzlichen Handlungsfelder

bull Infrastrukturplanung und -koordination in Richtung Dekarbonisierung bull sektoruumlbergreifende Planungs- und Entscheidungsprozesse bull Erhebung von erneuerbaren Energiepotenzialen inkl Abwaumlrme bull Waumlrmebedarfsprognosen und -planung mit Hilfe von Waumlrmekatastern (ISTSOLL) bull sektoruumlbergreifende Datengrundlagen bull regionale- und kleinraumlumige Mobilitaumltsmodelle

Diese sechs neuen Handlungsfelder stehen zwar im Kontext der bisherigen neun Handlungsfelder aus der OumlROK Definition 2014 konkretisieren aber in der Akteurinnen- und Akteurslandschaft und auch raumlumlich differenzierender wie der bdquoNext Levelrdquo der Energieraumplanung Fahrt aufnehmen koumlnnte Die sektorenuumlbergreifenden Expertisen und Grundlagen der Raum- und Energieplanung flieszligen noch nicht in gemeinsame integrierte Planungen ein Um strategische raumlumliche Ziele aufgrund von Ener-giequellen und -senken und Infrastruktur zu bdquoerreichenrdquo muumlssen sektoruumlbergreifende Planungs- und Entscheidungsgrundlagen sowie eine gemeinsame Datenbasis geschaffen werden Christoph Schrem-mer fordert dazu die bdquofachlich zielbezogene Integration von Siedlungsentwicklung und Energiesektorldquo um moderne Infrastruktur nachhaltige Mobilitaumlt und hohe Lebensqualitaumlt erreichen zu koumlnnen In sol-chen Prozessen waumlre dabei kuumlnftig in erheblich staumlrkerem Ausmaszlig eine staumlrkere Formalisierung der Zustaumlndigkeiten und Verantwortlichkeiten anzustreben - wer hat fuumlr welches Kooperationsprodukt auf welcher raumlumlichen Ebene die Hauptverantwortung wer bdquonurrdquo eine Mitarbeitsverantwortung Liegt derzeit moumlglicherweise noch deutlich zu viel Verantwortung auf der kommunalen Ebene und deutlich zu wenig auf der regionalen- und der Bundeslandebene Tab 3 bietet anhand von Plan- und Koopera-tionsprodukten zur Energieraumplanung einen Vorschlag zum kuumlnftigen ERP-SOLL

Fazit

Der vorliegende Beitrag argumentiert dass die ERP im IST uumlber ein vielseitiges und vielartiges Instru-mentarium verfuumlgt Trotzdem gibt es bisher erst wenige ERP-Erfolgsgeschichten Deshalb braucht es wenn der bdquoNext Levelrdquo im ERP-SOLL konkret werden soll eine problemfokussierte Wirkungsanalyse Wie sind die ERP-Erfolge kuumlnftig einfacher haumlufiger und seriell wiederholbarer moumlglich Die Gestaltung eines nachhaltigen Energiesystems kann aufgrund der Komplexitaumlt und Langfristigkeit dieser Aufga-benstellung offenbar nicht durch Einzelentscheidungen entstehen Diese interdisziplinaumlre Denkweise bringt die Raumplanung schon bislang in die Energieplanung ein Die Wirkungen von bestehenden ERP-Instrumenten sind somit bisher vorwiegend fuumlr die Klimawandelanpassung (bdquoAdaptationrdquo) geeignet der Klimaschutz durch Mitigation wird demgegenuumlber allerdings eine ERP im SOLL brauchen Energieraumplanung ernst nehmen wuumlrde im SOLL bedeuten die dafuumlr notwendigen Planungs- und Entscheidungsprozesse grundlegend neu zu gestalten Dies bedeutet dass Akteurinnen- und Akteurs-gruppen miteinander sprechen sollen die das bisher noch nicht getan haben um gemeinsam Koope-rationsprodukte und Plaumlne auf allen raumlumlichen Ebenen beschlieszligen zu koumlnnen Gemeinden insbe-sondere kleine und finanzschwache duumlrfen nicht laumlnger mit den Aufgaben der Energieraumplanung uumlberfordert werden aber dazu braucht es eine deutliche Staumlrkung der Lenkungsverantwortung auf regionaler- und Bundeslandebene Auch muss die Landesplanungsebene nicht die kommunale Ebene deutlich haumlufiger und intensiver als bisher an der Verbesserung der bdquoDatenlandschaftrdquo arbeiten und dabei auch die Energieversorgungsunternehmen staumlrker in die Pflicht nehmen Dies ist sehr wohl unter

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Einhaltung des Datenschutzes moumlglich Plan- und Rasterkartenprodukte aus anderen Laumlndern bewei-sen es

Kooperationsprodukt Inhalte der Kooperationsprodukte Bundesland Region Gemeinden

Potenzialkarten Biomasse und Bio-gas Windkraft Solarthermie Pho-tovoltaik Wasserkraft Abwaumlrme Geothermie

Flaumlchen im bebauten und unbebauten Raum die ein zusaumltzlich (zum bereits aktiven Potenzial) moumlgliches erneuer-bares Energiepotenzial enthalten

X (X) (X)

Status quo des Energiesystems Kraftwerke (Leistungen und Ener-giemengen pro Jahr) Lage und Zu-stand leitungsgebundener Energie-infrastrukturen (insbesondere Strom Waumlrme Gas)

Uumlbersicht systemrelevanter interkom-munal bedeutsamer Anlagen Bei der Leitungsinfrastruktur braucht es die Ko-operation mit den Energieversorgungs-unternehmen

X (X)

Potenzialstudie bdquoVirtuelles regiona-les Kraftwerkldquo

Auf Basis der zeitlich vorgelagerten Po-tenzialkarten Ausschluss- und Eig-nungskriterien fuumlr erneuerbare Ener-giepotenziale auf regionaler Ebene in-klusive einfacher Abschaumltzung des Selbstversorgungsgrades im IST und SOLL

X (X)

Regionaler Energieraumplan mit IST- und SOLL-Inhalten zur Energie-nachfrage Anteil der erneuerbaren Energieversorgung und Mobilitaumlts-aspekten

Grenzen energieraumlumlicher Typologien auf regionaler Ebene (Siedlungs- und Landschaftsteile) Vorschlaumlge fuumlr quar-tiersgenaue bdquoUntertypenldquo Eignungs- und oder Ausschlussgebiete fuumlr Ener-gietraumlger oder Heizsysteme mit Fokus auf leitungsgebundenen Energietrauml-gern

X (X)

Potenzialkarten Geothermie Solar-energie Einsparungen beim Heiz-waumlrmebedarf Potenzial fuumlr thermi-sche Sanierungen Nachverdich-tungspotenzial

Raumlumliche und zeitliche Entwicklungs-prioritaumlten Fokus auf Bestandskonver-sion

(X) X

Kooperationsvertrag zur Priorisie-rung der Umsetzungs- und Maszlig-nahmenschritte inklusive bdquoWar-tungsdesignldquo des regionalen Ener-gieraumplanes

Agreement uumlber Finanzierung Ziele und Monitoring der energieraumplane-rischen Kooperation

(X) X (X)

Bewertung der Auswirkungen des regionalen Energieraumplans auf die Energiestrategie des Bundeslan-des und auf die Ziele internationa-ler Klimaschutzvereinbarungen

Kriterien-Set (etwa CO2-Emissionen) zur Uumlberpruumlfung der Policy-Wirksamkeit

X

Tab 3 Kooperationsprodukte und Rollen in der bdquoNext Levelrdquo ERP SOLL Die Rolle von Bundesland Region und Gemeinde wird unterschieden in X = Federfuumlhrung und Hauptverantwortung (X) = Kontrolle Mitarbeit Quelle eigene Bearbeitung nach (Dumke 2017)

Diese erweiterte Lenkungsverantwortung auf Bundeslandebene muss auch mit Instrumenten ausge-stattet werden welche ausgehend von den oben genannten Kooperationsprodukten (z B regionale Potenzialkarten und Eignungszonen) eine raumlumlich differenzierte Steuerung mit mehr Verbindlichkeit als bisher ermoumlglicht

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Dafuumlr muss auch ein bisher in Oumlsterreich noch voumlllig fehlendes bdquoGegenstromprinziprdquo der Behoumlrdenver-bindlichkeit nach Schweizer Vorbild (Kanton Basel 2010) fuumlr Planinhalte und Grundlagendaten im In-formationsfluss zwischen QuartierenSiedlungen Gemeinden Regionen Bundeslaumlndern und dem Staat erarbeitet werden Im Schweizer Gegenstromprinzip werden Daten- und Planinhalte sowohl bdquotop downrdquo als auch bdquobottom uprdquo abgeglichen und die Inhalte sind auch in beide Richtungen behoumlrdenver-bindlich Sollte sich dieses bdquoGegenstromprinziprdquo in Oumlsterreich etablieren koumlnnte ergaumlnzend auch zu-saumltzlich der horizontale Informationsfluss zwischen Quartieren und Siedlungen verbessert werden Die in Tab 3 genannten Kooperationsprodukte sollten als gemeinsame Grundlagen fuumlr die unter-schiedlichen raumlumlichen Ebenen aber auch sektoruumlbergreifend frei verfuumlgbar sein Die Palette dieser Instrumente kann von Foumlrderungen (Wohnbaufoumlrderung ausgerichtet auf den oumlffentlichen Verkehr) bis hin zu Zonen fuumlr Anschlusspflicht oder Ausschlusszonen fuumlr bestimmte Energietraumlger gehen In einer SOLL-ERP-Akteurinnen- und Akteurslandkarte (vgl nebenstehende Abb) muumlssen sich deutlich mehr Disziplinen als bisher wiederfinden koumlnnen Am Instrumentarium der Energieraumplanung bis-her klar unterrepraumlsentierte Rollen sind etwa die Energieversorgungsunternehmen die Netzbetreiber die Landwirtschaft und der Umweltschutz Abschlieszligend zeigt die folgende Grafik die ERP im SOLL Die erheblichen Unterschiede zur Abb 1 (ERP-IST) sind nicht zu uumlbersehen

Abb 2 ERP SOLL Quelle eigene Darstellung

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Datenlandschaft der Energieraumplanung ndash eine Standortbestimmung

Robert Kalasek (1) und Florian Puumlhringer (2)

DOI 10347261024

(1) Senior Scientist Dipl-Ing Forschungsbereich Stadt- und Regionalforschung Institut fuumlr Raumplanung TU Wien

(2) UnivAss Dipl-Ing Forschungsbereich Stadt- und Regionalforschung Institut fuumlr Raumplanung TU Wien

Abstract

Raumlumliche differenzierte und treffsichere Entscheidungen im Bereich der Energieraumplanung benouml-tigen als Fundament inhaltlich adaumlquate und raumlumlich hoch aufgeloumlste Informationsgrundlagen Die Anforderungen an den Detaillierungsgrad haumlngen von der Maszligstabsebene des Taumltigkeitsfeldes ab Auf Basis der Erfahrungen aus mehreren Forschungsprojekten werden die Anspruumlche an Datengrundlagen und Datenqualitaumlt der unterschiedlichen Akteure im Prozess von der (Energie-)Raumplanung uumlber den Bau bis zum Betrieb von Gebaumluden reflektiert Ein Schwerpunkt liegt dabei auch auf dem Aspekt des Informationsaustausches zwischen den unterschiedlichen Themenfeldern und Rollen der im Prozess auftretenden Akteuren wie der oumlffentlichen Verwaltung oder Unternehmen aus dem privaten Sektor Dabei wird die Bedeutung des themenspezifischen Detaillierungsgrades der raumlumlichen Granularitaumlt sowie der Aktualitaumlt der Informationsgrundlagen deutlich Die Anforderungen einer evidenzbasierten und effektiven Energieraumplanung an die Datenqualitaumlt werden als hoch eingeschaumltzt waumlhrend die derzeit bestehende Verfuumlgbarkeit und Qualitaumlt aktueller Daten sehr kritisch beurteilt wird

Schluumlsselbegriffe

Datengrundlagen Datenqualitaumlt Informationsaustausch Raumlumliche Analyse

Kalasek R Puumlhringer F (2021) Datenlandschaft der Energieraumplanung ndash eine Standortbestimmung In Giffinger R Ber-ger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S48-61

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Inhalt Energieraumplanung braucht Information 50

Datengrundlagen und Datenqualitaumlt 51

Anspruumlche an Datenqualitaumlt 52

Informationen zum Energieverbrauch 54

Gebaumlude- und Wohnungsdaten 55

Energieausweis als Informationssubstitut 56

Daten zur Energieinfrastruktur 57

Informationsaustausch 57

Rolle der oumlffentlichen Verwaltung (Administration) 58

Rolle von Unternehmen aus dem privaten Sektor 59

Fazit 59

Literatur 60

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Energieraumplanung braucht Information

Energieraumplanung verknuumlpft traditionelle Raumplanung (im Sinn von Regional- Stadt- und Ortspla-nung) mit Energieplanung (vgl Magistratsabteilung 20 2019) Nach dem Verstaumlndnis der Oumlsterreichi-sche Raumordnungskonferenz (2019) ist damit jene Herangehensweise gemeint mit deren Hilfe Ge-meinden Ziele zur Energieeinsparung Kostensenkung und Reduktion von Emissionen verfolgen Zur Staumlrkung nachhaltiger Entwicklung basiert sie daher notwendigerweise auf dem Wissen uumlber die raumlum-lichen Dimensionen von Energieverbrauch- und -gewinnung Angesichts der Notwendigkeit wirksame Strategien zur Energiewende bereits kurzfristig zu implementieren bedarf es raumlumlich differenzierter und treffsicherer Entscheidungen im Rahmen des Planungsprozesses Deren Fundament muumlssen in-haltlich adaumlquate raumlumlich hoch aufgeloumlste und aktuelle Informationsgrundlagen bilden Im folgenden Beitrag greifen wir auf Erfahrungen aus dem im Jahr 2020 am Forschungsbereich Stadt- und Regionalforschung (Institut fuumlr Raumplanung TU Wien) bearbeiteten und abgeschlossenen For-schungsprojekt bdquoPlanen-Bauen-Managen Digitalisierung in der Stadtplanung ndash von der Raumplanung bis zur Digitalisierung im Bauwesen (PBM_integrativ)ldquo im Auftrag des Bundesministeriums fuumlr Verkehr Infrastruktur und Technologie (2019) auf (Giffinger amp Brugger 2019) In dessen Rahmen wurden vor dem Hintergrund der Vielfalt institutioneller Regelungen und Verfahren die Prozesse im thematischen Bogen von der strategischen Raumplanung uumlber Gebaumludeentwurf und -ausfuumlhrung bis zur Nut-zungBetrieb von Gebaumluden (inklusive Erhaltung und Sanierung) beleuchtet Ziel des Auftraggebers war es zukuumlnftige Forschungsbedarfe zu identifizieren bzw einzugrenzen Zahlreiche Expertinnen- und Experteninterviews mit unterschiedlichen Akteuren des genannten Prozesses bilden einen zent-ralen methodischen Baustein des Projekts Innerhalb der Interviews wurden verschiedene thematische Aspekte aus dem breiten und vielschichtigen Themenfeld des Projektes angesprochen - in diesem Bei-trag greifen wir auf die Ergebnisse zu den Interview-Schwerpunkten bdquoDatengrundlagenldquo und bdquoDaten-austauschldquo zuruumlck In der Folge beschraumlnken wir uns zum einen auf den ersten Prozessabschnitt die Planung ndash im Sinn von Raumplanung und Energieraumplanung ndash und zum anderen auf den Aspekt der Raumwaumlrme in Wohngebaumluden Letzteres vor allem deshalb weil dieser Aspekt sowohl hinsichtlich der oumlffentlichen Wahrnehmung im Zusammenhang mit bdquoEnergieverbrauchldquo und damit auch Klimaschutz bereits als re-levantes Handlungsfeld verankert ist (vgl Abb 1) aber auch weil das thematische Segment der bdquoRaumwaumlrmeldquo in Bezug auf die aktuell zur Verfuumlgung stehende Informationsbasis eine Sonderstellung einnimmt Gegenuumlber anderen Sparten des Energiebedarfs aus dem Bereich bdquogebaute Umweltldquo ist die Ausgangslage hinsichtlich Verfuumlgbarkeit und Qualitaumlt der Daten noch vergleichsweise guumlnstig Inwie-weit die Daten fuumlr Planungsaufgaben hinreichend geeignet sind wird in der Folge diskutiert

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Abb 1 Energie in Oumlsterreich 2018 ndash Zahlen Daten Fakten Quelle Bundesministerium fuumlr Nachhaltigkeit und Tourismus 2018 e-control ndash Umweltthemen ndash Energieverbrauch der Haushalte httpswwwe-controlatkonsumentenenergie-spa-renthema-energieverbrauch

Datengrundlagen und Datenqualitaumlt

Die Ergebnisse der Interviews im Projekt PBM bestaumltigen die Vielfalt an Inhalten und Quellen die aus unterschiedlichen disziplin-spezifischen Perspektiven unter dem Begriff bdquoDatengrundlageldquo zusammen-gefasst werden Alle Interviewpartner aus den verschiedenen Taumltigkeitsfeldern innerhalb des Prozes-ses von der Raumplanung uumlber das Bauen bis hin zum Betrieb und zur Nachnutzung wurde um Nen-nung relevanter Datengrundlagen und Datenquellen gebeten Im Bereich der Raumplanung wurden hier die meisten bzw unterschiedlichsten Datenquellen genannt wobei ein groszliger Teil davon als Open Government Data (OGD) frei zugaumlnglich ist Die Datenquellen und Datengrundlagen AGWR (Adress- Gebaumlude- und Wohnungsregister) DKM (Digitale Katastralmappe) Energieausweis sowie Informatio-nen zum Energieverbrauch wurden von Akteurinnen aus mehreren Bereichen des Prozesses genannt (z B sowohl von Personen aus der Raumplanung als auch aus der Bauwirtschaft) Diese haumlufig als re-levant bezeichneten Datenquellen werden auch im Rahmen dieses Artikels noch naumlher beleuchtet In der Auswertung der Interviews zeigte sich auch dass ndash mit Ausnahme von Informationen zum Ener-gieverbrauch ndash de facto kein Datensatz bzw keine Datenquelle von Akteuren aus allen drei Bereichen des Prozesses genannt wurde Die wenigsten Uumlberschneidungen mit anderen Bereichen gab es bei Nennungen von Personen aus dem Bereich Betrieb

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Anspruumlche an Datenqualitaumlt

Innerhalb der Raumplanung haumlngen die Anspruumlche hinsichtlich des raumlumlichen und inhaltlichen Detail-lierungsgrades sicher von der Maszligstabsebene des Taumltigkeitsfeldes ab die von der Bundeslandebene bis in den einzelnen Ortsteil reichen kann Generell bestehen aber vor allem in Bezug auf die zentralen Datenbestaumlnde zum Gebaumludebestand zur Nutzungsverteilung und den Energiebedarfen sowie zu ge-gebenenfalls bestehenden planerischen Vorgaben und Regelungen hohe Anforderungen an Aktualitaumlt Konsistenz und Vollstaumlndigkeit Der uumlberwiegende Teil der im Bereich der Raumplanung genannten Datenquellen wird im Rahmen hoheitlicher Aufgaben erstellt wobei im Zuge der Datenerfassung- und Aufbereitung in der Regel der Anspruch besteht die Datenbestaumlnde in moumlglichst vielen und moumlglichst unterschiedlichen Anwen-dungsfeldern nutzen zu koumlnnen Dennoch gilt aus Anwendersicht folgende Forderung die einer der PBM-Interviewpartner knapp und praumlzise auf den Punkt gebracht hat der Anspruch an Daten muss jeweils lauten bdquoFit for Purposeldquo Aus eigener Erfahrung sowie aus den Ergebnissen der PBM-Interviews laumlsst sich ein Datenset ableiten das den Kern eines Datenbestands fuumlr die Energieraumplanung bildet Dieser Basisbestand muss so-wohl die Energienachfrage als auch die Angebotssituation raumlumlich differenziert abbilden wobei die Abbildung in regelmaumlszligigen und angemessen kurzen Abstaumlnden zu erfolgen hat Letzteres bildet einer-seits die Voraussetzung dafuumlr Trends identifizieren zu koumlnnen und andererseits die Grundlage fuumlr Wirksamkeitsanalysen von Maszlignahmen bzw Maszlignahmenbuumlndeln Aufgrund des Aufwands den raumlumlich hochaufloumlsende und gleichzeitig inhaltlich differenzierte Erfas-sungskonzepte mit sich bringen ist es daher notwendig die Aufmerksamkeit auf die relevantesten Einflussfaktoren bzw Determinanten des bdquoEnergieverbrauchsldquo zu buumlndeln Am Beispiel des vergleichsweise einfach abzubildenden Heizenergiebedarfs von Wohngebaumluden las-sen sich die Anforderungen an die Datenbasis anschaulich darstellen Auf der (Energie-)Nachfrageseite sind jedenfalls die folgenden Informationen erforderlich

bull Gebaumludespezifische Informationen zu Merkmalen mit erheblichem Einfluss auf den Energie-bedarf wie thermische Eigenschaften der Gebaumludehuumllle Nutzungsverteilung und -intensitaumlt (Alterswohnsitz vs Studierenden-WG Hauptwohnsitz vs Nebenwohnsitz) etc

bull Eigenschaften der gebaumludeinternen Waumlrmebereitstellungsinfrastruktur wie Art Ausstattung und Alter der Waumlrmebereitstellungssysteme Energietraumlger bzw Energietraumlgermix

bull Veraumlnderungspotenziale von Gebaumludeeigenschaften und Anlagen wie Sanierungsstatus und daraus ableitbare Sparpotenziale durch Sanierungen einen zeitgemaumlszligen Standard moumlgliche aktivierbare Potenziale durch Nutzungsaumlnderungen und Nachverdichtungspotenziale

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Abb 2 Modellergebnis Heiz-waumlrmebedarf auf der Grund-lage von Gebaumludeform Bau-periode und Klima fuumlr ausge-waumlhlte Bebauungsstrukturen in Wien Quelle Brus T und Kalasek R (2020)

Zur Abbildung der (Energie-)Angebotsseite werden zumindest zu folgenden Bereichen Grundlagenda-ten benoumltigt

bull bestehende Versorgungssysteme-strukturen Erdgas Fernwaumlrme Nahwaumlrme Anergienetze individuelle Versorgung (mit Heizoumll Holz Pellets etc)

bull Angebotspotenziale alternativer Energietraumlger und -infrastrukturen lokaleregionale alterna-tive Energietraumlger Vernetzungspotenziale (Kapazitaumltsreserven der Netzinfrastruktur Waumlrme-bedarfsdichten etc)

Abb 3 Angebotspotenziale ErdwaumlrmesondenModellierung potenzieller Bohrlochstandorte zur Abschaumltzung des Erdwaumlr-mepotentials im Rahmen der Anergie-Studie Anergie Urban Links Potenzialflaumlchen fuumlr Bohrungen rechts Ausschnitt Mo-dellierung Bohrlochverteilung Quelle Brus T und Kalasek R (2020)

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Informationen zum Energieverbrauch

Unter Daten zum bdquoEnergieverbrauchldquo werden hier jene Informationen verstanden die den tatsaumlchli-chen Bedarf der Nachfrageseite (der sogenannte bdquoVerbraucherldquo) in seiner kleinraumlumigen Verteilung abbilden Es ist also jene Energiemenge die am Uumlbergabepunkt abgenommen und genutzt wird Der bdquoEnergieverbrauchldquo wurde (als einziger Datenbestand) im Projekt PBM von Interviewpartnern aus allen drei abgefragten Bereichen Raumplanung Bauen und Betrieb explizit als hoch relevante Kenn-groumlszlige fuumlr Planungsaufgaben auf unterschiedlichen Maszligstabsebenen angesprochen In den Interviews wurde allerdings nicht thematisiert ob die von Haushalten und Unternehmen tatsaumlchlich bdquokonsu-mierteldquo Energiemenge ein aussagekraumlftiger Indikator fuumlr den jeweils bestehenden Bedarf ist oder sein kann Der gemessene bdquoEnergieverbrauchldquo z B im Bereich Raumwaumlrme enthaumllt Faktoren die nicht in unmit-telbarem Zusammenhang mit bauphysikalischen Gebaumludeeigenschaften und Systemeigenschaften der Waumlrmebereitstellungstechnologien stehen und die damit den eigentlichen jeweils gebaumludespezifi-schen Energiebedarf quasi uumlberlagern Ganz besonders gilt das fuumlr jene Anteile am Energieverbrauch fuumlr Raumwaumlrme die auf den Einfluss von Witterungsbedingungen (z B mildestrenge Winter) oder Unterschiede im Nutzerverhalten (z B individuelles Temperaturempfinden lebenszyklusabhaumlngige Verhaltensmuster etc) zuruumlckzufuumlhren sind Auch fuumlr den Strombedarf laumlsst sich ein aumlhnliches Bild zeichnen wobei neben Faktoren wie der Haushaltsgroumlszlige oder des genutzten Energietraumlgers fuumlr Nah-rungszubereitung (Strom vs Gas) auch hier das individuelle Verhalten von zentraler Bedeutung ist Damit die Energieraumplanung aussagekraumlftige treffsichere Planungsgrundlagen erarbeiten und letzt-lich auch Strategien entwickeln kann bedarf es entsprechend differenzierter Informationsgrundlagen Die raumbezogenen Statistiken zum Energiebedarf muumlssen daher die angesprochenen Ebenen Gebaumlu-demerkmale Standortbedingungen und Verhalten klar unterscheiden Detaillierte Daten zum bdquoEnergieverbrauchldquo auf Objekt-Adressebene stehen den Energieanbietern un-ternehmensintern in all jenen Faumlllen zur Verfuumlgung in denen leitungsgebundene Versorgungssysteme zum Einsatz kommen Eine Veroumlffentlichung derartiger im Fall von Gebaumluden mit Wohnnutzung letzt-lich eindeutig personenbezogenen Detailinformationen im Sinn von Open Data ist aber aus Gruumlnden des Schutzes der Privatsphaumlre (im Sinne Richtlinie 9546EWG des Europaumlischen Parlamentes und des Rates vom 24 Oktober 1995 zum Schutz natuumlrlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezoge-ner Daten und zum freien Datenverkehr) in diesem Detaillierungsgrad nicht moumlglich Der Bezug zur Privatsphaumlre laumlsst sich an folgendem Beispiel veranschaulichen Anhand gegebenenfalls auf Gebaumlude-ebene veroumlffentlichter Heizwaumlrmebedarfsdaten lieszlige sich ndash die noumltige fachliche Qualifikation voraus-gesetzt ndash anhand spezifischer Referenzwerte der Beitrag von Heiztechnologie und thermischen Gebaumlu-demerkmalen in seiner Groumlszligenordnung relativ treffsicher abschaumltzen Abweichungen von diesem Wert lieszligen sich folglich im konkreten Fall auf das Nutzerverhalten zuruumlckfuumlhren Im Fall von Ein- und (kleinen) Mehrfamiliengebaumluden bestuumlnde also ein unmittelbarer Bezug zu konkreten Personen Sehr wohl denkbar ist die Veroumlffentlichung entsprechender Daten allerdings in aggregierter Form auf einem Niveau das eine datenschutzkonforme Granularitaumlt garantiert In Raumlumen mit niedriger Bebau-ungsdichte waumlren vor diesem Hintergrund ausgedehntere raumlumlich-statistische Einheiten zu definie-ren als in solchen mit hohen Dichtewerten Nach dem Kenntnisstand der Verfasser und der Auswertung der PBM-Interviews werden allerdings derzeit Veroumlffentlichungen zum Energiebedarf auf kleinraumlumiger Ebene von den Energiebetreibern mit dem Hinweis auf Datenschutz undoder Betriebsgeheimnisse weitestgehend verweigert

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Gebaumlude- und Wohnungsdaten

Das gemaumlszlig GWR-Gesetz (Bundesgesetz uumlber das Gebaumlude- und Wohnungsregister) von der Bundes-anstalt fuumlr Statistik Oumlsterreich (Statistik Austria) zu fuumlhrenden bdquoAdress- Gebaumlude- und Wohnungsre-gister (AGWR II)ldquo ist jene bundesweite Datenbank in der gebaumludebezogene Daten in einheitlicher und strukturierter Form erfasst werden Zu den im Zusammenhang mit Fragen des Energiebedarfs relevan-ten Schluumlsselinformationen in der Datenbank zaumlhlen Merkmale wie Gebaumludealter Nutzflaumlche und Ge-schoszliganzahl sowie die Art der Beheizung und der Warmwasseraufbereitung Weiters sind Angaben zu Nutzungsart und Nutzungsintensitaumlt (z B Anzahl Hauptwohnsitze) von Gebaumluden und Nutzungsein-heiten Teil des umfangreichen Merkmalskatalogs Neben einer Reihe anderer Informationen enthaumllt dieses Register also grundsaumltzlich die im Rahmen der Energieraumplanung wesentlichen Gebaumlude- und Wohnungsmerkmale In den PBM-Interviews wird allerdings deutliche Kritik an der Vollstaumlndigkeit der Plausibilitaumlt und der Aktualitaumlt dieses fuumlr Energiethemen so bedeutenden Datenbestands laut Diese Kritik wird auch von Interviewpartnerinnen im Projekt artikuliert die in der staumldtischen Verwaltung beschaumlftigt sind Das ist insofern von Interesse als die Daten lt GWR-Gesetz durch bdquoBeschaffung bei den Gemeindenldquo (sect 4 (1) GWR-Gesetz) erhoben werden und die Verantwortung fuumlr die Daten und deren Qualitaumlt daher zu einem guten Teil eben bei den Staumldten und Gemeinden selbst liegt Nachdem der AGWR II zurzeit allerdings weder valide flaumlchendeckend verfuumlgbare Aussagen zu ther-mischen Eigenschaften der Gebaumludehuumllle noch belastbare Daten zu Heizsystem und Energietraumlger ent-haumllt und daruumlber hinaus auch Sanierungsstatus und -historie nicht dokumentiert besteht gerade bei jenen Merkmalen die hinsichtlich Energiebedarf besonders relevant sind eine eklatante Luumlcke im in-haltlichen Spektrum systematisch erfasster Daten Zur Verdeutlichung dieser Aussage Das Einspa-rungspotenzial durch thermische Sanierungsmaszlignahmen erreicht je nach Ausgangssituation und Maszlig-nahmenbuumlndel bis uumlber 50 wobei die houmlchsten Werte bei Gebaumluden in den Perioden zwischen 1950 und 1980 erreicht werden Abhaumlngig von der Altersstruktur der Gebaumlude besteht ohne die konkrete Kenntnis uumlber den aktuellen Zustand der Gebaumludehuumllle auf Gebaumludeebene daher erhebliche Unsicher-heit bzgl moumlglicher Sparpotenziale auf Stadtteil- oder Quartiersebene und zwar in einem Ausmaszlig das gerade bei Fragen der wirtschaftlichen Zweckmaumlszligigkeit von Investitionen in Nah- oder Fernwaumlr-meinfrastruktur entscheidend sein kann Vor diesem Hintergrund ist die Frage zu stellen ob ndash angesichts der aktuell bestehenden Maumlngel des AGWR II ndash benutzergenerierte Ansaumltze der Datenerhebung Abhilfe schaffen koumlnnen bzw koumlnnten Die Idee wirkt im Lichte der Erfolgsgeschichte benutzergenerierter Datenbestaumlnde wie OpenStreetMap verlockend schlieszliglich stellt die Community lokales Know-How in erheblichem Umfang und unentgelt-lich zur Verfuumlgung Dennoch ist aus unserer Sicht Vorsicht geboten Gebietskoumlrperschaften und andere Koumlrperschaften oumlffentlichen Rechts nutzen Daten sowohl im Rahmen ihrer hoheitlichen als auch ihrer privatwirtschaft-lichen Aufgaben Daher waumlre jedenfalls aus rechtlicher Sicht zu klaumlren inwieweit benutzergenerierte Inhalte die formalen und qualitativen Anforderungen an Geoinformation grundsaumltzlich erfuumlllen koumln-nen Wie Hiltgartner et al bereits 2004 in ihrer Studie zu Rechtsvorschriften fuumlr Geodaten in Oumlsterreich ausfuumlhrlich darstellen werden in diesem Zusammenhang Haftungsfragen und damit sensible Themen beruumlhrt Insbesondere dort wo die Erfassung und Fuumlhrung von Geodatenbestaumlnden spezielle Faumlhig-keiten erfordern sind je nach Kontext unterschiedliche Aspekte der Amtshaftung Produkthaftung und Gewaumlhrleistung von Bedeutung Beispielsweise ist die Vermessung und digitale Dokumentation eines Grenzkatasters ohne entsprechend befugte Fachkraumlfte kaum vorstellbar da mit diesem Katasterwerk umfangreiche dingliche Rechte verknuumlpft sind Ob und inwiefern die Anforderungen an eine Gebaumlude-dokumentation wie sie der AGWR II darstellt aumlhnlich hoch sind ist offen Nach Ansicht der Autoren

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sprechen allerdings zwei Argumente dafuumlr derartige Datensammlungen auch weiterhin unter staatli-cher Obhut zu erfassen zum einen weil fuumlr die systematische Erfassung von Gebaumluden anhand der deutlich mehr als 100 Erhebungskategorien des AGWR ein hohes Maszlig an Fachwissen erforderlich ist zum anderen weil mit zunehmender Implementierung von Instrumenten der Energieraumplanung auch entsprechende unmittelbare Folgen fuumlr Eigentuumlmer undoder Nutzer zu erwarten sind Objektiv bestehende oder subjektiv wahrgenommene Eingriffe in die Moumlglichkeiten der Nutzung des Privatei-gentums werden jedenfalls das Problem der Haftung im Fall von tatsaumlchlichen oder vermeintlichen Datenfehlern aufwerfen

Energieausweis als Informationssubstitut

An dieser Stelle ist auch der Energieausweis (gemaumlszlig Energieausweis-Vorlage-Gesetz (EAVG)) sowie die Energieausweisdatenbank (EADB) (Statistik Austria 2020) zu nennen Letztere ist bzw sollte laut GWR-Gesetz Teil des AGWR-II-Datenbestands sein Der Energieausweis enthaumllt neben den zentralen Aussagen zu gebaumludespezifischen Energiekennzahlen wie Heizwaumlrme- und Warmwasserbedarf auch weitere wichtige gebaumludebezogene Informationen Dazu gehoumlren den Verbrauch bestimmende Parameter wie die charakteristische Laumlnge (lc)1 Angaben zu den thermischen Eigenschaften der Gebaumludehuumllle aber auch Details zur genutzten Waumlrmebereit-stellungstechnologie (Waumlrmebereitstellungs-Waumlrmeabgabesystem Energietraumlger Warmwasserbe-reitstellung) Angesichts der im vorangegangenen Abschnitt zum AGWR II beschriebenen Defizite wird der Energie-ausweis haumlufig als Quasi-Substitut fuumlr die dort fehlende bzw unzulaumlngliche Informationsbasis zu den Gebaumludemerkmalen bzw fuumlr die in der Regel fehlenden realen Verbrauchszahlen betrachtet Diese Anforderung kann bdquoder Energieausweisldquo aus einer Reihe von Gruumlnden nicht erfuumlllen Laut EAVG ist ein aktueller Energieausweis im Zuge der (Neu-)Vermietung der Verpachtung und des Verkaufs eines Gebaumludes oder Nutzungsobjektes vorzulegen Der Energieausweis-Datenbestand waumlchst folglich in genau jenem Ausmaszlig in dem die genannten Anlaumlsse tatsaumlchlich auftreten umge-kehrt formuliert Ein Zeithorizont innerhalb dessen der Datenbestand zumindest weitgehend flaumlchen-deckend erfasst sein wird ist nicht absehbar Die in raumlumlich-statistischem Sinn nicht repraumlsentativen Daten der Energieausweisdatenbank koumlnnten daher im guumlnstigsten Fall als Datenbasis fuumlr die Entwick-lung bzgl Validierung typologischer Ansaumltze genutzt werden Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Beitrags wurden die Energieausweise in einigen Bundeslaumlndern mit jeweils unterschiedlichen Datenbankloumlsungen verwaltet in anderen Bundeslaumlndern fehlt eine zentrale Erfassung nach wie vor ganz Der vorgesehene Abgleich der Datenbanken der Laumlnder mit der EADB der Statistik Austria ist zwar grundsaumltzlich seit laumlngerer Zeit geregelt wird aber immer noch nicht systematisch durchgefuumlhrt (Amann et al 2020 Austrian Energy Agency 2020) Eine zentrale und be-zuumlglich qualitativer Anforderungen weitestgehend homogene Datenbasis mit den Inhalten der Ener-gieausweise fehlt also derzeit und ist bis auf Weiteres auch nicht in Sicht Angesichts der auch in Fachdiskussionen haumlufig genannten Erwartungen hinsichtlich der Treffsicher-heit und Aussagekraft des Energieausweises ist festzuhalten dass es sich bei den konkreten Aussagen zum Energiebedarf im Energieausweis in aller Regel um Ergebnisse eines Berechnungsmodells handelt Neben den Modellergebnissen zu den unterschiedlichen energetischen Kennwerten gilt das Interesse den bereits mehrfach angesprochenen gebaumludespezifischen Eigenschaften Diese werden im Zuge der Erstellung des Energieausweises allerdings vielfach nicht vor Ort im Detail erfasst sondern auf der Grundlage eines bautypologischen Ansatzes angenommen

1 Die charakteristische Laumlnge (lc) wird als Verhaumlltnis von Gebaumludevolumen (V) und Gebaumludeoberflaumlche (A) berechnet (i e der

Kehrwert des AV-Verhaumlltnisses) und ist ein Maszlig fuumlr die Kompaktheit eines Gebaumludes Letztere ist fuumlr das von der Gebaumlu-deform bestimmte Ausmaszlig der Energieabstrahlung von Bedeutung

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Daten zur Energieinfrastruktur

