kiel standort für wissenschaft, innovation und kreativität · regionale bedeutung kieler...

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Kiel Standort für Wissenschaft, Innovation und Kreativität Eine Regionalanalyse der IW Consult im Auftrag der Landeshauptstadt Kiel, der Industrie- und Handelskammer zu Kiel sowie der Christian-Albrechts-Universität, der Muthesius Kunsthochschule und der Fachhochschule Kiel Studie zur Untersuchung der regionalen Bedeutung der Kieler Hochschulen Oktober 2013

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Kiel – Standort für Wissenschaft, Innovation und Kreativität

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Studie zur Untersuchung der regionalen Bedeutung der Kieler Hochschulen

Oktober 2013

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

2

Impressum

IW Consult GmbH Konrad-Adenauer-Ufer 21 50668 Köln

Kontakt

Tel: 0221 / 49 81 758 Fax: 0221 / 49 81 99 758 www.iwconsult.de www.iwkoeln.de

Ansprechpartner für den Inhalt

Dipl.-Ing. Michael Bahrke

RA Dr. Roman Bertenrath

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

3

Zusammenfassung

Der Untersuchungsgegenstand

Im Auftrag der Landeshauptstadt Kiel, der Industrie- und Handelskammer zu Kiel sowie der

Christian-Albrechts-Universität, der Muthesius Kunsthochschule und der Fachhochschule Kiel hat

die IW Consult GmbH die ökonomische Relevanz der Kieler Hochschulen für die

Untersuchungsregion ermittelt. Diese umfasst neben der Landeshauptstadt Kiel zudem die

kreisfreie Stadt Neumünster sowie die umliegenden Landkreise Rendsburg-Eckernförde, Plön,

Steinburg und Pinneberg. Die Untersuchung zielte darauf ab, Handlungsempfehlungen für eine

noch intensivere Zusammenarbeit von Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung in der

Untersuchungsregion zu geben.

Um die wirtschaftlichen Effekte, die von den Hochschulen ausgehen, zu untersuchen, erfolgte eine

umfangreiche Bestandsaufnahme der derzeitigen Situation, insbesondere bei Fragen zur

regionalwirtschaftlichen Bedeutung der Hochschulen.

Neben der Ermittlung der rein wirtschaftlichen Bedeutung der Hochschulen für die

Untersuchungsregion bildet der Wissenstransfer in die regionale Wirtschaft einen zweiten

Schwerpunkt der Untersuchung. Hierzu wurden Experteninterviews mit Vertretern aus

Hochschulen, Politik und Verwaltung geführt sowie Unternehmen aus der Region zur Zufriedenheit

mit der Zusammenarbeit und zum Potenzial einer Intensivierung befragt.

In einem dritten Schwerpunktbereich wurde die Kultur- und Kreativwirtschaft als ein bedeutender

Standortfaktor untersucht. Aufgrund der zunehmenden Wissensintensivierung der Wirtschaft gibt

dieser Bereich wichtige Impulsen für die Innovationsförderung und führt somit zu einer erhöhten

Produktivität. Hierfür wurden Interviews mit wichtigen Akteuren der Kultur- und Kreativwirtschaft

geführt und Unternehmen zu der Marktposition der Designwirtschaft befragt.

Die Erkenntnisse der Datenanalysen, der Interviews und der Unternehmensbefragungen werden

herangezogen um Maßnahmen zu entwickeln, die die Zusammenarbeit effektiver gestalten und die

Wirkung auf die regionale Wirtschaft stärken können.

Drei Hochschulen = 8.300 Arbeitsplatze und 446 Mio. € Umsatz in der Region

Die wirtschaftliche Bestandsaufnahme der Untersuchungsregion zeigt, dass Kiel ein dynamischer

Wissenschaftsstandort ist. So sind knapp ein Drittel der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten

des Dienstleistungssektors in Kiel im Bereich wissensintensive Dienstleistungen tätig.

Die Kieler Hochschulen leisten hierbei einen wesentlichen Beitrag und sind ein wichtiger

Arbeitgeber vor Ort. Die Personalausgaben machen mit einem Anteil von rund zwei Drittel den

größten Posten in der Ausgabenstruktur der Hochschulen aus. Insgesamt sind rund 8.300

Arbeitsplätze in der Region auf die Existenz der Hochschulen zurückzuführen. Dabei werden mehr

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

4

als die Hälfte direkt von den Hochschulen beschäftigt, beispielsweise als Lehrpersonal. Die

restlichen Arbeitsplätze werden durch die Nachfrageeffekte der Hochschulen geschaffen.

Die Summe der direkten und indirekten monetären Nachfrageeffekte der Kieler Hochschulen

betrug im Untersuchungsjahr 2011 rund 446 Mio. €.

Abbildung 1: Schematische Darstellung indirekter und direkter Nachfrageeffekte

Quelle: IW Consult (2013).

Mit einem Anteil von knapp zwei Drittel tragen die Studierenden den größten Teil zu den

regionalen Nachfrageeffekten bei. Die Kieler Hochschulen sind darüber hinaus auch ein

wesentlicher Faktor bei der Zukunftssicherung des Wirtschaftsstandorts in Zeiten großer

demografischer Veränderungsprozesse, da durch sie Studierende aus anderen Teilen

Deutschlands oder dem Ausland angezogen werden. Dies wird durch den hohen Anteil zugereister

Studierender von etwa 50 % deutlich. Insbesondere für diese Studierenden sollten durch gezielte

Maßnahmen während des Studiums, wie beispielsweise dem Aufbau von Praxiskontakten zu

Unternehmen, Anreize für den Verbleib in der Region geschaffen werden um somit die regionale

Fachkräfteversorgung zu sichern.

Vergleicht man die Nachfrageeffekte mit den verfügbaren Haushaltsmitteln der Kieler Hochschulen

wird der wirtschaftliche Mehrwert, den die Hochschulen erbringen, deutlich. Für jeden

ausgegebenen Euro fließen durch die direkt und indirekt ausgelösten Effekte 1,60 € in die

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regionale Wirtschaft zurück. Setzt man die monetären Nachfrageeffekte ins Verhältnis zu den

eingesetzten Landesmitteln fließen je eingesetzten Euro sogar 2,40 € zurück in die regionale

Wirtschaft. Im Vergleich zu ähnlichen Studien anderer Untersuchungsregionen fällt dieser Wert

durchaus positiv aus. Insgesamt hat die Analyse ergeben, dass die Kieler Hochschulen ein

bedeutender Wirtschaftsfaktor in der Region sind.

Wissenstransfer mit guten Noten und deutlichem Ausbaupotenzial

Da die wirtschaftlichen Effekte nur einen Teilbereich der Wirkungen darstellen, wurde zudem der

Wissenstransfer in die Region untersucht. Die kooperierenden Unternehmen bewerten die

Zusammenarbeit mit den Kieler Hochschulen durchweg positiv. Die zu diesem Thema

durchgeführte Unternehmensbefragung hat auch ergeben, dass ein erhebliches Potenzial zur

Erweiterung der Zusammenarbeit mit den regionalen Unternehmen besteht. Hierbei stellt die

Praxisorientierung der Hochschulen das entscheidende Kriterium für das Zustandekommen von

Kooperationen dar.

Abbildung 2: Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Hochschulen in der Region

Quelle: Unternehmensbefragung, IW Consult (2013).

In den Expertengesprächen zeigte sich, dass die Exzellenz in der Forschung eine klare Stärke der

Hochschulen am Standort ist, da sie die Region national sowie international repräsentieren und als

Leuchtturm wirken. Jedoch wurde die mangelnde Gründungskultur am Standort als Schwachpunkt

identifiziert. Außerdem haben die Expertengesprächen deutlich gemacht, dass die Administration

des Wissenstransfers optimiert werden muss. Insbesondere die Reaktionszeit und die unklare

Struktur der Ansprechpartner wurden hier bemängelt.

Risiken für die zukünftige Entwicklung des Hochschulstandorts ergeben sich aus der schwierigen

Gewinnung der notwendigen Finanzmittel, der eingeschränkten internationalen

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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Wettbewerbsfähigkeit aufgrund von nationalen Restriktionen der Forschung sowie der

wachsenden Konkurrenz um die besten Köpfe und öffentliche und private Fördermittel.

Trotz der bekannten Risiken sind die Aussichten für den Hochschulstandort insgesamt positiv zu

bewerten, wenn die Chancen der Untersuchungsregion genutzt werden. Hier ist zunächst die

vorhandene Wissensinfrastruktur zu nennen, die aus einer Vielzahl von Instituten und

Fördergesellschaften besteht. Durch eine bessere Vernetzung untereinander können diese einen

wirtschaftlichen Mehrwert für die Region schaffen. Zudem bietet die ausgezeichnete Forschung ein

enormes Potenzial für Neugründungen. Hier bedarf es der Schaffung von Anreizen. Solche

Anreizstrukturen sind auch wichtig um den Wissenstransfer in der Region zu erweitern und um die

zugereisten Absolventen in der Region zu halten. Insbesondere im Zuge des ansteigenden

Fachkräftebedarfs ist die Einbindung von Absolventen ein wichtiges Handlungsfeld, zu dem die

Hochschulen einen großen Beitrag leisten können.

Um die identifizierten Schwächen zu beseitigen und die genannten Chancen des

Hochschulstandorts zu nutzen, wurde ein Strategiekonzept entwickelt, dass auf vier maßgeblichen

Säulen aufbaut.

Hierzu zählt zum einen die Erhöhung der Sichtbarkeit des Hochschulstandorts sowie der

Kooperation von Hochschulen, Stadt und Industrie- und Handelskammer. Die Sichtbarkeit

könnte beispielsweise durch den Einsatz eines zentralen Transferbeauftragten erhöht

werden. Dieser könnte einen Erstkontakt leisten, die Kooperationspartner entsprechend

ihren Anforderungen zusammenführen und die operative Abwicklung der Projekte

unterstützen.

Eine vergleichbare zentrale Koordinierungsstelle sollte es auch für die Gründungsförderung

am Standort geben. Diese sollte ebenfalls zentrale Dienstleistungen für die

Gründungsförderer an den einzelnen Hochschulen bereitstellen. Zudem kann

beispielsweise eine Gründerwerkstatt die Studierenden für das Thema Gründung

sensibilisieren. Um den Wissensaustausch auf studentischer Ebene anzuregen, kann die

Gründungswerkstatt z. B. auch im Rahmen einer Summer School von den drei beteiligten

Hochschulen zusammen angeboten werden.

Aufgrund der demografischen Entwicklung und des zu erwartenden Fachkräftemangels in

der Untersuchungsregion, stellt die Aus- und insbesondere Weiterbildung einen weiteren

Schwerpunkt des Strategiekonzepts dar.

Da die Unternehmensbefragungen gezeigt haben, dass der persönliche Kontakt

entscheidend für das Gelingen einer Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und

Wirtschaft ist, bildet sich die vierte Säule aus der aktiveren Nutzung bestehender

Netzwerke und der Einbindung von bisher unbeteiligten Akteuren. Für die Kieler

Hochschulen bietet es sich an neben den lokalen Netzwerken auch aktive Alumni-

Netzwerke zu entwickeln und zu fördern, da insbesondere über Alumni und studentische

Hilfskräfte häufig Kooperationen zustande kommen.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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Für die Umsetzung des Strategiekonzepts bedarf es einer engen Kooperation aus den Kieler

Hochschulen, der Stadt und der IHK zu Kiel. Die Hochschulen können hier den Rahmen für den

Wissenstransfer und die Gründungsförderung stellen. Für die Vergabe von Krediten bei

Neugründungen kann die IHK zu Kiel als Gatekeeper agieren. Zudem verfügt die IHK zu Kiel

zusammen mit der Stadt Kiel über die notwendigen Kompetenzen um Netzwerke aufzubauen und

zu organisieren. Die Lösungsansätze sind dabei nicht trennscharf auf ein bestimmtes

Handlungsfeld beschränkt, sondern wirken sich meist auf eine Kombination der drei

Handlungsfelder aus.

Die Kultur- und Kreativwirtschaft als Motor im Innovationsprozess

Da die Kultur- und Kreativwirtschaft Treiber von Innovationen und Produktivitätssteigerungen ist,

rückt sie in Zeiten der zunehmenden Wissensintensivierung der Wirtschaft immer weiter in den

Fokus der Politik. Neben ihrer regionalwirtschaftlichen Bedeutung für die Untersuchungsregion mit

2.800 Unternehmen und fast 900 Millionen Euro Umsatz, wirkt sich die Kultur- und

Kreativwirtschaft positiv auf das Innovationspotenzial und wissensbasierte Wachstum anderer

Wirtschaftszweige aus und hat somit die Funktion einer Querschnittsbranche.

Wegen der zunehmenden Bedeutung der Kultur- und Kreativwirtschaft als Standortfaktor und als

Motor für wirtschaftliches Wachstum, wurde dieser Wirtschaftszweig im Rahmen der vorliegenden

Analyse für die Region vertiefend untersucht. Dabei zeigte sich, dass vor allem die Software- und

Games- sowie die Designwirtschaft in Kiel überdurchschnittlich stark vertreten sind. Zudem ergab

die Unternehmensbefragung, dass es erhebliches Potenzial für Design-Dienstleister am Standort

gibt. Dies sind die Teilmärkte der Kultur- und Kreativwirtschaft, die am stärksten den

Wissenstransfer mit Branchen außerhalb der Kultur- und Kreativwirtschaft anregen und die den

größten regionalen Nutzen haben, da sie sowohl stark gewinnorientiert als auch stark mit anderen

Branchen verflochten sind.

In der Kultur- und Kreativwirtschaft sind Clusterbildungen im klassischen Sinn, also die lokale

Ansiedlung von Firmen um eine Wertschöpfungskette oder einen Stoffkreislauf herum um

gegenseitige Synergien zu erwirtschaften, eher die Ausnahme. Sie lebt dagegen von Clustern im

Sinne von Quartieren und den Milieus, die sich daraus ergeben. Die Etablierung dieser kreativen

Milieus ist aufgrund der besonderen Arbeits- und Lebensweise der Akteure der Kultur-und

Kreativwirtschaft an bestimmte Standortanforderungen geknüpft:

Physisches Infrastruktur (günstige Mieten, spezielle technische Ausstattung)

Virtuelle Grundvoraussetzungen (beispielsweise der freie Zugang zu Datenbanken, eine

gut ausgebaute Breitbandversorgung)

Diese Rahmenbedingungen finden sich eher in urbanen Räumen. Aufgrund dessen ist die

Konzentration der Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft in Städten höher als in eher ländlich

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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geprägten Regionen. Somit wird innerhalb der Untersuchungsregion überwiegend das Kieler

Stadtgebiet von Akteuren der Kultur- und Kreativwirtschaft bei der Standortwahl bevorzugt.

Die Betrachtung der Kultur- und Kreativwirtschaft für die städtebaulichen Entwicklungsprozesse

macht deutlich, dass die Branche ein bedeutender Anstoß bei Stadtentwicklungsprozessen geben

kann. In Kiel konnten zwei Quartiere identifiziert werden, die aufgrund einer hohen Dichte an

Unternehmen und Netzwerken aus der Kultur- und Kreativwirtschaft auf das Vorhandensein

kreativer Milieus hindeuten. Hierbei handelt es sich um das „Muthesius-Quartier“ sowie das

„Ostufer-Quartier“. Neben diesen Kreativ-Quartieren gibt es in Kiel noch weitere Quartiere, wie das

„CAU-Quartier“ und das „Maritime Viertel/Anscharpark“, in denen sich die Kultur- und

Kreativwirtschaft zumindest ansatzweise etabliert hat.

Die Analyse der Netzwerke am Standort ergibt ein sehr breites Bild der Aktivitäten in der

Untersuchungsregion. Diese reichen von formellen Netzwerken, die auf Basis von

Förderprogrammen spezifische Angebote für die Unternehmen oder potenzielle Gründer

bereitstellt bis zu gewachsenen Netzwerken aus der Kultur- und Kreativwirtschaft selbst. Allerdings

ist der Großteil dieser Programme zeitlich befristet oder abhängig von dem Engagement einzelner

Personen. Bei der Analyse wurden Schwachstellen in den Beratungsangeboten identifiziert; dies

betrifft insbesondere Angeboten zum Thema Finanzierung. Außerdem sind die Angebote

hinsichtlich der Flächennutzung für die Kultur- und Kreativwirtschaft in Kiel nicht ausreichend.

Im Strategiekonzept und den Handlungsempfehlungen werden drei wesentliche Aufgaben

identifiziert, die für die Entwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft in der Untersuchungsregion

erfüllt werden müssen:

(1) Vernetzung und Sichtbarkeit der Akteure erhöhen

Dies kann durch einen zentralen Ansprechpartner gelingen, der als Interessenvertreter nach

außen wirken kann und gleichzeitig als zentraler Ansprechpartner nach innen wirkt. Darüber

hinaus sollte auch die Gründungsberatung zentrale Aufgabe dieser Stelle sein. Durch die

Beauftragung eines Ansprechpartners für die Kultur- und Kreativwirtschaft würden alle drei

Problemfelder abgedeckt: die Sichtbarkeit und Wahrnehmung der Branche wird gestärkt; fundierte

wirtschaftliche und unternehmensspezifische Kenntnisse helfen den Unternehmen der Kultur- und

Kreativwirtschaft bei strategischen, organisatorischen und finanziellen Aspekten; die Vernetzung

der Unternehmen mit anderen Branchen und potenziellen Kunden wird unterstützt.

Neben der Erhöhung der allgemeinen Sichtbarkeit der Kultur- und Kreativwirtschaft sollten am

Standort Kiel insbesondere die Bereich Design und die Software- und Games-Branche in den

Vordergrund gerückt werden. Außerdem erscheint in diesen beiden Bereichen eine Profilschärfung

für den Standort sinnvoll.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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(2) Qualifizierung der Akteure

Aufgrund der beschränkten Ressourcen bei den vorhandenen Beratung- und

Qualifizierungsangeboten, bieten sich neben einem zentralen Ansprechpartner Kooperationen mit

Unternehmen an, um die Strukturen innerhalb der Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft

zu professionalisieren. Auch durch den Aufbau von Plattformen zum Wissensaustausch können

wesentliche Defizite bezüglich der Qualifizierung beseitigt werden.

Weiterer Handlungsbedarf wurde auch bei Thema Ideen- bzw. Unternehmensfinanzierung

identifiziert. Die Wirtschaftsförderung kann hier Aufklärungsarbeit bei den Banken leisten, um die

Kreditaufnahme für die Unternehmen zu erleichtern. Eine Alternative zu einem Kredit stellt auch

Venture Capital dar. Die vorhandenen Angebote in der Untersuchungsregion könnten noch

spezifischer auf die Kultur- und Kreativwirtschaft ausgerichtet werden. Eine weitere Möglichkeit der

Mittelbeschaffung für die Kultur- und Kreativwirtschaft bieten Crowdfunding-Portale.

(3) Quartiersentwicklung

Hinsichtlich der Entwicklung von zusätzlichen kreativen Quartieren wird keine konkrete

Empfehlung für die Untersuchungsregion ausgesprochen, da eine gesteuerte Entwicklung für die

Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft nicht Erfolg versprechend zu sein scheint. Es empfiehlt

sich eher, die bereits vorhandenen kreativen Quartiere zu stärken als neue Konkurrenz in diesem

Feld aufzubauen. Die Etablierung von kreativen Milieus entsteht durch die Aktionen und

Handlungen aus der Kultur-und Kreativwirtschaft und kann nicht durch öffentliche Projekte oder

Institutionen herbeigeführt werden. Jedoch können bestimmte Maßnahmen die Entwicklung von

kreativen Milieus oder Stätten unterstützen und fördern.

Wichtig ist dabei, dass der Antrieb immer noch aus der Szene kommen muss. Ein erzwungenes,

aufgesetztes Projekt erscheint wenig Erfolg versprechend. Das bedeutet für die Stadt und zum Teil

auch für die Muthesius Kunsthochschule: Unterstützung ja, Mitsprache nur bedingt und

keine/wenig Firmierung.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

10

Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung 3

Inhaltsverzeichnis 10

Tabellenverzeichnis 12

Abbildungsverzeichnis 13

1 Einleitung 14

2 Quantitativ-monetäre Basisanalyse 16

2.1 Einleitung 16

2.2 Darstellung der Untersuchungsregion 16

2.3 Ausgabenstruktur der Kieler Hochschulen 28

2.4 Methodische Grundlagen: Multiplikatoranalyse des Hochschulstandorts Kiel 29

2.5 Die Kieler Hochschulen als Arbeitgeber 34

2.6 Nachfrageeffekte und Drittmittel der Kieler Hochschulen 37

2.6.1 Nachfrageffekte der Hochschulangehörigen 37

2.6.2 Nachfrageeffekte der Sach-, Bau- und Investitionsausgaben 39

2.6.3 Nachfrageeffekte der Kieler Studierenden 41

2.6.4 Die Kieler Hochschulen und eingeworbene Drittmittel 44

2.7 Indirekte Beschäftigungseffekte der Kieler Hochschulen 45

2.8 Zusammenfassende Übersicht der Nachfrage- und Beschäftigungseffekte der Kieler

Hochschulen 47

3 Wissenstransfer in der Region 52

3.1 Einleitung 52

3.2 Die Kieler Hochschulen und die Region – Ein Überblick 53

3.3 Wissenstransfer durch Kooperation 55

3.3.1 Einleitung 55

3.3.2 Potenzial zur Zusammenarbeit in der Region 56

3.3.3 Projekte und Forschung 58

3.3.4 Bewertung der Zusammenarbeit in der Region 59

3.3.5 Die Außensicht auf Kooperationen mit den Kieler Hochschulen 64

3.4 Wissenstransfer durch Köpfe 68

3.5 Gründer und Gründungen 71

3.6 Fazit 77

3.7 Strategiekonzept 80

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

11

4 Kultur- und Kreativwirtschaft 91

4.1 Branchenabgrenzung 91

4.2 Die Kultur- und Kreativwirtschaft in der Untersuchungsregion 93

4.2.1 Quantitative Analyse: Die wirtschaftliche Bedeutung der Kultur- und Kreativwirtschaft in

der Untersuchungsregion 93

4.2.2 Strukturelle Analyse: Branchenübergreifende Effekte 101

4.3 Cluster und Quartiere der Kultur- und Kreativwirtschaft 114

4.3.1 Standortbedingungen für die Kultur- und Kreativwirtschaft 114

4.3.2 Ansätze für die Stadtentwicklung 117

4.3.3 Situation in Kiel 119

4.4 Kooperationen und Netzwerke der Kultur- und Kreativwirtschaft 122

4.4.1 Situation in der Untersuchungsregion 123

4.5 SWOT-Analyse der Kultur- und Kreativwirtschaft in der Untersuchungsregion 128

4.6 Handlungsbedarf und Strategie 132

4.7 Handlungsempfehlungen für die Entwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft 136

Literaturverzeichnis 143

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

12

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Bevölkerungsstand und -entwicklung in der Untersuchungsregion ............................... 18

Tabelle 2: Bruttoinlandsprodukt der Untersuchungsregion ............................................................ 21

Tabelle 3: Entwicklung der Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ........................ 22

Tabelle 4: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte nach Bereichen............................................ 24

Tabelle 5: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte nach Wirtschaftsabschnitten ........................ 25

Tabelle 6: Arbeitslosigkeit in der Untersuchungsregion ................................................................. 28

Tabelle 7: Ausgewählte Ausgabenpositionen der Kieler Hochschulen .......................................... 29

Tabelle 8: Verwendete Faktoren für das Multiplikatormodell ......................................................... 34

Tabelle 9: Beschäftigte der Kieler Hochschulen ............................................................................ 36

Tabelle 10: Direkte Nachfrageeffekte der Hochschulbediensteten ................................................ 38

Tabelle 11: Nachfrageeffekte der Sachausgaben der Kieler Hochschulen .................................... 40

Tabelle 12: Nachfrageeffekte der Bauausgaben der Kieler Hochschulen ...................................... 40

Tabelle 13: Nachfrageeffekte der Investitionsausgaben der Kieler Hochschulen .......................... 41

Tabelle 14: Wanderungssaldo in der Untersuchungsregion .......................................................... 42

Tabelle 15: Studierende der Kieler Hochschulen nach Typisierung ............................................... 43

Tabelle 16: Direkte und indirekte Ausgaben der Kieler Studierenden ............................................ 44

Tabelle 17: Einnahmen durch Drittmittel der Kieler Hochschulen .................................................. 45

Tabelle 18: Indirekte Beschäftigungseffekte der Kieler Hochschulen ............................................ 46

Tabelle 19: Direkte und indirekte Nachfrageeffekte der Kieler Hochschulen ................................. 48

Tabelle 20: Vergleichskennziffern ................................................................................................. 50

Tabelle 21: Direkte und indirekte Beschäftigungseffekte der Kieler Hochschulen.......................... 51

Tabelle 22: Bewertung der Zusammenarbeit ................................................................................. 63

Tabelle 23: Einschätzung der Praxisorientierung .......................................................................... 65

Tabelle 24: Relevanz von Teilaspekten der Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft ... 67

Tabelle 25: Rekrutierungsprobleme in der Untersuchungsregion .................................................. 69

Tabelle 26: Die Kultur- und Kreativwirtschaft und ihre Teilmärkte ................................................. 92

Tabelle 27: Unternehmenskennzahlen der Kultur- und Kreativwirtschaft ....................................... 94

Tabelle 28: Entwicklung der Anzahl der Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft ............... 97

Tabelle 29: Beschäftigtendaten der Kultur- und Kreativwirtschaft .................................................. 99

Tabelle 30: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte der Kultur- und Kreativwirtschaft .............. 100

Tabelle 31: Organisation der Design-Prozesse in Unternehmen ................................................. 108

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

13

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Die Untersuchungsregion ......................................................................................... 17

Abbildung 2: Schematische Darstellung indirekter und direkter Nachfrageeffekte ......................... 31

Abbildung 3: Schematische Darstellung indirekter und direkter Nachfrageeffekte ......................... 49

Abbildung 4: Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Hochschulen in der Region .................... 56

Abbildung 5: Mit wem arbeiten die Unternehmen zusammen? ...................................................... 57

Abbildung 6: Wer kommt für eine Zusammenarbeit infrage? ......................................................... 57

Abbildung 7: Beginn der Zusammenarbeit .................................................................................... 60

Abbildung 8: Art der Zusammenarbeit ........................................................................................... 61

Abbildung 9: Beschäftigung von Studierenden und deren Herkunft ............................................... 62

Abbildung 10: Art der möglichen Kooperation ............................................................................... 66

Abbildung 11: Relevanz der Kieler Hochschulen zur Deckung des Fachkräftebedarfs .................. 70

Abbildung 12: Venture-Capital in Deutschland: Verteilung der investierten Mittel .......................... 76

Abbildung 13: SWOT-Analyse des Hochschulstandorts Kiel ......................................................... 79

Abbildung 14: Beispielhafter Aufbau eines Alumni-Programms ..................................................... 86

Abbildung 15: Lebenszyklusbetrachtung Bindungsfähigkeit Studierende ...................................... 87

Abbildung 16: Die Kultur- und Kreativwirtschaft im Vergleich ........................................................ 95

Abbildung 17: Verflechtungsgrad und Gewinnorientierung der Teilmärkte .................................. 103

Abbildung 18: Zusammenarbeit von Wirtschaft und Design ........................................................ 107

Abbildung 19: Zufriedenheit mit den regionalen Design-Dienstleistungen im Bereich

Produktentwicklung ..................................................................................................................... 109

Abbildung 20: Zufriedenheit mit den regionalen Design-Dienstleistungen im Bereich Produktion 109

Abbildung 21: Zufriedenheit mit den regionalen Design-Dienstleistungen im Bereich

Vertrieb/Marketing ....................................................................................................................... 110

Abbildung 22: Zufriedenheit mit den regionalen Design-Dienstleistungen im Bereich Service ..... 110

Abbildung 23: Gründe für die Zusammenarbeit in den verschiedenen Bereichen ....................... 111

Abbildung 24: Bekanntheit von zumindest einem Design-Dienstleister ....................................... 112

Abbildung 25: Entscheidender Grund für Zusammenarbeit ......................................................... 113

Abbildung 26: Mietpreise in ausgewählten deutschen Großstädten ............................................ 115

Abbildung 27: Städtebaulicher Entwicklungsprozess .................................................................. 118

Abbildung 28: SWOT-Analyse der Kultur- und Kreativwirtschaft in der Untersuchungsregion ..... 128

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

14

1 Einleitung

Die IW Consult GmbH wurde im Sommer des Jahres 2012 beauftragt, die regionalwirtschaftliche

Bedeutung der Hochschulen und der Kultur- und Kreativwirtschaft am Standort Kiel zu analysieren.

Ziel dieser Untersuchung ist es, Handlungsempfehlungen für eine noch intensivere

Zusammenarbeit von Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung in der Untersuchungsregion zu

geben.

Die fünf gleichberechtigten Auftraggeber Landeshauptstadt Kiel, IHK zu Kiel, Christian-Albrechts-

Universität (CAU), Muthesius Kunsthochschule sowie die Fachhochschule (FH) Kiel haben bereits

im Mai 2011 eine Kooperationsvereinbarung geschlossen, um die vorhandenen Kompetenzen

noch besser zu vernetzen, die Nähe von Hochschulausbildung und wirtschaftlicher Praxis zu

erhöhen und das innovations- und investitionsfreundliche Klima zu fördern.

Die vorliegende Untersuchung bietet für diese Zielsetzung eine umfangreiche Bestandsaufnahme

der derzeitigen Situation, insbesondere bei Fragen zur regionalwirtschaftlichen Bedeutung der

Hochschulen. Auf Grundlage dieser Analysen wird auch geklärt, welche Maßnahmen zu einer

noch effektiveren Zusammenarbeit bzw. einer stärkeren Wirkung auf die regionale Wirtschaft

führen können.

In einem ersten Untersuchungsschritt werden die Beschäftigungs- und Nachfrageeffekte, die

von den Kieler Hochschulen auf die Untersuchungsregion ausgehen, quantifiziert. Der

Hochschulstandort Kiel mit über 6.000 Beschäftigten und über 30.000 Studierenden hat eine

enorme wirtschaftliche Bedeutung für die Stadt Kiel und die gesamte Untersuchungsregion. Die im

Jahr 1665 gegründete Christian-Albrechts-Universität und die Fachhochschule Kiel zählen zu den

größten ihrer Art in Schleswig-Holstein. Die Muthesius Kunsthochschule kann auf eine über 100-

jährige Tradition zurückblicken und bildet am neuen Standort in der Kieler Innenstadt ein

kulturelles und innovatives Highlight.

Die Forschungsschwerpunkte der Universität befinden sich unter anderem in den Bereichen

Meeres- und Geowissenschaften und in der Entzündungsforschung. Auf diesen beiden Gebieten

sind zudem in den letzten Jahren Exzellenzcluster entstanden. In der Fachhochschule werden

neben der praxisnahen Ausbildung auch in der Forschung zukunftsrelevante Fragen beantwortet.

Im Kompetenzzentrum Elektromobilität Schleswig-Holstein (KEHS) wird beispielsweise in

Zusammenarbeit mit Unternehmen aus der Wirtschaft an einem Mobilitätskonzept für die Zukunft

geforscht.

Die Aktivitäten der Hochschulen im Bildungs- und Forschungsbereich machen zugleich deren

Bedeutung für das Innovationsgeschehen am Standort deutlich. Der Wissenstransfer in die

regionale Wirtschaft bildet daher auch den zweiten inhaltlichen Schwerpunkt der Untersuchung.

Die Transferaktivitäten finden dabei auf sehr unterschiedlichen Wegen statt, wobei der Austausch

„über Köpfe“, also insbesondere über die Hochschulabsolventen, einen Schwerpunkt bildet.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

15

Da die regionalen Wirtschaftsstrukturen einem permanenten Wandel unterliegen und regionale

Hochschulen für das Innovationspotenzial der Unternehmen einer Region von großer Bedeutung

sind, liegt in dieser Zusammenarbeit ein Fokus im Bereich Wissenstransfer. Hierbei wird

untersucht, wie die Zusammenarbeit zustande kam, wie sie von den Unternehmen bewertet wird

und welches Potenzial für eine weitere und vertiefende Zusammenarbeit besteht. Daneben werden

auch die Rolle der Hochschulen bei Fachkräfteversorgung im Allgemeinen und die Wirkung von

Unternehmensgründungen aus der Hochschule thematisiert.

Den dritten inhaltlichen Schwerpunkt in der Untersuchungsregion bildet schließlich die Kultur- und

Kreativwirtschaft. Diese rückte in den letzten Jahren immer stärker als wichtiger Standortfaktor in

den Fokus. In einer zunehmend wissensorientierten Gesellschaft werden diesem Bereich wichtige

Funktionen in Bezug auf Imagebildung und Lebensgefühl zugeschrieben.

Aus regionalökonomischer Sicht stellt das Vorhandensein einer starken kreativen Klasse aber

auch einen zunehmend bedeutenden Standortfaktor dar. Mit der zunehmenden

Wissensintensivierung weiter Teile des wirtschaftlichen Lebens gehen von diesem Segment

wichtige Impulse zur Innovationsförderung und damit zur Produktivitätssteigerung aus. Mit der

Entwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft sind demnach vielfältige Hoffnungen bis hin zu einer

Förderung des wirtschaftsstrukturellen Wandels verknüpft.

So attraktiv eine starke Kultur- und Kreativwirtschaft für einen Standort ist, so schwierig ist es,

deren Entwicklung von öffentlicher Seite zu fördern. In einem ersten Schritt erfolgt daher eine

quantitative Analyse der Struktur der Kultur- und Kreativwirtschaft in der Untersuchungsregion, da

ein besseres Verständnis für die regionalen Besonderheiten des Sektors notwendig ist, um

Maßnahmen für dessen Förderung zu entwickeln. Für Unternehmen der Kultur- und

Kreativwirtschaft spielen dabei insbesondere weiche Faktoren, wie die Vernetzungs- und

Kooperationsmöglichkeiten mit anderen Unternehmen und ein kreatives Milieu in der Umgebung,

eine bedeutende Rolle. In diesem Bereich liegen daher auch mögliche kommunale

Unterstützungsinstrumente für die künftige erfolgreiche Entwicklung der Kultur- und

Kreativwirtschaft.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

16

2 Quantitativ-monetäre Basisanalyse

2.1 Einleitung

Im ersten Untersuchungsbaustein werden die wirtschaftlichen Effekte ermittelt, die von den

Hochschulen am Standort Kiel ausgehen. Diese quantitativ-monetäre Analyse umfasst dabei

sowohl die primären Effekte, als auch die sekundären Effekte, die durch die Hochschulen

ausgelöst werden. Berücksichtigt werden dabei folgende Aspekte:

Hochschulen als Arbeitgeber,

Hochschulen als öffentliche Auftraggeber,

Drittmittel und

Studierende als Wirtschaftsfaktor.

Zur besseren Bewertung und Einordnung der Analyseergebnisse wird in einem ersten Schritt die

Untersuchungsregion mit ihren strukturellen Besonderheiten vorgestellt.

2.2 Darstellung der Untersuchungsregion

Im Folgenden soll die räumliche Untersuchungsebene, auf die sich nachfolgend die Studie zur

Bestimmung der regionalen Beschäftigungs- und Nachfrageeffekte der Kieler Hochschulen

bezieht, definiert und allgemein betrachtet werden. Im Rahmen dieser kurzen Beschreibung sollen

die Bevölkerungszahlen und deren Entwicklung, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sowie der

regionale Arbeitsmarkt kurz beleuchtet werden. Die Untersuchungsregion Kiel besteht gemäß der

Aufgabenstellung nicht nur aus der Landeshauptstadt Kiel, sondern umfasst zusätzlich die

kreisfreie Stadt Neumünster sowie die umliegenden Landkreise Rendsburg-Eckernförde, Plön,

Steinburg und Pinneberg. Somit bezieht sich die nachfolgende Studie auf sechs der 15 Kreise

bzw. kreisfreien Städte des Bundeslandes Schleswig-Holstein. Diese geografische Abgrenzung

der Untersuchungsregion entspricht zudem dem Arbeits- und Einzugsbereich der IHK zu Kiel und

soll in der folgenden Abbildung 1 noch einmal grafisch veranschaulicht werden.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

17

Abbildung 1: Die Untersuchungsregion

Quelle: IW Consult (2012); Statistisches Bundesamt (12.12.2012).

Bevölkerungsentwicklung in der Untersuchungsregion

Die Untersuchungsregion hat zum 31.12.2011 insgesamt 1.158.808 Einwohner. Dabei kann die

Region im Gegensatz zum deutschen Trend einen Bevölkerungszuwachs verzeichnen. So beläuft

sich die Einwohnerzahl der sechs betrachteten Kreise bzw. kreisfreien Städte im Jahr 2000 noch

auf 1.143.084. Der Zuwachs der Bevölkerung im Betrachtungszeitraum vom Jahr 2000 bis zum

Jahr 2011 entspricht somit insgesamt einem Plus von 1,4 Prozent. Im Vergleich dazu nimmt die

Bevölkerung in Deutschland im gleichen Zeitraum um 0,5 Prozent ab. Betrachtet man die

Bevölkerungsentwicklung der einzelnen Kreise und kreisfreien Städte, so ist ersichtlich, dass die

positive Bevölkerungsentwicklung der gesamten Untersuchungsregion im Besonderen auf die der

kreisfreie Stadt Kiel und den an die Metropolregion Hamburg angrenzenden Landkreis Pinneberg

zurückzuführen ist. Deren Bevölkerungszuwachs ist im Betrachtungszeitraum relativ stark, sodass

bezogen auf den Trend der gesamten Untersuchungsregion die negative Bevölkerungsentwicklung

der anderen Kreise mehr als ausgeglichen werden kann. Mit 242.041 Einwohnern zum 31.12.2011

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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verzeichnet die kreisfreie Stadt Kiel zum Stichtag gut 4 Prozent mehr Einwohner als noch im Jahr

2000. Die Einwohnerzahl des Landkreises Pinneberg (305.102 zum 31.12.2011) steigt im selben

Zeitraum sogar um 4,6 Prozent. Lediglich der Landkreis Plön verzeichnet noch ein

Bevölkerungswachstum von 0,4 Prozent im Betrachtungszeitraum, die Kreise Rendsburg-

Eckernförde (-0,4 Prozent) und Steinburg (-2,8 Prozent) sowie die kreisfreie Stadt Neumünster

(-3,6 Prozent) verlieren im angegebenen Betrachtungszeitraum an Einwohnern (Tabelle 1).

Tabelle 1: Bevölkerungsstand und -entwicklung in der Untersuchungsregion

(Bevölkerungsstand jeweils am 31.12.)

2000 2011 Entwicklung 2000 – 2011

Kiel, kreisfreie Stadt 232.612 242.041 4,1%

Neumünster, kreisfreie Stadt

79.831 76.939 -3,6%

Pinneberg, Landkreis 291.609 305.102 4,6%

Plön, Landkreis 132.895 133.433 0,4%

Rendsburg-Eckernförde, Landkreis

270.110 269.019 -0,4%

Steinburg, Landkreis 136.027 132.274 -2,8%

Gesamt 1.143.084 1.158.808 1,4%

Zum Vergleich: Hansestadt Hamburg

1.715.392 1.798.836 4,9%

Schleswig-Holstein 2.789.761 2.837.641 1,7%

Deutschland insgesamt 82.259.540 81.843.743 -0,5%

Quelle: IW Consult (2012); Statistisches Bundesamt (12.12.2012).

Diese Bevölkerungsentwicklung steht somit gänzlich im Zeichen der Urbanisierung: Speziell

Städte, wie die Landeshauptstadt Kiel oder an Ballungsgebiete angrenzende Kreise, wie etwa der

Kreis Pinneberg, welcher an die Metropolregion Hamburg anschließt, gewinnen Einwohner.

Ländliche Gegenden und dort angesiedelte kleinere Städte hingegen verlieren Einwohner. Dieser

Trend wird sich laut Prognose des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)

auch zukünftig fortsetzen. Demnach werden nur die kreisfreie Stadt Kiel und der Landkreis

Pinneberg im Betrachtungszeitraum von 2011 bis 2025 einen Einwohnerzuwachs verzeichnen

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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können. Die Bevölkerung in Kiel wird entsprechend um 3,2 Prozent auf 248.200 Einwohner

anwachsen und die Einwohnerzahl des Landkreises Pinneberg wird weniger stark um 1,3 Prozent

steigen, was wiederum einer Bevölkerungszahl von 309.000 Einwohnern im Jahr 2025 entspricht.

Alle anderen Kreise bzw. kreisfreien Städte der Untersuchungsregion hingegen werden in diesem

Zeitraum an Einwohnern verlieren: Landkreis Rendsburg-Eckernförde (-3,8 Prozent), Landkreis

Plön (-4,9 Prozent), Landkreis Steinburg (-6,1 Prozent) und die kreisfreie Stadt Neumünster

(-6,4 Prozent). Im Gegensatz zu der Entwicklung im Betrachtungszeitraum wird die positive

Bevölkerungsentwicklung der Landeshauptstadt Kiel sowie des Kreises Pinneberg zukünftig nicht

den negativen Trend der anderen zur Betrachtungsregion gehörenden und oben angeführten

Kreise ausgleichen können. Dementsprechend wird die Bevölkerungszahl der gesamten

Untersuchungsregion bis zum Jahr 2025 um 1,6 Prozent auf 1.136.500 Einwohner sinken; diese

Tatsache korrespondiert mit dem negativen Trend sowohl für Schleswig-Holstein (-1,4 Prozent) als

auch für die gesamte Bundesrepublik Deutschland. Diese langfristige Entwicklung wird neben der

Urbanisierung zusätzlich von den Auswirkungen des demografischen Wandels verursacht.

Zusammenfassend zeigt sich in der sechs Kreise bzw. kreisfreie Städte umfassenden

Untersuchungsregion in ihrer zurückliegenden und zukünftigen Bevölkerungsentwicklung ein

uneinheitliches Bild: Im Rahmen der Urbanisierung gewinnen speziell die Landeshauptstadt Kiel

und der Kreis Pinneberg – aufgrund seiner Nähe zur Hansestadt Hamburg – an Bevölkerung; die

übrigen ländlicheren Kreise und die kreisfreie Stadt Neumünster können nicht von dieser

Entwicklung profitieren.

Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts

Das Bruttoinlandsprodukt der Untersuchungsregion steigt im Betrachtungszeitraum, sprich in den

Jahren von 2000 bis 2009, um 14,1 Prozent. Damit schneidet die zu untersuchende Region im

Vergleich zum gesamten Bundesland Schleswig-Holstein überdurchschnittlich ab: Hier entwickelt

sich das Bruttoinlandsprodukt im Vergleichszeitraum nur um 13,3 Prozent. Setzt man das

Wachstum des Bruttoinlandsprodukts allerdings zur gesamten deutschen Entwicklung

(+16,2 Prozent) und derjenigen der Metropolregion Hamburg in Relation (+16,5 Prozent), so

schneidet die Untersuchungsregion weniger gut ab.

Betrachtet man das Bruttoinlandsprodukt bzw. dessen Entwicklung nach Kreisen, so verzeichnet

der Landkreis Pinneberg den stärksten Zuwachs mit einem Plus von 19,1 Prozent. Die

Landeshauptstadt Kiel hingegen kann im gleichen Zeitraum nur ein Wachstum von 12,2 Prozent

aufweisen, nur das Bruttoinlandsprodukt des Landkreises Rendsburg-Eckernförde (+11,9 Prozent)

entwickelt sich im Vergleich zu den weiteren Kreisen und kreisfreien Städten der

Untersuchungsregion weniger stark. Diese im Vergleich zu den anderen Kreisen der

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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Untersuchungsregion unterdurchschnittliche prozentuale Entwicklung des Bruttoinlandprodukts der

Landeshauptstadt Kiel erklärt sich vor allem aus dem schon im Jahr 2000 relativ hohen Niveau des

Bruttoinlandprodukts der Stadt Kiel von 8.136 Millionen Euro. Im Vergleich dazu verzeichnete der

Kreis Rendsburg-Eckernförde zum gleichen Zeitpunkt nur ein Bruttoinlandsprodukt von

5.493 Millionen Euro, der Kreis Plön sogar nur ein Bruttoinlandsprodukt von 1.901 Millionen Euro.

Generell zeigt sich vielmehr bei der Betrachtung der absoluten Werte sowie der Pro-Kopf-Werte

des Bruttoinlandsprodukts die wirtschaftliche Stärke der Landeshauptstadt Kiel und des Hamburg

nahen Kreises Pinneberg. So beträgt die Wirtschaftsleistung in Kiel im Jahr 2009 9.126 Millionen

Euro. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt, erzielte der Landkreis Pinneberg im selben Jahr die

zweitstärkste Wirtschaftsleistung in der Untersuchungsregion mit einem Bruttoinlandsprodukt von

8.527 Millionen Euro. Damit werden im Jahr 2009 alleine von den beiden hervorgehobenen

Kreisen bzw. kreisfreien Städten 55 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der gesamten

Untersuchungsregion erwirtschaftet. Wobei, wie schon oben angesprochen, das Wachstum im

Landkreis Pinneberg mit 19,1 Prozent im Zeitraum von 2000 bis 2009 dynamischer verläuft, als in

der Landeshauptstadt Kiel mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 12,2 Prozent.

