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published in: Uwe Backes/Henrik Steglich (Hrsg.), Die NPD. Erfolgsbedingungen einer rechtsextremistischen Partei, Baden-Baden 2007, S. 337-354.

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Die nationalsozialistische Ideologie der NPD

Steffen Kailitz

I. Einleitung

Die NPD ist keineswegs nur eine Partei, die Brücken ins nationalsozialistischeSpektrum schlägt, sondern selbst eine originär nationalsozialistische Partei. DiesesUrteil soll der folgende Beitrag systematisch untermauern. Das Urteil schließt dabeikeineswegs aus, dass es gegen diesen Kurs innerhalb der NPD Widerstände durchAnhänger eines deutsch-nationalen Rechtsextremismus gibt. Vor allem bedeutetdie Einordnung nicht, es gebe keine bedeutsamen Unterschiede zwischen der his-torischen NSDAP und der NPD. Ich nutze den Begriff „Nationalsozialismus“ alseinen Gattungsbegriff für rechtsextremistische Parteien, deren Programmatik einenationalistische und/oder völkische Grundausrichtung mit einer starken Betonungsozialstaatlicher Elemente und dem Streben nach einer staatlichen Kontrolle derWirtschaft kombiniert. Es ist kein unabdingbares Kriterium, aber doch ein wichti-ges Indiz für die Zugehörigkeit zum nationalsozialistischen Parteienlager, wenn dieAnhänger einer Partei propagieren, einen Nationalsozialismus, einen nationalen,deutschen oder völkischen Sozialismus zu vertreten. Erste nationalsozialistische Par-tei in diesem Sinne war die 1904 in Böhmen gegründete „Deutsche Arbeiterpartei“,die eine antikapitalistische Ausrichtung mit einem Antislawismus kombinierte.1

Zwar wurde der Nationalsozialismus historisch von einigen Programmpunkten deslinken Sozialismus inspiriert, aber es handelt sich auch auf dem Feld der Wirt-schafts- und Sozialpolitik um eine originär rechtsextremistische Ideologie und kei-neswegs um eine Mischung aus rechts- und linksextremistischen Elementen.

Dieser Beitrag verfolgt auch das Ziel zu zeigen, dass die Anwendung der Begrif-fe „Nationalsozialismus“ und „nationaler Sozialismus“ als Bezeichnung einesabgrenzbaren Teils der nationalistischen bzw. rechtsextremistischen Parteienfami-lie inhaltlich gerechtfertigt und methodisch weiterführend ist. Wenn sich auf plau-sible Weise die Existenz einer Grundgesamtheit nationalsozialistischer Parteiennachweisen lässt, hat dies methodische Bedeutung. Wenn NPD und NSDAP sichals programmatisch eng verwandte Parteien erweisen, dann ist es nämlich metho-disch gerechtfertigt, aus der Umsetzung von ähnlichen Programmpunkten derNSDAP gewisse Rückschlüsse auf mögliche Folgen einer Umsetzung von Pro-grammpunkten der NPD zu ziehen. In erster Linie werden bei den folgenden Aus-

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1 Vgl. Karl Dietrich Bracher, Art. Nationalsozialismus, in: Wolfgang W. Mickel/Dietrich Zitzlaff (Hrsg.),Handlexikon zur Politikwissenschaft, München 1983, S. 309–313, hier S. 311. Bracher hat immer wiederdafür plädiert, die Selbstbezeichnung als „nationaler Sozialismus“ ernst zu nehmen, da sie im Unterschiedzum Faschismusbegriff eine substantielle Aussage enthalte. Er deutete an, der Begriff könnte auch bei„nicht-deutschen historischen und aktuellen Ausprägungen bei den Diktatoren der Dritten Welt“ anwend-bar sein.

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führungen aber schlicht die logischen Folgen bestimmter programmatischer Forde-rungen der NPD durchgespielt.

Bei der Fallanalyse zur NPD beschränke ich mich weitgehend auf die program-matischen Kernäußerungen der Partei: das Parteiprogramm, das Aktionsprogrammund das Europaprogramm. Die Partei versucht nicht zuletzt über ihr Internetange-bot für eine breite Streuung dieser Texte zu sorgen. Während die NPD ihr aktuel-les Parteiprogramm bereits vor dem Verbotsverfahren im Jahr 1996 vorlegte,stammt das weit detailliertere Aktionsprogramm aus dem Jahr 2002 und das Euro-paprogramm aus dem Jahr 2003. Um einige Schlüsselbegriffe der Programme zuerläutern, ziehe ich das von der NPD über das Internet verbreitete „Politische Lexi-kon“ heran. Mit Blick auf die „Jungen Nationaldemokraten“ werte ich zudem derenGrundlagenprogramm aus.

Die Konzentration auf die Parteiprogramme erfolgt aus analytischen Gründen.Die Auswertung von Parteiprogrammen erscheint nach wie vor als Königsweg, umdie Grundposition einer Partei auf allen Politikfeldern zu erkunden.2 Parteipro-gramme haben noch immer eine Schlüsselbedeutung nach innen und außen, auchwenn sie häufig nicht einmal vom Sympathisantenkreis gelesen werden. Sie dienennämlich nach außen der Werbung für die eigenen Positionen und nach innen derIntegration und Aktivierung der Mitglieder.3 Die Parteiprogramme der NPD kön-nen als eine Art Minimalkonsens der Strömungen in der Partei gelten, während esproblematisch ist, etwa namentlich gekennzeichnete Artikel in der „DeutschenStimme“ der NPD als Partei zuzuordnen.4 Der Beitrag will darlegen, wie eine Herr-schaft der NPD aussehen würde. Diese Analyse nimmt dabei aber nicht alle Pro-grammpunkte der NPD gleichermaßen in den Blick. Die Perspektive ist deutlichgeprägt von der Frage, welche Programmpunkte der NPD bei ihrer Umsetzung all-gemeine Menschenrechte zu verletzen und die Errichtung einer Diktatur heraufzu-beschwören drohen.

II. Bekenntnis zum „nationalen Sozialismus“ und zur Utopie einer „Volksgemeinschaft“

Die Charakterisierung der NPD als nationalsozialistisch ist kein von außen aufge-klebtes Etikett. In einer leichten sprachlichen Variation ist in der NPD mit Blickauf die eigene Ideologie etwa von einem „sozialen Nationalismus“5 oder einem„nationalen Sozialismus“ die Rede. „Nationalsozialismus“ und „nationaler Sozia-lismus“ sind aber Synonyme.6 So sprach Adolf Hitler etwa in „Mein Kampf“ gleich-

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2 Einen Überblick zu den verschiedenen Analysetechniken, um programmatische Standpunkte von Partei-en zu ermitteln, bietet: Michael D. McDonald/Silvia M. Mendes, Der Politikraum von Parteiprogrammen,in: Jan W. Deth/Thomas König (Hrsg.), Europäische Politikwissenschaft. Ein Blick in die Werkstatt, Frank-furt a.M. 2000, S. 22–56.

3 Vgl. zur Funktion von Parteiprogrammen etwa Klaus von Beyme, Parteien im Wandel. Von den Volkspar-teien zu den professionalisierten Wählerparteien, Wiesbaden 2002, S. 96.

4 Vgl. für eine Analyse des Parteiorgans der NPD, der „Deutschen Stimme“, den Beitrag von Florian Hart-leb in diesem Band.

5 http://www.jn-magdeburg.de (Stand: 2. Mai 2007).6 So trägt das Überblickswerk von Karlheinz Weißmann zu den nationalsozialistischen Strömungen den Titel:

Der nationale Sozialismus. Ideologie und Bewegung 1890–1933, Berlin 1998.