Digitale Leitungsdokumentationen ndash sogenannte Leitungskataster ndash bestehen in zahlreichen Gemein-den Oumlsterreichs in unterschiedlicher Qualitaumlt und Aktualitaumlt Sie repraumlsentieren in ihrer raumlumlichen Abdeckung und Topologie die bestehenden Angebotsstrukturen leitungsgebundener Energietraumlger und dokumentieren damit z B im Bereich der Raumwaumlrme oumlsterreichischer Haushalte die Infrastruk-tur von etwa 47 aller fuumlr Raumwaumlrme eingesetzten Energietraumlger In aller Regel sind Netzbetreiber fuumlr Auf-Ausbau und Erhaltung der Netzinfrastruktur verantwortlich und uumlberlassen der planenden Verwaltung in unterschiedlichem Umfang und zu unterschiedlichen Be-dingungen planungsrelevante Daten In vielen Faumlllen sind diese Netzbetreiber ausgegliederte Unter-nehmen mit substanziellen Beteiligungen der oumlffentlichen Hand Leitungsdokumentationen wurden zwar in den Interviews des Projekts PBM explizit als wesentliche Planungsgrundlage genannt allerdings ohne dabei auf konkrete inhaltliche und qualitative Anforde-rungen naumlher einzugehen Angesichts der Bedeutung der Energieinfrastruktur fuumlr das gesamte Hand-lungsfeld der raumbezogenen Planung ndash von der strategischen Planung auf Stadt- bzw Stadtteilebene bis zur Detailplanung im Quartier ndash muss das uumlberraschen Schlieszliglich gilt es ndash aumlhnlich wie das z B in ZuumlrichSchweiz bereits erfolgreich vorgelebt wird (vgl Energie360 2020) ndash auf der Grundlage valider Fakten Gebietstypen auszuweisen die sich durch ihr Infrastrukturangebot (z B Gas vs Fernwaumlrme) bzw durch Vorgaben hinsichtlich zulaumlssiger Technologien oder Verpflichtungen zur Nutzung von Tech-nologien mit festgelegten Verbrauchs-Emissionslimits auszeichnen Dabei ist bereits absehbar dass vermehrt dezentrale Ansaumltze der Energieversorgung in diese bdquoZonierungldquo einbezogen werden muumlssen zum einen aufgrund der zunehmenden raumlumlichen Verflechtungen zwischen Energieangebot und Energienachfrage unter anderem durch die Installation von sogenannten Distributed Energy Resources in Verbraucherhaushalten (Stichwort bdquoProsumerldquo) (vgl Beestermoumlller 2017 Karg et al 2014 p 32) und zum anderen aufgrund der deutlich geringeren Krisenanfaumllligkeit derartiger Konzepte (Stichwort bdquoResilienzldquo) (vgl Fulterer amp Leusbrock 2018) Ohne solide Datenbasis zur bestehenden Infrastruktur die jedenfalls neben der Leitungsdokumenta-tion auch die Dokumentation bestehender Kapazitaumlten und anderer in der Regel technischer Engpass-faktoren umfassen muss werden derartige Vorhaben nur schwer umzusetzen sein Aktuell ist fuumlr die planende Verwaltung wenn uumlberhaupt meist nur eine rudimentaumlre Leitungsdokumentation im Sinn einer Verortung von Netzelementen zugaumlnglich Auf deren Grundlage lassen sich zwar Aussagen zu bestehenden und potenziellen Versorgungsbereichen ableiten Versorgungspotenziale im Sinn raumlum-lich differenzierter Aussagen uumlber das Ausmaszlig lokal bereitstellbarer Energiemengen beduumlrfen aber der Information uumlber Kapazitaumltsreserven und Engpaumlsse im bestehenden Netz sowie uumlber realisierbare Netzausbau-Szenarien Der breiten Oumlffentlichkeit koumlnnen Daten uumlber den Verlauf und insbesondere die Eigenschaften lei-tungsgebundener Infrastruktur aufgrund von deren Einstufung als bdquokritische Infrastrukturldquo im Sinne der EU-Richtlinie 2008114EG nicht zur Verfuumlgung gestellt werden Insgesamt faumlllt aber auf dass von den Betreibern unter Verweis auf Datenschutz undoder Betriebsgeheimnis in vielen Faumlllen selbst der oumlffentlichen Verwaltung qualitativ hochwertige und aktuelle Daten nicht zur Verfuumlgung gestellt wer-den und damit neben den angesprochenen qualitativen Maumlngeln auch die grundsaumltzliche Verfuumlgbar-keit ein Problem darstellt

Informationsaustausch

Neben der Verfuumlgbarkeit und Qualitaumlt von Daten bestimmt ein weiterer Gesichtspunkt deren Nutzbar-keit jener des Datenaustausches und der Datendistribution Waumlhrend in den vorigen Abschnitten die konkreten Inhalte essentieller Datengrundlagen fuumlr die Energieraumplanung beleuchtet wurden liegt der Fokus in der Folge auf der Betrachtung der Akteure sowie auf aktuellen Entwicklungen im Zusam-menhang mit Datenweitergabe und Datenaustausch

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Rolle der oumlffentlichen Verwaltung (Administration)

In den vergangenen Jahren vollzogen sowohl einige oumlffentliche Verwaltungen sowie teilweise auch ausgegliederte Unternehmen bezuumlglich der Veroumlffentlichung raumbezogener Daten einen deutlichen Kurswechsel Dieser ist vor allem durch den Uumlbergang vom Konzept der finanziellen Verwertung der Datenbestaumlnde hin zur deren oumlffentlicher Bereitstellung gekennzeichnet Damit wird die lange gelebte Praxis fuumlr die Abgabe von Daten sowie fuumlr deren Nutzung ndash sowohl anderen Verwaltungseinheiten als auch externen UnternehmenInstitutionen ndash Entgelt zu verrechnen sukzessive aufgegeben Kern die-ses unter dem Begriff Open Government Data (OGD) zusammengefassten Konzeptes ist die Veroumlffent-lichung von Daten die im Verantwortungsbereich der oumlffentlichen Verwaltung erfasst und verwaltet werden in allgemein zugaumlnglicher und maschinenlesbarer Form ohne die Verrechnung jeder Art von Gebuumlhren (Digitales Wien 2020 Kalasek amp Weninger 2015) Hintergrund der sich stetig ausbreitenden Initiative ist die Auffassung Information sei ein wertvoller Produktionsfaktor dessen Verfuumlgbarkeit und Zugaumlnglichkeit im Rahmen der voranschreitenden Digitalisierung eine Schluumlsselrolle zukommt Innerhalb Oumlsterreichs ist die Stadt Wien auf diesem Gebiet sicher unter den Vorreitern zu finden Am OGD-Konzept der Stadt Wien ist insbesondere interessant dass die Moumlglichkeit den Aufwand fuumlr den Vertrieb der Daten deutlich zu reduzieren sehr fruumlh erkannt wurde Im Zuge der Reorganisation der Infrastruktur rund um die Abgabe von Daten wurden die dafuumlr notwendigen Prozesse als Distributi-onsaufgabe identifiziert und diese in der Folge in Form eines zentralen bdquoDistributionsdienstesldquo imple-mentiert Gleichzeitig wurde der Grundsatz bdquoopen by defaultldquo fuumlr saumlmtliche (nicht klassifizierten) Daten der Stadt Wien verankert und daran anschlieszligend die fuumlr die Bereitstellung der Daten auf OGD-Platt-formen notwendigen Strukturen auf der Ebene der jeweiligen Fachabteilungen etabliert Insgesamt konnte laut Aussagen der Stadtverwaltung der Gesamtaufwand fuumlr den Vertrieb von Daten deutlich reduziert und gleichzeitig die Nutzungsintensitaumlt auf ein Vielfaches gesteigert werden (vgl Lutz 2020) Naheliegenderweise wurden im Rahmen der Interviews im Projekt PBM konkrete Datenbestaumlnde aus dem OGD-Angebotsbuumlndel sowohl von Vertretern der planenden Verwaltung als auch von Planungs-buumlros explizit als fuumlr den eigenen Wirkungsbereich relevante Datengrundlagen genannt Groszlige Teile dieses Buumlndels sind Basisdaten im Sinn von fachspezifischen Grundlagendaten zu jenen raumlumlichen Voraussetzungen die fuumlr die Energieraumplanung von Interesse sind Und es sind eben diese Daten die uumlber Distributionskanaumlle wie sie oben am Beispiel der Stadt Wien angesprochen wurden der All-gemeinheit einfach zur Verfuumlgung gestellt werden koumlnnen Obwohl der beschriebene Trend zu Open Data-Strategien auf allen Ebenen oumlffentlicher Verwaltung an der Zahl der entsprechenden Veroumlffentlichen auf Open Data Oumlsterreich (wwwdatagvat) zu erkennen ist (vgl Lutz 2020) existieren nach wie vor einige Sektoren in denen Daten nicht veroumlffentlicht bzw ausschlieszliglich gegen Entgelt abgegeben werden Zu den auch fuumlr die Energieraumplanung relevanten und prominentesten Beispielen zaumlhlen die Datenbestaumlnde der (ebenfalls in den PBM-Interviews ge-nannten) Digitalen Katastralmappe (DKM) und ein groszliger Teil der soziodemographischen Daten des Bundesamts fuumlr Statistik (Statistik Austria) auf der raumlumlichen Ebene der Gemeinden und darunter (z B Zaumlhlsprengel Raster 250 x 250m) Etablierte und eingespielte Loumlsungen fuumlr den Datenaustausch bestehen allerdings dort wo Daten von Institutionen der oumlffentlichen Verwaltung an Gebietskoumlrperschaften und Koumlrperschaften oumlffentlichen Rechts abgeben werden ndash und zwar insbesondere dann wenn beide hoheitliche Aufgaben wahrneh-men Diese Regelungen werden auch dort wirksam wo oumlffentliche Verwaltungen privatwirtschaftliche Unternehmen damit beauftragen im Planungsprozess mitzuwirken Gerade im thematischen Feld der Energieraumplanung ist diese Konstellation im Rahmen der Erarbeitung von Grundlagen und der Vor-bereitung konkreter Strategiepapiere und Plandokumente haumlufig Den Auftragnehmern werden die vorhandenen Daten dabei auf der Grundlage umfangreicher und komplexer zeitlich befristeter Nut-zungsvereinbarungen zur Verfuumlgung gestellt

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Rolle von Unternehmen aus dem privaten Sektor

Bei den Unternehmen handelt es sich haumlufig um ausgegliederte ehemalige Einheiten der oumlffentlichen Verwaltung oder Unternehmen aus dem Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung Der Datenaustausch zwischen den so definierten Unternehmen und der oumlffentlichen Verwaltung unterliegt den strikten Normen bestehender Datenschutzbestimmungen Diese Regelungen werden wie bereits erwaumlhnt entsprechend haumlufig von den Unternehmen als Hintergrund fuumlr die Weigerung planungsrelevante Da-ten aus der Hand zu geben angefuumlhrt Streng genommen handelt es sich allerdings in diesem Fall we-niger um Datenaustausch als vielmehr um Informationstransfer Der Transfer von Daten solcher Un-ternehmen zur oumlffentlichen Verwaltung betrifft primaumlr jene Basisinformation die zur Besorgung der planmaumlszligigen Gestaltung des Raums im Rahmen der Hoheitsverwaltung notwendig ist Informationen die im Zuge der Erledigung dieser Aufgabe fuumlr die Bewertung und Beruumlcksichtigung wirtschaftlicher sozialer gesundheitlicher und kultureller Beduumlrfnisse der Bevoumllkerung maszliggeblich sind haben diese Bedeutung grundsaumltzlich unabhaumlngig von der Rechtsform des Unternehmensder Institution dasdie die Datenbestaumlnde aufbaut und fuumlhrt Gerade eine evidenzbasierte Energieraumplanung ist klar ab-haumlngig von belastbaren Fakten zu jenen Faktoren die starken Einfluss auf den raumlumlich variierenden Bedarf haben Insofern ist der Transfer planungsrelevanter Daten aus dem Bereich ausgegliederter Unternehmen eine wesentliche Voraussetzung fuumlr die vorausschauende und nachhaltige Veraumlnderung der Angebots- und Nachfragestrukturen In diesem Zusammenhang ist eine konkrete Initiative in der Stadt Salzburg zu nennen der sogenannte bdquoDatenaustauschvertragldquo der zwischen dem Energieversorger Salzburg AG (uumlberwiegend im Eigentum des Landes Salzburg und der Stadt Salzburg) die Bedingungen der wechselseitigen Weitergabe jeweils planungsrelevanter Daten regelt Aus Sicht der Autoren waumlre ein deutlich houmlheres Maszlig an Transparenz in diesem Zusammenhang zu begruumlszligen ndash nicht zuletzt deshalb weil von prominenten und erfolgrei-chen Beispielen immer auch eine entsprechende Wirkung auf weitere Initiativen zu erwarten ist

Fazit Aus den Interviews im Rahmen des Projektes PBM geht insbesondere die Bedeutung des themenspe-zifischen Detaillierungsgrades der raumlumliche Granularitaumlt und der Aktualitaumlt der Datengrundlagen klar hervor Mit anderen Worten Die Anforderungen einer evidenzbasierten und effektiven Energieraum-planung an die Datenqualitaumlt werden als hoch eingeschaumltzt waumlhrend die derzeit bestehende Verfuumlg-barkeit und Qualitaumlt aktueller Daten sehr kritisch beurteilt wird In juumlngster Zeit wurden in zahlreichen Forschungsinitiativen ebenso zahlreiche Ansaumltze zur Abschaumlt-zung des Energiebedarfs im Themenfeld WohnenWohngebaumlude entwickelt Die Notwendigkeit kom-plexe Methoden fuumlr diese Fragestellung zu entwickeln ergibt sich primaumlr aus dem Mangel an konkre-ten empirischen Daten zu den Determinanten des Energiebedarfs auf disaggregierter Ebene (Gebaumlude Gebaumludegruppen Gemeinden) Ohne hier auf methodische Staumlrken und Schwaumlchen der angesproche-nen AnsaumltzeArbeiten im Detail einzugehen verdeutlicht jedes weitere derartige Projekt das Problem es besteht weiterhin Bedarf an belastbaren Daten Die bdquobewaumlhrteldquo Praxis mangelnde raumlumliche Differenzierung durch die Umlegung von Merkmalen von houmlheren raumlumlichen Aggregationsebenen auf niederrangige Ebenen zu beheben liefert keine entspre-chende Datenbasis Die Ergebnisse dieser Ansaumltze sind in hohem Maszlig von den im Zuge der Umlegung zu treffenden Annahmen abhaumlngig und beruhen aufgrund des bestehenden Informationsdefizits im inhaltlichen und raumlumlichen Detail haumlufig auf Durchschnittswerten Wenn beispielsweise nur in wenigen Ausnahmefaumlllen fuumlr die vor 2000 errichteten Bestandsgebaumlude valide Information uumlber die thermischen Eigenschaften der Gebaumludehuumllle und die eingesetzte Heiztechnologie zur Verfuumlgung steht liegt der Unschaumlrfebereich moumlglicher Modellergebnisse in der Groumlszligenordnung des Energiebedarfs eines zeitgemaumlszlig sanierten Gebaumludes Diese Unschaumlrfe ist auf der

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Grundlage gaumlngiger Schaumltzverfahren nicht zu beheben ndash und zwar primaumlr deshalb weil in der Vergan-genheit keine raumlumlich differenzierte Erfassung von Sanierungsaktiviaumlten erfolgt ist Letztlich wird die Grundlage fuumlr jede kleinraumlumig differenzierte Strategie im Zusammenhang mit dem Energiebedarf und der Aktivierung von Reduktionspotenzialen aus einer Kombination aus flaumlchende-ckend erfassten gebaumludebezogenen Eigenschaften und realen Verbrauchsdaten bestehen muumlssen Auf dieser Grundlage kann

bull der Zusammenhang zwischen Gebaumludeeigenschaften und Energiebedarf in statistischem Sinn bewertet

bull der Einfluss nicht gebaumludebezogener Einflussfaktoren in seiner Groumlszligenordnung festgemacht bull und auf dieser Grundlage eine treffsichere Gebaumludetypologie entwickelt oder bestehende

typologische Ansaumltze verfeinert werden

Dieser Informationsgewinn in Bezug auf die Qualitaumlt und die raumlumliche Differenzierung der Ver-brauchsschaumltzung ist eine unverzichtbare Voraussetzung fuumlr aktuell anstehende Konzepte zur Energie-wende um lokal eingebettete Angebots- und Nachfrageverflechtungen zu optimieren

Literatur

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Das Energiemosaik Austria Eine Energie- und Treibhausgasdatenbank fuumlr alle oumlsterreichischen Staumldte und Gemeinden

Lore Abart-Heriszt (1)

DOI 10347261025

(1) Dipl-Ing Dr Institut fuumlr Raumplanung Umweltplanung und Bodenordnung (IRUB) Department fuumlr Raum Landschaft und Infrastruktur (RALI) Universitaumlt fuumlr Bodenkultur (BOKU) Wien

Abstract

Das Energiemosaik Austria ist eine Energie- und Treibhausgasdatenbank fuumlr alle oumlsterreichischen Staumldte und Gemeinden Die Datenbank beruht auf einem flaumlchendeckenden Modell zur Ermittlung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen das bei der Gesamtheit der raumgebundenen Nut-zungen (Wohnen Land- und Forstwirtschaft Industrie und Gewerbe sowie Dienstleistungen) ansetzt und auch die damit verbundenen Mobilitaumltsbeduumlrfnisse beruumlcksichtigt In der Datenbank sind dem-nach alle Verbraucher von Energie und alle Verursacher von Treibhausgasemissionen gleichwertig ab-gebildet Die Angaben zum Energieverbrauch werden konsequent nach Verwendungszwecken und Energietraumlgern differenziert Die gemeinsame statistische Datenbasis die standardisierte Modellierung und die einheitliche Darstel-lung der Ergebnisse gewaumlhrleisten die Vergleichbarkeit unter den rund 2100 Gemeinden Die Gesamt-schau des Energiemosaiks Austria - in allen oumlsterreichischen Gemeinden werden alle Verbraucher von Energie beruumlcksichtigt - stellt sicher dass sich der oumlsterreichweite Energieverbrauch in den kommuna-len Datensaumltzen des Energiemosaiks Austria widerspiegelt Das Energiemosaik Austria ist auf einer ei-genen Webseite (wwwenergiemosaikat) verfuumlgbar

Schluumlsselbegriffe

Oumlsterreichweite Datenbank kommunaler Energieverbrauch kommunale Treibhausgasemissionen Webseite Abart-Heriszt L (2021) Das Energiemosaik Austria Eine Energie- und Treibhausgasdatenbank fuumlr alle oumlsterreichischen Staumldte und Gemeinden In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S62-72

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Inhalt Die Entwicklung einer strategischen Datenbank als Aufgabenfeld der Energieraumplanung 64

Statistische Datenbasis 64

Strukturdaten Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen 65

Nutzungen Verwendungszwecke und Energietraumlger 65

Raumlumliche Parameter Energiekennzahlen und Emissionsfaktoren 66

Modellierung des Energieverbrauches und der Treibhausgasemissionen 67

Energieverbrauch in Oumlsterreich 69

Treibhausgasemissionen in Oumlsterreich 70

Schlussfolgerungen 71

Literatur 71

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Die Entwicklung einer strategischen Datenbank als Aufgabenfeld der Energie-raumplanung

Die Gemeinden sind wichtige Akteure im Hinblick auf die Entwicklung von Strategien zur Verringerung des Energieverbrauches und der Treibhausgasemissionen Als Grundlage dafuumlr sind Kenntnisse hin-sichtlich der Ausgangslage unerlaumlsslich Auf kommunaler Ebene standen in Oumlsterreich bislang jedoch weder statistische Daten zum Energieverbrauch zur Verfuumlgung noch lagen Angaben zu den Treibhaus-gasemissionen vor Um diese Luumlcke zu schlieszligen wurde eine Methode zur Modellierung von Energie-verbrauch und Treibhausgasemissionen auf Gemeindeebene entwickelt und im Rahmen eines von der FFG (Oumlsterreichischen Forschungsfoumlrderungsgesellschaft) gefoumlrderten Projektes oumlsterreichweit umge-setzt (Abart-Heriszt et al 2019a und 2019b BMK 2020) Mit dem sogenannten bdquoEnergiemosaik Austrialdquo stehen allen oumlsterreichischen Staumldten und Gemeinden energie- und klimarelevante Entscheidungsgrundlagen und eine Referenz fuumlr die Formulierung kuumlnfti-ger Strategien zur Energiewende und zum Klimaschutz zur Verfuumlgung Dabei gewaumlhrleisten die gemein-same statistische Datenbasis die standardisierte Modellierung und die einheitliche Darstellung der Ergebnisse die Vergleichbarkeit unter den Gemeinden Das Energiemosaik erlaubt die Aggregation der gemeindespezifischen Ergebnisse und deren Abfrage auch auf uumlbergeordneter insbesondere regiona-ler Ebene (zB KEM- KLAR- und Leader-Regionen) Das Energiemosaik Austria stellt eine kommunale Energie- und Treibhausgasdatenbank dar die unter wwwenergiemosaikat mit interaktiven Karten umfangreichen Tabellen und weiterfuumlhrenden Dia-grammen oumlffentlich zur Verfuumlgung steht Das Energiemosaik bietet einen umfangreichen Einblick in den Energieverbrauch und in die Treibhausgasemissionen auf der Ebene der Gemeinden und versetzt damit die Akteure in der lokalen Politik Verwaltung Wirtschaft und Zivilgesellschaft in die Lage dem betraumlchtlichen Handlungsbedarf zur Verringerung des Klimawandels mit energie- und klimapolitischen Strategien zu begegnen Das Energiemosaik Austria unterstuumltzt die Energiewende und den Klimaschutz insofern als es dem wachsenden Anspruch Rechnung traumlgt energie- und klimapolitische Strategien um die raumlumliche Di-mension zu erweitern Dieser sogenannte bdquospatial turnldquo unterstreicht die zentrale Bedeutung von Land und Raum in der Energie- und Klimapolitik Dabei werden die raumlumlichen Rahmenbedingungen d h energie- und klimaoptimierte Raum- und Siedlungsstrukturen als Schluumlsselgroumlszligen fuumlr den Umstieg auf erneuerbare Energietraumlger sowie fuumlr die Etablierung einer umweltfreundlichen Mobilitaumlt und damit fuumlr eine maszliggebliche Verringerung der Treibhausgasemissionen erachtet

Statistische Datenbasis Das Energiemosaik Austria stellt ein quantitatives Modell dar das ausschlieszliglich auf Daten der amtli-chen Statistik beruht und unabhaumlngig von benutzerdefinierten Eingaben oder von Messergebnissen ist Das Energiemosaik stuumltzt sich auf oumlsterreichweit verfuumlgbare konsistente Datensaumltze fuumlr alle Ver-brauchergruppen sowie auf die Mobilitaumltserhebung Oumlsterreich unterwegs (vgl Tab 1)

Registerzaumlhlung 2011 Gebaumlude- und Wohnungszaumlhlung Registerzaumlhlung 2011 Arbeitsstaumlttenzaumlhlung Registerzaumlhlung 2011 PersonenPendlerzaumlhlung Agrarstrukturerhebung 2010Uumlberblick landwirtschaftliche Kulturflaumlchen nach Flaumlchenart Nutzenergieanalyse 2011 (Stand 2018) Energetischer Endverbrauch nach Bundeslaumlndern Energiegesamtrechnung Oumlsterreich 2011 Bundesforschungszentrum fuumlr Wald (BFW) Waldkarte (Stand 2019) BMVIT 2016 Oumlsterreich unterwegs 20132014 BMVIT 2017 Bericht aus Energie- und Umweltforschung 392017 Zweiter Oumlsterreichischer Baukulturreport 2011 Umweltbundesamt CO2-Rechner (Stand 2011)

Tab 1 Datengrundlagen fuumlr das Energiemosaik Austria Eigene Darstellung

Abart-Heriszt (2021) Das Energiemosaik Austria Eine Energie- und Treibhausgasdatenbank fuumlr alle oumlsterreichischen Staumldte und Gemeinden DOI 10347261025

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Strukturdaten Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen

Im Energiemosaik Austria sind umfassende Angaben zum Energieverbrauch und zu den damit verbun-denen Treibhausgasemissionen der Gemeinden gemeinsam mit den zugrundeliegenden Strukturdaten abgelegt Die Strukturdaten umfassen umfangreiche Datensaumltze zur Charakterisierung der raumlumlichen Struktu-ren in den einzelnen Gemeinden Sie geben demnach detailliert Auskunft uumlber die wesentlichen Merk-male der raumgebundenen Nutzungen sowie der Mobilitaumltsbeduumlrfnisse die mit diesen Nutzungen ver-bunden sind Der Energieverbrauch bezieht sich auf den energetischen Endverbrauch in Megawattstunden (MWh) also auf jene Energiemenge die bei den Verbrauchern nach Umwandlung und Transport ankommt und fuumlr den Einsatz in Anlagen der Verbraucher zur Verfuumlgung steht Die modellierten Werte bilden Jahres-werte ab (MWha) und beziehen sich vornehmlich auf den Ist-Zustand mit Datengrundlagen aus dem Jahr 2011 (ergaumlnzt um Datensaumltze aus den Jahren 2010 20132014 2017 und 2019) Daruumlber hinaus wird eine Vision fuumlr das Jahr 2050 entwickelt die sich mit der oumlsterreichweiten Verringerung der Treib-hausgasemissionen um rund 80 Prozent auseinandersetzt Die Treibhausgasemissionen umfassen die CO2-Emissionen die bei Verbrennungsvorgaumlngen entste-hen diese decken in Oumlsterreich rund 85 aller Treibhausgasemissionen ab (UBA 2019) Beruumlcksichtigt werden direkte und indirekte Emissionen dh sowohl jene Emissionen die unmittelbar am Ort der Energienutzung entstehen als auch jene Emissionen die zusaumltzlich bei der Bereitstellung der Energie-traumlger anfallen und die Auswirkungen vorgelagerter Prozessketten beruumlcksichtigen Jene Treibhaus-gasemissionen die bei der Erzeugung von Strom und Fernwaumlrme entstehen finden demnach als indi-rekte Emissionen im Energiemosaik Beruumlcksichtigung Sie werden den jeweiligen Gemeinden bzw Nut-zungen in dem Maszlige zugeordnet in dem Strom und Fernwaumlrme zum Einsatz kommt Die Treibhaus-gasemissionen (Stand 2011) werden in Tonnen CO2-Aumlquivalent pro Jahr (t CO2-Aumlquiva) angegeben

Nutzungen Verwendungszwecke und Energietraumlger

Das Modell zur Ermittlung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen verfolgt einen pla-nungsbezogenen Ansatz und geht davon aus dass sich der Energieverbrauch und die damit verbunde-nen Treibhausgasemissionen auf raumlumliche Strukturen zuruumlckfuumlhren lassen Daher setzt das Ener-giemosaik Austria bei der Gesamtheit der raumgebundenen Nutzungen an (Wohnnutzung Land- und Forstwirtschaft Industrie und Gewerbe Dienstleistungen) und beruumlcksichtigt auch die damit einher-gehenden Mobilitaumltsbeduumlrfnisse Somit finden alle Verbraucher von Energie und alle Verursacher von Treibhausgasemissionen gleichwertig Eingang in das Modell Die Modellierung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen erfolgt dabei nicht nur nach Nut-zungen sondern auch nach Verwendungszwecken und Energietraumlgern differenziert Unter den Ver-wendungszwecken werden verschiedene Aktivitaumlten gebuumlndelt fuumlr die Energie genutzt wird fuumlr die Abdeckung des Waumlrmebedarfs als Prozessenergie oder zur Sicherstellung von Transportleistungen Der Verwendungszweck Waumlrme umfasst die Beheizung von Raumlumen und die Bereitung von Warmwas-ser Die Prozessenergie die vornehmlich Prozesswaumlrme und Antriebsenergie umfasst dient dem Be-trieb industriell-gewerblicher Produktionsanlagen sowie von Anlagen und Geraumlten im Dienstleistungs-sektor aber auch von Haushaltsgeraumlten und Geraumlten der Buumlro- und Unterhaltungselektronik sowie der Beleuchtung Der Transport beschreibt den Antrieb von Fahrzeugen zur Abdeckung der Mobilitaumltsbe-duumlrfnisse sowie zur Abwicklung des Baustellen- Werks- und Wirtschaftsverkehrs Im Zuge der Modellierung werden acht verschiedene Energietraumlger beruumlcksichtigt Kohle Oumll (ein-schlieszliglich Benzin und Diesel) Gas Strom und Fernwaumlrme (unter Beachtung ihrer Bereitstellung aus einem Mix von fossilen und erneuerbaren Energietraumlgern) Biomasse brennbare Abfaumllle und Umge-bungswaumlrme

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Raumlumliche Parameter Energiekennzahlen und Emissionsfaktoren

Im Energiemosaik Austria kommen die in Tab 2 dargelegten Parameter zum Einsatz um die Nutzungs- und Mobilitaumltsstrukturen der Gemeinden umfassend abzubilden

Wohnnutzung Quadratmeter Wohnnutzflaumlche nach Gebaumludekategorie Bauperiode sowie Wohnsitzart (Haupt- und Nebenwohnsitze)

32 Parameter

Land- und Forst-wirtschaft

Hektar Kulturflaumlche der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung 4 Parameter

Industrie und Ge-werbe

Beschaumlftigte in der Arbeitsstaumltte nach Branchen gemaumlszlig der OumlNACE-Klassifi-kation der Wirtschaftstaumltigkeiten

27 Parameter

Dienstleistungen Beschaumlftigte in der Arbeitsstaumltte nach Branchen gemaumlszlig der OumlNACE-Klassifi-kation der Wirtschaftstaumltigkeiten

12 Parameter

Mobilitaumlt Verkehrsleistungen (zuruumlckgelegte Kilometer) des Personen- und Guumlterver-kehrs

17 Parameter

Tab 2 Raumlumliche Parameter im Energiemosaik Austria Eigene Darstellung

Die Datensaumltze liegen oumlsterreichweit in einheitlicher Struktur und Qualitaumlt vor bzw werden fuumlr die Mobilitaumlt basierend auf einem eigens entwickelten Verkehrsmodell fuumlr alle Gemeinden nach einer ein-heitlichen Systematik ermittelt Die Datenbasis gewaumlhrleistet eine profunde energie- und klimarele-vante Charakterisierung der Gemeinden hinsichtlich ihrer Nutzungs- und Mobilitaumltsstrukturen und stellt damit eine zuverlaumlssige Grundlage fuumlr die Modellierung des Energieverbrauches und der Treib-hausgasemissionen auf kommunaler Ebene dar Die Vielzahl von Parametern stellt sicher dass sich allfaumlllige Unterschiede zwischen tatsaumlchlichen und modellierten Werten fuumlr die einzelnen Parameter im Rahmen der Aggregation auf Gemeindeebene ausgleichen koumlnnen Die detaillierte Beschreibung der raumgebundenen Nutzungen auf Gemeindeebene gewaumlhrleistet dass sich die Modellierung des Energieverbrauches und der damit einhergehenden Treibhausgasemis-sionen bestmoumlglich an die jeweils besondere Situation auf Gemeindeebene annaumlhert Die umfangrei-chen Angaben zu den Strukturdaten im Energiemosaik erlauben den Energieverbrauch und die Treib-hausgasemissionen unter Beruumlcksichtigung der zugrundeliegenden raumlumlichen Strukturen zu diskutie-ren Die Beruumlcksichtigung dieser raumlumlich hoch aufgeloumlsten Daten im Energiemosaik ist ein Hauptau-genmerk von Bottom-Up-Ansaumltzen Zur Ermittlung des kommunalen Energieverbrauches (vgl Abb 1) werden die Parameter zur Beschrei-bung der Nutzungs- und Mobilitaumltsstrukturen mit spezifischen Energiekennzahlen multipliziert (z B Megawattstunde Energie je Beschaumlftigten) Dabei gewaumlhrleistet die Vielzahl der Parameter den Einsatz moumlglichst spezifischer und praumlziser Energiekennzahlen und damit minimale Abweichungen der tat-saumlchlichen Werte von der jeweiligen Energiekennzahl im Modell Die Ermittlung der Energiekennzah-len beruht im Energiemosaik auf einem Top-Down-Ansatz Die Energiekennzahlen werden vornehm-lich aus der Nutzenergieanalyse der Statistik Austria sowie den Analysen zur Mobilitaumltserhebung Oumls-terreich unterwegs (BMVIT 2017) abgeleitet Dieses Vorgehen hat zwar den Nachteil dass besondere Variationen der raumgebundenen Nutzungen Details des individuellen Verhaltens oder spezifische Technologien und Innovationen in den einzelnen Gemeinden nicht vollumfaumlnglich in den Energiekenn-zahlen abgebildet werden koumlnnen Hingegen besteht der groszlige Vorteil dieser Methode darin dass die Ergebnisse fuumlr die einzelnen Gemeinden mit den Datensaumltzen auf der Ebene der Bundeslaumlnder konsis-tent sind Werden die kommunalen Werte aggregiert resultieren die Werte auf Landesebene Daruumlber hinaus stellt das Energiemosaik nicht nur eine vollstaumlndige und konsistente Modellierung sicher son-dern kann mit dem Einsatz der solcherart ermittelten Energiekennzahlen die von Jahr zu Jahr zu ver-zeichnenden witterungsbedingten und konjunkturellen Schwankungen des Energieverbrauches aus-gleichen Die Energiekennzahlen sind nach Verwendungszwecken (Waumlrme Prozesse und Transport) sowie nach acht Energietraumlgern differenziert Auf der Webseite werden die erneuerbaren und fossilen Energietraumlger jeweils zusammengefasst

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Unter Beruumlcksichtigung von energietraumlgerspezifischen Faktoren fuumlr die Treibhausgasemissionen (Ton-nen CO2-Aumlquivalent je Megawattstunde eingesetzter Energie entsprechend dem CO2-Rechner des Um-weltbundesamtes) werden die kommunalen Treibhausgasemissionen berechnet (vgl Abb 1)

Abb 1 Modell zur Ermittlung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen im Energiemosaik Austria (nach Abart-Heriszt et al 2019b)

Modellierung des Energieverbrauches und der Treibhausgasemissionen

Wohnnutzung

Die Modellierung des Energieverbrauches und der Treibhausgasemissionen fuumlr die Wohnnutzung ba-siert im Energiemosaik Austria auf dem Ausmaszlig der Wohnnutzflaumlchen und erfolgt aufgrund des unter-schiedlichen Heizwaumlrmebedarfs differenziert nach Gebaumludekategorien Bauperioden und Wohnsitzart (wobei auf der Webseite Haupt- und Nebenwohnsitze zusammengefasst werden) Damit wird dem hohen Stellenwert Rechnung getragen den der Waumlrmebedarf in der Wohnnutzung hat

Wirtschaftliche Nutzungen

Fuumlr die Land- und Forstwirtschaft erfolgt die Modellierung von Energieverbrauch und Treibhausgas-emissionen aufgrund unterschiedlich energieintensiver Bewirtschaftung differenziert nach Kulturar-ten Die Land- und Forstwirtschaft ist grundsaumltzlich ein nicht zu vernachlaumlssigender Emittent von Treib-hausgasen Besondere Bedeutung kommt dabei allerdings den Emissionen von Lachgas und Methan zu die aus der Bewirtschaftung landwirtschaftlich genutzter Flaumlchen und aus der Viehhaltung stam-men In das Energiemosaik finden hingegen nur die vergleichsweise geringen CO2-Emissionen aus Ver-brennungsvorgaumlngen (zB Wirtschaftsverkehr) Eingang Unter Industrie und Gewerbe wird im Energiemosaik die Erzeugung von Sachguumltern einschlieszliglich der Branchen Bau und Bergbau zusammengefasst Angesichts der Vielfalt unterschiedlicher Produktions-verfahren weisen der spezifische Energieverbrauch und die Treibhausgasemissionen von Industrie und Gewerbe eine groszlige Schwankungsbreite auf Diesem Umstand wird durch die Beruumlcksichtigung von uumlber 25 Branchen des produzierenden Sektors einschlieszliglich Bau und Bergbau bestmoumlglich Rechnung getragen Auf der Webseite werden die Branchen entsprechend der OumlNACE-Klassifikation der Wirt-schaftstaumltigkeiten zusammengefasst Allerdings kann auch innerhalb einer Branche der Energiever-brauch in Abhaumlngigkeit von den spezifischen Prozessen betraumlchtlich schwanken Dazu kommt dass

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sich nicht an allen industriell-gewerblichen Standorten tatsaumlchlich Produktionsstaumltten befinden son-dern teilweise reine Managementfunktionen erfuumlllt werden Diese Gegebenheiten koumlnnen mangels oumlsterreichweit verfuumlgbarer Informationen nicht beruumlcksichtigt werden und in Einzelfaumlllen zu Fehlein-schaumltzungen des Energieverbrauches und der damit einhergehenden Treibhausgasemissionen von In-dustrie und Gewerbe fuumlhren In Industrie und Gewerbe wird Energie vornehmlich als Prozessenergie fuumlr den Betrieb von Produktionsanlagen eingesetzt waumlhrend der Energieverbrauch fuumlr Waumlrme und Transport (Baustellen- und Werksverkehr) eine vergleichsweise geringe Rolle spielt Die Dienstleistungen umfassen zwoumllf verschiedene Branchen der privaten und oumlffentlichen Dienstleis-tungserbringung (z B Geschaumlfte Gaststaumltten Schulen Krankenhaumluser Banken Aumlmter hellip) Die Unter-schiede zwischen den verschiedenen Dienstleistungsbranchen sind hinsichtlich des Energieverbrau-ches im Allgemeinen gering Die Branchen werden auf der Webseite weitgehend OumlNACE-konform zu-sammengefasst Die Energie wird im Dienstleistungssektor etwa zur Haumllfte fuumlr die Waumlrmebereitstel-lung benoumltigt der restliche Energieverbrauch entfaumlllt zu etwa gleichen Teilen auf Prozesse und Trans-port