Diese überdurchschnittliche Wachstumsdynamik lässt sich durchaus mit der geografischen Nähe

des Kreises zur Metropolregion Hamburg erklären, deren positive Wachstumsimpulse auch auf

das Umland ausstrahlen. Die wirtschaftliche Stärke der Landeshauptstadt Kiel sowie des Kreises

Pinneberg spiegelt sich auch in den Pro-Kopf-Werten des Bruttoinlandprodukts von 38.422 Euro in

der Landeshauptstadt Kiel und 28.262 Euro im Kreis Pinneberg im Jahr 2009 wider. Im Vergleich

wurde in Deutschland im gleichen Jahr ein durchschnittliches Bruttoinlandsprodukt von 23.662

Euro pro Kopf generiert. Dies spricht wiederum für die wirtschaftliche Stärke und Attraktivität der

Landeshauptstadt Kiel sowie auch des Kreises Pinneberg.

Zusammenfassend zeigen sich – ähnlich wie bei der Bevölkerungsentwicklung – auch in Bezug

auf die Wirtschaftskraft gemessen am Bruttoinlandsprodukt die Landeshauptstadt Kiel und der

Kreis Pinneberg als „Spitzenreiter“ der Region. Die vier weiteren, eher ländlich geprägten

Gegenden verzeichnen zwar auch eine positive Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts – sowohl

absolut als auch in Pro-Kopf-Werten –, vom Niveau reichen diese Werte jedoch nicht an die der

Landeshauptstadt Kiel und des Kreises Pinneberg heran. Eine detailliert Übersicht der absoluten

und Pro-Kopf-Werte des Bruttoinlandprodukts als auch der prozentualen Entwicklung beider

Größen vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2009 gibt die Tabelle 2.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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Tabelle 2: Bruttoinlandsprodukt der Untersuchungsregion absolut (Millionen Euro)

und in Pro-Kopf-Werten (Euro)

2000 2009 Entwicklung 2000 – 2009

absolut pro

Kopf absolut

pro Kopf

absolut pro

Kopf

Kiel, kreisfreie Stadt

8.136 34.925 9.126 38.422 12,2% 10,0%

Neumünster, kreisfreie Stadt

2.146 26.784 2.431 31.596 13,3% 18,0%

Pinneberg, Landkreis

7.160 24.670 8.527 28.262 19,1% 14,6%

Plön, Landkreis 1.901 14.356 2.157 16.027 13,5% 11,6%

Rendsburg-Eckernförde, Landkreis

5.493 20.413 6.146 22.677 11,9% 11,1%

Steinburg, Landkreis

3.320 24.434 3.743 27.985 12,7% 14,5%

Gesamt 28.157 - 32.130 - 14,1% -

Zum Vergleich: Hansestadt Hamburg

72.554 42.423 72.554 42.423 16,5% 12,1%

Schleswig-Holstein 64.853 - 73.486 - 13,3% -

Deutschland insgesamt

2.062.500 23.622 2.062.500 23.622 16,2% 16,5%

Quelle: IW Consult (2012).

Entwicklung sozialversicherungspflichtig Beschäftigten

Betrachtet man die Veränderungen bei der Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in

der Untersuchungsregion ausgehend vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2011, so verzeichnet die

Untersuchungsregion insgesamt einen Zuwachs von rund 1,4 Prozent und bleibt somit hinter der

bundesdurchschnittlichen Veränderung von 2,0 Prozent als auch hinter der gesamt schleswig-

holsteinischen Änderungsrate von rund 2,8 Prozent zurück. Im Vergleich erlebt die Hansestadt

Hamburg im Betrachtungszeitraum einen gegenüber den Werten der Untersuchungsregion

überdimensionalen Zuwachs von etwa 10 Prozent. Der im Bundesvergleich unterdurchschnittliche

Zuwachs bei der Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist generell auf die

unterschiedlichen Entwicklungen der einzelnen Kreise und kreisfreien Städte zurückzuführen. So

verloren speziell die ländlich geprägten Kreise Plön, Rendsburg-Eckernförde sowie Steinburg in

Laufe der letzten elf Jahre bis zu 2,4 Prozent ihrer sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.

Hingehen konnten sowohl die kreisfreien Städte Kiel und Neumünster als auch der im

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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Einzugsgebiet Hamburgs gelegene Kreis Pinneberg eine positive Entwicklung verzeichnen:

kreisfreie Stadt Kiel (+2,1 Prozent), kreisfreie Stadt Neumünster (+5,4 Prozent) und Landkreis

Pinneberg (+2,8 Prozent). Dieser Trend wird primär von zwei Faktoren getrieben: Zum einen von

der Urbanisierung, die sowohl in der Stadt Kiel als auch im Kreis Pinneberg zu einem

Bevölkerungsanstieg führt, zum anderen von der Wirtschafts- und Strukturstärke eben dieser

Regionen. Da die kreisfreie Stadt Neumünster unter Bevölkerungsschwund leidet, jedoch im

Vergleich aller sechs Kreise bzw. kreisfreien Städte der Untersuchungsregion den stärksten

Zuwachs an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aufweist, ist diese Beobachtung dem

zweiten Treiber zuzuordnen und/oder als Einzeleffekt zu werten. Somit zeichnet sich auch in

Bezug auf die Entwicklung bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, wie schon unter den

vorhergehenden Betrachtungspunkten, die strukturelle und wirtschaftliche Bedeutung der von der

Urbanisierung zudem begünstigten kreisfreien Stadt Kiel und des Kreises Pinneberg für die

Untersuchungsregion ab. Eine Übersicht über die Entwicklung der sozialversicherungspflichtig

Beschäftigten der einzelnen Kreise, der gesamten Betrachtungsregion sowie gewisser

Vergleichsgrößen gibt die Tabelle 3.

Tabelle 3: Entwicklung der Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten

absolut (Euro) und prozentual

2000 2009 2011

Entwicklung 2000 – 2011

Kiel, kreisfreie Stadt 104.020 104.052 106.191 2,09%

Neumünster, kreisfreie Stadt

31.130 31.718 32.796 5,35%

Pinneberg, Landkreis 78.674 79.052 80.857 2,77%

Plön, Landkreis 24.162 22.870 23.681 -1,99%

Rendsburg-Eckernförde, Landkreis

66.591 65.658 66.468 -0,18%

Steinburg, Landkreis 34.682 32.823 33.835 -2,44%

Gesamt 339.259 336.173 343.828 1,35%

Zum Vergleich: Hansestadt Hamburg

762.471 809.315 835.148 9,53%

Schleswig-Holstein 819.501 815.955 842.006 2,75%

Deutschland insgesamt 27.825.624 27.380.096 28.381.343 2,00%

Quelle: IW Consult (2012); Statistisches Bundesamt (2012).

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Die Betrachtung der Zahlen bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nach

Wirtschaftssektoren (siehe Tabelle 4) verdeutlicht, dass jegliche Kreise bzw. kreisfreien Städte der

Untersuchungsregion primär dienstleistungsversiert sind. So sind durchschnittlich in der gesamten

Untersuchungsregion 85,5 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im

Dienstleistungssektor beschäftigt. Um an dieser Stelle einen Vergleichspunkt zu setzen, so sind es

im Bundesdurchschnitt nur 79,8 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Die

Landeshauptstadt Kiel ist dabei mit einem Anteil von 89,5 Prozent am stärksten

dienstleistungsfokussiert. Hingegen ist der Kreis Pinneberg in der Untersuchungsregion der am

stärksten industriell geprägte Kreis. Hier sind 18,5 Prozent der sozialversicherungspflichtig

Beschäftigten in der Industrie tätig; dieser Wert liegt knapp unter dem Bundesdurchschnitt von

19,4 Prozent. Die im bundesdeutschen Vergleich überdurchschnittliche

sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im primären Sektor, sprich in der Land- und

Forstwirtschaft sowie Fischerei, ist auf die ländlicheren Kreise der Untersuchungsregion – Plön,

Rendsburg-Eckernförde und Steinburg – zurückzuführen und beträgt in Bezug auf die gesamte

Untersuchungsregion durchschnittlich 1,5 Prozent. Betrachtet man den Anteil der

sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die wissensintensive Dienstleistungen1 ausführen, an

allen im Dienstleistungssektor sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, so wird in diesem

Zusammenhang die Bedeutung der Stadt Kiel als Wissenschaftsstandort in der

Untersuchungsregion deutlich. So beträgt nach der vom Niedersächsischen Institut für

Wirtschaftsforschung geprägten Definition für wissensintensive Dienstleistungen der Anteil speziell

dieser an allen Dienstleistungen 28,4 Prozent und liegt somit über dem Bundesdurchschnitt von

25,9 Prozent. Generell bleiben alle anderen Kreise bzw. kreisfreien Städte der

Untersuchungsregion – diese Kennziffer betreffend – hinter der Landeshauptstadt zurück. Dieses

Ergebnis verdeutlicht die Bedeutung der Stadt Kiel als Wissenschaftsstandort. Inwiefern dieses

Ergebnis von der Präsenz und dem Wirken der Kieler Hochschulen beeinflusst wird, soll in der

Multiplikatoranalyse genauer untersucht werden.

1 Unter wissensintensiven Dienstleistungen versteht man eine innovationsstarke Sparte des Dienstleistungssektors, in

dem der Anteil der Beschäftigten mit Universitäts- oder Fachhochschulabschluss und/oder der Anteil der Beschäftigten, die sich neben dem Bereich Forschung und Entwicklung auch noch mit Planung, Konstruktion und Design befassen, überdurchschnittlich hoch ist. Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) (Hrsg.) (2006): Neuabgrenzung der Wissenswirtschaft: Forschungsintensive Industrien und wissensintensive Dienstleistungen. Studien zum deutschen Innovationssystem Nr. 22-2007, Berlin, S. 11.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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Tabelle 4: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte nach Bereichen absolut (Einheiten) und

prozentual in Bezug auf die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten am Arbeitsort am

30.06.2010

Primärer Sektor Industrie

1) Dienstleistungen

Wissensintensive Dienstleistungen

absolut in

Prozent absolut

in Prozent

absolut in

Prozent absolut

Anteil an

allen DL

Kiel, kreisfreie Stadt

46 0,1% 10.408 10,5% 88.790 89,5% 25.232 28,4%

Neumünster, kreisfreie Stadt

161 0,6% 3.119 11,0% 25.181 88,5% 4.740 18,8%

Pinneberg, Landkreis

1.972 2,6% 14.026 18,5% 59.807 78,9% 9.929 16,6%

Plön, Landkreis

606 2,8% 1.821 8,4% 19.259 88,8% 3.546 18,4%

Rendsburg-Eckernförde, Landkreis

1.355 2,1% 7.337 11,5% 55.297 86,4% 13.021 23,6%

Steinburg, Landkreis

761 2,5% 4.623 15,3% 24.910 82,2% 4.869 19,6%

Gesamt 4.901 1,5% 41.334 12,9% 273.244 85,5% 61.337 22,5%

Zum Vergleich: Hansestadt Hamburg

740 0,1% 88.795 11,0% 720.259 88,9% 225.667 31,3%

Deutschland insgesamt (in Tsd.)

216,07 0,8% 5.061,89 19,4% 20.879,83 79,8% 5.404,32 25,9%

Anmerkung: 1)

Zur Industrie zählt das Verarbeitende Gewerbe ohne Bau. Ab 2008: Umstellung von WZ 2003 auf WZ 2008.

Quelle: IW Consult (2012); Bundesagentur für Arbeit (2012).

Die Daten über die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nach Wirtschaftsabschnitten in

Tabelle 5 erlauben einen vertiefenden Blick in die Branchenstruktur der Untersuchungsregion und

deren Spezialisierungen.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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Tabelle 5: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte nach Wirtschaftsabschnitten

sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Arbeitsort am 30.06.2010

Branche

Anzahl sozialversicherungs-pflichtig Beschäftigte

Anteil1)

Spez-Koeff.2)

Handel 59.812 17,0% 118,4

Verarbeitendes Gewerbe 54.387 15,5% 68,8

Gesundheits- und Sozialwesen 48.601 13,8% 108,9

Öffentliche Verwaltung, Verteidigung

27.004 7,7% 133,2

Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen

23.228 6,6% 95,1

Baugewerbe 23.093 6,6% 114,5

Verkehr und Logistik 17.087 4,9% 94,8

Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen

16.775 4,8% 80,0

Erbringung von sonstigen Dienstleistungen

13.690 3,9% 141,3

Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen

13.323 3,8% 109,3

Erziehung und Unterricht 12.910 3,7% 96,6

Gastgewerbe 9.863 2,8% 90,2

Information und Kommunikation 8.776 2,5% 82,0

Land- und Forstwirtschaft, Fischerei 5.594 1,6% 199,9

Grundstücks- und Wohnungswesen 3.945 1,1% 147,0

Kunst, Unterhaltung und Erholung 3.503 1,0% 117,9

1) Prozentualer Anteil der Beschäftigten in der Branche an der Gesamtbeschäftigtenanzahl.

2) Spezialisierungskoeffizient: Angabe der Beschäftigungsanteile im Vergleich zu Deutschland in

Prozent. Ein niedriger Koeffizient deutet auf unterdurchschnittlich viele Beschäftigte in der Branche hin, ein hoher auf überdurchschnittlich viele Beschäftigte, der Durchschnitt liegt bei 100.

Quelle: IW Consult (2012); Bundesagentur für Arbeit (2012).

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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Die höchsten Beschäftigungsanteile in der Untersuchungsregion haben die Branchen Handel,

Verarbeitendes Gewerbe und das Gesundheits- und Sozialwesen. Sie vereinen fast die Hälfte der

sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Region. Der Spezialisierungs-Koeffizient zeigt an,

wie hoch der Beschäftigungsanteil in der Region in Relation zum Anteil auf bundesdeutscher

Ebene ist. Demnach sind Handel und Gesundheits- und Sozialwesen überdurchschnittlich stark in

der Region vertreten (Wert größer als 100), das Verarbeitende Gewerbe dagegen nicht. Der

Beschäftigungsanteil liegt hier etwa ein Drittel unter dem deutschen Durchschnitt und es kann nicht

von einem industriellen Schwerpunkt bei der Branchenstruktur gesprochen werden.

Schwerpunkte in der Wirtschaftsstruktur weist die Region vielmehr in der Land- und Forstwirtschaft

und Fischerei, im Grundstücks- und Wohnungswesen, bei der Erbringung von sonstigen

Dienstleistungen und im Verwaltungsbereich inklusive Verteidigung auf. Bereiche mit einer

höheren Wertschöpfung, wie das Verarbeitende Gewerbe, wissensintensive Dienstleistungen oder

der Bereich Information und Kommunikation, sind dagegen unterdurchschnittlich vertreten.

Diese strukturellen Unterschiede, die Folge eines wirtschaftsstrukturellen Wandels sind, spiegeln

sich letztendlich auch in Sozialindikatoren wie der Arbeitslosenquote wider.

Arbeitslosigkeit in der Untersuchungsregion

Betrachtet man die Arbeitslosenzahlen in der Untersuchungsregion (Tabelle 6), so fällt die positive

Entwicklung der Gesamtregion ins Auge. So sinkt die Arbeitslosenquote bezogen auf alle zivilen

Erwerbspersonen im Vergleich zum Jahr 2000 um 2,2 Prozentpunkte und beträgt im Jahr 2012

durchschnittlich 6,9 Prozent. Trotz dieses positiven Trends liegt die Untersuchungsregion somit

leicht über dem bundesweiten Durchschnitt von 6,8 Prozent im Jahr 2012. Anders als unter den

vorhergehenden Betrachtungspunkten ist die positive Entwicklung der Arbeitslosenquote auf alle

Kreise bzw. kreisfreien Städte der Untersuchungsregion zurückzuführen. Den stärksten Rückgang

verzeichnet der Kreis Steinburg mit einem Minus von 2,6 Prozentpunkten, wohingegen die

schleswig-holsteinische Landeshauptstadt Kiel im Jahr 2011 nur 1,2 Prozentpunkte weniger

Arbeitslose als im Jahr 2000 aufweisen kann. Generell verzeichnen die Kreise, die zu großen

Teilen ländlich geprägt sind, einen stärkeren Rückgang der Arbeitslosenzahlen als die Städte Kiel

und Neumünster. Als Gründe hierfür können auch wieder Urbanisierungseffekte angeführt werden.

Zu unterscheiden ist an dieser Stelle aber, ob die Personen in andere Gebiete, in denen sie eine

Anstellung finden, umsiedeln oder zu ihrer (neuen) Arbeitsstelle pendeln und somit den Wohnort

nicht wechseln. Da die Kreise Plön, Rendsburg-Eckernförde oder Steinburg an Bevölkerung

verlieren (siehe oben), ist in diesen Kreisen der erste angeführte Effekt maßgeblich. Der Kreis

Pinneberg hingegen verzeichnet neben der sinkenden Arbeitslosenquote zusätzlich ein

Bevölkerungswachstum. Dies illustriert zum einen die solide wirtschaftliche Situation, die

Arbeitsplätze in der Region garantiert, zum anderen begründet sich diese positive Entwicklung

beider Kennziffern auch durch die geografische Nähe zur Metropolregion Hamburg. Hamburg ist

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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aufgrund der dynamischen wirtschaftlichen Entwicklung als Arbeitsort attraktiv und zieht einerseits

Arbeitnehmer in die Stadt, die dort ihren Wohnsitz anmelden. Andererseits ziehen in Hamburg

Beschäftigte in die umliegenden Kreise, die zumeist ein preisgünstigeres Wohnumfeld bieten.

Dieser Effekt kann auch auf andere Landkreise wie beispielsweise den Kreis Steinburg, der

geografisch am zweitnächsten zu Hamburg gelegen ist, wirken und so den vergleichsweise

starken Rückgang der Arbeitslosenquote um 2,6 Prozent im Vergleichszeitraum begründen. Auch

die kreisfreien Städte Kiel und Neumünster können ähnlich auf die umliegenden eher ländlich

geprägten Kreise der Untersuchungsregion wirken. Betrachtet man die Arbeitslosenzahlen der

kreisfreien Städte in Relation zu den Kreisen der Untersuchungsregion, so liegen die

Arbeitslosenquoten in den Jahren 2000 und 2012 über denen der Kreise der Untersuchungsregion:

So verzeichnen Kiel und Neumünster im Jahr 2012 eine Arbeitslosenquote von 10,1 bzw.

11,0 Prozent. Hingegen kommt der Kreis Steinburg, der als Kreis die höchste Arbeitslosenquote in

der Untersuchungsregion aufweist, auf einen deutlich niedrigeren Wert von 5,9 Prozent. Im Fall der

Landeshauptstadt Kiel, die – wie im ersten Abschnitt angedeutet – im Betrachtungszeitraum einen

Bevölkerungszulauf erfährt, ist der relativ geringe Rückgang der Arbeitslosenquote (eine

Veränderung von minus 1,2 Prozentpunkten im Betrachtungszeitraum) ein Indikator dafür, dass

nicht alle in Kiel zugezogenen potenziell Erwerbsfähigen am Arbeitsmarkt partizipieren bzw.

partizipieren können.

Für die gesamte Region gesprochen deutet die positive Entwicklung der Arbeitslosenzahlen –

gemäß dem gesamtdeutschen Trend – darauf hin, dass die Untersuchungsregion sowohl die

Einflüsse der Rezession im Nachlauf des Platzens der Dotcom-Blase als auch den bisherigen

Höhepunkt der aktuellen Finanzkrise weitestgehend ausgeglichen hat.

Zusammenfassend fällt die positive Arbeitsmarktentwicklung auf, die in den Kreisen der

Untersuchungsregion stärker ausgeprägt ist als in den kreisfreien Städten. Dort sind zudem

generell höhere Arbeitslosenquoten zu beobachten als in den Kreisen der Untersuchungsregion.

Gründe dafür sind wiederum Urbanisierungseffekte, die Arbeitnehmer permanent oder als

Berufspendler in die Städte ziehen. Die mögliche Rolle der Kieler Hochschulen in diesem

Zusammenhang soll in der folgenden Multiplikatoranalyse der Studie näher beleuchtet werden.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

28

Tabelle 6: Arbeitslosigkeit in der Untersuchungsregion absolut als auch in Bezug auf alle

zivilen Erwerbspersonen (EP) für die Jahre 2000 und 2012

2000 2012

absolut

bezogen auf alle zivilen EP

absolut bezogen auf

alle zivilen EP

Kiel, Landeshauptstadt

12.930 11,3% 12.732 10,1%

Neumünster, Stadt

4.884 12,2% 4.376 11,0%

Pinneberg 11.400 7,7% 8.721 5,5%

Plön 4.374 7,3% 3.613 5,7%

Rendsburg-Eckernförde

9.713 7,7% 7.357 5,5%

Steinburg 5.526 8,5% 3.983 5,9%

Gesamt 48.827 9,1% 40.782 6,9%

Hamburg, Freie und Hansestadt

74.681 8,9% 70.435 7,5%

Deutschland insgesamt

3.889.695 9,6% 2.896.998 6,8%

Quelle: IW Consult (2012); Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2012): Arbeitslosigkeit im Zeitverlauf.

Fazit

Fasst man die gesamte vorhergehenden Betrachtung der Bevölkerungsentwicklung, des

Bruttoinlandsprodukts sowie des Arbeitsmarkts zusammen, so ist eindeutig zu erkennen, dass die

gesamte Untersuchungsregion stark von der in Deutschland allgemein zu beobachtenden

Urbanisierung beeinflusst wird. Die untersuchten Kennzahlen zeigen, dass hiervon speziell die

Landeshauptstadt Kiel und der geografisch am nächsten zur Hansestadt Hamburg gelegene Kreis

Pinneberg profitieren. Den genauen Einfluss der Kieler Hochschulen auf die beschriebenen

Größen der Untersuchungsregion wird in den folgenden Kapiteln genauer herausgearbeitet.

2.3 Ausgabenstruktur der Kieler Hochschulen

Nach der kurzen Präsentation der Kieler Hochschulen, welche deren ökonomische Relevanz für

die Untersuchungsregion das zentrale Thema der gesamten Studie und der folgenden

Multiplikatoranalyse darstellt, werden die Ausgabenstruktur der Kieler Hochschulen näher

betrachtet, um hieraus erste Rückschlüsse auf die Bedeutung der Hochschulen zu ziehen.

Tabelle 7 gibt im Rahmen dessen einen Überblick über die wichtigsten Ausgabenpositionen der

Kieler Hochschulen. Dabei zeigt sich ein klares Bild: Die Christian-Albrechts-Universität dominiert

als größte Hochschule alle anderen Hochschulen sowohl in Bezug auf die Gesamtausgaben als

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

29

auch bezogen auf die Ausgabenpositionen wie Personal-, Sach- und Bauausgaben sowie

Investitionen. Somit beträgt der Anteil der Gesamtausgaben der Christian-Albrechts-Universität an

den gesamten Ausgaben aller Kieler Hochschulen knapp 86 Prozent. Betrachtet man die

einzelnen Ausgabenpositionen der Hochschulen, so lässt sich erkennen, dass die Personalkosten

den größten Anteil an den Gesamtausgaben der jeweiligen Hochschule ausmachen: Sie bewegen

sich zwischen rund 65 Prozent (CAU) und knapp 70 Prozent (FH Kiel). Dieser einleitende

Überblick lässt bereits erste Rückschlüsse auf die Bedeutung der Hochschulen für die

Untersuchungsregion zu. Die Höhe der Personalausgaben zeigt beispielsweise, dass die

Hochschulen relevante Arbeitgeber in der Region sind.

Insgesamt belaufen sich die Ausgaben der Kieler Hochschulen auf rund 280 Millionen Euro, pro

Studierenden entspricht dies Ausgaben von ca. 8.890 Euro.

Tabelle 7: Ausgewählte Ausgabenpositionen der Kieler Hochschulen 2011

in Tausend Euro

CAU FH Kiel Muthesius Gesamt

Personalausgaben 157.025 20.576 3.393 181.540

Sachausgaben 47.512 4.259 1.354 53.125

Investitionsausgaben 12.148 1.267 130 13.545

Bauausgaben 23.996 2.983 414* 31.388

Gesamt 240.682 29.085 5.837 279.549

* Aufgrund eines Neubaus fällt der Wert für die Bauausgaben bei der Muthesius

Kunsthochschule im Jahr 2011 außergewöhnlich hoch aus, weshalb ein Durchschnittswert der beiden vorangegangenen Jahre gebildet wurde.

Quelle: CAU (2012); FH Kiel (2012); Muthesius (2012).

2.4 Methodische Grundlagen: Multiplikatoranalyse des Hochschulstandorts Kiel

Um alle Wirkungseffekte der zuvor beschriebenen Ausgaben ermitteln zu können, wird im

Folgenden eine Multiplikatoranalyse durchgeführt. Mithilfe der Multiplikatoranalyse können auf

Basis der direkten Einkommens- und Umsatzeffekte die indirekten Umsatzeffekte bestimmt

werden. Die Multiplikatoranalyse macht sich den Umstand zunutze, dass das direkt erhöhte

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

30

regionale Einkommen durch Wiederverausgabung indirekt die regionale Beschäftigung und damit

wiederum das regionale Einkommen und den regionalen Umsatz erhöht. Theoretisch kann sich

diese indirekte Wirkung unendlich oft wiederholen, sie nimmt in ihrer Intensität aber von Runde zu

Runde ab und konvergiert gegen null. Dies liegt unter anderem daran, dass in jeder Runde

Zahlungen aus der Region abfließen und der Effekt durch Steuer- und Sozialabgaben sowie durch

die private Ersparnisbildung weiter gemindert wird. Bereits in der vierten oder fünften

Wirkungsrunde sind rund 90 Prozent des gesamten Multiplikatoreffekts realisiert.2

Die Kieler Hochschulen sind ein bedeutender Wirtschaftsfaktor in der Region. Sie sind

beispielsweise ein wichtiger Arbeitgeber vor Ort und stärken die regionale Nachfrage nach Gütern

und Dienstleistungen. Das geschieht jedoch nicht nur direkt sondern auch indirekt. So lösen die

Ausgaben der Hochschulangestellten und der Studierenden wiederum Nachfrageffekte aus. Aber

auch für die in der Untersuchungsregion angesiedelten Unternehmen ist die Existenz der

Hochschulen von Bedeutung, denn es werden Sach- und Bauausgaben sowie Investitionen

teilweise bei örtlichen Handwerksbetrieben nachgefragt. Diese verausgaben einen Teil ihres so

generierten Einkommens wieder in der Region, was wiederum zu einem Nachfrageeffekt führt. Die

Ausgaben der Hochschulen stoßen also ihrerseits wiederum Nachfrageeffekte in der Region an

(Abbildung 2).

Wie diese Nachfrageeffekte zustande kommen, soll im Folgenden kurz erläutert werden. Die Kieler

Hochschulen beschäftigen Mitarbeiter, die von ihnen Löhne und Gehälter beziehen. Durch die

Bereitstellung von Bildungsdienstleistungen und den Erwerb von Vorleistungen (in Form von

Investitionsgütern und Dienstleistungen) bei Gewerbe-, Industrie-, Handels-, und

Dienstleistungsunternehmen verschaffen die Hochschulen durch die bei diesen Aktivitäten

anfallenden Steuern und Abgaben auch der öffentlichen Hand Einnahmen; den genannten

Lieferanten hingegen verschaffen sie Aufträge. Des Weiteren lösen die durch die Hochschulen

attrahierten Studierenden ihrerseits unmittelbare und mittelbare Nachfrageeffekte (z. B. in Form

von Konsumausgaben) aus.

Darüber hinaus ergeben sich auf den nachgelagerten Ebenen weitere indirekte Effekte: Der

wichtigste Wirkungskanal sind die durch die Lohn- und Gehaltszahlungen der Kieler Hochschulen

ausgelösten Effekte.

2 Vgl. Spehl, H. et al. (2005): Regionalwirtschaftliche Wirkungen der Hochschulen und Forschungseinrichtungen in

Rheinland Pfalz: Wertschöpfungs-, Einkommens- und Beschäftigungseffekte durch Bau und Betrieb der Einrichtungen, Langfassung, Trier, S. 46 ff. In der Literatur finden sich zahlreiche Verfahren zur Bestimmung des Multiplikators, vgl. z. B. Clermont, C. (1997): Regionalwirtschaftliche Effekte von Wissenschaftseinrichtungen: Theorie, Messkonzepte und Ergebnisse für Hamburg, Europäische Hochschulschriften, Reihe 5, Volks- und Betriebswirtschaft, Bd. 2180, Frankfurt a. M.: Peter Lang.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

31

Abbildung 2: Schematische Darstellung indirekter und direkter Nachfrageeffekte

Anmerkung: Die Konsumausgaben der Angestellten der Kieler Hochschulen zählen zu den indirekten Nachfrageeffekten, da sie über ein Multiplikatormodell geschätzt und nicht direkt gemessen werden.

Quelle: IW Consult (2013).

Die Bestimmung der Nachfrageeffekte ergibt sich anhand von zwei Schritten:

1. Bestimmung der Anstoßeffekte, d. h. Bestimmung der Einkommen der Beschäftigten an

den Hochschulen, der Ausgaben der Hochschulen und der Budgets der Studierenden,

2. Berechnung der Sekundäreffekte durch einen Multiplikator.

Die Vorgehensweise im Einzelnen:

Bestimmung des Anstoßeffekts: In diesem Schritt ist zu ermitteln, wohin die gezahlten

Gehälter, die investiven und konsumtiven Ausgaben der Hochschulen (Bau-,

Renovierungs-, Sanierungsmaßnahmen, Ausstattungen) sowie die Ausgaben der

Studierenden fließen. Dazu sind die geleisteten Zahlungsströme zu regionalisieren.

Darüber hinaus müssen die eingeworbenen Drittmittel und deren Verwendung sowie

Einnahmen und Ausgaben der Studierenden in der Region Kiel bestimmt werden. Hierzu

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

32

werden neben den Angaben der Hochschulen und Dataport3 auch die Ergebnisse der

Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks hinzugezogen.

In einem zweiten Schritt werden die Kreislaufeffekte der zuvor ermittelten Primäreffekte

berechnet. Dazu wird ein Multiplikator ermittelt, der die Sekundäreffekte abschätzt:

Erzeugte (indirekte) Nachfrage = Multiplikator x Impuls,

wobei der Impuls den in der Region anfallenden Einkommen und Investitionsausgaben

entspricht.

Der Multiplikator berechnet sich nach der Formel:

)1()1()1(1

1

imtctorMultiplika

wobei c der marginalen Konsumneigung, t der durchschnittlichen Steuer- und

Abgabenbelastung der Einkommen, m der regionalen Importquote und i der Belastung der

Einkommen mit indirekten Verbrauchssteuern entspricht.

Zusammengefasst weist die hier beschriebene Multiplikatoranalyse folgende Vor- und

Nachteile auf:

o Vorteile: Erfassung von direkten und indirekten Effekten, geringer

Rechenaufwand, relativ geringe Anforderungen an die Datenlieferungen durch die

Auftraggeber;

o Nachteile: Keine wirkliche Einbindung in den gesamtwirtschaftlichen

Zusammenhang, starke Abhängigkeit von Annahmen.

3 Dataport AöR ist ein Service Provider für Informationstechnik der Verwaltung. Träger sind die Länder Bremen,

Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein sowie der kommunale „IT-Verbund Schleswig-Holstein“.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

33

Um den oben beschriebenen Multiplikator ermitteln zu können, sind zunächst die Inputfaktoren zu

berechnen, die in den Multiplikator einfließen (Tabelle 8). Für die Untersuchungsregion wird die

Sparquote des Bundeslandes als Inputfaktor verwendet, um die Konsumquote (1-Sparquote) zu

berechnen. Des Weiteren wird eine Steuerquote von 37,4 Prozent angenommen.4 Da regionale

Importquoten auf Bundesländerebene nicht vorliegen, wird hier auf die Ergebnisse anderer Studien

zurückgegriffen. Die verwendeten Importquoten in Vergleichsstudien stammen entweder aus

Schätzungen oder wurden mithilfe von regionalisierten Input-Output-Tabellen ermittelt. Aufgrund

struktureller Ähnlichkeiten mit der in Spehl et al. (2005) untersuchten Region Rheinland-Pfalz wird

die dort ermittelte Importquote übernommen. Sowohl Rheinland-Pfalz als auch die

Untersuchungsregion weisen raumstrukturell große Ähnlichkeiten auf. Beide Regionen zählen zu

den westdeutschen Flächenländern, die in großem Umfang ländliche Strukturen mit starken

Oberzentren aufweisen. Sie weisen beide eine Randlage innerhalb Deutschlands auf und starke

wirtschaftliche Zentren, die direkt an die Untersuchungsregion angrenzen.

Nach dem Einsetzen aller Inputfaktoren in die oben dargestellte Formel ergibt sich für die

Untersuchungsregion ein Multiplikator von 1,2384.5

4 Eine exaktere Schätzung ist aufgrund der unterschiedlichen Steuerklassen der Hochschulbeschäftigten nicht möglich.

5 Die Ausprägung des Multiplikatorwerts fällt in verschiedenen Studien sehr unterschiedlich aus. Blume und Fromm

(2000) ermitteln einen Wert von 1,53, Niermann und Niermann (2000) einen Wert von 1,23, Bandelin, Braun und Hosa (1999) einen Wert von 1,1. Vgl. Blume, L. / Fromm, O. (2000): Regionalökonomische Bedeutung von Hochschulen: Eine empirische Untersuchung am Beispiel der Universität Gesamthochschule Kassel, Kasseler Wirtschafts- und Verwaltungswissenschaften, Band 11, Wiesbaden. Vgl. Niermann, S. / Niermann, U. (2000): Die Universität als Wirtschaftsfaktor, in: Braun, G. / Voigt, E. (Hrsg.): Regionale Innovationspotenziale von Universitäten, S. 85-104, Rostock. Vgl. Bandelin, J. /Braun, G. / Hosa, E. (1999): Der Beitrag der Universitäten und Fachhochschulen zur regionalen Wirtschaftsentwicklung in Mecklenburg-Vorpommern, Rostocker Beiträge zur Regional- und Strukturforschung, Heft 13, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät Universität Rostock, Rostock.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

34

Tabelle 8: Verwendete Faktoren für das Multiplikatormodell

Faktor Indikator Erklärung

c = 1-0,1083 = 0,8917

1-Sparquote

Entnommen aus der VGR der Länder, Sparquote 1991 bis 2009 in den Bundesländern, Berechnungsstand August 2011; durchschnittliche Konsumneigung von 1991 bis 2009.

t = 0,374 durchschnittliche Steuer- und Abgabenbelastung der Einkommen

Commission Services and Eurostat (online data code gov_a_tax_ag)

m = 0,57 regionale Importquote

TAURUS-Institut an der Universität Trier; Lehrstuhl Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftspolitik an der TU Kaiserslautern; Institut für Statistik und Ökonometrie, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz (2005): Regionalwirtschaftliche Wirkungen der Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen des MWWFK. S. XXIX ermitteln für Rheinland-Pfalz eine regionale Importquote in Höhe von 0,57; dieser Wert wird vorliegend einstweilen verwendet.

i = 0,198 durchschnittliche Belastung der Einkommen mit indirekten Verbrauchssteuern

Commission Services and Eurostat (online data code gov_a_tax_ag)

Multiplikator = 1,2384

Quelle: Eurostat (2012); eigene Berechnungen, IW Consult (2012); vgl. Spehl, H. et al. (2005): Regionalwirtschaftliche Wirkungen der Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Rheinland Pfalz: Wertschöpfungs-, Einkommens- und Beschäftigungseffekte durch Bau und Betrieb der Einrichtungen, Langfassung, Trier.

2.5 Die Kieler Hochschulen als Arbeitgeber

In diesem Unterkapitel wird die Rolle der Kieler Hochschulen als Arbeitgeber genauer analysiert.

Die Hochschulen fragen wissenschaftliche und nichtwissenschaftliche Arbeitskräfte nach, dadurch

werden originäre regionale Einkommenseffekte der Primärnachfrage generiert.

Die direkten Beschäftigungseffekte, die von den Kieler Hochschulen ausgehen, können aus den

Angaben der Hochschulen zur Personalstruktur abgelesen werden. Im Wesentlichen wird hier auf

Daten des Statistischen Amtes für Hamburg und Schleswig-Holstein zurückgegriffen6.

Anhand der zur Verfügung gestellten Daten über die Wohnorte der Hochschulbeschäftigten kann

der Beschäftigungseffekt, der von den Hochschulen ausgeht, für die Region ermittelt werden.7

6 Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein (2010): Statistische Berichte, B III 4 - j/10 S, S.6 -13.

7 Die Angaben von Dataport über den Wohnort der Beschäftigten lassen keine Regionalisierung nach

Beschäftigungsgruppen zu. Es wird daher angenommen, dass diese für alle Gruppen gleich ist.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

35

Dabei wird berechnet, wie viele Vollzeit-Arbeitsplätze (Vollzeitäquivalente) in der Region

geschaffen wurden.

In diesem Zusammenhang werden zuerst für die Jahre 2008, 2009 und 2010 die Beschäftigten der

Kieler Hochschulen gemäß ihrer Position (Professor, nicht-wissenschaftliches Personal,

wissenschaftlich/künstlerische Mitarbeiter, (externe) Lehrbeauftragte) als auch nach dem zeitlichen

Umfang ihrer Beschäftigung (Vollzeit, Teilzeit) betrachtet (Tabelle 9). Um im weiteren Verlauf der

Studie regionale Beschäftigungs- und Einkommenseffekte kenntlich zu machen, werden zudem die

Vollzeitäquivalente der Beschäftigungsgruppen, die in der Untersuchungsregion ansässig sind,

kenntlich gemacht. Diese Kennziffer gibt die Auskunft, wie viele volle Arbeitsplätze in der

Untersuchungsregion durch die Anwesenheit der Hochschulen ausgelöst werden. Allgemein

lassen sich die Ergebnisse dieser Betrachtung wie folgt zusammenfassen:

Professoren, Juniorprofessoren und Professur Vertretungen: In dieser Kategorie gibt

es bis auf Ausnahmen in den Jahren 2008 und 2009 keine Teilzeitarbeitsplätze. Insgesamt

ergeben sich für die Region 466 Vollzeitarbeitsplätze im Jahr 2010.

Nicht-wissenschaftliches Personal (Angestellte, Arbeiter, Auszubildende): Hierzu

zählen die Beschäftigten aus Verwaltung, Sekretariat, vom technischen Dienst, vom

Bibliotheksdienst und Auszubildende. In dieser Gruppe beträgt die Teilzeitquote im Jahr

2010 ca. 37 Prozent. In der Region bestehen für diese Beschäftigtenkategorie 1.340

Arbeitsplätze

Wissenschaftliche/künstlerische Mitarbeiter, wissenschaftliche/studentische

Hilfskräfte: Diese Gruppe weist nach den Lehrbeauftragten den zweithöchsten Wert bei

Teilzeitstellen auf. Knapp die Hälfte aller Beschäftigten arbeitet in Teilzeit. Das ist unter

anderem auf die Gestaltung der Arbeitsverträge für wissenschaftliche Mitarbeiter

zurückzuführen, die in den meisten Fällen nur eine Teilzeitstelle erhalten und den Rest der

Zeit beispielsweise für ein Dissertationsvorhaben aufwenden. Insgesamt entsteht in dieser

Gruppe der größte Beschäftigungseffekt mit rund 53 Prozent (im Jahr 2010) aller in der

Region vorhandenen Vollzeitäquivalente.

(Externe) Lehrbeauftragte, Lehrkräfte für besondere Aufgaben, Dozenten,

Assistenten: Erwartungsgemäß ist in dieser Gruppe der Anteil an Teilzeitbeschäftigten

besonders hoch und beträgt im Jahr 2010 knapp 82,8 Prozent. Infolgedessen ergibt sich für

diese Gruppe die geringste Anzahl an Vollzeitäquivalenten mit 370 Arbeitsplätzen.

Insgesamt stieg die Anzahl der Beschäftigungsverhältnisse von 5.512 (2008) über 6.001 (2009)

auf 6.291 (2010) und damit in diesem Zeitraum um insgesamt 14,1 Prozent an. Zusammenfassend

illustriert Tabelle 9 die (steigende) Bedeutung der Hochschulen als Arbeitgeber für die Region.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

36

Tabelle 9: Beschäftigte der Kieler Hochschulen 2008 – 2010

Anzahl

Davon Vollzeit

Teilzeit-quote in Prozent

Vollzeit-äqu. UR

1)

2010

Professoren 497 497 0,0 % 466

wiss./künstl. Mitarbeiter oder Hilfskräfte

3.371 1.702 49,5% 2.414

Lehrbeauftragte 681 117 82,8% 370

nicht-wissenschaftliches Personal

1.742 1.090 37,4% 1.340

Gesamt 6.291 3.406 45,8% 4.590

2009

Professoren 520 519 0,2% 487

wiss./künstl. Mitarbeiter oder Hilfskräfte

3.139 1.557 50,4% 2.235

Lehrbeauftragte 652 118 81,9% 358

nicht-wissenschaftliches Personal

1.690 1.015 39,94% 1.279

Gesamt 6.001 3.209 46,53% 4.359

2008

Professoren 503 502 0,2% 471

wiss./künstl. Mitarbeiter oder Hilfskräfte

2.704 1.377 49,1% 1.943

Lehrbeauftragte 672 132 80,4% 374

nicht-wissenschaftliches Personal

1.633 910 44,3% 1.203

Gesamt 5.512 2.921 47,0% 3.991

Anmerkung: 1)

Diese Zahl der Vollzeitäquivalente gibt an, welche Beschäftigungseffekte durch die Hochschulen in der Untersuchungsregion ausgelöst werden. Dafür wird die die Gesamtzahl der Vollzeitäquivalente mit der Regionalquote (Anteil der Beschäftigten mit Wohnsitz in der Untersuchungsregion) multipliziert. UR: Wohnsitz in der Untersuchungsregion

Quelle: Eigene Berechnungen, IW Consult (2012); Daten: Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein (2010 bis 2012), Statistische Berichte B III 4; Dataport (2013).

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

37

2.6 Nachfrageeffekte und Drittmittel der Kieler Hochschulen

Die im vorhergehenden Teil beschriebenen Ausgaben der Kieler Hochschulen lösen direkte und

indirekte Nachfrageeffekte aus. Im Folgenden werden die Auswirkungen, welche die einzelnen

Ausgabenkategorien auf die Nachfrage in der Region haben, beschrieben.

2.6.1 Nachfrageffekte der Hochschulangehörigen

Neben dem direkten Beschäftigungseffekt wirken sich zudem die Ausgaben der

Hochschulbediensteten positiv auf die regionale Nachfrage aus. In welchem Ausmaß der Konsum

eines Hochschulangestellten in der Region wirkt, hängt von deren Wohnsitz ab. Anhand der von

Dataport gelieferten Informationen lässt sich bestimmen, wie hoch der Anteil der Angestellten der

Kieler Hochschulen ist, die in der Region wohnhaft sind.8 Dadurch können zwei Gruppen gebildet

werden: die der Hochschulangehörigen, die in der Region wohnhaft sind und diejenigen, die

außerhalb der Untersuchungsregion ihren Wohnsitz haben. In Anlehnung an Spehl et al. (2005)

nehmen wir einen regionalen Verbleib des Einkommens am Wohnort in Höhe von 80 Prozent an.

Basierend darauf gehen wir davon aus, dass 80 Prozent des Konsums der regional ansässigen

Beschäftigten in der Region verbleibt. Für die übrigen Hochschulangestellten wird in Anlehnung an

Blume und Fromm (2000) ein Wert in Höhe von 10 Prozent für den Verbleib des verfügbaren

Einkommens in der Region angenommen.

Gemäß dieser Definitionen und Annahmen ergibt sich insgesamt ein direkt regional wirksamer

Nachfrageeffekt aller Kieler Hochschulangestellten von knapp 59,7 Millionen Euro (Tabelle 10).

Davon werden etwa 57,6 Millionen Euro durch Hochschulangehörige mit Wohnsitz in der Region

ausgelöst, knapp 2 Millionen Euro werden durch Hochschulbeschäftigte, die außerhalb der

Untersuchungsregion wohnen, verursacht. Auch hier dominiert die Christian-Albrechts-Universität

aufgrund ihrer im Vergleich mit den anderen Hochschulen hohen Beschäftigtenzahl und damit

korreliert hohen Personalausgaben. Ihr Anteil macht ca. 84 Prozent aller durch die Ausgaben der

Hochschulangehörige ausgelösten Nachfrageeffekte aus.

8 Eine Unterscheidung nach Beschäftigungsgruppen ist jedoch nicht möglich.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

38

Tabelle 10: Direkte Nachfrageeffekte der Hochschulbediensteten 2011 in Tausend

Euro

CAU FH Muthesius Gesamt

regional wirksamer Nachfrageeffekt Angestellte UR

48.306 7.818 1.523 57.647

regional wirksamer Nachfrageeffekt Angestellte nUR

1.942 68 10 2.020

Direkter Nachfrageeffekt

50.247 7.886 1.533 59.666

Indirekter Nachfrageeffekt

11.979 1.880 365 14.224

Gesamteffekt 62.226 9.766 1.899 73.891

UR: Wohnsitz in der Untersuchungsregion nUR: nicht in der Untersuchungsregion wohnhaft

Quelle: Dataport (2012); CAU (2012); FH Kiel (2012); Muthesius (2012); eigene Berechnungen (2013), IW Consult.

Die Höhe des direkten Effekts der Personalausgaben zeigt, welche Bedeutung die Hochschulen

für die Region haben. Zwar werden die Hochschulen durch Bundes- und Landesmittel finanziert,

sie tragen aber auch über die durch sie gestärkte Nachfrage in der Region dazu bei, diese

unabhängiger von externen Konjunkturschwankungen zu machen. So fließt knapp ein Drittel der

Personalausgaben der Kieler Hochschulen direkt in den regionalen Wirtschaftskreislauf zurück und

sorgt auf diese Weise für zusätzliche Nachfrage.