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bedeutend von Nationalsozialisten und nationalen Sozialisten7, und in der neona-tionalsozialistischen Szene der Bundesrepublik werden die Begriffe ebenfalls seitlanger Zeit synonym gebraucht. Das Bekenntnis zum nationalen Sozialismus giltfür die gesamte Parteijugend. So heißt es etwa im Grundlagenprogramm der JN:„Wir deutsche Nationalisten sind Sozialisten.“8 Die Göttinger Jugend der NPDbringt das Glaubensbekenntnis der Parteijugend so auf den Punkt: „Wir, die deut-sche Jugend, das heißt die, die wir noch deutsch sein wollen, stehen hinter derNPD! Wir sind nationale Sozialisten und wissen, dass nur der nationalistische Glau-be Deutschland, Europa und den Rest der Welt in eine bessere, friedlichere undgerechtere Zukunft führen kann, wenn er weltweit angewendet wird.“9 NPD und JNorganisieren Kundgebungen unter dem Slogan: „Arbeit für Mio. statt Profite fürMillionäre – Nationaler Sozialismus jetzt!“10

Aufschlussreich ist auch, dass die NPD mit Blick auf ihren Brückenschlag zu dennationalsozialistischen Kameradschaften im „Volksfront“-Konzept von einemBündnis zwischen „parteifreien“ bzw. „parteiunabhängigen“ Nationalisten und par-teigebundenen Nationalisten spricht. Von einer unterschiedlichen ideologischenAusrichtung ist nie die Rede. Der Kern der Ideologie der NPD – wie aller national-sozialistischen Parteien vor ihr – ist das Streben nach der Utopie einer ethnisch völ-lig homogenen Volksgemeinschaft. Das völkische Denken ist eine Spielart desRechtsextremismus, der Nationalsozialismus wiederum eine Variante des völki-schen Denkens, die aber zugleich versucht – mehr durch Lippenbekenntnisse alsdurch tatsächliche Kompromisse –, integrierend auf alle Strömungen des Rechts-extremismus zu wirken. Die Wurzeln des völkischen Denkens werden vonForschern wie Kurt Sontheimer in Deutschland verortet.11 Dieser Ideologie liegtfolgendes Menschenbild zugrunde: „Der Mensch existiert nur in seiner je unter-schiedlichen ethnisch-kulturellen Prägung und damit als Angehöriger einesbestimmten Volkes.“12 In der Weimarer Republik entfaltete die Volksgemeinschafts-ideologie angesichts einer tiefen wirtschaftlichen Krise und einer ausgesprochenzerklüfteten politischen Kultur besondere Anziehungskraft. Die völkische Bewe-

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7 So heißt es etwa in „Mein Kampf“: „Als nationale Sozialisten sehen wir in unserer Flagge unser Pro-gramm.“ Anschließend beschreibt Hitler die Bedeutung der Hakenkreuzflagge: Adolf Hitler, Mein Kampf,Bd. 2, München 1925, S. 557. Die Partei von Julius Streicher, der später zur NSDAP stieß, nannte sich„Deutschsozialistische Partei“. Dieser Partei sprach Hitler die „gleichen Schlussziele“ (ebd., S. 575) zu wieder NSDAP.

8 Junge Nationaldemokraten, Grundlagenprogramm, S. 4. Quelle: http://www.jn-sachsen.de/images/PDF/jn-grundlagenprogramm.pdf (Stand: 3. Mai 2007).

9 Jugend für die NPD – Jugend für Deutschland, http://www.npd-goettingen.de/Deutschland/Jugend.htm(Stand: 21. April 2007).

10 Junge Nationaldemokraten, NPD/JN Kundgebung in Essen-Borbeck, http://www.jn-buvo.de/index.php?option=com_content&task=view&id=208&Itemid=33 (Stand: 3. Mai 2007).

11 Vgl. u. a. Kurt Sontheimer, Das antidemokratische Denken in der Weimarer Republik, München 1978. S.130–134. Ein hervorragender Aufsatz zur völkischen Ideologie ist: Martin Broszat, Die völkische Ideologieund der Nationalsozialismus, in: Deutsche Rundschau 84 (1958), S. 53–68. Einen Überblick zur völkischenBewegung bieten: George L. Mosse, Die völkische Revolution: Über die geistigen Wurzeln des Nationalso-zialismus, Frankfurt a.M. 1991; Uwe Puschner, Die völkische Bewegung im wilhelminischen Kaiserreich.Sprache, Rasse, Religion, Darmstadt 2001; ders. (Hrsg.), Handbuch zur „völkischen Bewegung“ 1871–1918,München 1999.

12 NPD-Parteivorstand (Hrsg.), Eine Handreichung für die öffentliche Auseinandersetzung. Argumente fürKandidaten und Funktionsträger, Berlin 2005, S. 14.

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gung wollte in erster Linie die Juden aus der von ihr ersehnten „Volksgemeinschaft“ausgrenzen. Diese Konzentration lag darin begründet, dass ein ethnisches Anders-sein in jener Zeit in hohem Maße mit dem Judentum identifiziert wurde. Die meis-ten der in den 1920er Jahren im Vergleich zur Gegenwart wenigen Zuwanderer nachDeutschland waren osteuropäische Juden, die vor Verfolgung aus Osteuropa geflo-hen waren. Der völkische Antisemitismus ist als eine spezifische Ausprägung desvölkischen Denkens anzusehen. Grundsätzlich richtet sich die völkische Ideologieaber nicht nur gegen Juden, sondern gegen alle, die als nicht dem eigenen Volk oderzumindest der eigenen Rasse zugehörig empfunden werden.

Das Bekenntnis zum nationalsozialistischen Kernbegriff der Volksgemeinschaftsteht inzwischen im Mittelpunkt aller programmatischen Äußerungen der NPD.Die Partei beklagt dabei, dass es derzeit keine Volksgemeinschaft gebe. So heißt es:„Die Volksgemeinschaft wurde in der BRD zerstört. An ihre Stelle trat eineAnsammlung von Individuen mit egoistischen Zielen. Gemeinsame Werte wurdenzerstört, und die Gemeinsamkeit von Geschichte, Kultur und Abstammung wirddurch bewusst herbeigeführten, fortgesetzten Ausländerzustrom vernichtet.“13 Häu-fig ist in der Partei und ihrem Umfeld dabei mit Blick auf die Zuwanderung voneinem drohenden „Völkermord“ an den Deutschen zu lesen.

Auf dem Weg zur von der NPD geforderten Volksgemeinschaft erscheint der Par-tei zweierlei notwendig:1. Eine Unterordnung der Angehörigen der Volksgemeinschaft unter die Interessen

einer völkisch definierten deutschen Gemeinschaft.2. Einen Ausschluss aller Menschen aus der deutschen Gesellschaft, die aus Sicht

der NPD nicht in eine deutsche „Volksgemeinschaft“ gehören.Mit Blick auf die Beurteilung des historischen Nationalsozialismus herrscht in

der Parteispitze eine klar positive Beurteilung vor. So befand der ParteivorsitzendeUdo Voigt in einem Interview mit der „Jungen Freiheit“: „Tatsächlich hat der Natio-nalsozialismus die Ideen völkischer Identität von 1848 in hohem Maße realisiert,leider aber war er auch imperialistisch.“14 Über Adolf Hitler urteilte er: „Zweifelloshandelt es sich bei Hitler um einen großen deutschen Staatsmann. Ich verkenneaber nicht, dass er letztlich die Verantwortung für die Niederlage Deutschlandsträgt.“15 Der – inzwischen verstorbene – sächsische Vorzeigekandidat der NPD, UweLeichsenring, bezeichnete das „Dritte Reich“ als „eine Wohlfühldiktatur mit 95 Pro-zent Zustimmung“.16

Trotz der programmatischen Ausrichtung sah der Parteivorsitzende Voigt 2004die NPD nicht als eine rein nationalsozialistische Partei an, sondern als eine Orga-nisation, die neben Nationalliberalen und Nationalkonservativen auch Nationalso-zialisten integriere. Im Programm spiegeln sich aber – wie noch zu zeigen seinwird – nationalliberale und nationalkonservative Positionen nicht. Die Grundaus-

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13 Nationaldemokratische Partei Deutschlands, Parteiprogramm (1996), S. 10; Quelle: http://partei.npd.de/medien/pdf/Parteiprogramm.pdf (Stand: 18. April 2007).

14 „Ziel ist, die BRD abzuwickeln“. Der NPD-Vorsitzende Udo Voigt über den Wahlerfolg seiner Partei undden „Zusammenbruch des liberal-kapitalistischen Systems“, in: Junge Freiheit vom 24. September 2004.