Mobilitaumlt

Der Energieverbrauch der Mobilitaumlt und die damit verbundenen Treibhausgasemissionen haumlngen so-wohl von der Weglaumlnge als auch von den genutzten Verkehrsmitteln ab Diese Merkmale sind in Oumls-terreich sehr unterschiedlich ausgepraumlgt und haumlngen wesentlich von den raumlumlichen Rahmenbedin-gungen wie etwa der Kompaktheit der Raum- und Siedlungsstrukturen sowie der Nutzungsmischung ab Im Energiemosaik Austria wird ein besonderes Augenmerk auf die Vernetzung der unterschiedlichen Standorte von Wohnungen Arbeitsplaumltzen Bildungs- Handels- Gesundheits- Sozial- und Freizeitein-richtungen etc gelegt die unter dem Begriff der Alltagsmobilitaumlt zusammengefasst wird Die Model-lierung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen der Alltagsmobilitaumlt beruht auf umfangrei-chen statistischen Daten zu den Pendlern (differenziert nach Wohn- Arbeits- bzw Schulort und Pen-deltyp sowie Pendeldistanzen) ergaumlnzt um Aussagen und Analysen aus der Mobilitaumltserhebung Oumlster-reich unterwegs (BMVIT 2016 und BMVIT 2017) betreffend die Bedeutung verschiedener Wegezwecke sowie gemeindetypenspezifischer Modal-Splits Darauf basierend werden Verkehrsleistungen model-liert wobei die Zuordnung der Verkehrsleistungen zu den Gemeinden auf einem nutzungsbezogenen Ansatz beruht Daher wird jede Gemeinde als Wohnort als Arbeits- und Schulort als Standort kunden-orientierter Dienstleistungen (z B Handel) sowie als Produktionsstandort betrachtet Die Verkehrs-leistungen der Alltagsmobilitaumlt werden im Allgemeinen jeweils dem Zielort eines Weges abhaumlngig vom Wegezweck und damit den in Tab 3 genannten Kategorien zugeordnet

Haushaltsmobilitaumlt Alle Wege zu den Wohnsitzen und die meisten Verkehrsleistungen in der Freizeit wer-den dem Wohnort zugeordnet

Beschaumlftigtenmobilitaumlt Die Wege der Beschaumlftigten und Schuumller zur Arbeit bzw zur Ausbildung werden der Standortgemeinde der Arbeitsstaumltte bzw Schule zugeordnet

Kundenmobilitaumlt Die Wege der Kunden zu Dienstleistungseinrichtungen werden den Standorten dieser Einrichtungen zugeordnet

Tab 3 Kategorien der Alltagsmobilitaumlt im Energiemosaik Austria Eigene Darstellung

Zudem werden sowohl inlaumlndische Urlaubs- und Geschaumlftsreisen als auch der Transport von land- und forstwirtschaftlichen sowie industriell-gewerblichen Guumltern im Inland beruumlcksichtigt Die Zuordnung zu den Gemeinden erfolgt nach dem Wohnort (Urlaubsreisen) dem Arbeitsort (Geschaumlftsreisen) und dem Standort der Produktionsstaumltten (Guumlterverkehr) Auf der Webseite werden unterschiedliche We-gezwecke und Verkehrsmittel zusammengefasst

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Energieverbrauch in Oumlsterreich

In Abb 2 wird die absolute Houmlhe des Energieverbrauches insgesamt in den einzelnen Gemeinden Oumls-terreichs dargestellt Im Allgemeinen weisen Gemeinden mit einer hohen Einwohnerzahl und einer Vielzahl von wirtschaftlichen Aktivitaumlten begleitet von einem hohen Verkehrsaufkommen einen houmlhe-ren Energieverbrauch auf als kleinere Gemeinden Dieser enge Zusammenhang erklaumlrt aber nur einen Teil der Unterschiede zwischen den Gemeinden Daneben hat die Nutzungsmischung einen erhebli-chen Einfluss auf die Houmlhe und insbesondere die Struktur des Energieverbrauches denn in den einzel-nen Gemeinden koumlnnen unterschiedliche Verbrauchergruppen die Energie fuumlr unterschiedliche Zwe-cke einsetzen Gleich groszlige Gemeinden koumlnnen demnach unterschiedlich hohen Energieverbrauch aufweisen wenn sie durch unterschiedliche raumlumliche Strukturen gekennzeichnet sind Daher nimmt Abbildung 2 bewusst auf die absolute Houmlhe des Energieverbrauches Bezug und stellt nicht Dichtewerte (etwa pro Kopf oder pro Flaumlcheneinheit) dar Denn darin waumlre die Komplexitaumlt der Nutzungsstrukturen sowie der raumlumlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den einzelnen Gemeinden nicht abgebildet Vielmehr lassen sich unterschiedliche Muster des Energieverbrauches bzw unterschiedli-che Typen von Gemeinden in Abhaumlngigkeit vom Beitrag der einzelnen raumgebundenen Nutzungen zum Energieverbrauch identifizieren Im Energiemosaik Austria wird zwischen Gemeinden die vorran-gig Wohnfunktion uumlbernehmen Wohngemeinden mit betrieblicher Funktion funktionsgemischten bzw dienstleistungsorientierten Gemeinden sowie Gemeinden mit industriell-gewerblicher Produk-tion unterschieden Diese Kenntnis uumlber die Bedeutung der einzelnen Verbrauchergruppen ist eine unabdingbare Voraussetzung fuumlr die Formulierung maszliggeschneiderter energiepolitischer Strategien

Abb 2 Kommunaler Energieverbrauch (2011) Quelle wwwenergiemosaikat

Werden die im Energiemosaik ausgewiesenen Angaben uumlber alle Gemeinden Oumlsterreichs summiert resultiert ein Energieverbrauch in der Houmlhe von rund 278 Mio MWh (Stand 2011) Dieser Wert stimmt weitgehend mit der Nutzenergieanalyse fuumlr Oumlsterreich (Statistik Austria 2018) uumlberein Der gesamte Energieverbrauch Oumlsterreichs spiegelt sich demnach in den Datensaumltzen aller rund 2100 oumlsterreichi-schen Staumldte und Gemeinden (ergaumlnzt um die 23 Wiener Stadtbezirke) wider Das Energiemosaik Aus-tria stellt daher eine Energie- und Treibhausgasdatenbank dar die weder eine generelle Uumlber- noch eine Unterschaumltzung des Energieverbrauchs aufweist Diese Konsistenz der Modellierung uumlber ver-schiedene raumlumliche Ebenen hinweg ist eine besondere Staumlrke des Energiemosaiks Geringfuumlgige Abweichungen des Energiemosaiks von der Nutzenergieanalyse resultieren insbesondere aus dem Umstand dass im Falle der Mobilitaumlt im Energiemosaik ein von der Nutzenergieanalyse grund-

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saumltzlich abweichender Ansatz verfolgt wird Waumlhrend die Nutzenergieanalyse auf dem Ausmaszlig an ab-gesetzten Treibstoffen in Oumlsterreich basiert (und damit auch den Kraftstoffexport ins Ausland beinhal-tet) orientiert sich das Energiemosaik an den gemeindespezifischen Nutzungen und den dadurch ver-ursachten Verkehrsleistungen (vgl Kap 6) Dadurch ist keine unmittelbare Vergleichbarkeit des Ener-gieverbrauches mit der amtlichen Statistik gegeben Hingegen stimmt fuumlr die im Energiemosaik mo-dellierten Verkehrsleistungen der Alltagsmobilitaumlt die Summe uumlber alle oumlsterreichischen Gemeinden mit den diesbezuumlglichen Ergebnissen der Mobilitaumltserhebung Oumlsterreich unterwegs uumlberein Waumlhrend demnach weder eine generelle Uumlber- noch eine Unterschaumltzung des Energieverbrauches und der damit einhergehenden Treibhausgasemissionen erfolgt koumlnnen fuumlr einzelne Gemeinden oder ein-zelne Parameter Ungenauigkeiten auftreten die insbesondere auf die moumlgliche Unschaumlrfe einiger Energiekennzahlen zuruumlckzufuumlhren ist Dies trifft vornehmlich auf ausgewaumlhlte Standorte energiein-tensiver industriell-gewerblicher Produktionsanlagen zu

Treibhausgasemissionen in Oumlsterreich

Abb 3 zeigt die absolute Houmlhe der Treibhausgasemissionen insgesamt fuumlr die einzelnen oumlsterreichi-schen Gemeinden Demnach werden in Oumlsterreich Treibhausgasemissionen aus Verbrennungsvorgaumln-gen in der Houmlhe von rund 70 Mio t CO2-Aumlquivalent ausgewiesen (Stand 2011) Die im Energiemosaik Austria getroffenen Aussagen zu den Treibhausgasemissionen decken sich nicht mit den Ergebnissen der oumlsterreichischen Luftschadstoffinventur (UBA 2018) Dies liegt einerseits daran dass im Energie-mosaik konsequent direkte und indirekte Treibhausgasemissionen beruumlcksichtigt werden wohingegen dies auf die Schadstoffinventur nicht zutrifft Andererseits beschraumlnken sich die Aussagen des Energie-mosaiks auf die Treibhausgasemissionen aus dem Energieverbrauch waumlhrend die Schadstoffinventur auch die prozessbedingten Emissionen von Treibhausgasen (z B bei der Verfluumlssigung von Schlacke in der Metallindustrie) sowie die Emissionen aus der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung (Lachgas oder Methan) beruumlcksichtigt

Abb 3 Kommunale Treibhausgasemissionen (2011) Quelle wwwenergiemosaikat

Allerdings wird im Rahmen der Luftschadstoffinventur fuumlr die Treibhausgasemissionen der Mobilitaumlt auch eine alternative Berechnung vorgenommen (bdquoSecond Estimateldquo) Sie beruht nicht auf der Nutz-energieanalyse und auf dem Absatz von Treibstoffen sondern auf einem detaillierten Modell zur Ab-bildung der Straszligenverkehrsleistungen in den einzelnen Bundeslaumlndern Die im Rahmen der Second-Estimate-Berechnung angegebene Houmlhe der Treibhausgasemissionen in den oumlsterreichischen Bundes-laumlndern stimmt mit den Werten des Energiemosaiks uumlberein

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Im Energiemosaik wird fuumlr die Treibhausgasemissionen auch eine Vision fuumlr das Jahr 2050 und damit eine moumlgliche Option aufgezeigt wie unter Beruumlcksichtigung der raumlumlichen Dynamik mit Strategien zur Vermeidung des Energieverbrauches zur Erhoumlhung der Energieeffizienz und zum verstaumlrkten Ein-satz erneuerbarer Energie eine rund 80ige Verringerung der Treibhausgasemissionen gegenuumlber 1990 erreicht werden koumlnnte

Schlussfolgerungen

Das Energiemosaik Austria bildet eine Orientierungshilfe fuumlr die Entwicklung von Strategien zur Ener-giewende und zum Klimaschutz auf lokaler und regionaler Ebene Die Ergebnisse der Modellierung stellen insbesondere angesichts der Vollstaumlndigkeit und der Multisektoralitaumlt des Energiemosaiks eine gute Grundlage fuumlr politische und strategische Entscheidungsprozesse dar Dabei traumlgt die konse-quente Zuordnung des Energieverbrauches und der Treibhausgasemissionen zu den wichtigsten Ver-brauchergruppen (Haushalte Wirtschaft Mobilitaumlt) dem Verursacherprinzip Rechnung und erlaubt eine zielgerichtete Entwicklung von energie- und klimarelevanten Strategien Die einheitliche Struktur und Qualitaumlt der Eingangsdaten sowie die standardisierte Modellierung gewaumlhrleisten eine gemein-same und vergleichbare Ausgangsbasis fuumlr alle Gemeinden und Regionen Daruumlber hinaus koumlnnen uumlbergeordnete Planungsebenen (Laumlnder Bund EU) von dem Wissen um die moumlglichen Beitraumlge un-terschiedlicher raumlumlicher Strukturen in Zentren Kleinstaumldten suburbanen und laumlndlichen Gemeinden zu den uumlbergeordneten klima- und energiebezogenen Strategien profitieren Das Energiemosaik Austria stellt nicht nur eine unerlaumlssliche strategische Planungs- und Entschei-dungsgrundlage fuumlr Akteure aus Politik und Verwaltung Wissenschaft und Praxis sowie Planung und Wirtschaft dar Die Einsatzgebiete des Energiemosaiks reichen dabei von der Erarbeitung von Energie-konzepten und Klimaschutzstrategien die Infrastrukturentwicklung die Raumplanung die Erstellung integrierter Mobilitaumltskonzepte bis zur Regionalentwicklung Daruumlber hinaus traumlgt das Energiemosaik auch zur Sensibilisierung von Akteuren mit energie- klima- raum- umwelt- und mobilitaumltsrelevanten Agenden sowie der interessierten (Fach-)Oumlffentlichkeit bei Schlieszliglich beguumlnstigt das Energiemosaik die Einleitung von Lernprozessen uumlber die Anliegen des Klimaschutzes sowie die raumlumliche Dimension der Energiewende

Literatur Abart-Heriszt L Erker S Reichel S Schoumlndorfer H Weinke E Lang S (2019a) Energiemosaik Austria Oumlsterreichweite Modellierung und webbasierte Visualisierung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen auf Gemeindeebene EnCO2Web FFG BMVIT Stadt der Zukunft Wien Salzburg Lizenz CC BY-NC-SA 30 AT Vgl wwwenergiemosaikat (letzter Zugriff 18122020)

Abart-Heriszt L Erker S Stoeglehner G (2019b) The Energy Mosaic Austria - A Nationwide Energy and Greenhouse Gas Inventory on Municipal Level as Action Field of Integrated Spatial and Energy Planning ENERGIES 2019 12 (16) 3065

BMK 2020 (Hrsg) Abart-Heriszt L Erker S Reichel S Schoumlndorfer H Weinke E Lang S (2020) Oumlsterreichweite Modellierung und webbasierte Visualisierung von Energieverbrauch und Treibhaus-gasemissionen auf Gemeindeebene Energiemosaik Austria Berichte aus Energie- und Umweltfor-schung 432020 Bundesministerium fuumlr Klimaschutz Umwelt Energie Mobilitaumlt Innovation und Technologie Wien

BMVIT (Hrsg 2016) Tomschy R Herry M Sammer G Klementschitz R Riegler S Follmer R Gruschwitz D Josef F Gensasz S Kirnbauer R et al Oumlsterreich unterwegs 20132014 Ergebnis-bericht zur Oumlsterreichweiten Mobilitaumltserhebung ldquoOumlsterreich unterwegs 20132014rdquo Im Auftrag von Bundesministerium fuumlr Verkehr Innovation und Technologie Autobahnen- und Schnellstraszligen-Finanzierung-Aktiengesellschaft Oumlsterreichische Bundesbahnen Infrastruktur AG Amt der Burgen-

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laumlndischen Landesregierung Amt der Niederoumlsterreichischen Landesregierung Amt der Steiermaumlrki-schen Landesregierung Amt der Tiroler Landesregierung Bundesministerium fuumlr Verkehr Innovation und Technologie Wien

BMVIT (Hrsg 2017) Mair am Tinkhof O Strasser H Prinz T Herbst S Schuster M Tomschy R Figl H Fellner M Ploszlig M Roszligkopf T Richt- und Zielwerte fuumlr Siedlungen zur integralen Bewer-tung der Klimavertraumlglichkeit von Gebaumluden und Mobilitaumltsinfrastruktur in Neubausiedlungen Be-richte aus Energie- und Umweltforschung 392017 Bundesministerium fuumlr Verkehr Innovation und Technologie Wien

Statistik Austria (2018) Nutzenergieanalyse fuumlr die neun oumlsterreichischen Bundeslaumlnder 2011 Ver-fuumlgbar online httpwwwstatistikatweb_destatistikenenergie_umwelt_innovation_mobilitaet energie_ und_umweltenergienutzenergieanalyseindexhtml (letzter Zugriff 13012019)

UBA (Umweltbundesamt 2018) Bundeslaumlnder Luftschadstoff-Inventur (BLI) 1990ndash2016 Umwelt-bundesamt Wien

UBA (Umweltbundesamt 2019) Klimaschutzbericht 2019 Umweltbundesamt Wien

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Institutionelle Gestaltung von energieraumplanerischen Politiken Das Fallbeispiel der niederlaumlndischen Windkraftzonierung

Pia Nabielek (1)

DOI 10347261026

(1) Dipl-Ing Dr PBL Netherlands Environmental Assessment Agency Department of Integral Environmental Policy Analysis

Abstract

Aktiv gestaltete Innovation im institutionellen Bereich gilt als eine wesentliche Voraussetzung fuumlr eine erfolgreiche Energiewende Heutige gesellschaftliche Routinen sollen aufgebrochen und durch Prakti-ken ersetzt werden die nachhaltiger sind und deshalb wert sind nachgeahmt und institutionalisiert zu werden Dieser Beitrag geht der Frage nach inwiefern Energieraumplanung zielgerichtet und bewusst neue Institutionen einfuumlhren kann und ob damit tatsaumlchlich langfristig nachhaltigere Rahmenbedin-gungen geschaffen werden In planungstheoretischer Literatur wird institutionelle Gestaltung als ein wichtiger Bereich der Raumplanung hervorgehoben Damit gemeint ist das Veraumlndern und Einfuumlhren von allgemeinen Werten und Normen ndash Regelungen Praktiken und Sichtweisen ndash die die Interaktion eines breiten Spektrums von Akteurinnen und Akteuren strukturieren In diesem Beitrag wird institu-tionelle Gestaltung am Beispiel der Windkraftzonierung untersucht Anhand des Praxisbeispiels des niederlaumlndischen Strukturplans fuumlr Onshore-Windkraftanlagen wird aufgezeigt inwiefern die raumlum-lich-geografische Abgrenzung von Gebieten fuumlr nachhaltige Energiegewinnung zur Entwicklung von neuen Institutionen gefuumlhrt hat und welche Pfad-Abhaumlngigkeiten dies mit sich bringt

Schluumlsselbegriffe

Raumordnung Energiewende Institutionelle Gestaltung Institutionalisierungsprozesse Niederlaumlndi-sche Windkraftpolitik Nabielek P (2021) Institutionelle Gestaltung von energieraumplanerischen Politiken Das Fallbeispiel der niederlaumlndischen Windkraftzonierung In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S73-82

Nabielek (2021) Institutionelle Gestaltung von energieraumplanerischen Politiken Das Fallbeispiel der niederlaumlndischen Windkraftzonierung DOI 10347261026

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Inhalt Einleitung 75

Institutionelle Gestaltung 76

Das Fallbeispiel des niederlaumlndischen Strukturplans fuumlr Onshore-Windkraftanlagen 77

Schlussfolgerungen 81

Danksagung 81

Literatur 81

Nabielek (2021) Institutionelle Gestaltung von energieraumplanerischen Politiken Das Fallbeispiel der niederlaumlndischen Windkraftzonierung DOI 10347261026

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Einleitung

Bei der Entwicklung von Planungspolitiken fuumlr den Ausbau der erneuerbaren Energiegewinnung dreht sich vieles um Institutionen Institutionen formen die Rahmenbedingungen in denen Planungspolitiken fuumlr nachhaltige Energie entworfen und umgesetzt werden koumlnnen Sie sorgen fuumlr eine normative Ori-entierungshilfe bei der Suche nach Loumlsungen fuumlr konkrete Probleme und legitimieren die strategische Ausrichtung die eine Planungspolitik einschlaumlgt Tatsaumlchlich wird die Ignoranz von institutionellen As-pekten bei groszligen politischen Themen wie dem Klimawandel und der damit zusammenhaumlngenden Energiewende im zunehmenden Maszlige ein Problem (Healey 2018) Lange hat man sich auf instrumen-telle Herausforderungen konzentriert waumlhrend die zugrundeliegenden allgemeinguumlltigen Normen und Verhaltensweisen die die Wirkungsweise von technischen Loumlsungen beeinflussen oft im Dunkeln bleiben Institutionen sind bdquosets of public norms that condition the interaction between subjectsldquo (Salet 2018 S 1) Zu diesen allgemeinen Normen gehoumlren sowohl gesetzliche als informelle Regelungen soziale Muster und Verhaltensregeln und organisatorische Einheiten die als selbstverstaumlndlich angesehen werden Fuumlr die Energieraumplanung sind Institutionen aus zwei Gruumlnden interessant Zum einem wer-den durch Institutionen viele offene Fragen geregelt die mit der Akzeptanz von Energieloumlsungen zu-sammenhaumlngen Was gibt Parteien das Recht zu handeln Welche Handlungsoptionen gibt es Welche Kontrollmechanismen gibt es Zum anderen gibt es das Problem der institutionellen Traumlgheit (Salet 2018) ndash Institutionen haben im dynamischen Kontext in der Nachhaltigkeitspolitik den fuumlrchterlichen Ruf unsere Handlungsoptionen wesentlich einzuschraumlnken ndash es sind Gewohnheiten und Weisheiten die sich in der Vergangenheit bewahrheitet haben und durchwirken bis in die Gegenwart Wenn Institutionen nicht mehr als zeitgemaumlszlig aufgefasst werden kommt der Prozess des institutionel-len Wandels ins Bild In der planungstheoretischen Literatur wird das Erhalten Veraumlndern und Neuer-schaffen von institutionellen Strukturen als ein wesentlicher Aufgabenbereich der Raumplanung gese-hen Alexander (2005) hat die Moumlglichkeiten untersucht in der Planung institutionell zu denken und zu handeln Er stellt fest bdquoinstitutions are a critical aspect of everything planners doldquo (Alexander 2005 S 210) Wenn die Raumplanung im Kontext der Energiewende das Ziel hat um einen fundamentalen Wandel zu erreichen dann muumlssen Institutionen ein wichtiger Teil des raumplanerischen Handelns sein Dies weil es nur zwei Wege gibt um Gesellschaften zu aumlndern den Menschen selbst zu veraumlndern oder Institutionen zu veraumlndern (Alexander 2005) Diese Sichtweise wird untermauert durch die Per-spektive einer sbquoengagiertenlsquo klimafreundlichen Politik die die Anfechtung von gaumlngigen Werten in Kauf nimmt (Lowndes amp Roberts 2013) Im folgenden Teil dieses Artikels wird das Konzept der institutionellen Gestaltung aufgegriffen und angewendet auf die energieraumplanerische Praxis Zu diesem Zweck wird auf die strategische Arbeit der EU zuruumlckgegriffen die in letzten 10 Jahren gezielt den Ausbau der Windkraft vorangetrieben hat Im Rahmen des europaumlischen Klima- und Energiepaket 2020 hat die Raumplanung die wichtige Rolle uumlbernommen ausreichend Standorte fuumlr die Errichtung von Groszliganlagen zu sichern In vielen Laumlndern Europas wurde dabei auf ein gaumlngiges und wirkungsstarkes Instrument zuruumlckgegriffen das Instru-ment der Zonierung Die Ausweisung von Windkraftzonen kann aus langfristiger Sicht eine Reihe von unerwuumlnschten Nebeneffekten haben (Nabielek 2020 Evers et al 2019 Cowell 2010) Anhand des Fallbeispiels der niederlaumlndischen Raumplanungspolitik fuumlr groszligmaszligstaumlbliche Windkraftanlagen geht dieser Beitrag der folgenden Frage nach Inwiefern kann die Einfuumlhrung von Windkraftzonen als ein Akt der institutionellen Gestaltung gesehen werden und welche Implikationen hat dies fuumlr die Pla-nungspraxis Das Konzept der institutionellen Gestaltung entlehne ich aus Literatur uumlber institutionelle Theorie und Planungstheorie Der Teilbereich des bdquoinstitutionellen Unternehmertumsldquo (Di Maggio 1988) ist dabei besonders relevant da dieser die prozessorientierte Seite von bdquoAgencyldquo untersucht d h die Kapazitaumlt von Akteuren um selbststaumlndig (unabhaumlngig von ihrem Umfeld) zu handeln

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Institutionelle Gestaltung

Der Begriff der institutionellen Gestaltung wird in einem Teilbereich der institutionellen Theorie auf-gearbeitet der sich mit strukturellen Veraumlnderungsprozessen und dem Einfluss von sbquoAgencylsquo beschaumlf-tigt Dieser Teilbereich hinterfragt die Denkweise dass Institutionen sich grundsaumltzlich durch sbquoschock-artige Einfluumlsse von auszligenlsquo veraumlndern (Van Doren et al 2020 Leca et al 2008) und unterstreicht den Einfluss des sozialen Handelns auf Institutionen bdquoAkteure koumlnnen steuern was institutionell ist und was nicht Institutionen brauchen Anerkennung Wartung und Innovation um zu uumlberlebenldquo (Salet 2018) Diese Denkrichtung unterstreicht die Bedeutung von Institutionen als Konstrukte des mensch-lichen Handelns und ermoumlglicht damit neue Forschungswege die Erklaumlrungen liefern fuumlr eine Art der institutionellen Innovation die sich von innen heraus entwickelt D h durch soziale Interaktion und die bewusste Entscheidung von Akteurinnen und Akteuren um bdquoanders als die gaumlngige Normldquo zu han-deln Dies muumlssen nicht unbedingt groszlige und einschneidende Gesten sein sondern auch geringfuumlgige Anpassungen oder schrittweise eingefuumlhrte strategische Handlungen koumlnnen institutionelle Transfor-mation ausloumlsen (Lowndes amp Roberts 2013) DiMaggio (1988) hat dabei das Konzept des bdquoinstitutionellen Unternehmertumsldquo eingefuumlhrt Dieses Unternehmertum besteht aus hochgradig organsierten AkteurInnen mit ausreichenden Ressourcen die aufgrund bestimmter Interessen zur Entstehung von neuen Institutionen beitragen Unternehme-risch-institutionelle Akteurinnen und Akteure verfuumlgen uumlber ausreichende Kapazitaumlten oder Befaumlhi-gungen um eigenstaumlndig denken und handeln zu koumlnnen (Van Doren et al 2020) Das Konzept des einflussreichen politischen Unternehmertums das sich uumlber Grenzen und Werte hinwegsetzt bringt allerdings auch ein klassisches wissenschaftliches Dilemma mit sich Inwiefern koumlnnen Akteure Institu-tionen bewusst transformieren wenn sie gleichzeitig und unbewusst durch bestehende Institutionen beeinflusst werden Lowndes und Roberts (2013 S 185-186) bezeichnen dies als das Paradox der in-stitutionellen Gestaltung bdquoGestaltung im Sinne von ergebnisorientierter Planung ist zum Scheitern ver-urteilt [] die Ergebnisse von bewussten Bemuumlhungen um Institutionen zu reformieren lassen oft zu wuumlnschen uumlbrigldquo (S 185) Aus der Perspektive von Lowndes und Roberts existieren bdquoalteldquo und bdquoneueldquo Institutionen nebeneinander ndash neu geschaffene Institutionen sind instabil und Innovationsprozesse schwer zu kontrollieren weil sie den Einschraumlnkungen bestehender politischer Machtverhaumlltnisse un-terworfen sind Goodin (1996) spricht sogar von dem bdquoMythosldquo des bewussten und zielgerichteten Gestaltens Aus seiner Sicht sollte der Fokus auf die indirekten Mechanismen liegen die zu institutio-neller Transformation beitragen Diese Perspektive unterstreicht dass institutionelle Innovation eben auch unbewusst und indirekt stattfinden kann d h neben unternehmerisch-institutionellen Bemuuml-hungen gibt es auch Nebeneffekte und (un)beabsichtigte Folgehandlungen von verschiedensten Akt-euren die dazu beitragen um Institutionen zu gestalten und reproduzieren (Van Doren et al 2020) Im Gegensatz zur institutionellen Theorie ist die Planungstheorie optimistischer was die bewusst her-beigefuumlhrte institutionelle Veraumlnderung betrifft Der Begriff der institutionellen Gestaltung ist eng ver-bunden mit dem Aufkommen der institutionell gerichteten und kommunikativen Planungstheorie (Healey 1997) Alexander (2005) definiert institutionelle Gestaltung als bdquodas zielgerichtete und be-wusste Erschaffen von Gesetzen Praktiken und organisatorischen Strukturen die soziales Handeln [] sowohl unterstuumltzen als auch einschraumlnkenldquo (Alexander 2005 S 213) Inspiriert unter anderem von Habermasrsquo bdquoTheorie des kommunikativen Handelnsldquo beschaumlftigten sich Planungstheoretiker zuneh-mend mit Fragestellungen die die Gestaltung des Planungsprozesses betreffen (Healey 1997 Fischer amp Forester 1993 Innes 2017 zitiert in Evers et al 2019) Es geht nicht mehr um den Abstracten Begriff des Ordnens von bdquoRaumldquo (im Sinne einer technischen Aufgabe) sondern um das (Selbst-)Regieren von bdquoOrtenldquo (Evers et al 2019) Dies hatte zur Folge dass die Gestaltung diverser Governance-Praktiken immer mehr ins Blickfeld der Forschung im Planungsbereich geruumlckt ist und damit auch die Frage der dahinterliegenden bdquoinstitutionellen Dynamikldquo (Healey 2018) Staumlrker noch institutionelle Gestaltung

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scheint aus dieser Sichtweise quasi automatisch einherzugehen mit planerischer Aktivitaumlt Innes (1995 S 40 zitiert in Alexander 2005) beispielsweise schreibt bdquoPlanning is institutional designldquo Um die institutionelle Dynamik besser zu verstehen die hinter dem Kommunikations- und Entschei-dungsprozess einer Planungspolitik steckt ist es laut Scharpf (1997) notwendig die Akteurskonstella-tionen besser zu verstehen die aufgrund von Interessen und Machtverhaumlltnissen auf die Entwicklung von Institutionen einwirken Diese Sichtweise deckt sich weitgehend mit dem durch DiMaggio einge-fuumlhrten Konzept des institutionellen Unternehmertums aber auch der Lowndes und Roberts Sicht-weise des eingeschraumlnkten Gestaltens Da die unternehmerisch-institutionellen Akteure Institutionen selten alleine veraumlndern koumlnnen muumlssen diese typischerweise Verbuumlndete mobilisieren (Leca et al 2009) d h sie entwickeln Allianzen und Kooperationen um ihre strategischen Interessen durchzu-setzen Diese Kooperationen und Allianzen oder bdquoinstitutional-agent interactionsldquo (Alexander 2005) sind das Basismaterial der institutionellen Gestaltung Die Werkzeuge von institutioneller Gestaltung sind dann die vielfaumlltigen Strategien die strategische Kooperationen und Allianzen ermoumlglichen Van Doren et al (2020) praumlsentieren auf der Basis eines Literatur-Reviews eine Palette von moumlglichen Stra-tegien diese reichen von politischer Aktion (z B Mobilisieren von Interessensgruppen) zu technischen Konsultationen (uumlber Kosten und Gewinne) und kommunikativen Strategien (z B Diskurs)

Das Fallbeispiel des niederlaumlndischen Strukturplans fuumlr Onshore-Windkraftanla-gen

Anhand dieses kurzen Einblicks in institutionellen Gestaltung aus der Sicht der Planungstheorie und institutionellen Theorie versuche ich im Folgenden zu demonstrieren welchen Wissensbeitrag diese Sichtweise im Rahmen der Evaluierung von energieraumplanerischen Instrumenten liefern kann In-nerhalb der letzten 15 Jahre wurde Windkraft in vielen Laumlndern Europas zu einer der groumlszligten infra-strukturellen Aufgabenstellungen und es entstanden neue Planungspolitiken durch welche die zuneh-menden Interessenskonflikte geschlichtet werden sollten (Szarka et al 2012) In diesen Strategien wur-den neue Arten von sbquoGrenzenlsquo und Zielwerten fuumlr die Windenergie eingefuumlhrt Abgrenzung von Gebie-ten Abgrenzung von Verantwortlichkeiten und die Festlegung quantitativer Ziele (Nabielek 2020 E-vers et al 2019) Eine bestimmte Planungsherangehensweise wird dabei als besonders effektiv erach-tet Zonierung Zonierung bietet Windkraftentwicklern die Sicherheit dass (Groszlig-)Projekte in be-stimmten Gebieten fortgesetzt werden koumlnnen gleichzeitig wird die Entwicklung in anderen Gebieten untersagt Diese Zonierungsstrategien koumlnnen sowohl Ausschluss- als auch Eignungsgebiete auswei-sen und wird daher passenderweise auch bezeichnet als negative bzw positive Zonierung (Nabielek 2020) Der juridische Status dieser Zonen kann je nach Land und Region variieren Eine Gemeinsamkeit dieser Zonierungsstrategien ist die Annahme dass es sich bei positiven Zonen um konfliktarme Gebiete handelt D h dass diese Gebiete einen sozialen Konsensus darstellen wo Windkraftanlagen akzepta-bel sind und wo nicht Hier ist es durchaus uumlblich um Standortentscheidungen ohne aktive Miteinbe-ziehung derjenigen zu treffen deren Lebensumfeld direkt davon betroffen ist Cowell (2010) zum Bei-spiel untersuchte in Wales wie technische Verfahren Zonierungsentscheidungen in der Raumplanung dominieren Er stellte fest dass die Gebietsauswahl in der Regel von unabhaumlngigen Beratern getroffen wird oft ohne Konsultation mit lokalen Interessensgruppen Es wurde als zu problematisch empfun-den um Stakeholder in den Planungsprozess miteinzubeziehen (Cowell 2010 S 224)

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Abb 1 Die 11 Windkraftzonen des SvWOL 2014 in den Niederlanden Quelle PBL 2019

Auch in den Niederlanden entscheidet man sich fuumlr die Ausweisung von Eignungszonen und verfolgt damit einen landesweit einheitlichen und positiven Zonierungsansatz Das Land ist klein und dicht be-siedelt und Zonierung schafft Klarheit Im Jahr 2014 wird der SvWOL-Strukturplan fuumlr Onshore-Wind-kraftanlagen von der niederlaumlndischen Regierung verabschiedet Im SvWOL werden landesweit elf Ge-biete ausgewiesen die fuumlr die groszligmaszligstaumlbliche Windkraftentwicklung vorgesehen sind Der Richtwert fuumlr Groszliganlagen die in diesen Gebieten errichtet werden koumlnnen ist eine installierte Leistung von mindestens 100 Megawatt (IenM amp EZ 2014) Dies entspricht einem Windpark von rund 30 modernen Windturbinen Durch die zuumlgige und kompakte Aufstellung solcher groszligen Windparks in SvWOL Zonen sollte die Umsetzung von einem Groszligteil der nationalen Windkraftziele (insgesamt 6000 Megawatt fuumlr Onshore-Anlagen) gesichert werden Fuumlr die Auswahl der SvWOL-Gebiete wurde ein eigenes Landschafts-Narrativ entwickelt das argumen-tiert warum diese Gebiete fuumlr die Errichtung von groszligen Windkraftanlagen besonders gut geeignet sind zum Beispiel wegen des weitlaumlufigen und industriellen Charakters der Landschaft oder wegen ihren geschichtlichen Bezug zu Energiegewinnung bzw chancenreichen Zukunft als bdquoEnergieland-schaftldquo Diese Landschaftsnarrativ fuumlhrt geht davon aus dass durch die Buumlndelung von Windkraft in grossen Industriegebieten wie zum Beispiel der Hafen von Rotterdam und in einige wenige landwirt-schaftliche Gebiete wichtige kulturhistorische Landschaften und Naturgebiete erhalten werden Das durch ein Expertenteam sorgfaumlltig ausgearbeitete Landschaftskonzept soll fuumlr eine breite Unterstuumlt-zung von Buumlrgerinnen und Buumlrgern sorgen die durch den SvWOL von maszliggeblichen Veraumlnderungen in ihrem Lebensumfeld betroffen sind

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Abb 2 Unternehmerisch-institutionelle Akteure und Kooperationen im Rahmen des SvWOL 2014 Quelle Nabielek 2020

Die Gebietsabgrenzungen des SvWOL sind das Ergebnis eines komplexen zweijaumlhrigen Entscheidungs-prozesses zwischen nationalen und provinzialen Behoumlrden unter der Mitwirkung von diversen uumlberre-gionalen Interessensgemeinschaften hauptsaumlchlich in Bereich von Naturschutz Windkraftentwicklung und Landschaftsschutz Die obenstehende Grafik zeigt am Beispiel der Provinz Suumldholland einen Uumlber-blick welche Kooperationsstrukturen im Planungsprozess des SvWOL stattgefunden haben Auffallend ist dass Allianzen zwischen institutionell-unternehmerischen Akteuren in der SvWOL-Arena stark auf der nationalen Steuerungsebene vertreten sind (Ministerien Beratungsagenturen und diverse Lob-byorganisationen) waumlhrend es insgesamt wenig Abstimmungsmechanismen gab mit lokalen Parteien (Buumlrger Grundbesitzer Unternehmer lokale Politik und Behoumlrden) Eine zweite Auffaumllligkeit ist die enge Zusammenarbeit zwischen Raumplanungs- und Energieplanungsbehoumlrden Der SvWOL war das erste landesweite politische Instrument die diese zwei Perspektiven vereint bisher waren nationale Raumordnungspolitik und Energiepolitik naumlmlich grundsaumltzlich getrennt (Evers et al 2019) Die strate-gische Entscheidung lokale Parteien bei Zonierungsentscheidungen nur auf ein Mindestmaszlig reduziert