Neben diesem direkten Nachfrageeffekt löst die Nachfrage der Hochschulangestellten aber auch

indirekte Nachfrageeffekte in der Region aus. Diese ergeben sich nach Anwendung des zuvor

berechneten keynesianischen Einkommensmultiplikators auf die direkten Nachfrageeffekte.9

Hieraus ergibt sich ein indirekter Nachfrageeffekt von knapp 14,2 Millionen Euro. Insgesamt

werden durch die Personalausgaben der Kieler Hochschulen und die damit einhergehenden

Konsumausgaben der Beschäftigten Nachfrageffekte von nahezu 74 Millionen Euro ausgelöst. Das

sind ca. 41 Prozent der von den Hochschulen getätigten Personalausgaben.

9 Beispiel: indirekter Nachfrageeffekt (73.890.632) = direkter Nachfrageeffekt (59.666.208) x Multiplikator (0,2384).

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

39

2.6.2 Nachfrageeffekte der Sach-, Bau- und Investitionsausgaben

Neben den Personalausgaben machen Sachausgaben einen weiteren großen Posten im Haushalt

der Hochschulen aus. Auf Grundlage der gelieferten Daten kann keine Regionalquote für die

Sachausgaben berechnet werden, daher wird eine Regionalquote von 61 Prozent angenommen.

Diese wurde von Blume und Fromm (2000) für die Gesamthochschule Kassel durch eine

Einteilung der Unternehmen, von denen Leistungen bezogen wurden, anhand der auf den

Rechnungen angegebenen Adressen nach Postleitzahlgebieten ermittelt. Auch für die anderen

beiden Ausgabengruppen lassen sich aufgrund der vorhandenen Datengrundlagen keine

Regionalquoten berechnen Daher wird auch dort aufgrund der Ähnlichkeit der

Untersuchungsräume auf die Studie aus Rheinland-Pfalz zurückgegriffen. Für die Bauausgaben

ergibt sich demnach ein regionaler Verbleib von 78 Prozent. Der regionale Verbleib der

Investitionsausgaben wird mit 61 Prozent angesetzt, da davon ausgegangen wird, dass

beispielsweise Ausgaben für Büroausstattung stärker außerhalb der Untersuchungsregion getätigt

werden.

Durch die Sachausgaben der Kieler Hochschulen entsteht in der Untersuchungsregion ein

Nachfrageeffekt von mehr als 40 Millionen Euro, wovon knapp 80 Prozent auf direkte

Nachfrageeffekte zurückzuführen sind (Tabelle 11). Durch die Bauausgaben wird in der Region ein

Nachfrageeffekt von über 30 Millionen Euro ausgelöst, wobei anzumerken ist, dass dieser

Ausgabenposten Schwankungen unterliegen kann (Tabelle 12). So können die Bauausgaben in

einem Jahr die des Vorjahres um ein Vielfaches übersteigen, falls beispielsweise eine

Neubaumaßnahme durchgeführt wird.10

Die Investitionsausgaben der Hochschulen führen zu regionalen Nachfrageeffekten in Höhe von

10,2 Millionen Euro (Tabelle 13). Am Beispiel der Investitionsausgaben wird deutlich, wie wichtig

der Anteil der Mittel ist, die in der Region verbleiben. Die Investitionsausgaben der

Fachhochschule Kiel betragen knapp 43 Prozent der Bauausgaben, ein Vergleich der direkten

Effekte der beiden Ausgabenkategorien zeigt aber, dass hier der Anteil der Investitionsausgaben

im Vergleich zu den Bauausgaben noch rund 33 Prozent beträgt.

10 Das zeigt sich am Beispiel der Muthesius Kunsthochschule. Die Bauausgaben für das Jahr 2011 betragen hier knapp

4,4 Millionen Euro gegenüber 0,5 Millionen Euro für 2010, daher wurde ein Durchschnittswert der Jahre 2009 und 2010 gebildet.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

40

Tabelle 11: Nachfrageeffekte der Sachausgaben der Kieler Hochschulen 2011 in

Euro

CAU FH Muthesius Gesamt

direkter Effekt Sachausgaben

28.982.467 2.597.879 826.126 32.406.472

indirekter Effekt Sachausgaben

6.909.420 619.334 196.948 7.725.703

Gesamteffekt 35.891.887 3.217.214 1.023.074 40.132.174

Quelle: CAU (2012); FH (2012); Muthesius (2012); eigene Berechnungen, IW Consult (2012).

Tabelle 12: Nachfrageeffekte der Bauausgaben der Kieler Hochschulen 2011 in Euro

CAU FH Muthesius Gesamt

direkter Effekt Bauausgaben

18.717.138 2.326.638 3.400.024 24.443.800

indirekter Effekt Bauausgaben

4.462.166 554.671 810.566 5.827.402

Gesamteffekt 23.179.303 2.881.309 4.210.590 30.271.202

Quelle: CAU (2012); FH (2012); Muthesius (2012); eigene Berechnungen, IW Consult (2012).

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

41

Tabelle 13: Nachfrageeffekte der Investitionsausgaben der Kieler Hochschulen 2011 in

Euro

CAU FH Muthesius Gesamt

direkter Effekt Investitionsausgaben

7.410.582 772.664 79.445 8.262.691

indirekter Effekt Investitionsausgaben

1.766.683 184.203 18.940 1.969.825

Gesamteffekt 9.177.265 956.868 98.384 10.232.516

Quelle: CAU (2012); FH (2012); Muthesius (2012); eigene Berechnungen, IW Consult (2012).

Diese Ergebnisse zeigen einerseits, dass die verschiedenen Ausgabenkategorien einen Effekt auf

die regionale Wirtschaft haben, andererseits aber auch, dass das Ausmaß des Effekts stark von

der Ausgabenstruktur der Hochschulen abhängig ist.

2.6.3 Nachfrageeffekte der Kieler Studierenden

Die Kieler Hochschulen tragen wesentlich zur Standortattraktivität der Region bei. Durch sie

werden Studierende aus anderen Teilen Deutschlands angezogen, die eventuell auch nach ihrem

Studium in der Untersuchungsregion bleiben und den dort ansässigen Unternehmen als

hochqualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Die Hochschulen tragen somit auch dazu bei,

dass die regionale Wirtschaft ausreichend mit Fachkräften versorgt wird. Tabelle 14 zeigt den

Zuzug aus Schleswig-Holstein, dem Rest Deutschlands und dem Ausland. Knapp 84 Prozent aller

Studierenden, die in die Untersuchungsregion ziehen, kommen nicht aus Schleswig-Holstein. Das

zeigt, dass es besonders wichtig ist, den Absolventen eine Perspektive in der Region zu bieten,

um so einen Umzug nach dem Abschluss des Studiums zu verhindern. Hier kann, beispielsweise

durch Praxiskontakte zu Unternehmen und regionale Angebote bereits während des Studiums, das

Interesse für einen Verbleib in der Region geweckt werden. Das ist vor allem vor dem Hintergrund

wichtig, dass das Bundesland Schleswig-Holstein einen negativen Wanderungssaldo bei

Studienanfängern von -15,6 Prozent aufweist.11

11 KMK (2011): Die Mobilität der Studienanfänger und Studierenden in Deutschland von 1980 bis 2009, Statistische

Veröffentlichungen der Kulturministerkonferenz, Dokumentation Nr. 191 – März 2011, S. 39 f.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

42

Tabelle 14: Wanderungssaldo in der Untersuchungsregion

Wintersemester 11/12

Zuzug aus: CAU FH Kiel1)

Muthesius1)

Gesamt

Schleswig-Holstein 2.070 811 58 2.938

Deutschland und dem Ausland 11.824 3.510 291 15.625

Gesamt 13.894 4.320 349 18.563

1)

Daten für FH Kiel und Muthesius teilweise geschätzt.

Quelle: CAU (2012); FH Kiel (2012); Muthesius (2012); eigene Berechnungen, IW Consult (2012).

Um die exakten Effekte, die durch die Ausgaben der Kieler Studierenden ausgelöst werden,

bestimmen zu können, werden die Studierenden anhand der von den Hochschulen gelieferten

Wohnorte typisiert12 und danach mithilfe von Daten aus der 19. Sozialerhebung des Deutschen

Studentenwerks deren Ausgaben bestimmt, sodass sich für die weitere Untersuchung vier Typen

von Studierenden ergeben:13

Regionalstudierende „heim“: Studierende, die vor dem Studium in der Region ansässig waren und bei den Eltern leben.

Regionalstudierende „auswärts“: Studierende, die vor dem Studium in der Region ansässig

waren und nicht bei den Eltern wohnen.

Pendler: Studierende, die einen Wohnsitz in Schleswig-Holstein

haben, aber nicht in der Untersuchungsregion wohnen.

Zugereiste: Studierende, die vor dem Studium einen Wohnsitz

außerhalb von Schleswig-Holstein hatten.

Dabei unterscheiden sich die einzelnen Typen von Studierenden bezüglich ihres Wohnorts vor und

während des Studiums sowie hinsichtlich ihrer Wohnsituation.

12 Die Werte der Fachhochschule Kiel werden teilweise, die der Kunsthochschule Muthesius komplett auf Basis der von

der Christian-Albrechts-Universität gelieferten Wohnorte der Studierenden geschätzt. 13

Vgl. Spehl, H. et al. (2005): Regionalwirtschaftliche Wirkungen der Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Rheinland Pfalz: Wertschöpfungs-, Einkommens- und Beschäftigungseffekte durch Bau und Betrieb der Einrichtungen, Langfassung, Trier, S. 30 ff.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

43

Tabelle 15: Studierende der Kieler Hochschulen nach Typisierung

Wintersemester 11/12

CAU FH Kiel Muthesius Gesamt

Regionalstudierende „auswärts“

7.857 1.901 188 9.945

Regionalstudierende „heim“

1.964 475 47 2.486

Pendler 2.718 610 60 3.389

Zugereiste 11.824 3.510 291 15.625

Gesamt 24.363 6.496 586 31.445

Quelle: CAU (2012); FH Kiel (2012); Muthesius Kunsthochschule (2012); eigene Berechnungen, IW Consult (2013).

Tabelle 15 zeigt die Verteilung der 31.445 Kieler Studierenden nach der Typisierung. Knapp

50 Prozent der Studierenden kommen aus Schleswig-Holstein, davon wohnen ca. 40 Prozent in

der Untersuchungsregion. Aus den die Untersuchungsregion umgebenden Landkreisen pendeln

knapp 10 Prozent der Studierenden ein, die restlichen 15.625 Studierenden kommen aus

Deutschland oder dem Ausland und sind aufgrund ihres Studiums in die Untersuchungsregion

gezogen.

Aus den unterschiedlichen Wohnsituationen, den Herkunftsorten sowie den aktuellen Wohnorten

lassen sich verschiedene Ausgabenprofile erstellen, um die Konsumausgaben der Studierenden in

der Region möglichst genau beziffern zu können. So bezahlen Pendler und Regionalstudierende,

die zu Hause wohnen, beispielsweise keine Miete. Außerdem fallen die Konsumausgaben für

Pendler und Zugereiste geringer aus, da diese nicht das ganze Jahr über in der

Untersuchungsregion verbleiben.14 Anhand der Typen von Studierenden und der Ausgabenprofile

lassen sich die direkten Nachfrageffekte und mittels des Multiplikators die indirekten

Nachfrageeffekte bestimmen.

14 Es wurde davon ausgegangen, dass Pendler oder Zugereiste sich zehn Monate in der Untersuchungsregion

aufhalten. Diese Zahl entspricht nicht der Vorlesungszeit, da während der Semesterferien beispielsweise Seminar- und Hausarbeiten anzufertigen sind. Damit fallen in der Region Konsumausgaben für zehn Monate und Mietausgaben für zwölf Monate an.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

44

Tabelle 16: Direkte und indirekte Ausgaben der Kieler Studierenden

Jahreswerte

direkte studentische Ausgaben

indirekte studentische Ausgaben

pro Studieren-

den (in Euro)

pro Studieren-dentyp (in Tsd. Euro)

pro Studieren-

den (in Euro)

pro Studieren- dentyp (in Tsd. Euro)

Regionalstudierende "heim"

5.730 14.247 1.366 3.396

Regionalstudierende "auswärts"

9.144 90.940 2.180 21.680

Pendler 797 2.700 190 644

Zugereiste 8.182 127.842 1.951 30.477

Gesamt Ø 5.963 235.728 Ø 1.422 56.198

Quelle: CAU (2012); FH Kiel (2012); Muthesius Kunsthochschule (2012); HIS (2010); Eigene Berechnungen, IW Consult (2013).

Tabelle 16 zeigt, dass die Ausgaben pro Studierenden für den Typus Regionalstudierende

„auswärts“ am höchsten sind, da dieser sich das ganze Jahr über in der Untersuchungsregion

aufhält und somit Konsum- und Mietausgaben gänzlich dort anfallen. Pendler hingegen haben die

geringsten Ausgaben in der Region je Studierenden, da diese keine Mietzahlungen in der Region

tätigen und auch nur ein geringer Teil ihrer Konsumausgaben in der Region wirksam wird.

Gemessen an der Höhe der direkten Effekte, die von einer Studierendenkategorie ausgehen, hat

die Gruppe der zugereisten Studierenden den größten Anteil (54,2 Prozent). Diese Zahl zeigt

wiederum, wie wichtig der Zuzug externer Studierender für die Region Kiel und ihre Bedeutung als

Hochschulstandort ist. Die Ausgaben der Studierenden der Region, die nicht zu Hause wohnen,

machen hingegen knapp 39 Prozent aus. Die hohen Ausgaben dieser beiden Gruppen entstehen

nicht nur dadurch, dass viele Studierende in einer der beiden Kategorien enthalten sind

(81 Prozent), sondern resultieren zu einem nicht unwesentlichen Teil aus den Mietausgaben, wie

sich an den Jahresausgaben der Studierenden ablesen lässt. Insgesamt ergibt sich daraus ein

regionaler Nachfrageeffekt von 291,9 Millionen Euro für die Untersuchungsregion.

2.6.4 Die Kieler Hochschulen und eingeworbene Drittmittel

Da an den meisten öffentlichen deutschen Hochschulen ein Mangel an Finanzierungsmitteln

herrscht, um Forschung und Lehre auf höchstem Niveau betreiben zu können, nutzen nahezu alle

Hochschulen Drittmittel als zusätzliche Finanzierungsquelle. Drittmittel können dabei sowohl aus

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

45

dem öffentlichen als auch aus dem privatwirtschaftlichen Raum stammen. Mit den eingeworbenen

Mitteln können die Hochschulen Auslandsaufenthalte von Forschenden und Studierenden

unterstützen, zusätzliche Arbeitsplätze schaffen oder die Bildungsinfrastruktur verbessern.

Bei der Höhe der eingeworbenen Drittmittel (Tabelle 17) zeigt sich vor allem bei der Christian-

Albrechts-Universität ein sehr positiver Trend. So konnten die Drittmitteleinnahmen im Jahr 2011

auf über 100 Millionen Euro gegenüber rund 50 Millionen Euro im Jahr 2005 verdoppelt werden.

Besonders wichtig für diese Entwicklung sind bei der Christian-Albrechts-Universität

Sonderforschungsgruppen, Exzellenzcluster und die Medizinische Fakultät.

Sonderforschungsbereiche und Exzellenzcluster sind dabei für ca. 24 Prozent aller eingeworbenen

Mittel verantwortlich, die Medizinische Fakultät für rund 30 Prozent. Klare Unterschiede lassen sich

hier in der Herkunft der Mittel erkennen: Während die Drittmittel für Sonderforschungsbereiche und

Exzellenzcluster komplett von der Deutschen Forschungsgemeinschaft bereitgestellt werden,

kommen die Mittel der Medizinischen Fakultät zu rund 38 Prozent von Wirtschaftsunternehmen

und Verbänden.15 Dieses Ergebnis zeigt, dass noch ausreichend Spielraum zu Akquirierung von

Drittmitteln vorhanden ist.

Tabelle 17: Einnahmen durch Drittmittel der Kieler Hochschulen

in Tausend Euro

2009 2010 2011

CAU 93.192 113.323 101.526

FH Kiel 9.674 9.580 8.900

Muthesius 199 755 328

Quelle: CAU (2012); FH Kiel (2012); Muthesius (2013).

2.7 Indirekte Beschäftigungseffekte der Kieler Hochschulen

Nachdem alle direkten und indirekten Nachfrageeffekte, die von den Kieler Hochschulen, ihren

Angestellten und ihren Studierenden ausgehen, ermittelt wurden, können im folgenden Schritt die

indirekten Arbeitsplatzeffekte ermittelt werden. Durch die von den zuvor genannten Gruppen

getätigten Ausgaben entstehen wiederum Arbeitsplätze in der Region. Um diesen indirekten

15 Vgl. Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (2012): Die Christian-Albrechts-Universität in Zahlen 2011, Kiel, Christian-

Albrechts-Universität, S. 22.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

46

Beschäftigungseffekt zu quantifizieren, muss zunächst ermittelt werden, wie viel

Bruttowertschöpfung durch die direkten und indirekten Nachfrageeffekte generiert wird. Da

aufgrund der eingeschränkten Datenverfügbarkeit keine eigene Ermittlung der Effekte möglich ist,

wird wiederum eine Annahme aus einer Untersuchung in Rheinland-Pfalz verwendet. In dieser

raumstrukturell ähnlichen Region wurde ermittelt, dass 1 Euro Umsatz 42 Cent

Bruttowertschöpfung erzeugt.16 Für die einzelnen Kreise und Städte der Untersuchungsregion lässt

sich die Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen berechnen. Demnach kann auch für die

Untersuchungsregion als Ganzes die Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen ermittelt werden: Sie

beträgt 50.173 Euro. Danach werden die indirekten Beschäftigungseffekte ermittelt, indem die

Bruttowertschöpfung der Nachfrageffekte durch die Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen dividiert

wird.

Tabelle 18: Indirekte Beschäftigungseffekte der Kieler Hochschulen

im Jahr 2011

Nachfrageeffekte

gesamt (Tsd. Euro)

Bruttowert-schöpfung der

Nachfrageeffekte (Tsd. Euro)

indirekter Beschäftigungs-

effekt

Ausgaben: Hochschul-beschäftigte

73.891 31.034 619

Sachausgaben 40.132 16.855 336

Bauausgaben 30.271 12.713 253

Investitions-ausgaben

10.233 4.298 86

Ausgaben: Studierende

291.926 122.609 2.444

Gesamt 446.453 187.510 3.738

Quelle: eigene Berechnungen, IW Consult (2013); vgl. Spehl, H. et al. (2005): Regionalwirtschaftliche Wirkungen der Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Rheinland Pfalz: Wertschöpfungs-, Einkommens- und Beschäftigungseffekte durch Bau und Betrieb der Einrichtungen, Langfassung, Trier.

Wie Tabelle 18 zeigt, werden durch die direkten und indirekten Ausgaben der Kieler Hochschulen

3.738 Arbeitsplätze geschaffen. Der größte Arbeitsplatzaufbau wird durch die Ausgaben der

Studierenden verursacht, die knapp zwei Drittel der geschaffenen Arbeitsplätze induzieren.

16 Vgl. Spehl, H. et al. (2005): Regionalwirtschaftliche Wirkungen der Hochschulen und Forschungseinrichtungen in

Rheinland Pfalz: Wertschöpfungs-, Einkommens- und Beschäftigungseffekte durch Bau und Betrieb der Einrichtungen, Langfassung, Trier, S. 54.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

47

Insgesamt werden je 1 Millionen Euro Umsatz ca. 8,4 Arbeitsplätze geschaffen. Eine Studie für die

Region München findet zum Vergleich einen Wert von ca. 9 Arbeitsplätzen pro 1 Millionen Euro

Nachfrageeffekt17, die Studie von Spehl et al. (2005) findet einen Wert von 7,6 Arbeitsplätzen. Die

Hochschule hat also über die direkten Arbeitsplatzeffekte hinaus eine positive Wirkung auf den

Arbeitsmarkt in der Untersuchungsregion.

2.8 Zusammenfassende Übersicht der Nachfrage- und Beschäftigungseffekte der

Kieler Hochschulen

Die vorangehende Analyse zeigt, wie wichtig die Kieler Hochschulen für die Untersuchungsregion

sind. Dabei werden hier lediglich die Nachfrageeffekte, die durch die Hochschulen, ihre

Angestellten und die Studierenden ausgelöst werden, untersucht. Ausgehend davon zeigt sich,

welchen Einfluss die Existenz der Hochschulen auf den Arbeitsmarkt in der Region hat. Dabei

lassen sich Arbeitsplätze unterscheiden, die direkt von den Hochschulen, z. B. durch die

Nachfrage von Lehrpersonal oder Verwaltungsangestellten, geschaffen werden und solchen, die

durch die Nachfrageeffekte der Hochschule ausgelöst werden.

Tabelle 19 zeigt, wie hoch die Nachfrageeffekte sind, die durch die Kieler Hochschulen ausgelöst

werden. Insgesamt werden im Jahr 2011 durch die Hochschulen Nachfrageeffekte in Höhe von

rund 446 Millionen Euro ausgelöst, die sich in direkte und indirekte Nachfrageeffekte unterteilen,

wobei die direkten Nachfrageeffekte für knapp 80 Prozent der Gesamtnachfrage verantwortlich

sind. Ein Vergleich dieser Nachfrageeffekte mit den Haushaltsmitteln der Kieler Hochschulen zeigt,

dass die durch sie ausgelösten Nachfrageffekte die Kosten übersteigen. So entsprechen die in

Tabelle 7 aufgeführten Ausgabenkategorien lediglich 62,6 Prozent der in der Region verursachten

Nachfrageeffekte.

17 Vgl. Bauer, E.-M. (1997): Die Hochschule als Wirtschaftsfaktor: Eine systemorientierte und empirische Analyse

universitätsbedingter Beschäftigungs-, Einkommens- und Informationseffekte – dargestellt am Beispiel der Ludwig-Maximilians-Universität München, in: Münchner Studien zur Sozial- und Wirtschaftsgeographie, Regensburg.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

48

Tabelle 19: Direkte und indirekte Nachfrageeffekte der Kieler Hochschulen im

Jahr 2011 in Tausend Euro

Direkt Indirekt Gesamt

Hochschulbeschäftigte 59.666 14.224 73.891

Sachausgaben 32.406 7.726 40.132

Bauausgaben 24.444 5.827 30.271

Investitionsausgaben 8.263 1.970 10.233

Studierende 235.728 56.198 291.926

Gesamt 360.507 85.945 446.453

Quelle: CAU (2012); FH Kiel (2012); Muthesius (2012); eigene Berechnungen, IW Consult (2013).

Die komplexe Struktur der direkten und indirekten Nachfrageeffekte ist in der Abbildung 3

nochmals schematisch dargestellt.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

49

Abbildung 3: Schematische Darstellung indirekter und direkter Nachfrageeffekte

Quelle: IW Consult (2013).

Einordnung der Nachfrageeffekte

Zur besseren Einordnung und Bewertung der Ergebnisse bietet sich eine relative Betrachtung zu

den staatlichen Aufwendungen bzw. zu den gesamten Hochschulausgaben an.

Nach Angaben der schleswig-holsteinischen Landesregierung18 liegt die Höhe der ausgezahlten

Finanzmittel (Globalbudget + Mittel aus dem Hochschulpakt) im Jahr 2011 für die drei Kieler

Hochschulen bei gut 189 Millionen Euro. Stellt man diese Summe den gesamten ermittelten

monetären Nachfrageeffekten gegenüber, ergibt sich ein Faktor von 2,36 auf die eingesetzten

Landesmittel. Das zeigt: Direkte staatliche Hochschulförderung lohnt sich für die Region.

Ein weiterer Ansatz zur Interpretation der Wirkung der Kieler Hochschulen besteht in der

Gegenüberstellung der Werte der gesamten ermittelten Nachfrageeffekte zu den

Hochschulausgaben.

18 Schleswig-Holsteinischer Landtag (2012): Bericht der Landesregierung – Bericht über die Entwicklungen im

Hochschulbereich der Zielvereinbarungsperiode 2009 bis 2013, Berichtszeitraum 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2011 (Halbzeitbewertung), Drucksache 18/407.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

50

Die Höhe der Ausgaben der Kieler Hochschulen beträgt im Untersuchungsjahr 2011

ca. 280 Millionen Euro. Stellt man diesen Ausgabenposten in Relation zu dem Wert der gesamten

Nachfrageeffekte, erhält man einen Faktor von 1,6 auf die Ausgaben der Hochschulen.

Die Bedeutung dieses Ergebnisses kann durch den Vergleich mit anderen Regionalstudien

eingeschätzt werden. Jedoch ist hier zu beachten, dass ein Vergleich nur bedingt möglich ist, da

Unterschiede bei der methodischen Vorgehensweise bestehen und sich die analysierten

Hochschulen und Hochschullandschaften in ihrer Größe unterscheiden. Dennoch sind in

Tabelle 20 einige wichtige Kennziffern von Vergleichsstudien einander gegenübergestellt.

Tabelle 20: Vergleichskennziffern

Berlin

19 Kiel Jena

20 Halle

21 Potsdam

22

Bezugsjahr 2011 2011 2006 1999/2000 2005

Multiplikator 1,24 1,14 1,54 1,16

Nachfrage-effekte

1.666.000 € 446.452 € 379.570 € 329.200 DM 143.828 €

Ausgaben der Hochschule

1.271.000 € 280.000 € 473.850 € 323.700 DM 87.973 €

Nachfrage-effekte/Aus-gaben

1,3 1,6 0,8 1,0 1,6

Anmerkungen: gerundete Werte. Angabe in Tausend Euro.

Quelle: IW Consult (2013).

Vergleicht man die Hochschulregion Kiel mit den herangezogenen Vergleichsstudien wird deutlich,

dass der Wert für Kiel als durchaus positiv bewertet werden kann, da die monetären

Nachfrageeffekte die Ausgaben der Hochschulen um 60 Prozent übersteigen. Damit liegt die

19 Vgl. DIW econ GmbH (2013): Berliner Universitäten als Wirtschaftsfaktor. Die regionalökonomischen Effekte der

Berliner Universitäten, Berlin. In dem Gutachten wurden keine Angaben über die Höhe des Multiplikators gemacht. 20

Vgl. Krähmer, C. / Stoetzer, M.-W. (2009): Die Nachfrageeffekte der Hochschulen in Jena: Eine regionalökonomische Analyse der Einkommens- und Beschäftigungswirkungen, Jena. 21

Vgl. Glorius, B. / Schultz, A. (2002): Die Martin-Luther-Universität als regionaler Wirtschaftsfaktor, in: Friedrich, K. / Thomi, W. (Hrsg.) (2002): Hallesche Diskussionsbeiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeographie, Heft 1, Institut für Geographie, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle, Selbstverlag des Instituts für Geographie. 22

Vgl. Knappe, S. (2006): Die Regionalwirksamkeit der Wissenschaftseinrichtungen in Potsdam: Eine empirische Analyse wissenschaftsbedingter Beschäftigungs-, Einkommens- und Informationseffekte, in: Heller, W. et al. (2006): Praxis Kultur- und Sozialgeographie, 40, Potsdam, Universitätsverlag.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

51

Wirkung der Hochschullandschaft in Kiel auf einem Niveau mit dem ermittelten Wert für Potsdam.

Für Berlin wird in einer aktuellen Studie ein Wert von 1,3 ermittelt und in Jena und Halle, werden

nur neutrale bzw. sogar negative Wirkungen ermittelt.

Die hier aufgeführten Kennziffern bestätigen nochmals die hohe Bedeutung der Kieler

Hochschulen für die Region.

Hinzu kommen die durch die Hochschulen entstandenen Arbeitsplätze in der Region. Insgesamt

entstehen in der Region über 8.300 Arbeitsplätze, wobei mehr als die Hälfte direkt an einer der

Hochschulen angesiedelt ist. Die restlichen ca. 3.738 Arbeitsplätze werden entweder durch

Ausgaben der Hochschule, der Hochschulbeschäftigten oder der Studierenden ausgelöst

(Tabelle 21). Anders ausgedrückt: Zu jedem direkten Arbeitsplatz kommt eine Dreiviertelstelle im

Wirtschaftskreislauf hinzu. Bei gut 340.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der

gesamten Untersuchungsregion, bzw. gut 106.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten am

Standort Kiel, wird durch die Hochschulen ein regional bedeutsamer Beschäftigungsanteil

induziert.

Die Hochschulen tragen also nicht nur dazu bei, geeignetes Personal für den Arbeitsmarkt

auszubilden, sie sorgen außerdem noch dafür, dass Arbeitsplätze in der Region entstehen.

Tabelle 21: Direkte und indirekte Beschäftigungseffekte der Kieler Hochschulen

Direkt Indirekt Gesamt

Hochschulbeschäftigte 4.590 619 5.209

Sachausgaben - 336 336

Bauausgaben - 253 253

Investitionsausgaben - 86 86

Studierende - 2.444 2.444

Gesamt 4.590 3.738 8.328

Quelle: CAU (2012); FH Kiel (2012); Muthesius (2012); eigene Berechnungen, IW Consult (2013).

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

52

3 Wissenstransfer in der Region

3.1 Einleitung

Die Beschäftigungs- und Nachfrageeffekte der Kieler Hochschulen aus Kapitel 2 zeigen die

Bedeutung, welche die Hochschulen für die Untersuchungsregion haben, schon deutlich auf. Sie

stellen jedoch nur einen Teilbereich der Wirkungen dar. Neben den rein wirtschaftlichen Effekten

gibt es noch weitere Effekte der Hochschulen für die Untersuchungsregion. Diese Effekte werden

im folgenden Kapitel untersucht.

Insbesondere wird dabei die Rolle des Wissenstransfers in die Region betrachtet. Dieser kann

zahlreiche Formen annehmen: von der direkten Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und

Hochschulen an Projekten über die Aus- und Weiterbildung von aktuellen und zukünftigen

Mitarbeitern bis hin zu Ausgründungen aus den Hochschulen in die regionale Wirtschaft. Neben

dem Kernbereich des Wissenstransfers füllen die Hochschulen aber auch noch einige andere

Rollen für die Region aus. Sie sind Imageträger und können internationale Aufmerksamkeit

generieren. So geben sie der Region ein Profil und erhöhen ihre Sichtbarkeit. Sie sorgen für

Vernetzung innerhalb der Region und können ihre überregionalen Kontakte gezielt in regionale

Netzwerke einbringen. Zur Analyse dieser Effekte werden neben der Literaturrecherche auch

Experteninterviews und eine Unternehmensbefragung herangezogen.

Infobox 3-1: Experteninterviews in der Region

Im Februar, März und April 2013 wurden insgesamt 21 Expertengespräche mit Vertretern

aus den Hochschulen, der Politik und Verwaltung in der Region durchgeführt. Für die

Experteninterviews wurde ein semi-strukturierter Ansatz gewählt. Dabei wurde zwar ein

grober Leitfaden für das Gespräch erstellt, es wurde jedoch genügend Freiraum

eingeräumt, um auch die weiteren Eindrücke des Gesprächspartners einzufangen und die

Einschätzung zur Lage der Region umfassender verstehen und abbilden zu können.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

53

Infobox 3-2: Unternehmensbefragung

Im Januar und Februar 2013 wurden insgesamt 980 Unternehmen der

Untersuchungsregion zu ihren Erfahrungen bzw. Erwartungen bezüglich der

Zusammenarbeit mit den Hochschulen am Standort Kiel befragt. Die Befragung richtete

sich sowohl an Unternehmen, die schon mit einer der drei Kieler Hochschulen

zusammengearbeitet haben oder dies derzeit tun, als auch an Unternehmen, für die eine

solche Zusammenarbeit, beispielsweise aufgrund ihres Geschäftsfeldes, grundsätzlich

infrage kommt.

Ein zweiter Schwerpunkt beleuchtete die aktuelle Situation bei der Fachkräfteversorgung

der regionalen Unternehmen.

Die Befragung wurde per Telefon von unserem Partner Umfragezentrum Bonn (uzBonn)

durchgeführt. Zur Befragung wurden durch die IHK zu Kiel Unternehmensadressen von

Unternehmen mit mehr als zehn Mitarbeitern zur Verfügung gestellt.

Im Folgenden werden zunächst die wichtigsten Wechselwirkungen von Hochschulen und

regionaler Wirtschaft kurz umrissen und aufgezeigt, wie diese in der Untersuchungsregion

funktionieren.

3.2 Die Kieler Hochschulen und die Region – Ein Überblick

In diesem Abschnitt sollen die wichtigsten regionalen Wechselwirkungen und mögliche Spill-over-

Effekte von Hochschulen kurz erläutert und für die Untersuchungsregion dargestellt werden.

Vernetzung der Hochschulen

Hochschulen sind in der Regel eng mit regionalen Partnern vernetzt, sowohl seitens der privaten

Wirtschaft als auch seitens der Verwaltungen und der öffentlichen Hand. Die Schnittstellen reichen

von der Teilnahme an Netzwerkveranstaltungen über die Kooperation mit

Forschungseinrichtungen bis hin zur gemeinsamen Durchführung von Projekten, z. B. im Bereich

Forschung und Entwicklung.

In der Untersuchungsregion ist zunächst das Kooperationsabkommen zwischen den drei Kieler

Hochschulen, der IHK zu Kiel und der Stadt Kiel hervorzuheben, das im Mai 2011 beschlossen

wurde. Ziel der Kooperation ist es, die bestehenden Netzwerke und Kooperationen zu nutzen, zu

stärken und auszubauen. Als Teil des Kooperationsabkommens wurde der gemeinsame

Ausschuss „Hochschule/Wirtschaft/Stadt“ ins Leben gerufen.

Während sich dieser mit Querschnittsthemen aller fünf Akteure beschäftigt und beispielsweise die

vorliegende Studie initiiert hat, setzen zahlreiche andere Institutionen und Veranstaltungen

Akzente bei der Vernetzung mit Wirtschaft, Stadt und Forschungseinrichtungen.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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Der Kieler Salon für Wirtschaft und Wissenschaft bietet vierteljährlich die Möglichkeit für die

regionale Wirtschaft, sich mit den Forschenden der Hochschulen auszutauschen. Es werden

anschauliche Best-Practice-Beispiele vorgestellt, die aufzeigen, wie erfolgreiche Zusammenarbeit

von Wissenschaft und Wirtschaft aussehen kann.

Forschung

Exzellente Forschung ist nicht nur Kernaufgabe von Hochschulen, sondern entscheidet auch über

deren Einfluss auf die Region. Alle drei Kieler Hochschulen zeichnen sich durch national und oft

auch international herausragende Leistungen aus. An der Christian-Albrechts-Universität sind

hierbei zuerst die Exzellenzcluster „Entzündung an Grenzflächen“ und „Ozean der Zukunft“ zu

nennen. Die Fachhochschule Kiel ist führend in klassischen Bereichen wie dem Schiff- und

Maschinenbau, aber auch bei immersiven Medien. Die Muthesius Kunsthochschule beteiligt sich

einerseits am Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“ und zeichnet sich anderseits durch eine sehr

interdisziplinäre und öffentlichkeitsorientierte Ausbildung aus.

Neben den Hochschulen finden sich in Kiel und Umgebung einige herausragende

Forschungseinrichtungen. Beispielhaft sind hier zu nennen:

GEOMAR – Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung,

Institut für Weltwirtschaft,

Leibniz Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik,

Max-Rubner-Institut,

Deutsche Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften (ZBW) – Leibniz-

Informationszentrum Wirtschaft.

Allen diesen Einrichtungen ist gemein, dass sie zur überregionalen Sichtbarkeit des

Wissenschaftsstandorts Kiel beitragen. Sie kooperieren sowohl mit den Hochschulen (oder sind

diesen als An-Institute angegliedert) als auch mit der regionalen und überregionalen Wirtschaft.

Zusammengefasst haben die Hochschulen und die ansässigen Forschungseinrichtungen

Leuchtturmfunktion für den Standort. Diese kann nur durch exzellente Forschung und

Spezialisierung am Standort gehalten und ausgebaut werden.

Wissenstransfer

Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft ist keine Einbahnstraße. Es geht dabei

vielmehr um den gegenseitigen Austausch von Wissen, bei dem beide Seiten profitieren. Ein

solcher Austausch von Wissen kann sowohl personengebunden als auch institutionengebunden

geschehen.

Den offensichtlichsten Faktor beim personengebundenen Wissenstransfer stellen die

Absolventen der Hochschulen dar, insbesondere wenn man es schafft, diese in der Region zu

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

55

halten und so das im Studium erlernte Wissen, das u. a. durch die Forschungsaktivitäten der

Hochschulen generiert wurde, für die Region nutzbar zu machen. Neben Absolventen bilden

Praktikanten, studentische Hilfskräfte und Studierende, die ihre Abschlussarbeiten (z. B. Bachelor-

oder Masterthesis) in Unternehmen schreiben, eine weitere Facette des personengebundenen

Wissenstransfers.

Institutionengebundener Wissenstransfer findet im Rahmen von gemeinsamen Forschungs-

und Entwicklungsprojekten statt. Diese werden sowohl von den Hochschulen als auch von den

Unternehmen angestoßen. Ein solcher Wissenstransfer kann aber auch über Publikationen oder

Patente geschehen. Den entscheidenden Faktor für die langfristige Entwicklung der regionalen

Wirtschaftsstruktur bildet jedoch der Wissenstransfer über (Aus-)Gründungen von

Hochschulmitarbeitern, Studierenden oder Absolventen in der Region. Durch solche Gründungen

kann langfristig auch die Wirtschaftsstruktur in Richtung der Forschungsschwerpunkte der

Hochschulen verändert werden.

Wirtschaftliche Aktivität

Ein Bereich, der nicht zum originären Aufgabengebiet der Hochschulen gehört und nicht zuletzt

deshalb auch noch heute relativ wenig entwickelt ist, ist die unternehmensorientierte

Dienstleistung. Grundsätzlich ist eine direkte wirtschaftliche Aktivität von Hochschulen – z. B. in

der Beratung – aufgrund der Finanzierung durch die öffentliche Hand kritisch zu bewerten.

Andererseits können diese Aktivitäten im Rahmen des Wissenstransfers hilfreich sein, um die

Praxisorientierung und den Austausch mit Unternehmen zu erhöhen.

3.3 Wissenstransfer durch Kooperation

3.3.1 Einleitung

Neben Literaturrecherche und Experteninterviews bildete eine Unternehmensbefragung in der

Untersuchungsregion den Kernbereich des ersten Aufbaumoduls. Sie konzentrierte sich auf

ausgewählte Bereiche der Wechselwirkungen zwischen Hochschulen und Region, die in Kapitel

3.2 dargestellt wurden. Das Augenmerk lag entsprechend der Zielgruppe der Befragung auf der

Kooperation zwischen Hochschulen und Wirtschaft in der Untersuchungsregion. Hierbei wurde

insbesondere der Punkt Wissenstransfer als der zentrale Baustein behandelt. Es wurden sowohl

Fragen zu Aspekten des personen- als auch des institutionengebunden Wissenstransfers gestellt.

An der Befragung nahmen insgesamt 980 Unternehmen aus der Untersuchungsregion teil. Die

Adressen wurden von der IHK zu Kiel gestellt und zufällig ausgewählt. Unternehmen mit weniger

als zehn Beschäftigten wurden nicht in der Stichprobe berücksichtigt. Die Befragung wurde als

Telefonbefragung durchgeführt. Im Fokus standen sowohl Unternehmen, die schon mit mindestens

einer der drei Hochschulen zusammenarbeiten oder zusammen gearbeitet haben, als auch

Unternehmen, die in ihrem Geschäftsbetrieb Potenzial für eine solche Zusammenarbeit sehen.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

56

3.3.2 Potenzial zur Zusammenarbeit in der Region

Von den befragten 980 Unternehmen geben 8,4 Prozent an, schon mit einer der drei Hochschulen

innerhalb der letzten drei Jahre zusammengearbeitet zu haben oder dies aktuell zu tun. Als

Zusammenarbeit wird in der gesamten Befragung mindestens eine gemeinsame Studienarbeit mit

einer der Hochschulen (z. B. Bachelor- oder Masterthesis) oder ein Dienstleistungsauftrag an eine

der Hochschulen verstanden.

Neben den 8,4 Prozent, die schon mit mindestens einer Hochschule zusammenarbeiten, geben

12 Prozent der Unternehmen an, in ihrem Geschäftsbetrieb Potenzial zur Zusammenarbeit zu

sehen. Das bedeutet, dass in der Region ein erhebliches Potenzial zum Ausbau der

Kooperationen zwischen Hochschulen und regionaler Wirtschaft vorhanden ist. Für jedes

Unternehmen, das schon Erfahrungen in der Zusammenarbeit hat, gibt es etwa 1,4 Unternehmen,

die für eine Zusammenarbeit infrage kommen (Abbildung 4).

Abbildung 4: Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Hochschulen in der Region

Quelle: Unternehmensbefragung, IW Consult (2013).

Die Unternehmen in der Untersuchungsregion, die innerhalb der letzten drei Jahre mindestens mit

einer der drei Hochschulen in Kiel kooperiert haben, arbeiten am wahrscheinlichsten mit der

Fachhochschule Kiel zusammen (Abbildung 5). Insgesamt 61 Prozent der befragten Unternehmen

in dieser Gruppe geben an, mit der Fachhochschule Kiel zusammenzuarbeiten bzw. innerhalb der

letzten drei Jahre zusammengearbeitet zu haben. Der Unterschied zur Christian-Albrechts-

Universität ist jedoch gering (56 Prozent). Die Muthesius Kunsthochschule bleibt hier

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

57

erwartungsgemäß hinter den beiden anderen Hochschulen zurück, da sie von ihrer künstlerischen

Ausrichtung für die meisten Unternehmen nicht als primärer Kooperationspartner infrage kommt.23

Für die in einem späteren Abschnitt behandelte Kultur- und Kreativwirtschaft (KuK) ist die

Muthesius Kunsthochschule jedoch von besonderer Bedeutung. Sie prägt mit ihrer Ausrichtung in

diesem Bereich die regionale Wirtschaft.

Abbildung 5: Mit wem arbeiten die Unternehmen zusammen?

1)

Abbildung 6: Wer kommt für eine Zusammenarbeit infrage?2)

Anmerkungen: 1)

Bezogen auf Unternehmen mit Zusammenarbeit, Mehrfachantworten möglich. 2)

Bezogen auf Unternehmen mit Potenzial zur Zusammenarbeit, keine Mehrfachantworten q möglich; 26 Prozent „weiß nicht/unsicher“. Angaben in Prozent. Quelle: Unternehmensbefragung, IW Consult (2013).

23 In den weiteren Befragungsergebnissen kommt die Muthesius Kunsthochschule aufgrund der geringen Fallzahlen

teilweise nicht vor.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

58

Bei der Frage, welche der Kieler Hochschulen einen potenziellen Kooperationspartner für die

Unternehmen darstellt (Abbildung 6), schneidet die Christian-Albrechts-Universität am besten ab.

Knapp 41 Prozent der Befragten nennen die Christian-Albrechts-Universität als potenziellen

Kooperationspartner, 32 Prozent die Fachhochschule Kiel und 4 Prozent die Muthesius

Kunsthochschule.24 26 Prozent der Unternehmen geben an, dass sie nicht wüssten, welche

Hochschule für eine Kooperation in Frage kommt. Dieses Ergebnis ist ein Hinweis darauf, dass die

Sichtbarkeit und Wahrnehmung in der Region noch ausbaufähig ist.

Insgesamt wird deutlich, dass für beide Kieler Hochschulen noch erhebliche Möglichkeiten zur

Intensivierung ihrer Unternehmenskooperationen bestehen.

3.3.3 Projekte und Forschung

Auf den ersten Blick erscheint eine Intensivierung dieser Zusammenarbeit mit der regionalen

Wirtschaft besonders im Rahmen von gemeinsamen Forschungs- und Entwicklungsprojekten

wünschenswert. Den Wissenstransfer betreffend sind die Wechselwirkungen hier besonders

ausgeprägt. Ebenso können für die Hochschulen hier notwendige Drittmittel angeworben werden.

Was das Einwerben von Drittmitteln angeht, ist die Christian-Albrechts-Universität die

erfolgreichste der drei hier betrachteten Hochschulen. Laut dem Bericht der Landesregierung25

kann sie bezogen auf die wissenschaftlichen Mitarbeiter pro Kopf im Jahr 58.247 Euro

verausgaben. Die Fachhochschule Kiel verzeichnet dafür 14.167 Euro und die Muthesius

Kunsthochschule 11.070 Euro pro Kopf. Bei allen drei Hochschulen am Standort Kiel steigen die

Drittmittel in den Jahren 2009 bis 2011 teilweise deutlich an.

Die Christian-Albrechts-Universität ist zwar herausragend in Bezug auf das Anwerben von

Drittmitteln, doch kommen diese zum allergrößten Teil nicht aus der Region. Nach Angaben der

Hochschule stammen ca. 95 Prozent der Drittmittel von privaten Unternehmen aus einem Radius

von mehr als 500 Kilometern. Diese Situation kann sich realistisch betrachtet mittel- bis langfristig

nicht ändern. Bei der Fachhochschule Kiel lässt der relevante und steigende Anteil der Mittel, die

über das Forschungs- und Entwicklungszentrum eingeworben werden, erahnen, dass anteilig

deutlich mehr Mittel aus der Region stammen. Ebenso wird die Fachhochschule Kiel in der

Unternehmensbefragung sowie bei den Expertengesprächen als deutlich aktiverer Partner als das

Unternehmen vor Ort herausgestellt.