15 Ebd.16 Uwe Leichsenring zitiert nach Vogtlandanzeiger vom 17. Mai 2006.

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richtung der Partei ist nationalsozialistisch. In ihrem im Internet verbreiteten „Poli-tischen Lexikon“ umschreibt die NPD diese Ideologie so: „Nationaler Sozialismussucht den Ausgleich zwischen Markt und Plan und entspringt nicht dem materia-listischen Denken der Linken.“17 Der nationale Sozialismus ziele nicht auf denKlassenkampf, sondern auf die Klassenbeseitigung. Genau dieses spezifisch völ-kisch geprägte Streben nach einem „Ausgleich zwischen Markt und Plan“ zeigt sichin der Wirtschafts- und Sozialprogrammatik der NPD. Eine auf NPD-Demonstra-tionen immer wieder auf Transparenten zu sehende Kernparole lautet entspre-chend: „Volksgemeinschaft statt Klassenkampf“. Die Positionen des „nationalenLiberalismus“ und des „nationalen Konservatismus“, die laut Voigt ebenfalls in derPartei vertreten sein sollen, werden im „Politischen Lexikon“ nicht charakterisiert.Der „Liberalismus“ wird vielmehr als Feindbild der eigenen Ideologie dargestellt.Nationalismus und Liberalismus erscheinen aus dieser Perspektive unvereinbar. Soheißt es: „Nationalisten setzen liberalistischen Falschlehren die Auffassung vomStaat als Wahrer des Ganzen, als Träger der Volksgemeinschaft, gegenüber.“18 DieSelbstbezeichnung der Partei als revolutionär lässt wiederum erkennen, dass sie kei-neswegs eine nationalkonservative und damit antirevolutionäre Ausrichtung hat.19

In die programmatischen Texte der NPD hat die Bezeichnung der eigenen Ideo-logie als nationaler Sozialismus bislang allerdings keine Aufnahme gefunden. DieNPD wehrt sich sogar dagegen, wenn Demokraten sie als nationalsozialistisch cha-rakterisieren. So zeigte etwa Holger Apfel den CDU-Fraktionsvorsitzenden im säch-sischen Landtag, Fritz Hähnel, an, weil dieser die Politiker der NPD als National-sozialisten bezeichnet hatte.20 Der Eiertanz von führenden Vertretern der NPDdürfte dadurch zu erklären sein, dass 1. der Anspruch auf eine Integrationswirkungder NPD im rechtsextremistischen Lager durch ein klares Bekenntnis zum Natio-nalsozialismus aufgegeben würde und 2. ein offenes Bekenntnis zum Nationalso-zialismus unweigerlich einen neuen Verbotsantrag zur Folge hätte.

III. Die Utopie einer „Volksgemeinschaft“ und der Plan einer Vertreibung von Mio. Menschen

Die NPD will die Zuwanderung von allen, die für sie nicht als Volksdeutsche gel-ten, beenden. Darüber hinaus plant die NPD die Vertreibung aller, die aus ihrerSicht nicht in die Volksgemeinschaft gehören. Ihr Projekt einer Vertreibung vonmehr als elf Mio. Menschen beschönigt sie als „Ausländerrückführung“. Dieses Pro-jekt betrifft dabei keineswegs nur Ausländer, sondern auch Mio. deutscher Staats-angehöriger. So beklagt die NPD in ihrem Aktionsprogramm, dass die offizielle

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17 Vgl. NPD, Politisches Lexikon, Art. Nationaler Sozialismus, http://www.npd.de/index.php?sek=0&pfad_id=31&seite_id=30&vid=711 (Stand: 18. April 2007).

18 Vgl. NPD, Politisches Lexikon, Art. Liberalismus, http://www.npd.de/index.php?sek=0&pfad_id=31&seite_id=30&vid=711 (Stand: 18. April 2007).

19 Diese analytische Einschätzung unterscheidet sich nicht von der vorherrschenden Einschätzung der Par-teigliederungen der NPD. So wehrt sich etwa die NPD-Göttingen nachdrücklich gegen die Ansicht, dieNPD sei konservativ: „Da es aber kaum Zustände und Werte in dieser Republik gibt, die wir als bewah-renswert betrachten, sind wir auch nicht sonderlich konservativ.“ http://www.npd-goettingen.de/UeberUns/Vorurteile.htm (Stand: 25. Mai 2007).

20 Vgl. Pressemitteilung der NPD-Fraktion vom 28. Januar 2005.

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Zahl der Ausländer in Deutschland nicht die „Ausländer mit BRD-Pass“21 umfas-se. Wer aus Sicht der NPD nicht „germanischstämmig“ ist, bleibt für sie „körper-lich, geistig und seelisch immer Fremdkörper“. Die Verleihung eines „bedrucktenPapiers“, sprich der deutschen Staatsangehörigkeit, ändere nämlich nicht die „bio-logischen Erbanlagen“. Vorrangig richtet sich dieses Urteil der NPD dabei gegen„Afrikaner, Asiate[n] oder Orientale[n]“22, in zweiter Linie auch gegen alle anderenMenschen, die nicht „germanischstämmig“ sind. Die Ideologie der NPD ist gegenAusländer in Deutschland und gegen einen bedeutenden Teil der heutigen deut-schen Staatsbürger, der mehrere Mio. Menschen umfasst, gerichtet. Ein Farbigerkann z. B. aus Sicht der NPD unabhängig von seinem Geburtsort und seiner Staats-angehörigkeit niemals zur deutschen Volksgemeinschaft gehören.23

In ihrem Aktionsprogramm benennt die Partei, wer aus ihrer Sicht nicht Deut-scher sein kann. Die NPD wendet sich gegen eine Bevölkerung Deutschlands, die„kein gemeinsames Aussehen, keine gemeinsame Kultur, keine gemeinsameAbstammung, keine gemeinsame Geschichte und keine gemeinsame Sprache“24

hat. Für die NPD kann nämlich nur ein Volk mit diesen Merkmalen gemeinsameWerte entwickeln und eine Gemeinschaft bilden. Eine Abkehr von diesem völki-schen Denken führe dagegen zu Bürgerkrieg und Rassenunruhen in einem Staat.

In der NPD sind inzwischen zunehmend Anklänge an Rassentheorien zu fin-den. Im Aktionsprogramm geschieht dies eher zurückhaltend, indem die Partei denAspekt des Aussehens neben dem Aspekt der Abstammung ins Feld führt, ohnedass sie an dieser Stelle den Begriff „Rasse“ verwendet. In ihrem über das Internetverbreiteten „Politischen Lexikon“ knüpft die NPD offen an den nationalsozialisti-schen Rassentheoretiker Hans F. K. Günther an. Die NPD zitiert ihn mit folgen-dem Satz, der erkennbar die Aussage im „Aktionsprogramm“ der NPD prägt: „Rasseist eine Menschengruppe, welche bei allen ihren Vertretern ein in der Hauptsachegleiches leiblich-seelisches Bild zeigt.”25 Problematisch ist nicht so sehr, dass dieNPD den Begriff der „Rasse“ und nicht der „Ethnie“ verwendet. So findet der Begriff„Rasse“ auch gewöhnlich Verwendung in allen älteren antirassistischen Äußerun-gen.26 Das Problem ist vielmehr, dass sich die NPD für eine Vertreibung undUngleichbehandlung von bestimmten Menschengruppen aus Deutschland einsetzt.

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21 Nationaldemokratische Partei Deutschlands, Aktionsprogramm (2002), S. 13; Quelle: http://www.npd.de/medien/pdf/aktionsprogramm.pdf (Stand: 18. April 2007).

22 Argumente für Kandidaten und Funktionsträger (FN 12), S. 12.23 Diese Ansicht versuchte die NPD durch ihren WM-Planer zu verbreiten. Er trug die Aufschrift: „Weiß.

Nicht nur eine Trikot-Farbe! Für eine echte NATIONAL-Mannschaft!“ Daneben war ein Spieler mit derRückennummer 25 zu sehen. Diese Nummer trug der in Hamburg geborene Patrick Owomoyela im Natio-nalteam. Er klagte erfolgreich gegen die Verbreitung des WM-Planers der NPD.

24 NPD, Aktionsprogramm (FN 21), S. 11.25 Politisches Lexikon, Art. Rasse (FN 17).26 So heißt es etwa im deutschen Grundgesetz in Art. 3, gegen den die Programmatik der NPD fundamental

gerichtet ist: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Spra-che, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungenbenachteiligt oder bevorzugt werden.“ Analog ist der Begriff der Rasse auch in der Erklärung der Allgemei-nen Menschenrechte verankert. Beide Erklärungen wurden abgefasst, bevor die UNESCO 1952 empfahl,den Rassebegriff nicht mehr zu verwenden und ihn durch die Wendung „ethnische Gruppe“ zu ersetzen.Vgl. Unesco, The Race Concept. Results of an Inquiry, Paris 1952.