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zu beteiligen hat viele Gruumlnde zum Beispiel Zeitdruck die Orientierung auf technische Entscheidungs-kriterien und die Bewahrung von politischer Neutralitaumlt in einem konfliktreichen Thema (Nabielek 2020) Die gesetzlichen Rahmenbedingungen fuumlr die Entwicklung und Planung von Groszliganlagen sorgen dafuumlr dass lokale Parteien im Konfliktfall das Nachsehen haben Durch das RCR Landeskoordinations-gesetz fuumlr Groszligprojekte unterliegen Windkraftanlagen mit einem Umfang von mehr als 100 Megawatt installierter Leistung der Entscheidungskompetenz des zustaumlndigen Ministers fuumlr Energiepolitik (Dutch Electricity Act 1998) Im Jahr 2019 fuumlnf Jahre nach der Einfuumlhrung des SvWOL zeigt sich dass trotz Landschaftsstrategie Windrafteignungszonen und weitreichende Planungskompetenzen von nationalen und provinzialen Behoumlrden die erwartete Beschleunigung in der Windkraftentwicklung vorerst nicht eingetreten ist Aus institutioneller Sicht koumlnnen wir einige wichtige Nebeneffekte feststellen die die Wirksamkeit der nie-derlaumlndischen Planungspolitik fuumlr den Windkraftausbau wesentlich beeinflusst haben Erstens faumlllt auf dass trotz Zonierung die Genehmigung von Groszligprojekten in den jeweiligen Zonen ein langwieriger und schwieriger Prozess geblieben ist Die Wirkungsweise des strategisch eingesetz-ten bdquoLandscape Narrativeldquo wiederum variiert je nach Region und Gebiet Da landschaftliche Werte (als kulturelle Institutionen) bdquoin the eye of the beholderldquo bestimmt werden bedeutet dies einen gewissen Relativismus es ist dann auch notwendig den bdquobeholderldquo in die Planung einzubeziehen (Wolsink 2017) Durch die Gestaltung des Planungsprozesses und die gesetzlichen Rahmenbedingen hatten Gemein-den insgesamt wenig Spielraum um die Planung und Umsetzung von Groszliganlagen aktiv zu beeinflus-sen Lokale Behoumlrden sind aber wichtige Vertreter von Bewohnerinnen und Bewohnern in der Naumlhe der geplanten Anlagen In einigen SvWOL-Gebieten zum Beispiel in der Provinz Drenthe hatte die Top-down-Politik des SvWOL groszlige Konsequenzen fuumlr die lokale Wahrnehmung (bdquoWir die Lokalen gegen die Regierenden in Den Haagldquo) und fuumlhrte zu einer starken Polarisierung der lokalen Bevoumllkerung ndash trotz der Tatsache dass die dort aktiven Windkraftentwickler lokale Unternehmer waren Die RCR Regelung die erst ab einer Groszliganlage von minimal 100 Megawatt installierter Leistung zum Einsatz kommt hatte wiederum groszlige Konsequenzen fuumlr den Umgang von Windkraftentwicklern mit lokalen Behoumlrden So war es Windkraftentwicklern moumlglich um durch Zusammenfuumlgen von Projekt-anfragen in Anmerkung zu kommen fuumlr das (prioritaumlre) RCR-Verfahren Hierdurch konnten Einzelpro-jekte die auf lokaler Ebene ein hohes Konfliktpotenzial hatten durch strategisches Zusammenlegen auf houmlherer Ebene doch noch durchgesetzt werden (Evers et al 2019) Im Laufe der Zeit entwickelten etliche SvWOL-Gebiete ein Eigenleben sie wurden zu Institutionen (Na-bielek 2020) Auch dies hatte Nebeneffekte denn es handelt sich um unbeabsichtigte indirekte Me-chanismen der Institutionalisierung Im guumlnstigen Fall haben sich innerhalb der festgelegten Zonen neue langfristige Kooperationsstrukturen und Projektallianzen gebildet Ein gutes Vorbild ist die SvWOL-Zone bdquoEnergieinsel Goeree-Overflakkeeldquo in der Provinz Suumldholland die es geschafft hat aus der Windkraft einen deutlichen Mehrwert fuumlr die lokale Bevoumllkerung zu kreieren Andersseits entstand durch das Instrument der Zonierung auch die langfristige Erwartungshaltung dass jene Gebiete die nicht zoniert sind auch frei von Windkraftanlagen bleiben Suumldholland hatte mit dieser Erwartungs-haltung bereits zu kaumlmpfen In dieser Provinz entstand im Zuge der Implementation des SvWOL die Notwendigkeit um zusaumltzlicher Flaumlchen fuumlr die Windkraftnutzung zu sichern Die Suche nach weiteren bdquoakzeptierten Standortenldquo erwies sich als sehr schwierig Wenn Positivzonierung als ein Instrument der institutionellen Gestaltung etabliert und gefestigt ist ist es umso schwieriger den Status der Ge-biete auszligerhalb dieser Zonen zu veraumlndern Im dynamischen Kontext der Energiewende koumlnnte Zoni-erung den Uumlbergang zu neuen und chancenreicheren Planungspraktiken wesentlich behindern

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Schlussfolgerungen

Dieser Beitrag verknuumlpft das theoretische Konzept der institutionellen Gestaltung mit dem energie-raumplanerischen Instrument der Windkraftzonierung und versucht Antworten zu finden auf die Frage Inwiefern kann die Einfuumlhrung von Windkraftzonen gesehen werden als ein Akt der institutio-nellen Gestaltung und welche Implikationen hat dies fuumlr die Planungspraxis Um diese Frage zu beant-worten wurden einige wichtige Komponenten der institutionellen Gestaltung im planungstheoreti-schen Diskurs hervorgehoben institutionelles Unternehmertum Kooperationen und Allianzen und in-stitutionelle Veraumlnderungsstrategien Das Fallbeispiel des SvWOL (Strukturplan fuumlr groszligmaszligstaumlbliche Windkraftentwicklung) zeigt Zonie-rung ist institutionelle Gestaltung Die wesentlichen Bestandteile sind (1) die Entwicklung eines Land-schafts-Narrativs um einen gemeinsamen Referenzrahmen fuumlr Energie- und Landschaftsinteressen (kommunikative Veraumlnderungsstrategie) zu schaffen (2) strategische Allianzen und Kooperationen auf nationalem Niveau wodurch die Zusammenarbeit von Raum- und Energieplanung mittlerweile selbst-verstaumlndlich geworden ist und (3) die Entstehung einer neuen institutionellen Unternehmerschaft in-nerhalb der Windkraftzone Goeree-Overflakkee Manche Institutionen wurden allerdings auch unbe-wusst erschaffen z B die Interpretationen uumlber den genauen Status von Gebieten auszligerhalb der Windkraft-Eignungsgebiete Dieser Komponente und den daraus entstandenen Pfad-Abhaumlngigkeiten sollte mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden Zusammengefasst kann gesagt werden dass die institutionelle Perspektive neue Erkenntnisse und For-schungswege im energieraumplanerischen Kontext bietet Wenn es die Mission der Forschung ist die Planungspraxis zu unterstuumltzen dann ist eine kritische Reflexion auf die institutionelle Gestaltung von energieraumplanerischen Politiken dringend noumltig Energieraumplanung als ein junger und dynami-scher Aufgabenbereich der Raumplanung schafft guumlnstige Konditionen fuumlr aktiv gestaltete Institutio-nen Aber es muss auch das Bewusstsein geschaffen werden dass Planer die Handlungsoptionen ha-ben zum institutionellen Wandel beizutragen und gleichzeitig Faumlhigkeit besitzen zu hinterfragen wel-che Strategien dabei angewendet werden sollten

Danksagung David Evers und Joost Tennekes fuumlr die Zusammenarbeit im Rahmen der PBL Publikation bdquoWind-op-land lessen en ervaringen Een reflectie op de implementatie van windenergie vanuit een ruimtelijk perspectiefrdquo (2019)

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Elektromobilitaumlt Integration von Elektromobilitaumlt in die Verkehrspla-nung ndash welche Anpassungen unserer Werkzeuge brauchen wir

Martin Kagerbauer (1)

DOI 10347261027

(1) Dr-Ing Institut fuumlr Verkehrswesen (IfV) Karlsruher Institut fuumlr Technologie (KIT)

Abstract

Die Integration von Elektromobilitaumlt in die Verkehrsplanung und im Speziellen in Verkehrserhebungen und Verkehrsnachfragemodellierung kann mit einigen Anpassungen und der Verwendung von agen-tenbasierten Modellen gut durchgefuumlhrt werden Dabei sind die Charakteristika der NutzendenBesit-zenden von elektrisch betriebenen Fahrzeugen die Eigenschaften der Elektrofahrzeuge va hinsicht-lich Reichweite und die zusaumltzliche Beruumlcksichtigung der Ladevorgaumlnge bzw Ladeinfrastruktur zu be-ruumlcksichtigen Zur Abbildung der Ladevorgaumlnge sind Erhebungs- und Modellierungszeitraumlume notwen-dig die einen so langen Zeitraum umfassen so dass hinreichend viele Ladevorgaumlnge und somit eine Fahrleistung jenseits der Reichweiten vorhanden sind Nur so koumlnnen Variationen im Verkehrsverhal-ten und bei Ladestrategien beruumlcksichtigt werden

Schluumlsselbegriffe

Erhebung agentenbasierte Nachfragemodellierung integrierte Planung Kagerbauer M (2021) Elektromobilitaumlt Integration von Elektromobilitaumlt in die Verkehrsplanung ndash welche Anpassungen unse-rer Werkzeuge brauchen wir In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S83-98

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Inhalt Ausgangslage 85

Definition 86

Anforderungen der Elektromobilitaumlt an die Planungswerkzeuge 87

Anpassung der Planungswerkzeuge 91

Erhebung 91

Modellierung 92

Schlussfolgerung 96

Literatur 96

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Ausgangslage

Elektromobilitaumlt im Personenverkehr loumlst grundsaumltzlich nicht die Verkehrsprobleme in unseren Staumld-ten Selbst wenn Elektrofahrzeuge kleiner waumlren als konventionelle Fahrzeuge beispielsweise der Elektro-Smart oder sich das Fahrverhalten mit Elektro-Pkw hinsichtlich Beschleunigung und Brems-vorgaumlngen veraumlndert handelt es sich immer noch um einen Pkw der Platz benoumltigt und aumlhnlich wie ein konventioneller Privat-Pkw genutzt wird Durch den Elektroantrieb werden jedoch die Emissionen durch das Fahrzeug reduziert beispielsweise hinsichtlich CO2 NOx und im niedrigen Geschwindigkeits-bereich auch Laumlrm Elektro-Pkw sind somit lokal emissionsfrei Die grundsaumltzliche Umweltfreundlich-keit der Elektromobilitaumlt haumlngt jedoch maszliggeblich vom Strommix ab Im 1 Quartal des Jahres 2020 kamen 548 des Stroms in Deutschland aus erneuerbaren Energien (vgl Abb 1)

Abb 1 Nettostromerzeugung zur oumlffentlichen Stromversorgung in Deutschland im ersten Quartal 20201 Quelle Burger 2020

Uumlber die letzten Jahre ist in Deutschland der Anteil an regenerativem Strom wie Abb 2 zeigt massiv gestiegen so dass Elektromobilitaumlt zunehmend umweltfreundlicher wird

1 Die Grafik zeigt die Nettostromerzeugung aus Kraftwerken zur oumlffentlichen Stromversorgung Das ist der Strommix der

tatsaumlchlich aus der Steckdose kommt Die Erzeugung aus Kraftwerken von bdquoBetrieben im verarbeitenden Gewerbe sowie im Bergbau und in der Gewinnung von Steinen und Erdenldquo dh die industrielle Erzeugung fuumlr den Eigenverbrauch ist bei dieser Darstellung nicht beruumlcksichtigt

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Abb 2 Entwicklung der Nettostromerzeugung zur oumlffentlichen Stromversorgung in Deutschland im ersten Quartal von 2015 bis 20202 Quelle Burger 2020 Grundsaumltzlich ist Elektromobilitaumlt also eine umweltfreundlichere Art der Mobilitaumlt im Vergleich zu kon-ventionellen Fahrzeugen vor allem mit Blick auf den Betrieb der Fahrzeuge Wegen steigender Zulas-sungszahlen der Elektrofahrzeuge ist es sinnvoll diese neben den konventionellen Fahrzeugen in kuumlnf-tigen Planungsprozessen gesondert zu beruumlcksichtigen da deren Restriktionen hinsichtlich Reichwei-ten und Ladevorgaumlngen die Verkehrsnachfrage aber auch das Verkehrsangebot (Verfuumlgbarkeit und (Lade-)Infrastruktur) beeinflussen

Definition

Eine Million Elektrofahrzeuge (gemeint waren Pkw) sollten bis zum Jahr 2020 in Deutschland zugelas-sen sein Dieses Ziel wurde im Jahr 2009 von der Bundesregierung im Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilitaumlt (Die Bundesregierung 2009) festgelegt Das Ziel wurde nicht erreicht Im Jahr 2020 waren zum Stand 01012020 136617 Elektro-Pkw 102175 Plug-In-Hybrid-Pkw und 437208 weitere Hybrid-Pkw zugelassen Laut Definition in Deutschland umfasst Elektromobilitaumlt im Sinne der Bundes-regierung nicht nur reine Elektro-Pkw sondern bdquoall jene Fahrzeuge die von einem Elektromotor ange-trieben werden und ihre Energie uumlberwiegend aus dem Stromnetz beziehen also extern aufladbar sind Mit umfasst sind damit auch solche Fahrzeuge die zum Zwecke einer groumlszligeren Reichweite neben einem Elektro- auch uumlber einen Verbrennungsmotor verfuumlgen etwa Plug-In Hybridfahrzeuge (PHEV) und Elektrofahrzeuge mit sogenannten Range Extendern (REEV) Wichtig ist vor allem dass diese Fahr-zeuge extern uumlber das Stromnetz aufgeladen werden koumlnnenldquo (BMU 2017) Nach dieser Zaumlhlart sind zum 01012020 238792 Elektro-Pkw in Deutschland von insgesamt 477 Millionen Pkw also rund 05 zugelassen Diese Steigerungstendenzen an elektromobilen Pkw sind in den meisten Laumlndern der Welt festzustel-len Wie Abbildung 3 zeigt steigen die Bestandsentwicklungen der Elektroautos auch weltweit an Vor allem in China sind die Zuwaumlchse an Elektro-Pkw sehr hoch

2 Siehe Fuszlignote davor

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Abb 3 Bestandsentwicklung von Elektro-Pkw (weltweit und in ausgewaumlhlten Laumlndern in den Jahren 2012 bis 2019) Quelle Statista 2020b

Obwohl die Reichweite der Elektro-Fahrzeuge mit zunehmender technischer Entwicklung steigt ist sie immer noch eine wichtige Charakteristik fuumlr die Akzeptanz und die Nutzung der Elektromobilitaumlt Ak-tuell reicht die Spanne der Reichweite bei Elektrofahrzeugen (BEV) von ca 450 kmBatterieladung bei einem Tesla (Model X 100D) bis zu ca 110 kmBatterieladung bei einem Smart (Modell fortwo coupeacute EQ prime) (ADAC 2020) Maszliggeblich haumlngt die Reichweite von der Groumlszlige der Batterie in den Fahrzeu-gen ab Neben den hohen Anschaffungskosten sind die Restriktionen in der Reichweite und der Mangel an Ladeinfrastruktur (LIS) die Haupthemmnisse der Elektromobilitaumlt (Kagerbauer und Heilig 2013 Gnann et al 2017) So gilt es fuumlr Verkehrsplanungszwecke in der Erhebung und Prognose des Verkehrs in Verbindung mit Elektromobilitaumlt zum einen die technischen Leistungsfaumlhigkeiten der Fahrzeuge und zum anderen die Entscheidungen hinsichtlich der Ziel- und Verkehrsmittelwahl unter diesen Rahmen-bedingungen zu beruumlcksichtigten (FGSV 2018) Dann kann das Verkehrsverhalten der Menschen all-umfassend abgebildet und modelliert werden Daruumlber hinaus ist es sinnvoll die Verfuumlgbarkeit der Ladeinfrastruktur mit zu betrachten Eine Integration der Elektromobilitaumlt in die Verkehrsplanungspro-zesse ist heute und vor allem kuumlnftig notwendig um bedarfsgerechte Infrastruktur planen zu koumlnnen und Finanzmittel beim Aufbau der Ladeinfrastrukturnetze sinnvoll einzusetzen

Anforderungen der Elektromobilitaumlt an die Planungswerkzeuge Der Besitz von Elektrofahrzeugen im Privatgebrauch unterscheidet sich im Vergleich zum Besitz von konventionellen Fahrzeugen vor allem in industrialisierten Laumlndern dass die konventionellen Fahr-zeuge nahezu allen Bevoumllkerungsschichten gleichermaszligen zur Verfuumlgung stehen Gerade die soge-nannten bdquoinnovatorsldquo und bdquoearly adoptersldquo also Personen die nach der Diffusionsforschung sehr fruumlh neue Technologien annehmen sind Gruppen die sich von der Allgemeinheit unterscheiden Vor allem hinsichtlich der Soziodemografie eines houmlheren oumlkonomischen Status und deswegen auch hinsichtlich des Verkehrsverhaltens da mit zunehmendem zur Verfuumlgung stehenden Einkommen das Verkehrsauf-kommen steigt Abb 4 zeigt systematisch die Verteilung der Personengruppen

205380 422870845210

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Abb 4 Verbrauchergruppen bei der Einfuumlhrung von neuen Technologien (blau) und Marktanteil (gelb) Quelle Rogers 2010

Wie bei vielen neuen Technologien hat sich ebenfalls beim Besitz der Elektro-Pkw herausgestellt dass eher junge Maumlnner mit gutem oumlkonomischen Status Erstanwender der Elektromobilitaumlt waren (Ploumltz et al 2017 Ploumltz et al 2013) Da die Elektromobilitaumlt noch einen geringen Anteil an den Gesamt-Pkw hat (vgl Definition) sind die Charakteristika und das Mobilitaumltsverhalten dieser Besitzenden der Elektro-Fahrzeuge auch ein wesentlicher Aspekt der in der Verkehrsplanung beruumlcksichtigt werden sollte In den Hochlaufszenarien fuumlr Elektromobilitaumlt wurden die Entwicklung z B in Form von Anzahl an Elektro-Fahrzeugen nach Jahren und die Charakteristika der Besitzenden abgeschaumltzt und beruumlck-sichtigt Im Laufe der naumlchsten Jahrzehnte sofern sich die Elektromobilitaumlt zu einem Massenmarkt entwickelt werden Besitzende uumlber alle Bevoumllkerungsschichten hinweg verteilt sein so dass diese Un-terschiede in Soziodemografie und Struktur nicht mehr so ausgepraumlgt sein werden Allerdings kann das je nach gesetzlichen Rahmenbedingungen (Foumlrderung) Verfuumlgbarkeit von verschiedenen (kostenguumlns-tigeren) Modellen und Sensibilisierung der Bevoumllkerung fuumlr umweltfreundliche Pkw-Mobilitaumlt noch et-was dauern Da uumlbliche Planungshorizonte in 10 bis 15 Jahren liegen ist es sinnvoll diese Rahmenbe-dingungen zu beruumlcksichtigen Ein weiterer Grund die Nutzergruppe der Elektromobilitaumlt gesondert zu betrachten ist dass die Betriebskosten fuumlr Elektrofahrzeuge wegen der Strompreise guumlnstiger sind im Vergleich zu konventionellen Fahrzeugen Dadurch werden E-Fahrzeuge unter Umstaumlnden auch haumlufi-ger genutzt Die Fahrleistungen der Elektrofahrzeuge koumlnnen somit tendenziell houmlher sein Dies ist aber in Relation zu den Reichweiten zu betrachten

Folge fuumlr Verkehrsplanungswerkzeuge Integration von Elektro-Pkw-Besitz und die Charakteristika der Nutzenden (z B Soziodemographie oumlkonomischer Status)

In den aktuellen Zulassungszahlen der Elektro-Pkw in Deutschland sieht man auch dass ca 60 in das Fahrzeugsegment bdquoKleinldquo (=Mini Kleinwagen Kompaktklasse) und 25 in das Fahrzeugsegment bdquoGroszligldquo (Oberklasse SUV Sport Gelaumlndewagen) fallen (Statista 2020a) Diese unterschiedlichen Fahr-zeugsegmente haben unterschiedliche Charakteristika Kleinfahrzeuge werden eher als Zweit- oder Drittwagen genutzt mit kleiner Reichweite und haumlufiger Nutzung fuumlr kurze Strecken Die Groszligfahr-zeuge haben eine groszlige Reichweite (z B Tesla- oder Porsche-Fahrzeuge mit ca 400 km) und werden eher fuumlr alle auch weite Fahrten genutzt Diese unterschiedlichen Nutzungen und Charakteristika spie-len fuumlr die Verkehrsnachfrage eine wesentliche Rolle da je nach zur Verfuumlgung stehendem Fahrzeug unterschiedliche Nutzungsmoumlglichkeiten vorhanden sind Eine Diversifizierung der Fahrzeugkatego-rien in Bezug auf Elektromobilitaumlt ist daher sinnvoll Zudem gibt es mit neuen Fahrzeugansaumltzen wie PedelecsE-Bikes neue Moumlglichkeiten Wege zuruumlckzulegen die in verschiedenen Modi wirken Auch hier spielt die Elektromobilitaumlt eine Rolle die in den Planungen zu beruumlcksichtigen ist

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Folge fuumlr Verkehrsplanungswerkzeuge Integration von Eigenschaften der Elektro-Pkw (Fahrzeugart Groumlszlige des Akkus Reichweite)

Grundsaumltzlich unterscheiden sich die Elektrofahrzeuge von konventionellen Fahrzeugen hinsichtlich der Reichweite und der Dauer der Ladevorgaumlnge Waumlhrend auszliger bei speziellen Erhebungen zu Ver-brauch und Fahrleistung (Chlond et al 2009) die Tankvorgaumlnge in der Verkehrsplanung keine groszlige Rolle spielen haben die Ladevorgaumlnge bei der Elektromobilitaumlt ein groumlszligere Bedeutung da das Laden eine groumlszligere Zeitdauer einnimmt und besser geplant werden sollte als das Tanken das innerhalb we-niger Minuten durchgefuumlhrt wird Grundsaumltzlich gibt es zwei Ladearten

bull Normalladen (AC-Laden) Ausschlieszliglich uumlber Wechselstrom in Ladeleistungsbereichen zwischen 37 kW (einphasige) uumlber 11 bzw 22 kW bis zu max 43 kW (dreiphasig)

bull Schnellladen (DC-Laden) Ausschlieszliglich uumlber Gleichstrom mit einer Ladeleistung von bis zu 170 kW

Abhaumlngig von dem Ladestand (SOC state of charge) sowie von der Spezifikation des Akkus dauert eine Ladung eines 30-kW-Akkus mit 37 kW ca 8 Stunden (h) mit 11 kW ca 15 h und mit 170 kW ca 15 bis 30 Minuten Je nach Umfeldsituation (Temperatur Streckenprofil etc) kann damit eine Strecke von ca 150 km zuruumlckgelegt werden Diese unterschiedlichen Ladeeigenschaften haben auch Auswirkun-gen auf den Einsatz der Ladungen Waumlhrend Normalladen geeignet ist fuumlr Situationen in denen das Fahrzeug sowieso steht z B zu Hause nachts oder waumlhrend der Arbeit ist das Schnellladen fuumlr kurze Zwischenstopps z B bei einer Fernreise an Autobahnen geeignet Dazwischen sind alle Variationen denkbar Im Vergleich zum konventionellen Tanken dauert das Laden laumlnger und das Angebot an LIS ist zumindest zu heutiger Zeit noch nicht so dicht so dass die Information uumlber die Existenz und Ver-fuumlgbarkeit von LIS eine groszlige Rolle spielt Mit Hilfe von IKT (Informations- und Kommunikations-Tech-nologie) stehen die Charakteristiken und Verfuumlgbarkeiten von LIS beispielsweise durch Apps und an-deren digitalen Plattformen zur Verfuumlgung Beispiele hierfuumlr sind e-stationsde chargemapcom goin-gelectricde lemnetorg u v a

Folge fuumlr Verkehrsplanungswerkzeuge Integration von Ladeinfrastruktur mit deren Eigenschaften (Kenngroumlszligen Ladedauer Verortung)

Wegen der Reichweiterestriktionen der E-Fahrzeuge kann auch veraumlndertes Verkehrsverhalten der Nutzenden eine Folge sein Falls beispielsweise aufgrund eines aktuell niedrigen SOC eines E-Pkw ei-nige Ziele nicht mehr erreicht werden koumlnnen stehen den Nutzenden verschiedenen alternative Hand-lungsweisen zur Verfuumlgung Erstens kann der Weg auf einen anderen Zeitpunkt oder Tag verschoben werden wenn die Reichweite ausreicht Zweitens kann ein anderes Ziel zur Durchfuumlhrung der Aktivitaumlt gewaumlhlt werden bei dem die Reichweite noch ausreicht oder drittens kann ein anderes Verkehrsmittel fuumlr den Weg gewaumlhlt werden Die beiden letztgenannten Faumllle koumlnnen auch eintreten sofern die Reich-weite auch bei voller Ladung nicht ausreicht Im Verkehrsnachfragemodellierungsprozess bedeutet dies einen Eingriff in die Module VerkehrsentstehungAktivitaumltenwahl Zielwahl undoder Verkehrs-mittelwahl Die Restriktionen der Elektromobilitaumlt und das veraumlnderte Verhalten koumlnnen somit Aus-wirkungen auf die Wahlentscheidungen haben

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Folge fuumlr Verkehrsplanungswerkzeuge Aktivitaumlten- Ziel- und Verkehrsmittelwahl-modelle sind hinsichtlich des Verkehrsverhaltens mit Elektromobilitaumlt anzupassen

Im Alltagsverkehr treten Ereignisse von weiten Fahrten nur selten auf Pkw werden gewoumlhnlich in Deutschland im Mittel an wenigen Tagen uumlber 100 km benutzt (im Jahr 2012 waren es 13 Tage (Streit et al 2014)) Sofern nur ein zufaumllliger Tag im Jahr beruumlcksichtigt wird fahren rund 90 der Fahrzeuge in Deutschland unter 100 km Sofern das ganze Jahr betrachtet wird fahren nur rund 10 der Fahr-zeuge in Deutschland immer unter 100 km Bei der Betrachtung einer Woche sind es 75 bei 8 Wo-chen 30 Das hat zur Folge dass bei Fernfahrten in der Regel ein laumlngerer Betrachtungszeitraum fuumlr Aussagen zu Reich- bzw Fahrtweiten notwendig ist (vgl Abb 5)

Abb 5 Verteilung der maximalen Fahrleistung pro Pkw und Tag fuumlr verschiedene Betrachtungszeitraumlume Quelle Streit et al 2014

Diese Aussage gilt aber nicht nur fuumlr Fernfahrten sondern auch fuumlr Fahrten im Alltagsverkehr da die E-Pkw in der Regel nicht jeden Tag geladen werden und deshalb die Fahrtweiten uumlber mehrere Tage addiert werden muumlssen um die Ladevorgaumlnge Lademengen und Restreichweiten realistisch abzubil-den

Folge fuumlr Verkehrsplanungswerkzeuge Fuumlr die Elektromobilitaumlt sind laumlngere Unter-suchungszeitraumlume notwendig

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Anpassung der Planungswerkzeuge

Eine Umsetzung dieser dargestellten Folgen der Elektromobilitaumlt fuumlr die Verkehrsnachfrageplanung beinhaltet die Anpassungen von Erhebungen und Modellen

Erhebung

Um geeignete Daten als Grundlage fuumlr die Modellierung zu erhalten sind die Erhebungen dahingehend anzupassen dass zuruumlckgelegte Entfernungen mit elektrisch betriebenen Fahrzeugen uumlber einen laumln-geren Zeitraum erhoben werden koumlnnen Laumlngere Zeitraumlume sind hier mindestens eine Woche wegen der Laderhythmen besser noch vier bis acht Wochen3 Optimal ist Wege mit elektrisch betriebenen Pkw zu erheben um so die Ladevorgaumlnge zu ermitteln Wegen der relativ geringen Menge an Elektro-fahrzeugen heutzutage kann die Stichprobengewinnung schwierig sein Hier koumlnnen auch Analogie-schluumlsse mit konventionellen Fahrzeugen helfen indem Fahrtweiten mit den Reichweiten in Beziehung gesetzt werden um Ladevorgaumlnge zu berechnen Voraussetzung dafuumlr ist dass die Fahrtweiten mit konventionellen Fahrzeugen analog den elektrischen Fahrzeugen angenommen werden (Chlond et al) Das Verkehrsaufkommen als Anzahl der durchgefuumlhrten Fahrten zu bestimmten Zwecken mit und ohne Elektromobilitaumlt wird in diesem Fall als gleich vorausgesetzt Hilfreich fuumlr die Modellierung ist zudem wenn zu der Aufzeichnung der Fahrtweiten mit den Fahrzeugen auch Informationen zu den Fahrenden (z B welche Person eines Haushalts faumlhrt) bekannt sind da beispielsweise eine agenten-basierte Modellierung von den Einzelpersonen (Agenten) ausgeht Die Aufzeichnungen der gefahrenen Wegestrecken mit den Fahrzeugen koumlnnen uumlber Fragebogen oder Listen geschehen oder technisch uumlber ein Tracking der Fahrzeuge beispielsweise uumlber GPSApps etc Oft sind hier zusaumltzliche Angaben z B uumlber Wegezwecke Besetzungsgrad etc sinnvoll Vor allem am Anfang stehende Neuerungen auch bei neuen Mobilitaumltsformen haben die Eigenschaft dass Menschen mit spezifischen Charakteristika diese nutzen Dabei ist es fuumlr die Modellierung des Besitzes von Elektrofahrzeugen wichtig diese Charakteristika der Nutzenden zu kennen um den Zu-sammenhang zwischen Mobilitaumltsverhalten und Nutzung von neuen Mobilitaumltsformen gut abbilden zu koumlnnen (Chlond et al 2012) Beispiele fuumlr die Charakteristika sind soziodemografische Eigenschaften (Alter Erwerbsstatus Einkommen) oder auch raumlumliche (Wohnen im Ballungsraum oder im laumlndlichen Bereich) oder mobilitaumltsbezogene Verhaltensweisen (regelmaumlszligiges Pendeln) Diese Charakteristika der Elektromobilitaumltsnutzenden koumlnnen uumlber Befragungen der Fahrzeugnutzenden erhalten werden Dies haumlngt jedoch davon ab wie weit verbreitet die Technik ist und ob ein guter Zugang zu den Elektromo-bilitaumltsnutzenden moumlglich ist Bei der Elektromobilitaumlt befindet man sich derzeit an Grenze hinsichtlich der Besitzquoten (vgl Abb 3) um Menschen mittels Revealed-Preference-Befragungen (RP-Befragun-gen)4 nach dem realisierten Verhalten zu befragen Zu Beginn der technischen Entwicklung oder auch noch im Markthochlauf koumlnnen derartige Daten zudem uumlber Befragungen der beabsichtigten Nutzung oder des Kaufs von Elektromobilitaumlt erhalten werden Dies ist vor allem auch dann sinnvoll wenn In-formationen zum kuumlnftigen Besitz von Elektromobilitaumlt fuumlr Prognosen notwendig sind (Ploumltz et al 2017) Bei konventionellen Fahrzeugen sind diese Informationen meist uumlber Statistiken oder bereits bestehende Erhebungen verfuumlgbar Bei der Elektromobilitaumlt sind dieses Daten nur sehr spaumlrlich vor-handen Im Vergleich zur bisherigen Fahrzeugnutzung mit konventionellen Pkw sind bei der Elektromobilitaumlt die Ladevorgaumlnge und die Rahmenbedingungen des Ladens ein neuer Aspekt Hier handelt es sich um

3 Das MOP (Deutsches Mobilitaumltspanel) fuumlhrt z B die Erhebung zu Fahrleistungen und Tankvorgaumlngen uumlber acht Wochen

durch 4 Revealed-Preference-Befragungen (RP-Befragungen) erheben ein bereits durchgefuumlhrtes Verhalten Es werden z B retro-

spektiv durchgefuumlhrte Wege berichtet

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den Zeitpunkt der Ladung (z B wenn der Akku leer ist wenn sich eine Lademoumlglichkeit bietet waumlhrend der Durchfuumlhrung einer bestimmten Aktivitaumlt oder nur nachts) Die Erhebung dieser Situationen oder der Praumlferenzen zur Ladung der Fahrzeuge kann zum einen durch die Erhebung der Ladevorgaumlnge von Elektrofahrzeugen selbst erfolgen Dies erfordert aber das Vorhandensein von genuumlgend Fallbeispielen in der Praxis analog zum E-Fahrzeug-Besitz Zum anderen koumlnnen diese Informationen mit Stated-Preference-Befragungen (SP-Befragungen)5 erhoben werden In diesen Befragungen werden potenzi-elle Situationen durchgespielt in welchen die Testpersonen entscheiden wann und wie lange sie la-den Fragestellungen waumlren ab welchem SOC Fahrzeuge geladen werden oder bei welchen Situatio-nen (zu Hause am Arbeitsplatz oder beim Einkaufen) Diese Daten ermoumlglichen es in Verbindung mit Eigenschaften der Elektrofahrzeuge und der Nutzenden Ladestrategien abzuleiten und in Modelle zu integrieren (Hilgert et al 2016) Elektromobilitaumlt hat durch Reichweitenrestriktion und Verfuumlgbarkeit der Fahrzeuge fuumlr bestimmte Wege Auswirkungen auf die Ziel- und Verkehrsmittelwahl Grundsaumltzlich koumlnnen die Wahlmodelle so aufgebaut sein dass sie Ziel- und Verkehrsmittel unabhaumlngig voneinander und sukzessiv modellieren Die notwendige Datengrundlage dazu stammt meist aus RP-Befragungen wie beispielsweise Reisezei-ten und die zugespielten Reisezeiten der nicht gewaumlhlten Alternativen Die Alternativen koumlnnen auch aus SP-Befragungen stammen Bei der Elektromobilitaumlt haumlngt die Wahl der Ziele und Verkehrsmittel jedoch enger zusammen als bei konventionellen Verkehrsmitteln da die Reichweiten und SOC der Fahrzeuge sowohl die moumlglichen Weglaumlngen als auch das Infragekommen des Verkehrsmittels E-Fahr-zeug beeinflussen Zum Beispiel koumlnnte eine Person einen Weg zum Einkaufen in einem 40 km ent-fernten Moumlbelhaus mit einer Restreichweite eines E-Fahrzeuges von 30 km nicht mehr mit diesem Fahrzeug zuruumlcklegen Alternativ koumlnnte die Person ein anderes Verkehrsmittel waumlhlen oder zu einem naumlher gelegenen Moumlbelhaus fahren Um diese Zusammenhaumlnge zwischen Reichweite Ladezustand sowie Ziel- und Verkehrsmittelwahl zu erheben bietet sich ein Choice-Experiment in einer SP-Befra-gung an Dabei werden den Testpersonen verschiedene Auswahlmoumlglichkeiten vorgeschlagen aus de-nen sie sich fuumlr eine Alternative entscheiden Durch die vorgeschlagenen Alternativen stehen auch die nicht gewaumlhlten Alternativen zur Verfuumlgung Diese Daten koumlnnen dann zu einer Modellschaumltzung fuumlr die kombinierte Ziel- und Verkehrsmittelwahl verwendet werden (Kagerbauer und Heilig 2013 Heilig et al 2017b)

Modellierung

Die beschriebenen Datengrundlagen aus den an Elektromobilitaumltsanforderungen angepassten Erhe-bungen erlauben es statistische Modelle zu schaumltzen die in die Verkehrsnachfragemodellierung inte-griert werden koumlnnen Die Abbildung von Ladevorgaumlngen und den Ladezustand der E-Fahrzeuge setzt voraus dass die Fahrzeuge einzeln betrachtet und deren Eigenschaften individuell veraumlndert werden koumlnnen Hier bietet sich die Umsetzung der Nachfragemodellierung in einer agentenbasierten Simula-tion an die in diesen Ausfuumlhrungen am Beispiel der am KIT-IfV entwickelten Software mobiTopp dar-gestellt wird In agentenbasierten Modellen werden Personen als Agenten die diese repraumlsentieren abgebildet Die Agenten haben Eigenschaften (zB Alter Geschlecht Erwerbsstatus) und weitere Charakteristika (z B Zeitkarte fuumlr OumlV oder Pkw-Besitz) Zur Abbildung der Elektromobilitaumlt und der Integration von Reich-weiten und Fahrzeugeigenschaften werden die Fahrzeuge ebenfalls als Agenten (Fahrzeug-Agenten) modelliert Die Fahrzeug-Agenten sind Personen bzw Haushalten zugeordnet und haben ebenfalls Ei-genschaften (Antriebsart oder Reichweite) Diese Eigenschaften werden in der Simulation der Wege hinsichtlich der Verfuumlgbarkeit fuumlr bestimmte Einsatzbereiche beruumlcksichtigt und fortgeschrieben Das

5 Stated-Preference-Befragungen (SP-Befragungen) sind Befragungen in hypothetischen Maumlrkten bzw Situationen

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bedeutet wenn mit einem Elektro-Fahrzeug eine bestimmte Strecke zuruumlckgelegt wird reduziert sich dementsprechend die Reichweite Das Verkehrsnachfrageverhalten der Personen-Agenten liegt den Bewegungen der Fahrzeug-Agenten zu Grunde Die Zuordnung der E-Fahrzeuge zu Haushalten erfolgt in mobiTopp mit Hilfe eines Logit-Modells basierend auf Erhebungs- bzw Statistikdaten zum Besitz oder kuumlnftigen Besitzquoten der Fahrzeuge bzw- E-Fahrzeuge Somit koumlnnen auch in Prognosen Wir-kungen kuumlnftiger Durchdringungsquoten mit Elektromobilitaumlt berechnet werden Abb 6 zeigt beispiel-haft das Ergebnis einer Modellierung des E-Fahrzeugbesitzes in der Region Stuttgart fuumlr das Jahr 2030 Zudem unterscheidet mobiTopp verschiedene Fahrzeugtypen derzeit werden meist drei Klassen (klein mittel und groszlig) verwendet die in den Fahrzeugeigenschaften z B hinsichtlich Batteriekapazi-taumlt und Reichweite variieren koumlnnen

Abb 6 Verteilung der E-Fahrzeuge in der Region Stuttgart 2030 Quelle Projekt eVerkehrsraum Stuttgart

Um bei den Fahrzeug-Agenten mit Elektroantrieb die gesamten Ladevorgaumlnge zu modellieren werden neben der Entladung durch Fahrleistung auch die Ladevorgaumlnge der Fahrzeuge integriert Zu diesem Zweck wird die Ladeinfrastruktur (LIS) in Form von Ladeorten mit Ladepunkten abgebildet (Gnann et al 2017) Die Ladepunkte sind die eigentlichen Lademoumlglichkeiten Es koumlnnen mehrere Ladepunkte an einem Ladeort sein Die Ladepunkte haben ebenfalls Eigenschaften wie beispielsweise die Ladeleis-tung Somit ist es moumlglich sowohl Normal-LIS als auch Schnellladeinfrastrukturen (vgl Definition) zu beruumlcksichtigen (Soylu et al 2018a) Die Ladepunkte werden entweder nach aktuellen Gegebenheiten oder kuumlnftigen Ausbauszenarien im Raum angeordnet und in das Modell integriert Sofern sich ein E-Fahrzeug-Agent in der Simulation in der Naumlhe eines Ladeortes befindet dieser nicht durch andere E-Fahrzeug-Agenten belegt ist und die Ladestrategie des E-Fahrzeugs einen Ladevorgang ermoumlglichtbe-noumltigt kann das E-Fahrzeug geladen werden Dabei wird die Ladeleistung der LIS der aktuelle SOC des Fahrzeugs und die Akkukapazitaumlt sowie die Standzeit der E-Fahrzeuge beruumlcksichtigt Durch die minu-tenfeinen Simulationsschritte in mobiTopp koumlnnen alle Ladevorgaumlnge und Ladestaumlnde der Fahrzeuge aber auch der Energiebedarf der LIS ermittelt werden