Obwohl sich die Bewertungen der Unternehmen, die schon mit einer der beiden Hochschulen

zusammenarbeiten oder zusammengearbeitet haben, nicht grundlegend unterscheiden, sollte für

die Fachhochschule Kiel doch die Beziehung zur regionalen Wirtschaft deutlich stärker im Fokus

24 Frage bezogen auf die Unternehmen ohne Zusammenarbeit; Mehrfachantworten nicht möglich.

25 Schleswig-Holsteinischer Landtag (2012): Bericht der Landesregierung – Bericht über die Entwicklungen im

Hochschulbereich der Zielvereinbarungsperiode 2009 bis 2013, Berichtszeitraum 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2011 (Halbzeitbewertung), Drucksache 18/407.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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des Interesses stehen als für die Christian-Albrechts-Universität. Ihre Rolle in der Region ist vor

allem durch die Exzellenzcluster geprägt. Diese sollten auch weiterhin gestärkt werden und als

Ausgangspunkt für den regionalen und überregionalen Wissenstransfer dienen.

3.3.4 Bewertung der Zusammenarbeit in der Region

Praxisorientierung und gegenseitiges Verständnis sind für eine erfolgreiche Zusammenarbeit

zwischen Wirtschaft und Wissenschaft entscheidend. Darüber sind sich alle Experten in den in der

Region geführten Gesprächen einig. Genauso einig sind sie sich jedoch auch in ihrer

Einschätzung, dass genau dies häufig nicht so richtig funktioniert. Zielsetzungen, Vorstellungen

und Handlungsspielräume der beteiligten Partner unterscheiden sich oft deutlich. Die genannten

Problemstellungen innerhalb von Projekten spiegeln sich nur zum Teil in der

Unternehmensbefragung wider. Gefragt nach ihrer Einschätzung der Praxisorientierung, geben die

Unternehmen durchweg positive Einschätzungen. Für die Christian-Albrechts-Universität bewerten

58 Prozent der Unternehmen die Praxisorientierung als stark oder sehr stark.26 Die

Fachhochschule Kiel erreicht bei dieser Frage nochmals leicht bessere Werte, so schätzen hier

64 Prozent der Unternehmen Praxisorientierung als stark oder sehr stark ein.27

Um gezielt Verbesserungspotenziale in der Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft in

der Region aufzudecken, reicht diese allgemeine Einschätzung jedoch nicht aus. Es bedarf einer

detaillierten Analyse der einzelnen Teilaspekte der Zusammenarbeit von Unternehmen mit

Hochschulen. Die nachfolgenden Auswertungen bieten einen Einblick in die Einschätzungen der

Unternehmen, die innerhalb der letzten drei Jahre zumindest mit einer Hochschule

zusammengearbeitet haben, bezüglich der einzelnen Teilaspekte dieser Zusammenarbeit.

Die Art und Weise der Kontaktaufnahme entscheidet in zahlreichen Fällen über das Gelingen des

gemeinsamen Projekts. Diese Meinung teilen die befragten Experten einhellig. Bestehende

persönliche Kontakte werden von den Experten, die zumeist sehr gut in die regionalen Netzwerke

eingebunden sind, als der primäre Weg zur Projektanbahnung genannt. Die

Unternehmensbefragung bestätigt diesen Eindruck zum großen Teil (siehe Abbildung 7).

Insbesondere bei Unternehmen, die mit der Fachhochschule Kiel zusammenarbeiten, geht diese

Zusammenarbeit in mehr als einem Drittel der Fälle auf bestehende persönliche Kontakte zurück.

Das spricht für eine gute Einbindung der Fachhochschule Kiel in die regionalen Netzwerke, kann

aber gleichzeitig dazu führen, dass Unternehmen, die nicht so aktiv in diesen Netzwerken vertreten

sind, sich nicht für eine Kontaktaufnahme entscheiden. Im Fall der Christian-Albrechts-Universität

geht nur knapp jede vierte Zusammenarbeit auf solche persönlichen Kontakte zurück.

26 Stark: 38 Prozent; sehr stark: 20 Prozent.

27 Stark: 40 Prozent; sehr stark: 24 Prozent.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

60

Abbildung 7: Beginn der Zusammenarbeit

Anmerkungen: Angaben in Prozent; Unternehmen mit Zusammenarbeit.

Quelle: Unternehmensbefragung, IW Consult (2013).

Ein weiteres Hauptergebnis dieser Fragestellung ist die Rolle, die Studierende bei der

Kontaktanbahnung spielen. Immerhin in 36 Prozent (Fachhochschule Kiel) respektive rund

24 Prozent (Christian-Albrechts-Universität) der Fälle wurde die Zusammenarbeit durch eine

studentische Hilfskraft28 initiiert. Im Gegensatz zur Fachhochschule Kiel zeigt sich die Christian-

Albrechts-Universität aktiver, was das Herantreten an Unternehmen in der Region betrifft.

Immerhin gut jede fünfte Zusammenarbeit entstand aus dem aktiven Herantreten der Christian-

Albrechts-Universität an ein Unternehmen in der Region. Netzwerk-Events und direkte Anfragen

bei den Hochschulen spielen dagegen eine eher untergeordnete Rolle in der Region.

In Abbildung 8 werden die Formen der Zusammenarbeit zwischen regionaler Wirtschaft und den

Hochschulen am Standort näher aufgeschlüsselt. Hierbei lassen sich wesentliche Unterschiede

zwischen den Hochschulen erkennen. Während bei der Fachhochschule Kiel eindeutig

Studienabschlussarbeiten und die Beschäftigung von Praktikanten und studentischen Hilfskräften

im Vordergrund stehen, erfolgt die Zusammenarbeit zwischen der Christian-Albrechts-Universität

und den Unternehmen in der Region vor allem in Form von Forschungs- und

Entwicklungsprojekten.

28 Als studentische Hilfskräfte sind im Folgenden Studierende gemeint, die neben ihrem Studium als Hilfskräfte in

überwiegend auf ihren Studienschwerpunkt ausgerichteten Unternehmen arbeiten.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

61

Die Gründe für die unterschiedliche Verteilung der Zusammenarbeitsformen liegen dabei auf der

Hand. Während Praxissemester oder praxisnahe Abschlussarbeiten ein wesentlicher Bestandteil

des Studiums an einer Fachhochschule sind, ist eine Praxistätigkeit bei den meisten Hochschulen

im Studienverlaufsplan nicht oder nur auf freiwilliger Basis vorgesehen.

Abbildung 8: Art der Zusammenarbeit

Anmerkung: Angaben in Prozent, Mehrfachantworten möglich; Unternehmen mit Zusammenarbeit.

Quelle: Unternehmensbefragung, IW Consult (2013).

Trotz der wichtigen Rolle, die studentische Hilfskräfte für die Unternehmen der Region

offensichtlich spielen, ist festzustellen, dass nur gut die Hälfte der befragten Unternehmen sagen

kann, von welcher der regionalen Hochschulen diese stammen (siehe Abbildung 9). Demnach

besteht für die Hochschulen in diesem Bereich Handlungsbedarf, um ihre Sichtbarkeit und die ihrer

Studierenden zu erhöhen.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

62

Abbildung 9: Beschäftigung von Studierenden und deren Herkunft

Anmerkung: Angaben in Prozent; Unternehmen mit Zusammenarbeit.

Quelle: Unternehmensbefragung, IW Consult (2013).

Zur Bewertung der Zusammenarbeit wurden zwei grundlegende Arten von Zusammenarbeit

zwischen Wirtschaft und Wissenschaft unterschieden: (1) Personalbereich (studentische

Hilfskräfte, Praktikanten, Weiterbildung von Mitarbeitern) und (2) Projektbereich

(Abschlussarbeiten, Forschungs- und Entwicklungsprojekte, Dienstleistungsaufträge). Insgesamt

zeigen sich die befragten Unternehmen mit der Qualität der Zusammenarbeit in beiden Bereichen

sehr zufrieden (siehe Tabelle 22).

Die Christian-Albrechts-Universität schneidet dabei in der Gesamtbewertung des Projektbereichs

besser ab, während die Fachhochschule Kiel ihre Stärken eher im Personalbereich hat. Dies

spiegelt die Verhältnisse bei der Art der Zusammenarbeit wider, wobei projektorientiertes Arbeiten

bei der Christian-Albrechts-Universität dominiert. Betrachtet man die Einzelbewertungen für

bestimmte Projekt- bzw. Personalaspekte, so setzt sich die insgesamt positive Wahrnehmung,

welche die Unternehmen von den Hochschulen, mit denen sie zusammenarbeiten, haben, weiter

fort. Der einzige Punkt, bei dem sich ein leicht negativeres Bild ergibt, ist der Verwaltungsaufwand,

der im Rahmen von Kooperationen zu leisten ist. Dies wird auch durch die Expertengespräche

sowohl seitens der Hochschulen als auch der Unternehmen bestätigt.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

63

Tabelle 22: Bewertung der Zusammenarbeit mit CAU und FH Kiel

Bereich CAU FH Kiel

gut sehr gut gut sehr gut

Gesamtbewertung Projekte

29 50 37 37

Gesamtbewertung Personal

39 28 60 30

Einzelbewertungen

Umfang des Verwaltungsaufwands

51 19 56 21

Reaktionszeit der Hochschule

27 32 42 23

Termintreue 38 41 47 30

Kommunikation im Projekt 32 38 54 28

Einigkeit bei Zielsetzung 41 35 54 28

Verwertungsrechte der Ergebnisse

30 22 40 23

Qualität der Ergebnisse 41 35 44 30

Praktische Nutzbarkeit 32 32 26 42

Anmerkung: Angaben in Prozent.

Quelle: IW Consult (2013).

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Unternehmen, die schon mit mindestens einer der

ansässigen Hochschulen zusammenarbeiten oder dies innerhalb der vergangenen drei Jahre

getan haben, insgesamt sehr zufrieden mit der Leistung der Hochschulen am Standort sind. Um

jedoch die Potenziale der Region zur Zusammenarbeit voll auszuschöpfen – immerhin gibt es für

jedes Unternehmen, das schon eine Zusammenarbeit hat, 1,4 Unternehmen, die potenziell mit

einer der Hochschulen zusammenarbeiten könnten – muss auch die Außensicht auf die

Hochschulen verstanden werden.

Das folgende Kapitel befasst sich mit dem Eindruck, den Unternehmen aus der Region haben, die

noch nicht mit diesen kooperieren, obwohl ihr Geschäftsmodell dazu die Möglichkeit eröffnen

würde.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

64

3.3.5 Die Außensicht auf Kooperationen mit den Kieler Hochschulen

Hochschulen sind Leuchttürme für ihre Regionen. Sie stehen im Licht der Öffentlichkeit. Somit fällt

es Unternehmen leicht, sich ein Bild über die verschiedenen Hochschulen eines Standorts zu

machen. Ebenso können sie Eindrücke gewinnen, indem sie sich in Netzwerken mit anderen

Unternehmen ihrer Branche oder Region über ihre Erfahrungen austauschen. Um die Potenziale,

die in der Region zur Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft vorhanden sind, zu

heben, ist es notwendig, genau diese Eindrücke zu sammeln, um mit geeigneten Maßnahmen

darauf reagieren zu können.

Wie oben schon dargestellt, wurden die Unternehmen, für die eine Zusammenarbeit mit einer

Hochschule zumindest grundsätzlich in Frage kommt, zunächst gefragt, mit welcher der drei

Hochschulen sie sich vorstellen könnten, zu kooperieren. Hier ist eindeutig die Christian-Albrechts-

Universität der Favorit der Unternehmen (siehe Abbildung 6). Die Gründe dafür liegen vermutlich

zum Teil auch in der (über-)regionalen Bekanntheit der Christian-Albrechts-Universität und weniger

in der Passgenauigkeit der Angebote für die regionale Wirtschaft.

Aus den Expertengesprächen geht hervor, dass die Praxisorientierung der Hochschulen eines der

Kriterien – wenn nicht sogar das entscheidende Kriterium – ist, das überhaupt zu einer

Entscheidung für eine Zusammenarbeit führt. Ist die Bewertung der Praxisorientierung der Kieler

Hochschulen aus Erfahrung in der Zusammenarbeit insgesamt positiv (siehe oben), zeigt sich bei

der Bewertung aus Sicht der Unternehmen, die nur einen Eindruck von außen haben, ein anderes

Bild (siehe Tabelle 23). Gerade knapp ein Viertel der befragten Unternehmen schätzt die

Praxisorientierung der Christian-Albrechts-Universität als gut oder sehr gut ein. Bei der Muthesius

Kunsthochschule sind es gar nur 13 Prozent. Einzig die Fachhochschule Kiel schneidet mit einem

Ergebnis von 45 Prozent bei der positiven Außenwahrnehmung der Praxisorientierung gut ab. Zum

Teil mag dieses Ergebnis durch die Prägung der Fachhochschulen in Deutschland getrieben sein,

die per se als praxisorientierter wahrgenommen werden als Universitäten oder Kunsthochschulen.

Insgesamt spricht es jedoch für eine gute und unternehmensnahe Außendarstellung der

Fachhochschule Kiel sowie für eine gefühlte „Zugänglichkeit“. Beide Punkte werden in den

Expertengesprächen bestätigt.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

65

Tabelle 23: Einschätzung der Praxisorientierung von CAU, FH Kiel und Muthesius

Kunsthochschule

CAU FH Kiel Muthesius

gut sehr gut gut sehr gut gut sehr gut

20 4 34 11 10 3

Anmerkung: Angaben in Prozent; Unternehmen ohne Zusammenarbeit.

Quelle: Unternehmensbefragung, IW Consult (2013).

Ausgehend von den Ergebnissen zur Kontaktaufnahme, die oben dargestellt wurden, ist es für die

Hochschulen am Standort entscheidend, persönliche Kontakte zu regional ansässigen

Unternehmen zu entwickeln. Diese stellen den relevantesten Weg hin zu einer Kooperation dar.

Dies wird sowohl in den Expertengesprächen als auch in der Befragung bestätigt. Die Ergebnisse

für die Unternehmen mit Potenzial für eine Zusammenarbeit machen den Handlungsbedarf in der

Region deutlich. Insgesamt 62 Prozent dieser Unternehmen geben an, keine persönlichen

Kontakte zu einer der Kieler Hochschulen zu haben.

Die Wege, auf denen sich Unternehmen der Region vorstellen können, mit einer der drei

Hochschulen zusammenzuarbeiten, tendieren ganz klar in Richtung Einbindung von

studentischem Personal. Dieser Zugang birgt für die Unternehmen ein geringes Risiko und

ermöglicht es ihnen, gegebenenfalls schon früh geeignete Fachkräfte an sich zu binden. Hier gibt

es also noch Potenzial zur Intensivierung der Zusammenarbeit. Insgesamt können sich 72 Prozent

vorstellen, Praktikanten zu beschäftigen, 68 Prozent können sich vorstellen, bei der Erstellung von

Bachelorarbeiten zu kooperieren.29 Lediglich 23 Prozent sehen hingegen Möglichkeiten für

gemeinsame Forschungs- und Entwicklungsprojekte (siehe Abbildung 10).

29 Diplomarbeiten: 52 Prozent, Masterarbeiten: 48 Prozent.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

66

Abbildung 10: Art der möglichen Kooperation

Anmerkung: Angaben in Prozent.

Quelle: Unternehmensbefragung, IW Consult (2013).

Außer zur Art einer möglichen Zusammenarbeit wurden die Unternehmen auch zu den

Teilaspekten befragt, die sie für besonders relevant bei der Entscheidung bezüglich einer

Zusammenarbeit mit einer Hochschule erachten (siehe Tabelle 24). Im Vordergrund stehen hier für

die befragten Unternehmen demnach die Einigkeit über die Zielsetzung des Projekts, die

praktische Nutzbarkeit der Ergebnisse sowie deren Qualität. Im Umkehrschluss bedeutet dies,

dass die Hochschulen – und hier insbesondere die Christian-Albrechts-Universität – die

Wahrnehmung ihrer Praxisorientierung und der Praxisrelevanz in der Region verbessern müssen,

um die Zusammenarbeit mit der regionalen Wirtschaft intensiveren zu können.

Hierin ist aber vor allem eine Kommunikationsaufgabe zu sehen und keine generelle Kritik an der

Ausrichtung der Hochschulen. Insbesondere für die Christian-Albrechts-Universität ist es von

herausragender Bedeutung in ihren Forschungsfeldern auf nationalem und internationalem Niveau

zu agieren. Wenn es dann auf diesem Niveau gelingt, den Wissenstransfer in die regionale

Wirtschaft zu verstärken, wäre dies von hoher Bedeutung für den wirtschaftsstrukturellen Wandel.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

67

Tabelle 24: Relevanz von Teilaspekten der Zusammenarbeit von Wirtschaft und

Wissenschaft

Teilaspekte

Relevanz

eher relevant sehr relevant

Verwaltungsaufwand 31 44

Reaktionszeit der Hochschule

46 29

Termintreue 35 49

Kommunikation im Projekt 39 51

Einigkeit über die Zielsetzung des Projekts

20 70

Verwertungsrechte der Ergebnisse

35 38

Qualität der Ergebnisse 25 69

Praktische Nutzbarkeit der Ergebnisse

22 70

Anmerkung: Angaben in Prozent, die Kategorien „weniger relevant“ und „gar nicht relevant“ wurden nicht dargestellt.

Quelle: Unternehmensbefragung, IW Consult (2013).

Zusammengefasst ist das Bild, wie die Kieler Hochschulen von außen wahrgenommen werden, ein

geteiltes. Während die Fachhochschule Kiel mit einer positiven Praxisorientierung punkten kann,

die auch ein maßgebliches Entscheidungskriterium für Unternehmen mit dem Wunsch nach einer

Kooperation darstellt, haben die Christian-Albrechts-Universität und die Muthesius

Kunsthochschule in diesem Bereich noch signifikanten Aufholbedarf in Bezug auf die

Kommunikation der Praxisrelevanz ihrer Arbeiten. Ein vielversprechender Weg, die Sichtbarkeit

der Hochschulen zu erhöhen und auch ihre Praxistauglichkeit unter Beweis zu stellen, ist die

verstärkte Zusammenarbeit über studentische Hilfskräfte und Praktikanten. Studierende stellen die

hochqualifizierten Fachkräfte der Zukunft. Sie in der Region zu halten, ist eine der zentralen

Aufgaben erfolgreicher Regionalpolitik im Zuge des demografischen Wandels, der schon binnen

der nächsten zehn Jahre voll zum Tragen kommen wird. Insofern bieten solche Studierenden nicht

nur die Gelegenheit, den Wissenstransfer in der Region zu stärken, sondern auch die

Fachkräfteversorgung für die Region mittel- und langfristig zu sichern. Deshalb beschäftigt sich

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

68

auch der letzte Teil der Unternehmensbefragung mit dem Thema Fachkräfte. Dies wird im

folgenden Kapitel näher behandelt.

3.4 Wissenstransfer durch Köpfe

Personengebundener Wissenstransfer findet schon durch die Beschäftigung von Praktikanten und

studentischen Hilfskräften in Unternehmen der Untersuchungsregion statt. Diese

Beschäftigungsverhältnisse legen auch oft den Grundstein für weitere Kooperationen zwischen

den Unternehmen und den ansässigen Hochschulen (siehe 3.3.4). Langfristige Wirkung in die

Region über personengebundenen Wissenstransfer wird jedoch hauptsächlich erzielt durch die

Beschäftigung von Studierenden der regionalen Hochschulen in Unternehmen. Neben dem

Wissenstransfer tragen solche Beschäftigungsverhältnisse zur Sicherung des Fachkräftebedarfs

innerhalb der Region bei und mildern die Effekte des demografischen Wandels.

Deshalb fokussiert ein Teil der durchgeführten Unternehmensbefragung auf die Relevanz der

Kieler Hochschulen für die ansässigen Unternehmen bezüglich der Deckung ihres

Fachkräftebedarfs (siehe Tabelle 25). Es zeigt sich, dass die Auswirkungen des demografischen

Wandels bereits in der Region zu spüren sind. Die befragten Unternehmen haben, abgesehen von

der Rekrutierung von Auszubildenden, im Schnitt mehr Rekrutierungsprobleme als die

Vergleichsgruppe aller deutschen Unternehmen aus dem IW-Personalpanel. Besonders

gravierende Probleme gibt es bei der Gewinnung von Mitarbeitern mit abgeschlossener

Ausbildung. Bei der Rekrutierung von Mitarbeitern mit Hochschulabschluss geben 37,5 Prozent

der Unternehmen in der Untersuchungsregion an, Probleme zu haben, darunter 9,1 Prozent, die

sogar große Probleme haben, geeignete Mitarbeiter mit Hochschulabschluss zu finden.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

69

Tabelle 25: Rekrutierungsprobleme in der Untersuchungsregion im Vergleich

Mitarbeitergruppe Rekrutierungsprobleme Deutschland Kiel

Auszubildende

Ja, große Probleme 7,4 8,6

Ja, geringe bis mittlere Probleme 22,9 23,9

Nein, keine Probleme 12,9 32,0

Nicht relevant 56,8 35,5

Summe 100,0 100,0

mit abgeschlossener Berufsausbildung

Ja, große Probleme 15,8 18,3

Ja, geringe bis mittlere Probleme 26,4 43,1

Nein, keine Probleme 17,1 26,4

Nicht relevant 40,7 12,2

Summe 100,0 100,0

mit Fortbildungs-abschluss

Ja, große Probleme 4,9 8,8

Ja, geringe bis mittlere Probleme 10,9 25,3

Nein, keine Probleme 6,2 21,1

Nicht relevant 78,0 44,8

Summe 100,0 100,0

mit Hochschul-abschluss

Ja, große Probleme 7,1 9,1

Ja, geringe bis mittlere Probleme 13,0 28,4

Nein, keine Probleme 9,7 22,8

Nicht relevant 70,3 39,6

Summe 100,0 100,0

Anmerkung: Angaben in Prozent; Deutschlandwerte aus dem IW-Personalpanel; Werte für die Untersuchungsregion aus der Unternehmensbefragung in der Region N = 200; bezogen auf das zurückliegende Jahr.

Quelle: IW Consult (2013).

Die Rolle, die die Kieler Hochschulen bei der Deckung des Fachkräftebedarfs in den Unternehmen

der Region spielen, hängt maßgeblich davon ab, ob ein Unternehmen schon mit einer der

Hochschulen zusammenarbeitet (siehe Abbildung 11). Unter den Unternehmen mit

Zusammenarbeit geben 23,2 Prozent an, dass die Hochschulen für sie sehr relevant für die

Deckung ihres Fachkräftebedarfs sind. Weitere 29, 3 Prozent dieser Unternehmen sehen immer

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

70

noch eine gewisse Relevanz der Kieler Hochschulen. In der Vergleichsgruppe ohne

Zusammenarbeit sind es nur 6,8 respektive 16,1 Prozent.

Abbildung 11: Relevanz der Kieler Hochschulen zur Deckung des Fachkräftebedarfs

bei Unternehmen der Untersuchungsregion mit und ohne Zusammenarbeit mit einer

der Hochschulen

Anmerkung: Angaben in Prozent.

Quelle: Unternehmensbefragung, IW Consult (2013).

Unternehmen, die schon Erfahrung in der Zusammenarbeit mit einer der Kieler Hochschulen

haben, vertrauen also eher auf diese, wenn es darum geht, junge Akademiker zu rekrutieren. Wie

sich in der Analyse der Art der Zusammenarbeit zeigt, handelt es sich hier wohl auch oft um die

Einbindung von studentischen Hilfskräften, Praktikanten oder Studierenden, die eine

Abschlussarbeit für das Unternehmen anfertigen. Dies gibt Unternehmen die Gelegenheit, sich mit

den zukünftigen Absolventen vertraut zu machen. Mehr noch zeigt es aber Studierenden

Möglichkeiten auf, die eine Arbeitsstelle in der Region bietet.

Zur Förderung der Kontaktanbahnung zwischen Studierenden und Unternehmen entwickelte der

Campus Business Box e. V. „StuJo“, eine Internetplattform, die Studierende mit regionalen

Unternehmen vernetzt. Deren Ziel ist es, die Bekanntheit der regionalen Unternehmen zu stärken,

um somit ein effizienteres Matching zwischen offenen Stellen und dem studentischen

Fachkräfteangebot zu erreichen, indem Studierende der Kieler Hochschulen Informationen über

regionale Stellenausschreibungen durch das Netzwerk erhalten. Die Angebote reichen von

Praktikums- und Traineeplätzen, Projekten und Abschlussarbeiten bis hin zu Festanstellungen.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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Die Plattform bietet Unternehmen aus der Region die Möglichkeit, ihr Unternehmen sowie ihre

Angebote gegen einen jährlichen Beitrag vorzustellen und Studierende zu Veranstaltungen

einzuladen. Das Netzwerk finanziert sich also aus den Mitgliedsbeiträgen der Unternehmen.

Neben der Vermittlung von Stellenangeboten werden mögliche Überschüsse verwendet, um

Praxisfortbildungen für Studierende zu organisieren sowie um die Kontakte zwischen Studierenden

und Unternehmen zu stärken. Unterstützt wird das Portal von regionalen Partnern, wie vom

Studentenwerk, von der Christian-Albrechts-Universität und der Fachhochschule Kiel, der

Landeshauptstadt Kiel, vom Wissenschaftszentrum Kiel sowie von den Wirtschaftsförderern der

Agentur für Arbeit der Region.

Außerdem führt die Kieler Wirtschaftsförderungs- und Strukturentwicklungs GmbH (KiWi GmbH)

jährlich das Transferforum durch. Im Rahmen dieser Veranstaltung wird über mögliche Partner,

Kooperationsformen, Erfolgsfaktoren und Fördermöglichkeiten informiert. Daneben werden

Fördermöglichkeiten für Unternehmen aufgezeigt. Die KiWi GmbH unterstützt den Wissenstransfer

demnach mit dem Ziel, Unternehmen, Lehre und Forschung zu vernetzen und Innovationen und

Produktentwicklungen voranzutreiben.

Zusammenfassend sind die Kieler Hochschulen also schon heute ein wichtiger Standortfaktor,

bezüglich der Sicherung des Fachkräftebedarfs in der Region. Daneben ist der

personengebundene Wissenstransfer ein wichtiger Teilaspekt des Strukturwandels und der

Steigerung der Innovationskraft der bestehenden Unternehmen in der Region. Wenn die weiteren

Potenziale zur Zusammenarbeit mit Unternehmen genutzt werden, kann sich die hier dargestellte

Relevanz noch deutlich erhöhen. Insbesondere müssen dazu unternehmerisches Denken und die

Entwicklung innovativer Lösungen in die akademische Ausbildung eingebunden werden. Eine

solche Einbindung kann auch dazu führen, dass die Gründungskultur, die heute nach Aussagen

der befragten Experten noch unzureichend ist, ausgebaut werden kann. Durch Ausgründungen

von Studierenden wie auch Mitarbeitern lässt sich eine weitere Facette des personengebundenen

Wissenstransfers in die Region realisieren. Der Status der Gründungskultur in der

Untersuchungsregion soll im folgenden Abschnitt näher beleuchtet werden.

3.5 Gründer und Gründungen

An den Hochschulen in Kiel wurden in den letzten Jahren zahlreiche Initiativen zur Förderung der

Gründungskultur am Standort gestartet.

Campus Business Box e. V.

Der Campus Business Box e. V. ist ein von Studierenden, Hochschulprofessoren und

Unternehmern gegründeter gemeinnütziger Verein. Dessen Ziel ist die Verbindung von praktischer

Erfahrung mit dem akademischen Hochschulumfeld, die Unterstützung von interdisziplinärer

Teamarbeit, die Stärkung der sozialen Verantwortung sowie die Festigung einer Innovationskultur.

Für die Erreichung dieses Ziels wurden diverse Projekte und Initiativen initiiert.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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Beispielsweise werden Studierende durch die Subpartnerschaft im EU-Projekt „User-Driven

Innovation“ über Projekte und Workshops an das Thema Gründung und Innovation herangeführt.

Die Kernidee des Kooperationsprojekts der Christian-Albrechts-Universität, des

Wissenschaftszentrums Kiel sowie des International Business Colleges und Business Kolding

besteht darin, zusammen mit regionalen Unternehmen bedürfnisorientierte Produkte,

Dienstleistungen und Prozesse zu entwickeln. Zudem wurde das Netzwerk „SPICE“ (Student

Program for Innovation Culture and Entrepreneurship) gegründet, welches Unternehmen,

Studierende und Hochschulen aus dem deutsch-dänischem Raum zusammenführt, um durch

Wissenstransfer die Gründungskultur und das Innovationspotenzial an Hochschulen zu stärken. Zu

weiteren Initiativen des Campus Business Box e. V. zählen der Aufbau des Karriereportals „StuJo“

und die Gründung der Initiative „starterkitchen.de“.

Starterkitchen.de

Die Initiative zur Förderung von Unternehmergeist und Gründungskultur an den Kieler

Hochschulen „starterkitchen.de“ wurde Mitte des Jahres 2012 gegründet, um Studierende bei ihren

Gründungsvorhaben zu unterstützen. Die Unterstützung der Studierenden in der

Vorgründungsphase reicht von der Entwicklung der Geschäftsidee über die Auswahl der

Geschäftsmodelle bis hin zur Suche nach Geschäftspartnern und zur Finanzierung. Hierfür finden

Veranstaltungen wie Workshops, Weiterbildungsveranstaltungen, Ideenwettbewerbe oder

Stammtische statt, bei denen gründungsinteressierte Studierende praktische Tipps und Know-how

für die Gründung ihres Start-ups erhalten. Beispielhaft zu nennen ist hier die „Prototyping Week“,

bei der Studierende die Möglichkeit haben, in interdisziplinären Teams eine Geschäftsidee zu

entwickeln und für diese innerhalb einer Woche ein marktreifes Konzept zu erarbeiten.

Neben den Aktivitäten für den Kreis der Studierenden möchte „starterkitchen.de“ die Vernetzung

aller Kieler Gründungsaktivitäten vorantreiben.

Changemaker Netzwerk Kiel

Das „Changemaker Netzwerk Kiel“ unterstützt Studierende der Kieler Hochschulen bei ihren

Gründungsvorhaben. Der Fokus des Netzwerks liegt auf der Unterstützung von Studierenden, die

mit ihrer Geschäftsidee einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft leisten

können.

Im ersten Schritt werden die Studierenden in einem „Changemaker Curriculum“ mit der Konzeption

und Planung von sozialen Projekten vertraut gemacht. Die Studierenden setzen sich mit Strategien

von Social Entrepreneurship auseinander und lernen, wie gesellschaftliche Herausforderungen

durch unternehmerische Handlungen gelöst werden können. Anschließend werden in Teamarbeit

Konzepte für eigene Changeprojekte erarbeitet, die bei dem „YooWeeDoo Ideenwettbewerb“

vorgestellt werden können. Die Gewinner des Ideenwettbewerbs erhalten Startkapital für die

Umsetzung ihrer Projekte.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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Im zweiten Schritt können die Gewinnerteams am Workshop und Mentorenprogramm des

Netzwerks teilnehmen, bei denen sie Unterstützung und Know-how in Bezug auf Projekt- und

Teammanagement erhalten. Parallel dazu haben die Teilnehmer sechs Monate Zeit um ihre

Projekte zu realisieren.

Entrepreneurs' Innovation Summer School (EISS)

Bei der „Entrepreneurs' Innovation Summer School“ wird Wissenschaftlern im Rahmen eines

praxisnahen Intensiv-Workshops das notwendige betriebswirtschaftliche Know-how für eine

erfolgreiche Umsetzung ihrer Geschäftsideen vermittelt. Der Fokus des Workshops liegt auf der

Unterstützung der Gründer in der Vorgründungsphase, beispielsweise bei der Finanzplanung, der

Investorensuche oder beim Aufbau von Kundenbeziehungen. Neben einer breiten

Grundlagenschulung und praxisnahen Vorträgen erhält jeder Teilnehmer eine individuelle

Betreuung zu seinem eigenen Projekt.

Nach dem Workshop haben die Teilnehmer die Möglichkeit, ihr Projekt im Rahmen des Kieler

Gründungspraktikums weiter auszubauen. Hierbei werden sie von den Mitarbeitern des Lehrstuhls

für Gründungs- und Innovationsmanagement betreut.

Die letzte „Entrepreneurs' Innovation Summer School“ wurde im Jahr 2011 im Rahmen des

Förderprogramms „EXIST III“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie als

Teilprojekt von „L@INC®“ durchgeführt. Der Termin für den nächsten Workshop steht jedoch noch

nicht fest und befindet sich in Planung.

Ideenwettbewerb Schleswig-Holstein

Der Ideenwettbewerb Schleswig-Holstein wurde von Hochschulen und Forschungseinrichtungen

initiiert um die Gründung von Start-ups zu fördern. Der letzte Wettbewerb fand 2012 zum fünften

Mal statt und wurde von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, der Technologietransfer

Schleswig-Holstein GmbH und WTSH-Wirtschaftsförderung organisiert. Unterstützt wurde der

Wettbewerb mit den Landesmitteln Schleswig-Holsteins im Rahmen des EFRE-Seed- und StartUp-

Fonds Schleswig-Holstein sowie durch die Schirmherrschaft von Reinhard Meyer, Minister für

Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie des Landes Schleswig-Holstein. Der Wettbewerb

richtet sich an kreative Köpfe mit zukunftsweisenden und innovativen Ideen aus Hochschulen und

Forschungseinrichtungen, die marktfähig sind und sich in Schleswig-Holstein umsetzen lassen. Die

Gewinner des Wettbewerbs haben die Chance auf Gründerstipendien oder Finanzierungen durch

den StartUp-Fonds Schleswig-Holstein oder den EFRE-Seed. Zudem erhalten die Teilnehmer

Zugang zu einem starken Netzwerk.

Trotz dieser Initiativen wird die Gründungskultur an den Kieler Hochschulen von allen befragten

Experten als durchweg schwach eingeschätzt, obwohl alle Experten ebenso einhellig der Meinung

sind, dass es erhebliches Potenzial in diesem Bereich des Wissenstransfers gibt. Darüber hinaus

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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erscheint diese Art des Wissenstransfers in die Region aufgrund ihrer Langzeitwirkung besonders

relevant. Durch Ausgründungen können die Forschungsschwerpunkte von Hochschulen mittel- bis

langfristig genutzt werden, um die Wirtschaftsstruktur einer Region nachhaltig zu verändern.

Nähert sich die regionale Wirtschaftsstruktur mit hochschulnahen Unternehmen den

Forschungsschwerpunkten der Universitäten am Standort an, so entsteht auch mehr Nachfrage für

regionale Kooperationen und die Möglichkeit zu weiterem Wissensaustausch. Langfristig können

so starke Technologiecluster entstehen.

Grundsätzlich liegt die Gründungsintensität30 in der gesamten Untersuchungsregion über dem

deutschen Durchschnitt. Dies bedeutet, dass die Defizite bei den akademischen Gründungen

angegangen werden können, da die Umgebung für Gründungen generell geeignet zu sein scheint.

Die Kieler Hochschulen bieten dabei bereits Unterstützung bei der Gründung eines eigenen

Unternehmens an, diese Bemühungen können aber noch weiter intensiviert werden. Die

genannten Initiativen bieten dafür eine geeignete Grundlage. Zur Etablierung einer wirklichen

Gründungskultur ist es aber von großer Bedeutung, dass diese Angebote kontinuierlich angeboten

werden und sich so etablieren können und angenommen werden.

Wie eine Hochschule ihre Studierenden ganzheitlich bei der Gründung eines Unternehmens

unterstützen kann, lässt sich am Beispiel der Technischen Universität Berlin anschaulich

darstellen. Diese Förderungen sind aber mit einem nicht unerheblichen Ressourcenaufwand

verbunden. So wird das Gründungszentrum der Technischen Universität Berlin im Rahmen des

„EXIST IV“-Programms mit mehreren Millionen Euro gefördert.

30 Gründungsintensität = Anzahl der Neugründungen pro 10.000 Erwerbstätigen. Die Kennzahl umfasst akademische

und nichtakademische Gründungen.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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Infobox 3-3: Technische Universität Berlin: Zentrum für Entrepreneurship

Organisation:

Zusammenarbeit des Lehrstuhls für Entrepreneurship und Innovationsmanagement und

dem Gründungsservice der Technischen Universität Berlin

Bereiche:

Start-ups & Inspiration: Bereitstellung von Räumlichkeiten für Gründer sowohl auf dem Campus (Gründungswerkstatt) als auch in den einzelnen Fakultäten (Gründungsinseln)

Consultation & Support: Unter anderem Unterstützung bei der Erstellung von Businessplänen und der Beantragung von Fördermitteln

Education: Kurse und Studiengänge zum Thema Entrepreneurship sowie Ringvorlesungen und Workshops

Research: Aktuelle Forschung zum Thema Unternehmensgründung

Beschreibung/Bewertung:

Durch die Verbindung von Forschung und Praxis ergibt sich für die Studierenden die

Möglichkeit, sich bereits während des Studiums das nötige Know-how für eine

Unternehmensgründung anzueignen. Für die Forschenden ermöglicht diese

Organisationsform im Gegenzug einen direkten Zugang zu ihrem Forschungsobjekt,

sodass aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung direkt in die Praxis übertragen werden

können.

Ein weiteres Problem beim Übergang zwischen Hochschule und Wirtschaft ist die Finanzierung der

Geschäftsidee. Zwar gibt es eine Vielzahl an öffentlichen Förderprogrammen, die Gründer

finanziell unterstützen, dennoch decken knapp zwei Drittel aller Gründer ihren Finanzbedarf durch

Eigenmittel.31 Problematisch bei der Finanzierung von Neugründungen aus der Hochschule ist,

dass Studierende noch keine langfristige Erwerbshistorie aufweisen können und daher beim

Aufbau eines Unternehmens entweder auf öffentliche Mittel oder auf finanzielle Unterstützung von

Verwandten und Bekannten angewiesen sind. Alternative Finanzierungsformen wie Venture-

Capital für junge Unternehmen sind in Deutschland selten eine Alternative, da sie hier nicht so

stark ausgeprägt sind wie in den angelsächsischen Ländern. Ein Bundesländervergleich zeigt

zudem, dass Schleswig-Holstein – gemessen an den investierten Venture-Capital-Mitteln – einen

der hinteren Plätze belegt (siehe Abbildung 12). Dagegen vereinigen die ersten drei Bundesländer

60 Prozent aller investierten Mittel auf sich. In diesen Bundesländern befinden sich zudem sieben

der elf im Rahmen der Exzellenzinitiative geförderten Universitäten. Die Beispiele Hessen und

Rheinland-Pfalz zeigen hingegen, dass die Investitionsentscheidungen der Kapitalgesellschaften

31 KfW Bankengruppe (2012): Kfw Gründungsmonitor 2012: Boom auf dem Arbeitsmarkt dämpft Gründungsaktivität –

Jährliche Analyse von Struktur und Dynamik des Gründungsgeschehens in Deutschland, Frankfurt a. M., S. 7.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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nicht nur von exzellenter Forschung und Lehre in einem Bundesland abhängig sind, sondern auch

von anderen Faktoren. Eine Plattform zum Austausch zwischen Unternehmensgründern und

Kapitalgebern verringert beispielsweise die Suchkosten für die Kapitalgeber.

Abbildung 12: Venture-Capital in Deutschland: Verteilung der investierten Mittel

Anmerkung: Angaben in Prozent.

Quelle: Bundesverband Deutsche Kapitalbeteiligungsgesellschaften (2013): Das Jahr in Zahlen 2012, Berlin.

Die Hochschulen können zur Stärkung der Gründungskultur beitragen, indem sie solche

Plattformen zum Austausch bereitstellen. Das Potenzial für eine größere Anzahl von

Neugründungen aus den Kieler Hochschulen ist durchaus vorhanden, an der Christian-Albrechts-

Universität aufgrund ihrer Exzellenzcluster und an der Fachhochschule Kiel aufgrund ihrer Stärke

in der anwendungsorientierten Forschung. Venture-Capital eignet sich zur Neugründung von

Unternehmen aus der Muthesius Kunsthochschule wegen deren spezieller Konzentration auf

künstlerische und gestalterische Studiengänge nur bedingt. Aber auch hier gibt es speziell auf die

Bedürfnisse der Kultur- und Kreativwirtschaft zugeschnittene Lösungen. Hier haben sich vor allem

Venture-Capital-Gesellschaften etabliert, die sich als Instrument der Wirtschaftsförderung aus

öffentlichen Mitteln bedienen.32 Daneben fehlt es Gründern oft am nötigen Know-how und an

32 Beispiele hierfür sind Programme der NRW Bank.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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unternehmerischem Denken. Potenzielle Gründer benötigten deshalb besondere Unterstützung.

Hierfür stellt beispielsweise die Investitionsbank Schleswig-Holstein sogenannte „Förderlotsen“

bereit, die Existenzgründern eine kostenlose Businessplanberatung anbieten oder sie unter

anderem über Förder- und Finanzierungsmöglichkeiten von Land, Bund und EU informieren. Eine

weitere Möglichkeit zur Deckung des Finanzbedarfs bei Neugründungen bietet die

Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Schleswig Holstein mbH. Diese stellt Existenzgründern

Eigenkapital bereit und begleitet Unternehmen bei der Finanzierung durch High-Tech

Gründerfonds.

Die Unterstützung von Ausgründungen scheitert an allen Kieler Hochschulstandorten oft an

mangelnden Ressourcen. Daneben fehlt es an Anreizen für die Universitäten, sich in diesem

Bereich stärker zu engagieren, da die regionale Wirtschaftsförderung nicht in ihr originäres

Aufgabengebiet fällt. Auch wenn dies im Rahmen des Hochschulgesetzes richtig ist, sollte es

jedoch im Interesse der Hochschulen sein, mehr unternehmerisches Denken in ihre Forschung

und Lehre zu integrieren und entsprechende Anreizsysteme zu schaffen. Denn erstens können

Ausgründungen mittel- bis langfristig für nachhaltigen Strukturwandel in der Region sorgen, der die

Universitäten in ihren Stärken weiter unterstützt, da sie von Drittmitteln und vom Austausch

profitieren. Zweitens sind neben Entrepreneurs in der heutigen Wirtschaft und Lehre auch immer

mehr Intrapreneurs gefragt, die innerhalb bestehender Strukturen fähig sind, neue Denkansätze zu

verfolgen und Ideen durchzusetzen.

3.6 Fazit

Die bisherige Analyse des Hochschulstandorts Kiel soll hier kurz in einer SWOT-Analyse (siehe

Abbildung 13) zusammengeführt werden, um die Formulierung eines Strategiekonzepts im

folgenden Kapitel vorzubereiten. Zunächst hat die Analyse im ersten Modul dieser Studie die

wirtschaftliche Bedeutung der Kieler Hochschulen herausgestellt. Zusammen stehen die Kieler

Hochschulen für rund 8.300 Beschäftigte in der Region und sorgen für einen Umsatz von

446 Millionen Euro. Damit sind sie schon an sich ein sehr entscheidender Wirtschaftsfaktor in der

Region. Die weiterführende Analyse des Wissenstransfers hat ergeben, dass derzeit etwas über

8 Prozent der befragten Unternehmen33 in der Untersuchungsregion mit zumindest einer der drei

Hochschulen in den letzten drei Jahren zusammengearbeitet haben oder dies aktuell tun. Es zeigt

sich aber auch, dass es noch ganz erhebliches Potenzial zur Erweiterung des

Wissenstransfers in der Region gibt. Rund 12 Prozent der befragten Unternehmen in der Region

sehen Potenzial zur Zusammenarbeit mit einer der Hochschulen. Sie stellen eine wichtige Chance

für den Wissenschaftsstandort Kiel dar.

Dabei zeigten Unternehmensbefragung und Expertengespräche ganz klar, dass funktionierende

Kooperationen mit der regionalen Wirtschaft zu den Stärken der Kieler Hochschulen gehören.

Praktisch alle Unternehmen, die Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit einer der Hochschulen

33 IHK Mitgliedsunternehmen mit mehr als 10 Mitarbeitern

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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haben, zeigten sich damit enorm zufrieden. Ebenso ist die Exzellenz in der Forschung eine klare

Stärke der Hochschulen am Standort. Sie schaffen es, die Region national und international zu

repräsentieren und als Leuchtturm zu wirken. Jedoch zeigte sich in den Expertengesprächen

ebenfalls, dass es ein Mismatch gibt zwischen den Forschungsschwerpunkten der Hochschulen

am Standort und der regionalen Wirtschaft. Insbesondere trifft dies auf die Christian-Albrechts-

Universität zu. Deshalb kommen für die Christian-Albrechts-Universität kaum Unternehmen aus

der Untersuchungsregion als Kooperationspartner in Sachen Forschungs- und

Entwicklungsprojekte in Frage. Eine Anpassung der Forschungsstrukturen an die breit

aufgefächerte Wirtschaftsstruktur der Region wäre aber wenig zielführend. Eher das Gegenteil ist

der Fall: Die Christian-Albrechts-Universität, aber auch die Fachhochschule Kiel und die Muthesius

Kunsthochschule müssen weiterhin ihre ganz spezifischen Stärken ausbauen. Nur so kann

langfristig der regionale Strukturwandel angestoßen und ein Mehrwert für die Region erzielt

werden.

Um einen solchen Strukturwandel anzustoßen, muss der mangelnden Gründungskultur am

Standort von den Hochschulen, der Stadt und der Wirtschaftsförderung begegnet und bessere

Entfaltungsmöglichkeiten geschaffen werden. Eine aktive Förderung des unternehmerischen

Denkens bereits während des Studiums kann helfen, Studierende für eine eigene Gründung zu

begeistern, deren Wissen für den Standort nutzbar zu machen und langfristig einen nachhaltigen

Strukturwandel anzuregen. Hierzu müssen zunächst klare Positionen bezogen und entsprechende

Ressourcen geschaffen werden. Dies gilt ebenfalls für den identifizierten Schwachpunkt bei der

Administration des Wissenstransfers in anderen Bereichen, wie bei der Organisation von

Kooperationen oder der Vermittlung von Studierenden als Praktikanten und Hilfskräfte oder zum

Verfassen einer Abschlussarbeit. Hier wurde vor allem die Reaktionszeit und die unklare Struktur

der Ansprechpartner von den Unternehmen am Standort bemängelt. Davon ausgenommen wurde

die Fachhochschule Kiel, bei der über die Forschungs- und Entwicklungszentrum Fachhochschule

Kiel GmbH die meisten Wissenstransferleistungen in gemeinsamen Projekten schnell und

unbürokratisch erbracht werden.