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Um zu erkennen, welches gigantische Vertreibungsprojekt die NPD in Angriffnehmen möchte, ist ein Blick auf den Kreis der Personen zu werfen, die sie für dieso genannte „Ausländerrückführung“ vorgesehen hat: Er lässt sich näherungswei-se über die Zahl der 2005 vom Statistischen Bundesamt im Mikrozensus erfasstenPersonen mit Immigrationshintergrund erschließen. Laut offiziellen Zahlen von2005 sind dies 15,3 Mio. Menschen. Es handelt sich um 19,3 Prozent der Wohnbe-völkerung Deutschlands. Acht Mio. dieser Menschen sind deutsche Staatsbürgerund 7,3 Mio. haben eine andere Staatsangehörigkeit. 6,3 dieser 15,3 Mio. Menschensind in Deutschland geboren.27 Aufgrund der völkischen Ideologie der NPD ist eswichtig zu erwähnen, dass in der Zahl der 15,3 Mio. Menschen mit Immigrations-hintergrund die über vier Mio. Spätaussiedler seit 1950 enthalten sind. Die NPDdürfte die Spätaussiedler auf der Grundlage ihrer völkischen Ideologie als deutschanerkennen. In den NPD-Programmen findet sich zu dieser Frage allerdings keineAussage. Die NPD dürfte sich um die Frage der Bewertung der Spätaussiedler drü-cken, weil sie weiß, dass für einen großen Teil ihrer Anhängerschaft die Spätaussied-ler kaum anders wahrgenommen werden als etwa Zugewanderte aus der Türkei.Dadurch wird die NPD in der politischen Landtagsarbeit zum Spagat gezwungen.So fand sich etwa in einem Antrag von Uwe Leichsenring zu „Problemen bei derIntegration von Spätaussiedlern auf dem Pirnaer Sonnenstein“ im sächsischenLandtag der Wunsch, Arbeitslosen- und Kriminalitätsraten nach Ausländern, Spät-aussiedlern und Deutschen aufzuschlüsseln.28 Eine andere Gruppe von Menschen,die von der NPD als nicht-deutsch wahrgenommen werden, ist zu einem größerenTeil nicht in der Gruppe der Personen mit Immigrationshintergrund erfasst. Es gehtum die Gruppe der Menschen mit jüdischer Religionszugehörigkeit. Der Antisemi-tismus spielt im Unterschied zur NSDAP in der Programmatik der NPD keine her-vorgehobene Rolle. Mit Blick auf das Vertreibungsprojekt der NPD bleibt aber keinZweifel, dass auch die Juden vertrieben werden sollen. Funktionäre der NPD stel-len Angehörige der Juden nämlich stets als Angehörige eines anderen Volkes dar.29

Die Zahl der Menschen, die die NPD vertreiben möchte, beträgt etwa elf Mio.Dies entspricht rund 14 Prozent der Menschen, die derzeit in Deutschland leben.Die Zahl der Menschen, deren Ausgrenzung, Entrechtung und Vertreibung dieNPD ankündigt, liegt damit weit über der Zahl jener Menschen, die zum Zeitpunktder Machtergreifung der NSDAP 1933 in Deutschland mit Ausgrenzung, Entrech-tung und Vertreibung rechnen mussten. Die Zahl der nicht als Arier anerkanntenBewohner Deutschlands belief sich 1933 auf rund 600.000 Menschen oder ein Pro-zent der Wohnbevölkerung.30 Es ist dabei davon auszugehen, dass auch der kritischs-te Beobachter der NSDAP 1933 nicht voraussehen konnte, dass die Planungen zueiner Entrechtung und Vertreibung der Juden in Deutschland in einer Vernichtung

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27 Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Leben in Deutschland. Haushalte, Familie, Gesundheit – Ergebnis-se des Mikrozensus 2005, Wiesbaden 2005, S. 73–80.

28 Vgl. Drucksache 4/3878–4/3885.29 So äußerte sich etwa Jürgen Gansel in der „Deutschen Stimme“ so: „Es wird also höchste Zeit, die Holo-

caust-Waffe stumpf zu machen, damit ein eben nicht ganz normales Völkchen mit ihr keine Sonderinte-ressen mehr durchsetzen und andere moralisch erpressen kann.“ Vgl. Deutsche Stimme, Nr. 6/2006.

30 Vgl. Raul Hilberg, Die Vernichtung der europäischen Juden, Bd. 1., Frankfurt a.M. 1990, S. 85.

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der Juden in ganz Europa gipfeln würde. Auch mit Blick auf die NPD sollte nichtdarüber spekuliert werden, ob die von ihr angekündigte Vertreibung in einer Ver-nichtung von als ausländisch definierten Menschen gipfeln könnte. Ohne dieAnwendung von Gewalt und die Einrichtung von Konzentrationslagern erscheintaber eine Vertreibung von mehr als elf Mio., die mehrheitlich kaum freiwillig gehendürften, kaum vorstellbar. Ein bedeutender Teil dieser Menschen, zumal die inDeutschland Eingebürgerten, können gar nicht in andere Länder vertrieben wer-den, weil die von der NPD anvisierten Länder sie nicht aufnehmen würden. Wasdann mit diesen Mio. Menschen geschehen soll, lässt die Programmatik der NPDoffen. Im heutigen Programm der NPD ist daher sogar noch stärker als in derNSDAP-Programmatik ein selbst geschaffener Zwang erkennbar, der bei einerAlleinherrschaft der NPD in eine Terrorspirale münden müsste. Die NPD bemän-telt ihr menschenfeindliches Programm damit, dass sie behauptet, die so genann-ten „Rückführungen“ seien im Sinne der als ausländisch definierten Menschen.Die Frage, ob diese Menschen ihrer „Rückführung“ zustimmen, interessiert dieNPD aber nicht.

Bei der Skizzierung eines umfassenden Vertreibungsprojekts geht die NPD inihrer Programmatik dabei sogar weiter als das NSDAP-Programm von 1920. So for-derte die NSDAP, dass Menschen, die keine deutschen Staatsbürger seien, nur alsGast in Deutschland leben dürften. Die NPD will es dagegen grundsätzlich nichtgestatten, dass Nicht-Deutsche in Deutschland leben. Sie möchte bis auf zu geneh-migende Ausnahmen, das Aufenthaltsrecht von allen, die sie nicht als deutschakzeptiert, auf drei Monate beschränken. Die NPD geht auch deutlich weiter inihrer Forderung, wer vertrieben werden soll. Die NSDAP forderte, dass alle aus ihrerSicht „Nicht-Deutschen, die seit dem 2. August 1914 eingewandert sind, sofort zumVerlassen des Reichs gezwungen werden sollten“.31 Bei der NPD gibt es keine der-artige Grenzlinie. Sie will schlicht alle vertreiben, die nach ihrer Ansicht nicht zumdeutschen Volk gehören. Sie lässt dabei offen, wie lange die deutsche Abstam-mungslinie für sie zurückreichen muss, damit ein Mensch von ihr als Deutscherangesehen wird. Es erscheint als eine nahezu zwangsläufige Folge des Denkens derNPD, dass die Partei bei ihrer Herrschaft analog dem Ariernachweis zu Zeiten derRegierung Hitler etwa einen Deutschennachweis oder einen „GermanischenStammnachweis“ einführen müsste.

Die NPD wehrt sich gegen jede Bestrebung zur Integration von Personen, diekeine ethnischen Deutschen sind. Dies liegt in der völkischen Grundorientierungbegründet. Zudem dürfte der NPD klar sein, dass durch eine Integration mensch-liche Bindungen zwischen den von ihnen als Volksdeutsche und den von ihnen alsAusländer definierten Menschen entstehen und dies eine Hinnahme der Vertrei-bung durch die übrige Bevölkerung erschwert. Die NPD will daher die als auslän-disch definierten Menschen systematisch aussondern, bevor sie vertrieben werden.Charakteristisch ist dafür folgende Forderung in ihrem Aktionsprogramm: „Auslän-

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31 Die 25 Punkte des Programms der NSDAP, in: Walther Hofer (Hrsg.), Der Nationalsozialismus. Dokumen-te 1933–1945, Frankfurt a.M. 1957, S. 28–31.