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Da die meisten taumlglichen Fahrtweiten mit konventionellen Fahrzeugen aber auch mit E-Fahrzeugen unter der Reichweite der E-Fahrzeuge liegen (vgl Abb 5) ist es analog zur Erhebung sinnvoll bzw notwendig in der Modellierung einen laumlngeren Zeitraum zu betrachten um Ladevorgaumlnge und Lade-bedarf auf mikroskopischer Basis abzubilden Nur so ist es moumlglich reale Fahrtweiten und Fahrleistun-gen mit der LIS in Bezug zu setzen da oft wegen geringer Fahrleistung uumlber mehrere Tage nicht gela-den werden muss und Ladestrategien erst uumlber einen laumlngeren Zeitraum abgebildet werden koumlnnen Da mit zunehmendem Simulationszeitraum auch die Anforderungen an Hardware Speicherplatz und Berechnungsdauer steigen ist hier ein sinnvoller Zeitraum zu waumlhlen der lang genug ist um Ladevor-gaumlnge zu erfassen und kurz genug ist um nicht zu hohe Anforderungen an die Simulationsrahmenbe-dingungen zu erzeugen Es hat sich gezeigt dass der Simulationszeitraum von einer Woche ausreicht um beiden Forderungen gerecht zu werden Fast alle E-Fahrzeuge in einer Simulation innerhalb einer Woche laden mindestens einmal und die Rechenzeiten und Speicherbedarfe sind akzeptabel Abb 7 zeigt als Beispiel den aktuellen Ladebedarf auf Grund von Ladevorgaumlngen der E-Fahrzeuge zu einem bestimmten Zeitpunkt (Montag um 828 Uhr) in der Region Stuttgart auf Verkehrszellenbasis Je groumlszliger die blauen Kreise desto houmlher ist der Energiebedarf in der Zelle

Abb 7 Lademenge je Ladeort in der Region Stuttgart Quelle Projekt eVerkehrsraum Stuttgart (Kagerbauer und Heilig 2013)

Grundlage zur Abbildung der Ladevorgaumlnge sind die modellierten Wege der Personen-Agenten E-Fahr-zeuge dienen wie andere Verkehrsmittel dazu Personen-Agenten von einer Quelle zu einem Zielort fuumlr eine Aktivitaumlt fortzubewegen (Wegezweck) Auf Basis von Aktivitaumltsbeduumlrfnissen der Personen-Agenten und der Attraktivitaumlt zur Befriedigung dieser Beduumlrfnisse am Zielort werden die Relation des Weges (von wo nach wo) und die verwendeten Verkehrsmittel bestimmt Insbesondere wenn die Reichweitenrestriktionen am Beginn der technischen Entwicklung noch groszlig sind ist in der Elektromo-bilitaumlt die Beruumlcksichtigung der Reichweiten von E-Fahrzeugen notwendig Daher ist es sinnvoll eine

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Ziel- und Verkehrsmittelwahl kombiniert durchzufuumlhren da Reichweitenrestriktionen bei einem Ver-kehrsmittel die Ziele beeinflussen koumlnnen oder Ziele die Wahl von Verkehrsmitteln (beispielsweise wird im Choice-Set der Verkehrsmittel kein E-Fahrzeug mehr ausgewaumlhlt wenn mit der aktuellen Rest-reichweite das Ziel nicht mehr erreicht werden kann) Abb 8 zeigt den Ablauf einer Schaumltzung eines kombinierten Ziel- und Verkehrsmittelwahlmodells auf Basis einer SP- und RP-Befragung (Ortuacutezar und Willumsen 2011) die im Projekt eVerkehrsraum Stuttgart durchgefuumlhrt wurde (Kagerbauer und Heilig 2013) Mit einem Nested-Logit-Modell wird eine kombinierte Ziel- und Verkehrsmittelwahl je Zielzelle und Verkehrsmittel erstellt Zuerst werden in Ebene 1 die Parameter der Nutzenfunktion der Verkehrs-mittel geschaumltzt Zur kombinierten Schaumltzung dient ein Nested-Logit-Modell in der Ebene Z Dabei sind die Verkehrsmittel jeweils ein eigenes Nest Datengrundlage kann dabei die RP- oder SP-Befragung sein Danach werden die Parameter fuumlr die Zielwahl geschaumltzt indem im Nested-Logit-Modell die Log-Summe der Nutzen aus Ebene 1 bei der Schaumltzung der Parameter der Ebene 2 beruumlcksichtigt wird In der Nutzenfunktion der Zielwahl sind die Anzahl der Gelegenheiten die Anzahl der Ladestationen die Zeit und die Entfernung der jeweiligen Zielzelle enthalten um diese in die Modelle integrieren und abbilden zu koumlnnen Im Modell (unterer Teil der Grafik) wird dann die so ermittelte Nutzenfunktion mit den geschaumltzten Parametern angewendet Somit koumlnnen bei nicht ausreichenden Restreichweiten nur relevante Entscheidungsmoumlglichkeiten beruumlcksichtigt werden so dass nur erreichbare Ziele und nutzbare Verkehrsmittel in den Wahlentscheidungen enthalten sind Es ist moumlglich bei Restreichwei-tenrestriktionen die Wahl von naumlheren Zielen oder anderen Verkehrsmitteln in einem Modellschritt zu beruumlcksichtigen

Abb 8 Beispiel fuumlr ein kombiniertes Ziel- und Verkehrsmittelwahlmodell Quelle Projekt eVerkehrsraum Stuttgart (Kager-bauer und Heilig 2013)

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Mit diesem Vorgehen koumlnnen sowohl moumlgliche Veraumlnderungen durch Elektromobilitaumlt im Verkehrs-verhalten abgebildet (Heilig et al 2017a) als auch die vorhandene oder benoumltigte Ladeinfrastruktur bewertet werden (Heilig et al 2018)

Schlussfolgerung Die Integration von Elektromobilitaumlt in die Verkehrsplanung und im Speziellen in Verkehrserhebungen und Verkehrsnachfragemodellierung kann mit einigen Anpassungen und der Verwendung von Model-len die auf Agentenebene fuumlr Personen und Fahrzeuge arbeiten gut durchgefuumlhrt werden Besonde-res Augenmerk ist auf die Abbildung der Charakteristika der Nutzenden oder Besitzenden von elektrisch betriebenen Fahrzeugen die Eigenschaften der Elektrofahrzeuge vor allem hinsichtlich Reichweite und die zusaumltzliche Beruumlcksichtigung der Ladevorgaumlnge bzw Ladeinfrastruktur zu legen Die Wechselwirkungen zwischen Ziel- und Verkehrsmittelwahl sowie Reichweiten der Fahrzeuge koumln-nen in der Verkehrsnachfragemodellierung mit kombinierten Ziel- und Verkehrsmittelwahlmodellen abgebildet werden Zur sinnvollen Abbildung der Ladevorgaumlnge sollten laumlngere Erhebungs- und Mo-dellierungszeitraumlume angesetzt werden um Variationen im Verkehrsverhalten und Ladestrategien er-fassen zu koumlnnen Diese sollten mindestens eine Woche betragen ndash besser noch laumlnger Im Vergleich zu Tankvorgaumlngen mit konventionellen Fahrzeugen die aufgrund der kurzen Dauer oft nicht oder nur mit einer kurzen Einkaufsaktivitaumlt zum Zwecke des Tankens abgebildet werden setzt das Laden voraus dass die Ladevorgaumlnge waumlhrend einer Aktivitaumlt der Personen durchgefuumlhrt werden und sonst keinen weiteren Einschraumlnkungen unterliegt so dass diese Ladevorgaumlnge nicht explizit in den Aktivitaumltenplaumlnen der Agenten hinterlegt werden muumlssen Allerdings ist es notwendig die Verfuumlg-barkeiten der Ladeinfrastrukturen mit zu betrachten Zu uumlberlegen waumlre ob bei Schnellladevorgaumlngen die je nach Ladebedarf in der Groumlszligenordnung von 5 bis ca 20 Minuten liegen eine zusaumltzliche Aktivitaumlt bdquoLadenldquo in die Aktivitaumltenplaumlne der Personen-Agenten zu integrieren ist Theoretisch ist das moumlglich allerdings ist dies vor dem Hintergrund des Aufwands der Integration und des Nutzens zu entscheiden Da diese Schnellladevorgaumlnge meist fuumlr Langstreckenfahrten noumltig waumlren kann angenommen werden dass der Ladeprozess einer kurzen Pause innerhalb einer Langstrecke entspricht und die Wirkungen auf das Verkehrsverhalten vernachlaumlssigbar sind Fuumlr eine detaillierte und (minuten-)genaue Abbildung des Energiebedarfs aufgrund von Elektromobili-taumlt ist es in der Regel notwendig genaue Modelle zu haben um Prognosen erstellen zu koumlnnen Zur Bewertung und Abschaumltzung der LIS auf einer abstrakteren Ebene ist es auch moumlglich nicht detailliert die Verkehrsnachfrage zu modellieren sondern Abschaumltzungen anhand von Mittelwerten und Vertei-lung der Fahrzeugnutzung und Quelle-Ziel-Relationen sowie der Struktur des Planungsraums durchzu-fuumlhren Moumlgliche Ansaumltze sind der Literatur zu entnehmen (Soylu et al 2018a Ploumltz et al 2016 Soylu et al 2018b)

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Ansaumltze fuumlr die Mobilitaumlts- und Energiewende im staumldtischen Guumlterver-kehr

Bert Leerkamp (1)

DOI 10347261028

(1) Prof Dr-Ing Leiter des Lehr- und Forschungsgebietes Guumlterverkehrsplanung und Transportlogistik Bergische Universitaumlt Wuppertal Fakultaumlt fuumlr Architektur und Bauingenieurwesen

Abstract

Derzeit verfolgte Buumlndelungsstrategien im staumldtischen Wirtschaftsverkehr schoumlpfen das Potenzial ei-ner gebietsbezogenen Fahrleistungseinsparung und der damit verbundenen Reduktion negativer Um-weltwirkungen nicht aus Die aktive Mitwirkung des Handels und der privaten Endverbraucher kann eine weitgehende gebietsbezogene Buumlndelung von KEP- und Stuumlckgutsendungen bewirken Das ko-operative Logistikkonzept ABC Incharge in Duumlsseldorf zeigt beispielhaft dass ein solcher Ansatz unter den derzeitigen Rahmenbedingungen wirtschaftlich tragfaumlhig sein kann Den Kommunen stehen dem-gegenuumlber nur wenige Instrumente zur Verfuumlgung um Buumlndelungskonzepte zu initiieren Von starken Markteingriffen durch die Vergabe von Gebietskonzessionen in Anlehnung an die Abfallwirtschaft wird dennoch abgeraten Die Beschleunigung der Energiewende im staumldtischen Guumlterverkehr wird damit umso dringlicher Die Kommunen sollten Niedrig- und Nullemissionszonen planen und mit angemes-sener Vorlaufzeit umsetzen um die Flottenerneuerung im Nutzfahrzeugsektor zu forcieren Ein ausrei-chendes Logistikflaumlchenangebot in den Kernstaumldten ist ein Beitrag um gebietsbezogene Buumlndelung wirtschaftlich zu ermoumlglichen und steigenden Reichweitenanforderungen der Lieferfahrzeuge zu be-gegnen Komplementaumlr dazu muss das kommunale Mittelspannungsstromnetz schnell ausgebaut werden Current Sustainable Urban Logistic Plans (SULP) focus on reorganising last mile delivery by using micro depots and cargo bikes Consolidation ist a key for successful concepts both in economic and ecologic terms Local planning authorities often focus on area-based consolidation for the inner city and densely populated urban areas while logistic service providers (LSP) focus on optimising delivery in their indi-vidual catchment area While only few governmental instruments are available to force area-based consolidation strategies cooperation between LSP and local commerce is an option to generate sub-stantial effects on reduction of distance driven emissions and retention time of light and heavy trucks in the inner city An ongoing project in Duumlsseldorf shows how the segments general cargo and parcel (CEP) can be consolidated Zero Emission Zones and comparable measures can support cooperation between the economic agents

Schluumlsselbegriffe

Letzte Meile gebietsbezogene Buumlndelung Stadtlogistik KEP Stuumlckgut Leerkamp B (2021) Ansaumltze fuumlr die Mobilitaumlts- und Energiewende im staumldtischen Guumlterverkehr In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S99-109

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Inhalt Ausgangslage 101

Herausforderungen fuumlr eine gebietsbezogene Buumlndelung 101

Ansaumltze einer gebietsbezogenen Buumlndelung im Bereich der Einzelhandels- und Endkundenversorgung 103

Beispiele fuumlr sektorale gebietsbezogene Buumlndelung (KEP-Logistik) 103

Beispiel fuumlr sektorale kooperative gebietsbezogene Buumlndelung (Stuumlckgutlogistik) 103

Beispiel fuumlr kooperative gebietsbezogene Buumlndelung (Integration von KEP- und Stuumlckgut) 104

Gebietsspediteur Ansatz fuumlr eine regulatorische Gestaltung 105

Initiierung gebietsbezogener Buumlndelungskonzepte durch die Kommunen 105

Steuerung der Energiewende im staumldtischen Lieferverkehr 107

Sicherung von Logistikflaumlchen in der Stadt als Voraussetzung fuumlr Buumlndelung 108

Literatur 109

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Ausgangslage

Der Guumlterverkehr in der Stadt findet nach zahlreichen gescheiterten Versuchen einer zielorientierten Beeinflussung durch die Raum- und Verkehrsplanung in den 1990er bis 2000er Jahren wieder starke Beachtung Zahlreiche aktuelle Forschungs- und Demonstrationsvorhaben in den D-A-CH-Laumlndern1 be-fassen sich insbesondere mit dem Straszligenguumlterverkehr auf der bdquoletzten Meileldquo Die stark zunehmen-den Kurier- Express- und Paketdienste (KEP) stehen dabei oft im Fokus Die Zunahme des Online-Han-dels waumlhrend der andauernden Corona-Pandemie hat sowohl das Paketaufkommen als auch die oumlf-fentliche Wahrnehmung und den damit verbundenen Lieferverkehr nochmals erhoumlht (vgl BIEK 2020 Handelsverband Oumlsterreich 2020 LeimstollWoumllfe 2020) Herausforderungen einer zielorientierten Gestaltung des staumldtischen Guumlterverkehrs sind aus kommu-naler Sicht Laumlrm- und Luftschadstoffemissionen Verkehrssicherheitsdefizite und Nutzungskonflikte im oumlffentlichen Straszligenraum Aus unternehmerischer Sicht stehen die Kosten und die Servicequalitaumlt der Logistikdienstleistungen im Vordergrund Der vorliegende Beitrag greift die gebietsbezogene Buumlnde-lung als zentralen Optimierungsansatz auf und diskutiert moumlgliche Loumlsungen Anschlieszligend wird kurz auf die Foumlrderung der Energiewende im staumldtischen Guumlterverkehr eingegangen

Herausforderungen fuumlr eine gebietsbezogene Buumlndelung

Kommunale Verkehrsentwicklungsplaumlne Wirtschaftsverkehrskonzepte Green City Plans Luftreinhal-teplaumlne und aumlhnliche Planwerke2 zielen darauf ab die Emissionen des Ver- und Entsorgungsverkehrs in der Stadt zu reduzieren bestehende Konflikte zwischen den Anspruumlchen an die Nutzung des oumlffent-lichen Raumes zu loumlsen und technische Innovationen fuumlr eine Verbesserung der Stadtvertraumlglichkeit Sicherheit und Effizienz der logistischen Prozesse zu nutzen Die Handlungskonzepte konzentrieren sich teilweise auf die Umstellung auf lokal emissionsfreie Antriebe im staumldtischen Lieferverkehr (Bei-trag zur sogenannten bdquoEnergiewende im Verkehrldquo3) Teilweise soll daruumlber hinausgehend eine bdquoMobi-litaumltswendeldquo erreicht werden welche durch die Einsparung von Fahrleistungen und Praumlsenzzeiten des motorisierten Lieferverkehrs in der (inneren) Stadt gekennzeichnet ist4 Dann stehen gebietsbezogene Buumlndelungsstrategien im Zentrum der Handlungsansaumltze Sie erfordern die Veraumlnderung logistischer Prozesse und damit ein aktives Mitwirken der Wirtschaftsakteure Die Herausforderung besteht darin mit den Instrumenten die im originaumlren Zustaumlndigkeitsbereich der Kommunen liegen das bdquoSystem Stadtlogistikldquo so anzuregen dass die Wirtschaftsakteure Loumlsungen finden und umsetzen welche Fahr-leistungen von Nutzfahrzeugen gebietsbezogen reduzieren und so zur Bewaumlltigung straszligenraumlumlicher Konflikte und umweltbezogener Unvertraumlglichkeiten beitragen In der Regel 0+ werden die bdquoInnen-stadtldquo oder bdquoKernstadtldquo mit ihrem Einzelhandelszentrum und den umliegenden gemischt genutzten Buumlro- und Wohngebieten sowie zum Teil die Stadtteilzentren als Planungsraumlume fuumlr die Stadtlogistik deklariert Aus kommunaler Sicht ist dies begruumlndet weil hohe Nutzungsdichten oft enge Straszligen-raumlume ein hoher Parkdruck und hohe Gestaltungsanspruumlche an den oumlffentlichen Raum Konflikte aus-loumlsen sodass Nutzungsbeschraumlnkungen grundsaumltzlich mit den Regelungen des Verkehrs- und Umwelt-rechts gerechtfertigt werden koumlnnen Dazu zaumlhlen u a zeitliche Beschraumlnkungen der Zufahrt zu Ge-

1 D-A-CH-Laumlnder Deutschland Oumlsterreich und Schweiz 2 Fuumlr eine aktuelle Zusammenstellung und Beispiele siehe Aichinger et al 2020 3 Ein aktuelles Beispiel ist das Elektromobilitaumltskonzept fuumlr die Stadt Wuppertal (Kirsch et al 2019) 4 Aktuelle Beispiele sind das bdquoGuumlterverkehrskonzept fuumlr den Kanton Basel-Stadtldquo (Holthaus et al 2016) sowie das zzt noch

in Bearbeitung befindliche bdquoGuumlterkehrs- und Logistikkonzept fuumlr die Stadt Zuumlrichldquo (Leerkamp et al 2020)

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schaumlften in Fuszliggaumlngerzonen (Lieferzeitfenster) Beschraumlnkungen des zulaumlssigen Gesamtgewichtes o-der Emissionsbeschraumlnkungen5 Folgerichtig zielen Stadtlogistikkonzepte auf eine gebietsbezogene Buumlndelung von Guumlterstroumlmen zwecks Reduzierung von Fahrzeugstroumlmen ab Die Tourenplanung der Logistikdienstleister ist demgegenuumlber auf den durch die Depotstandorte defi-nierten Distributionsraum und hier auf eine Optimierung der Fahrzeugeinsatzzeiten und der Fahrleis-tungen unter Einhaltung vielfaumlltiger Restriktionen und logistischer Serviceanforderungen bei geringst-moumlglichen Kosten ausgerichtet Zu den Restriktionen gehoumlren u a Lieferzeitfenster in Fuszliggaumlngerbe-reichen die es erfordern mit mehreren Fahrzeugen gleichzeitig in das Zustellgebiet hineinzufahren um alle Ziele innerhalb des vorgegebenen Zeitfensters zu erreichen Anschlieszligend wird die Ausliefe-rung in nicht zufahrtbeschraumlnkten Bereichen fortgesetzt Im Ergebnis ist die Tourenplanung zwar res-sourceneffizient aber nutzt die auf die Innenstadt bezogenen Buumlndelungspotenziale nicht aus und er-zeugt dort bdquounnoumltigen Verkehrldquo Terminsendungen mit festem Zustellzeitpunkt Stoumlrungen des Ver-kehrsablaufes auf dem Weg in das Zustellgebiet Innenstadt fehlende Abstellmoumlglichkeiten fuumlr die Lie-ferfahrzeuge im Straszligenraum und ein hoher Anteil persoumlnlicher Zustellungen (verbunden mit Fehlver-suchen und Mehrfachanfahrten) reduzieren die Effizienz des Fahrzeug- und Personaleinsatzes Sie sind komplementaumlre Ausgangspunkte fuumlr umfassende Loumlsungsansaumltze ersetzen aber nicht die Strategie der gebietsbezogenen Buumlndelung Als kontraproduktiv erweist sich in diesem Zusammenhang die Veraumlnderung der logistischen Standort-strukturen fuumlr die Versorgung der Staumldte Unter dem Begriff bdquoLogistics Sprawlldquo (siehe FaumlmigHesse 2011) werden Tendenzen zur Verlagerung von Logistikknoten aus der inneren Stadt in den aumluszligeren Bereich der Verdichtungsraumlume subsummiert Tedesco (Tedesco 2020) analysiert fuumlr den Groszligraum Zuumlrich dass insbesondere Lagerstandorte zwischen 1995 und 2012 dieser Verlagerungstendenz unter-lagen Aktuell kann in einigen Groszligstaumldten beobachtet werden dass Wohnbauflaumlchen fehlen um den Zuzug in die Staumldte aufzufangen Hinzu kommt die Flaumlchenkonkurrenz durch das Buumlrogewerbe sodass es zu einer neuen Herausforderung der Stadtentwicklung wird die fuumlr die Versorgung der Stadt benouml-tigten Umschlag- und Lagerflaumlchen in der bdquoinnerenldquo Stadt planungsrechtlich zu sichern und eine zweck-entsprechende Nutzung zu gewaumlhrleisten Das ist eine wesentliche Voraussetzung fuumlr die Buumlndelung von Guumlterstroumlmen zur Auslieferung auf der bdquoletzten Meileldquo und damit verbundene Kooperationen zwi-schen den an der Lieferkette beteiligten Logistikern Wird diese letzte Meile laumlnger

bull so sinkt der wirtschaftliche Nutzen des zusaumltzlichen Umschlags weil Kooperation dann sinnvoll ist wenn spezialisierte Dienstleister im Auslieferungsverkehr mittels besonders geeigneter Fahrzeuge und Fachpersonal mit guter Ortskenntnis effizienter arbeiten koumln-nen und

bull diese Fahrzeuge bei laumlnger werdenden Fahrtstrecken zwischen Umschlagpunkt und City nicht allein fuumlr den Zustellprozess optimiert werden koumlnnen (dies gilt insbesondere fuumlr den Lastenradeinsatz)

Der Einzelhandel in den Innenstaumldten muss zudem im Wettbewerb mit dem Online-Handel neuen Ser-viceanforderungen seiner Kunden gerecht werden Dazu gehoumlrt insbesondere eine sehr hohe Verfuumlg-barkeit eines sehr breiten Warenangebotes und eine sehr kurzfristige Bereitstellung der nachgefragten Waren im Ladengeschaumlft oder beim Kunden zuhause Im Wareneingang des Einzelhandels nehmen daher die Anzahl der Sendungen und der unterschiedlichen Zusteller zu waumlhrend die Sendungsgroumlszligen 5 In Deutschland ist dies die sog bdquoUmweltzoneldquo die die zulaumlssigen Schadstoffemissionen von Fahrzeugen in abgrenzbaren

Gebieten regelt und derzeit vier Schadstoffklassen unterscheidet (bdquokeineldquo rot gelb gruumln) Eine Verschaumlrfung der Emissi-onsgrenzen wird in Deutschland diskutiert (bdquoblaue Plaketteldquo) um die kuumlnftige Wirksamkeit von Umweltzonen angesichts fortschreitender Antriebstechnik zu gewaumlhrleisten

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sinken Durch Lieferzeitfenster beschraumlnkte Warenannahmezeiten werden als Wettbewerbsnachteil betrachtet waumlhrend gleichzeitig die Zustellung vor der Ladenoumlffnung meist abgelehnt wird In der Folge steigen die Zustellfrequenz und der Logistikaufwand beim Einzelhandel (Annahme Kontrolle Auspacken Regalpflege Ruumlckfuumlhrung von Verpackung) also Aufgaben die parallel zur Kundenbera-tung bewaumlltigt werden muumlssen Gebietsbezogene bzw auf ein Ladengeschaumlft bezogene Buumlndelungs-ansaumltze erfordern daher eine Mitwirkung des Handels dessen zentrale Moumlglichkeit zur Einflussnahme die Bestimmung des Lieferziels ist

Ansaumltze einer gebietsbezogenen Buumlndelung im Bereich der Einzelhandels- und Endkundenversorgung

Die aktuell diskutierten und teilweise erprobten gebietsbezogenen Buumlndelungsansaumltze koumlnnen durch zwei Merkmale unterschieden werden

bull Beteiligte Logistiksektoren Wird im Konsumgutbereich nur die Stuumlckgutlogistik oder nur die Paket-Logistik betrachtet oder werden beide Logistiksektoren in der Buumlndelungsstra-tegie zusammengefuumlhrt

bull Kooperation Findet die gebietsbezogene Buumlndelung unternehmensintern statt oder gibt es eine Kooperation von Unternehmen

Beispiele fuumlr sektorale gebietsbezogene Buumlndelung (KEP-Logistik)

Gebietsbezogene Buumlndelungskonzepte im Sektor bdquoKEP-Logistikldquo werden derzeit nur als unternehmens-interne Loumlsungen umgesetzt Ein weithin bekanntes Beispiel ist der Einsatz von mobilen Umschlag-punkten in Form von Wechselbruumlcken am Rande eines Innenstadtgebietes in Hamburg durch die Firma UPS (vgl Beecken 2017) Aus dem am fruumlhen Morgen abgestellten Wechselbehaumllter der fuumlr die In-nenstadt vorkommissionierte Sendungen beinhaltet werden die Pakete im Tagesverlauf zu Fuszlig oder mit dem Lastenrad zugestellt Das Berliner Stadtlogistik-Projekt Komodo6 ist ebenfalls den sektoralen Loumlsungsansaumltzen ohne Kooperation zuzuordnen da die beteiligten KEP-Dienstleister auf einer von der Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft mbH (BEHALA) bereitgestellten Umschlagflaumlche nebenei-nander agieren jedoch weder in der Nutzung ihrer Umschlagflaumlchen noch in der Zustellung kooperie-ren Mit dem Lastenradeinsatz und der Zustellung zu Fuszlig wird eine ganztaumlgige Zustellung in Fuszliggaumlngerbe-reichen moumlglich Lastenraumlder erhalten gegebenenfalls Ausnahmegenehmigungen fuumlr die ansonsten auch fuumlr den Radverkehr gesperrten Bereiche Im Hinblick auf die Logistikkosten stehen dem zusaumltzli-chen Umschlag und der Beschaffung von Lastenraumldern Einsparungen im Betrieb von motorisierten Zu-stellfahrzeugen sowie die Moumlglichkeit des Einsatzes von Zustellpersonal ohne Berufskraftfahrerquali-fikation gegenuumlber

Beispiel fuumlr sektorale kooperative gebietsbezogene Buumlndelung (Stuumlckgutlogistik)

Kooperative Buumlndelungsstrategien im Logistiksektor bdquoStuumlckgutlogistikldquo wurden u a in Basel beobach-tet (Holthaus et al 2016) Durch die teilweise schwierige Erreichbarkeit baulich enger Altstadtquar-tiere und das resultierende Erfordernis sehr guter Ortskenntnis spezialisierter Fahrzeuge und geeig-neter Speditionsstandorte haben sich dort vier Logistiker herausgebildet welche die Innenstadt taumlglich mit Stuumlckguumltern versorgen Sie uumlbernehmen auf der bdquoletzten Meileldquo die Transportauftraumlge von Logis-tikern die nicht regelmaumlszligig Ziele in der Innenstadt ansteuern

6 Komodo bdquoKooperative Nutzung von Mikro-Depots durch die Kurier- Express- Paket-Branche fuumlr den nachhaltigen Einsatz

von Lastenraumldern in Berlinldquo (wwwkomodoberlin)

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Beispiel fuumlr kooperative gebietsbezogene Buumlndelung (Integration von KEP- und Stuumlckgut)

Eine rein unternehmerisch initiierte gebietsbezogene Buumlndelung die Stuumlckgut und KEP-Sendungen integriert wird aktuell in Duumlsseldorf betrieben Dort kooperieren rund 150 Einzelhandelsbetriebe und Buumlrostandorte in der Kernstadt (bdquoEmpfaumlngerldquo) mit dem Logistiker ABC-Logistik in dem Projekt ABC Incharge Die Empfaumlnger geben als Lieferadresse das Umschlaglager von ABC im nahe gelegenen Rheinhafen an Dort werden die von Stuumlckgut- und KEP-Logistikern angelieferten Sendungen fuumlr die teilnehmenden Einzelhandelsbetriebe und Buumlrostandorte neu kommissioniert Im Ergebnis wird jeder Empfaumlnger durch ein Fahrzeug von ABC Incharge gebuumlndelt angefahren anstatt durch mehrere unter-schiedliche Anlieferer (vgl Abb 1) Seit 2019 wird im Rahmen eines durch Mittel des Nationalen Rad-verkehrsplans (Foumlrdergeber deutsches Bundesministerium fuumlr Verkehr und digitale Infrastruktur BMVI) gefoumlrderten Vorhabens der Einsatz von Lastenraumldern getestet7 Neben der Reduzierung des Auf-wandes fuumlr die Warenannahme Eingangskontrolle etc koumlnnen die teilnehmenden Empfaumlnger zusaumltz-liche logistische Dienstleistungen im Bereich Warehousing in Anspruch nehmen und ihren Online-Han-del uumlber das ABC Incharge Lager abwickeln Sie tragen im Gegenzug die Kosten der gebuumlndelten Zu-stellung zu ihrem Ladengeschaumlft und gegebenenfalls fuumlr weitere logistische Dienstleistungen Online beim stationaumlren Haumlndler oder im Laden gekaufte Produkte werden am ABC Incharge Lager fuumlr den Kundenversand vorbereitet und zugestellt sodass der Transport in das Ladengeschaumlft und die Zustel-lung ab Ladengeschaumlft zum Kunden entfaumlllt Dadurch werden zusaumltzliche Fahrten in die bzw aus der Innenstadt eingespart und die Sendungen erreichen die Kunden schneller Neben der Buumlndelung von Sendungen an den Handel bedient das Incharge-Konzept mit demselben Prinzip auch die Paketzustel-lung zu privaten Endkunden die sich ihre Sendungen an ihren Arbeitsplatz schicken lassen moumlchten Kooperationspartner des Logistikers ist in diesem Falle der Arbeitgeber der seinen Beschaumlftigten die Zustellung privater Sendungen an die Arbeitsstelle ermoumlglicht

Abb 1 Prinzip-skizze der ge-bietsbezogenen Buumlndelung durch Kooperation zwi-schen Empfaumlnger und Logistiker Quelle Eigene Darstellung

7 Projekt LOOP bdquoLogistische Optimierung der Einzelhandelsbelieferungldquo Kooperationsvorhaben der Fa ABC Logistik und der

Bergischen Universitaumlt Wuppertal (laufend)

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Gebietsspediteur Ansatz fuumlr eine regulatorische Gestaltung

Das vielfach diskutierte aber nach Kenntnis des Autors bislang in der Stadtlogistik nicht erfolgreich umgesetzte Konzessionsmodell lehnt sich an die Regulierung der kommunalen Entsorgungswirtschaft an Ein oder mehrere Konzessionsnehmer erhalten das ausschlieszligliche Recht eine bestimmte logisti-sche Dienstleistung (hier Entsorgung von Hausabfaumlllen) in einem Gebiet zu erbringen Der Konzessi-onsgeber (Stadt) regelt stellvertretend fuumlr die Nutznieszliger (Haushalte) mit dem Leistungserbringer (Ab-fallwirtschaftsbetrieb) die zu erbringende Leistung (u a Haumlufigkeit der Leerung der Muumllltonnen) und den Preis Grundlage der Konzessionsvergabe kann eine Ausschreibung der Leistungen sein Die Uumlbertragung dieses Modells auf die Versorgung des Handels und der privaten Endverbraucher er-scheint auf den ersten Blick erfolgversprechend da aus dem Logistikmarkt heraus derzeit kaum wirk-same gebietsbezogene Buumlndelungskonzepte fuumlr Innenstaumldte entstehen Rechtlich erscheint das Mo-dell moumlglich wenngleich es einen erheblichen Eingriff in den Logistikmarkt darstellt Die Geschaumlftsmo-delle neuer technologischer Konzepte fuumlr die Versorgung der Staumldte mittels unterirdischer Foumlrdersys-teme8 implizieren offenbar ein derartiges ausschlieszligliches Recht der Versorgung von Innenstaumldten Die Erstellungs- Betriebs- und Unterhaltungskosten einer vollstaumlndig neu zu errichtenden unterirdischen Verteilinfrastruktur koumlnnten im Wettbewerb mit Logistiksystemen die auf eine weitgehend kosten-freie oberirdische Verkehrsinfrastruktur in den Staumldten zugreifen koumlnnen vermutlich nur schwer er-wirtschaftet werden Problematisch ist u a die mit dem Konzessionsmodell einhergehende vertragliche Festlegung der lo-gistischen Dienstleistung und die Kontrolle der Leistungserbringung durch den Konzessionsgeber Stadt Individuelle Loumlsungen die sich im Markt etabliert und bewaumlhrt haben wuumlrden durch generali-sierte Leistungen abgeloumlst und die Stadtverwaltung muumlsste die Aufgabe der Leistungskontrolle und gegebenenfalls Sanktionierung ausuumlben Dafuumlr fehlt den Kommunen zurzeit jede fachliche Grundlage Technische und organisatorische Innovationen die derzeit im Wettbewerb entwickelt und erprobt werden wuumlrden vermutlich in einem Konzessionsmodell unterbleiben

Initiierung gebietsbezogener Buumlndelungskonzepte durch die Kommunen Die Kommunen haben wie oben bereits erwaumlhnt nur ein sehr eingeschraumlnktes Repertoire regulatori-scher und infrastruktureller Instrumente um eine gebietsbezogene Buumlndelung von Warenstroumlmen an-zuregen Der direkte Eingriff in den Markt mittels Konzessionsvergabe erscheint zwar vordergruumlndig reizvoll ist jedoch nicht zu empfehlen Die Bereitstellung von kleinen Umschlag- und Lagerflaumlchen (Mikro-Depots) in hochverdichteten Innen-stadtlagen seitens der Stadt ist ein wichtiger Impuls fuumlr eine gebietsbezogene Buumlndelung in der KEP-Logistik Folgerichtig sind Investitionskosten fuumlr kooperativ genutzte Mikro-Depots Gegenstand oumlffent-licher Foumlrderprogramme geworden9 Um die weithin bestehende Flaumlchenknappheit in geeigneten La-gen10 zu uumlberwinden wird von Aichinger et al (2020) vorgeschlagen kleine Logistikflaumlchen fuumlr die In-nenstadtversorgung bauplanungsrechtlich als bdquoGemeinbedarfsflaumlche fuumlr Logistikldquo auszuweisen und dadurch dem Wettbewerb mit anderen Nutzungen zu entziehen Es fehlen aber noch Konzepte und Erfahrungen wie derartige Umschlagpunkte diskriminierungsfrei nutzbar gemacht werden koumlnnen Hier kommen Betreibermodelle mit wettbewerblicher Vergabe in Betracht

8 Z B Cargo sous terrain (Schweiz) oder Cargo Cab (Deutschland) 9 Vgl Foumlrderrichtlinie Staumldtische Logistik des deutschen BMVI vom 05072019 10 Siehe Nitsch L (2020) Flaumlchenanforderungen alternativer Zustellkonzepte fuumlr Pakete in Wohn- und Mischgebieten Ba-

chelor-Thesis am Lehrstuhl fuumlr Guumlterverkehrsplanung und Transportlogistik der Bergischen Universitaumlt Wuppertal Wupper-tal

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Das Buumlndelungspotenzial in der innerstaumldtischen Paketlogistik kann mit derartigen Infrastrukturanrei-zen jedoch nicht vollstaumlndig ausgeschoumlpft werden weil horizontale Kooperationen von der KEP-Lo-gistikbranche regelmaumlszligig abgelehnt werden Mehr als ein bdquoNebeneinanderldquo gleichartiger logistischer Prozesse uumlber den Knoten Mikro-Depot kann so kaum initiiert werden (siehe Beispiel Komodo in Ber-lin) In der Stuumlckgutlogistik ist Kooperation dagegen eine etablierte Handlungsstrategie Durch ambitio-nierte Grenzwerte fuumlr Luftschadstoffe und Laumlrm in sensiblen Kernstadtbereichen kann der Einsatz spe-zialisierter Fahrzeuge im Verteilverkehr (mit batterieelektrischem oder Hybridantrieb sowie besonde-rer Laumlrmminderung bei Antrieb Reifen und Ladeeinrichtungen) wirtschaftlich sinnvoll werden und die Energiewende im Nutzfahrzeugverkehr gefoumlrdert werden Als Nebeneffekt ist eine Zunahme der emp-faumlngerbezogenen Buumlndelung zu erwarten Einzelne Spediteure werden sich auf die Innenstadtbeliefe-rung spezialisieren und die entsprechenden Fahrzeuge vorhalten sodass sich am Markt Gebietsspedi-teure ausbilden ohne dass ein Eingriff seitens der Kommunen erforderlich waumlre Nahezu ausgeschoumlpft werden koumlnnen die gebietsbezogenen Buumlndelungspotenziale wenn die privaten und gewerblichen Empfaumlnger von KEP- und Stuumlckgutsendungen an der Reorganisation der staumldtischen Versorgung aktiv mitwirken Das erwaumlhnte Beispiel aus Duumlsseldorf zeigt dass derartige Loumlsungen heute bereits am Markt etabliert werden koumlnnen Im Rahmen einer transformativ ausgerichteten For-schung sollten die erforderlichen Rahmenbedingungen weiter erkundet werden um das derzeit noch wesentliche Hemmnis fuumlr eine aktive Beteiligung des Handels ndash die heute uumlbliche bdquoFrei-Haus-Zustel-lungldquo ndash auszuraumlumen11 Die fehlende Kostentransparenz ist auch ein wesentliches Hemmnis fuumlr die aktive Mitwirkung privater Endverbraucher an der gebietsbezogenen Sendungsbuumlndelung Die Kosten der Zustellung an die Haus-tuumlr werden bei Online-Geschaumlften entweder nicht ausgewiesen oder sind unabhaumlngig vom Zustellort (Haustuumlr oder PaketshopPaketstation) Auszligerdem fehlt den Konsumenten meist die Moumlglichkeit durch die Auswahl eines KEP-Logistikers bei der Bestellung auf die Buumlndelung einzuwirken Die Kommunen haben keine direkte Einwirkungsmoumlglichkeit auf diese Preisgestaltung Sie koumlnnen mit Pull-Maszlignahmen steuern indem sie in den Wohngebieten und Geschaumlftszentren an gut zugaumlnglichen und stark frequentierten Punkten (u a OumlPNV-Knoten) den Bau von Paketstationen ermoumlglichen so-dass es fuumlr die Empfaumlnger bequemer wird ihre Sendungen dort abzuholen als zu riskieren zuhause nicht angetroffen zu werden Komplementaumlr weisen einige europaumlische Staumldte in ihren Innenstadtla-gen groumlszligere autoverkehrsfreie Bereiche aus in die der Lieferverkehr gegebenenfalls nur zeitlich be-grenzt einfahren darf Dadurch wird ebenfalls die Buumlndelung auf zentrale Zustellpunkte wie Mikro-Depots oder PaketshopsPaketstationen gefoumlrdert