Die notwendigen Finanzmittel für eine solche Förderung zu finden, ist aufgrund der aktuellen

Haushaltslage Schleswig-Holsteins nicht einfach. In diesem Punkt ist in absehbarer Zeit auch

wenig Änderung zu erwarten, und somit ist er als Risiko für die Entwicklung des

Hochschulstandorts einzustufen. Darüber hinaus bedrohen die immer internationaler werdende

Konkurrenz um die besten Köpfe sowie öffentliche und private Projektmittel den Standort. Auch

aus diesem Grund muss weiterhin die Exzellenz in der Forschung der Kieler Hochschulen

vorangetrieben werden. Ebenso sind im internationalen Wettbewerb der Forschung nationale

Restriktionen und teilweise selbst auferlegte politische Einschränkungen der Forschung nur

schwer vermittelbar bzw. für den langfristigen Erfolg hinderlich.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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Abbildung 13: SWOT-Analyse des Hochschulstandorts Kiel

Exzellenz in der Forschung

funktionierende Kooperationen

große regionale Bedeutung

Mismatch mit regionaler Wirtschaftsstruktur

mangelnde Gründungskultur am Standort

Administration des Wissenstransfers

Stärken Schwächen

Chancen Risiken

vorhandene Wissensinfrastruktur

steigender Fachkräftebedarf in der Region

Einbindung von Absolventen

Gründungspotenzial aus Forschung

Anreizstrukturen

erhebliches Potenzial zur Erweiterung des Wissenstransfers in der Region

öffentliche Finanzen

Konkurrenz durch andere Hochschulen um Mittel und Köpfe

politische Restriktionen der Forschung

Risiken

Trotz der bekannten Risiken sind die Aussichten für den Hochschulstandort insgesamt positiv zu

bewerten, wenn die zahlreichen Chancen, die innerhalb der hier vorliegenden Analyse identifiziert

wurden, genutzt werden können. Hier ist zunächst die vorhandene Wissensinfrastruktur zu

nennen. Sie besteht aus einer Vielzahl von Instituten und Fördergesellschaften, die in der

Einführung zu diesem Kapitel näher geschildert wurden. Auch wenn diese noch besser

miteinander vernetzt werden könnten, besteht hier doch enormes Potenzial, um einen Mehrwert für

die Region schaffen zu können. Ebenso bietet die exzellente Forschung am Standort ein

erhebliches Potenzial für Neugründungen. Genauso, wie für die übrigen Arten des

Wissenstransfers sind hierfür aber passgenaue Anreizsysteme zu finden und zu schaffen.

Solche Anreizsysteme wären aufgrund des hohen und bisher nicht genutzten Potenzials zur

Zusammenarbeit in der Region sinnvoll und wichtig. Einerseits ist noch ein großes Potenzial von

Unternehmen für eine Kooperation vorhanden. Andererseits wird der Fachkräftebedarf in der

Region aufgrund des demografischen Wandels in den kommenden Jahren deutlich ansteigen. Um

Absolventen besser auf die Belange der regionalen Wirtschaft abzustimmen, wäre es sinnvoll, die

Schwerpunkte der Lehre einer ausführlicheren Analyse zu unterziehen. Ziel muss es sein,

möglichst viele der jungen, zugereisten und nach dem Abschluss gut ausgebildeten Menschen in

der Region zu halten. Dabei kann mittel- bis langfristig auch die Einbindung von Absolventen

helfen.

Quelle: IW Consult (2013).

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

80

3.7 Strategiekonzept

Das hier vorgeschlagene Strategiekonzept hat das Ziel, die identifizierten Schwächen zu

beseitigen und die Chancen, die sich dem Hochschulstandort Kiel bieten, nutzbar zu machen.

Hierzu baut das Konzept auf vier maßgeblichen Säulen auf:

- Sichtbarkeit des Hochschulstandorts und der Kooperation von Hochschulen, Stadt und

IHK zu Kiel ausbauen und erhöhen,

- Aus- und Aufbau der Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein zum

Wissenstransferzentrum,

- Förderung der Gründungskultur am Standort und Einrichten einer zentralen

Koordinierungsstelle für Gründungsunterstützung,

- aktivere Nutzung bestehender Netzwerke und Einbindung bisher unbeteiligter Akteure.

Sichtbarkeit des Hochschulstandorts

Mit dem Potenzial zur deutlichen Ausweitung der Zusammenarbeit mit regionalen Unternehmen

und somit der Erhöhung des Wissenstransfers innerhalb der Region geht ein mangelndes

Bewusstsein über die Bandbreite der Möglichkeiten zum Austausch auf Seiten vieler regionalen

Unternehmen einher. Will man die vorhandenen Potenziale heben, so ist zunächst an der

Sichtbarkeit der Leistungen der Hochschulen, Institute und ihrer Partner am Standort zu arbeiten.

Ein erster Schritt wurde mit der Plattform „wissenschafftzukunft-kiel.de“ gemacht. Diese kann als

Grundlage zur Steigerung der Sichtbarkeit des Hochschulstandorts sowie der

Kooperationsgemeinschaft von Hochschulen, Stadt und IHK zu Kiel genutzt werden.

Bisher findet sich auf der Website34 der Plattform eine ausführliche Beschreibung des

Wissenschaftsstandorts Kiel inklusive angrenzender Bereiche, wie Wissenschaft und Schule oder

Leben in Kiel. In erster Linie richtet sich die Seite bisher an interessierte Externe z. B. potenzielle

Studierende. Es wird vorgeschlagen, die Zielgruppe der Seite um die regionale Wirtschaft und

aktuelle Studierende sowie Beschäftigte der Hochschulen und Institute in Kiel zu erweitern. Ihnen

soll Lust auf Wissenstransfer und gegenseitigen Austausch gemacht werden. Auch eine bessere

Kommunikation der Hochschulschwerpunkte bzw. der Forschungsergebnisse und deren

Praxisrelevanz in die Region scheint notwendig zu sein. Hierdurch kann das Profil und die

Sichtbarkeit in der Region geschärft und somit Kooperationshemmnisse abgebaut werden. Auch

hierfür bietet die Website eine gute Basis.

Ebenso sollen gezielt Serviceleistungen angeboten werden, die es den regionalen Unternehmen

leicht machen, mit Wissenschaftlern in Dialog zu treten. Konkret wünschen sich die befragten

Unternehmensvertreter eine deutlich vereinfachte Ansprache der Hochschulen. Ein integriertes

Kontaktformular, das gegebenenfalls grobe standardisierte Raster für eine erste Einordnung des

34 http://www.wissenschafftzukunft-kiel.de/de/.

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Projekts oder der Art der Zusammenarbeit bietet, sollte keine zu hohe Schwelle für die

Unternehmen darstellen. Danach ist jedoch persönlicher Kontakt gefragt. Das zeigen nicht zuletzt

die Umfrageergebnisse. Persönlicher Kontakt entscheidet letztlich darüber, ob eine konkrete

Zusammenarbeit stattfindet oder nicht. Ein zentraler Transferbeauftragter kann solch einen

Erstkontakt leisten und im direkten Austausch erkennen, welche Hochschule oder welcher

Fachbereich am wahrscheinlichsten zu den Anforderungen des Unternehmens passt. Durch einen

zentralen Transferbeauftragten lassen sich aber auch Synergien zwischen den Angeboten und

Leistungen der drei Hochschulen identifizieren. So können ggf. neue gemeinsame Projekte an

Schnittstellen entstehen.

Es ist entscheidend, dass die einzelnen Akteure ihre jeweiligen Schwerpunkte behalten und

weiterhin prominent platzieren, um ihre Profile zu schärfen. Das Projekt „L@INC®“ kann dabei als

Blaupause dienen. Ebenfalls bieten die informellen Netzwerke, die sich aus diesem Projekt

ergeben haben, eine gute Grundlage für das vorgeschlagene Kooperationsmodell. Dieses

Netzwerk müsste entsprechend um die Partner der Kooperationsgemeinschaft erweitert werden.

Es muss selbstverständlich geprüft werden, ob es weiterhin zielführend ist, die Flensburger Partner

mit an Bord zu behalten. Dafür sprechen die insgesamt sehr positiven Erfahrungen, die man

innerhalb dieses Netzwerks gesammelt hat.

Anders sieht das bei der „Beauftragung“ von Bachelor und Masterarbeiten aus. Hier erscheint es

sinnvoll, die Plattform so zu nutzen, dass regionalen und auch überregionalen Unternehmen die

Möglichkeit gegeben wird, Themen einzustellen. Diese werden automatisch mit den

entsprechenden Basisinformationen in eine Datenbank eingestellt, die für Studierende gegen Ende

des Studiums eine einfache und schnelle Möglichkeit bietet, potenzielle Partnerunternehmen und

Themen für sich zu finden. Unternehmen können sowohl fest definierte Themen als auch eher

offene Anfragen mit Schlagwörtern und Themen einstellen. Ebenso können Studierende

Suchaufträge in dieses Portal eingeben und von interessierten Unternehmen gefunden werden. Es

sollte die Möglichkeit geben, einen „Alert“ einzurichten, sodass Unternehmen und Studierende

immer direkt dann informiert werden, wenn etwas ihren Suchkriterien entsprechendes eingestellt

wird. In diesem Zusammenhang muss auch die Einbindung des existierenden „StuJo“-Angebots

geprüft werden. Dieses bietet aktuell bereits einen Service, der die komplette Bandbreite der

Zusammenarbeit von Studierenden und Unternehmen umfasst. Konkurrierende Angebote gilt es

hier zu vermeiden.

Ein zentraler Transferbeauftragter ist ebenfalls in der operativen Abwicklung der Projekte sinnvoll.

Er kann zentrale Dienstleistungen, die bei typischen Forschungs- und Entwicklungskooperationen

entstehen, übernehmen, beispielweise in der Beratung bezüglich der Verwertbarkeit der

Ergebnisse innerhalb von Patenten oder Gebrauchsmustern. Es können weitgehend

standardisierte Verträge entwickelt werden, die in einem Modulsystem auf die Bedürfnisse des

einzelnen Projekts zugeschnitten werden und so den administrativen Aufwand mittel- bis langfristig

reduzieren.

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Durch gute Kenntnis der regionalen Wirtschaft und enge Kooperation mit Stadt, IHK zu Kiel und

Wirtschaftsförderung ist es ebenfalls möglich, gezielt auf Unternehmen zuzugehen, die für

bestimmte vorliegende Projekte als Partner infrage kommen. Insbesondere bei der

Fachhochschule Kiel wurden hier Defizite in der Unternehmensbefragung aufgezeigt. Aber auch

für die Muthesius Kunsthochschule könnte ein solches Herantreten von zentraler Stelle dabei

hilfreich sein, die bestehenden Leistungen und Möglichkeiten an Unternehmen der Region zu

vermitteln.

Diese neu zu schaffende Stelle soll die Transferbeauftragten der drei Hochschulen aktiv in ihrer

Tätigkeit unterstützen, nicht ersetzen. Ist eine erste Kooperation mit einem Unternehmen initiiert,

liegt die Aufgabe der Verstetigung der Beziehung bei den hochschuleigenen Transferbeauftragten.

Ebenso sind sie dafür zuständig, die individuellen Belange der beteiligten Mitarbeiter zu

organisieren und, wenn nötig, zu vermitteln. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass alle drei

Hochschulen ihr eigenes Profil behalten und schärfen. Nur so kann eine präzise Projektzuordnung

getroffen und klar mit den Unternehmen der Region kommuniziert werden.

Gründungsförderung

Eine vergleichbare zentrale Koordinierungsstelle sollte es auch für die Gründungsförderung am

Standort geben. Diese sollte ebenfalls zentrale Dienstleistungen für die Gründungsförderer an den

einzelnen Hochschulen bereitstellen. Somit können sich die Unterstützer an den einzelnen

Hochschulen spezifischer um die individuellen Belange der (meist) jungen Gründer kümmern. Bei

Fragen zu allgemeinen Richtlinien und Fördermöglichkeiten können sie sich an die zentrale Stelle

wenden.

Die angedachte zentrale Koordinierung im Bereich Gründungen kann sich das Nachfolgeprojekt

der „L@INC-Initiative“, nämlich die Webplattform zur akademischen Gründungsförderung, zu

Nutze machen. Es wurde erkannt, dass Kiel insbesondere in diesem Bereich noch Defizite hat,

und es sind erste Schritte unternommen worden, eine solche Online-Plattform zu installieren.

Diese setzt auf einer Crowd-Idee auf. Das Ziel ist es, die Seite in einem ersten Schritt so attraktiv

zu machen, dass viele Inhalte und Hilfestellungen danach aus der Community der Seite kommen.

Dabei beschränkt sich die Seite nicht auf die Region, sondern spricht explizit auch überregionale

Interessenten an. Bei entsprechender Positionierung des Standorts Kiel kann eine solche breite

Präsenz im öffentlichen Raum auch eine positive Wirkung auf die Ansiedlung von jungen

Unternehmen am Standort haben. Insgesamt bietet diese Seite, verknüpft mit dem

vorgeschlagenen Ausbau der Plattform „wissenschafftzukunft-kiel.de“, eine solide

Ausgangsposition für die effiziente Gründungsberatung und Wissenstransfer in der Region.

Daneben sollten die Akteure bei Planungen in diesem Bereich von der Arbeitsgruppe

Existenzgründung der Stadt und der KiWi – Kieler Wirtschaftsförderungs- und Strukturentwicklungs

GmbH aktiv beraten werden, um möglichst viel des gemeinsamen Potenzials, das aus der

Kooperationsgemeinschaft der Hochschulen, der Stadt und der IHK zu Kiel erwächst, zu nutzen.

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Darüber hinaus muss am Standort eine Gründerkultur aufgebaut und gepflegt werden, sodass sich

mittel- bis langfristig die Schwerpunkte der Hochschulen auch prägend auf die

Unternehmensstruktur am Standort auswirken können.

Konkrete Hilfestellung bei der Gründung eines eigenen Unternehmens könnte eine zentrale

Beteiligungsgesellschaft bieten, getragen von den Hochschulen, der Stadt und IHK zu Kiel. Sie

sollte den Gründern aus den Hochschulen Beteiligungskapital und gegebenenfalls Räume zur

Verfügung stellen. Eine vorherige Bewertung von Businessplänen vorausgesetzt, kann eine solche

Gesellschaft einerseits den Gründern ein konkretes Bild der Validität ihrer Geschäftsidee

vermitteln, andererseits das notwendige Kapital zur Verfügung stellen, das man in jungen Jahren

oft nicht bei Banken finden kann. Den beteiligten Akteuren kann dieses eingesetzte Kapital eine

zusätzliche Geldquelle erschließen.

Aufbau einer Plattform für den aktiven Wissenstransfer

Die SWOT-Analyse im vorherigen Kapitel zeigt deutlich auf, dass aufgrund der demografischen

Entwicklung und des zu erwartenden Mangels an Fachkräften am Standort, die Aus- und

insbesondere die Weiterbildung von Arbeitnehmern einen entscheidenden Faktor für die

Zukunftssicherung des Standorts darstellen. In der Region existieren bereits Institutionen, die in

diesem Bereich erfolgreich tätig sind. Durch die Einbindung der Hochschulen könnte hier das

Angebot ausgebaut und so noch weitere Potenziale gehoben werden. Es gilt, dabei eine

institutionalisierte Plattform für den aktiven Wissenstransfer zwischen den Hochschulen und der

regionalen Wirtschaft zu schaffen. Die heute schon angebotenen Kurse zur Weiterbildung von

Mitarbeitern sollten gezielt um Angebote der Hochschulen erweitert werden.

Konkret können die Hochschulen Inhalte und Forschungsergebnisse aus ihrem Betätigungsgebiet

so aufbereiten, dass die regionale Wirtschaft diese zur Weiterbildung ihrer Mitarbeiter nutzen kann.

So entsteht ein direkter und einfach nutzbarer Weg für Unternehmen, vom Wissen und den

Erkenntnissen der Hochschulen am Standort zu profitieren. Dieser Austausch bietet ebenfalls die

Möglichkeit, einen ersten persönlichen Kontakt aufzubauen und mögliche Berührungsängste auf

beiden Seiten abzubauen. Für Professoren und andere Lehrbeauftragte entsteht so eine

Möglichkeit für einen „echten Impact“ ihrer Forschung, den Aufbau bzw. die Einbindung in

regionale Netzwerke und Zusatzverdienste. Nachfrage für solche Weiterbildungen entsteht nicht

zuletzt durch den demografischen Wandel. Der damit einhergehende Mangel an Fachkräften stellt

auch die Hochschulen vor besondere Herausforderungen.35 Um den Verbleib von älteren

Mitarbeitern in den Unternehmen zu verlängern, ist es vor allem wichtig, deren Wissen auf einem

aktuellen Stand zu halten. Eine Möglichkeit, wie die Hochschulen die Unternehmen hierbei

unterstützen können, ist das Angebot von maßgeschneiderten Fortbildungsmaßnahmen für ältere

Mitarbeiter.

35 So schätzt beispielsweise das IW Köln, dass bis zum Jahr 2020 ca. 232.000 Akademiker in MINT-Berufen

(Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) fehlen werden.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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Doch Wissenstransfer funktioniert immer in beide Richtungen. Das bedeutet, dass als Teil des

Wissenschaftszentrums auch Unternehmer oder erfolgreiche Alumni aus der Region gewonnen

werden sollten, um Studierenden praktisches Wissen zu vermitteln. Solches Wissen kann sich

z. B. auf die Gründung eines eigenen Unternehmens beziehen und so die Gründungskultur unter

den Studierenden fördern. Ebenso können Studierende praktische Eindrücke und Wissen aus dem

Alltag verschiedener Berufsgruppen kennenlernen. Durch die zentrale Aufstellung des

Wissenschaftszentrums ist gewährleistet, dass Studierende einfachen Zugang zu Inhalten aus

allen Bereichen – auch von anderen Hochschulen – haben. So findet auch im studentischen Leben

Wissenstransfer statt und es gibt eine feste Begegnungsstätte oder Begegnungsanlässe für die

Studierenden. Durch diesen gegenseitigen Austausch entstehen leicht neue Netzwerke, die es

ohne eine gemeinsame Plattform nicht gäbe.

Als Erweiterung des Geschäftsmodells einer solchen Einrichtung ist es ebenfalls denkbar,

exklusive Graduiertenstudiengänge für ausländische Studierende nach internationalem Muster

anzubieten. Prädestiniert sind auch hier insbesondere Fachbereiche, die sich international durch

ihre Exzellenz hervorheben.

Netzwerke gezielt entwickeln

Solche informellen Netzwerke sollten durch formelle Netzwerke weiter unterstützt und gefördert

werden. Da es schon einschlägige Netzwerke in der Region gibt – wie z. B. den Kieler Salon für

Wissenschaft und Wirtschaft – und diese bei der Anbahnung von Kooperationen zum

Wissenstransfer eine eher untergeordnete Rolle spielen, abgesehen von der Möglichkeit, erste

persönliche Kontakte zu knüpfen, ist es nicht ratsam, zusätzlich weitere Netzwerke zu etablieren.

Die Unternehmensbefragung hat gezeigt, dass es insbesondere der persönliche Kontakt ist, der

über eine mögliche Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft entscheidet.

Insbesondere über Alumni und studentische Hilfskräfte kommen oft einfach und effizient

Kooperationen zustande. Deshalb sind neben den lokalen Netzwerken aktive Alumni-Netzwerke

für die Kieler Hochschulen zu entwickeln und zu fördern. Eine zentralisierte Lösung zwischen den

drei Hochschulen erscheint hier wenig sinnvoll. Die Identifikation der Studierenden beruht meistens

auf ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Universität und nicht zu einem Hochschulstandort.

Einzelne Lehrstühle haben teilweise sehr gut funktionierende Alumni-Programme, andere dagegen

nicht. Alle drei Hochschulen sollten sich bemühen, ein zentrales Alumni-Netzwerk aufzubauen

oder zu verbessern. Hierzu erscheint es sinnvoll, bestehende Plattformen wie „XING“ oder

„LinkedIn“ zu benutzen. Genauso sollten Newsletter und gemeinsame Veranstaltungen die

Verbindung zur Hochschule aufrechterhalten und gegebenenfalls aktuellen Studierenden

Möglichkeiten erschließen, sich Praktikumsplätze oder langfristige Stellen zu sichern. So wird

sichergesellt, dass der Wissenstransfer mittel- bis langfristig funktioniert und alle voneinander

profitieren.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

85

Speziell für die Gründungsförderung am Standort sind Netzwerke zwischen

Betriebswirtschaftslehre- und Muthesius-Studierenden besonders sinnvoll. Oft entstehen beim

kreativen Arbeiten – insbesondere in der Fachrichtung Design – innovative Produkt- und

Geschäftsideen. Diese in konkrete Businesspläne umzuwandeln oder sie innerhalb von

bestimmten Förderinstrumenten umzusetzen, gehört jedoch nicht zu den Kernkompetenzen von

Absolventen dieses Bereichs. Deshalb ist es besonders wichtig, an dieser Stelle die notwendigen

Kompetenzen in einem Netzwerk mit entsprechenden Events zusammenzubringen.

Als Beispiel für den Aufbau erfolgreicher Alumni-Netzwerke lohnt es sich, den Blick auf anglo-

amerikanische Universitäten zu erweitern. Denn, obwohl deutsche Hochschulen in den letzten

zwanzig Jahren verschiedenste Alumni-Programme eingerichtet haben, bestehen solche in den

USA bereits seit Beginn des 19. Jahrhunderts.36

Da die Finanzierung der Hochschulen in Deutschland sich jedoch stark von der in den USA

unterscheidet, lassen sich amerikanische Alumni-Konzepte nicht uneingeschränkt auf deutsche

Hochschulen übertragen. Die Unterschiede in der Finanzierung lassen sich beispielsweise bei

einem Vergleich des Stiftungsvermögens und der gesamten Hochschulausgaben in Deutschland

erkennen. So beträgt allein das Stiftungsvermögen der fünf finanzstärksten Universitäten in den

USA das 1,8-fache der gesamten Ausgaben deutscher Hochschulen im Jahr 2011.37 Diese hohe

Summe ergibt sich auch daraus, dass Alumni-Programme amerikanischer Universitäten stark mit

dem Zweck verknüpft sind, Spenden für die Hochschule einzuwerben. Solche Maßnahmen werden

von Absolventen in Deutschland hingegen eher kritisch betrachtet. Daher sollte das Einwerben von

Spendengeldern bei einem Alumni-Programm einer deutschen Hochschule nur ein nachgeordneter

Zweck sein. Die Befragungsergebnisse zeigen, dass ein erster Kontakt zwischen Hochschule und

Unternehmen vor allem durch Studierende oder andere persönliche Kontakte zustande kommt.

Um den Austausch zwischen Hochschule und Wirtschaft zu intensivieren, ist es also vor allem

notwendig, einen persönlichen Kontakt zu den Unternehmen aufzubauen. Alumni-Programme sind

dabei ein gutes Mittel, diese Kontakte an einer Stelle zu bündeln und dadurch die Beziehungen zu

intensivieren.

Um auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der jeweiligen Fächergruppen besser eingehen zu

können, sollte der Aufbau des Alumni-Programms zweistufig sein (Abbildung 14). Auf der ersten

Stufe koordiniert ein hochschulweites Alumni-Center Aktivitäten, die die gesamte Hochschule

betreffen: so beispielsweise den Aufbau einer Alumni-Homepage und eines Hochschul-Shops.

Ebenso wird von hier der Auftritt der Hochschule in sozialen Netzwerken organisiert. Neben dem

Einsatz von sozialen Netzwerken ist auch die Einführung einer Hochschul-App denkbar. Das hat

36 Vgl. Brubacher, J.S. / Rudy, W. (1976): Higher Education in Transition: A History of American Colleges and

Universities, New York, zitiert nach Mael, F. / Ashforth, B. E. (1992): Alumni and their alma mater: A partial test of the reformulated model of organizational identification, Journal of Organizational Behavior, Bd. 13, S. 103–123, S. 106. 37

Vgl. Statistisches Bundesamt (2012); National Association of College and University Business Offices (NACUBO) (2012): Commonfund Study of Endowments.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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den Vorteil, dass sich über die App die sozialen Netzwerke, in denen die Universität tätig ist, sowie

der normale Hochschulalltag miteinander verbinden lassen (z. B. Vorlesungsplan,

Sonderveranstaltungen, Adressverzeichnis, Notenabfrage). In diesem Bereich besteht somit eine

enge Verknüpfung mit der Öffentlichkeitsarbeit der Hochschule.

Abbildung 14: Beispielhafter Aufbau eines Alumni-Programms

Quelle: IW Consult (2013).

Auf Fachbereichsebene werden die Kontakte koordiniert, die zur Anbahnung von

Projektkooperationen zwischen den Unternehmen und der Hochschule relevant sind. Um die

Studierenden später als Alumni für ihre Hochschule zu gewinnen, muss bereits während der

Studienphase eine enge Verbindung zur Hochschule geschaffen werden. Das kann beispielsweise

dadurch erfolgen, dass während des Studiums Mentoren-Programme angeboten werden, bei

denen ehemalige Studierende der Hochschule aktuelle Studierende betreuen, indem sie ihnen –

beispielsweise mit ihren Kontakten bei der Suche nach einem Praktikumsplatz – helfen. Für die

Unternehmen besteht so die Möglichkeit, sich möglichst früh qualifiziertes Nachwuchspersonal zu

sichern. Die Studierenden können wiederum einen Einblick in verschiedene Arbeitsbereiche

erlangen, was ihnen unter anderem bei der Wahl ihrer Studienschwerpunkte weiterhelfen kann.

Die Unternehmen können im Gegenzug gezielt das Interesse an den für sie relevanten

Studienschwerpunkten wecken. Außerdem werden die Studierenden so ermutigt, nach dem Ende

ihres Studiums selbst als Mentoren tätig zu sein.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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Um Absolventen dazu zu bewegen, in einen Alumni-Club einzutreten, muss die Hochschule ihnen

einen gewissen Mehrwert bieten. Das kann beispielsweise durch Jobbörsen entstehen, auf denen

nur Stellenangebote von Alumnis der Hochschule veröffentlicht sind, oder durch einen nur für

Alumni zugänglicher Bereich auf der Homepage, auf dem alle Absolventen eines Jahrgangs nach

Fächergruppen mit der aktuellen Position aufgelistet sind. Dadurch können auch die Alumnis durch

den Austausch mit ehemaligen Kommilitonen von ihrer Mitgliedschaft profitieren. Gegebenenfalls

kann man hier von schon existierenden Netzwerkprofilen wie „XING“ oder „LinkedIn“ profitieren

und diese entsprechend verlinken.

Insgesamt ist es für die Hochschulen wichtig, vor allem zu Beginn des Studiums eine enge

Beziehung zu den Studierenden aufzubauen. Eine Beziehung zu Alumnis aufzubauen, deren

Abschluss ein paar Jahre zurück liegt, gestaltet sich hingegen als schwierig. Die

Unternehmensbefragung und die Gespräche vor Ort zeigen, wie wichtig der direkte Kontakt

zwischen Unternehmen und Wirtschaft für beide Seiten ist. Daher gilt es vor allem, auf diesem

Bereich die Bemühungen zu verstärken. Durch den Kontakt zu ehemaligen Studierenden können

die Hochschulen zudem wichtige Anstöße für ihre Forschungsarbeit erhalten. Dadurch lässt sich

die praxisrelevante Forschung intensivieren und somit der Transfer zwischen Wissenschaft und

Praxis ausbauen.

Abbildung 15: Lebenszyklusbetrachtung Bindungsfähigkeit Studierende

Quelle: Vgl. Boenigk, S. (2011): Alumni-Management versus Fundraising als Finanzierungsinstrument für Hochschulen, verfügbar unter: http://www.wiso.uni-hamburg.de/fieadmin/verwaltung/dekanat/Formularschrank/Forschung/VL_Hochschulfinanzierung/Vortrag_Boenigk_Alumni_versus_Fundraising_26_05_11.pdf.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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Strategiekonzept – Umsetzung

Zur Umsetzung der oben aufgezeigten Strategie bedarf es des Einsatzes der

Kooperationsgemeinschaft aus den Kieler Hochschulen, der Stadt und der IHK zu Kiel. Diese

Kooperationsgemeinschaft vereint alle notwendigen Schlüsselqualifikationen auf sich. Die

Umsetzung des Strategiekonzepts wird die Sichtbarkeit der Kooperation weiter erhöhen und den

Transfer unter den Partnern des Projekts stärken. Im Folgenden sollen die Rollen der einzelnen

Partner und die Schnittstellen zwischen den Partnern bei der Umsetzung des Strategiekonzepts

näher beschrieben werden.

Grundsätzlich sollte bei allen Aktivitäten, auch bei denen der einzelnen Projektpartner, die

Kooperationsgemeinschaft in den Vordergrund gerückt werden, um den Marketingnutzen für alle

Beteiligten zu erhöhen und Präsenz im politischen Umfeld zu erreichen. Hierzu sollte ein

gemeinsames Briefpapier für Presseerklärungen entworfen werden, das die Logos und offiziellen

Adressen aller Beteiligten enthält. Dieses sollte auch für Ankündigungen einzelner Partner

verwendet werden, solange diese in die gemeinsame Sache einbezahlen. Trotz des gemeinsamen

Auftritts hat jeder Partner eigene Stärken und Handlungsspielräume, die es gilt, für die

Optimierung des Wissenstransfers in der Region und insbesondere am Standort einzusetzen.

Die IHK zu Kiel kann gemäß ihrem Auftrag den größten Beitrag leisten, wenn es um die

Organisation von Netzwerken und das Herstellen gemeinsamer Sichtbarkeit geht. Sie hat

einerseits ausgezeichnete Kontakte zu den Unternehmen der Region, andererseits verfügt sie über

zahlreiche Möglichkeiten, Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zu erlangen. Ihre Stimme wird in

der Region gehört. Konkret bedeutet das, dass die IHK zu Kiel insbesondere bei der Organisation

von Netzwerken, die im Strategiekonzept an mehreren Stellen vorkommen, hilfreich für die

Kooperationsgemeinschaft sein kann. So könnte sie beispielweise den Aufbau eines regionalen

Alumni-Netzwerks unterstützen, indem sie über ihre Newsletter die Unternehmen der Region auf

ein solches Netzwerk aufmerksam macht oder indem sie aktiv Unternehmen darauf anspricht, ob

Alumni der Kieler Hochschulen bei ihnen arbeiten und ob diese an einem Netzwerk teilnehmen

würden.

Neben diesen aktiven Funktionen hat die IHK zu Kiel aber auch eine passive Funktion als

„Gatekeeper“ für die Vergabe von öffentlichen Fördermitteln, die für junge Existenzgründer häufig

eine der wenigen Finanzierungsmöglichkeiten darstellen. Beispielsweise erfordert die Beantragung

des Gründungszuschusses für Existenzgründer der Bundesagentur für Arbeit eine positive

Beurteilung der Tragfähigkeit des Businessplans, die beispielsweise im Rahmen des „IHK Mentor“-

Systems erteilt werden kann. Um diese zu bekommen, müssen die Gründer einen Fragebogen auf

der Seite der IHK zu Kiel ausfüllen. Für Gründer aus dem Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft,

also in Bezug auf die Kooperationsgemeinschaft hauptsächlicher Ausgründungen aus der

Muthesius Kunsthochschule, stellt dieser Fragebogen jedoch schon eine ganz erhebliche Hürde

dar. Denn schon dort werden relativ konkrete Details zu Businessplan und Kalkulation abgefragt,

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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an die sich die meisten Gründer aus dem Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft erst langsam

herantasten müssen. Hier bedarf es stärkerer Unterstützung.

Auch die Stadt hat erhebliche Kompetenzen bezüglich der Netzwerke und der Sichtbarkeit für die

einzelnen Partner der Kooperationsgemeinschaft sowie der regionalen Wirtschaft und Politik. Bei

dem vorgelegten Strategiekonzept kommt der Stadt hauptsächlich die Funktion zu, eine Plattform

für die genannten Aktivitäten zu bieten. Im Fall des Kieler Salons für Wirtschaft und Wissenschaft

funktioniert genau diese Plattformfunktion schon sehr gut. Bezüglich der Sichtbarkeit und

Umsetzung des Strategiekonzepts hat die Stadt die Aufgabe, Ressourcen für die Website

„wissenschafftzukunft-kiel.de“ freizugeben, sodass diese entsprechend der hier eingebrachten

Ideen erweitert und aufgewertet werden kann. Dabei ist es entscheidend, dass alle Partner in der

Kooperationsgemeinschaft an einem Strang ziehen, denn es sind auch von den Hochschulen

erhebliche organisatorische und personelle Arbeiten zu leisten, um die angedachten Ergebnisse zu

erzielen.

Den Hochschulen in Kiel kommt zunächst die gemeinsame Aufgabe zu, die im Strategiekonzept

verankerte Dachorganisation für den Wissenstransfer und die Gründungsförderung am Standort zu

organisieren. Neben der Einrichtung dieser Organisation haben die Hochschulen ebenfalls die

Aufgabe, an der Projektzuordnung und dem Projekthandling zu arbeiten, sodass eine effiziente

Verteilung und Organisation von Wissenstransferprojekten geleistet werden kann. Dazu sind in

erster Linie zusätzliche Ressourcen in diesem Bereich notwendig. An zweiter Stelle muss ein Weg

gefunden werden, Projekte richtig zuzuordnen. Ebenso sollten die Hochschulen gemeinsam die

IHK zu Kiel durch eine Überprüfung ihrer bestehenden Alumni-Netzwerke unterstützen.

Identifizierte Potenziale sollten genutzt werden.

Neben diesen übergreifenden Handlungsfeldern sind im Rahmen des Strategiekonzepts jedoch

auch spezifische Felder zu identifizieren, die das individuelle Handeln der einzelnen Akteure

notwendig machen. Diese sollen im Folgenden beschrieben werden.

Die Christian-Albrechts-Universität als die größte Hochschule am Standort leistet den wichtigsten

Beitrag zur Leuchtturmfunktion der Wissenschaft für Kiel und die Untersuchungsregion. Diesen

Beitrag gilt es, zu bewahren und auszubauen. Das bedeutet, die Christian-Albrechts-Universität

muss ihre Strategie der Stärkung der Exzellenzcluster weiterverfolgen. Diese bilden auch für den

Wissenstransfer den Maßstab. Es sollte also in erster Linie Wert darauf gelegt werden, mit

thematisch passenden Unternehmen unabhängig von deren Standort zusammenzuarbeiten. Durch

Ausgründungen kann auf Basis echter Exzellenzcluster langfristig eine neue Struktur am Standort

geschaffen werden, die sich zu einem lokalen Cluster entwickeln kann.

Wenn man sich das Ziel setzt, intensiver und vermehrt mit der bestehenden und sehr heterogenen

Wirtschaft am Standort und in der Untersuchungsregion zusammenzuarbeiten, so erscheint es

sinnvoll, hierfür aus den Forschungsschwerpunkten der Christian-Albrechts-Universität in einem

ersten Schritt etwas allgemeiner gefasste Querschnittsthemen zu identifizieren und im Austausch

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mit den Projektpartnern IHK zu Kiel und Stadt weiterzuentwickeln. Für diese Querschnittsthemen

sollten entsprechende Veranstaltungsreihen in der Region aufgelegt werden, die einerseits die

Information in die regionalen Betriebe tragen und andererseits eine Plattform zum persönlichen

Austausch bieten, der sich als relevantester Baustein zur Initiierung von Kooperationen erwiesen

hat.

Die Fachhochschule Kiel ist aufgrund ihres Profils und ihres Auftrags deutlich besser auf die

Belange der regionalen Wirtschaft abgestimmt. Hier wurden die Zusammenarbeit und die

Organisation von Projekten durch die Forschungs- und Entwicklungszentrum Fachhochschule Kiel

GmbH allseits gelobt. Es scheint hier aber noch weniger Unterstützung für Gründungen aus den

Reihen der Studierenden und Mitarbeiter zu geben, als dies bei der Christian-Albrechts-Universität

der Fall ist. Deshalb sollte die Fachhochschule Kiel gerade in diesem Bereich mehr tun.

Möglichkeiten bestehen im Austausch mit den anderen Kooperationspartnern und wurden im

Strategiekonzept konkret aufgezeigt.

Für die Muthesius Kunsthochschule gilt im Prinzip eine vergleichbare Handlungsempfehlung.

Jedoch sollte sie vor allem versuchen, ihre Studierenden besser auf die spätere Berufspraxis

vorzubereiten. Eine gute Möglichkeit dazu, die ebenfalls den Wissenstransfer in die regionalen

Unternehmen stärkt, stellt das im Wintersemester 2011/12 gegründete Projektbüro an der

Muthesius Kunsthochschule dar. Dieses vermittelt den Studierenden anhand von

projektbezogenen Studien und Anliegen aus Wissenschaft, Gesellschaft und Wirtschaft

praxisrelevante und realitätsnahe Erfahrung. Das Projektbüro verbessert also in erster Linie den

Praxisbezug für die Studierenden und verschiebt die Wahrnehmung der Hochschule nach außen

in Richtung Praxisnähe. Um den Wissenstransfer zu intensivieren, gilt es, das Projektbüro stärker

zu fördern um somit die Zusammenarbeit mit externen Partnern auszuweiten.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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4 Kultur- und Kreativwirtschaft

In den letzten Jahren ist die Kultur- und Kreativwirtschaft (KuK) immer stärker in den Fokus der

Politik gerückt. Nahezu alle Bundesländer haben diesen Bereich als einen der Motoren für

zukünftiges wirtschaftliches Wachstum identifiziert und versuchen dessen Entwicklung durch

gezielte Fördermaßnahmen zu unterstützen. Auch auf europäischer Ebene wurden Programme ins

Leben gerufen, um das Wachstum der Kultur- und Kreativwirtschaft zu unterstützen. Zu nennen

sind hier vor allem das Förderprogramm „Kreatives Europa“ und das Netzwerk „European Creative

Industries Alliance“. Daneben erfüllen Teile der Kultur- und Kreativwirtschaft die Voraussetzungen

für eine Förderung durch Strukturfonds der Europäischen Union. Dabei wird nicht nur auf das

wirtschaftliche Potenzial der Unternehmen aus diesem Bereich gesetzt, sondern auch auf dessen

positive Wirkung auf andere Wirtschaftszweige oder aber auch auf weitere Ziele wie den

Strukturwandel in einzelnen Stadtteilen oder Regionen. Daneben zeigt sich im wachsenden

Interesse an der Kultur- und Kreativwirtschaft ein allgemeiner Wandel hin zu wissensintensiven

Dienstleistungen. Dadurch ist die Kultur- und Kreativwirtschaft besonders stark von der

Entwicklung in anderen Wirtschaftszweigen abhängig.

4.1 Branchenabgrenzung

Die Branche umfasst die Entwicklung und Verbreitung all derjenigen Güter, Dienstleistungen und

Verfahren, die auf Basis eines schöpferischen Akts entstanden sind. Ein genauerer Überblick

ergibt sich bei Einteilung der Kultur- und Kreativwirtschaft in ihre Teilmärkte.

Insgesamt umfasst die allgemein gängige Definition der Kultur- und Kreativwirtschaft elf

Teilmärkte. Diese reichen vom Verlagswesen über Bibliotheken und Museen bis hin zur

Architektur. Ein genauer Überblick über die Teilmärkte findet sich in Tabelle 26.

Die Struktur der Kultur- und Kreativwirtschaft zeichnet sich durch diese Vielfalt aus, zudem

unterscheiden sich die Teilmärkte stark voneinander. Aufgrund dieser Heterogenität und

komplexen Struktur bestehen nur wenige Kooperationsmöglichkeiten innerhalb der Kultur- und

Kreativwirtschaft. Engere Verbindungen existieren jedoch zwischen dem Verlagswesen und der

Werbung sowie zwischen der Musik- und Filmwirtschaft. Die übrigen Teilmärkte agieren aufgrund

ihrer Unterschiedlichkeit häufig isoliert.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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Tabelle 26: Die Kultur- und Kreativwirtschaft und ihre Teilmärkte

Verlagswesen

Verlegen v. Büchern u. Zeitschriften; sonstiges Verlagswesen (ohne Software)

Filmwirtschaft Herstellung von Filmen und

Fernsehprogrammen, deren Verleih u. Vertrieb; Kinos

Tonträgerindustrie/Musikverlage

Tonstudios; Herstellung von Hörfunkbeiträgen; Verlegen von bespielten Tonträgern und Musikalien

Rundfunkwirtschaft

Hörfunkveranstalter

TV-Veranstalter

Kulturelle Wirtschaftszweige

Kreative, künstlerische u. unterhaltende Tätigkeiten

Bibliotheken/Museen Bibliotheken, Archive,

Museen, botanische und zoologische Gärten

Handel mit Kulturgütern

Einzelhandel mit Verlagsprodukten, Sportausrüstung und Spielwaren

Architektur

Architektur- und Ingenieurbüros

Design

Ateliers für Textil-, Schmuck-, Grafik- u. ä. Design

Werbung Werbung

Software/Games

Verlegen von Software

Erbringung von Dienstleistungen der Informationstechnologie

Quelle: Siehe Weckerle, C. / Söndermann, M. (2003): Das Umsatz- und Beschäftigtenpotenzial des kulturellen Sektors: Erster Kulturwirtschaftsbericht Schweiz, Zürich, S. 10.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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4.2 Die Kultur- und Kreativwirtschaft in der Untersuchungsregion

4.2.1 Quantitative Analyse: Die wirtschaftliche Bedeutung der Kultur- und

Kreativwirtschaft in der Untersuchungsregion

In diesem Kapitel soll untersucht werden, welche quantitative Rolle die Kultur- und

Kreativwirtschaft für die regionale Wirtschaft in der Untersuchungsregion und am Standort Kiel

spielt. Es wird gezeigt, welche Branchen den Bereich in der Untersuchungsregion prägen und wo

möglicherweise Spezialisierungen, also stärkere Konzentrationen als in den Benchmarkregionen

vorliegen.

Da die Kultur- und Kreativwirtschaft sich vor allem durch ihre Kleinteiligkeit von anderen Branchen

abhebt, ist sie besonders auf die Zusammenarbeit der einzelnen Akteure untereinander

angewiesen. Die besten Standortbedingungen finden sich für die Kultur- und Kreativwirtschaft in

einem urbanen Umfeld. Da sich die Landeshauptstadt Kiel die Rolle als Oberzentrum und urbanes

Zentrum der Untersuchungsregion auszeichnet, werden im Folgenden nicht nur die Kennzahlen

der gesamten Untersuchungsregion, sondern auch die Kiels ausgewiesen.

Unternehmen und Umsätze der Kultur- und Kreativwirtschaft

In der Untersuchungsregion gibt es im Jahr 2011 mehr als 2.800 Unternehmen, die sich der Kultur-

und Kreativwirtschaft zuordnen lassen, dies entspricht einem Anteil von 6,8 Prozent aller

Unternehmen. Die angesprochenen besonderen Standortbedingungen zeigen sich bei einem Blick

auf die Unternehmenskonzentration in der Stadt Kiel. Diese ist mit einem Anteil von 10,2 Prozent

um 50 Prozent höher als in der gesamten Untersuchungsregion und liegt damit fast auf

bundesdeutschem Niveau, wo 10,6 Prozent aller Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft

zugerechnet werden.

Bei der Entwicklungsdynamik bleiben sowohl die Stadt Kiel als auch die gesamte

Untersuchungsregion hinter der Branchenentwicklung in Deutschland zurück. Die Anzahl der

Unternehmen steigt zwischen den Jahren 2009 und 2011 bundesweit um 1,1 Prozent an, während

sie sich in der gesamten Untersuchungsregion nur um 0,5 Prozent erhöht und in der Stadt Kiel

selber sogar um 1,0 Prozent abnimmt (Tabelle 27).

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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Tabelle 27: Unternehmenskennzahlen der Kultur- und Kreativwirtschaft für das Jahr 2011

Untersuchungs-

region Stadt Kiel Deutschland

Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft

1)

Anzahl 2.803 725 340.798

Anteil an allen Unternehmen 6,8 10,2 10,6

Spezialisierungskoeffizient2)

64,5 96,4 100,0

Entwicklung 2009 – 2011 0,5 -1,0 1,1

Umsätze der Kultur- und Kreativwirtschaft

3)

Umsätze in 1.000 Euro 871.409 418.886 156.940.247

Anteil an allen Unternehmen 1,3 2,5 2,8

Umsatz je Unternehmen in 1.000 Euro 310.873 578.172 460.508

Entwicklung 2009 – 2011 4,8 17,3 7,3

1)

Anzahl der Steuerpflichtigen aus der Umsatzsteuerstatistik 2)

Spezialisierungskoeffizient: Angabe der Beschäftigungsanteile im Vergleich zu Deutschland in Prozent. Ein niedriger Koeffizient deutet auf unterdurchschnittlich viele Beschäftigte in der Branche hin, ein hoher auf überdurchschnittlich viele Beschäftigte, der Durchschnitt liegt bei 100. 3)

Lieferungen und Leistungen aus der Umsatzsteuerstatistik

Quelle: Statistisches Bundesamt (2013): Umsatzsteuerstatistik.