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dische Kinder sollen in homogenen Klassenverbänden und in ihrer Mutterspracheunterrichtet werden, um eine spätere Reintegration in den Heimatländern zuerleichtern.“32 Die Forderung, dass eine völkische Trennung von Ausländern undDeutschen an den Schulen erfolgen soll, bis alle Ausländer aus Deutschland ver-trieben sind, verbirgt die NPD keineswegs. Sie findet sich u. a. auf dem NPD-Falt-blatt „Jugend!“, das die Partei regelmäßig in Wahlkämpfen einsetzt und über dasInternet verbreitet.33

Auf der Grundlage der völkischen Ideologie der NPD sind im Falle ihrer Herr-schaft bis zum Abschluss der Vertreibung von elf Mio. Menschen viele weitere Maß-nahmen zu einer völkischen Trennung von als deutsch und als ausländisch definier-ten Menschen zu erwarten. Aus der Auseinandersetzung mit den von der NPD als„Bastarde“ bezeichneten Menschen lässt sich etwa ablesen, dass in einer Diktaturder NPD Ehen zwischen Menschen, die als deutsch akzeptiert werden, und solchen,die nicht als deutsch akzeptiert werden, verboten wären. Wer sich den umfassendenKomplex der Sonderrechte für die Juden im NS-Staat ansieht34, kann sich ein Bilddavon machen, wie Regelungen im Zuge einer Umsetzung der „Ausländerrückfüh-rung“ durch die NPD aussehen würden. So regelte die NSDAP zwischen 1933 und1938 nahezu jedes Detail der Ausgrenzung der als jüdisch definierten Menschenaus der deutschen Gesellschaft. So wurde, um nur ein Beispiel von Hunderten zunennen, am 9. Mai 1935 eine neue Zulassungsverordnung für Zahnärzte und Den-tisten erlassen, die festlegte, dass die „arische Abstammung Bedingung für dieZulassung“35 sei.

Aufschlussreich ist, dass sich die NPD bereits analog der historischen NSDAPmit Blick auf die Juden darüber Gedanken macht, wie mit Menschen umzugehenist, von denen ein Elternteil die Volkszugehörigkeitskriterien der NPD erfüllt unddas andere nicht. Von diesen Menschen spricht die NPD in einem Argumentations-papier für ihre Funktionäre voller Verachtung nicht nur als „Mischlinge“, sondernsogar als „Bastarde“: „Die Mischlinge, die deutsch-nichteuropäischen Beziehungenentstammen, werden das sich nationalisierende Deutschland über kurz oder langfreiwillig verlassen, weil sie eine multikulturelle Umgebung bevorzugen. Sie werdensich Ausländer suchen, in denen es keine einheitliche Volkssubstanz gibt, in denenBastarde zum Alltagsbild gehören und die damit verbundene ethno-kulturelle Ver-wahrlosung und Bindungslosigkeit allgegenwärtig ist. [...] Die Schuld für ihre Wan-derschaft zwischen den multikulturellen Welten und das grausige Schicksal der Hei-matlosigkeit haben die Mischlinge dann bei ihren verantwortungslosen undselbstsüchtigen Eltern zu suchen und nicht bei den Deutschen, die eine solidari-sche Volksgemeinschaft sein wollen.“36 Mit Blick auf die „Mischlinge“ plant die

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32 NPD, Aktionsprogramm (FN 21), S. 58.33 Vgl. Jugend braucht Visionen!“, http://www.npd.de/index.php?sek=0&pfad_id=7&cmsint _id=2&detail=13

(Stand: 3. Mai 2007). Die entsprechende Textstelle lautet: „Wir fordern – die Einführung getrennter Schul-klassen von Deutschen und Ausländern, solange die von uns geplante Ausländerrückführung noch nichtabgeschlossen ist, um die kulturelle Identität jeder Volksgruppe zu wahren.“

34 Eine nahezu komplette Übersicht bietet: Jürgen Walk (Hrsg.), Das Sonderrecht für die Juden im NS-Staat,2. Aufl., Heidelberg 1996.

35 Ebd., S. 114.36 Argumente für Kandidaten und Funktionsträger (FN 12), S. 8 f.

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NPD also keine Deportation. Diesen Menschen soll vielmehr – wenn ein Elternteilnicht-europäischer Herkunft ist – das Leben in Deutschland durch die Deportationeines bedeutenden Teils der Menschen aus ihrem sozialen Umfeld, ihre Diffamie-rung als „Mischlinge“ und „Bastarde“ sowie Ausgrenzungsmaßnahmen unmöglichgemacht werden, so dass sie in die Emigration gezwungen werden.37 Die NPD istideologisch konsequent. Für die NPD ist aufgrund ihrer völkischen Ideologie beidiesen Menschen auch das Ursprungsland der Familienlinie des anderen Eltern-teils nicht die Heimat. Die NPD sieht also bei den als „Bastarden“ diffamiertenMenschen nicht von einer Deportation ab, weil sie bei diesem Grad der völkischgeprägten Menschenfeindlichkeit eine Grenze zieht, sondern weil sie bei diesenMenschen kein Heimatland angeben kann.

IV. Die Finanzierung des Vertreibungsprojekts

Die NPD hat sich zweckrationale Gedanken darüber gemacht hat, wie sich ihr Ver-treibungsprojekt finanzieren lässt. Die Kosten für die so genannte „Rückführung“sollen folgendermaßen aufgebracht werden: 1. durch eine Beteiligung der zu Ver-treibenden an den Kosten. Diese Kostenbeteiligung will die NPD ausdrücklich aufeine gesetzliche Grundlage stellen.38 2. sollen Unternehmen, die Personen beschäf-tigen, die von der NPD nicht als deutsch anerkannt werden, eine so genannte„Rückführungsabgabe“ an den Staat zahlen.39

Bei der Deckung der Kosten des Vertreibungsprojekts scheint es die NPD nichtbelassen zu wollen. Sie scheint aus der Vertreibung von Mio. von Menschen Profitschlagen zu wollen. So wird im Aktionsprogramm der NPD behauptet: „Grund undBoden sind Eigentum des deutschen Volkes“. Daraus wird 1. abgeleitet, dass als aus-ländisch definierte Personen künftig keinen deutschen Grund und Boden erwerbendürfen. Es heißt 2. aber auch unmissverständlich: „Eventuell bestehende Besitzver-hältnisse [von Ausländern] sind aufzulösen oder rückzuübertragen.“40 Im Namendes deutschen Volkes erhebt die NPD damit einen Eigentumsanspruch. Sie bestrei-tet damit, dass der Erwerb von Grund und Boden durch von der NPD als auslän-disch definierte Menschen Rechtskraft hat. Vage ist von „Entschädigungen“ bei derso genannten „Rückübertragung“ die Rede. Wer feststellt, dass diese „Entschädi-gungen“ in der Regel nicht dem Marktwert des Enteigneten entsprechen würden,begibt sich wohl kaum zu sehr auf die Ebene der Spekulation. Der entscheidende

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37 An den Ausführungen ist erkennbar, dass die NPD in erster Linie in Rassekategorien und in zweiter Liniein engeren völkischen Kategorien denkt. So scheint die NPD Menschen mit einem Elternteil von nicht-deutscher, aber europäischer Herkunft dulden zu wollen.

38 Vgl. NPD, Aktionsprogramm (FN 21), S. 13. In diesem Punkt ging die NSDAP über die Forderungen derNPD hinaus. Die entsprechende Regelung der NSDAP mit Blick auf die Juden lautete im Juli 1933: „DieAuswanderung von Personen jüdischer Abstammung ist erwünscht und darf infolgedessen nicht unterbun-den werden. Andererseits ist es erforderlich, von leistungsfähigen Personen, durch deren Auswanderungdie deutsche Steuerbasis geschmälert wird, eine letzte große Abgabe – die Reichsfluchtsteuer – zu erhe-ben.“ Walk (FN 34), S. 42. Die als jüdisch definierten Menschen mussten also nicht nur ihre Vertreibungfinanzieren, sondern auch noch eine „Fluchtsteuer“ bezahlen.