11 Im Rahmen des o g NRVP-Vorhabens LOOP wird derzeit untersucht ob und ggf wie das Duumlsseldorfer Kooperationsmodell

von ABC Incharge auf Wuppertal uumlbertragen werden koumlnnte

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Steuerung der Energiewende im staumldtischen Lieferverkehr

Wenn die Einsparung von Verkehrsleistungen im staumldtischen Lieferverkehr weiterhin unter ihren the-oretischen Moumlglichkeiten bleibt weil die Potenziale einer gebietsbezogenen Sendungsbuumlndelung nicht ausgeschoumlpft werden (koumlnnen) dann erfaumlhrt die Energiewende eine entsprechend houmlhere Dringlich-keit Die Umstellung des Lieferverkehrs auf lokal emissionsfreie Fahrzeuge kommt aus Sicht des Autors allerdings langsamer voran als es moumlglich und geboten waumlre Die Ausweisung von kommunalen Niedrig- und Nullemissionszonen mit ausreichendem zeitlichen Vor-lauf (vgl Aichinger et al 2020) wuumlrde den im Lieferverkehr taumltigen Unternehmen Planungssicherheit fuumlr die Fahrzeugbeschaffung geben und die Fahrzeughersteller koumlnnten eine entsprechende Fahr-zeugnachfrage erwarten Als Hemmnis fuumlr ein solches Vorgehen wirkt in Deutschland die fehlende Rechtssicherheit Vorreiter-Kommunen die derartige Zonenkonzepte einfuumlhren wollten muumlssten der-zeit individuelle Loumlsungen fuumlr die Identifizierung und Kontrolle der einfahrtberechtigten Fahrzeuge er-arbeiten (bdquolokale blaue Plaketteldquo) Wesentlich sinnvoller waumlre eine Fortschreibung des bestehenden bundesgesetzlichen Rahmens der Umweltzonenregelung die ihre Lenkungswirkung verloren hat weil die aktuelle Fahrzeugflotte die Anforderungen fuumlr die sogenannte bdquogruumlne Plaketteldquo fast vollstaumlndig erfuumlllt In den Niederlanden hat die Staatsregierung einen solchen Rechtsrahmen inklusive der Beschil-derung zwischenzeitlich geschaffen (vgl Langenberg 2019) Eine Auswertung des Datensatzes der Erhebung bdquoKraftfahrzeugverkehr in Deutschland 2010ldquo (Wer-muth et al 2012) zeigt dass schon heute die meisten Touren im staumldtischen und regionalen Sammel- und Verteilverkehr durch batterieelektrisch betriebene Fahrzeuge bewaumlltigt werden koumlnnen In Abbil-dung 2 sind Tourlaumlngenverteilungen fuumlr die relevanten Fahrzeugsegmente dargestellt Rund 80 der Touren leichter Nutzfahrzeuge (LNF bis 35 t zulaumlssige Gesamtmasse) erfordern Reichweiten von max 120 km Schwere Nutzfahrzeuge (SNF) mit einer zulaumlssigen Gesamtmasse (zulGM) von 75 t bis 18 t werden auf Touren eingesetzt die zu 80 Reichweiten von bis zu rund 240-280 km erfordern12 Eine Gegenuumlberstellung der batterieelektrischen Reichweiten beispielhafter Nutzfahrzeuge (vgl Aichinger 2020 S 77) zeigt dass schon heute Fahrzeuge am Markt angeboten werden die uumlber maxi-male Reichweiten verfuumlgen um diese Anforderungen zu erfuumlllen Insbesondere die Nutzfahrzeugflotte der Klasse mit 35 t bis 75 t zulGM die in Deutschland ein mittleres Alter von 95 Jahren13 aufweist verspricht hohe Emissionsreduktionen durch den Wechsel auf batterieelektrisch betriebene Fahr-zeuge

12 Die daruumlberhinausgehenden Tourlaumlngen des Fahrzeugsegmentes bis 12 t zulGM sind wahrscheinlich mit der zum Erhe-

bungszeitpunkt guumlltigen Untergrenze des zulaumlssigen Gesamtgewichtes fuumlr die Mautpflicht im deutschen Autobahnnetz zu begruumlnden Dadurch wurden voruumlbergehend zahlreiche Nutzfahrzeuge mit 1199 t zulGM im Fernverkehr eingesetzt und erreichten entsprechend hohe Fahrtweiten

13 Eigene Berechnung auf Grundlage von KBA 2020

Leerkamp (2021) Ansaumltze fuumlr die Mobilitaumlts- und Energiewende im staumldtischen Guumlterverkehr DOI 10347261028

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Abb 2 Tourlaumlngenverteilung der relevanten Fahrzeugsegmente im Verteil- und Sammelverkehr (auszliger KEP-Fahrten) Daten-grundlage KiD 2010 eigene Auswertung Die kommunale Flaumlchennutzungsplanung und die Regionalplanung sollten trotz weiterhin erwartbarer Steigerungen der Leistungsfaumlhigkeit und der Reichweiten batterieelektrischer Antriebe darauf hinwir-ken dass Logistikflaumlchen fuumlr die Versorgung der Kernstaumldte nicht aus der Stadt verdraumlngt und dadurch die Fahrtweiten im Lieferverkehr weiter erhoumlht werden (siehe unten) Damit kann ein Beitrag dazu geleistet werden dass die technischen Anforderungen an die Elektrifizierung des staumldtischen Guumlter-verkehrs nicht weiter steigen Komplementaumlr muumlssen Gewerbegebiete an das Mittelspannungsnetz angeschlossen werden um die kuumlnftig steigende elektrische Leistungsaufnahme bei Ladevorgaumlngen zu bewaumlltigen Das von der Fahrzeugindustrie gegenuumlber Batteriewechselsystemen bevorzugte Schnell-laden stellt eine Herausforderung fuumlr die Netzsicherheit der kommunalen Verteilnetze dar

Sicherung von Logistikflaumlchen in der Stadt als Voraussetzung fuumlr Buumlndelung Logistiknutzungen sind im Wettbewerb um innerstaumldtische Grundstuumlcke gegenuumlber Wohnen und Buuml-ronutzungen in der Regel unterlegen weil sie nicht erwuumlnscht sind durch das oumlrtliche Baurecht aus-geschlossen werden oder weil sie die Grunderwerbskosten nicht wirtschaftlich tragen koumlnnen bdquoZur Versorgung der Stadt notwendigeldquo Logistikflaumlchen benoumltigen daher unter Umstaumlnden eine baurechtli-che Sicherung im Rahmen der Bauleitplanung Aichinger et al (2020) schlagen fuumlr das deutsche Bau-recht die Einfuumlhrung einer Gebietskategorie bdquoGemeinbedarfsflaumlche Logistikldquo vor Die schweizerische Staumldtekonferenz Mobilitaumlt empfiehlt eine obligatorische Logistikplanung fuumlr die Quartiersebene (Staumld-tekonferenz Mobilitaumlt 2019) Fuumlr die Nutzung als Mikro-Depot in der innerstaumldtischen Paketlogistik liegen Layout-Entwuumlrfe von kleinen Umschlagflaumlchen vor die die wesentlichen funktionalen und bau-lichen Merkmale detailliert beschreiben (IHK 2019) Beispiele fuumlr die Nutzung oumlffentlicher oder priva-ter aber oumlffentlich zugaumlnglicher Flaumlchen im Rahmen der innerstaumldtischen Logistik sind mittlerweile zahlreich vorhanden In Wien wird z B die temporaumlre Nutzung von Betriebsflaumlchen des oumlffentlichen Nahverkehrs erprobt um den Umschlag auf Lastenraumlder zu ermoumlglichen (siehe wwwremihubat)

Leerkamp (2021) Ansaumltze fuumlr die Mobilitaumlts- und Energiewende im staumldtischen Guumlterverkehr DOI 10347261028

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Neue Wege in der Energieraumplanung

Gernot Stoumlglehner (1)

DOI 10347261029

(1) UnivProf Dr Institut fuumlr Raumplanung Umweltplanung und Bodenordnung (IRUB) Department fuumlr Raum Landschaft und Architektur Universitaumlt fuumlr Bodenkultur (BOKU) Wien

Abstract

Die Energiewende zu schaffen ist nicht nur gesellschaftlicher Imperativ sondern auch eine Mammut-aufgabe die gemessen an der Groumlszlige der Aufgabe in relativ kurzer Zeit von sehr vielen Politikbereichen und Stakeholdern umzusetzen ist Daher ist eine strategische Herangehensweise bedeutend Wesent-liche Beitraumlge zur Strategiebildung und Strategieumsetzung kann Energieraumplanung leisten In die-sem Beitrag wird diskutiert worin strategische Aspekte der Energieraumplanung liegen in einer stra-tegischen Datenbasis fuumlr die Energiewende in einer Planungsmethodik zur Schaffung von raumlumlichen Voraussetzungen fuumlr Energieeffizienz und der Nutzung erneuerbarer Energien in institutionellen Rah-menbedingungen fuumlr eine gelingende Umsetzung und in der Unterstuumltzung von Sektorkopplung als wichtiges Element der Energiewende Da ein wesentlicher Teil von Strategiebildung gesellschaftliche Lernprozesse sind schlieszligt der Beitrag mit Uumlberlegungen zur Didaktik der Energieraumplanung und zeigt moumlgliche Beitraumlge der Energieraumplanung zur Energiewende auf

Schluumlsselbegriffe

Energieraumplanung Klimaschutz Energiewende Strategie Stoumlglehner G (2021) Neue Wege in der Energieraumplanung In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Ener-gieraumplanung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S110-118

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Inhalt Ausgangslage 112

Strategie in der Energieraumplanung 113

Strategische Datenbasis 113

Planungsmethodik 114

Institutionelle Rahmenbedingungen 115

Sektorkopplung als neue Herausforderung fuumlr die Energieraumplanung 115

Didaktik der Energieraumplanung 116

Fazit 116

Literatur 117

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Ausgangslage

Die Energiewende ist aus Klimaschutzgruumlnden nicht nur zwingend umzusetzen sie ist auch mit erheb-lichen Herausforderungen verbunden Diese erwachsen nicht zuletzt aus der Raum- und Siedlungsent-wicklung und der damit verbundenen Mobilitaumlt Waumlhrend die Gesamttreibhausgasemissionen in Oumls-terreich seit 1990 dem Basisjahr des Kyoto-Protokolls leicht gestiegen sind (UBA 2019) und eine sub-stanzielle strukturelle Trendwende abseits von Konjunkturschwankungen nach wie vor nicht zu erken-nen ist ruumlckt der Zeitpunkt der Null-Emissionsziele schon recht nahe Ein wesentlicher Treiber sind raumlumliche Entwicklungen die damit verbundenen Bauten und Anlagen sowie die Art und Weise wie der Raum von Menschen und Unternehmen angeeignet wird Um die Groumlszlige des Problems zu verdeut-lichen wird auf die Baulandreserven in Oumlsterreich verwiesen Diese sind so hoch dass bei Erfuumlllung des 25-Hektar-Bodenschutzziels der Nachhaltigkeitsstrategie 2002 (BMLFUW 2002) und des aktuellen Regierungsprogramms (Die neue Volkspartei amp Die Gruumlnen 2020) ndash das bedeutet dass die taumlgliche zusaumltzliche Flaumlcheninanspruchnahme fuumlr Bauland und Infrastruktur von derzeit ca 13 ha (UBA 2002) auf 25 ha begrenzt werden soll ndash Baulandreserven bis 2100 vorhanden sind (Neugebauer 2020) Es duumlrfte daher in den naumlchsten 80 () Jahren kein Quadratmeter Bauland mehr gewidmet werden ohne an anderer Stelle ruumlckgewidmet zu werden Auch daran erkennt man dass aus Sicht der Raumplanung massive Eingriffe notwendig sein werden um Nachhaltigkeitsziele zu erfuumlllen Mit dieser Flaumlcheninan-spruchnahme geht ein Steigen des Energieverbrauchs einher der insbesondere in den Bereichen graue Energie Waumlrme und Mobilitaumlt auch Treibhausgaswirksamkeit entfaltet Es sind zwar die Treibhaus-gasemissionen im Gebaumludesektor trotz der regen Bautaumltigkeit ruumlcklaumlufig allerdings wird dies durch Zunahme der Treibhausgasemissionen im Verkehr (ca 72 plus seit 1990 dem Basisjahr des Kyoto-Protokolls) sodass seit 1990 die Treibhausgasemissionen insgesamt um knapp 5 gestiegen sind Vor diesem Hintergrund gewinnt Energieraumplanung als bdquojener integrale Bestandteil der Raumpla-nung der sich mit den raumlumlichen Dimensionen von Energieverbrauch und Energieversorgung umfas-send beschaumlftigtldquo (Stoumlglehner et al 2014 S 26) rasant an Bedeutung Die raumlumliche Dimension des Energieverbrauchs bedeutet im Wesentlichen energieeffiziente Raum- und Siedlungsstrukturen zu schaffen die sich durch Funktionsmischung maszligvolle Dichte Kompaktheit Innenentwicklung und die Beruumlcksichtigung von entsprechenden Lagekriterien und energetischen Aspekten wie Topographie und Exposition bei der Standortwahl auszeichnen Damit uumlberdeckt sich Energieraumplanung mit den Ge-staltungsprinzipien diverser Leitbilder einer nachhaltigen Raumentwicklung und wirkt auf den Energie-bedarf von Wirtschaft und Gesellschaft Die raumlumliche Dimension der Energieversorgung umfasst Be-darfsfragen nach Energieversorgungsanlagen (Energiegewinnung -verteilung und -speicherung) die Standortsicherung einschlieszliglich der Vermeidung von Nutzungskonflikten sowie die Ressourcensiche-rung Dies betrifft insbesondere die Freihaltung von zusammenhaumlngenden Landschaftsteilen fuumlr die Energiegewinnung z B Vorrangflaumlchen fuumlr Windkraftanlagen Energieeffiziente Raum- und Siedlungs-strukturen die gleichzeitig eine flaumlchensparende Bauland- und Infrastrukturentwicklung ermoumlglichen unterstuumltzen dieses Ziel Gleichzeitig koumlnnen leitungsgebundene Energieversorgungssysteme besser in diesen Strukturen betrieben werden da Funktionsmischung zur zeitlichen Vergleichmaumlszligigung des Be-darfs im Tagesverlauf und Dichte zu mehr Effizienz von Versorgungsanlagen fuumlhren (Stoeglehner et al 2016) Ergaumlnzung der Planungsziele und -grundsaumltze stufenweise Integration von raumlumlichen Energie- bzw Mobilitaumltskonzepten energieoptimierte und integrierte Flaumlchenwidmungs- und Bebauungsplanung Entwickeln und Anwenden von standardisierten Methoden zur Energieraumplanung Bodenpolitik und Baulandmobilisierung Energieplanung uumlbergeordneter Infrastruktur

Abb 1 Prioritaumlre Handlungsempfehlungen laut OumlROK-Partnerschaft (Auszug Stoumlglehner et al 2014)

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Die OumlREK-Partnerschaft Energieraumplanung I hat daher verschiedene Handlungsempfehlungen un-terbreitet um die raumlumlichen Dimensionen von Energieverbrauch und Energieversorgung in die Raum-planung zu integrieren (vgl Abb 1) Die derzeitig im Amt befindliche Bundesregierung hat in ihrem Regierungsuumlbereinkommen das Thema Energieraumplanung sowohl in Bezug auf den Klimaschutz als auch den Bodenschutz mit Blick auf eine zukunftsfaumlhige Raumordnung aufgenommen bdquoRaumplanerische Aspekte des Klimaschutzes sollen durch eine (auf den derzeit schon bestehenden Bundeskompetenzen basierende) gesetzliche Regelung zur Fachplanungskompetenz des Bundes geregelt werdenldquo (Die neue Volkspartei amp Die Gruumlnen 2020 S 74 104) Vor diesem Hintergrund widmet sich dieser Beitrag in weiterer Folge Moumlglichkeiten mit strategischen Zugaumlngen Energieraumplanung umzusetzen und diskutiert diese anhand von Beispielen aus der For-schung des Instituts fuumlr Raumplanung Umweltplanung und Bodenordnung der Universitaumlt fuumlr Boden-kultur Wien (IRUB)

Strategie in der Energieraumplanung Mit Strategie in der Raumplanung und damit auch in der Energieraumplanung ist grundsaumltzlich die Orientierung an Leitbildern Visionen und Zielen der Blick auf die Gesamtsicht und nicht auf die Details das Denken in Planungsvarianten sowohl in Bezug auf Ziele als auch die daraus abzuleitenden Maszlig-nahmen sowie die Organisation des Planungsprozesses als gesellschaftlicher Lernprozess (Stoumlglehner 2020a) Bezuumlglich der Auffassung von Planen als Lernprozess ist es interessant sich mit didaktischen Fragen zu beschaumlftigen Wird die Wissenstreppe (North et al 2016) dafuumlr herangezogen gilt es im Sinne eines strategischen Wissensmanagements Prozesse der Energieraumplanung so zu gestalten dass Planungsakteurinnen und -akteure aufbauend auf entsprechenden Daten und deren Vernetzung zu einem kompetenten d h zu einem wissensbasierten zielgerichteten und richtigem Handeln kom-men koumlnnen Dafuumlr sind (1) eine strategische Datenbasis (2) entsprechende Planungsmethoden und (3) institutionelle Rahmenbedingungen notwendig wie in weiterer Folge an zwei Beispielen erlaumlutert wird

Strategische Datenbasis

Eine strategische Datenbasis stellt eine wissenschaftlich pruumlfbare Sachebene im Planungsprozess dar Vielfach bestehen Wahrnehmungen auf der Sachebene die mit wissenschaftlich pruumlfbaren Sachver-halten nicht in Einklang zu bringen sind aber massiv handlungsleitend wirken Ein Beispiel waumlren ver-zerrte Wahrnehmungen des fossilen Energieanteils in der Energieversorgung Wenn Akteurinnen den fossilen Energieanteil unterschaumltzen koumlnnen sie notwendige Maszlignahmen als nicht relevant einstufen Diese Einschaumltzung kann selbst bei Akteuren die auf der Werteebene die Energiewende hoch gewich-ten dazu fuumlhren dass notwendige Maszlignahmen fuumlr die Energiewende nicht gesetzt werden (Erker et al 2017) Eine strategische Wissensbasis hilft hier Klarheit auf der Sachebene herzustellen indem nicht nur Basisdaten bereitgestellt werden sondern indem diese auch mit einer Datenanalyse (zur Kenn-zeichnung von Potentialen oder Restriktionen) verbunden werden Damit stellt eine strategische Da-tenbasis strategisch relevantes Wissen fruumlh im Planungsprozess zur Verfuumlgung sodass auch Lernen auf der Wertebene das Verhandeln von Interessen zwischen Akteurinnen und Akteuren sowie das Erken-nen von Planungsfolgen unterstuumltzt wird (Stoeglehner 2020b)

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Ein Beispiel fuumlr eine derartige strategische Datenbasis waumlre das Energiemosaik Oumlsterreich (wwwener-giemosaikat Abart-Heriszt et al 2020) Hier werden Energie- und Treibhausgasbilanzen frei verfuumlgbar im Netz bereitgestellt sodass ein faktenbasierter Einstieg in das Energiethema erleichtert wird So kann die Zielformulierung und das Identifizieren von Handlungsfeldern fuumlr kommunale und regionale Energiestrategien unterstuumltzt werden Einen Schritt weiter geht die Datenbasis fuumlr die Energieraumplanung in der Steiermark die in ein ent-sprechendes Gesamtkonzept eingebunden ist Die Datenbasis besteht zum einen aus Informationen die dem Energiemosaik Oumlsterreich allerdings in feinerer raumlumlicher Aufloumlsung im 250-m-Raster ent-sprechen und mit Abschaumltzungen uumlber energetische Potenziale ergaumlnzt sind Zum anderen werden flauml-chenhafte Auswertungen des Datenbestandes angeboten indem Standortraumlume fuumlr Fernwaumlrmever-sorgung und energiesparende Mobilitaumlt bereitgestellt werden Wie mit diesen Informationen umge-gangen werden kann wurde in einem entsprechenden Planungsleitfaden dargestellt

Abb 2 Standortraumlume fuumlr Fernwaumlrmeversorgung (links) und klimafreundli-che energiesparende Mo-bilitaumlt (rechts) Quelle Ab-art-Heriszt und Stoumlglehner 2019

Planungsmethodik

In der Steiermark wurde eine Planungsmethodik gemeinsam mit Fallbeispielen entwickelt wie die energieraumplanerischen Analysen d h die Energie- und Treibhausgasbilanzen die Potenzialanalysen und die vom IRUB abgegrenzten Standortraumlume fuumlr Fernwaumlrmeversorgung und energiesparende Mo-bilitaumlt in das oumlrtliche Entwicklungskonzept integriert werden koumlnnen (Abart-Heriszt und Stoumlglehner 2019) Dabei wird das Hauptaugenmerk auf die planerische Abwaumlgung zwischen Aspekten der Ener-gieraumplanung und allen weiteren Aspekten der oumlrtlichen Raumplanung gelegt Durch die Standort-raumlume wurde eine Moumlglichkeit geschaffen jene Ortsteile mit einer ausreichend hohen Nutzungsinten-sitaumlt und Nutzungsdichte zu identifizieren die fuumlr Fernwaumlrmeversorgung und energiesparende Mobi-litaumltsformen im Umweltverbund geeignet sind Es werden klare Hinweise gegeben wohin die kuumlnftige Siedlungsentwicklung im Zeichen von Klima-schutz und Energiewende gelenkt werden soll Dies ist durch die Abgrenzungsmethodik der Standort-raumlume gewaumlhrleistet gemaumlszlig der nach funktionsgemischten maszligvoll dichten raumlumlichen Strukturen gesucht wird in denen zum einen Mindestverbrauchsdichten fuumlr leitungsgebundene Energie als auch kurze Wege zwischen den einzelnen Raumfunktionen erzielt werden sollen Nicht zuletzt ermoumlglichen die Standortraumlume zu erkennen wo Innenentwicklung prioritaumlr stattfinden soll und wie damit der uumlberbordenden Flaumlcheninanspruchnahme fuumlr Bauland und Infrastruktur Vorschub geleistet werden kann Damit sind die Voraussetzungen gegeben dass Lernen im Planungsprozess sowohl auf der Sachebene als auch auf der Wertebene unterstuumltzt wird Auf der Sachebene werden potenzielle Wis-sensluumlcken sowie Luumlcken zwischen wissenschaftlich pruumlfbarer und wahrgenommener Sachebene ge-schlossen Auf der Wertebene koumlnnen die Unterstuumltzung von Klimaschutz und Energiewende profund mit weiteren oumlffentlichen Interessen und Entwicklungsperspektiven abgewogen werden

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Institutionelle Rahmenbedingungen

Grundsaumltzlich koumlnnen vier Pfade staatlichen Handelns angewendet werden um Strategien wie jene der Energieraumplanung ganzheitlich umzusetzen (1) rechtliche Rahmenbedingungen (2) finanzielle Anreize (3) oumlffentliche Investitionen sowie (4) Bewusstseinsbildung Am Beispiel der Steiermark kann dargestellt werden dass fast alle Optionen fuumlr die Umsetzung der Energieraumplanung genutzt wer-den

(1) Im rechtlichen Rahmen des Steiermaumlrkischen Raumordnungsgesetzes ist die Erstellung von er-gaumlnzenden Sachbereichskonzepten zum oumlrtlichen Entwicklungskonzept vorgesehen Dieser rechtliche Rahmen wird mit der Initiative Energieraumplanung in der Steiermark mit Leben erfuumlllt

(2) Als finanziellen Anreiz hat das Land Steiermark ein Foumlrderprogramm aufgelegt mit dem die Gemeinden dabei unterstuumltzt werden Sachbereichskonzepte Energie im Rahmen des oumlrtli-chen Entwicklungskonzeptes zu erstellen Planungsziele festzulegen und die Abstimmung von Siedlungsentwicklung und Festlegungen zur Energieraumplanung umzusetzen Auszahlungs-bedingung fuumlr die Foumlrderung ist die Integration in die Verordnung zum oumlrtlichen Entwicklungs-konzept binnen 24 Monaten ab Foumlrderzusage

(3) Wenn ein Sachbereichskonzept Energie vorliegt kann im Rahmen des Foumlrderprogramms auch um die Unterstuumltzung von oumlffentlichen Investitionen in die Energieinfrastruktur angesucht werden Daruumlber hinaus sollen die Festlegungen zur Energieraumplanung auch auf Investitio-nen von Privaten und Kommunen wirken da jene Bereiche dargestellt werden die einen wirt-schaftlichen Betrieb leitungsgebundener Energieinfrastruktur und ein houmlheres Maszlig an Mobi-litaumlt im Umweltverbund erwarten lassen

(4) Bewusstseinsbildung wird zum einen durch die schon angesprochene Datenbasis und den Pla-nungsleitfaden zum anderen durch ein Schulungsprogramm fuumlr Ortsplanerinnen und Gemein-devertreterinnen das stark nachgefragt wurde deutlich gestaumlrkt Zudem haben fast alle in der Steiermark taumltigen Ortsplaner sowie Vertreter von ca einem Drittel aller steiermaumlrkischen Ge-meinden an den Veranstaltungen teilgenommen

Diese Beispiele zeigen dass der anspruchsvolle strategische Zugang zur Energieraumplanung durchaus mit Leben erfuumlllt werden kann wenn eine strategische Datenbasis und eine entsprechende Planungs-methodik angeboten werden deren Anwendung in einen institutionellen Rahmen eingebettet ist der alle Aspekte staatlichen Handelns abdeckt

Sektorkopplung als neue Herausforderung fuumlr die Energieraumplanung

Ein wesentlicher Grund warum ich die Auseinandersetzung mit leitungsgebundenen Energietraumlgern auch in Zukunft fuumlr notwendig erachte ist das Thema der Sektorkopplung Unter diesem Titel sollen Systemloumlsungen fuumlr die Verbindung verschiedener Infrastrukturen Technologien und Dienstleistun-gen fuumlr die Kopplung von Elektrizitaumlt Waumlrme und Mobilitaumlt sowie fuumlr die Integration von volatilen erneuerbaren Energietraumlgern wie Sonne und Wind angeboten werden (BMNT BMVIT 2018) Ein ener-gieraumplanerischer Beitrag zur Unterstuumltzung von Sektorkopplung ist das hochaufgeloumlste raum-zeit-liche Modellieren von Energieverbrauch und lokal verfuumlgbaren Energieversorgungspotenzialen bei dem Nutzungsintensitaumlt (Funktionsmischung und Dichte) und die Integration verschiedener erneuer-barer Energietraumlger zur Ermittlung von Sektorkopplungspotenzialen sowie Netz- bzw Speicherbedarf herangezogen werden (Ramirez-Camargo amp Stoeglehner 2018) Bei Photovoltaik (PV) werden Energie-gewinnungspotenziale auf Dachflaumlchen im 1-m-Raster unter Beruumlcksichtigung des ortsspezifischen me-teorologischen Normjahres mit dem lokal aufgrund der Nutzungsstruktur vorhandenen Energiever-brauch in 1-Stunden-Betrachtungen im Jahresverlauf uumlberlagert

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Werden diese Betrachtungen uumlber ganze Kommunen angestellt kommt man z B zum Ergebnis dass bei voller Ausnutzung der Dachflaumlchen mit PV sehr wahrscheinlich Uumlberschuumlsse in der Stromproduk-tion erzielt werden koumlnnen jedoch nur etwa ein Drittel des gewonnenen Stroms am jeweiligen Ort und zur jeweiligen Zeit unmittelbar benoumltigt werden Zwei Drittel stellen damit das Sektorkopplungs-potenzial dar z B in Power-to-HeatCold- bzw Power-to-Chemicals-Loumlsungen bzw benoumltigen stati-onaumlre oder mobile Speicher insbesondere zur Bereitstellung von Strom fuumlr elektrische Fahrzeuge Je geringer der Anteil des PV-Stroms am Jahresstrombedarf ist desto houmlher steigt der Anteil der Eigen-bedarfsdeckung Mit diesen Ergebnissen koumlnnen jenseits der Jahresbilanz in hoher raumlumlicher und zeitlicher Aufloumlsung realistische Szenarien als strategische Entscheidungsgrundlage fuumlr Energieraumplanung und lokale bzw regionale Energiestrategien erstellt werden Die raumlumliche und zeitliche Betrachtung ermoumlglicht damit einen weiteren Qualitaumltssprung in der Energieraumplanung

Didaktik der Energieraumplanung

Wird das Lernen im Planungsprozess als wesentliches Strategiemerkmal fuumlr Raumplanung einschlieszlig-lich der Energieraumplanung betrachtet stellt sich die Frage der Didaktik fuumlr diese Lernprozesse Hier soll in Analogie zu didaktischen Konzepten (vgl Biggs amp Tang 2011 Gudjons amp Traub 2020 North et al 2016 Winteler 2011) einige Uumlberlegungen angestellt werden Dabei ist zu beruumlcksichtigen dass es sich bei Planungsprozessen um soziale Lernprozesse in informellen Lern- und Planungssituationen handelt an denen in erster Linie Entscheidungstraumlgerinnen und Entscheidungstraumlger die interessierte und die betroffene Oumlffentlichkeit sowie die Planerinnen und Planer beteiligt sind (Peer amp Stoeglehner 2013) Das Ergebnis der Planung ist grundsaumltzlich offen und vom Lernprozess beeinflusst Klassische Didaktikkonzepte beschaumlftigen sich mit Lernzielen Lerninhalten Lernmethoden und Lern-ergebnissen Wird diese Herangehensweise auf Energieraumplanung uumlbertragen so waumlre das Lernziel die Energiewende und den Klimaschutz voranzubringen indem die Siedlungsentwicklung mit diesen Anliegen abgestimmt wird Als Lerninhalt waumlre ein tieferes und systemisches Verstaumlndnis fuumlr Zusam-menhaumlnge von Raumplanung Klimaschutz und Energiewende zu nennen um raumplanerische Gestal-tungsmoumlglichkeiten fuumlr Energiewende und Klimaschutz nutzen zu koumlnnen und gleichzeitig zu erkennen dass diese Anliegen eine nachhaltige raumlumliche Entwicklung und mehr Lebensqualitaumlt fuumlr die Bevoumllke-rung befoumlrdern koumlnnen An Lernmethoden koumlnnen u a Kommunikation Partizipation Einsetzen von strategischen Datenbasen Planungsinstrumenten strategischen Planungsmethoden und Planungs-tools eingesetzt werden um Erkenntnisprozesse auf der Sach- und auf der Wertebene in Gang zu set-zen Schlussendlich waumlre als Lernergebnis die rechtliche Verankerung in den Plaumlnen und Programmen der uumlberoumlrtlichen und oumlrtlichen Raumplanung sowie die praktische Umsetzung von Energieraumpla-nung zu sehen

Fazit Energiewende und Klimaschutz als zentrale gesellschaftliche Herausforderungen brauchen energie-raumplanerische Unterstuumltzung da raumlumliche Strukturen die Gestaltungsmoumlglichkeiten der Energie-wende wesentlich beeinflussen Dafuumlr sind strategische Herangehensweisen notwendig die alle Ebe-nen und Handlungsoptionen staatlichen Handelns einsetzen um nicht nur schluumlssige Planungen vor-legen zu koumlnnen sondern auch deren Umsetzung zu begleiten In diesem Beitrag wurden sowohl grundsaumltzliche Uumlberlegungen vorgestellt die der derzeitigen For-schung zur Energieraumplanung am IRUB zu Grunde liegen als auch Beispiele fuumlr deren Umsetzung diskutiert Damit kann aufgezeigt werden dass Raumplanung in vielerlei Hinsicht einen wesentlichen

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Beitrag fuumlr Klimaschutz und Energiewende leisten kann Raumplanung bietet zunaumlchst rechtliche Rah-menbedingungen um Klimaschutz und Energiewende auf regionaler und lokaler Ebene implementie-ren zu koumlnnen Hier waumlre die Verbindlichkeit von klimaschutz- und energiewendeorientierten Pla-nungszielen zu erhoumlhen um diese Aspekte in der planerischen Abwaumlgung entsprechend hoch zu ge-wichten In Planungsprozessen kann Bewusstseinsbildung unmittelbar vorangetrieben werden sofern diese partizipativ gestaltet werden Daruumlber hinaus besteht das Potenzial energieraumplanerische Herangehensweisen zur Gestaltung von finanziellen Anreizsystemen und Lenkung oumlffentlicher Investi-tionen im Sinne von Klimaschutz und Energiewende anzuwenden wenn energieraumplanerische As-pekte ndash insbesondere auch Lagekriterien sowie bodenpolitische Instrumentarien ndash in die finanziellen Anreiz- und Lenkungssysteme integriert werden Damit bleibt zu hoffen dass diese Moumlglichkeiten umfassend genutzt und laufend weiterentwickelt werden

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Die deutsche Energiewende zwischen Wirtschafts- und Klimazielen ndash eine geographische Perspektive

Britta Klagge (1)

DOI 10347261030

(1) Prof Dr Geographisches Institut der Universitaumlt Bonn

Abstract

Die deutsche Energiewende wird weltweit als Erfolgsmodell fuumlr eine dezentrale Umstellung auf erneu-erbare Energien (EE) diskutiert Dabei wird oft uumlbersehen dass diese sich bisher weitgehend auf den Stromsektor beschraumlnkt hat waumlhrend die Umstellung des Waumlrme- und Verkehrssektors nur zoumlgerlich voranschreitet Weiterhin gingen steigende EE-Anteile in der Stromerzeugung lange nicht mit einer entsprechenden Reduzierung der Treibhausgasemissionen einher Der Beitrag erlaumlutert die zugrunde-liegenden Governance-Strukturen und deren Einordnung im Schnittfeld von Raumplanung Wirt-schafts- und Klimapolitik Anhand von zwei aktuelleren klima- und energiepolitischen Maszlignahmen (Klimapaket 2019 SINTEG-Modellregionen 2017-2020) wird deutlich dass der Fokus der juumlngeren deutschen Energiewendepolitik ndash wie bisher ndash vor allem auf EE als Wirtschaftsfaktor liegt wobei nun eine Ausweitung auf den Waumlrme- und Verkehrssektor angestrebt wird Aus geographischer Perspek-tive laumlsst sich konstatieren dass die Maszlignahmen zwar dezentrale bzw regionale Strukturen beruumlck-sichtigen und nutzen jedoch insbesondere zur Effizienzsteigerung und weniger um damit partizipative Strukturen zivilgesellschaftliches Engagement oder Debatten zur Nachhaltigkeit der Energiewende zu befoumlrdern

Schluumlsselbegriffe

Erneuerbare Energien (Mehrebenen-)Governance Effizienz- und Marktorientierung Klimapolitik Nachhaltigkeitsstrategien

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Inhalt Einfuumlhrung 121

Geographien und Governance der deutschen Energiewende 121

Die deutsche Energiewende positive wirtschaftliche Effekte aber klimapolitisch (bisher) kein Erfolg 123

Aktuelle klima- bzw energiepolitische Maszlignahmen Klimapaket (2019) und SINTEG-Modellregionen (2017-2020) 124

Das Klimapaket von 2019 umfangreiches Investitionsprogramm aber klimapolitisch wenig ambitioniert 124

SINTEG 2017-2020 Foumlrderung von Modellregionen fuumlr smarte (Verteil-)Netze und flexible Maumlrkte durch Digitalisierung 125