Dass diese Entwicklung nicht überbewertet werden darf, zeigt ein Blick auf die Umsätze der Kultur-

und Kreativwirtschaft in der Region und auf deren Entwicklungsdynamik. Insgesamt erwirtschaften

die Unternehmen dieses Bereichs im Jahr 2011 einen Umsatz von 871,4 Millionen Euro. Dies

entspricht einem Anteil an den gesamten erwirtschafteten Umsätzen von 1,3 Prozent. Da der

Anteil der Unternehmen bei 6,8 Prozent liegt, wird hier nochmal die kleinteilige Struktur der

Branche deutlich. Der durchschnittliche Umsatz je Unternehmen liegt bei gut 310 Tausend Euro

und das Umsatzwachstum zwischen den Jahren 2009 und 2011 bei 4,8 Prozent. Alle drei

Vergleichswerte zeigen, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft bei den quantitativen Kennzahlen

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Untersuchungsregion Stadt Kiel Deutschland

hinter denen der Landeshauptstadt Kiel und denen des deutschen Deutschlandbenchmarks

zurückbleibt.

Die Kennzahlen der Stadt Kiel präsentieren sich im Vergleich erfreulicher. Insgesamt

erwirtschaften die 725 Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft in der Landeshauptstadt

einen Umsatz von knapp 420 Millionen Euro, was einem Anteil von 2,5 Prozent aller Umsätze in

der Stadt entspricht. Je Unternehmen entspricht das einem Wert von knapp 580 Tausend Euro

und ist damit deutlich höher als im deutschen Durchschnitt. Und diese Umsätze konnten in den

letzten Jahren deutlich gesteigert werden. Während die Umsätze der Kultur- und Kreativwirtschaft

zwischen den Jahren 2009 und 2011 bundesweit um 7,3 Prozent zunehmen, sind es am Standort

Kiel sogar Zuwächse von 17,3 Prozent.

Welche der elf Teilmärkt sind für diesen Erfolg verantwortlich bzw. welche Branchen prägen den

Untersuchungsstandort? Abbildung 16 zeigt die Verteilung der Teilmärkt innerhalb der

Untersuchungsregionen und im Vergleich zu Deutschland.

Abbildung 16: Die Kultur- und Kreativwirtschaft im Vergleich – Anzahl der

Unternehmen für das Jahr 2011

Anmerkung: Angaben in Prozent.

Quelle: Statistisches Bundesamt (2013): Umsatzsteuerstatistik.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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Den höchsten Anteil an Unternehmen weist die Software- und Games-Industrie auf, 22,4 Prozent

(629 Unternehmen) der Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft in der gesamten

Untersuchungsregion und 19,9 Prozent in Kiel (144 Unternehmen) zählen hierzu. Dahinter folgt die

Designwirtschaft mit einem Anteil von 14,0 bzw. 14,4 Prozent. Im bundesdeutschen Vergleich ist

dieses Verhältnis umgekehrt. Hier weist die Designwirtschaft einen Anteil von 18,4 Prozent an

allen Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft auf und die Software- und Games-Industrie

kommt auf eine Quote von 16,4 Prozent.

Weitere Abweichungen von der bundesdeutschen Branchenstruktur zeigen sich beim Kunstmarkt,

der in den Untersuchungsregionen eine deutliche höhere Bedeutung aufweist und beim

Werbemarkt. Hier sind bundesweit mehr als 10 Prozent aller Unternehmen der Kultur- und

Kreativwirtschaft tätig, während es in den Vergleichsregionen nur ca. 6 Prozent sind. Im Vergleich

der gesamten Untersuchungsregion mit der Landeshauptstadt Kiel zeigen sich nur bei der

Software- und Games-Industrie und im Pressemarkt größere Unterschiede bei den Anteilen.

Ein Blick auf die Umsatzverteilung der Kultur- und Kreativwirtschaft unterstreicht nochmal die hohe

Bedeutung der Software- und Games-Industrie für den gesamten Bereich Kultur- und

Kreativwirtschaft, aber auch für die gesamte regionale Wirtschaft. Von den gut 871 Millionen Euro

Gesamtumsatz der Kultur- und Kreativwirtschaft in der Untersuchungsregionen werden knapp 260

Millionen Euro oder 29,8 Prozent in dieser Branche erwirtschaftet. Auf dem zweiten Rang der

umsatzstärksten Branchen folgt der Pressemarkt. Dieser Bereich ist in der Untersuchungsregion

für ca. 155 Millionen Euro Umsatz verantwortlich, was einem Anteil von 17,7 Prozent entspricht.

Damit sind diese beiden Branchen für knapp 50 Prozent der gesamten Umsätze der Kultur- und

Kreativwirtschaft verantwortlich. Betrachtet man die Branchenstruktur in der Landeshauptstadt

Kiel, fällt diese Dominanz noch deutlicher aus. Hier werden rund 145 Millionen Euro oder

34,6 Prozent aller Umsätze der Kultur- und Kreativwirtschaft mit Software und Games

erwirtschaftet. Der Pressemarkt erwirtschaftete im Jahr 2011 Umsätze von 107,5 Millionen Euro,

was einem Anteil von 25,7 Prozent aller Umsätze der Kultur- und Kreativwirtschaft entspricht.

Dadurch verantworten die beiden Branchen sogar mehr als 60 Prozent der Umsätze der Kultur-

und Kreativwirtschaft in der Landeshauptstadt.

Bezogen auf den erwirtschafteten Umsatz folgen der Design- und der Architekturmarkt mit

deutlichem Abstand auf den weiteren Rängen, gefolgt vom Buch- und Kunstmarkt. Die geringsten

Umsätze werden auf dem Markt für Darstellende Künste und in der Musikwirtschaft erwirtschaftet.

Die Entwicklungsdynamik der Kultur und Kreativwirtschaft

Die Gesamtübersicht der Branchenstruktur (Tabelle 27) hat gezeigt, dass die

Entwicklungsdynamik bei der Anzahl der Unternehmen in der Untersuchungsregion und am

Standort Kiel eher unterdurchschnittlich ausgeprägt ist, es dafür aber eine sehr hohe

Wachstumsdynamik bei der Umsatzentwicklung zu verzeichnen gab.

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In Tabelle 28 sind die relativen Veränderungen bei den Unternehmen zwischen den Jahren 2009

und 2011 dargestellt. Hierbei wird deutlich, dass sich zwar die Gesamtzahl der Unternehmen der

Kultur- und Kreativwirtschaft nur geringfügig verändert hat, dafür aber innerhalb der Teilmärkte

unterschiedliche Entwicklungen zeigen.

Die stärksten Rückgänge verzeichnet in der Untersuchungsregion der Werbemarkt. Diese

Entwicklung folgt dabei einem bundesweiten Trend, auch hier hat der Werbemarkt den höchsten

Rückgang bei der Anzahl der Unternehmen zu verzeichnen und ist neben dem Buchmarkt auch

der einzige, der zwischen 2009 und 2011 einen Umsatzrückgang aufwies. Daneben zeigen sich

sowohl in der gesamten Untersuchungsregion, als auch am Standort Kiel starke Rückgänge in der

Film- und in der Rundfunkwirtschaft. Diese fallen auch deutlich stärker aus als im

bundesdeutschen Vergleich.

Tabelle 28: Entwicklung der Anzahl der Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft

von 2009 bis 2011 (Veränderung in Prozent)

Teilbranche Untersuchungs-

region Stadt Kiel Deutschland

Musikwirtschaft 3,4 -4,1 -4,9

Buchmarkt 3,7 -8,8 3,1

Kunstmarkt 3,7 2,1 -0,2

Filmwirtschaft -9,1 -14,0 -1,7

Rundfunkwirtschaft -8,4 -12,8 -1,7

Markt für Darstellende Künste -4,3 -6,4 6,0

Designwirtschaft 3,2 8,2 6,7

Architekturmarkt 1,8 -4,3 0,7

Pressemarkt -8,6 -3,1 -2,0

Werbemarkt -10,7 -10,8 -6,0

Software-/Games-Industrie 7,0 8,3 9,9

Summe 0,5 -1,0 1,1

Quelle: Statistisches Bundesamt (2013): Umsatzsteuerstatistik.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

98

Erfreulich für die gesamte Untersuchungsregion ist die sehr positive Entwicklung der Software- und

Games-Industrie. Diese Branche prägt bereits aktuell die Kultur- und Kreativwirtschaft in der

gesamten Untersuchungsregion und zeigt dabei zusätzlich eine hohe Entwicklungsdynamik. In der

Stadt Kiel, dem Zentrum der Kultur- und Kreativwirtschaft in der Untersuchungsregion, verzeichnet

ansonsten nur noch die Designwirtschaft ähnlich hohe Zuwachsraten und folgt auch hier dem

bundesweiten Trend.

Die zu Beginn des Kapitels aufgezeigte überdurchschnittliche Umsatzentwicklung der Kultur- und

Kreativwirtschaft in der Untersuchungsregion ist vor allem auf einen starken Anstieg der Umsätze

in der Software- und Games-Industrie zurückzuführen. Zwischen den Jahren 2009 und 2011

erhöhten diese sich um 50 Prozent auf knapp 260 Millionen Euro. Auch bundesweit weist diese

Branche die stärksten Zuwachsraten auf, bleibt mit einem Anstieg um 20,9 Prozent aber hinter der

Entwicklung der Untersuchungsregion zurück.

Beschäftigung

Auch die Analyse der Beschäftigungsstatistik (Tabelle 29) unterstreicht die enorme Bedeutung der

Kultur- und Kreativwirtschaft für die gesamte Untersuchungsregion und insbesondere für die

Landeshauptstadt Kiel. Insgesamt arbeiten im Jahr 2012 in der Region Kiel 15.621

sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft. Dies

entspricht einem Anteil von 4,5 Prozent an allen Beschäftigten. Damit bewegt sich die

Beschäftigungswirkung auf bundesdeutschem Niveau, wo ebenfalls 4,5 Prozent der Beschäftigten

in der Kultur- und Kreativwirtschaft angestellt sind.

Die Beschäftigungsentwicklung verläuft aber weniger dynamisch als im Bundesdurchschnitt.

Während hier ein Zuwachs von 4,4 Prozent in den Jahren von 2008 bis 2012 verzeichnet werden

konnte, gibt es in der Untersuchungsregion einen Rückgang um 2,5 Prozent.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

99

Tabelle 29: Beschäftigtendaten der Kultur- und Kreativwirtschaft für die Untersuchungsregion

für das Jahr 2012

Untersuchungs-

region Stadt Kiel Deutschland

Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten

15.621 7.412 1.308.265

Wachstum 2008 – 2012 -2,5 -0,1 4,4

Anteil an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten

4,5 6,8 4,5

Spezialisierungskoeffizient1)

98,4 150,9 100,0

1) Spezialisierungskoeffizient: Angabe der Beschäftigungsanteile im Vergleich zu Deutschland in

Prozent. Ein niedriger Koeffizient deutet auf unterdurchschnittlich viele Beschäftigte in der Branche hin, ein hoher auf überdurchschnittlich viele Beschäftigte, der Durchschnitt liegt bei 100.

Quelle: Statistisches Bundesamt (2013): Umsatzsteuerstatistik.

Betrachtet man die Werte der Landeshauptstadt Kiel allein, wird auch bei den Beschäftigtendaten

die hohe Bedeutung des urbanen Raumes für die Kultur- und Kreativwirtschaft deutlich. In der

Stadt Kiel arbeiten insgesamt 7.412 Beschäftigte in Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft.

Damit beträgt der Beschäftigtenanteil an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sogar

6,8 Prozent und liegt damit mehr als 50 Prozent über dem Anteil in der Untersuchungsregion und

dem bundesdeutschen Anteil. Auch die Entwicklungsdynamik verläuft in Kiel erfolgreicher als in

der gesamten Untersuchungsregion.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

100

Tabelle 30: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte der Kultur- und Kreativwirtschaft in Kiel

(2012)

sozialversicherungspflichtig

Beschäftigte relativer Anteil

Spezialisierungs-koeffizient

Entwicklung 2008 – 2012

Musikwirtschaft 605 8,2 380,0 -3,0

Buchmarkt 517 7,0 202,4 -1,5

Kunstmarkt 184 2,5 137,5 1,7

Filmwirtschaft 248 3,3 212,5 41,7

Rundfunkwirtschaft 681 9,2 277,2 31,2

Markt für

darstellende Künste 563 7,6 401,7 -3,1

Designwirtschaft 375 5,1 112,6 -26,8

Architekturmarkt 335 4,5 150,1 11,3

Pressemarkt 474 6,4 109,0 -9,0

Werbemarkt 433 5,8 201,0 -28,1

Software-/Games-

Industrie 2.022 27,3 135,4 11,2

Sonstige 975 13,2 84,6 -8,0

Gesamt 7412 100,0 150,9 -0,1

Quelle: Bundesagentur für Arbeit (2013).

Tabelle 30 zeigt die detaillierte Branchenstruktur der Kultur- und Kreativwirtschaft am Standort

Kiel. Aus der Übersicht wird ersichtlich, dass die Entwicklung in den einzelnen Teilmärkten volatiler

verläuft, als es die Gesamtentwicklung vermuten lässt.

Wie bereits die Analyse zu der Unternehmensstruktur zeigt, hat die Software- und Games-Industrie

mit 2.022 Beschäftigten bzw. 27,3 Prozent den höchsten Anteil an der Kultur- und Kreativwirtschaft

am Standort Kiel. Seit dem Jahr 2008 konnte ein Wachstum von 11,2 Prozent erzielt werden. Die

höchsten Wachstumsraten bei der Beschäftigung erzielen die Branchen Film- und

Rundfunkwirtschaft, wobei diese ein deutlich geringeres Ausgangsniveau aufweisen. Zuwächse

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

101

von mehr als 41 bzw. 31 Prozent zeigen aber eine sehr erfolgreiche Entwicklung am Standort.

Auch die regionalwirtschaftliche Bedeutung dieser beiden Branchen ist mehr als doppelt so hoch

wie im bundesdeutschen Durchschnitt, was auf eine hohe Wettbewerbsfähigkeit dieser Branchen

schließen lässt.

Der Spezialisierungskoeffizient ist ein Maß für die Wettbewerbsfähigkeit der Branchen am

Standort. Werte die größer sind als 100 zeigen an, dass die Branchenkonzentration am

untersuchten Standort höher ist als in der jeweiligen Vergleichsregion, in diesem Fall der gesamten

Bundesrepublik. Je höher der Wert ist, desto höher muss auch die Wettbewerbsfähigkeit bzw.

Standortattraktivität für die jeweilige Branche sein. Die stärkste Branchenkonzentration im

Vergleich weisen die Musikwirtschaft und der Markt für Darstellende Künste auf. In diesen beiden

Branchen arbeiten etwa viermal so viele Beschäftigte wie im Bundesschnitt. Die beiden Branchen

weisen aber keine besondere Entwicklungsdynamik auf und auch nur einen durchschnittlichen

Beschäftigungsanteil. Dahinter folgen die Film- und Rundfunkwirtschaft die, wie bereits erwähnt,

eine sehr hohe Entwicklungsdynamik in den letzten Jahren zu verzeichnen hatten. Werte von über

200, also einer mehr als doppelt so hohen Branchenkonzentration, erreichen auch noch der

Buchmarkt und der Werbemarkt. Insgesamt betrachtet weisen alle elf Teilmärkte

überdurchschnittliche Werte auf, was verdeutlicht, dass die Landeshauptstadt Kiel das Zentrum

der Kultur- und Kreativwirtschaft in der Untersuchungsregion ist. Die Gründe hierfür sind in den

spezifischen Standortbedingungen zu finden, auf die im Kapitel 4.3.1 näher eingegangen wird.

Die Kultur- und Kreativwirtschaft am Standort Kiel hat in den letzten Jahren eine sehr dynamische

Entwicklung vollzogen, die sich insbesondere durch hohe Umsatzzuwächse auszeichnet. Geprägt

wird der Bereich vor allem durch die Software- und Games-Industrie und den Pressemarkt, die die

höchsten Umsätze in der Untersuchungsregion generieren. Bei der Dynamikbetrachtung wird

deutlich, dass die Entwicklung nicht einheitlich über alle Teilmärkte hinweg verläuft. Auch hier

spielt die Software- und Games-Industrie eine führende Rolle auf, gefolgt von der Designwirtschaft.

Mit diesen Schwerpunkten und der insgesamt sehr dynamischen Entwicklung spiegeln sich in der

Region Kiel Trends wider, die auch bundesweit zu beobachten sind. Aufgrund der

überdurchschnittlichen Dynamik, der hohen Konzentration, der Wechselwirkungen mit anderen

Branchen und der engen Verknüpfung mit den Hochschulen am Standort Kiel kommt diesen

beiden Teilmärkten eine besondere Rolle zu.

4.2.2 Strukturelle Analyse: Branchenübergreifende Effekte

Nicht zuletzt wegen ihrer zukunftsweisenden Arbeits- und Organisationsformen lassen sich die

Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft nur sehr schwer als eine homogene Branche

auffassen. Ein erster Versuch, die Kultur- und Kreativwirtschaft in Sektoren zu unterteilen, wurde

von Weckerle und Södermann unternommen.38 Die beiden Autoren teilen die Kultur- und

38 Siehe Weckerle, C. / Söndermann, M. (2003): Das Umsatz- und Beschäftigtenpotenzial des kulturellen Sektors: Erster

Kulturwirtschaftsbericht Schweiz, Zürich.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

102

Kreativwirtschaft in drei Teilbereiche ein: den öffentlichen, den privaten und den intermediären

Sektor.

Der öffentliche Sektor umfasst dabei beispielsweise Museen, staatliche Kunstsammlungen oder

öffentlich rechtliche Rundfunkanstalten. Der private Sektor ist gewinnorientiert und finanziert sich

zum Großteil aus Krediten. Hinsichtlich ihres Tätigkeitsbereichs unterscheiden sich die

Unternehmen in diesem Sektor sehr; so reicht dieser Bereich vom selbstständigen

Softwareprogrammierer bis zum global agierenden Verlagshaus. Der dritte Bereich ist der

intermediäre Sektor. Dieser weist bezüglich seiner Eigenschaften Überschneidungen mit den

beiden zuvor beschriebenen Sektoren aus. So ist er nicht gewinnorientiert wie der öffentliche

Sektor, ist aber bei der Finanzierung auf Gelder von Sponsoren angewiesen.

Es ist offensichtlich, dass sich diese Bereiche nicht trennscharf voneinander abgrenzen lassen und

sich gegenseitig in ihrer Entwicklung beeinflussen. Obwohl das Drei-Sektoren-Modell schon ein

relativ gutes Verständnis der verschiedenen Belange einzelner Gruppen innerhalb der Kultur- und

Kreativwirtschaft ermöglicht, ist es doch für die Zwecke dieses Gutachtens unzureichend

spezifiziert, da es die Verflechtung mit anderen Branchen außerhalb der Kultur- und

Kreativwirtschaft nicht ausreichend aufnimmt.

Deshalb sollen für die Zwecke dieses Gutachtens die einzelnen Teilmärkte anhand von zwei

Kriterien unterschieden werden: (1) dem Verflechtungsgrad und (2) der Gewinnorientierung

(Abbildung 17). Diese Unterteilung stellt neben der individuellen Ausrichtung und Zielsetzung der

Teilmärkte auch ihre wirtschaftliche Relevanz und Intensität der erwerbswirtschaftlichen

Orientierung dar.

Die Anwendung der Teilbereiche auf die beiden Faktoren macht deutlich, dass Teilmärkte, wie die

Designwirtschaft, die Software- und Games-Industrie sowie die Werbebranche, ein besonders

ausgeprägtes Gewinnstreben bei einer gleichzeitig hohen Verflechtung mit anderen Branchen

haben. Im Gegensatz zu diesen drei Teilmärkten steht die Arbeit der übrigen Bereiche der Kultur-

und Kreativwirtschaft – abgesehen vom Architekturwesen – wenig oder gar nicht mit anderen

Wirtschaftszweigen in Verbindung. Außerdem sind Segmente, wie Bibliotheken und Museen sowie

die Rundfunk-und Filmwirtschaft und der kulturelle Wirtschaftszweig, weniger erwerbswirtschaftlich

aufgestellt, sondern überwiegend darauf ausgerichtet, die Städte mit ihrer kulturellen Vielfalt zu

bereichern. Einzig der Handel mit Kulturgütern sowie die Musikwirtschaft und das Verlagswesen

sind zudem noch gewinnorientiert.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

103

Abbildung 17: Verflechtungsgrad und Gewinnorientierung der Teilmärkte

Quelle: IW Consult (2013).

Für dieses Gutachten sind insbesondere die Bereiche der Kultur- und Kreativwirtschaft relevant,

die sowohl stark gewinnorientiert als auch stark mit anderen Branchen verflochten sind. Dies sind

die Teilmärkte der Kultur- und Kreativwirtschaft, die den größten regionalen Nutzen haben und die

am stärksten den Wissenstransfer mit Branchen außerhalb der Kultur- und Kreativwirtschaft

anregen. Aus diesem Grund konzentriert sich die weitere Analyse auf die Designwirtschaft und die

Software- und Games-Industrie. Wie diese beiden Bereiche genau strukturiert sind und welche

Märkte von ihnen bedient werden, steht im Fokus des folgenden Abschnitts.

Schwerpunkt Software und Games

Kiel verfügt über eine Vielzahl von Softwareunternehmen. Die Branche reicht von kleinen

Betrieben und Einzelunternehmern bis hin zu mittelständischen Betrieben. Kleinere Unternehmen

sind eher regional ausgerichtet und versorgen Kunden in und um Kiel mit informationstechnischen

Dienstleistungen. Eine hohe regionalwirtschaftliche Bedeutung haben die größeren und

überregional aktiven Unternehmen. Diese zeichnen sich in der Regel durch eine

überdurchschnittliche Wettbewerbsfähigkeit aus, durch die sie sich im nationalen bzw.

internationalen Wettbewerb durchsetzen können.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

104

Die Größe und die überregionalen Tätigkeitsbereiche der Unternehmen machen die Stadt Kiel zu

dem wichtigsten Standort in Bezug auf Software-Industrien in Schleswig-Holstein. Diese

wissensorientierten Unternehmen konzentrieren sich aufgrund der Urbanität und der vorhandenen

Fachkräfte stark auf den Standort Kiel. Dabei spielt insbesondere die Fachkräfteversorgung eine

entscheidende Rolle und ist ein wesentlicher Standortfaktor für Unternehmen der Branche. Die

Christian-Albrechts-Universität bildet Fachkräfte im Fach Informatik aus und schafft aufgrund des

Instituts für Informatik Kooperationen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft.

Trotz einiger auf die Region Norddeutschland konzentrierter Dienstleister zeigt sich die Mehrheit

der Betriebe im Bereich Software und Games eher überregional ausgerichtet. Diese Ausrichtung

liegt schon im Geschäftsmodell der meisten Softwarehäuser, das sich durch praktisch nicht

vorhandene Grenzkosten des Produkts auszeichnet. Einmal entwickelt, kann ein Programm

beliebig oft abgespeichert und ausgeliefert werden, ohne dass sich dabei die Gesamtkosten

merklich erhöhen. Demnach weisen sie in der Regel wenige Verflechtungen mit der regionalen

Wirtschaft auf.

Die Unternehmen der Branche spielen als Arbeitgeber und Vertreter der Kultur- und

Kreativwirtschaft in Kiel eine wichtige Rolle. Doch nicht nur die ansässigen Unternehmen aus der

Branche Software und Games sind entscheidend, wenn es um die Einschätzung der Relevanz von

IKT-Anwendungen und dem Internet geht. Es ist vielmehr entscheidend, wie stark diese von

Unternehmen in der Region genutzt werden. Für die Nutzung des Internets liegen Daten der IW

Consult aus einer Befragung im Oktober/November 2012 vor. Bei dieser Befragung wurden in 110

deutschen Städten39 jeweils 50 Unternehmen repräsentativ zur Bedeutung des Internets für ihr

Geschäftsmodell40 befragt. Kiel erreichte mit einem Indexwert von 117, bezogen auf den

Durchschnitt des Postleitzahlen-Gebiets 2, einen deutlich überdurchschnittlichen Wert für die

Digitalisierung der Unternehmen am Standort. Hierfür wurde Kiel vom IW Köln, dem Deutschen

Städte- und Gemeindebund (DStGB) und Google mit dem „eTown Award 2013“ ausgezeichnet.

Schwerpunkt Design-Dienstleistungen

In Kiel sind einige namhafte Unternehmen der Designwirtschaft ansässig. Diese sind überwiegend

von kleinteiliger Struktur und verfügen über durchschnittlich zehn Mitarbeiter. Aber auch in diesem

Bereich finden sich zahlreiche Unternehmen, die sich durch ihre innovativen Produkte im

überregionalen Wettbewerb behaupten können. Ähnlich verhält es sich mit den Unternehmen der

Werbebranche, die sehr eng mit der Designbranche verknüpft ist. Die Unternehmen aus der

Werbebranche zählen, ähnlich wie die Unternehmen der Designwirtschaft, zum größten Teil zu

den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Neben Unternehmen mit einem nationalen

Kundenstamm sind aber auch Unternehmen aus der Werbebranche mit einem starken regionalen

39 107 kreisfreie Städte und drei Stadtregionen (Aachen, Hannover, Saarbrücken).

40 Zur Beschreibung der Methodik und Hintergründe siehe: Arnold, R. et al. (2013): Wirtschaft Digitalisiert – Welche Rolle

spielt das Internet für die deutsche Industrie und Dienstleister? IW Consult, Köln, veröffentlicht auf www.iwconsult.de.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

105

Bezug in Kiel ansässig. Das Angebotsspektrum der Unternehmen ist weit gefächert; es reicht von

der Realisierung von Online-Auftritten über die Gestaltung von Printmedien bis hin zur klassischen

und neuen Werbung.

Durch das weite Angebotsspektrum können insbesondere breit aufgestellte Werbeagenturen

Design-Dienstleistungen anbieten. Dies gilt desto mehr für den Bereich des Designs von

Kommunikationsstrategien, -kampagnen und -materialien, welches zum Kerngeschäft der meisten

Agenturen zählt. Insofern ist eine trennscharfe Abgrenzung dieser beiden Felder für die

Durchführung von Design-Dienstleistungen nicht zu treffen.

Die starke Verflechtung der Design- und Werbebranche mit anderen Wirtschaftszweigen ist

offensichtlich. Nahezu jeder Wirtschaftsbereich nimmt Design-Dienstleistungen in Anspruch oder

kommt zumindest theoretisch als potenzieller Kunde infrage. Dieses enorme Marktpotenzial, die

Konzentration der Branche am Standort Kiel und die Ausrichtung der ansässigen Hochschulen

(insbesondere Muthesius Kunsthochschule und Fachhochschule Kiel) auf diesen Bereich machen

ihn zu dem Teilmarkt der Kultur- und Kreativwirtschaft, der das größte Potenzial für Kiel bietet.

Während der kulturelle Beitrag zur urbanen Lebenswelt bei den wenig gewinnorientierten und eher

schwach mit der restlichen Wirtschaft verflochtenen Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft

hoch ist, zeichnen sich die stark auf Gewinn ausgerichteten und verflochtenen Teilmärkte durch

deutliche branchenübergreifende Effekte aus. Im Fokus sollen – wie oben argumentiert – für diese

Studie vor allem Design-Dienstleistungen stehen. Hierfür spricht, dass die Designwirtschaft eine

der Schwerpunktbranchen innerhalb der Kultur- und Kreativwirtschaft in Kiel bildet. Ebenfalls ist

Kiel gut aufgestellt, was die Branche der Werbung betrifft, die ebenfalls oft Design-

Dienstleistungen im Bereich Marketing und Vertrieb erbringt. Die Software- und Games-Industrie

ist dagegen zwar durchaus stark mit anderen Branchen verflochten, es hat sich aber gezeigt, dass

diese Verflechtungen aufgrund des vorherrschenden Geschäftsmodells der Branche eher

überregional als regional sind. Des Weiteren hat der Bereich der Design-Dienstleistungen durch

die inhaltliche Aufstellung der Muthesius Kunsthochschule sowie in Teilen auch der

Fachhochschule Kiel nachweislich eine langfristige und qualitativ hochwertige Ausstattung mit

Fachkräften sowie Forschungskompetenz am Standort.

Aus diesen Gründen konzentriert sich die Befragung der regionalen Wirtschaft (ohne Kultur- und

Kreativwirtschaft) auf die Schnittstellen, die typischerweise zwischen Designwirtschaft und

Werbung im Bereich der Design-Dienstleistungen entstehen. Gerade im Bereich Design kann die

Kultur- und Kreativwirtschaft einen ganz erheblichen Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg anderer

Unternehmen beitragen.41

41 Vgl. unter anderem Goodrich, K. (1994): The Design of the Decade – Quantifying Design Impact Over Ten Years,

Design Management Journal, 5, S. 47-55, oder Roy, R. (1994): Can the Benefits of Good Design be Quantified?, Design Management Journal, 5, S. 9-17.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

106

Befragung der Unternehmen in der Region

Das Ziel der Befragung ist es, die Potenziale der Kultur- und Kreativwirtschaft am Standort für die

Vernetzung mit anderen Branchen näher zu bestimmen. Hierfür wurde die Designwirtschaft als

relevanteste Branche ausgewählt. Sie vereint einerseits ein gewinnorientiertes Vorgehen und

einen hohen Verflechtungsgrad mit anderen Branchen auf sich. Zudem stellt die Designwirtschaft

einen wichtigen Erfolgsfaktor für Unternehmen anderer Wirtschaftszweige dar. Laut einer Studie

des Danish Design Centre (2003) wirkt sich die Inanspruchnahme von Design-Dienstleistungen

positiv auf die Rendite branchenfremder Unternehmen aus. Der wirtschaftliche Mehrwert wird

erzeugt, da Design die Unternehmen differenzierbarer macht und ihre Wettbewerbsfähigkeit auf

nationaler wie auch internationaler Ebene erhöht. Dies spiegelt sich in erhöhten Umsätzen und

steigenden Exportquoten wider.42 Andererseits stellt die Designwirtschaft eine der

Schwerpunktbranchen innerhalb der Kultur- und Kreativwirtschaft am Standort Kiel dar. Darüber

hinaus ergibt sich aus der Ausrichtung der Muthesius Kunsthochschule auch in Zukunft ein

erhebliches Potenzial, um die Relevanz der Designwirtschaft am Standort noch weiter

auszubauen.

Zunächst wird, wie auch schon bei der Befragung zur Kooperation mit den Kieler Hochschulen,

das vorhandene Potenzial zur Inanspruchnahme von Design-Dienstleistungen in der Region

getestet. Die Unternehmen außerhalb der Kultur- und Kreativwirtschaft werden dazu befragt, ob

sie innerhalb ihres Geschäftsprozesses Potenziale sehen, um Design-Dienstleistungen in

Anspruch zu nehmen. Insgesamt werden 1.068 Unternehmen der Region befragt (mit zehn und

mehr Mitarbeitern, Adressen von der IHK zu Kiel zur Verfügung gestellt). Von diesen Unternehmen

geben 34 Prozent an, dass Design in ihrem Unternehmen eine Rolle spielt. Von diesem Drittel der

Unternehmen am Standort führen 37 Prozent der befragten Unternehmen alle Design-Prozesse

intern durch. Bei den übrigen Unternehmen werden diese Prozesse ganz oder teilweise von

angestellten Fachkräften übernommen. Insgesamt sind damit gut ein Fünftel der Unternehmen

potenzielle Kunden für die regionale Design-Dienstleister (Abbildung 18).

42 Vgl. Danish Design Centre (2003): Economic effects of design, Report for National Agency for Enterprise and Housing,

Copenhagen, National Agency for Enterprise and Housing.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

107

Abbildung 18: Zusammenarbeit von Wirtschaft und Design

Quelle: Unternehmensbefragung, IW Consult (2013).

Die Unternehmen, die angeben, dass Design für sie grundsätzlich eine Rolle spielt, und die nicht

alle Design-Prozesse intern regeln, werden näher zur Organisation der Design-Prozesse im

Unternehmen befragt. Konkret werden vier typische Schritte der Wertschöpfungskette definiert, bei

denen Design eine Rolle spielen kann: (1) Produktentwicklung, (2) Produktion, (3)

Vertrieb/Marketing und (4) Service.

Als besonders relevant wird Design von den befragten Unternehmen im Bereich Vertrieb/Marketing

eingestuft. Hier sagen nur 6 Prozent der Unternehmen, dass Design in diesem Bereich für sie

keine Rolle spielt. Bei den anderen Bereichen gibt jeweils die Mehrheit der Unternehmen an, dass

Design keine Rolle für diesen Schritt spielt. Im Bereich Service sind es 58 Prozent. Bei der

Produktion sind es mit 71 Prozent die meisten Unternehmen.

Die restlichen drei Antwortkategorien geben Aufschluss über die Vergabe von Dienstleistungen

geordnet nach den vier Wertschöpfungsschritten. Ein vergleichbarer Anteil von Unternehmen

übernimmt die Design-Dienstleistungen jeweils selbst. Dieser Anteil liegt zwischen 16 Prozent

(Produktion) und 24 Prozent (Vertrieb/Marketing). Diese Unternehmen sind (zumindest innerhalb

des jeweiligen Bereichs) nicht interessant für die Design-Dienstleister am Standort. In der

Hauptsache geht es um die Unternehmen, die tatsächlich Aufträge nach außen vergeben. Bei

einer näheren Analyse zeigt sich jedoch, dass im Gegensatz zu den Unternehmen, die zuvor aus

der Befragung gefiltert wurden, weil sie alle Design-Prozesse intern regeln, diese Unternehmen

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

108

dazu tendieren, nur sehr individuelle Bereiche selbst zu organisieren und die Mehrzahl der

Prozesse nach außen zu vergeben. Gut die Hälfte dieser Unternehmen gibt an, nur einen der vier

abgefragten Design-Prozesse intern zu regeln.

Bei diesen Unternehmen zeigt sich ein insgesamt positives Ergebnis für die Design-Dienstleister

der Region. Ein jeweils gut doppelt so hoher Anteil von Unternehmen vergibt seine Aufträge für

Design-Dienstleistungen in die Region anstatt überregional. Besonders stark ausgeprägt ist dieser

positive Trend im Bereich Vertrieb/Marketing. Hier ist es über die Hälfte der befragten

Unternehmen, die regionale Dienstleister beauftragen. Nur 18 Prozent der Aufträge gehen an

Dienstleister außerhalb der Untersuchungsregion (Tabelle 31).

Tabelle 31: Organisation der Design-Prozesse in Unternehmen

durch Design-Dienstleister

aus der Region

durch überregionale

Design-Dienstleister

intern

Design hierbei nicht

relevant

Produktentwicklung 14 8 17 61

Produktion 8 5 16 71

Vertrieb/Marketing 52 18 24 6

Service 14 6 22 58

Anmerkung: Angaben in Prozent.

Quelle: Unternehmensbefragung, IW Consult (2013).

Zunächst soll die Gruppe der Unternehmen näher betrachtet werden, die Design-Dienstleistungen

an entsprechende Dienstleister innerhalb der Untersuchungsregion vergeben. Diese Unternehmen

wurden bezüglich ihrer Zufriedenheit mit Preis, Ergebnisqualität und Servicequalität innerhalb der

definierten vier Bereiche der Wertschöpfungskette befragt.

Insgesamt zeigen sich die Unternehmen der Region sehr zufrieden mit den gelieferten Design-

Dienstleistungen. Über alle vier definierten Bereiche der Wertschöpfungskette hinweg bewerteten

jeweils rund 90 Prozent der befragten Unternehmen die Qualität der Leistungen mit „sehr gut“ oder

„gut“.

Einzig die Zufriedenheit mit den Preisen fällt niedriger aus. Dies ist jedoch kein Grund zur Sorge,

da Zufriedenheitswerte bei der Beurteilung von Preisen generell schlechter ausfallen. Schlechte

Bewertungen finden sich nur in seltenen Fällen.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

109

75

62

20

19

31

67

6

6

13

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Servicequalität

Ergebnisqualität

Preis

Sehr gut Gut Neutral Schlecht Sehr Schlecht

52

48

15

41

48

52

7

30

4

4

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Servicequalität

Ergebnisqualität

Preis

Sehr gut Gut Neutral Schlecht Sehr Schlecht

Abbildung 19: Zufriedenheit mit den regionalen Design-Dienstleistungen im Bereich

Produktentwicklung

Anmerkung: Angaben in Prozent. Quelle: Unternehmensbefragung, IW Consult (2013).

Abbildung 20: Zufriedenheit mit den regionalen Design-Dienstleistungen im Bereich

Produktion

Anmerkung: Angaben in Prozent.

Quelle: Unternehmensbefragung, IW Consult (2013).

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

110

39

32

16

53

61

55

6

7

28 1

1

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Servicequalität

Ergebnisqualität

Preis

Sehr gut Gut Neutral Schlecht Sehr schlecht

32

32

17

57

57

50

11

11

33

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Servicequalität

Ergebnisqualität

Preis

Sehr gut Gut Neutral Schlecht Sehr Schlecht

Abbildung 21: Zufriedenheit mit den regionalen Design-Dienstleistungen im Bereich

Vertrieb/Marketing

Anmerkung: Angaben in Prozent.

Quelle: Unternehmensbefragung, IW Consult (2013).

Abbildung 22: Zufriedenheit mit den regionalen Design-Dienstleistungen im Bereich

Service

Anmerkung: Angaben in Prozent.

Quelle: Unternehmensbefragung, IW Consult (2013).

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

111

7

5

8

52

64

61

58

26

29

24

27

15

7

10

8

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Produktentwicklung

Produktion

Vertrieb/Marketing

Service

Ausschreibung persönlicher Kontakt Empfehlung Andere

Ähnlich wie schon bei der Kooperation mit den Hochschulen am Standort entscheidet zumeist der

persönliche Kontakt über die Auftragsvergabe an regionale Dienstleister. Über die vier definierten

Bereiche der Wertschöpfungsketten hinweg entstehen so jeweils etwa 60 Prozent der

Entscheidungen für einen regionalen Dienstleister in Sachen Design. Der zweithäufigste Weg, der

zu einer Zusammenarbeit mit einem regionalen Dienstleister führt, ist die Empfehlung z. B.

innerhalb von bestehenden Netzwerken. Gewonnene Ausschreibungen führen im Schnitt zu etwa

6 Prozent der in die Region vergebenen Aufträge (Abbildung 23).

Abbildung 23: Gründe für die Zusammenarbeit in den verschiedenen Bereichen

Anmerkung: Angaben in Prozent.

Quelle: Unternehmensbefragung, IW Consult (2013).

Unternehmen, die in einem bestimmten Bereich nicht mit regionalen, sondern mit überregionalen

Dienstleistern zusammenarbeiten, wurden zunächst danach gefragt, ob sie überhaupt ein

Unternehmen in der Region kennen, das eine entsprechende (passende) Dienstleistung anbietet.

Rund der Hälfte der befragten Unternehmen ist zumindest ein Dienstleister für Design in den

Bereichen Service und Produktentwicklung bekannt. Etwas besser bekannt sind Dienstleister im

Bereich Vertrieb/Marketing. Deutlich weniger regionale Unternehmen kennen entsprechende

Dienstleister im Bereich Produktion. Hier sind es nur 36 Prozent, denen ein solcher Dienstleister

aus der Region bekannt ist (Abbildung 24). Insgesamt kann also ein Teil der Aufträge, die

außerhalb der Region vergeben werden, auf die mangelnde Bekanntheit der regionalen Anbieter

zurückgeführt werden. Insofern sollte hier angestrebt werden, die Sichtbarkeit zu erhöhen.

Page 112: Kiel Standort für Wissenschaft, Innovation und Kreativität · Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen 6 Wettbewerbsfähigkeit aufgrund von nationalen Restriktionen der Forschung

Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

112

47

36

58

50

53

64

42

50

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Produktentwicklung

Produktion

Vertrieb/Marketing

Service

Ja Nein

Abbildung 24: Bekanntheit von zumindest einem Design-Dienstleister

Anmerkung: Angaben in Prozent.

Quelle: Unternehmensbefragung, IW Consult (2013).

Kennt ein regionales Unternehmen einen regionalen Dienstleister und hat auch Design-

Dienstleistungen nach außen zu vergeben, so scheitert die Vergabe an die regionale Wirtschaft

nur relativ selten an der Ergebnis- oder Servicequalität der regionalen Anbieter. In den meisten

Fällen sind andere Gründe für eine überregionale Vergabe verantwortlich. Zu den häufigsten

Nennungen zählen hier, dass Unternehmen von ihren Zentralen dazu verpflichtet werden, mit

einem bestimmten Anbieter zusammen zu arbeiten oder dass schon alte, persönliche

Verbindungen zu Anbietern außerhalb der Region bestehen. Der Preis ist für die Entscheidung, ob

ein Auftrag in die Region geht oder nicht, nur in einem der Fälle der Grund (Abbildung 25).

Insgesamt ist darauf hinzuweisen, dass in der Befragung die Fallzahlen bei dieser speziellen Frage

durch den kleinen Kreis der Unternehmen, die in diese Kategorie fielen, nur sehr klein sind. Daher

sollten die Ergebnisse für diese Frage nur vorsichtig interpretiert werden.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

113

25 25

38

16

17

63

50

84

83

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Produktentwicklung

Produktion

Vertrieb/Marketing

Service

Die Anbieter in der Region sind zu teuer

Die Servicequalität entspricht nicht unseren Erwartungen

Die Ergebnisqualität entspricht nicht unseren Erwartungen

Andere

Abbildung 25: Entscheidender Grund für Zusammenarbeit

Anmerkung: Angaben in Prozent.

Quelle: Unternehmensbefragung, IW Consult (2013).

Fazit

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es durchaus Potenzial für Design-Dienstleister am

Standort gibt. Gut ein Fünftel der befragten Unternehmen kommen als Kunden für diese Branche

infrage. Eine vergleichbare Studie aus Dänemark zeigt aber, dass dieses Potenzial noch erweitert

werden kann.43 Dort vergeben fast doppelt so viele Unternehmen die Organisation ihrer Design-

Prozesse an externe Design-Dienstleister. Auch der Anteil der dänischen Unternehmen, die

Design in ihrem Geschäftsablauf als relevant einstufen, ist um ein Drittel höher als in Kiel, was auf

eine größere Affinität zum Thema Design bzw. auf ein erhöhtes Bewusstsein für dessen

Bedeutung schließen lässt. Vor diesem Hintergrund gilt es, die Sichtbarkeit der Designkompetenz

am Standort zu erhöhen. Hier sind alle Partner der Kooperationsgemeinschaft gefragt,

insbesondere aber die Muthesius Kunsthochschule.

Zunächst beschäftigt sich der folgende Abschnitt aber mit den Standortbedingungen, die für die

Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft entscheidend sind, und mit der aktuellen Situation

innerhalb der Untersuchungsregion.

43 Vgl. Danish Design Centre (2003): Economic effects of design, Report for National Agency for Enterprise and Housing,

Copenhagen, National Agency for Enterprise and Housing.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

114

4.3 Cluster und Quartiere der Kultur- und Kreativwirtschaft

In der Kultur- und Kreativwirtschaft sind Clusterbildungen im klassischen Sinn, also die lokale

Ansiedlung von Firmen um eine Wertschöpfungskette oder einen Stoffkreislauf herum um

gegenseitige Synergien zu erwirtschaften, eher die Ausnahme. Sie lebt dagegen von Clustern im

Sinne von Quartieren und den Milieus, die sich daraus ergeben. Dies ergibt sich aus der

heterogenen Struktur der Kultur- und Kreativwirtschaft und ihrer Teilmärkte (siehe oben).

Generell wirkt sich die Bildung von Clustern positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit der zugehörigen

Unternehmen aus. Denn die daraus resultierenden Wissenstransfers und Spill-over Effekte

erhöhen das Innovationspotenzial der Unternehmen und führen folglich zu Wachstum und

Wohlstand. Aber nicht nur Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft profitieren von Clustern,

sondern auch andere beteiligte Akteure und Institutionen, wie Hochschulen oder

Forschungsinstitute.

4.3.1 Standortbedingungen für die Kultur- und Kreativwirtschaft

Trotz der angesprochenen Unterschiede innerhalb der Teilmärkte der Kultur- und Kreativwirtschaft

ist den Akteuren der Branche das schöpferische Tun gemeinsam. Sie wollen gestalten, ihre

Produkte und Dienstleistungen genauso wie ihre Umgebung. Aufgrund ihrer besonderen Arbeits-

und Lebensweise unterscheiden sich die Standortanforderungen der Kultur- und Kreativwirtschaft

von den Ansprüchen anderer Branchen. Die Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft legen

großen Wert auf zentrumsnahe und urbane Standorte mit guten Verkehrsanbindungen. Da viele

Unternehmer neben der Tätigkeit in der Kultur- und Kreativwirtschaft weitere Beschäftigungen

ausüben, gehören kurze Wege und eine belebte Umgebung zu ihren Standortanforderungen. Eine

hohe Stellung haben auch Faktoren, wie die Architektur, die Geschichte und das Flair der

Immobilie oder der Stadtteile, da sich die Akteure mit diesen identifizieren und sie das Image sowie

die Außenwahrnehmung der Unternehmen beeinflussen. Darüber hinaus spielt das Arbeitsumfeld

in der Kultur- und Kreativwirtschaft im Vergleich zu anderen Branchen eine übergeordnete Rolle.