39 Vgl. NPD, Aktionsprogramm (FN 21), S. 21.40 Vgl. NPD, Aktionsprogramm (FN 21), S. 14.

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Punkt ist aber, dass es sich um Zwangsenteignungen handeln würde, die auf demBoden eines Rechtsstaats nicht zu rechtfertigen sind und Mio. von Menschen betref-fen würden. Wer zu einem solchen Mittel greift, kommt wohl kaum ohne Gewaltaus. Parallelen des NPD-Projekts zum historischen Programm einer „Arisierung“jüdischen Eigentums durch die NSDAP fallen ins Auge. Es sei dabei daran erin-nert, dass der von den Nationalsozialisten gelenkte deutsche Staatsapparat im Zugeder „Arisierung“ zwischen 1933 und November 1938 die Juden massiv zum Verkaufihres Eigentums drängte, sie aber noch nicht zwangsweise enteignete. Die NPDplant also gegenüber als ausländisch definierten Menschen Maßnahmen, die vonder NSDAP erst nach der Radikalisierung der nationalsozialistischen Herrschaftnach dem Pogrom im November 1938 gegenüber den Juden umgesetzt wurden.41

V. Völkische Sozialpolitik

Der Plan einer Vertreibung von Mio. als ausländisch definierter Menschen durchdie NPD ist nur die eine Seite der kollektivistischen Volksgemeinschaftsideologie.Die andere Seite ist das Versprechen, für einen sehr ausgebauten Wohlfahrtsstaatund eine gute Ausbildung der Angehörigen der Volksgemeinschaft zu sorgen. BeideSeiten der nationalsozialistischen Ideologie sind nicht voneinander zu trennen. Dersächsische NPD-Landtagsabgeordnete Jürgen Gansel verknüpfte die beiden Seitenso: „Die Deutschen müssen sich zwischen Sozialstaat und Einwanderungsstaat ent-scheiden – einen Mittelweg gibt es nicht!“42

Wem die mindestens elf Mio. Menschen egal wären, die vertrieben werden sol-len, der könnte sich gut in der von der NPD propagierten Volksgemeinschaft ein-richten. So fordert die NPD etwa: „Jeder Deutsche hat das Recht auf Arbeit“43 und:„Die Arbeitnehmer sind am Produktivvermögen zu beteiligen.“44 Ein mit Blick aufihre völkische Ideologie sehr bedeutsamer Komplex ist für die NPD die Familien-politik. Die Maßnahmen zielen darauf, einen Zuwachs der Geburtenrate derMenschen zu erreichen, die als deutsch gelten.45 In dieser Hinsicht wird etwa ein„Müttergeld“ gefordert. Weiterhin will die NPD z. B. die Garantie eines Kindergar-tenplatzes für jedes von ihr als deutsch angesehene Kind und einen Anspruch aufkompetente Ganztagsbetreuung in der Schule, wenn beide Elternteile erwerbstätigsind. Die NPD preist dabei die bevölkerungspolitischen Maßnahmen des National-sozialismus und indirekt auch jene der DDR, „die zu einem erheblichen Teil von

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41 Vgl. zum Vorgehen der nationalsozialistischen Diktatur unter Hitler: Hilberg (FN 30), S. 98.42 Erklärung des Landtagsabgeordneten Jürgen Gansel zu Wesen und Wollen der „Dresdner Schule“,

http://www.npd.de/index.php?sek=0&pfad_id=7&cmsint_id=2&detail=291 (Stand: 23. April 2007). Dieprogrammatischen Äußerungen von Gansel schöpfen bewusst aus dem ideengeschichtlichen Fundus derNationalrevolutionäre der Weimarer Republik. Er hat seine Magisterarbeit zum Thema „Antikapitalismusin der ‚Konservativen Revolution’ in Deutschland von 1918–1932“ verfasst.

43 NPD, Parteiprogramm (FN 13), S. 9. 44 Ebd.45 Vgl. dazu detailliert die Programmschrift: Waldemar Maier (Hrsg.), Die demographische Katastrophe stop-

pen! Der bevölkerungspolitische Notstand des deutschen Volks und die familienpolitischen Initiativen derNPD-Fraktion im sächsischen Landtag, http://npd-fraktion-sachsen.de/pdf/veroeffentlichungen/bro-schuere_demographie_komprimiert.pdf (Stand: 10. Mai 2007).

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den Nationalsozialisten übernommen“46 worden seien, als Vorbild für ihren Maß-nahmenkatalog an.47

Die soziale Wundertüte der NPD ist für die Menschen deutschen Blutes prallgefüllt. Rechtsextremistisch ist an den sozialpolitischen Forderungen der NPD nichtder Inhalt, sondern die völkische Definition des Kreises der Personen, die begüns-tigt werden sollen. Die sozialen Parolen der NPD sind dabei keineswegs nur diehumane Verpackung eines ansonsten menschenfeindlichen Programms. Diese For-derungen gehören zum Kern der Ideologie der Volksgemeinschaft. Der NPD lässtsich vieles vorhalten, aber nicht, dass sie ihre soziale Programmatik nur vertritt, umWähler anzulocken. Bereits die NSDAP führte für die „Volksgenossen“ eine Reihesozialer Vergünstigungen ein. Wer nicht zu den Ausgegrenzten und Verfolgtengehörte und in der Unter- oder Mittelschicht verwurzelt war, dem dürfte es in derZeit des Dritten Reiches in der Regel wirtschaftlich besser gegangen sein als in derWeimarer Republik.48 So führte die NSDAP beispielsweise das Kindergeld und diesteuerliche Bevorzugung von Ehegatten ein. Weiterhin wurden etwa Rentner, diezuvor nicht krankenversichert waren, erstmals in die Krankenversicherung aufge-nommen.49

Die Sozialpolitik der NPD ist erkennbar von der Sozialpolitik der NSDAP beein-flusst, und zum Teil wird diese Bezugnahme auch öffentlich gemacht. Wie die his-torische NSDAP versucht die NPD, mit einem opulenten Programm an Versor-gungsleistungen die Zustimmung der Deutschen zu gewinnen. Den Deutschen solldie Vertreibung von als ausländisch definierten Menschen nicht zuletzt dadurchschmackhaft gemacht werden, dass ihnen ein Recht auf Arbeit versprochen wird.Die Ermöglichung dieses Rechts erscheint dabei als eine logische Folge davon, dassbei einer Herrschaft der NPD Mio. in Deutschland Arbeitender aus völkischenGründen vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen würden.

VI. Völkische Wirtschaftspolitik

Die NPD hat ein ähnliches wirtschaftspolitisches Konzept wie die NSDAP undandere völkisch-sozialistisch ausgerichtete Gruppierungen.50 Sie möchte die Wirt-schaft dem Staat unterordnen. So heißt es im Programm der NPD: „Die Wirtschafthat der Volksgemeinschaft zu dienen und nicht umgekehrt. Die von den herrschen-

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46 Ebd., S. 5.47 Vgl. ebd., S. 34–38. Einen Vergleich der familienpolitischen Vorstellungen von NPD und NSDAP ermög-

licht: Claus Mühlfeld/Friedrich Schönweiss, Nationalsozialistische Familienpolitik. FamiliensoziologischeAnalyse der nationalsozialistischen Familienpolitik, Stuttgart 1989; Wolfgang Voegeli (Hrsg.), Nationalso-zialistische Familienpolitik zwischen Ideologie und Durchsetzung, Hamburg 2001.

48 Vgl. Götz Aly, Hitlers Volksstaat. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus, Bonn 2005.49 Vgl. zur Sozialpolitik der NSDAP: Timothy W. Mason, Sozialpolitik im Dritten Reich. Arbeiterklasse und

Volksgemeinschaft, Opladen 1977; Marie-Luise Recker, Nationalsozialistische Sozialpolitik im ZweitenWeltkrieg, München 1985.

50 Vgl. als Beispiel etwa das Manifest zur Aufrichtung des „Völkischen Staats-Sozialismus“: Eine wirtschafts-politische Auseinandersetzung, Böblingen 1932. Einen sehr guten Überblick über die Wirtschaftspolitikwährend der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland bietet: Avraham Barkai, Das Wirt-schaftssystem des Nationalsozialismus: Ideologie, Theorie, Politik. 1933–1945, Frankfurt a.M. 1988.