Fazit und Ausblick 126

Literatur 127

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Einfuumlhrung

Die deutsche Energiewende also der Umbau des deutschen Energiesystems zu erneuerbaren Ener-gien befindet sich an einem kritischen Punkt Bisherige Maszlignahmen haben im Stromsektor viel er-reicht und insbesondere bei der Stromerzeugung aus Wind und Sonne sind groszlige technologische Fort-schritte verbunden mit deutlichen Kostensenkungen zu verzeichnen Dennoch bleiben mit Blick auf das gesamte Energiesystem eine Vielzahl von Herausforderungen die sich stichwortartig folgender-maszligen benennen lassen Oumlkonomische Effizienz undoder soziale Gerechtigkeit Technologieentwick-lung vor allem bei Stromspeicherung und Netzstabilitaumlt Ressourcenverbrauch bzw -effizienz sowie Flaumlchenverbrauch und -konkurrenzen Umwelt- und Klimaschutz vor allem Minderung der CO2-Emis-sionen Ausweitung auf Waumlrme- und Verkehrssektor bzw Sektorkopplung sowie nicht zuletzt die Ak-zeptanz Diese aktuellen Herausforderungen der deutschen Energiewende bewegen sich im Uumlber-schneidungsbereich technologischer soziooumlkonomischer und politisch-planerischer Entwicklungen und erfordern eine integrative Herangehensweise Im vorliegenden Beitrag wird aus Sicht der Geographie die Frage aufgeworfen wie der Next Level also die naumlchste Phase der Energiewende aussehen kann und in welche Richtung die aktuell verfolgte Po-litik weist Dazu wird zum einen die Bedeutung der regionalen Ebene sowie regionaler und zivilgesell-schaftlicher Akteure diskutiert die in der Fruumlhphase eine wichtige Rolle spielten Zum anderen werden Ausrichtung und Erfolge der Energiewende-Politik im Spannungsfeld von Wirtschafts- und Klimazielen analysiert Neben wirtschaftlichen Effekten und der Minderung von CO2-Emissionen geht es auch da-rum inwieweit bisherige und aktuelle Energiewende-Entwicklungen sowie aktuelle politische Maszlig-nahmen als nachhaltig bezeichnet werden koumlnnen Hierzu wird auf die drei in der Literatur diskutierten Nachhaltigkeitsstrategien ndash Effizienz Konsistenz und Suffizienz1 ndash Bezug genommen (Huber 2000 Pufeacute 2017 von Winterfeld 2007) Als Grundlage fuumlr die weiteren Uumlberlegungen folgen zunaumlchst Ausfuumlhrungen zum bisherigen Verlauf der Energiewende aus einer geographischen (Governance-)Perspektive und deren Einordnung im Schnittfeld von Raumplanung Wirtschafts- und Klimapolitik Anschlieszligend wird gezeigt dass die bis-herige Energiewende hinsichtlich der Minderung der CO2-Emissionen erst seit sehr kurzer Zeit erfolg-reich ist und hierfuumlr vor allem externe Entwicklungen verantwortlich sind Vor diesem Hintergrund werden das Klimapaket von 2019 sowie das SINTEG-Modellprogramm (2017-2020) als aktuelle Maszlig-nahmen der deutschen Energiewende-Politik vorgestellt und hinsichtlich ihrer wirtschafts- und klima-politischen Zielsetzungen sowie der Bedeutung von Nachhaltigkeitsstrategien diskutiert Im abschlie-szligenden Fazit werden Schlussfolgerungen zu einem moumlglichen Next Level der deutschen Energiewende gezogen

Geographien und Governance der deutschen Energiewende

Bevor wir uns der Frage nach der Zukunft zuwenden geht der Blick zuruumlck Die deutsche Energiewende hatte am Anfang eine stark dezentrale bzw regionale Dimension (Klagge amp Brocke 2013) Sie war ge-praumlgt durch eine Vielzahl kleinerer und uumlber das ganze Land verteilter Anlagen Dabei orientierten sich die Muster auch an den natuumlrlichen Gegebenheiten mit vielen Windanlagen im Norden und den meis-ten PV2-Anlagen im Suumlden (vgl hier und im Folgenden Campos Silva amp Klagge 2018) Die wichtigsten

1 Effizienz bezieht sich auf ein verbessertes Verhaumlltnis zwischen Ressourceneinsatz und Output also das Verhaumlltnis zwischen

Input und Output ndash z B durch neue wirksamere Technologien ndash zu optimieren Bei Konsistenz geht es um den Erhalt natuumlr-licher Ressourcen durch naturvertraumlgliche Prozesse und Technologien insbesondere im Sinne einer Kreislaufwirtschaft Suf-fizienz richtet sich auf einen geringeren Ressourcenverbrauch durch die Reduktion des Konsums bzw der Nachfrage

2 PV Photovoltaik

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Investoren waren zu Beginn Landwirte und Buumlrger die sich teilweise zu Buumlrgerenergiegenossenschaf-ten bzw in anderen Rechtsformen (z B GmbH amp Co KG) zusammenschlossen Damit verbunden wa-ren vielerorts zivilgesellschaftliche Energiewende- und Klimaschutz-Initiativen als weitere neue Parti-zipations- und Organisationsformen auf lokaler Ebene (Bauriedl 2016 Moss et al 2015) weit verbrei-tete Beispiele sind 100 -Erneuerbare-Energien-Regionen lokale Klimaschutzkonzepte oder Bio-Ener-giedoumlrfer Manche Stadt- und Regionalwerke gehoumlrten als lokale bzw regionale Akteure ebenfalls zu den Treibern allerdings waren diesbezuumlglich zu Beginn der Energiewende groszlige Unterschiede festzu-stellen und nur wenige Pioniere bzw Pionierregionen auszumachen (Klagge amp Brocke 2013) Inzwischen spielen groszlige Anlagen und regionsexterne Investoren eine immer wichtigere Rolle Dazu gehoumlren Projektierungsgesellschaften die vielfach mit der Energiewende gewachsen sind aber auch die lange zoumlgernden groszligen Energiekonzerne sowie viele Stadt- und Regionalwerke (Berkel 2013 Cam-pos Silva amp Klagge 2018 Greenpeace 2011) Ein wachsendes Problembewusstsein fuumlr negative Effekte von Erneuerbare-Energie-Anlagen in deren unmittelbarer Naumlhe haben allerdings Akzeptanzprobleme und Konflikte befoumlrdert und zwar vor allem dort wo vor Ort keine Teilhabe an den positiven insbe-sondere finanziellen Wirkungen besteht (Bosch 2021) Die aktuelle Energiewende-Politik traumlgt dem Rechnung indem sie einerseits auf planerischer Ebene Regeln fuumlr den Abstand von Erneuerbare-Ener-gie-Anlagen zur Wohnbebauung erwaumlgt und festsetzt sowie andererseits die Moumlglichkeiten der lokalen Teilhabe durch politisch-planerische Regelungen diskutiert werden (z B Beirat fuumlr Raumentwicklung 2015 S 10 ff BWE 2020) Jenseits lokaler Loumlsungsansaumltze verbleiben jedoch die oben genannten Her-ausforderungen die einen integrierten Ansatz erfordern der technologische mit wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aspekten verknuumlpft und dabei Fragen des Gemeinwohls sowie der Verfahrens- und Verteilungsgerechtigkeit beruumlcksichtigt Eine offene Frage ist dabei welche Bedeutung regionale und zivilgesellschaftliche Strukturen in den Governance-Strukturen der Energiewende haben sollen bzw koumlnnen Die Energiewende die in der Literatur haumlufig als soziotechnische Transition konzeptualisiert wird ist ein politisch gesteuerter Prozess (Becker amp Klagge 2017 Moss 2021 Schmid et al 2016) Politische Akteure auf unterschiedlichen Maszligstabsebenen setzen Rahmenbedingungen und Anreize innerhalb derer privatwirtschaftlich agierende ndash darunter oumlffentliche und zivilgesellschaftliche ndash Akteure den Ausbau erneuerbarer Energien umsetzen (Klagge 2013) Dieser politische Prozess bzw die Energie-wende-Politik findet im Uumlberschneidungsbereich von Umwelt- und Wirtschaftspolitik sowie Raumpla-nung statt (Abb 1) Dieses Dreieck spiegelt die in der Einleitung benannten Herausforderungen wider und verweist auf das Spannungsfeld zwischen Wirtschafts- und Klimazielen in der Energiepolitik

Abb 1 Energie als integ-ratives Politikfeld Quelle eigene Darstellung

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Die deutsche Energiewende positive wirtschaftliche Effekte aber klimapolitisch (bisher) kein Erfolg

Die deutsche Energiewende wurde weltweit als Erfolgsmodell gefeiert (Jacobsson amp Lauber 2006 Lipp 2007) Ausgehend von relativ groszligzuumlgigen Einspeiseverguumltungen und einem Einspeisevorrang ndash im Jahr 2000 im ersten Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgelegt ndash hat eine groszlige Zahl unterschied-licher Investoren in Erneuerbare-Energie-Anlagen investiert (Campos Silva amp Klagge 2018) In der Folge ist der Anteil des Stroms aus erneuerbaren Energien in Deutschland sukzessive auf inzwischen uumlber 40 gestiegen wodurch verschiedene positive wirtschaftliche Effekte erzielt wurden So sind zu-naumlchst vor allem auf lokaler und regionaler Ebene technologiespezifische Wertschoumlpfungsketten und Arbeitsplaumltze entstanden (Hirschl et al 2010) Mit dem Wachstum der Technologiemaumlrkte im In- und zunehmend im Ausland haben sich in Deutschland exportorientierte Industrien und Zulieferer insbe-sondere in der Wind- und Solarindustrie sowie in damit verbundenen Dienstleistungsbereichen ent-wickelt (Dewald 2021 Lipp 2007 Menzel 2021) In der politischen Diskussion um die Energiewende wurde diese daher vom Bundeswirtschaftsminister auch als bdquoeines der groumlszligten Modernisierungspro-jekte fuumlr den Wirtschaftsstandort Deutschlandldquo beworben (BMWi 2019a) Mit dem Fortschreiten der Energiewende wurden allerdings die kritischen Stimmen lauter Neben lo-kalen Akzeptanzproblemen und -konflikten ging es dabei um die steigenden Strompreise und die Effi-zienz der Foumlrderung durch Einspeiseverguumltungen Vor diesem Hintergrund wurde die Foumlrderung mit der EEG-Novelle von 2017 auf ein Ausschreibungsmodell umgestellt und damit ndash so die Kritiker dieser Novellierung ndash der wirtschaftlich und gesellschaftlich vorteilhafte dezentrale Ausbau ausgebremst Dies ist auch deshalb problematisch weil aufgrund von Rationalisierungs- und Verlagerungsprozessen ndash so der Niedergang der PV-Anlagen-Produktion in Deutschland bei gleichzeitigem Wachstum einer entsprechenden Industrie in China (vgl Dewald 2021) ndash industrielle Wertschoumlpfung und Arbeitsplaumltze im Bereich der erneuerbaren Energien in Deutschland stagnieren bzw bereits wieder zuruumlckgehen (vgl AEE o J) Ein weiterer grundsaumltzlicher Kritikpunkt an der deutschen Energiewende-Politik betrifft den Umgang mit Strom aus Kohle und der daraus resultierenden Entwicklung der CO2-Emissionen So wurden die mit der Energiewende verfolgten Klimaziele in Deutschland nicht erreicht da gleichzeitig mit dem Aus-bau der erneuerbaren Energien die Emissionen aus der Kohleverstromung in einigen Jahren sogar noch anstiegen (Abb 2) Aufgrund der Funktionsweise des Strommarkts (insbes Merit-Order-Effekt) hat sich am Strommarkt neben den erneuerbaren Energien vor allem der guumlnstige Strom aus der sehr schmut-zigen Braunkohle durchgesetzt Hintergrund hierfuumlr waren die lange Zeit sehr niedrigen Preise fuumlr Emissionszertifikate Erst mit deren Preisanstieg sind die CO2-Emissionen der Energiewirtschaft ab 2018 deutlich gesunken Dieser Zusammenhang verdeutlicht dass die EE-Foumlrderung und ein hoher EE-Anteil am Strommarkt allein nicht ausreichen um Klimaziele zu erreichen sondern dass es zusaumltzlich einer Sanktionierung der CO2-intensiven Stromerzeugung bedarf ndash insbesondere vor dem Hintergrund dass der vollstaumlndige Ausstieg aus der Kohleverstromung in Deutschland nach jetzigem Stand der Dinge erst bis 2038 erfolgen soll und sogar dieses spaumlte Datum noch gerichtlich angefochten wird

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Abb 2 Entwicklung der CO2-Emissionen in Deutschland nach Sektoren 1990-2019 und der Preise fuumlr EU-Emissionszertifikate 2008-2019 (bis 2010 gestaucht) Quelle DEHSt o J UBA 2020a eigene Darstellung

Trotz der juumlngsten Erfolge im Stromsektor sind die Herausforderungen zur Minderung der CO2-Emissi-onen in der Energiewirtschaft nach wie vor groszlig Denn eine umfassend verstandene Energiewende muss neben dem Strom- auch den Waumlrme- und den Verkehrssektor beruumlcksichtigen und hier sind bisher wenig Fortschritte zu verzeichnen Waumlhrend der Anteil der erneuerbaren Energien im Stromsek-tor bereits 42 betraumlgt liegt dieser im Waumlrme- und im Verkehrssektor nur bei 145 bzw 56 entsprechend ist im Jahr 2019 die Stromerzeugung fuumlr den weitaus uumlberwiegenden Teil der durch die Nutzung erneuerbarer Energien vermiedenen Treibhausgasemissionen verantwortlich (78 ) wohin-gegen Waumlrme und Verkehr lediglich 18 bzw 4 beitragen (UBA 2020b) Fuumlr die Zukunft bietet daher die Transformation des Waumlrme- und des Verkehrssektors noch groumlszligere Herausforderungen als die wei-tere Energiewende im Stromsektor Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund sind aktuelle klima- und energiepolitische Maszlignahmen breiter angelegt

Aktuelle klima- bzw energiepolitische Maszlignahmen Klimapaket (2019) und SIN-TEG-Modellregionen (2017-2020)

Als Reaktion auf die Herausforderungen der Energiewende sowie des rasch voranschreitenden Klima-wandels hat die Bundesregierung nicht nur das EEG weiterentwickelt sondern zusaumltzliche Maszlignah-men ergriffen Hierzu gehoumlren als wichtige Bausteine die SINTEG-Modellregionen und das Klimapaket die den Umbau des Energiesystems auf erneuerbare Energien beschleunigen die Entwicklung und den Einsatz von neuen Technologien und Geschaumlftsmodellen unterstuumltzen Anreize fuumlr entsprechende In-vestitionen geben und damit helfen sollen die im Klima-Abkommen von Paris (2015) zugesagten Kli-maziele zu erreichen Im Folgenden werden die beiden genannten Maszlignahmen vorgestellt und kritisch diskutiert

Das Klimapaket von 2019 umfangreiches Investitionsprogramm aber klimapolitisch wenig am-bitioniert

Unter dem Stichwort bdquoEntlasten und investierenldquo werden mit dem Klimapaket von 2019 Maszlignahmen gebuumlndelt die einen Beitrag zur Minderung des CO2-Ausstoszliges in Energiewirtschaft Industrie Gebaumlu-den Verkehr Land- und Forstwirtschaft Landnutzung und Abfallwirtschaft leisten sollen (vgl hier und

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im Folgenden Die Bundesregierung 2020) Als bdquoHerzstuumlckldquo besonders positiv hervorzuheben ist die Ein-beziehung des Waumlrme- und des Verkehrssektors in die CO2-Bepreisung in Deutschland nachdem bis-her lediglich Industrie und Stromerzeugung den Verpflichtungen des europaumlischen Emissionshandels unterlagen Allerdings ist die staatlich festgelegte Preisentwicklung mit einem Wert von zunaumlchst EUR 25- im Januar 2021 der bis 2025 auf immerhin EUR 55- ansteigt wenig ambitioniert (Janson 2019) ndash und das obwohl das Beispiel des Stromsektors bereits gezeigt hat dass nur bei einem ausreichend hohen CO2-Preis entsprechende Lenkungswirkungen zu verzeichnen sind Insgesamt zeichnet sich das Klimapaket durch einen starken Fokus auf Effizienz sowie wirtschaftliches Wachstum aus Letzteres soll durch eine Vielzahl unterschiedlicher und teilweise sehr kleinteiliger Foumlr-dermaszlignahmen fuumlr Unternehmen Kommunen und Hauseigentuumlmer angeregt und unterstuumltzt werden (BMWi 2020a) Dabei spielen Aspekte wie Reduktion des Ressourcenverbrauchs (Suffizienz) und Kreis-laufwirtschaft (Konsistenz) keine bzw eine untergeordnete Rolle Auszligerdem weisen die nicht-ver-kehrsbezogenen Maszlignahmen nur eine relativ geringe Anschlussfaumlhigkeit an regionale bzw zivilgesell-schaftliche Initiativen und Kooperationen auf

SINTEG 2017-2020 Foumlrderung von Modellregionen fuumlr smarte (Verteil-)Netze und flexible Maumlrkte durch Digitalisierung

SINTEG steht fuumlr bdquoSchaufenster intelligente Energie ndash Digitale Agenda fuumlr die Energiewendeldquo und soll fuumlnf Modellregionen die Deutschland uumlberschneidungsfrei und weitgehend vollstaumlndig abdecken (Abb 3) dabei foumlrdern technologische wirtschaftliche und rechtliche Musterloumlsungen fuumlr den Ener-giemarkt zu entwickeln (vgl hier und im Folgenden BMWi 2020b) SINTEG setzt bdquoan allen Bausteinen der Energieinfrastruktur und bei allen Akteuren an um sie mit Hilfe digitaler Technologien in einem intelligenten digitalen Energienetz zu verbindenldquo Es geht insbesondere darum die Digitalisierung fuumlr die Energiewende in Wert zu setzen und zwar durch die Nutzung dezentraler Kapazitaumlten der Strom-erzeugung und -speicherung (unter anderem virtuelle Kraftwerke) die effiziente Sektorkopplung von Strom Waumlrme und Verkehr sowie innovative Technologien und flexible Marktmechanismen fuumlr Haus-

halte und Unternehmen bei einem ho-hen Anteil erneuerbarer Energien Ziele sind dementsprechend der effiziente und sichere Netzbetrieb vor allem die effizientere Nutzung der dezentralen Netze das Heben von Effizienz- und Fle-xibilitaumltspotenzialen die Entwicklung neuer Geschaumlftsmodelle sowie das bdquoef-fiziente [hellip] und sichere [hellip] Zusammen-spiel aller Akteure im intelligenten Energienetzldquo Abb 3 SINTEG-Modellregionen Quelle BMWi 2019b eigene Darstellung

Wie bereits die Beschreibung verdeutlicht liegt der Fokus von SINTEG auf der Hebung von Effizienzpo-tenzialen sowie auf der sicheren Stromversorgung Damit werden viele der aktuellen Herausforderun-gen der fortgeschrittenen Energiewende aufgegriffen (siehe oben) Regionale Strukturen sind dabei insofern von Bedeutung als dass auf Ebene der Verteilnetze Effizienzpotenziale ausgelotet und Nut-zungsmodelle entwickelt und ausprobiert werden sollen Spannend ndash und uumlber bisherige Energie-wende-Aktivitaumlten hinausgehend ndash ist dabei das explizite Bemuumlhen um Sektorkopplung also die Ver-knuumlpfung von Strom- Waumlrme- und Verkehrssektor Dazu sollen neben technologischen Herausforde-rungen (Speicherung Power-to-X-Technologien) innovative Marktmechanismen entwickelt werden

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Neben dem starken Fokus auf Effizienz spielen bei SINTEG auch gewisse Aspekte einer Kreislaufwirt-schaft (Konsistenz) im Bereich Stromerzeugung und -speicherung eine Rolle Aus geographischer Per-spektive ist dabei die Foumlrderung regional integrierter Ansaumltze mit einem hohen Innovationspotenzial positiv hervorzuheben die allerdings auf Seite der Akteure von Netzbetreibern Stromversorgern und Industrie sowie von technologischen und marktorientierten Loumlsungen dominiert werden Dementspre-chend ist die Bedeutung zivilgesellschaftlicher Initiativen eher gering und Buumlrger werden vor allem als Marktakteure (Konsumenten bzw Prosumenten) eingebunden

Fazit und Ausblick Erneuerbare Energien haben sich in Deutschland spaumltestens seit der Jahrtausendwende zu einem zent-ralen Gegenstand der Wirtschafts- und Klimapolitik sowie der Raumplanung entwickelt Dabei haben sich Emissionszertifikate als wichtiges Instrument erwiesen deren Wirkung allerdings von ihrem Preis abhaumlngt der lange viel zu niedrig lag Die Ausweitung auf den Waumlrme- und Verkehrssektor im Rahmen des Klimapakets von 2019 ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Erreichung der deutschen Klimaziele allerdings ist auch hier die Preisfrage zentral fuumlr eine signifikante Minderung der CO2-Emis-sionen Daruumlber hinaus foumlrdert die deutsche Politik im Rahmen ihrer Technologiefoumlrderung sowie in den fuumlnf SINTEG-Modellregionen neue technologische Loumlsungen und ihre Umsetzung unter anderem in den Bereichen Speicherung Sektorkopplung und Power-to-X Die damit verbundene Verknuumlpfung und integrative Betrachtung von Strom- Waumlrme- und Verkehrssektor birgt viele Potenziale bei deren ndash auch dezentraler ndash Nutzung digitale Technologien eine zentrale Rolle spielen (sollen) Insgesamt liegt der Fokus der aktuellen Energiewende-Politik stark auf der Effizienzsteigerung und ndash wie bisher ndash erneuerbaren Energien als Wirtschaftsfaktor Neben der sicheren und bdquoleistbarenldquo Strom-versorgung geht es also um die Unterstuumltzung internationaler Wertschoumlpfungsketten sowie die Foumlrde-rung neuer Technologien und exportorientierter Unternehmen in Deutschland Klimapolitisch sind die aktuellen Maszlignahmen dagegen weniger ambitioniert weder wird Wachstum im Sinne einer Suffi-zienzstrategie in Frage gestellt noch werden Ansaumltze der Kreislaufwirtschaft im Sinne einer Konsistenz-strategie an zentraler Stelle beruumlcksichtigt Die regionale Ebene und zivilgesellschaftliche Initiativen sind nur von untergeordneter Bedeutung und dienen ndash so wie bei SINTEG ndash vor allem der Hebung von (weiteren) Effizienzpotenzialen (hier in den regionalen Verteilnetzen) und weniger einer breiten Betei-ligung von Buumlrgern und Zivilgesellschaft Aus geographischer Perspektive laumlsst sich konstatieren dass die hier diskutierten aktuellen Maszlignah-men der Energiewende-Politik zwar dezentrale bzw regionale Strukturen beruumlcksichtigen und nutzen jedoch insbesondere zur Effizienzsteigerung und weniger um damit partizipative Strukturen zivilge-sellschaftliches Engagement oder Debatten zur Nachhaltigkeit der Energiewende zu befoumlrdern Dieses Defizit kann jedoch durch einen kreativen Umgang seitens der genannten Akteure gemildert werden So koumlnnen in den gefoumlrderten Maszlignahmen und Projekten bei entsprechenden Interventionen bzw Engagements neue Formen der lokalen Koordination und Steuerung (weiter)entwickelt bzw auspro-biert werden (Becker amp Naumann 2017) Daruumlber hinaus bieten die Maszlignahmen im Allgemeinen und die konkreten Projekte vor Ort einen Anlass fuumlr Debatten uumlber die damit verfolgten Nachhaltigkeits-strategien In solchen Debatten koumlnnen gegenuumlber der zurzeit vorherrschenden Effizienz- und Markt-orientierung der deutschen Energiewende-Politik Fragen des Gemeinwohls sowie der Verteilungs- und Verfahrensgerechtigkeit staumlrker in den Vordergrund geruumlckt werden So wuumlrde der Next Level der Energiewende nicht der effizienz- und marktorientierten (Wirtschafts-)Politik uumlberlassen sondern eine Mitgestaltung durch Zivilgesellschaft und kritische regionale Akteure erreicht

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10 Jahre Forschung und Lehre zur Energieraumplanung am Institut fuumlr Raumplanung an der TU Wien Erfahrungen und Ausblick

Hartmut Dumke (1) Rudolf Giffinger (2) und Kurt Weninger (3)

DOI 10347261031

(1) UnivAss Dipl-Ing Dr techn Forschungsbereich Regionalplanung und Regionalentwicklung Institut fuumlr Raumplanung TU Wien ORCID 0000-0002-8111-9083

(2) UnivProf Magrernat Drtechn Forschungsbereich Stadt- und Regionalforschung Institut fuumlr Raumplanung TU Wien

(3) Senior Lecturer Dipl-Ing Dipl-Ing Forschungsbereich Bodenpolitik und Bodenmanagement Institut fuumlr Raumplanung TU Wien

Abstract

Nicht erst seit 10 Jahren sind die Anforderungen an die Energiewende verschaumlrft worden aber seit etwa 10 Jahren ist bdquoEnergieraumplanungldquo (ERP) ein wichtiger Forschungs- und Lehrschwerpunkt am Institut fuumlr Raumplanung der TU Wien geworden Der vorliegende Artikel zeigt dazu zunaumlchst die Kon-solidierung im Verstaumlndnis der Energieraumplanung in Oumlsterreich auf und gibt einen Uumlberblick uumlber die vielfaumlltige aber auch sehr heterogene Situation im Umgang mit dem Steuerungsinstrumentarium der Institutionalisierung und den Formen ihrer Verbindlichkeit in den Bundeslaumlndern Danach folgt ein Uumlberblick der wichtigsten Projekte und Lehraktivitaumlten zum Thema ERP seit 2011 am Institut fuumlr Raum-planung Der Artikel schlieszligt mit zwei Anforderungen zur verbesserten Wirksamkeit in Hinblick auf Ziele der Klimapolitik ndash dies vor allem aufgrund unbefriedigender Qualitaumlt und Verfuumlgbarkeit von Grundlagendaten und bislang unzureichender Serialitaumlt und Verbindlichkeit bisheriger ERP-Erfolge

Schluumlsselbegriffe

Energieraumplanung Institut fuumlr Raumplanung ERP Forschungsprojekte und -lehrveranstaltungen Modellierungen Serialitaumlt Verbindlichkeit Dumke H Giffinger R Weninger K (2021) 10 Jahre Forschung und Lehre zur Energieraumplanung am Institut fuumlr Raumpla-nung an der TU Wien Erfahrungen und Ausblick In Giffinger R Berger M Weninger K Zech S (Hrsg) Energieraumpla-nung ndash ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende Wien reposiTUm S130-145

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Inhalt Einleitung 132

Zur (Energie-)Raumplanung in Oumlsterreich 133

Rechtlicher Rahmen 133

Konsolidierung im Verstaumlndnis 133

10 Jahre Energieraumplanung in der forschungsgeleiteten Ausbildung 135

Wichtige evidenzbasierte transformative Forschungsprojekte zur Energieraumplanung 137

Problem- und umsetzungsorientierte Lehre zur Energieraumplanung 138

Zukuumlnftige Anforderungen an die Energieraumplanung 139

Resuumlmee und Ausblick 141

Literatur 142

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Einleitung

Vor dem Hintergrund steigender Treibhausgasemissionen aber auch zunehmend klarer klimapoliti-scher Ziele stellen sich in den letzten Jahren verschaumlrfte Anforderungen zur Energiewende Dies sind insbesondere Anforderungen zur Verbesserung der Energieeffizienz (weniger Endenergieeinsatz bei gleichbleibendem Niveau der Lebensqualitaumlt) und Fragen des Umstiegs auf erneuerbare Energien Seit 2015 strebt die Europaumlische Union (Europaumlische Kommission 2015) eine Klimaunion mit dem uumlberge-ordneten Ziel an den Buumlrgern wie Buumlrgerinnen und Betrieben in den Mitgliedsstaaten sichere nach-haltige wettbewerbsfaumlhige und leistbare Energie anzubieten Zur Verminderung von Treibhausgasen (THG) empfehlen die Strategiedokumente der EU neben anderen Domaumlnen vor allem die Verbesserung der Energieeffizienz und den verstaumlrkten Einsatz erneuerbarer Energien auf Basis der Vereinbarungen von Paris (COP 21) Deren Umsetzung soll uumlber verschiedene Ansaumltze auf Ebene der EU und der einzel-nen Mitgliedstaaten erfolgen (Europaumlische Kommission 2015) Die schlieszliglich 2018 uumlberarbeitete Richtlinie von 2010 sieht zudem eine erhoumlhte Reduktion der Emissionen von mindestens 40 bis 2030 (Europaumlische Kommission 2021) vor wobei derzeit diese Ziele auf nationaler Ebene weiter praumlzisiert werden Diese Richtlinie forciert somit Energieeffizienz durch Nutzung geeigneter Technologien und Entwicklung innovativer Produkte durch verstaumlrkte Investitionen im Gebaumludesektor (insbesondere auch thermische Sanierung) (European Commission 2018) Damit im Zusammenhang steht auch das Ziel zum Umstieg und zur Erhoumlhung der Verwendung von erneuerbarer Energie die bis 2030 zumindest auf 32 steigen soll In Oumlsterreich sieht der integrierte nationale Energie- und Klimaplan die Reduktion der THG-Emissionen um 36 (gegenuumlber 2005) sowie die Erhoumlhung des Anteils erneuerbarer Energie am Bruttoendenergieverbrauch auf 46-50 und die 100ige Deckung des Stromverbrauchs aus Er-neuerbaren vor (BMNT 2019) Der Raumplanung und speziell der Energieraumplanung wird dabei eine wichtige integrale Rolle bezuumlglich Energieverbrauch und -versorgung zugemessen Raumplanung beschaumlftigt sich in Oumlsterreich schon seit langem mit Fragen der Trassenplanung zur Ener-gieversorgung und Standortsicherung zur Energieproduktion vor allem von Wasser- und Heizkraftwer-ken Diesen Aufgaben kommt sie aufgrund der verfassungsrechtlich definierten Kompetenzverteilung im Rahmen von Gemeinde- Stadt- und Regionalplanung klar nach Sie muss sich aber neben diesen Aufgaben heute mehr denn je neuen Aufgaben zur Unterstuumltzung der der Energiewende auf unter-schiedlichen Ebenen stellen Es bedarf somit vor allem einer effektiven Energieraumplanung die die Energieeffizienz im Gebaumludesektor und Siedlungsbereich sowie im Verkehrs- und Mobilitaumltsbereich forciert und den Umstieg in der Bereitstellung und Nutzung von erneuerbarer Energie voranbringt Das Institut fuumlr Raumplanung (vormals Department fuumlr Raumentwicklung Infrastruktur- und Umwelt-planung) an der TU Wien traumlgt diesen Herausforderungen seit 10 Jahren verstaumlrkt Rechnung indem es sich in Forschung und Lehre der Themen Energiepotenziale -bedarf -einsparungen und Mobilitaumlt an-nimmt Daraus entstand ein eigenstaumlndiger Ausbildungsschwerpunkt zur Energieraumplanung (ERP) In diesem Beitrag soll nun gezeigt werden wie sich ERP in Oumlsterreich im Laufe der letzten Jahre kon-solidiert und ein gemeinsames Verstaumlndnis herauskristallisiert hat Dazu werden als erstes die wich-tigsten rechtlichen Grundlagen kurz dargestellt und auf Basis verschiedener Beitraumlge und Dokumente aus den letzten Jahren das Verstaumlndnis von ERP zu einer zeitgenoumlssischen Definition verdichtet wozu auch Publikationen aus dem Institut fuumlr Raumplanung wesentlich beigetragen haben Zur Beschrei-bung zeitgenoumlssischer Fragestellungen werden die wichtigsten Schwerpunkte aus Forschung und Lehre aus dem Institut fuumlr Raumplanung aus den letzten Jahren dargestellt Darauf aufbauend werden die wichtigsten zukuumlnftigen Anforderungen an Forschung und Ausbildung zu Problemen der Energie-wende sowie Mitigation und Adaption entwickelt

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Zur (Energie-)Raumplanung in Oumlsterreich

Rechtlicher Rahmen

Gemaumlszlig der Erkenntnis des VfGH ist Raumordnung bdquokeine fuumlr sich stehende Verwaltungsmaterieldquo son-dern ein Buumlndel von Planungsbefugnissen (Verfassungsgerichtshof (VfGH) 1954) Das Raumplanungs-recht gilt somit als Querschnittsmaterie (Leitl 2006 S 106) wobei sie insofern als Landessache gilt als sie nach Art 10 bis 12 B-VG nicht explizit in die Zustaumlndigkeit des Bundes faumlllt Gemaumlszlig Art 15 B-VG faumlllt die allgemeine und integrierte Raumplanung somit den Laumlndern zu was sie sie daher von den Verwal-tungskompetenzen in Deutschland und der Schweiz klar unterscheidet Gleichzeitig durchbrechen sektorale Fachplanungskompetenzen des Bundes wie das Forstwesen der Bergbau das Eisenbahnwe-sen und das Wasserrecht diese grundsaumltzliche Zustaumlndigkeit der oumlsterreichischen Bundeslaumlnder fuumlr Raumplanung (vgl Kanonier 2013 S 24) Auszligerdem faumlllt die Vollziehung der oumlrtlichen Raumplanung nach Art 118 Abs 3 Z 9 B-VG in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden Weiters bestehen zu Aufgaben der Energieraumplanung noch eine Reihe rechtlicher Regelungen ins-besondere Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG zur Luftreinhaltung sowie Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG zur gewerbsmauml-szligigen Versorgung mit Fernwaumlrme und Gas in denen Gesetzgebung und Vollziehung sowie Installati-onsauflagen und Gebaumludestandards als Bundes- oder Landessache geregelt sind Nicht zuletzt ist als neueste rechtliche Regelung das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG 2020) zu nennen zu dem bis Ende Oktober 2020 Stellung genommen werden konnte Mit diesem Gesetz soll der Ausbau von Energie aus erneuerbaren Quellen geregelt werden und gleichzeitig verschiedene Gesetze zu weiteren erneuerba-ren Energiequellen sowie zur Energie- und Elektrizitaumltswirtschaft und zum Infrastrukturausbau geaumln-dert werden Der Beschluss war urspruumlnglich fuumlr den 112021 geplant steht aufgrund von andauern-den politischen Verhandlungen aber nach wie vor aus (DER STANDARD 2021) Das EAG 2020 (Parlament der Rep Oumlsterreich 2020) wird die Rahmenbedingungen fuumlr die Oumlkostromerzeugung weit-gehend aumlndern um in Zukunft privaten Stromerzeugern und Energiegemeinschaften Wege zur dezent-ralen Erzeugung und Nutzung zu ermoumlglichen Durch diese neuen Rahmenbedingungen soll der 100ige Umstieg auf Oumlkostrom1 bis zum Jahr 2030 ermoumlglicht werden indem die Oumlkostromproduk-tion mit zusaumltzlich ca 56 TWh um 48 gegenuumlber der derzeitigen Erzeugung vergroumlszligert wird (KPMG law 2020) Die weitaus groumlszligten Zuwaumlchse werden bei Photovoltaik (+1100 ) und bei Windkraft (+140 ) erwartet Da die Nutzung von beiden erneuerbaren Energiequellen das Mobilisieren groszliger Flaumlchen nebst neuen Standortanforderungen bringt wird rasch einsichtig dass in den naumlchsten Jahren groszlige Anforderungen an die ERP zukommen

Konsolidierung im Verstaumlndnis

Die Diskussion und Kennzeichnung was in Oumlsterreich unter Energieraumplanung zu verstehen sei hat in den letzten Jahren an Intensitaumlt zugenommen und an Praumlzision gewonnen Die Oumlsterreichische Raumordnungskonferenz OumlROK versteht unter Energieraumplanung

bdquoDie Herangehensweise mit der Gemeinden ihre Energie- und Klimazukunft nach-haltig positiv gestalten koumlnnen Das groszlige Ziel dabei ist Energie zu sparen Kosten zu senken und drastisch weniger CO2 auszustoszligenldquo (Oumlsterreichische Raumordnungskonferenz 2019)

1 Gemessen in rechnerischer Gesamtjahresbilanz haumllt Oumlsterreich aktuell bei einem erneuerbar gewonnenen Stromanteil (va

Wasserkraft) von 77 (BMK 2020) Dies ist zwar ein Spitzenwert im europaumlischen Vergleich es sollte dabei aber nicht vergessen werden dass die Energiebedarfe fuumlr Waumlrme und Mobilitaumlt etwa fuumlnf Mal so hoch sind als die fuumlr Elektrizitaumlt - bei gleichzeitig noch erheblich niedrigerem erneuerbaren Energie-Anteil

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Die Taumltigkeitsschwerpunkte liegen auf den drei Themen Energie Mobilitaumlt und Siedlungen also auf dem Umstieg auf erneuerbare Energiequellen auf kompakten Siedlungen mit bdquokurzen Wegenldquo im Sied-lungsgefuumlge (Stadt Region umweltfreundliche Verkehrsverbuumlnden) sowie auf verkuumlrzten Weglaumlngen und Lieferstrecken zwischen Produktion und Konsum von Energie Damit soll insbesondere das Ziel 11

(nachhaltige resiliente Staumldte und Gemeinschaften) der Sustainable Development Goals SDGs (United Nations 2015) unterstuumltzt werden Die Oumlsterreichische Raumordnungskonferenz OumlROK2 als ko-ordinierende Stelle zwischen Fachministerien und den ver-schiedenen Planungsebenen in Oumlsterreich (EU ndash Bund ndash Laumln-der ndash Gemeinden) etablierte die sogenannte Energiepart-nerschaft auf regionaler und lokaler Ebene Damit will die OumlROK strategische Ziele zur Energieeinsparung sowie zum Umstieg aus dem Potentialdreieck Mobilitaumlt - Siedlung ndash Energie forcieren

Abb 1 Das Potenzialdreieck bdquoMobilitaumlt-Siedlung-Energieldquo Quelle Oumls-terreichische Raumordnungskonferenz 2019

Das Umweltbundesamt UBA sieht fuumlr die Energieraumplanung einen neuen Instrumentenmix in den Bereichen Flaumlchenausweisung -recycling Oumlkologisierung des Finanzausgleichs sowie einer Nutzungs-steuer (Umweltbundesamt Oumlsterreich 2020) Deutlich umfassender als die doch sehr heterogenen Auffassungen von Energieraumplanung der Bun-deslaumlnder sind die Definitionen aus der wissenschaftlichen Sicht der Raumplanung Das Institut fuumlr Raumplanung Umweltplanung und Bodenordnung IRUB an der Universitaumlt fuumlr Bodenkultur Wien ver-steht dementsprechend Energieraumplanung

bdquoals Teilgebiet der Raumplanung mit den raumlumlichen Dimensionen von Energiever-brauch und Energieversorgung Sie ist ein wesentlicher Bestandteil zur Erfuumlllung der internationalen Klimaschutzziele Als Pendant zur Energieeffizienz von Gebaumluden gibt es auch energieeffiziente Raum- und Siedlungsstrukturen die sich durch Funk-tionsmischung maszligvolle Dichte kurze Wege und Kompaktheit auszeichnen Raumlum-liche Dimensionen der Energieversorgung liegen in der Standortsicherung von Ener-giegewinnungs- -verteilungs- und -speicheranlagen Daruumlber hinaus sind Flaumlchen fuumlr die Bereitstellung erneuerbarer Ressourcen zu sichern Dies ist unter moumlglichster Vermeidung von Landnutzungskonflikten vorausschauend zu planenldquo (Institut fuumlr Raumplanung Umweltplanung und Bodenordnung (IRUB) 2012)