Ein tolerantes, kulturinteressiertes und kreatives Umfeld sowie die Nähe zu kulturellen

Einrichtungen, wie Museen oder Theatern, werden bevorzugt. Demnach sind Gründerzeitviertel

besonders attraktiv, da diese häufig durch ihre kleinteilige Struktur, die zahlreichen Gewerbe- und

Einzelhandelsflächen, ihre Nutzungsmöglichkeiten in den Hinterhöfen, ein kreatives Ambiente und

ein urbanes Flair geprägt sind.

Da ein großer Anteil der in der Kultur- und Kreativwirtschaft tätigen Personen selbstständig ist und

oftmals der Wohnort der Akteure zugleich ihr Arbeitsraum ist, sind günstige Mietpreise ein äußerst

wichtiger Standortfaktor für die Kultur- und Kreativwirtschaft. Im Vergleich mit anderen deutschen

Großstädten herrscht in Kiel ein sehr moderates Mietniveau. Insgesamt liegen die Mietpreise in

Kiel auf dem gleichen Niveau wie in der Bundeshauptstadt Berlin. Allerdings liegen die Mieten in

den stark nachgefragten Quartieren Berlins, in denen auch große Teile der Kultur- und

Kreativwirtschaft beheimatet sind, inzwischen deutlich über diesem Durchschnittspreis und weisen

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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in den letzten Jahren hohe Zuwachsraten auf. Die vergleichsweise geringen Mietpreise sind ein

Standortvorteil für die Kieler Kultur- und Kreativwirtschaft im Wettbewerb mit ihrer Konkurrenz aus

anderen deutschen Großstädten (siehe Abbildung 26).

Abbildung 26: Mietpreise in ausgewählten deutschen Großstädten

Anmerkung: Angaben in Prozent, Quadratmetermiete Wohnung ca. 70 m2 ab 1949,

Zustand: gut.

Quelle: IVD (2013).

Abgesehen von einem zentrumsnahen sowie historisch und kulturell geprägten Umfeld sind

ebenfalls Immobilien, die leer stehen, oder Stadtteile, die sich im Umbruch befinden, gefragt. Diese

vernachlässigten Räume ermöglichen den Akteuren der Kultur- und Kreativwirtschaft eine

individuelle und freie Gestaltung sowie die Ausarbeitung eines innovativen und eigenständigen

Raumnutzungskonzepts. Zudem sind diese Immobilien aufgrund ihrer geringen Nachfrage auch für

kleine Unternehmen und Selbstständige finanzierbar.

So entwickeln sich die vom Strukturwandel und der Deindustrialisierung gekennzeichneten

Quartiere und Räume zu Kreativmilieus und Möglichkeitsräumen. Ein internationales Beispiel für

die Schaffung kreativer Milieus bietet Amsterdam. Hier wurde das Büro Broedplaatsen (Brutplatz)

gegründet, das Raummöglichkeiten für kleinteilige kultur- und kreativwirtschaftliche Unternehmen

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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zu günstigen Konditionen bereitstellt. Dadurch werden insbesondere kleine Unternehmer und

Selbstständige der Branche gefördert und der Aufbau von branchenspezifischen Netzwerken

ermöglicht. Aber nicht nur strukturschwache Viertel, sondern auch einzelne leer stehende und

oftmals denkmalgeschützte Gebäude und brachliegende Industrieflächen werden gerne von der

Kultur- und Kreativwirtschaft zu Nutzflächen umfunktioniert.

Neben den finanziellen und soziokulturellen Rahmenbedingungen werden auch die

organisatorischen und technischen Standortansprüche in der Kultur- und Kreativwirtschaft hoch

gewichtet. Hierzu zählen Faktoren wie die Vielfalt bezüglich der Nutzbarkeit der verfügbaren

Räume und ein geringer Bürokratieaufwand. Je nach Teilbranche werden die Räume von den in

der Kultur- und Kreativwirtschaft tätigen Personen für unterschiedliche Zwecke genutzt: als Büro-

und Verkaufsflächen, Proberäume und Produktionsstätten sowie als Lagerräume. Die Flexibilität

und Vielfalt hinsichtlich der Nutzbarkeit der Räumlichkeiten spielt demnach eine wichtige Rolle bei

der Standortwahl für Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft.

Neben den genannten Beispielen bieten Coworking- und Roomsharing-Konzepte interessante

Alternativen. Bei diesen Konzepten können voll ausgestattete Raumflächen nach Bedarf genutzt

und angemietet werden. Die Akteure haben hierbei die Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen und

Netzwerke aufzubauen. Zumeist profitieren sie von geringen Mietkosten, da diese sich nach der

Nutzungsdauer berechnen und nicht fix anfallen. Ein weiteres Konzept der alternativen

Flächennutzung ist die Zwischennutzung, bei der Räume oder Flächen für eine befristetet Zeit

angemietet werden. Besonders Stadtteile mit vielen Brachflächen und hohen Leerstandsquoten

können für die Zwischennutzung verwendet werden. In Magdeburg fand im Jahr 2013 auf einem

brachliegenden Werksgelände acht Wochen lang das Kunst- und Kulturfestival „Mystique“ statt.44

Auf rund 20.000 Quadratmeter stellten mehr als 100 Künstler aus dem In- und Ausland ihre Werke

aus und lockten rund 15.000 Besucher an. Neben der kostengünstigen Nutzungsmöglichkeit

aufgrund der geringen Fixkosten bieten diese Konzepte optimale Vernetzungsmöglichkeiten mit

anderen Teilmärkten der Branche und eine erhöhte Sichtbarkeit des gesamten Sektors.

Eine wesentliche Rolle bei der Entstehung von Clustern spielt demnach das Vorhandensein

geeigneter Rahmenbedingungen. Diese erleichtern die geschäftlichen Aktivitäten und bringen

relevante Akteure zusammen. Neben der Bereitstellung einer physischen Infrastruktur – in Form

von günstigen Mieten für die Räumlichkeiten oder frei verfügbarer technischer Ausstattung – sind

auch die virtuellen Grundvoraussetzungen, beispielsweise der freie Zugang zu Datenbanken oder

eine gut ausgebaute Breitbandversorgung, zu erfüllen. 45 Diese Rahmenbedingungen finden sich

eher in urbanen Räumen. Aufgrund dessen ist die Konzentration der Akteure der Kultur- und

Kreativwirtschaft in Städten höher als in eher ländlich geprägten Regionen.

44 http://ankerev.boerde.de.

45 Vgl. Kind, S. / Meier zu Köcker, G.(2012): Developing Successful Creative & Cultural Clusters – Measuring their

outcomes and impacts with new framework tools.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

117

Die Analyse der Standortanforderungen der Kultur- und Kreativwirtschaft belegt, dass

insbesondere urbane Räume – und damit innerhalb der Untersuchungsregion überwiegend das

Kieler Stadtgebiet – von Akteuren der Kultur- und Kreativwirtschaft bei der Standortwahl in

Betracht gezogen werden. Im Standortwettbewerb mit den deutschen Zentren der Kultur- und

Kreativwirtschaft, wie Berlin oder Hamburg, zählt Kiel aber nur zu den kleineren Standorten. In den

Expertengesprächen in der Region werden die Nachteile gegenüber den genannten Zentren auch

deutlich angesprochen. So geben die Vertreter der Kultur- und Kreativwirtschaft an, dass ihnen ein

höherer Grad an Urbanität und ein breiteres kreatives Umfeld fehlt. Trotz insgesamt guter

Verkehrsanbindung – sowohl durch öffentliche Verkehrsmittel als auch über die Autobahn – fühlen

sich viele Vertreter der Kultur- und Kreativwirtschaft (wie auch anderer Branchen) am Standort

vom Rest Deutschlands abgeschnitten. Die gefühlten Distanzen sind dabei deutlich größer als die

tatsächlichen. Einzig die Landeshauptstadt Kiel als wirtschaftliches und kulturelles Zentrum der

Untersuchungsregion bildet hier die Ausnahme. Folglich konzentriert sich die Analyse der Kultur-

und Kreativwirtschaft in der Untersuchungsregion schwerpunktmäßig auf die Landeshauptstadt.

4.3.2 Ansätze für die Stadtentwicklung

Die Kultur- und Kreativwirtschaft rückte in den letzten Jahren immer stärker als wichtiger

Standortfaktor in den Fokus. Diesem Bereich werden in einer zunehmend wissensorientierten

Gesellschaft wichtige Funktionen in Bezug auf Imagebildung, Lebensgefühl und Wirtschaftsfaktor

zugeschrieben. Mit der Entwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft sind demnach vielfältige

Hoffnungen – auch auf eine Förderung des wirtschaftsstrukturellen Wandels – verknüpft. Mögen

diese Hoffnungen teilweise überzogen sein, so zeigt die Kultur- und Kreativwirtschaft doch

durchaus eine Perspektive auf, die sich in anderen Branchen in Form eines Wandels hin zur

Wissensgesellschaft vollzieht. Insofern nehmen die Bedarfe der Kultur- und Kreativwirtschaft in

Bezug auf den Städtebau teilweise Entwicklungen vorweg, die sukzessive viele Bereiche der

Wirtschaft treffen werden. Konsequenterweise ist es also ratsam, sich städtebaulich auf die im

Folgenden aufgeführten Bedürfnisse und entsprechenden Handlungsempfehlungen einzulassen.

Häufig wird kolportiert, dass die Ansiedlung von Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft in

benachteiligten und leeren Stadtteilen städtebauliche Probleme durch das Sprießen eines

kreativen und urbanen Flairs beheben kann. Eine solche deterministische Sichtweise ignoriert

jedoch die Handlungsfreiheit und die soziale Lebenswelt der Akteure. Von einer Ansiedlung kann

eigentlich nicht gesprochen werden. Vielmehr muss die Attraktivität eines Quartiers für sich selbst

sprechen und der Antrieb zum Einzug muss aus den Reihen der Akteure der Kultur- und

Kreativwirtschaft kommen. Hat das Quartier keine inhärente Attraktivität, so bestehen auch wenige

Chancen, gerade eine Zielgruppe wie die Kultur- und Kreativwirtschaft zum Einzug oder Umzug

bewegen.

Verfügt ein Quartier über eine solche inhärente Attraktivität, so kann unter der Voraussetzung,

dass es am Standort eine kritische Masse an Akteuren der Kultur- und Kreativwirtschaft gibt, ein

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

118

Entdeckung Vernetzung Image-wandel

Förderung Umstruktu-

rierung Ver-

marktung

vergleichsweise schneller Wandel eines potenziell als Problemviertel angesehenen Quartiers

stattfinden. Doch selbst dann dauert ein solcher Prozess noch mehrere Jahre.

Idealtypischer städtebaulicher Veränderungsprozess

Grundsätzlich suchen Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft aufgrund der geringen finanziellen

Ressourcen Wohn- und Arbeitsräume meist in strukturschwachen Stadtteilen mit vielen

Leerständen und Brachflächen. Neben dem niedrigen Preis müssen diese Räume jedoch auch

weitere Anforderung im Hinblick auf Lage, Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel, Größe und

Ausstattung erfüllen. Werden ansprechende und preiswerte Immobilien gefunden, erfolgen die

ersten Ansiedlungen von Unternehmen und Ateliers. Durch bestehende Netzwerke gewinnt der

Standort an Bekanntheit und zieht weitere Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft an. Da noch

Leerstände bestehen, ist an diesem Punkt die Erhöhung der Aufmerksamkeit des Quartiers und

ein Imagewandel empfehlenswert. So können beispielsweise Events und Ausstellungen organisiert

und flexible Nutzungsformen – wie die Zwischennutzung oder Coworking Spaces – unterstützt

werden.

Die erhöhte Aufmerksamkeit und der Imagewandel zum kreativen Quartier führen zum Ausbau und

zur Aufwertung der Infrastruktur und öffentlicher Plätze durch private und kommunale

Investitionen. Dadurch wird die Außenwahrnehmung des Stadtteils zunehmend positiver, was zur

Folge hat, dass bereits etablierte Firmen an den Standort ziehen. Hochpreisige Restaurants, Cafés

und Boutiquen folgen und tragen zur Aufwertung des Stadtteils bei. Da die Nachfrage nach

Immobilien nun steigt, erhöhen sich die Mietpreise und Lebenshaltungskosten. Infolgedessen

verlassen einige kleine Unternehmen und Selbstständige häufig den Stadtteil. Das Quartier wird

nicht mehr aufgewertet, sondern komplett umstrukturiert. Neben soziokulturellen erfolgen auch

bauliche Veränderungen, da die Immobilien oftmals von Investoren aufgekauft und umgebaut

werden. Die Vermarktung als Kreativquartier treibt das Preisniveau der Immobilien hoch und kann

zu einer Verdrängung der Kultur- und Kreativwirtschaft führen (Abbildung 27).

Abbildung 27: Städtebaulicher Entwicklungsprozess

Quelle: IW Consult (2013).

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

119

Die Betrachtung der Kultur- und Kreativwirtschaft für die städtebaulichen Entwicklungsprozesse

macht deutlich, dass die Branche ein bedeutender Anstoß bei Stadtentwicklungsprozessen ist. Aus

regionalökonomischer Sicht stellt das Vorhandensein einer starken kreativen Klasse aber auch

einen zunehmend bedeutenden Standortfaktor dar. Mit der wachsenden Wissensintensivierung

weiterer Teile des wirtschaftlichen Lebens gehen von diesem Segment wichtige Impulse zur

Innovationsförderung und damit zur Produktivitätssteigerung aus.

4.3.3 Situation in Kiel

In Kiel konnten zwei Quartiere identifiziert werden, die aufgrund einer hohen Dichte an

Unternehmen und Netzwerken aus der Kultur- und Kreativwirtschaft auf das Vorhandensein

kreativer Milieus hindeuten. Hierbei handelt es sich um das „Muthesius-Quartier“ sowie das

„Ostufer-Quartier“. Neben diesen Kreativ-Quartieren gibt es in Kiel noch weitere Quartiere, wie das

„CAU-Quartier“ und das „Maritime Viertel/Anscharpark“, in denen sich die Kultur- und

Kreativwirtschaft zumindest ansatzweise etabliert hat.

Muthesius-Quartier

Das „Muthesius-Quartier“ umfasst die Gegend rund um die Muthesius Kunsthochschule und ist

aufgrund der Standortanalyse das einzige selbstständig funktionierende Kreativ-Quartier in Kiel.

Hier haben sich bereits zahlreiche Vertreter der Kultur- und Kreativwirtschaft niedergelassen bevor

die Muthesius Kunsthochschule das neue/alte Gebäude bezogen hat. Die Kunsthochschule bildet

den Nukleus in dem Kreativ-Quartier, das zugleich von einer Vielzahl von Galerien und Ateliers,

spezifischen Einzelhandelsgeschäften sowie Bars und Restaurants geprägt wird. Ein Beispiel für

die besondere Dynamik und Kreativität findet man in der Gegend rund um den Jägersberg,

Dreiecksplatz, Legien- und Wilhelminenstraße. Die Gegend zeichnet sich durch zahlreiche junge,

kreative und dynamische Geschäftsideen aus, die sich durch individuelle Konzepte auszeichnen

und von kreativen Geschäftsleuten geführt werden. In der „Wilhelmine“ hat sich eine Vielzahl

dieser kleinen inhabergeführten Geschäfte, Galerien und Ateliers zusammengeschlossen, um die

Verzahnung der Akteure und die Sichtbarkeit des kreativen Viertels zu fördern. Hierfür werden

zahlreiche Aktionen, wie beispielsweise eine Vernissage, wo jungen Künstlern die Möglichkeit

geben wird, ihre Kunstwerke auszustellen und zu verkaufen, initiiert. Ebenfalls in der

Wilhelminenstraße ansässig ist der Kunstverein „Kunstraum B“, der Galerieräume im Bereich der

bildenden Kunst anbietet. Anfang August 2012 siedelte sich der Verein – parallel zum Umzug der

Muthesius Kunsthochschule – in der „Wilhelmine“ an. Der Verein verfolgt ein Konzept mit

wöchentlich wechselnden Ausstellungen. Ziel ist es, Künstler aus Kiel und dem gesamten

norddeutschen Raum sowie den baltischen Ländern sowie Polen und Russland zu präsentieren.

Einen weiteren Beitrag zur Entwicklung eines kreativen Millieus hat die Zwischennutzung des

stillgelegten Lessingbades geleistet. Neben Ausstellungen von der Muthesius Kunsthochschule ist

hier beispielsweise das Coworking-Konzept eingeführt worden. In der ehemaligen Damenumkleide

des Bades entstand der Coworking Space „Werksbad“, der Platz für Akteure der Kultur- und

Kreativwirtschaft bietet. Jedoch ist die Zwischennutzung des Werksbades zeitlich beschränkt und

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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endet zum Oktober 2013. Die gründerzeitliche Anmutung des Viertels trägt insgesamt wesentlich

zur Identitätsbildung der Kultur- und Kreativwirtschaft bei.

Ostufer-Quartier

Ein weiteres Stadtviertel, das durch die Kultur- und Kreativwirtschaft geprägt wird, ist das „Ostufer-

Quartier“. Neben der Entstehung von Clustern und Netzwerken der Kultur- und Kreativwirtschaft,

tragen auch hier ansässige staatliche Institutionen zur Etablierung eines kreativen Milieus am

Ostufer bei. Zu nennen ist hier die Technische Fakultät der Christian-Albrechts-Universität, die

Musikschule Kiel sowie die Fachhochschule Kiel. Zudem ist das Wirtschaftsbüro Gaarden im

„Ostufer-Quartier“ ansässig. Dieses hat es sich zum Ziel gesetzt, die Kultur- und Kreativwirtschaft

zu fördern. Hierfür kooperiert das Wirtschaftsbüro mit den Hochschulen und

Existenzgründungsbegleitungen der Kreativwirtschaft, unterstützt Veranstaltungen, wie die

„Gaardener Kulturtage“ oder Straßenmusikfestivals, und entwickelt ein Kulturmanagement.

Die Fachhochschule hat ihre kultur- und kreativwirtschaftlichen Aktivitäten unter der Plattform

„Kulturinsel Dietrichsdorf“ gebündelt. Die Kulturinsel bietet ein breites Spektrum an Einrichtungen,

wie den Mediendom, das Computer- und Gießereimuseum sowie den „Bunker-D“ mit Galerie. Bei

dem Projekt „Bunker-D“ handelt es sich um die provisorische Herrichtung eines brachliegenden

Bunkers, die von den Kieler Studierenden initiiert wurde.

Abgesehen von den staatlichen Institutionen ist im Ostufer-Quartier die Bildung von kreativ- und

kulturwirtschaftlichen Clustern zu beobachten. Beispielhaft dafür sind der „mediahof“ in der

Werftstraße oder die „W8 Kultschmiede“ in der Werftbahnstraße. 46 Hier haben sich in den

ehemaligen Produktionsstätten des Achterbahn Verlags, dem Herausgeber der „Werner“-Comics,

inzwischen knapp 100 Kreative aus zahlreichen Bereichen der Kultur- und Kreativwirtschaft

angesiedelt, die zumeist unabhängig voneinander agieren, jedoch bei regelmäßigen gemeinsamen

Veranstaltungen, wie z. B. Stammtischen, in Austausch treten und sich so gegenseitig inspirieren.

Teilweise werden so auch gemeinsame Projekte realisiert.

Daneben dient die „Halle 400“ als multifunktionale Eventlocation für diverse Veranstaltungen aus

dem Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft, wie Konzerte, Conventions, Theateraufführungen

oder Galerieausstellungen. Auch das Theater im Werftpark, das Ende der 1980er Jahre aus dem

ehemaligen Kino entstand, bietet Theatervorstellungen speziell für Kinder und Jugendliche an. Es

verfügt über zwei Veranstaltungsräume, in denen pro Saison mehr als 200 Aufführungen

stattfinden.

Ein etabliertes Netzwerk im „Ostufer-Quartier“ ist der im Jahr 1996 gegründete Künstler 34 e. V. –

„K34“. Der Verein wurde überwiegend von in Kiel lebenden Künstlern gegründet und hat das Ziel,

eine Plattform für Künstler und Kultur- und Kunstinteressierte zu errichten und deren Interessen in

46 http://www.werftbahn.de.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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der Politik und Öffentlichkeit zu vertreten. In diesem Zusammenhang betreibt der Verein eine

Galerie in der Medusastraße, in dem regelmäßig Ausstellungen, Veranstaltungen und Workshops

zu Themen, wie beispielsweise das Drucken von Flyern oder experimentelles Kino, stattfinden.

Hierbei kooperiert „K34“ mit anderen Künstlern und Galerien. Der Verein ist stark im Internet

präsent; neben dem Betreiben eines eigenen Internetradios und der Vereins-Webseite, stellt „K34“

eine Online-Galerie der Künstler und Ausstellungen bereit und betreibt den Internetblog

„Blogbeirat“, in dem man die Sitzungen des Gaardener Ortsbeirat begleiten und Tonmitschnitte

von öffentlichen Sitzungen anhören und kommentieren kann. Seit Mitte März 2013 hat sich eine

Gruppe von Künstlern im ehemaligen Schlecker angesiedelt. Die temporäre Zwischennutzung der

ehemaligen Filiale durch den Verein ist ein Beispiel für die Möglichkeiten, die die Kultur- und

Kreativwirtschaft im Bereich der Quartiersaufwertung bietet.

Eine weitere Entwicklung, die die Clusterbildung der Kultur- und Kreativwirtschaft im Ostufer-

Quartier verstärkt hat, war die Gründung des „Restaurationszentrums“ zu Beginn des Jahres 2011.

Freiberufliche Restauratoren verschiedener Fachbereiche aus Schleswig-Holstein bezogen

gemeinsam Atelierräume und Werkstätten in der Kaistraße, um von interdisziplinärer

Zusammenarbeit und langjähriger Erfahrung zu profitieren. Zudem bietet das

Restaurationszentrum regelmäßig Veranstaltungen wie Vorträge, Fortbildungen oder Führungen

an. In dem Gebäude haben sich auch zahlreiche Ateliers angesiedelt, die von Künstlern aus den

verschiedenen Bereichen der Kultur- und Kreativwirtschaft geführt werden. Die hier ansässigen

Künstler haben Ende des Jahres 2012 zusammen mit dem Restaurationszentrum den

gemeinnützigen Verein Kulturwerft e.V. gegründet, der als Dachorganisation für die Aktivitäten

dient.

Weitere potenzielle Quartiere

In Kiel gibt es neben den beiden genannten Kreativ-Vierteln weitere Quartiere, in denen

Entwicklungspotenziale für kreative Milieus bestehen. Hierbei handelt es sich beispielsweise um

das „CAU-Quartier“. Die Umgebung der Christian-Albrechts-Universität mit dem

Wissenschaftspark und seinen Einrichtungen zählt zum Kern der Innovationswirtschaft in der

gesamten Untersuchungsregion, was bereits bei der Beschreibung der Aktivitäten des

Wissenstransfers deutlich wurde. Für die Kultur- und Kreativwirtschaft ist insbesondere die

Wirkung auf die umliegenden Wohnquartiere von Bedeutung. Die studentische Prägung in

unmittelbarer Nähe zur Christian-Albrechts-Universität bewirkt die Etablierung eines Kreativen

Milieus, das insbesondere durch die typische Infrastruktur (Ateliers, Bars und Restaurants) sichtbar

wird. In dieser Umgebung lassen sich kreativ arbeitende Unternehmen/Unternehmer gern nieder.

Ein weiteres Areal, das sich durch außergewöhnlichen Aufbau und kultur- und

kreativwirtschaftliches Flair auszeichnet, ist das ehemalige Kasernengelände im „Maritimen

Viertel“. In dem sich im Umbruch befindenden und denkmalgeschützten Quartier steht bereits das

Atelierhaus, das seit dem Jahr 2011 vor allem von bildenden Künstlern und Designern benutzt

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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wird. Insgesamt werden hier 14 Studios unterschiedlicher Größe vermietet, darunter auch zwei

großräumige Studios, die Möglichkeiten für Kooperation und Wissensaustausch bieten. Ziel des

Atelierhauses ist es, die Arbeit der Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft sichtbar zu machen.

Hierfür ist auch die ca. 190 Quadratmeter große Ausstellungs- und Präsentationsfläche geeignet,

die für künstlerische Veranstaltungsprogramme genutzt werden kann.

4.4 Kooperationen und Netzwerke der Kultur- und Kreativwirtschaft

Neben den genannten städtebaulichen und wirtschaftlichen Effekten, die sich durch Cluster

ergeben, tragen auch Kooperationen und Netzwerke wesentlich zu einer erhöhten

Wettbewerbsfähigkeit durch Ausstrahlungseffekte und Wissenstransfers bei. Aufgrund der

beschriebenen Strukturen der Kultur- und Kreativwirtschaft bilden Netzwerke und Kooperationen

eine Möglichkeit, die inhaltlichen und strukturellen Defizite der Branche auszugleichen. Denn durch

Netzwerke wird Vertrauen zwischen den beteiligten Akteuren und Unternehmen geschaffen, was

sich wiederum positiv auf Kooperationen auswirkt. Die Zusammenarbeit der Akteure und die

Vernetzung mit Unternehmen aus anderen Wirtschaftsbranchen bietet somit Potenzial für die

Schaffung von Synergieeffekten. Denn Kooperationen steigern das Innovationspotenzial der

Unternehmen, was wiederum in einem wirtschaftlichen Mehrwert resultiert.

Da die Bildung von Netzwerken schwerpunktmäßig unterschiedliche Zielsetzung verfolgen kann,

erfolgt im Rahmen dieses Gutachtens eine Abgrenzung zwischen informellen und formellen

Netzwerken.

Zu den formellen Netzwerken gehören Netzwerke, die auf die Schaffung eines Mehrwerts für die

Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft abzielen. Der Mehrwert wird durch Beratungsangebote,

Lobbyarbeit oder die Bereitstellung branchenspezifischer Informationen erreicht. Insbesondere

kleine Unternehmen und Existenzgründer profitieren von einer zentralen Anlaufstelle, die sich mit

den Belangen der Akteure befasst. Außerdem kann die Bereitstellung von Experten und

Schulungen die betriebswirtschaftlichen Kompetenzen und Fähigkeiten der in der Kultur- und

Kreativwirtschaft tätigen Personen erhöhen und weiterentwickeln. Neben der Professionalisierung

der Akteure bilden Netzwerke zudem die Möglichkeit, branchenfremde Unternehmen und Akteure

für die Kultur- und Kreativwirtschaft zu sensibilisieren und die Branche nach außen sichtbarer zu

machen. Bei den informellen Netzwerken steht der persönliche Kontakt im Vordergrund. Durch

Gespräche und Veranstaltungen wird hier insbesondere der informelle Wissenstransfer gefördert.

Der Austausch der Akteure kann sich positiv auf die Kreativität und Kooperationsbereitschaft der

Beteiligten auswirken.

Daneben ist auch zwischen Netzwerken zu unterscheiden, welche die Akteure der Kultur- und

Kreativwirtschaft teilmarktintern vernetzen, und solchen, die auf eine Vernetzung innerhalb der

Teilmärkte über Branchengrenzen hinweg mit anderen Wirtschaftszweigen oder öffentlichen

Einrichtungen, wie Hochschulen und Forschungseinrichtungen, abzielen. Wie bereits erläutert, ist

das Vernetzungspotenzial der einzelnen Teilbereiche der Kultur- und Kreativwirtschaft mit anderen

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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Wirtschaftszweigen sehr unterschiedlich. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der teilmarktinternen

Verflechtung. Während durch Verbandsstrukturen gekennzeichnete Bereiche, wie die

Designwirtschaft oder die Software- und Games-Industrie, hohes Vernetzungspotenzial haben,

erscheint die teilmarkt- oder branchenübergreifende Vernetzung anderer Teilbranchen der Kultur-

und Kreativwirtschaft aufgrund ihrer Heterogenität eher schwierig.

4.4.1 Situation in der Untersuchungsregion

Es existieren zahlreiche Netzwerke, Kooperationen und Interessenvertretungen für den Bereich

der Kultur- und Kreativwirtschaft in der Untersuchungsregion. Diese Angebote reichen von der

„Kultur.Datenbank“ über die „Kieler Kunstmeile“, bis zum „Kreativstammtisch“. Im Folgenden

werden ausgesuchte Projekte vorgestellt werden, die von hoher Bedeutung für die

Untersuchungsregion sind oder einen besondere Ansatz verfolgen.

Das Programm „Kultur macht stark – Bündnisse für Bildung“, dessen Planung und Durchführung in

der Hand lokaler Bündnissen liegt und das von 2013 bis 2017 durch das Bundesministerium für

Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird, bietet Maßnahmen kultureller Bildung. Ziel des

Programms ist es, neue Bildungschancen insbesondere für benachteiligte Kinder und Jugendliche

zu eröffnen. Zugleich sollen auf lokaler Ebene unterschiedliche Bildungsträger möglichst nah mit

den Kindern und Jugendlichen vernetzt werden. Hierfür wurde die Plattform „Kultur.Datenbank

Schleswig Holstein“ errichtet, auf der kulturelle Bildungsangebote dargestellt werden. Dieses

Netzwerk erhöht die Sichtbarkeit der Kulturwirtschaft und bringt den Kindern und Jugendlichen die

kulturelle Bildung näher.

Weitere offizielle Arbeitsgruppen und Initiativen finden sich beispielweise beim „Nordkolleg“ in

Rendsburg und auf Basis der „Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung“.

Norman Schulz, als regionaler Ansprechpartner des Kompetenzzentrums der „Initiative Kultur- und

Kreativwirtschaft der Bundesregierung“, berät Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft im

gesamten norddeutschen Bereich. Dabei gibt er konkrete Tipps zur Gründung und Führung von

Unternehmen. Die Beratung wird zweimal im Monat kostenfrei angeboten und richtet sich

insbesondere an Existenzgründer, Mikrounternehmen und Freiberufler. Außerdem sorgt Herr

Schulz für den Wissenstransfer und die Vernetzung der Branche. Neben den individuellen

Beratungsterminen bei Herrn Schulz, bietet die Initiative regelmäßig eine Reihe von

Netzwerktreffen unter dem Namen „Creative Monday Nord“ an. Bei den „Creative-Monday“-Treffen

kommen Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft in norddeutschen Städten zusammen und

halten Podiumsdiskussionen ab oder hören Vorträge zu wirtschaftlichen und anderen relevanten

Themen. Ziel der Initiative ist es, die Sichtbarkeit zu erhöhen und auf die Belange der Kultur- und

Kreativwirtschaft aufmerksam zu machen. Hierzu gehören auch Auftritte bei Informations- und

Netzwerkveranstaltungen, wie z. B. beim Kieler „Kreativstammtisch“.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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Ein weiteres Beispiel für Vernetzung und Kooperation von Kultur- und Kreativwirtschaft mit

anderen Branchen ist die Aktion „MyPlan“, die schon in den Jahren 2010 und 2012 durchgeführt

werden konnte. Dabei wurden gezielt Studierende der Muthesius Kunsthochschule mit

Studierenden der Hochschulen in Flensburg zu einem gemeinsamen einwöchigen Workshop im

Sommer zusammengebracht. Das erklärte Ziel ist es, die unterschiedlichen Kompetenzen aus den

Bereichen „Persönlichkeit und Sozialkompetenz“, „Kreativitätsmanagement und Gestaltung“ sowie

„Betriebswirtschaftliche Lösungsansätze“ von drei verschiedenen Hochschulen integrativ und

interdisziplinär miteinander zu verbinden. Studierende der Hochschulen können so in direkten und

zielgerichteten Austausch treten. Dabei können sie ihr Kompetenzspektrum um die jeweils

fehlenden Bausteine erweitern. Das Projekt soll in den Jahren 2014 und 2015 fortgeführt werden.

Im Rahmen der „Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft“ wird zudem die Auszeichnung des „Kultur-

und Kreativpiloten Deutschland“ vergeben. Hierbei handelt es sich um einen jährlich stattfindenden

Wettbewerb, der zusammen von dem „u-Institut für unternehmerisches Denken und Handeln“ und

dem „Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes“ (RKW Kompetenzzentrum)

organisiert wird. Der Wettbewerb bietet kreativen Unternehmern und Kulturschaffenden die

Möglichkeit, kreative und innovative Geschäftsideen in die Realität umzusetzen. Die Gewinner des

Wettbewerbs werden ein Jahr lang von Experten des „u-Instituts“ betreut und erhalten Screenings

ihrer Geschäftsideen durch kompetente Fachleute. Außerdem eignen sie sich durch Workshops zu

marktrelevanten Themen Know-how an und stehen in direktem Austausch mit

Branchenfachleuten. Zudem erlangen die Gewinner öffentliche Aufmerksamkeit durch die

Pressearbeit des Wettbewerbs und können potenzielle Geschäftspartner oder andere Kontakte

finden. Der Wettbewerb fand im Jahr 2013 zum vierten Mal statt. Je Wettbewerbsrunde werden

insgesamt 32 Gewinner gekürt. Unter den Gewinnern befanden sich bis dato zwei Gewinner aus

der Untersuchungsregion.

Das „Nordkolleg“ in Rendsburg gründete im Jahr 2009 den Fachbereich KulturWirtschaft, der ein

vielfältiges Angebot an Workshops und Seminaren für kultur- und kreativwirtschaftliche

Unternehmen und Akteure anbietet. Die Themen des Fachbereichs umfassen Kulturmanagement,

Cultural Corporate Responsibility, kreatives Sponsoring und Fundraising. Neben der Qualifizierung

und Beratung der Akteure agiert der Fachbereich als Schnittstelle zwischen dem Bereich der

Kultur- und Kreativwirtschaft und der klassischen Wirtschaft mit dem Ziel, die Region, Wirtschaft

und Kultur in Schleswig-Holstein nachhaltig zu entwickeln. Das Projekt „Unternehmen!

KulturWirtschaft“ zielt beispielweise darauf ab, Unternehmen außerhalb der Kultur- und

Kreativwirtschaft die Wertigkeit der Leistungen dieser Branche für ihren Geschäftsbetrieb näher zu

bringen. Dabei ist sowohl auf Seiten der genannten Unternehmen als auch auf Seiten der Kultur-

und Kreativwirtschaft viel Überzeugungsarbeit zu leisten, um die tradierten Rollenbilder zu

überwinden. So können Unternehmen beispielweise vom Wissen der Kulturschaffenden

profitieren, was Mitarbeiterschulung und Teambuilding betrifft. Außerdem werden „BarCamps“

organisiert, bei denen Vertreter der Wirtschaft und Akteure aus der Kultur- und Kreativwirtschaft

zusammengebracht werden. Das Ziel dieser Zusammentreffen besteht darin, die vorhandenen

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

125

Vorurteile abzubauen, Netzwerke auszubauen und branchenübergreifende Kooperationen zu

fördern.

Ein ähnliches Ziel verfolgt das „Werkstattgespräch“ des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr

und Technologie Schleswig-Holstein. Hierbei handelt es sich um eine Veranstaltung, bei der

Akteure aus branchenfremden Organisationen und Verbänden auf die Kultur-und Kreativwirtschaft

treffen. In Podiumsdiskussionen und Vorträgen wird den Teilnehmern die Transparenz und

Relevanz von Design nähergebracht. Zugleich werden Unternehmen und Unternehmensverbände

der klassischen Wirtschaft bezüglich der Kultur- und Kreativwirtschaft sensibilisiert.

Für den Teilmarkt Design findet sich die „Design-Initiative Nord“. Diese wurde im Jahr 1989 von 24

Unternehmen der IHK zu Kiel gegründet mit dem Ziel, die Bedeutung von Design für alle

relevanten Prozesse in Wirtschaft und Gesellschaft hervorzuheben und bekannt zu machen. Eines

der Kernelemente der Design-Initiative zur Erreichung dieses Ziels war der „Designpreis

Schleswig-Holstein“. Dieser wurde in den Jahren 2001/2002 und 2003/2004 vergeben. Derzeit

organisiert die „Design-Initiative Nord“ aus Mangel an Ressourcen nur wenige Veranstaltungen,

die es ermöglichen sollen, den Wert von Design besser zu verstehen, bzw. die der Information und

dem Austausch innerhalb der Branche der Region gewidmet sind. Ebenso engagieren sich ihre

Vertreter weiterhin politisch für das Thema.

Der Teilmarkt Software und Games wird im Wesentlichen durch den Verein „Digitale Wirtschaft

Schleswig-Holstein - DiWiSH e.V.“ repräsentiert. Er fördert die Netzwerkbildung der IT-Branche

und Medienbranche im Bundesland. Der Verein wurde im Jahr 2006 von nur fünf Unternehmen

gegründet. Heute zählt er 141 Mitglieder. Dazu gehören neben Unternehmen der Region auch

Wirtschaftsförderer, Universitäten und Institute. Der DiWiSH e.V. kooperiert eng mit der

Wirtschafsförderung und Technologietransfer Schleswig-Holstein GmbH (WTSH),

„Hamburg@work“, dem Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) und der Initiative Schleswig-

Holstein Wirtschaftsland. So erhöht der Verein die Sichtbarkeit der Branche und ermöglicht den

Vertretern der Branche sowohl untereinander als auch über die Branchengrenzen hinweg Kontakte

zu knüpfen.

Neben anderen Themenfeldern der Kultur- und Kreativwirtschaft widmete sich die „EXIST“-

Beratungsstelle an der Muthesius Kunsthochschule ebenfalls schwerpunktmäßig dem Thema

Design. Die Beratungsstelle zur Existenzgründungsbegleitung wurde bis vor wenigen Monaten

durch ein mittlerweile ausgelaufenes Förderprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und

Technologie und mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds finanziert. Das Programm zielte auf die

Verbesserung des Gründungsklimas an Hochschulen und außeruniversitären

Forschungseinrichtungen ab. Die Beratungsstelle in Kiel kümmerte sich hauptsächlich darum, aus

kreativen Ideen zusammen mit Studierenden, Mitarbeitern und Alumni der Muthesius

Kunsthochschule tragfähige Geschäftsmodelle zu konzipieren und Gründungen anzuregen.

Darüber hinaus kümmerte sich die Stelle auch um die Vernetzung der Kultur- und

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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Kreativwirtschafts-Absolventen mit anderen Branchen. Die Beratungsstelle verfügte durch diese

Funktion und aufgrund eines starken Netzwerkes zu vielen Akteuren der Kultur- und Kreativ-Szene

in der Untersuchungsregion über eine Multiplikatorfunktion.

Neben diesen formellen Netzwerken existieren noch eine ganze Reihe informeller Initiativen und

Netzwerke in der Untersuchungsregion.

So bietet beispielsweise ein Kieler Blogger und Fotograf mit dem „Olaf Bathke Talk“ ein

Beratungsangebot über ein soziales Netzwerk an, das zahlreiche deutsche und auch internationale

Fans hat. Hierbei handelt es sich um eine privatwirtschaftliche Initiative, bei der Video-Podcasts zu

Fragen aus dem Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft und zu relevanten

Weiterbildungsthemen produziert und angeboten werden. Dabei steht neben dem Wissenstransfer

die informelle Vernetzung und Kommunikation mit anderen Akteuren der Kultur- und

Kreativwirtschaft im Vordergrund.

Ebenfalls privat initiiert ist der „Vater Kunstpreis“. Hierbei handelt es sich um einen privaten

Kunstpreis eines Kieler Unternehmers, der mit 5.000 Euro dotiert ist und seit dem Jahr 2011 alle

zwei Jahre verliehen wird. Die Teilnehmer haben die Aufgabe, sich mit einem vorgegebenen

Thema auseinanderzusetzen. Im Jahr 2013 reichten 101 Künstlerinnen und Künstler zu dem Motto

„Alles im (Daten-)Fluss“ insgesamt 107 Arbeiten ein. Ziel des Kunstpreises ist die Schaffung eines

Forums, das den Dialog zwischen Kreativen und Akteuren aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft

und Verwaltung fördert.

Die „Kieler Kunstmeile“ bietet eine weitere Vernetzungsaktivität der Akteure im Bereich Kunst. Im

CITTI-PARK in Kiel stellen Fotografen, Maler und Bildhauer ihre Werke einen Monat lang aus. Die

Veranstaltung dient in erster Linie der Erhöhung der Sichtbarkeit der Branche in der Region. Das

gleiche Ziel verfolgen die „Kieler Ateliertage“, bei denen Künstler und Künstlerinnen die Türen zu

ihren Ateliers öffnen, ihre neuen Werke vorstellen und sich über die Schulter schauen lassen.

Veranstaltet werden die Ateliertage vom gemeinnützigen Verein zur Förderung der Kunst und

Kultur.

Das Kieler Magazin für Comic und Illustrationen „Pure Fruit“ ist ein freies Magazin, dass die

Zusammenarbeit von Künstlern und Schriftstellern fördert. Es erscheint gratis und in einer Auflage

von 2.500 bis 10.000 Stück ca. zweimal im Jahr. Die Idee ist, durch Anzeigen ein freies Magazin

zu vertreiben, das sich klar zu Experimenten in dem Feld Comic und Illustration bekennt. Hier

schreiben Schriftsteller Geschichten, die später von Zeichnern durch passende Bilder ergänzt

werden. In der aktuellen Ausgabe wurde der Ablauf getauscht; die Schriftsteller bekamen fertige

Zeichnungen zu denen sie passende Geschichten schreiben sollten. Hier ist der Netzwerkansatz

auch beim Vertrieb stark ausgeprägt.

Der „Kieler Kreativstammtisch“ kommt direkt aus dem Umfeld der lokalen Kultur- und

Kreativwirtschaft am Standort Kiel. Gegründet wurde der Kreativstammtisch im November 2009 als

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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nicht kommerzielles Projekt. Die Gruppe, organisiert von lokalen Designern, trifft sich an

wechselnden Terminen und Orten einmal pro Monat und ist ein offenes Forum für alle Mitglieder

der Kultur- und Kreativwirtschaft in und um Kiel. Bei vielen Veranstaltungen gibt es Impulsvorträge,

die zur Anregung von Gesprächsthemen dienen. Nach den Aussagen der Experten handelt es sich

bei diesem Stammtisch nur zum Teil um einen festen Kern, der sich bei allen Veranstaltungen trifft,

sondern eher um eine wirklich offene Gruppe, die viel Zuspruch und wechselnde Besucher findet.

So hat dieses Netzwerk das Potenzial, Akteure aus den verschiedenen Bereichen der Kultur- und

Kreativwirtschaft zusammenzubringen. Neben den monatlichen Treffen erhöht der

Kreativstammtisch durch die Bereitstellung einer virtuellen Informationsplattform auf Facebook

sowie auf der eigenen Webseite die Sichtbarkeit der Branche. Hier informiert das Netzwerk über

anstehende Veranstaltungen oder Projekte aus dem kultur- und kreativwirtschaftlichen Bereich und

fördert somit die Vernetzung von Akteuren und Unternehmen auch über Branchengrenzen hinweg.

Die Analyse der Netzwerke am Standort ergibt ein sehr breites Bild der Aktivitäten in der

Untersuchungsregion. Diese reichen von formellen Netzwerken, die auf Basis von

Förderprogrammen spezifische Angebote für die Unternehmen oder potenzielle Gründer

bereitstellt bis zu gewachsenen Netzwerken aus der Kultur- und Kreativwirtschaft selbst.

Insbesondere letztere sind entscheidend für den Wohlfühlfaktor am Standort und leisten einen

Beitrag zum kulturellen Leben am Standort.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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4.5 SWOT-Analyse der Kultur- und Kreativwirtschaft in der Untersuchungsregion

Für eine systematische Einordnung der Kultur- und Kreativwirtschaft in der Untersuchungsregion

werden die Ergebnisse des vorangegangenen Abschnitts in einer SWOT-Analyse (Abbildung 28)

zusammengefasst. Hierbei wird auf die jeweiligen Stärken und Schwächen sowie Chancen und

Risiken der Kultur- und Kreativwirtschaft eingegangen. Diese Analyse bildet die Basis für die

Formulierung der Strategie und Handlungsempfehlungen im nächsten Abschnitt.

c Abbildung 28: SWOT-Analyse der Kultur- und Kreativwirtschaft in der

Untersuchungsregion

Vielzahl von Netzwerken

Förderung von Ausgründungen durch Existenzberatung „EXIST“

Informationsplattform des „Kreativstammtisches“

Branchenübergreifende Vernetzung durch „Nordkolleg“

Ressourcenverfügbarkeit der Bundesinitiativen

Vorhandene Rahmenbedingungen für KuK

Etablierung eines kreativen Milieus im Muthesius-Quartier

„W8“ und „Atelierhaus“

Kein typischer KuK-Standort

Regionale Ausrichtung

Mangel an teilmarktspezifischer Beratung

Begrenzte Kapazitäten bei Existenzberatung

Spezifische Förderangebote bei KuK Unternehmen

Wegfall „EXIST“: Ausgründungen abhängig von einer Person

Zwischennutzung nicht ausreichend für szenetypischen Standort

Unternehmensfinanzierung

Stärken Schwächen

Chancen Risiken

Neue Existenzberatung an der Muthesius Hochschule um Ausgründungen zu fördern

Förderung der KuK durch öffentliche Mittel

Mehrwert erzeugen durch Aufwertung vernachlässigter Stadtteile

„Kultur macht stark“ – Angebot publik machen

Zwischennutzung

Partielles Potenzial für weitere KuK-Quartiere

Zukunftsfähigkeit der formellen Netzwerke aufgrund befristeter Förderung

Finanzielle Restriktionen und Zukunftsunsicherheiten bei Projekten

„Kreativstammtisch“ ist freiwillig

Risiken

Quelle: IW Consult (2013).