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den Parteien rücksichtslos vorangetriebene Globalisierung fördert die gemein-schaftsschädigenden Interessen asozialer Kapitalisten und führt zwangsläufig zuArbeitslosigkeit und sozialer Ungerechtigkeit. Die NPD setzt der Globalisierung ihrKonzept der raumorientierten Volkswirtschaft entgegen.“51 Die Unterordnung derWirtschaft unter den Staat in diesem Konzept bedeutet dabei keine Verstaatlichungder gesamten Wirtschaft wie im kommunistischen Konzept. Es wäre falsch, auf-grund ähnlich klingender Antikapitalismus- und Antiglobalisierungsparolen vonNPD und linksextremen Gruppierungen von programmatischen Ähnlichkeiten aus-zugehen.

Die NPD strebt eine deutsche Volkswirtschaft an, die sich radikal von der Ver-flechtung mit der Wirtschaft anderer Länder lösen würde. Setzte die NPD ihre Wirt-schaftsprogrammatik um, führte dies zwangsläufig zu einer völligen wirtschaftli-chen Isolation Deutschlands. Wie die NSDAP mit ihrer Wirtschaftspolitik zwischen1933 und 1939 strebt die NPD eine Autarkie Deutschlands an. Sie erläutert dies fol-gendermaßen: „Autarkes Streben ist das Gegenteil von Globalismus. VollständigeAutarkie ist nicht gänzlich zu erreichen. Grundsätzlich aber ist es die Pflicht einesunabhängigen Staates, sich durch weitestgehende Autarkie seine Freiheit und Hand-lungsfähigkeit zu gewährleisten.“52

Die NPD plant daher eine ganze Palette von Schutzzöllen, die dafür Sorge tra-gen sollen, dass Produkte aus dem Ausland keine Chance haben, billiger zu sein alsin Deutschland hergestellte Produkte. So soll etwa auf Produkte aus Ländern mitdeutlich niedrigeren Löhnen als in Deutschland eine Anti-Lohndumping-Abgabeeingeführt werden. Produkte, die aus Ländern kommen, in denen geringereUmweltschutzstandards gelten, sollen mit einer Naturschutzabgabe belastet werden.Diese Maßnahmen sind Teile einer kompromisslosen Politik, um den wirtschaftli-chen Aufschwung und die Beschäftigung in Deutschland zum Nachteil aller ande-ren Länder zu fördern.53

Mit der „Rückführungsabgabe“ schlägt die NPD eine Brücke zwischen Vertrei-bungspolitik und Wirtschaftspolitik. Diese Abgabe sollen nämlich alle deutschenUnternehmen entrichten, die von der NPD als Ausländer definierte Arbeitskräftebeschäftigen. Die Einnahmen möchte die NPD nutzen, um das menschenfeindli-che Projekt einer Vertreibung von weit mehr als elf Mio. Menschen zu finanzieren.

Der im Programm der NPD angekündigte Raubzug soll sich nicht auf das Pri-vateigentum von Menschen beschränken, die nicht „germanischstämmig“54 sind.Die NPD will vielmehr alle multinationalen Konzerne in Deutschland „nationali-sieren“. Aus dem Kontext des Aktionsprogramms ergibt sich dabei, dass mit „mul-tinational“ alle Unternehmen oder Teile von Unternehmen in Deutschland gemeintsind, die nicht in der Hand von Deutschen im Sinne der NPD sind. Der Grund undBoden soll diesen Unternehmen ohnehin wie den als ausländisch definierten Men-

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51 NPD, Aktionsprogramm (FN 21), S. 15.52 NPD, Politisches Lexikon, Art. Autarkie (FN 17). 53 Die wirtschaftswissenschaftliche Bezeichnung für diesen Kurs lautet: Beggar-my-Neighbour-Policy.54 So die Formulierung in den Argumenten für Kandidaten und Funktionsträger (FN 12), S. 12.

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schen genommen werden, da dieser von der NPD als deutsches Volkseigentum defi-niert wird.55

Mit Blick auf die Unternehmen hat die NPD aber einen noch weitergehendenStufenplan: In der ersten Phase sollen diese Unternehmen von den Weisungen derKonzernzentrale im Ausland entkoppelt und den Weisungen des deutschen Staatsunterstellt werden. Formal gehören während dieser Phase die Unternehmen nochihren Eigentümern. In der zweiten Phase soll mit Blick auf die multinationalenUnternehmen eine so genannte „Nationalisierung ausländischen Kapitals“56 erfol-gen. Mit anderen Worten: Die Besitzer der Konzerne sollen zugunsten des deut-schen Staats enteignet werden. Zudem sollen sich ausländischer Firmen nur nochin engen Grenzen an deutschen Unternehmen beteiligen dürfen. In zahlreichenBereichen wie der Medien- und Rüstungswirtschaft will die NPD ausländischeBeteiligungen verbieten.57

VII. Staatsvorstellungen der NPD

In ihrem „Europaprogramm“ begründet die NPD ihre Staatsvorstellungen ideenge-schichtlich. Ihre Ablehnung des Modells der parlamentarischen Demokratie erklärtsie mit Blick auf die Entwicklung in Großbritannien etwa folgendermaßen: „DieGemeinwohlorientierung und ihre monarchischen Institutionen wurden nach undnach durch den Parlamentarismus ersetzt – durch das Instrument zur Eroberungdes englischen Staates durch die besitzbürgerliche Klasse. Die Folgen waren Stim-men- und Ämterkauf und allgemeine Korruption, worauf bereits G. W. F. Hegel inseinem Aufsatz ,Über die englische Reformbill’ im Jahr 1831 hingewiesen hatte.“58

Der heutige Parlamentarismus, der nach dem Vorbild von Großbritannien gestal-tet wurde, erscheint der NPD daher als Frucht eines „liberal-kapitalistischen Uni-versalismus“59, den „man heute weitläufig ,Globalisierung’“ nenne.

Mit den Etiketten liberal und universalistisch charakterisiert die NPD das inbedeutendem Maße in Großbritannien und den USA gelegte geistige Fundamentder modernen Demokratieform treffend. So gehört etwa die Ansicht, dass die Men-schenrechte universal sind – und damit Menschen unabhängig von der völkischenZugehörigkeit zustehen – zum Wertefundament eines demokratischen Verfassungs-staats, das die NPD angreift.60 Auch die enge Verflechtung der demokratischen

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55 Vgl. NPD, Aktionsprogramm (FN 21), S. 14.56 Ebd., S. 22.57 Vgl. ebd. Ähnliche, allerdings nicht so weit gehende Forderungen wie jene der heutigen NPD wies das 25-

Punkte Programm der NSDAP von 1920 auf. Vgl. Hofer (FN 311), S. 30. 58 Nationaldemokratische Partei Deutschlands, Europaprogramm (2003), S. 7. Quelle: http://partei.npd.de/

medien/pdf/Europaprogramm_Netz.pdf (Stand: 25. April 2007).59 Ebd.60 Diese Universalität der Menschenrechte wurde erstmals in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung

von 1776 artikuliert. Sie ging Hand in Hand mit der gedanklichen Weichenstellung zur modernen Demo-kratie. Die Frage, wie ein – für die aufnehmende Bevölkerung wie für die Zuwanderer – gerechtes unddemokratisches Staatsangehörigkeits- und Zuwanderungsrecht aussehen sollte, ist in der Demokratiefor-schung bislang unterbelichtet. Zu den wenigen Studien zählt: Ines Sabine Roellecke, Gerechte Einwande-rungs- und Staatsangehörigkeitskriterien: ein dunkler Punkt der Gerechtigkeitstheorien, Baden-Baden1999.

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Herrschaft mit einer marktwirtschaftlichen Ordnung ist ein beobachtbares Faktum.Aufschlussreich sind diese Ausführungen der NPD vor allem dadurch: Die Parteienthüllt, dass sie, wenn sie einen Kampf gegen die Globalisierung ausruft, damitstets eine Kampfansage an den „liberal-kapitalistischen Universalismus“ und seineFrucht, die parlamentarische Demokratie, meint. Das positive Gegenbild der NPDzum bekämpfenswerten Parlamentarismus ist für die NPD die kontinentaleuropä-ische Reichsidee, die etwa im Dritten Reich verwirklicht gewesen sei.61 Die „Wie-derherstellung des Deutschen Reiches (‚restauratio Imperii’)“62 bezeichnet die NPDin ihrem „Politischen Lexikon“ als die „wichtigste Aufgabe der deutschen Nationa-listen“. Vom deutschen Reich soll „den kleineren europäischen Völkern Hilfe gegenraumfremde Ideen und Imperialismen“ gewährt werden. Die NPD erhebt mithinim Namen eines deutschen Imperiums einen Führungsanspruch in Europa undwendet sich gegen den „Imperialismus“ der USA.63 Diese soll sich als „raumfrem-de Macht“ aus Europa zurückziehen.