Am Institut fuumlr Raumplanung an der TU Wien sieht Hartmut Dumke in seiner Dissertation fuumlr die Ener-gieraumplanung sehr heterogene Anforderungen - ausgehend vom sehr groszligen Konfliktpotenzial un-ter sich aumlndernden Bedingungen sowie der Vielfalt an Themen (Waumlrme Elektrizitaumlt Mobilitaumlt) Er de-finiert Energieraumplanung als ein integratives Bemuumlhen um die drei Zieldimensionen energietechni-sche Sanierung von Gebaumluden Erhoumlhung des Anteils erneuerbarer Energie und Senken des Energiebe-darfs im Siedlungsgefuumlge (Dumke 2017 S 21ndash22)

2 In Oumlsterreich ist Raumplanung (siehe dazu naumlchstes Kapitel bdquorechtliche Grundlagenldquo) in der Kompetenz der Bundeslaumlnder

Motivation fuumlr die Gruumlndung OumlROK war ua trotz dieser Tatsache einen bundeslanduumlbergreifenden Diskurs in der Raum-planung und Raumordnung zu ermoumlglichen

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Diese Denkweise haben mittlerweile auch strategische Konzepte auf Bundesebene aufgenommen al-lerdings verbunden mit dem Appell dass die Verankerung im Steuerungsinstrumentarium noch groszlig-teils aussteht

bdquoEine uumlberregional koordinierte und vorausschauende Energieraumplanung vor al-lem in Hinblick auf groszlige Infrastrukturprojekte fuumlhrt zu einer Reduktion des Kon-fliktpotenzials und dadurch zu einer houmlheren Akzeptanz in der Bevoumllkerung [ hellip] Dabei koumlnnen moderne integrierte Energiekonzepte in der Raumplanung zur Ent-scheidungsfindung bei Flaumlchenwidmung der Investition in Infrastruktur sowie Vergabe von Foumlrderungen wie der Wohnbaufoumlrderung eingesetzt werden Wichtig ist auch die Verankerung der Energieraumplanung in den Raumordnungsgesetzen bzw den Bauordnungen der Bundeslaumlnder wofuumlr es bereits erfolgreiche Beispiele gibtldquo (BMNT 2019)

Fasst man diese Perspektiven unter Beruumlcksichtigung der Einwaumlnde und Anforderungen einer Reihe von befragten Experten und Expertinnen an die ERP zusammen dann kann sie folgendermaszligen fuumlr die Planung in Oumlsterreich gekennzeichnet werden (vgl Giffinger et al 2020 S 9)

Energieraumplanung ist als zunehmend eigenstaumlndiges Teilgebiet der Raumpla-nung zu betrachten die unter Beruumlcksichtigung der raumlumlichen Dimensionen darauf abzielt Klimaziele zu unterstuumltzen Dies erfolgt durch Steuerungsansaumltze welche helfen den Energieverbrauch zu reduzieren und Energieversorgung und -bereitstel-lung unter Einsatz moderner Technologien dezentral und nachhaltig zu gestalten Wichtigste drei Zieldimensionen sind Energieeinsparung unter Beibehaltung der Versorgungssicherheit Umstieg und Steigerung des erneuerbaren Energieanteils am Gesamtbedarf und eine Veraumlnderung der Mobilitaumltsentwicklung auf Basis kom-pakter Siedlungen und umweltfreundlicher Mobilitaumltssysteme Angesichts der be-nannten Ziele zaumlhlen (1) das Flaumlchenmanagement zur Reduktion des Flaumlchenver-brauchs (2) die Bereitstellung von Flaumlchen zur Produktion und Nutzung erneuerba-rer Energieressourcen und (3) die Sicherung neuer Trassen zur Energie-Versorgung zu den Hauptaufgaben der Energieraumplanung Energieraumplanung bedarf an-gesichts der territorial spezifischen Rechtsbedingungen (international-national-fouml-deral-kommunal) eines integrierten Ansatzes zur Unterstuumltzung von Transformati-onsprozessen in einer Mehr-Ebenen Perspektive

International ist das Konzept bdquoEnergieraumplanungldquo mittlerweile als bdquoIntegrated spatial and energy planningldquo bekannt geworden und wurde von Oumlsterreich aus in die globale Fachwelt verbreitet Auch wenn der englische Begriff nicht dieselbe Kraft hat wie das deutsche Wort bdquoEnergieraumplanungldquo ist die Synergie zwischen den SDGs und den neun Handlungsfeldern der Energieraumplanung thematisch offensichtlich und wurde mittlerweile auch schluumlssig argumentiert (Stoumlglehner 2020)

10 Jahre Energieraumplanung in der forschungsgeleiteten Ausbildung

In der nun 50-jaumlhrigen Geschichte der Studienrichtung Raumplanung an der TU Wien ist das Thema Raumplanung ndash Energiebedarf ndash Ressourcenverbrauch seit jeher mehr oder weniger explizit in den Forschungs- und Ausbildungsschwerpunkten beruumlcksichtigt worden Einen guten Uumlberblick zur Ent-wicklung und Sichtweisen bieten hierzu die vielfaumlltigen Beitraumlge aus den Forschungsbereichen des In-stituts fuumlr Raumplanung (siehe Dillinger et al (2020) zu einzelnen Thematiken)

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Eine sogenannte Anschubfinanzierung durch die TU Wien fuumlhrte zu einer uumlber mehrere Forschungsbe-reiche koordinierten Beschaumlftigung zu Fragen der Energieraumplanung im Rahmen des Projekts ENUR ndash Energie im urbanen Raum 2012 bis 2014 (Department fuumlr Raumplanung 2013) Wichtige Ergebnisse des Projektes waren Analysen und Modellierungen des Energiebedarfs in den Bereichen WaumlrmeKuumlh-len und Mobilitaumlt in unterschiedlichen Raumbezuumlgen Rebound-Effekte bei Energieeinsparungen Governance-Analysen zur Energieraumplanung sowie Visualisierung von Energiekennzahlen in der oumlrt-lichen Planung Die Forschungsaktivitaumlten brachten eine Reihe von spezifischen Grundlagen wie fol-gende Abbildungen beispielhaft veranschaulichen3

Abb 2 Projekt ENUR Oumlsterreichweites Ras-termodell (250 x 250 m) zum Heizwaumlrmebe-darf in kWh pro Jahr und Einwohner und Ein-wohnerinnen Quelle Department fuumlr Raum-planung 2013

Abb 3 Projekt ENUR Gebaumludegenaue 3D-Modellierung von Energiekennzahl-Werten in Feldkirch Vorarlberg Quelle Department fuumlr Raumplanung 2013

Abb 4 Projekt ENUR Beispiel eines Akteurs-mappings Quelle Department fuumlr Raumpla-nung 2013

Diese Arbeiten waren Ausgangspunkt fuumlr die Etablierung des Themas Ener-gieraumplanung in der Studienrich-tung Raumplanung und Raumord-nung

3 Weitere Informationen und Abbildungen finden sich auf der Projektwebsite httpenurprojecttuwienacat

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Eine inzwischen groszlige Vielfalt von Forschungsprojekten sowie ein Doktoratskolleg zum Thema bdquoEnergy Awareness of urban and regional Developmentldquo erbrachte neben Publikationen eine Reihe entspre-chender praxisorientierter studentischer Projekte Seminare und Vorlesungen in der Studienrichtung vgl hierzu auch die Projektdatenbank der TU Wien (TU Wien 2021a) und die Publikationsdatenbank der TU Wien zum Schwerpunkt Umwelt und Energie (Schlagwort-Suche unter Fakultaumlt fuumlr Architektur und Raumplanung 2021) sowie die Lehrveranstaltungsangebote seit 2010 Da man dieser Vielfalt in der weiteren Darstellung nicht umfassend gerecht werden kann werden im folgendem zwei spezifi-sche Entwicklungslinien in Forschung und Lehre der letzten Jahre im Mittelpunkt erlaumlutert

Wichtige evidenzbasierte transformative Forschungsprojekte zur Energieraumplanung

Auf Basis programmatischer Foumlrderansaumltze zur Forcierung der Energiewende erfolgten im Institut fuumlr Raumplanung eine Reihe von Projekten zur Grundlagenforschung wie auch zur Prozessgestaltung Grundlagenforschung zur Energie- und Mobilitaumltswende erfolgte zum Beispiel in Projekten

bull zum kleinraumlumigen Energiebedarf (HeizenKuumlhlen) in den Siedlungsstrukturen Oumlsterreichs (ENUR ndash Energie im urbanen Raum Energieraumlumliche Typologie Wien AnergieUrban) oder zu den gebaumludespezifischen Energie-Einsparungspotentialen durch Sanierung im Projekt E_Profil

bull in einer bdquoVorstudie zum Fachkonzept bdquoEnergie-Raum-Planungldquo zu einigen Zielstellungen fuumlr verbindliche Verordnungen in der Wiener Bauordnung

bull zu den Erreichbarkeitsbedingungen nach verschiedenen Verkehrstraumlgern und deren subjekti-ver Einschaumltzungen zur Optimierung des Verkehrsangebots (Mobility2know GesMo ENUR active8 Remihub) und Beeinflussung des Nutzerverhaltens im Bereich der Shared Mobility (z B MICHAEL LaraShare Klimaentlaster) fuumlr eine nachhaltige und bedarfsorientierte Mobili-taumltsentwicklung

Forschung zur Prozessgestaltung erfolgte mithilfe sehr unterschiedlicher transdisziplinaumlrer Ansaumltze

bull Unter Verwendung eines mehrdimensionalen Profil-Ansatzes wurde im Projekt E_Profil ein evidenzbasierter Ansatz zum Vergleich IST-Profil und zukuumlnftiges SOLL-Profil zur Gestaltung der Energiewende in Form eines digitalen Tools erarbeitet um auf Ebene von Stadtquartieren Transitionsprozesse transparent zu gestalten

bull Um innovative Energieprojekte in strukturschwachen Regionen zu realisieren wurde im Pro-jekt PLAISIR herausgearbeitet welche Bedeutung dabei insbesondere sozialem Kapital zur Un-terstuumltzung einer an Ressourcen orientierten Energieraumplanung zukommt

bull Um die Mobilitaumltswende zu forcieren wurde im Projekt ULTIMOB vor dem Hintergrund mo-derner Technologien das Hauptaugenmerk auf das Zusammenspiel zwischen Verhalten der Nutzenden und Governance gelegt

bull Im Sinne transdisziplinaumlrer Forschung zur Mobilitaumltswende schafft das urbane Mobilitaumltslabor aspernmobil LAB im Sinne der bdquoquadruple helixldquo eine Forschungsumgebung um effiziente und praxisnahe Mobilitaumltsloumlsungen zu erarbeiten

bull Um die Effektivitaumlt von Strategien von Staumldten und Gemeinden angesichts von Klimawandel und Wettbewerbsdruck zu verbessern sind Projekte zum Thema Smart City durchgefuumlhrt wor-den Diese Projekte (Smart City Graz Planning Energy Efficient Cities ndash PLEEC Smart Kom Kra-kow Smart City Ebreichsdorf) entwickeln unter Einbeziehung von Stakeholdern aus den unter-schiedlichsten Fachbereichen der Stadtentwicklung in Befragungen Workshops und Arbeits-gruppen oder Netzwerken eine Reihe von strategischen Projekten zur Energie- und Mobilitaumlts-wende

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Problem- und umsetzungsorientierte Lehre zur Energieraumplanung

Aufbauend auf den oben beschriebenen Forschungsprojekten wurde mit Einfuumlhrung des Mastercurri-culums im Jahr 2012 das Thema verstaumlrkt in den Grundlagenlehrveranstaltungen und auch als vertie-fender Ausbildungsschwerpunkt in einem Wahlmodul Energieraumplanung verankert Im Fokus steht die Vermittlung von Steuerungsmoumlglichkeiten zu Fragen der energiebewussten Stadt- und Regional-entwicklung vor dem Hintergrund von Klimawandel und Ressourcenknappheit Die dabei benoumltigten Grundlagen zu den treibenden Faktoren im raumlumlich differenzierten Energiebedarf bezuumlglich Infra-strukturen und Mobilitaumlt Bebauungs- und Siedlungsstrukturen sowie Anforderungen an energie- und ressourcenschonende raumlumliche Entwicklung werden von den Studierenden im Rahmen der Lehrver-anstaltungen des Moduls erarbeitet Die Moumlglichkeiten aber auch die Grenzen der Raumplanung zur Reduzierung des Bedarfs einerseits sowie zur Steuerung einer nachhaltigen Versorgung (Einsparung Verlagerung auf erneuerbare Ressourcen) andererseits werden unter strategisch-konzeptiven und in-strumentellen Aspekten identifiziert diskutiert und kreativ weiterentwickelt um die entsprechenden Planungs- und fuumlr maszliggeschneiderte Loumlsungsvorschlaumlge zu definieren In der Hauptvorlesung werden einerseits Grundlagen und Kennzahlen im Bereich Energie rechtliche Rahmenbedingungen und ener-giepolitischen Ziele sowie Potenziale erneuerbarer Energietraumlger (mit Fokus auf Oumlsterreich) vermittelt Andererseits wird groszliges Augenmerk auf die Analyse der Energieeffizienz von Raum- und Siedlungs-strukturen sowie auf die direkten und indirekten Schnittstellen der Bereiche bdquoEnergieldquo (in den Dimen-sionen Waumlrme Strom Mobilitaumlt) und bdquoRaumplanungldquo sowie auf moumlgliche Steuerungsansaumltze gelegt In einer Vorlesungsuumlbung werden anhand ausgewaumlhlter (Praxis-)Beispiele die wesentlichen Schritte fuumlr eine erfolgreiche Energieraumplanung durchgefuumlhrt ndash die Studierenden beschaumlftigen sich dabei eigenstaumlndig mit der Evaluierung des Potenzials erneuerbarer Energietraumlger und Entwicklung von Sze-narien und Entwicklungsstrategien zur Optimierung bzw Weiterentwicklung vorhandener Raum- und Energiestrukturen Erstellung von Energieplaumlnen und Der Vermittlung der Ergebnisse an unterschied-liche Stakeholder Das schematische Vorgehen insbesondere in den praktischen Teilen folgt dem ab-gebildeten Prozess

Abb 5 Schematischer Ablauf der VU Energie- und klimarelevante Ana-lyse und Planung im WS 20192020 in Koopera-tion mit der Klima- und Energiemodell Region so-wie der Marktgemeinde Voumlsendorf Quelle Ei-gene Bearbeitung nach Dumke et al 2017a

Eine Reihe von weite-ren Vorlesungsuumlbun-gen vertiefen die Her-ausforderungen zur Steuerung von mitigativen und adap-tiven Prozessen hin zu

einer klimagerechten Entwicklung Dabei wird das Hauptaugenmerk auf die Qualitaumlt des Steuerungs-verstaumlndnisses gelegt einerseits durch die Analyse und Bewertung von Strategieplaumlnen und Marke-ting-Konzepten und andererseits von neuartigen Living Labs in verschiedenen Varianten Weitere Vor-lesungsuumlbungen fokussieren gezielt auf zukuumlnftige Planungsanforderungen um die Studierenden rechtzeitig auf neue Fragestellungen vorzubereiten

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Das Interesse die Nachfrage und die Leistungsbereitschaft der Studierenden sind dabei erfahrungsge-maumlszlig sehr hoch auch die Resultate wissen zu uumlberzeugen Im Folgenden ein Beispiel hierzu

Abb 6 Ergebnis studenti-scher Projektarbeit Quelle Marktgemeinde Voumlsendorf Klima- und Energiemodellre-gion Voumlsendorf Institut fuumlr Raumplanung (TU Wien) 2019

In Seminaren wird das Verstaumlndnis von Nachhaltigkeit Mitigation und Adaption Smart City oder wie zuletzt von Klimawandel und Resilienz in der Stadt- und Regionalentwicklung kritisch hinterfragt Ziel dieser Seminare ist das Vertiefen konzeptiver Ansaumltze um in eigenstaumlndiger Arbeit entsprechende Strategien von Staumldten und Regionen zu bewerten sowie Empfehlungen aus der Sicht der (Energie-) Raumplanung in einem prozessorientierten Verstaumlndnis zu erarbeiten

Zukuumlnftige Anforderungen an die Energieraumplanung

Betrachtet man Energieraumplanung aus der OumlROK-Perspektive als bdquoTeil der Raumplanungldquo so laumlsst sich sagen dass sowohl das bestehende (klassische) Instrumentarium als auch die (klassischen) Ziele der Raumplanung zur Steuerung der Siedlungsentwicklung auch fuumlr die Energieraumplanung geeignet sind Aufgrund der Erfahrungen zu zunehmend komplexeren Aufgaben der ERP ist aber auch zu beto-nen dass in der Umsetzung aufgrund der Kompetenzsplittung der Raumplanung zwischen Bundeslaumln-dern und Gemeinden sowie von Fachmaterien uumlber verschiedene Bundesministerien ein klares Defizit festzustellen ist (Schremmer 2020) Es braucht offenbar ein klar integratives auf die lokalen Bedingun-gen und Interessen abgestelltes Verstaumlndnis von ERP um veraumlnderte Flaumlchenanspruumlche und -nutzun-

gen zu koordinieren und Transitionsprozesse zur Energiewende effektiv steuern zu koumlnnen Ab-bildung 7 verdeutlicht die heute komplexen Anforderungen und Wir-kungsbereiche noch-mals denen sich die ERP heute gegenuumlbersieht

Abb 7 Wechselwirkungen Raumplanung und Energie Quelle Eigene Abbildung

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Die geaumlnderten Anforderungen spiegeln sich in der aktuellen Studienplanreform wider und gehen ge-meinsam mit dem stark verflochtenen Bereich Mobilitaumlt in ein neues erweitertes und vergroumlszligertes Wahlmodul ein Neben den bereits bestehenden Themen wird besonders Wert auf die integrative Be-trachtung des Bereichs Mobilitaumlt im Kontext von Umwelt und Klima und damit auch in Verbindung mit Energiebedarf als eine unverzichtbare Schnittstelle zur Energieraumplanung gelegt Durch die inte-grierte Betrachtung von Mobilitaumlt Verkehr und Energie sollen planerische Strategien Konzepte und Maszlignahmen unter Einbeziehung spezifischer Wirkungsauspraumlgungen (z B fuumlr Raum Umwelt Wirt-schaft und Gesellschaft) und Wechselwirkungen (z B Energieverbrauch Umweltbeeintraumlchtigung hellip) selbststaumlndig erarbeitet werden (Quelle Moduldeskriptor Wahlmodul 4 ndash Mobilitaumlt und Energie) Fuumlr kuumlnftige Forschungs- und Lehrinhalte ergeben sich aus der bisherigen 10-jaumlhrigen Erfahrung in Lehre und Forschung zwei strategische Anforderungen um die Kompetenz der Absolventinnen und Absolventen zu verbessern Erstens geht es unter dem Begriff bdquoDatenlage Datenschutz und Modellie-rungenldquo darum wie trotz nach wie vor unbefriedigender und sehr heterogener Qualitaumlt der Daten eine Verbesserung in den Modellierungen der Energieraumplanung erreicht werden kann Folgende Anforderungen stellen sich daher

bull Bestehende Datenschichten wie der AGWR (Statistik Austria 2013) liefern derzeit unzu-reichend belastbare Grundlagen fuumlr Aussagen auf Ebene der Gebaumlude- und Siedlungseinheiten zur Modellierung und Abschaumltzung des Energiebedarfs Bislang erfolgte Modellierungsansaumltze ndash ergaumlnzt durch Energiekennzahlen oder Sanierungsraten ndash liefern nur sehr ungenaue Aussa-gen (Department fuumlr Raumplanung 2013) Vielversprechend waumlren etwa lokale Erhebungen (Fachbereich Stadt- und Regionalforschung 2017) oder der verstaumlrkte Einsatz von Open Data und cloudbasierten User- und Userinnendaten Solche Datenquellen sollten dann Zweck ori-entiert den verschiedenen Akteursgruppen und insbesondere jenen in Forschung und Lehre zugaumlnglich gemacht werden

bull Im Bereich der Mobilitaumlt hat sich bezogen auf die Datengrundlagen in den letzten zehn Jahren viel getan Aus Daten der Verkehrsauskunft Oumlsterreich (VAO) der Graphenintegrationsplatt-form (GIP) oder auch den zuletzt entwickelten OumlV-Guumlteklassen wurden Daten- und damit ver-bundene Planungsgrundlagen erarbeitet Im Sinne einer integrierten Planung waumlre es notwen-dig solche Daten in einem einfach handhabbaren Format fuumlr alle Planenden sowie in For-schung und Lehre zur Verfuumlgung zu stellen Zurzeit kommt es zu groszliger Ineffizienz aufgrund mangelnder Moumlglichkeiten des Zugangs zu diesen Datenquellen Zudem fehlen in Oumlsterreich praumlzise und kleinraumlumige Paneldaten zum Mobilitaumltsverhalten uumlber laumlngere Zeitraumlume und mehrere Zeitpunkte die Verhaltensaumlnderungen und -variationen zeigen wuumlrden

bull Die vielgehoumlrte Kritik Analysen und Modelle mit Gebaumlude- oder Quartiersgenauigkeit sei in Oumlsterreich nicht mit dem Datenschutz zu vereinbaren ist zu respektieren aber kritisch zu hin-terfragen Auch in anderen EU-Laumlndern gibt es Datenschutzgesetze aber dort existieren Grundlagendaten gebaumludegenau und diese Informationen sind oumlffentlich und kostenfrei zu-gaumlnglich (vgl u a FIZ Karlsruhe ndash Leibniz-Institut fuumlr Informationsinfrastruktur GmbH 2018 und City of Amsterdam 2018)

bull Zwar gibt es im Sinne der Energieraumplanung mittlerweile interessante rasterbasierte Grund-lagendaten und -auswertungen wenngleich noch bei weitem nicht oumlsterreichweit Bereits be-sonders gut einsetzbare Tools und Daten gibt es derzeit nur in der Steiermark in Wien und in Salzburg) Zugleich bilden aber kleinraumlumige Rasterdaten Siedlungen oder Quartiere als physi-schen und funktional-relationalen Raum ab den sozial-relationalen Entscheidungsraum gilt es durch geeignete Methodentriangulation zu erfassen Die kuumlnftige Lehre und Forschung muss daher in interdisziplinaumlren Ansaumltzen versuchen ERP auf Quartiersebene zu etablieren um sinnvolle Bezuumlge zwischen gebautem unbebautem und sozialen Raum zu entwickeln welche belastbare Aussagen zur Transformationsprozessen ermoumlglichen

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Zweitens muss kuumlnftig auch das bestehende und neu zu entwerfende Instrumentarium der Energie-raumplanung unter dem Blickwinkel von Serialitaumlt und Verbindlichkeit bewertet werden um deren Effektivitaumlt zu verbessern

bull Das bestehende rechtliche Instrumentarium enthaumllt bereits einige Steuerungsoptionen mit Be-zug zur Energieraumplanung ndash etwa direkte Festlegungen im Bebauungsplan die den Einsatz von erneuerbarer Energie unterstuumltzen oder indirekte z B die intensivierte Entwicklung der Siedlungsflaumlchen nach innen o auml Als weiteres Beispiel sei das Instrument von oumlrtlichen Ener-giekonzepten genannt ndash die zwar zum Teil auch als Bestandteile von oumlrtlichen Entwicklungs-konzepten in den Raumordnungsgesetzen genannt allerdings nicht verbindlich sind For-schung und Lehre sollte daher derartige Instrumente auf Ihre Wirksamkeit und Verbindlich-keitsbewerten bzw neue effektivere Instrumente entwickeln

bull Gerade im Bereich der Energieraumplanung stellt sich angesichts regionaler Verflechtungen zur Bereitstellung und zum Bedarf die Frage ob die Lenkungsverantwortung auf der kommu-nalen Ebene ausreichend effektiv sein kann Der Ansatz von Klima- und Energiemodellregionen ist daher unseres Erachtens eher zielfuumlhrend wenn Umsetzbarkeit und Zielerreichung der Energieraumplanung kuumlnftig verbessert werden sollen Nur so waumlren mehr verbindliche Vor-gaben (Empfehlungen aber auch Einschraumlnkungen etwa in Form von Energieraumplaumlnen mit Eignungs- und Ausschlusszonen) auf regionaler Ebene moumlglich um gewisse Energieformen in manchen Regionen gegenuumlber anderen zu priorisieren wie es zB in kantonalen Energiericht-plaumlnen in der Schweiz (Kanton Zuumlrich 2018) der Fall ist Vereinfacht gesagt gehoumlrt erforscht ob eine solche bdquoVerlagerung der Lenkungsverantwortungldquo von der kommunalen zur regiona-len und Bundeslandebene hin die bisherigen Erfolge der Energieraumplanung schneller und einfacher als bisher wiederholbar machen kann Eine Notwendigkeit zur verbesserten Planung und effektiveren Umsetzung ist es daher in der kuumlnftigen Lehre und Forschung der Energie-raumplanung bestehende Geschaumlftsmodelle auf der innerstaumldtischen Quartiersebene oder auf der regionalen Ebene von Territorien kritisch zu bewerten und neue Kooperationsformen zu entwerfen Obwohl es schon einige Vorschlaumlge dazu gibt (siehe u a Essig et al 2017 Madner und Parapatics 2016 Dumke et al 2017b oder Giffinger et al 2020) ist deren Konzeption und Wirksamkeit bislang nicht ausreichend erforscht und findet in der Lehre noch zu wenig Ein-gang

Resuumlmee und Ausblick

Angesichts ehrgeiziger Ziele und Anforderungen im Steuerungsinstrumentarium ist eine Reihe von Neuerungen und Ergaumlnzungen mit speziellem Fokus auf das Thema Energiewende notwendig Insbe-sondere bei der Energieproduktion wurde der Einsatz von eingriffsintensiven und sichtbaren Energie-traumlgern (Landschaftsbild Umwelt Flaumlchenbedarf) staumlrker reglementiert Trotzdem gilt insgesamt dass sich bereits mit dem bestehenden Instrumentarium etliche Aspekte der Energieraumplanung umset-zen lassen z B Beruumlcksichtigung des Themas im oumlrtlichen Entwicklungskonzept Ausweisung der not-wendigen Flaumlchen fuumlr Verdichtung Innenentwicklung sowie Ausweisung von Versorgungsflaumlchen fuumlr Energie Staumlrkere Beruumlcksichtigung energetischer Aspekte im Bebauungsplan etc (Weninger 2016) Allerdings waumlre es sehr wuumlnschenswert die Instrumente in Oumlsterreich auf der Stadtquartiersebene sowie auf der regionalen Ebene staumlrker zu forcieren Angesichts der steigenden Erwartungen werden trotz des umfassenderen Verstaumlndnisses der ERP Defizite zur effektiv gestalteten Energiewende deut-lich Neue Anforderungen an Forschung und Lehre sind deutlich erkennbar um die ERP besser zu etab-lieren und effektiver zu machen Es sind sowohl die Informationsgrundlagen als auch die Verbindlich-keit von Instrumenten auf ihre Brauchbarkeit kritisch in Forschung und Lehre zu bewerten sowie intel-ligente und kreative Vorschlaumlge zu neuen Ansaumltzen und Instrumenten zu entwickeln

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Die Bemuumlhungen um eine bdquoEnergieraumplanungldquo in Oumlsterreich haben etwa 2009 begonnen und seit-her laufend an Bedeutung gewonnen dies ebenso im Institut fuumlr Raumplanung Politisch hat die Ener-gieraumplanung angesichts der draumlngenden Probleme des Klimawandels in den letzten Jahren kraumlftig Ruumlckenwind bekommen ndash sei es durch international koordinierte Initiativen und Vereinbarungen oder auf nationaler Ebene durch neue politische Konstellationen Trotzdem bleibt abzuwarten ob dieser Ruumlckenwind sich auch in einer staumlrker wahrgenommenen Lenkungsverantwortung auf nationaler und foumlderaler Ebene in Oumlsterreich manifestieren wird Eine Staumlrkung der regionalen Ebene aufgrund der erkennbaren Problemlagen aus Forschung und Lehre waumlre jedenfalls sehr dringlich

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  • Vorwort
    • Rudolf Giffinger Martin Berger Kurt Weninger Sibylla Zech
      • Energie und Klimaschutz in hoheitlichen Planungsprozessen beruumlcksichtigen ndash Bedarf Anwendungsfaumllle und Loumlsungsansaumltze aus der Praxis
        • Alexander Rehbogen (1) und Helmut Strasser (2)
          • Einleitung
          • These 1 Energie- und klimaschutzbezogene Inhalte sollten im Kontext der Raumplanung Beruumlcksichtigung finden
          • These 2 Drei Bereiche sind fuumlr die Beruumlcksichtigung energiebezogener Fragestellungen in der Raumplanung maszliggeblich Siedlungsstruktur und Gebaumludebestand Energieversorgungsinfrastruktur und die Nutzung lokaler erneuerbarer Ressourcen
          • These 3 Energiebezogene Inhalte sollen und koumlnnen direkt an bestehende Prozesse der Raumplanung anknuumlpfen
          • These 4 Die erforderliche Information zur Umsetzung von Raumlumlicher Energieplanung muss und kann standardisiert und effizient bereitgestellt werden
          • These 5 Notwendige Datengrundlagen in moumlglichst feiner Granularitaumlt und hoher Aktualitaumlt sind unter Beruumlcksichtigung des Datenschutzes verfuumlgbar zu machen
          • These 6 Den Bundeslaumlndern kommt eine Schluumlsselrolle in der Implementierung von raumlumlicher Energieplanung zu
          • Schlussfolgerungen Ausblick
          • Literatur
              • Das Sachbereichskonzept Energie in der Steiermark Ein Buumlndel aus rechtlicher Verankerung fachlichen Grundlagen fundierter Beratung und finanzieller Foumlrderung
                • Lore Abart-Heriszt (1) Dieter Preiszlig (2) und Michael Redik (3)
                  • Rahmenbedingungen des Landes fuumlr die Energieraumplanung in der Steiermark
                  • Energie- und Treibhausgasdatenbanken und die Ausweisung energieraumplanerischer Standortraumlume
                    • Kommunale Energie- und Treibhausgasdatenbank
                    • Rasterbasierte Energie- und Treibhausgasdatenbank
                    • Energieraumplanerische Standortraumlume
                      • Klimaschutz und das Foumlrderungsprogramm zur Energieraumplanung in der Steiermark
                      • Schlussbemerkung
                      • Literatur
                          • Energieraumplaumlne ndash ein Meilenstein am Weg zur nachhaltigen Energiezukunft Wiens
                            • Susanna Erker (1) Andrea Kinsperger (2) Herbert Hemis (3) und Bernd Vogl (4)
                              • Einleitung
                              • Wo stehen wir
                                • Die Waumlrmewende
                                • Erdgas und Fernwaumlrme im Waumlrmesektor
                                  • Wo wollen wir hin
                                  • Die Energieraumplaumlne ndash ein neues Planungsinstrument fuumlr die Waumlrmewende
                                    • Die Abgrenzung der Klimaschutz-Gebiete
                                    • Der Prozess hinter den Energieraumplaumlnen
                                    • Die Auswirkungen der Energieraumplaumlne
                                      • Wie geht es weiter
                                      • Literatur
                                          • Energieraumplanung Das oumlsterreichische Instrumentarium im IST und SOLL
                                            • Hartmut Dumke (1) und Stefan Geier (2)
                                              • Einleitung
                                              • Erfolgsgeschichten
                                              • Instrumente der (E)RP
                                              • Fazit
                                              • Literatur
                                                  • Datenlandschaft der Energieraumplanung ndash eine Standortbestimmung
                                                    • Robert Kalasek (1) und Florian Puumlhringer (2)
                                                      • Energieraumplanung braucht Information
                                                      • Datengrundlagen und Datenqualitaumlt
                                                        • Anspruumlche an Datenqualitaumlt
                                                        • Informationen zum Energieverbrauch
                                                        • Gebaumlude- und Wohnungsdaten
                                                        • Energieausweis als Informationssubstitut
                                                        • Daten zur Energieinfrastruktur
                                                          • Informationsaustausch
                                                            • Rolle der oumlffentlichen Verwaltung (Administration)
                                                            • Rolle von Unternehmen aus dem privaten Sektor
                                                              • Fazit
                                                              • Literatur
                                                                  • Das Energiemosaik Austria Eine Energie- und Treibhausgasdatenbank fuumlr alle oumlsterreichischen Staumldte und Gemeinden
                                                                    • Lore Abart-Heriszt (1)
                                                                      • Die Entwicklung einer strategischen Datenbank als Aufgabenfeld der Energieraumplanung
                                                                      • Statistische Datenbasis
                                                                      • Strukturdaten Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen
                                                                      • Nutzungen Verwendungszwecke und Energietraumlger
                                                                      • Raumlumliche Parameter Energiekennzahlen und Emissionsfaktoren
                                                                      • Modellierung des Energieverbrauches und der Treibhausgasemissionen
                                                                      • Energieverbrauch in Oumlsterreich
                                                                      • Treibhausgasemissionen in Oumlsterreich
                                                                      • Schlussfolgerungen
                                                                      • Literatur
                                                                          • Institutionelle Gestaltung von energieraumplanerischen Politiken Das Fallbeispiel der niederlaumlndischen Windkraftzonierung
                                                                            • Pia Nabielek (1)
                                                                              • Einleitung
                                                                              • Institutionelle Gestaltung
                                                                              • Das Fallbeispiel des niederlaumlndischen Strukturplans fuumlr Onshore-Windkraftanlagen
                                                                              • Schlussfolgerungen
                                                                              • Danksagung
                                                                              • Literatur
                                                                                  • Elektromobilitaumlt Integration von Elektromobilitaumlt in die Verkehrsplanung ndash welche Anpassungen unserer Werkzeuge brauchen wir
                                                                                    • Martin Kagerbauer (1)
                                                                                      • Ausgangslage
                                                                                      • Definition
                                                                                      • Anforderungen der Elektromobilitaumlt an die Planungswerkzeuge
                                                                                      • Anpassung der Planungswerkzeuge
                                                                                        • Erhebung
                                                                                        • Modellierung
                                                                                          • Schlussfolgerung
                                                                                          • Literatur
                                                                                              • Ansaumltze fuumlr die Mobilitaumlts- und Energiewende im staumldtischen Guumlterverkehr
                                                                                                • Bert Leerkamp (1)
                                                                                                  • Ausgangslage
                                                                                                  • Herausforderungen fuumlr eine gebietsbezogene Buumlndelung
                                                                                                  • Ansaumltze einer gebietsbezogenen Buumlndelung im Bereich der Einzelhandels- und Endkundenversorgung
                                                                                                    • Beispiele fuumlr sektorale gebietsbezogene Buumlndelung (KEP-Logistik)
                                                                                                    • Beispiel fuumlr sektorale kooperative gebietsbezogene Buumlndelung (Stuumlckgutlogistik)
                                                                                                    • Beispiel fuumlr kooperative gebietsbezogene Buumlndelung (Integration von KEP- und Stuumlckgut)
                                                                                                    • Gebietsspediteur Ansatz fuumlr eine regulatorische Gestaltung
                                                                                                      • Initiierung gebietsbezogener Buumlndelungskonzepte durch die Kommunen
                                                                                                      • Steuerung der Energiewende im staumldtischen Lieferverkehr
                                                                                                      • Sicherung von Logistikflaumlchen in der Stadt als Voraussetzung fuumlr Buumlndelung
                                                                                                      • Literatur
                                                                                                          • Neue Wege in der Energieraumplanung
                                                                                                            • Gernot Stoumlglehner (1)
                                                                                                              • Ausgangslage
                                                                                                              • Strategie in der Energieraumplanung
                                                                                                                • Strategische Datenbasis
                                                                                                                • Planungsmethodik
                                                                                                                • Institutionelle Rahmenbedingungen
                                                                                                                  • Sektorkopplung als neue Herausforderung fuumlr die Energieraumplanung
                                                                                                                  • Didaktik der Energieraumplanung
                                                                                                                  • Fazit
                                                                                                                  • Literatur
                                                                                                                      • Die deutsche Energiewende zwischen Wirtschafts- und Klimazielen ndash eine geographische Perspektive
                                                                                                                        • Britta Klagge (1)
                                                                                                                          • Einfuumlhrung
                                                                                                                          • Geographien und Governance der deutschen Energiewende
                                                                                                                          • Die deutsche Energiewende positive wirtschaftliche Effekte aber klimapolitisch (bisher) kein Erfolg
                                                                                                                          • Aktuelle klima- bzw energiepolitische Maszlignahmen Klimapaket (2019) und SINTEG-Modellregionen (2017-2020)
                                                                                                                            • Das Klimapaket von 2019 umfangreiches Investitionsprogramm aber klimapolitisch wenig ambitioniert
                                                                                                                            • SINTEG 2017-2020 Foumlrderung von Modellregionen fuumlr smarte (Verteil-)Netze und flexible Maumlrkte durch Digitalisierung
                                                                                                                              • Fazit und Ausblick
                                                                                                                              • Literatur
                                                                                                                                  • 10 Jahre Forschung und Lehre zur Energieraumplanung am Institut fuumlr Raumplanung an der TU Wien Erfahrungen und Ausblick
                                                                                                                                    • Hartmut Dumke (1) Rudolf Giffinger (2) und Kurt Weninger (3)
                                                                                                                                      • Einleitung
                                                                                                                                      • Zur (Energie-)Raumplanung in Oumlsterreich
                                                                                                                                        • Rechtlicher Rahmen
                                                                                                                                        • Konsolidierung im Verstaumlndnis
                                                                                                                                          • 10 Jahre Energieraumplanung in der forschungsgeleiteten Ausbildung
                                                                                                                                            • Wichtige evidenzbasierte transformative Forschungsprojekte zur Energieraumplanung
                                                                                                                                            • Problem- und umsetzungsorientierte Lehre zur Energieraumplanung
                                                                                                                                              • Zukuumlnftige Anforderungen an die Energieraumplanung
                                                                                                                                              • Resuumlmee und Ausblick
                                                                                                                                              • Literatur
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