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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Stärken

Die Untersuchungsregion zeichnet sich durch eine Vielzahl verschiedener Netzwerke und

Initiativen aus, die die Sichtbarkeit, Vernetzung sowie die Professionalisierung der Kultur- und

Kreativwirtschaft erhöhen. Hierbei erweisen sich vor allem die Bundesinitiativen als wirkungsvoll,

da diese auch von entsprechenden Ressourcen, wie finanziellen Mitteln und Manpower, getragen

werden. Insbesondere die Bundesinitiative KulturWirtschaft trägt wesentlich zur Förderung der

Kultur- und Kreativwirtschaft in der Untersuchungsregion bei. Die Initiative leistet mit einem breiten

Beratungs- und Informationsangebot einen erheblichen Beitrag zur Erhöhung der Sichtbarkeit

sowie zur Vernetzung der Kultur- und Kreativwirtschaft. Zudem dienen die hier angebotenen

Existenzberatungen und Informationsveranstaltungen der Qualifizierung der Akteure.

Ebenso positiv zu bewerten ist die ehemalige Existenzberatungsstelle „EXIST“ an der Muthesius

Kunsthochschule. Die individuelle Beratung der Studierenden förderte die Ausgründungen in der

Untersuchungsregion und vernetzte die Studierenden bereits während des Studiums mit

potenziellen Kooperationspartnern und relevanten Akteuren.

Als weiteres formelles Netzwerk, das sich positiv auf die Kultur- und Kreativwirtschaft in der

Untersuchungsregion auswirkt, ist hier das „Nordkolleg“ zu nennen. Es fungiert als Schnittstelle

zwischen der Kultur- und Kreativwirtschaft und der klassischen Wirtschaft und fördert somit

branchenübergreifende Verflechtungen. Zudem bietet das „Nordkolleg“ Seminare und Workshops

zu betriebswirtschaftlichen und weiteren relevanten Themen für Existenzgründer oder andere

Akteure aus dem Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft an.

Neben den formellen Netzwerken stärken informelle Netzwerke die Kultur- und Kreativwirtschaft

am Standort. Ein gutes Beispiel bietet hier der „Kreativstammtisch“. Dieser ist ein Netzwerk,

welches direkt von Akteuren der Kultur- und Kreativwirtschaft initiiert wurde, und sich aufgrund

dessen einer hohen Akzeptanz seitens der Kultur- und Kreativschaffenden erfreut. Neben der

Vernetzung innerhalb der Branche bietet der „Kreativstammtisch“ eine Online-

Informationsplattform mit Terminen, Organisationen, Veranstaltungen oder anderen relevanten

Informationen rund um die Kultur- und Kreativwirtschaft an.

Darüber hinaus profitiert die Untersuchungsregion von geeigneten Rahmenbedingungen für die

Entstehung und Etablierung der Kultur- und Kreativwirtschaft. Die Stadt Kiel verfügt über die

benötigte Urbanität und bietet ausreichend Raum zu günstigen Mietpreisen. Außerdem

begünstigen Institutionen, wie die Muthesius Kunsthochschule, die Design- und Informatik-Fakultät

der Christian-Albrechts-Universität sowie der Medienbereich der Fachhochschule die Ansiedlung

der Kultur- und Kreativwirtschaft am Standort Kiel. Auch Konzepte, wie das „Atelierhaus im

Anscharpark“ oder die „W8 Kultschmiede“, sowie die Etablierung eines kreativen Milieus im

Muthesius-Quartier stärken die Kultur- und Kreativwirtschaft in Kiel.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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Schwächen

Durch die Analyse der Kultur- und Kreativwirtschaft wurden allerdings auch einige Schwachstellen

in der Untersuchungsregion identifiziert. Die Kultur- und Kreativwirtschaft in Kiel hat keine

internationale oder nationale Bedeutung, sondern ist eher regional ausgerichtet. Denn die

Ausprägung der Kultur- und Kreativwirtschaft in Kiel hängt mit der Größe und der internationalen

Ausrichtung der Stadt zusammen. Somit ist Kiel keine Hochburg der Kultur- und Kreativwirtschaft

und kann nicht mit Städten wie Hamburg oder Berlin konkurrieren. Verstärkt wird dies zudem durch

die Lage Kiels zwischen großen Kultur- und Kreativwirtschafts-Metropolen wie Hamburg oder

Kopenhagen. Deutlich wird die eher untergeordnete Rolle der Kultur- und Kreativwirtschaft in der

Untersuchungsregion durch den bundesweiten Wettbewerb „Kultur- und Kreativpiloten“. Während

unter den Gewinnern in den letzten vier Runden 15 aus Hamburg und 28 aus Berlin kamen, haben

bis jetzt nur zwei Teilnehmer aus der Untersuchungsregion den Wettbewerbs-Preis gewinnen

können.

Zudem besteht in der Untersuchungsregion wenig teilmarktspezifische Beratung für die Kultur- und

Kreativwirtschaft. Die Beratungsangebote sind eher allgemein auf die Existenzgründung

ausgerichtet und befassen sich nur in einem geringen Umfang mit den spezifischen Anforderungen

der einzelnen Teilmärkte. Zudem sind die Ressourcen bei der Unterstützung und Beratung

begrenzt, sodass das Angebot die Nachfrage nicht vollkommen decken kann. Diese Schwachstelle

in der Untersuchungsregion wird durch den Wegfall der Beratungsstelle „EXIST“ verstärkt. Die

Ansprechperson der Existenzberatung verfügte über Kontakte zu formellen sowie informellen

Netzwerken und Institutionen und hatte eine Schnittstellenfunktion zwischen der Kultur- und

Kreativwirtschaft sowie Akteuren aus anderen Wirtschaftszweigen. Der Wegfall von „EXIST“ hat

eine Lücke im Bereich Ausgründungen und branchenübergreifender Vermittlung verursacht, die

sich negativ auf die Etablierung der Kultur- und Kreativwirtschaft in der Untersuchungsregion

auswirkt. Zudem zeigt dieses Beispiel, dass das Thema akademische Ausgründungen am

Standort von nur einer Person abhängig war und diesbezüglich sonst keine weiteren Anlaufstellen

bestehen.

Neben diesen Schwachstellen in den Beratungsangeboten fehlt es auch an spezifischen

Angeboten beim Thema Finanzierung. Existenzgründer sind vor allem auf allgemeine Angebote,

beispielsweise zu Existenzgründungsdarlehen, angewiesen. Die Themen Risikokapital oder

Crowdfunding zur Finanzierung von jungen Unternehmen sind in der Untersuchungsregion bisher

noch unterentwickelt.

Außerdem sind die Angebote hinsichtlich der Flächennutzung für die Kultur- und Kreativwirtschaft

in Kiel nicht ausreichend. Das Konzept der Zwischennutzung im Lessingbad stellte zwar ein

optimales Raumkonzept für die Akteure dar, jedoch ist dieses ausgelaufen. Für einen

szenetypischen Standort ist die Zwischennutzung nicht ausreichend, da sie nur einen kurzfristigen

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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Effekt auf die Etablierung der Kultur- und Kreativwirtschaft hat. Auf lange Sicht benötigten die

Akteure der Branche Raumnutzungskonzepte ohne zeitliche Restriktionen.

Chancen

Neben den genannten Stärken und Schwächen bietet die Untersuchungsregion auch Chancen für

die Etablierung und Verbreitung der Kultur- und Kreativwirtschaft vor Ort. Die Errichtung einer

neuen Existenzberatungsstelle an der Muthesius Kunsthochschule kann Ausgründungen fördern

und dadurch zur Entstehung oder zum Wachstum kreativer Quartiere beitragen.

Die Kultur- und Kreativwirtschaft kann zudem einen Mehrwert für die Stadt und die Bewohner

erzielen, indem vernachlässigte Stadtteile durch die Ansiedlung der Kultur- und Kreativwirtschaft

aufgewertet werden. Brachliegende und leerstehende Gebäude können, wie die Beispiele des

„Atelierhauses am Anscharpark“ oder der „W8 Kultschmiede“ zeigen, durch die Akteure aus dem

Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft als Ausstellungs- oder Arbeitsplätze genutzt werden.

Auch das Konzept der Zwischennutzung bietet für die Kultur- und Kreativwirtschaft eine Chance

zur Etablierung am Standort Kiel. Die temporäre Zwischennutzung der leerstehenden ehemaligen

Schlecker-Filiale durch Künstler des Vereins „K34“ dient als Beispiel für die Aufwertung von

vernachlässigten Quartieren.

Zudem bestehen fördernden Angebote für die Kultur- und Kreativwirtschaft, wie die Initiative

„Kultur macht stark“, die publik gemacht werden müssen, um eine höhere Sichtbarkeit und

Nutzung zu erlangen.

Insgesamt ist die Branche im Bereich der Netzwerkaktivitäten und Beratungsangebote sehr stark

von öffentlichen Mitteln abhängig. Da diese Projekte häufig zeitlichen Beschränkungen unterliegen,

sind private Initiativen in diesem Bereich sehr begrüßenswert. Ein positives Beispiel hierfür ist der

„Vater Kunstpreis“.

Die Chance auf die Entstehung von weiteren kreativen Quartieren besteht in Kiel partiell, nämlich

zum einen an der Schwentinenmündung in Dietrichsdorf oder zum anderen auch in Gaarden am

„Werftpark“. Während das Potenzial in Dietrichsdorf auf der von der Fachhochschule Kiel initiierten

hier ansässigen „Kulturinsel“ beruht, die ein breites Angebot aus dem Bereich der Kultur- und

Kreativwirtschaft bietet, profitiert Gaarden von dem angesiedelten Restaurationszentrum sowie der

Technischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität. Insgesamt wird die Entwicklung eines

kreativen Milieus in den beiden Vierteln jedoch als eher schwierig angesehen, da sich das

Muthesius-Viertel in Kiel bereits als kreatives Milieu etabliert hat.

Risiken

In der Untersuchungsregion bestehen trotz der genannten Chancen jedoch auch mögliche Risiken

für die Kultur- und Kreativwirtschaft. Zum einen ist hier die Zukunftsfähigkeit der formellen

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Netzwerke zu nennen. Da die Förderung zeitlich befristet ist, besteht die Gefahr, dass wichtige

Anlauf- und Beratungsstellen nach erfolgreicher Etablierung wegfallen. Durch die finanziellen und

zeitlichen Restriktionen entstehen Risiken für die zukünftige Entwicklung der Kultur- und

Kreativwirtschaft am Standort. Neben den formellen Angeboten unterliegen auch die informellen

Initiativen Risiken. Diese Initiativen hängen häufig von einzelnen Personen ab, die sie organisieren

und pflegen. Wenn diese ihr Engagement aus beruflichen oder privaten Gründen zurückziehen, ist

direkt die Existenz des Netzwerks bzw. der Informationsplattform gefährdet. Gerade diese

genannten Netzwerke stärken und fördern die Kultur- und Kreativwirtschaft am Standort Kiel. Die

Beendigung der Projekte würde die Entwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft wesentlich

beeinträchtigen.

4.6 Handlungsbedarf und Strategie

Die Lösungsansätze der Wirtschaftsförderung können zum größten Teil nicht trennscharf auf ein

bestimmtes Handlungsfeld beschränkt werden, sondern wirken sich meist auf eine Kombination

der drei Problemfelder aus. Das liegt daran, dass die Problemfelder indirekt voneinander abhängig

sind und sich gegenseitig beeinflussen. Beispielhaft hierfür ist die Förderung von Kooperationen,

die die branchenübergreifende Zusammenarbeit stärken und eine optimale Grundlage zur Bildung

von Netzwerken darstellen. Die zunehmende Vernetzung führt aufgrund von Wissenstransfer zu

einer verbesserten Qualifizierung der Beteiligten. Ebenso erhöht die bessere Vernetzung die

Sichtbarkeit der Branche sowohl nach innen als auch nach außen.

Vernetzung und Sichtbarkeit der Akteure

Kooperationen und Netzwerke tragen wesentlich zu einer erhöhten Wettbewerbsfähigkeit durch

Ausstrahlungseffekte und Wissenstransfer bei. Eine erhöhte Sichtbarkeit trägt gleichzeitig zu mehr

Akzeptanz und einem höheren Geschäftsvolumen bei. Netzwerke und Kooperationen bieten daher

die Möglichkeit, die inhaltlichen und strukturellen Defizite der Branche auszugleichen, da durch

Netzwerke Vertrauen zwischen den Beteiligten geschaffen wird, was sich wiederum positiv auf

Kooperationen auswirkt. Die Zusammenarbeit der Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft mit

Unternehmen aus anderen Wirtschaftsbranchen bietet aber auch einen wirtschaftlichen Mehrwert,

da Kooperationen das Innovationspotenzial der Unternehmen steigert. Vor diesem Hintergrund

sind die Erhöhung der Sichtbarkeit und eine starke Vernetzung der Unternehmen am Standort und

in der Region umso wichtiger. Diese Aspekte müssen auch bei sämtlichen Öffentlichkeits- und

Marketingmaßnahmen am Standort berücksichtigt und mitbedacht werden.

Zur Förderung dieser Potenziale ist aber eine spezifische Steuerung bzw. Unterstützung

notwendig, da die Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft eigene Problem- und Fragestellungen

haben, deren Beantwortung eine positive Entwicklung unterstützen. Gerade im Bereich der

akademischen (Aus-)Gründungen weist die Untersuchungsregion momentan ein Defizit auf, das

durch die übrigen Beratungsangebote nicht kompensiert werden kann. Um die Entwicklung der

Kultur- und Kreativwirtschaft in der Untersuchungsregion weiter voranzutreiben, gilt es, dieses

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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Manko schnellstmöglich zu beheben. Neben der eigentlichen Beratungsleistung ist dabei die

Vernetzungsfunktion, die durch so eine Stelle ausgeübt wird, von hoher Bedeutung für eine

erfolgreiche Entwicklung.

Qualifizierung

Eine wesentliche Aufgabe, die durch die Beratungsstellen der Kultur- und Kreativwirtschaft in der

Untersuchungsregion erfüllt werden muss, ist die Qualifizierung der Akteure. Hierbei stehen vor

allem zwei Aspekte im Vordergrund:

Defizite, vor allem im betriebswirtschaftlichen Bereich, müssen abgestellt und so das

Unternehmen auf ein festes Fundament gestellt werden,

Kooperationen mit potenziellen Auftraggebern müssen initiiert werden, um die

verschiedenen Arbeitswelten anzunähern, die benötigte Akzeptanz zu erhöhen und den

Wissenstransfer zu erleichtern.

Die Förderung von Kooperation ist also eine Maßnahme zur Förderung des Innovationspotenzials

von Unternehmen. Es besteht eine Win-Win-Situation, da beide Parteien von der Zusammenarbeit

profitieren. Während die Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft ihre Wahrnehmung nach

außen erhöhen und ihr Netzwerk sowie ihre unternehmerische Kompetenz und Fachwissen

ausbauen, erhalten Unternehmen anderer Branchen Zugang zum Kreativpool und können durch

innovative Geschäftsideen ihre Wettbewerbsstärke ausbauen. Kooperationen fördern also nicht

nur die Kultur- und Kreativwirtschaft, sondern stärken zudem die regionale Wirtschaft.

Eine Aufgabe der Beratungsstellen ist es, auch die Unternehmen bei der Finanzierung ihrer

Projekte zu unterstützen. Bezüglich der klassischen Bankenfinanzierung bestehen in der Kultur-

und Kreativwirtschaft zwei wesentliche Probleme. Zum einen haben es Neugründungen aufgrund

ihrer nicht vorhandenen Kredithistorie generell schwer, an Kapital zu kommen, zum anderen ist

das bei den Banken vorhandene Wissen über die Kultur- und Kreativwirtschaft zu gering. Seitens

der Kultur- und Kreativwirtschaft besteht zudem ein Mangel an ökonomischem und

verwaltungstechnischem Wissen, was die Kreditbeantragung für sie sehr schwierig macht. Auch

alternative Finanzierungsangebote wie Risikokapital und Crowdfunding müssen stärker in den

Vordergrund gerückt werden, um erfolgreiche Unternehmensentwicklungen zu ermöglichen.

Quartiersentwicklung

Die Strukturanalyse über die räumliche Konzentration der Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft

in der Untersuchungsregion ergibt eine eher schwache Analyse. Es gibt nur ein funktionierendes

„Kultur- und Kreativwirtschafts-Quartier“ in der Stadt Kiel, das sich hier in der Umgebung des

Standortes der Muthesius Kunsthochschule als ein funktionierendes Cluster gebildet. Dieses ist

durch eine hohe Dynamik geprägt, die vor allem durch den Umzug der Kunsthochschule begründet

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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ist. Der Standort erfüllt alle Anforderungen, die vom kreativen Milieu an ein entsprechendes

Quartier gestellt werden.

Die quantitative Analyse der Kunst- und Kreativwirtschaft hat gezeigt, dass in den nächsten Jahren

nicht von einer hohen Entwicklungsdynamik des gesamten Wirtschaftsbereichs in der

Untersuchungsregion auszugehen ist. Die fehlende überregionale Bedeutung vieler Teilmärkte und

die mangelnde Attraktivität gegenüber Standorten wie Hamburg oder Berlin stehen dem entgegen.

Dadurch ist auch von keiner starken Expansion und einem damit einhergehenden hohen

Raumbedarf auszugehen. Im spezifischen Fall der Stadt Kiel, dem einzigen Standort, der die

Mindestanforderungen der Kultur- und Kreativwirtschaft erfüllen kann, erscheint dadurch die

Perspektive für die erfolgreiche Entwicklung eines weiteren Quartiers mit sehr dichtem Besatz von

Betrieben der Kultur- und Kreativwirtschaft aus folgenden Gründen eher unwahrscheinlich:

Zum einen fehlt es an einem inhärent attraktiven Quartier, zum anderen fehlt es an der

kritischen Masse der Kultur- und Kreativwirtschaft in der Stadt.

Ebenso wird in keinem der Expertengespräche der konkrete Wunsch nach der Etablierung

bzw. der Förderung eines solchen zusätzlichen Quartiers geäußert.

Vielmehr wird gerade die räumlich verteilte und verzweigte Natur der Kultur- und Kreativwirtschaft

in Kiel als Standortvorteil gelobt.

Daneben spricht auch das Selbstverständnis der meisten kreativen Akteure gegen eine

erfolgreiche gesteuerte Entwicklung von Quartieren. Der Wunsch, benachteiligte und mit

städtebaulichen Problemen belastete Stadtteile durch die Ansiedlung von Unternehmen der Kultur-

und Kreativwirtschaft und dem damit erhofften kreativen und urbanen Flair zu „reparieren“,

ignoriert die Handlungsfreiheit und die soziale Lebenswelt der Akteure. Diese sind in der Regel

nicht auf Unterstützung von öffentlicher Stelle angewiesen, sie müssen sich in den Quartieren nur

wohlfühlen, sich entfalten und wirken können. Von einer Ansiedlung kann daher eigentlich nicht

gesprochen werden. Vielmehr muss die Attraktivität eines Quartiers für sich selbst sprechen und

der Antrieb zum Einzug muss aus den Reihen der Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft

kommen. Sind die Grundvoraussetzungen erfüllt, können auch unterstützende Maßnahmen von

öffentlicher Seite hilfreich sein. Eine Lenkung über ein hohes Maß an Einflussnahme ist aber auch

hier kontraproduktiv. Hat das Quartier keine inhärente Attraktivität, so bestehen auch wenige

Chancen, gerade eine Zielgruppe wie die Kultur- und Kreativwirtschaft zum Einzug oder Umzug zu

bewegen.

Innerhalb dieses definierten Rahmens einer gewachsenen Struktur bieten sich jedoch durchaus

Entwicklungsräume. So gibt es am Ostufer zahlreiche positive Ansätze, denen auch in Zukunft

weitere Entwicklungsschritte folgen können. Erfolgreichen Einzelprojekten, wie dem

Restaurierungszentrum oder den Aktivitäten der Fachhochschule Kiel an der Schwentinemündung,

fehlt aber die räumliche Vernetzung. Es sind Projekte, die für sich an diesen Standorten

funktionieren und die auch für einen gewissen strukturellen Wandel stehen. Diese Ansätze werden

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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aber allein aufgrund der fehlenden Quantität der Kultur- und Kreativwirtschaft in der

Untersuchungsregion nicht zu einer nachhaltigen Veränderung ganzer Stadtteile beitragen können.

Ähnlich verhält es sich mit dem Quartier „Maritimes Viertel“ mit dem kultur- und

kreativwirtschaftlichen Zentrum im „Atelierhaus im Anscharpark“. Hier ließen sich ebenso weitere

Räume schaffen, die sich sehr gut für die Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft eignen. Die

neuen und sanierten Wohnflächen in und um dieses Gelände haben schon einen erheblichen Teil

der im städtebaulichen Prozess dargestellten Gentrifizierung des Quartiers vorweggenommen.

Insofern würde an dieser Stelle ein geschätzter Mehrwert für die Bewohner wie auch die Akteure

der Kultur- und Kreativwirtschaft geschaffen werden. Wobei man aus städtebaulicher Sicht deutlich

weniger Gefahr läuft, einen schnellen und potenziell destruktiven Veränderungsprozess

anzustoßen.

Eine geeignete Maßnahme, um in geeigneten Quartieren eine Entwicklung anzustoßen, liegt in der

Etablierung eines Coworking Spaces. Die Erfahrungen des Lessingbades haben den Bedarf nach

solchen alternativen Angeboten deutlich gemacht. Neben der reinen Nutzung als Arbeitsraum

bieten solche Projekte auch ideale Möglichkeiten der Vernetzung von Akteuren. Mit einem solchen

Angebot kann zudem ein wesentlicher Beitrag zu einer sich verändernden Arbeitswelt in einer

zunehmend wissensbasierten Wirtschaft geleistet werden, in der immer häufiger

standortunabhängig gearbeitet wird. Am Standort Kiel könnten so Angebote gemacht werden, die

auf den natürlichen Standortvorteilen gründen. Der Slogan „Arbeiten, wo andere Urlaub machen“

ließe sich so auch im Standortmarketing noch deutlicher platzieren und auf eine überregionale

Klientel richten. Allerdings müssen dafür die entsprechenden Standortbedingungen und

Anforderungen an die Organisation erfüllt sein.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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4.7 Handlungsempfehlungen für die Entwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft

Die Ergebnisse der SWOT-Analyse haben die Situation der Kultur- und Kreativwirtschaft in der

Untersuchungsregion bewertet und Felder identifiziert, in denen es einen Handlungsbedarf gibt,

um die weitere Entwicklung dieses Wirtschaftsbereichs positiv zu beeinflussen. Gegliedert nach

diesen Feldern werden im Folgenden Handlungsempfehlungen gegeben.

Durch hier schon angesprochene Heterogenität stellt die Kultur- und Kreativwirtschaft ganz

spezielle Anforderungen an die Wirtschaftsförderung. Der Einsatz für diese Akteure lohnt sich

jedoch aus verschiedenen Erwägungen. Wie bei der städtebaulichen Einschätzung, ist zu

argumentieren, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft einige Entwicklungen vorwegnimmt, die die

anderen Branchen erst noch durchlaufen müssen. Insofern bietet sie die Möglichkeit,

Entwicklungen in anderen Bereichen zu verstehen, diese zu antizipieren und früher als andere

Standorte auf die veränderten Anforderungen reagieren zu können. Somit können sich Standorte,

die sich auch in der Wirtschaftsförderung mit den Herausforderungen der Kultur- und

Kreativwirtschaft mittel- und langfristig befassen, profitieren. Daneben zeigen einschlägige Studien,

dass sich durch den engen Wissensaustausch zwischen Kultur- und Kreativwirtschaft und anderen

Branchen wirtschaftliche Potenziale freisetzen lassen, insbesondere die Innovationstätigkeit und

den Erfolg von Unternehmen betreffend.

Die Handlungsempfehlungen sind nach den entsprechenden strategischen Entwicklungsfeldern

gegliedert, die aus der SWOT-Analyse verdichtet wurden. Die Handlungsfelder können dabei nicht

strikt voneinander in ihrer Wirkung getrennt werden. Maßnahmen, die die Sichtbarkeit erhöhen,

können gleichzeitig vernetzend wirken, ebenso wie städtebauliche Maßnahmen die Wahrnehmung

für den Wirtschaftsbereich und die Vernetzung beeinflussen können. Die Trennung in die drei

Handlungsfelder ist daher sehr weich formuliert.

Vernetzung und Sichtbarkeit der Akteure erhöhen

Eines der drängendsten Defizite der Kultur- und Kreativwirtschaft in der Untersuchungsregion ist

ein fehlender zentraler Ansprechpartner, der als Interessenvertreter nach außen wirken kann

und gleichzeitig als zentraler Ansprechpartner nach innen wirkt. In diesem Zusammenhang war in

diesem Jahr sogar ein deutlicher Rückschritt zu verzeichnen, da für die „EXIST“-Stelle an der

Muthesius Kunsthochschule die Finanzierung auslief. Diese Stelle, so wie sie interpretiert und

ausgefüllt wurde, kam der Stelle eines zentralen Ansprechpartners am nächsten. Dabei profitierte

die Stelleninhaberin insbesondere von ihrem Netzwerk zu Vertretern der Kultur- und

Kreativwirtschaft. Bei der Besetzung einer solchen Stelle sollten ein vorhandenes Netzwerk und

gute kommunikative Fähigkeiten von zentraler Bedeutung sein. Auch die Kontinuität bezüglich der

Finanzierung einer solchen Stelle muss gewährleistet sein. Dies gilt auch für weitere Stellen bei

Initiativen oder Netzwerken der Kultur- und Kreativwirtschaft auf Bundesebene.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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Neben der Vernetzung nach innen und außen sollte auch die Beratung, beispielsweise für

potenzielle Gründer, zentrale Aufgabe dieser Stelle sein. Durch die Beauftragung eines

Ansprechpartners für die Kultur- und Kreativwirtschaft bzw. eines Kreativlotsen würden alle drei

Problemfelder abgedeckt. Die Sichtbarkeit und Wahrnehmung der Branche wird gestärkt, da der

Kreativlotse als Koordinator agiert und zwischen der Verwaltung und den Akteuren der Kultur- und

Kreativwirtschaft vermittelt. Fundierte wirtschaftliche und unternehmensspezifische Kenntnisse des

Kreativlotsen helfen den Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft bei der

Strategieformulierung sowie bei finanziellen und organisatorischen Aspekten. Außerdem

unterstützt der Kreativlotse die Unternehmen bei der Vernetzung mit anderen Branchen und

potenziellen Kunden, indem er Kooperationen und Plattformen aufbaut. Beispielhaft für solch einen

Kreativlotsen bietet die Initiative „Ideenlotsen“ der Stadt Bremen. Das Programm besteht aus

Experten aus verschiedenen Teilbereichen der Branche, die zudem über ökonomisches Wissen

verfügen. Die Ideenlotsen unterstützen kreative Ideen mit Marktpotenzial von der Konzeption bis

zur Umsetzung und stellen gute Vernetzungsmöglichkeiten bereit.

Ein weiteres Hauptprobleme besteht darin, die Kultur- und Kreativwirtschaft nach außen hin

sichtbar zu machen, das Verständnis für die Arbeitsweise der Akteure im Innovationsprozess zu

schaffen und die Potenziale der Kultur- und Kreativwirtschaft (Wirtschaftskraft, Innovation, Image)

deutlich zu machen. Die zu Beginn des Kapitels erwähnte Heterogenität der Kultur- und

Kreativwirtschaft erschwert aber auch die Identitätsbildung nach innen. Auch hier ist es wichtig, ein

Bewusstsein für potenzielle Kooperationsmöglichkeiten zwischen den Teilbereichen zu schaffen.

Ein erster Schritt zur Behebung dieses Defizits ist, die Kultur- und Kreativwirtschaft als solche

prominenter in die Berichterstattung der Wirtschaftsförderung, der Stadt und nicht zuletzt der IHK

zu Kiel einzubinden. Der regionalen Wirtschaft und Bevölkerung müssen die tatsächlichen

Handlungsfelder der Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft nähergebracht werden. Es muss klar

werden, dass aus den Teilmärkten ein jeweils spezifischer Mehrwert für Unternehmen und

Bevölkerung hervorgeht. Zudem empfiehlt es sich, auf einer Online-Plattform alle relevanten

Informationen bezüglich vorhandener Netzwerke, Institutionen, Veranstaltungen und weiterer

Angebote die Kultur- und Kreativwirtschaft betreffend, bereitzustellen. Außenstehende erlangen so

die Möglichkeit, sich über die Arbeit und Strukturen der Kultur- und Kreativwirtschaft zu informieren

und gegebenenfalls in bestimmten Initiativen und Netzwerken, wie der Initiative „Kultur macht

stark“, teilzunehmen. Neben der Erhöhung der Sichtbarkeit nach außen bietet solch eine

Informationsplattform auch für die Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft eine Übersicht über die

vorhandenen Angebote und hilft ihnen somit bei der Filterung der für sie relevanten Netzwerke und

Institutionen.

Neben der Erhöhung der allgemeinen Sichtbarkeit der Kultur- und Kreativwirtschaft sollten am

Standort Kiel insbesondere die Bereich Design und die Software- und Games-Branche in den

Vordergrund gerückt werden. Außerdem erscheint in diesen beiden Bereichen eine Profilschärfung

für den Standort sinnvoll. Die Schaffung eines Profils in der Designwirtschaft sowie der Software-

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und Games-Industrie bietet sich an, da dadurch die Wahrnehmung der Kultur- und

Kreativwirtschaft am Standort erhöht werden kann. Ein Element einer solchen

Kommunikationsstrategie sollte es sein, den ehemals bestehen Designpreis für den Norden

wieder einzuführen und mit entsprechender Prominenz zu präsentieren. Eine Vorlage für eine

Kampagne im Bereich der Software- und Games-Branche könnte der „eTown Award“ liefern, den

Kiel im Jahr 2013 erhalten hat und der die Kieler Unternehmen insgesamt als besonders

erfolgreich bei der Nutzung der Potenziale, die das Internet bietet, einstuft.

Darüber hinaus könnten innerhalb der Kooperationsgemeinschaft Seminare von Vertretern der

Hochschulen z. B. für IHK-Unternehmen angeboten werden, die ein breites Verständnis für Design

und die Nutzung von Softwareanwendungen und deren Relevanz für den Geschäftserfolg konkret

kommunizieren. Hierbei ist die Auswahl der Dozenten von entscheidender Bedeutung. Sie müssen

es verstehen, die Sprache der regionalen Unternehmer zu treffen, um diese für die Sache zu

gewinnen. Ein theorielastiger Vortrag wird wenig zur Verbesserung des Images von Design und

der Kultur- und Kreativwirtschaft am Standort beitragen.

Qualifizierung der Akteure

Ein weiteres Problem besteht darin, die Strukturen innerhalb der Unternehmen der Kultur- und

Kreativwirtschaft zu professionalisieren, ohne dadurch die Kreativität einzuschränken. Da es sich

meistens um sehr kleine Unternehmen handelt, fehlt ihnen teilweise Know-how in Bereichen wie

Marketing, Finanzen und Vertrieb. Gerade für junge oder angehende Unternehmer bietet dabei

das „Coaching on the job“ einen vielversprechenden Ansatz zur Professionalisierung. Auch ein

zentraler Ansprechpartner, wie die ehemalige „EXIST“-Stelle, kann zu der Qualifizierung der

Akteure beitragen. Durch den Wegfall dieser Beratungsstelle ist in der Untersuchungsregion ein

Defizit in diesem Handlungsfeld entstanden. Bei den vorhandenen Beratung- und

Qualifizierungsangeboten sind die Ressourcen jedoch beschränkt, sodass sich Kooperationen mit

Unternehmen anbieten.

Besonders gefördert werden sollten Kooperation zwischen Unternehmen der Kultur- und

Kreativwirtschaft und kleinen und mittleren Unternehmen anderer Wirtschaftsbranchen, da diese

aufgrund mangelnder Kenntnisse über positive Effekte und begrenzter finanzieller Ressourcen

wenig Kontakt mit der Kultur- und Kreativwirtschaft haben. Es wird also ein Förderinstrument

benötigt, das Kooperationen mit anderen Branchen ermöglicht. Ein Beispiel liefert hier die Stadt

Salzburg, die mit dem „Voucher in Creative Industries“ (VINCI) kleine und mittlere Unternehmen,

die mit einem Unternehmen aus der Kultur- und Kreativwirtschaft kooperieren, fördert. Positiv an

Kooperationen ist, dass beispielsweise durch Produktinnovationen ein wirtschaftlicher Mehrwert

erzeugt wird, der ohne die Zusammenarbeit nicht vorhanden wäre. Für die Untersuchungsregion

bietet sich die Entwicklung eines vergleichbaren Instruments an.

Auch durch den Aufbau von Plattformen zum Wissensaustausch können wesentliche Defizite

bezüglich der Qualifizierung beseitigt werden. Um einen solchen Austausch zu gestalten, muss die

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Verantwortlichkeit dafür an einer Stelle institutionell verankert werden. Wie die Förderung der

Kultur- und Kreativwirtschaft mit den anderen Förderaktivitäten einer Stadt verknüpft werden

kann, lässt sich am Beispiel der Stadt Wien zeigen. Im Jahr 2003 hat die Wirtschaftsagentur Wien

ihre gesamten Fördermaßnahmen für die Kultur- und Kreativwirtschaft unter dem Namen

„departure“ gebündelt. Zum effizienten Einsatz der Fördermittel werden verschiedene

Förderprogramme angeboten, die sich nach den Bedürfnissen der Unternehmen richten. Bei dem

Programm „departure focus“ wird beispielsweise jedes Jahr eine besondere Entwicklung in der

Kultur- und Kreativwirtschaft aufgegriffen. Die beteiligten Unternehmen werden bei der Produktion

und Vermarktung ihrer kreativen Ideen gefördert. Daneben bietet die Stadt Wien ein

Expertenportal an, auf dem sich Unternehmen aus der Kultur- und Kreativwirtschaft Hilfestellung

holen können. Neben der finanziellen Förderung wird hier also der Schwerpunkt auf Qualifizierung

und Vernetzung gelegt. Dieses Beispiel kann Vorbild für die Förderung in der Untersuchungsregion

sein.

Weiterer Handlungsbedarf wurde auch bei Thema Ideen- bzw. Unternehmensfinanzierung

identifiziert. Die Wirtschaftsförderung kann hier Aufklärungsarbeit bei den Banken leisten, um die

Kreditaufnahme für die Unternehmen zu erleichtern. Eine Alternative zu einem Kredit stellt auch

hier Venture Capital dar. Die vorhandenen Angebote in der Untersuchungsregion könnten noch

spezifischer auf die Kultur- und Kreativwirtschaft ausgerichtet werden. Ein Beispiel bietet hier die

IBB Beteiligungsgesellschaft in Berlin. Seit dem Jahr 2004 führt die IBB Beteiligungsgesellschaft

einen Venture Capital Fonds für Unternehmen aus der Kultur- und Kreativwirtschaft mit einem

Volumen von ca. 30 Millionen Euro. Die IBB Beteiligungsgesellschaft ist eine Tochter der

Investitionsbank Berlin und befindet sich somit in öffentlichem Besitz. Für das Bundesland Berlin

bringt die Investition in einen solchen Fond mehrere Vorteile mit sich. Durch die investierten Mittel

wird die Kultur- und Kreativwirtschaft in der Region gefördert und somit auch positive Effekte für

die Region angestoßen. Zudem kann die IBB Beteiligungsgesellschaft durch einen späteren

Verkauf oder Börsengang ihrer Beteiligungen einen Gewinn erzielen. Weiterhin sorgt der strenge

Prozess vor Vergabe der Mittel dafür, dass die Gefahr eines Totalverlusts der Fördermittel

verringert wird. Trotzdem kann das eingesetzte Kapital auch bei dieser Art der

Wirtschaftsförderung verloren gehen. Es wird empfohlen das Konzept der IBB

Beteiligungsgesellschaft näher zu analysieren, um festzustellen, ob das Konzept oder Teile des

Konzepts auf Schleswig-Holstein übertragen werden können; sprich die Bereitstellung spezifischer

Angebote für die Kultur- und Kreativwirtschaft durch die Investitionsbank Schleswig-Holstein oder

die mittelständische Beteiligungsgesellschaft Schleswig-Holstein mbH. Die Verbesserung des

Kapitalzugangs ist ein wichtiger Aspekt hinsichtlich der Beseitigung von Qualifizierungsdefiziten bei

den Akteuren der Kultur- und Kreativwirtschaft. Aber auch die Sichtbarkeit der Branche wird

erhöht, da Banken sensibilisiert werden und Erfahrung mit der Branche sammeln.

Eine weitere Möglichkeit der Mittelbeschaffung für Projekte, Produkte oder die Umsetzung von

Geschäftsideen für die Kultur- und Kreativwirtschaft bieten Crowdfunding-Portale. Hierbei

handelt es sich um Online-Portale, bei denen das Kapital über eine Vielzahl von Geldgebern zur

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Verfügung gestellt wird. Gefällt den Nutzern des Portals die Geschäftsidee oder ein Produkt, hat

dieser die Möglichkeit, dieses Produkt durch einen Geldbetrag zu erwerben oder den

Existenzgründer durch eine Spende in Form einer stillen Beteiligung zu unterstützen. In

Deutschland gibt es bereits eine Vielzahl an solchen Portalen. Neben den bundesweiten

Plattformen gibt es auch Portale, die regional auf die Kultur- und Kreativwirtschaft ausgerichtet

sind. Beispielhaft zu nennen ist hier „Nordstarter“ für Hamburg oder „Durchstarter“ für Dresden. Die

Bereitstellung eines solchen Crowfunding-Portals ist auch für die Untersuchungsregion als

Finanzierungsmöglichkeit anzustreben. Hierfür bedarf es einer Sensibilisierung für das Thema

Crowdfunding und einer stärkeren Bewerbung als alternative Finanzierungsmöglichkeit bei

Beratungsstellen. Neben der privaten Mittelbeschaffung bieten Crowdfunding-Portale die

Möglichkeit, Kontakt zu potenziellen Kooperationspartners oder Kunden aufzubauen. Denn vor

allem die mangelnde Vernetzung untereinander sowie Kontakte zu potenziellen Abnehmern stellen

bisher ein Problem beim Vertrieb der erzeugten Produkte oder Dienstleistungen dar. Darüber

hinaus ließen sich auf diese Weise Synergien zwischen Unternehmen der Kultur- und

Kreativwirtschaft heben, Markteintrittsbarrieren abbauen und neue Märkte erschließen.

Neben diesen Maßnahmen kann die Stadt Kiel auch von EU-Förderprogrammen für die Kultur-

und Kreativwirtschaft profitieren. Aktuell sind auf europäischer Ebene Programme zur Förderung

der Kultur-und Kreativwirtschaft in Vorbereitung. Diese befinden sich jedoch noch in der

Planungsphase und sind noch nicht vollständig ausgearbeitet. Beispielsweise hat die EU-

Kommission die Initiative „European Creative Industries Alliance“ (ECIA) geschaffen. Diese dient

zum einen der Vernetzung mithilfe der „Policy Learning Platform“ und der Entwicklung von

Clustern und soll zum anderen den Zugang zu Kapital für Unternehmen der Kultur- und

Kreativwirtschaft erleichtern. Außerdem wird momentan in vier Modellregionen in Europa ein

Gutscheinsystem erprobt, das Kooperationen fördern, die Sichtbarkeit erhöhen und einen

wesentlichen Anteil zur Qualifizierung beitragen soll. Sind die Programme final ausformuliert, sollte

geprüft werden, inwieweit Möglichkeiten bestehen, hiervon zu profitieren.

Quartiersentwicklung

Hinsichtlich der Entwicklung von zusätzlichen kreativen Quartieren wird an dieser Stelle keine

konkrete Empfehlung für die Untersuchungsregion ausgesprochen, da eine gesteuerte

Entwicklung für die Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft nicht Erfolg versprechend zu sein

scheint. Es empfiehlt sich eher, die bereits vorhandenen kreativen Quartiere, in diesem Fall das

Muthesius-Quartier, zu stärken als neue Konkurrenz in diesem Feld aufzubauen. Die Etablierung

von kreativen Milieus entsteht durch die Aktionen und Handlungen aus der Kultur-und

Kreativwirtschaft und kann nicht durch öffentliche Projekte oder Institutionen herbeigeführt werden.

Jedoch können bestimmte Maßnahmen die Entwicklung von kreativen Milieus oder Stätten

unterstützen und fördern.

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Hierunter fällt die Bereitstellung idealtypischer Räume für die Kultur-und Kreativwirtschaft als

Arbeits- als auch Vernetzungsstelle. Erfolgsrelevant ist dabei das Finden eines geeigneten

Objekts, das alle notwendigen Kriterien hinsichtlich Lage, Preis und Nutzungsmöglichkeiten erfüllt

und die enge Zusammenarbeit von Stadt, Muthesius Kunsthochschule und den Vertretern der

informellen Netzwerke am Standort ermöglicht. Darüber hinaus wird die Anschaffung einer

spezifischen Infrastruktur in diesen Raumkonzepten empfohlen, die für die Akteure der Kultur- und

Kreativwirtschaft zur Verfügung steht. Das Beispiel der „Open Design City“ in Berlin zeigt, wie

solch ein Raumkonzept mit verfügbarer Infrastruktur gestaltet werden kann. In der „Open Design

City“ werden Künstlern, Designern und Kreativschaffenden alle für deren erfolgreiche

Projektumsetzung notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt. Das Angebot beinhaltet die

Vermietung des Arbeitsplatzes, die Bereitstellung von Verkaufsflächen und Lagerräumen sowie die

Nutzung von speziellen Werkzeugen und Maschinen, wie beispielsweise einem 3D-Drucker oder

einer CNC-Fräse. Außerdem erhalten die Akteure Zugang zu einem Netzwerk von Dienstleistern

und Zulieferern und haben die Möglichkeit, an Seminaren zur Vermittlung von auf die

gestalterische Praxis bezogenen Fertigkeiten und Kenntnissen teilzunehmen, wie beispielsweise

die Erstellung von 3D-Computerdaten, der Modellbau oder der Umgang mit computergesteuerten

Technologien.

Das Konzept der Coworking Spaces und des Roomsharings stellt eine wirkungsvolle

Maßnahme zur Stärkung des Verständnisses zwischen den einzelnen Teilbranchen dar und erhöht

aufgrund der besseren Vernetzung untereinander das Synergiepotenzial der Branche. So können

sich Akteure der einzelnen Teilsegmente zusammenschließen und gemeinsam innovative

Projekte, Produkte oder Dienstleistungen entwickeln. Das Konzept der Coworking Spaces ist keine

kurzzeitige Erscheinung, sondern zieht immer weiter in die allgemeine Arbeitswelt ein.

Insbesondere sonnige Urlaubsregionen sind hier sehr gefragt. Unter dem Slogan „Arbeiten, wo

andere Urlaub machen“ zieht es immer mehr Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft in den

sonnigen Süden, beispielsweise mit dem „Project Getaway“ nach Thailand oder Bali oder in die

„OpenFinca“ nach Mallorca. Insbesondere die Untersuchungsregion kann in diesem Bereich seine

natürlichen Standortvorteile mit der Nähe zum Meer ausspielen und ähnliche Möglichkeiten für

solche Coworking Spaces schaffen. Somit kann die Untersuchungsregion die Möglichkeit erhalten,

sich überregional zu profilieren und eine nationale Wahrnehmung für die Kultur- und

Kreativwirtschaft erzeugen.

Zur Förderung der Sichtbarkeit nach außen bietet das Konzept der Zwischennutzung einen guten

Ansatz. Denn durch zeitlich befristete Projekte, Ausstellungen und Events rückt die Kultur- und

Kreativwirtschaft näher in den Fokus der Gesellschaft und ermöglicht so die Bildung eines Images.

Gerade in diesem Bereich kann Kiel auf sehr positive Erfahrungen, ein schon gut ausgebautes und

etabliertes Netz an Initiativen und Netzwerke aufbauen. Die Zwischennutzung des Lessingbades

hat gezeigt, wie sich ein Projekt in geradezu idealtypischer Weise entwickeln kann und

insbesondere die Sichtbarkeit und die Vernetzung am Standort fördert. Das Beispiel zeigt aber

auch, dass es auch langfristige Projekte geben muss, damit der Standort nachhaltig von den

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Aktivitäten der Akteure profitieren kann. Die Erfahrungen sollten es ermöglichen, schnell Erfolge

vorzuweisen, wenn es gelingt, ein ähnliches Projekt zu initiieren.

Ähnlich verhält es sich mit dem Quartier „Maritimes Viertel“ mit dem kultur- und

kreativwirtschaftlichen Zentrum im „Atelierhaus im Anscharpark“. Hier ließen sich mit

entsprechenden Investitionen ebenso weitere Räume schaffen, die sich sehr gut für die Akteure

der Kultur- und Kreativwirtschaft eignen, womit nicht zwangsläufig eine Komplettsanierung eines

weiteren Gebäudes gemeint ist. In diesem Quartier wären auch Zwischennutzungen durch Akteure

der Kultur- und Kreativwirtschaft möglich, oder sogar die langfristige Umsetzung von eigenen

Nutzungs- und Entwicklungskonzepten. Dabei könnten Erkenntnisse, die aus der (Zwischen-

)Nutzung des Lessingbades resultierten, als Grundlage für eine mögliche Entwicklung genutzt

werden.

Wichtig ist dabei, dass der Antrieb immer noch aus der Szene kommen muss. Ein erzwungenes,

aufgesetztes Projekt erscheint wenig Erfolg versprechend. Das bedeutet für die Stadt und zum Teil

auch für die Muthesius Kunsthochschule: Unterstützung ja, Mitsprache nur bedingt und

keine/wenig Firmierung.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Untersuchungsregion auf die identifizierten

Stärken aufbauen und auf dieser Basis eine zielgerichtete Profilbildung anstreben sollte, mit der

sie sich überregional von anderen Standorten der Kreativwirtschafts-Standorten abhebt.

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Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen

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