Die NPD zielt auf den Sturz der parlamentarischen Demokratie. Ohne Blatt vordem Mund streben die führenden Parteifunktionäre eine „revolutionäre Verände-rung“64 an. In der völkischen Bewegung spielten stets theoretische Überlegungen,wie die Herrschaftsordnung gestaltet werden soll, eine recht geringe Rolle. AdolfHitler begründete dies so: „[Die völkische Weltanschauung] sieht im Staat prinzipi-ell nur ein Mittel zum Zweck und fasst als seinen Zweck die Erhaltung des rassi-schen Daseins des Menschen auf.“65 Die Form der Herrschaft würde voraussicht-lich auch bei einer Herrschaft der NPD der Funktion folgen. Die Funktion einesNPD-geführten Staats ist es aber, eine homogene deutsche Volksgemeinschaft zuschaffen, indem Mio. von Menschen aus Deutschland vertrieben werden. Weiter-hin strebt die NPD eine radikale Umgestaltung der Wirtschaft an und will alleBetriebe in nicht-deutscher Hand enteignen. Dies lässt nur den Schluss zu, dass dieNPD eher totalitär als autoritär herrschen würde.66 Nur eine totalitäre Herrschafts-ordnung bietet nämlich den Raum, das nationalrevolutionäre Projekt der NPDumzusetzen, das Gesellschaft und Wirtschaft komplett umgestalten würde. Es istdaher zweitrangig, dass die NPD kaum konkrete Aussagen darüber macht, wie dieHerrschaftsform konkret ausgestaltet sein soll. So ist nur vage die Rede davon, dasssie einen Staat mit einem vom Volk gewählten Präsidenten an der Spitze will. Ersoll über den Parteien und dem politischen Tageskampf stehen. Im Aktionspro-gramm heißt es zudem verschwommen, die NPD ziele auf eine „Reduzierung der

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61 So heißt es im Europaprogramm der NPD: „Diese angloamerikanische Philosophie [des Parlamentaris-mus] hat in Folge der militärischen Niederlage des Deutschen Reiches im Jahr 1945 den Kontinentaleu-ropäern ihre eigene Staatsidee geraubt.“ NPD, Europaprogramm (FN 58), S. 7.

62 NPD, Politisches Lexikon, Art. Reich (FN 17).63 Obgleich die NPD sich auf den ersten Blick grundsätzlich gegen den Imperialismus wendet, wirkt es bei

näherer Betrachtung, als sei ihr vor allem der „Imperialismus der ‚Westlichen Werte‘“ ein Dorn im Auge.Vgl. NPD, Politisches Lexikon, Art. Imperialismus (FN 17).

64 Voigt (FN 14).65 Hitler (FN 7), S. 421.66 Vgl. zur Unterscheidung zwischen totalitären und autoritären Diktaturen: Juan Linz, Totalitäre und auto-

ritäre Regime, Berlin 2000.

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Macht der Parteien“.67 Wer die Fundamentalkritik an den „herrschenden Parteien“zur Kenntnis nimmt, dürfte keinen Zweifel haben, dass die demokratischen Partei-en in einem von der NPD geführten Staatswesen keinen Platz hätten. Das Vertrei-bungsprojekt der Partei ist ohnehin nicht möglich, wenn demokratische Parteiennoch handlungsfähig sind. Udo Voigt kündigt in einem Interview mit der „JungenFreiheit“ solchen Politikern Konsequenzen an, die aus Sicht der NPD ihren Amts-eid, „Schaden vom deutschen Volk“ abzuwenden, verletzt haben.68 Gegen ihrenAmtseid haben aber aus Sicht der NPD nahezu alle demokratischen Politiker ver-stoßen. Die NPD macht sie nämlich dafür verantwortlich, einen „Völkermord“ anden Deutschen in die Wege geleitet zu haben, indem sie die Zuwanderung von Aus-ländern gefördert hätten. Der Pluralismus würde unter einer NPD-Herrschaft nichtnur beschränkt, sondern abgeschafft. Platz hätten in dieser Herrschaft nur nochVereinigungen „nationaler Kräfte“, deren Programmatik sich nur in Nuancen vonjener der NPD unterscheidet. Die NPD beansprucht nämlich, ein „lebensrichtigesMenschenbild“ zu haben und allein zu wissen, was gut für das deutsche Volk ist.Dieser Absolutheitsanspruch lässt keinen legitimen Raum für programmatischanders ausgerichtete Parteien.

VIII. Zusammenfassung und Ausblick

Die von der NPD propagierte Ideologie ist als nationalsozialistische Spielart des völ-kischen Denkens zu bezeichnen. Sie weist eine ideologische Geschlossenheit auf,die deutlich über die von der NSDAP propagierte Variante des Nationalsozialismushinausgeht. Ebenso wie die NSDAP ist bei der NPD bereits in der Bewegungspha-se deutlich erkennbar, dass sie Staatsverbrechen plant. Das Kernprojekt der NPDist die Vertreibung von rund elf Mio. Menschen. Mit Blick auf die Regierungspoli-tik der NSDAP hat Götz Aly treffend von einem „staatlich organisierten Groß-raub“69 gesprochen, mit dem die Diktatur ihre sozialen Wohltaten finanzierte. DerPlan für einen neuerlichen staatlichen Raubzug unter der völkischen Parole einerNationalisierung ist im Programm der heutigen NPD in erstaunlich offener Weisedargelegt. Es erscheint zweitrangig, dass die Finanzierung der den „Volksgenossen“in Aussicht gestellten Wohlfahrtsleistungen durch die räuberischen Enteignungenkaum dauerhaft finanzierbar wäre. Vorrangig ist demgegenüber der verbrecherischeCharakter der von der NPD geplanten Politik. Im Unterschied zur historischenNSDAP, deren 25–Punkte-Programm sehr vage formuliert war, hat die heutige NPDdabei vor allem in ihrem Aktionsprogramm die meisten ihrer Karten auf den Tischgelegt. Das ist angesichts des herrschenden Konzepts der streitbaren Demokratieerstaunlich.

Wie steht es auf der Grundlage der Einschätzung der Ideologie der NPD um dieBeurteilung der Frage, ob ein Verbotsverfahren sinnvoll ist? Im Jahr 2000 schien

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67 Vgl. NPD, Aktionsprogramm (FN 21), S. 38.68 „Ziel ist, die BRD abzuwickeln“ (FN 14).69 Vgl. Aly (FN 48).

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ein Verfahren aus Opportunitätsgründen nicht ratsam.70 Zwar erfüllte die Parteibereits damals die Verbotskriterien, aber sie war weitgehend bedeutungslos undhatte keine Sitze in einem Landtag. Im Jahr 2006 sitzt die NPD in zwei Landtagen,und ein neues Verbotsverfahren erscheint nun geboten. Zwar sind die Chancen derNPD, auf nationaler Ebene die politische Macht in Deutschland zu erringen, gleichNull, aber weitere Erfolge in ostdeutschen Ländern sind durchaus wahrscheinlich.Unter für die NPD sehr günstigen Bedingungen könnte sie auch in ein westdeut-sches Parlament einziehen. Es ist kaum mit dem Konzept der streitbaren Demokra-tie vereinbar, dass eine Partei mit einer derart menschenverachtenden Programma-tik wie die NPD in deutschen Landtagen sitzt und ihre Propaganda über den Wegder Parteienfinanzierung zu einem bedeutenden Teil aus Steuergeldern finanzie-ren kann. Mit Blick auf die streitbare Demokratie stellt sich daher folgende grund-sätzliche Frage: Wenn gegen eine bei Wahlen erfolgreiche nationalsozialistischenPartei kein Verbotsverfahren eingeleitet wird, muss dann nicht die Möglichkeiteines Parteienverbots aus dem Grundgesetz gestrichen werden?

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70 Vgl. Steffen Kailitz, Die Ausnahme des Widerstandes. Im Kampf gegen Rechtsextremismus heiligt der guteZweck nicht alle Mittel, in: die tageszeitung vom 29. August 2000.

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