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KOLUMNE Mal was ganz Neues Wolfgang Storz über Streitkultur in der Linkspartei, Produktion negativer Emotionen – und politische Anziehungskraft Respekt, Vertrauen, Empathie – vermutlich wird mit keinem Be- griffstrio mehr Schindluder getrie- ben. Die Management-Literatur ist seit Jahren voll davon, eine wach- sende Coaching-Industrie verdient sich ihr Geld mit der Konstruktion von Plätzchen emotionalen Wohl- befindens in einer grundsätzlich in- humanen Arbeitswelt. Bei linken politischen Organisatio- nen gibt es diese Diskrepanz zwi- schen Wort und Tat sehr selten. Denn deren Funktionäre und Politiker ver- wenden diese Begriffe gar nicht. Wo sollten sie in ihren Reden und Schrif- ten dieses in ihren Ohren gefühlige inhaltsleere Gesülze überhaupt plat- zieren? Da ist kein Platz, denn den brauchen sie allein für die richtigen Inhalte. Zuvor verbissen bis zum letzten Spiegelstrich und Komma ausgekämpft, und dann in einer Sprache abgefüllt, die an gefühlsfer- ner Abstraktheit unüberbietbar ist. Den schäbigen Inhalt gibt es in linken Kreisen also pur, ohne Gir- landen. Jüngst sortierte ein No-go-Papier aus der Parteizentrale der Linken den personellen Bestand nach politischer Tauglichkeit. Schon früher kursierte ein Liederbuch mit herabwürdigen- den Texten über hochrangige Partei- repräsentanten. Und noch früher wurde auf einer feierlichen Veran- staltung vor laufenden Kameras dem damaligen Bundesgeschäftsführer das Vertrauen entzogen. Diese drei unterschiedlichen Fälle zeigen: Es wird in dieser Partei la- gerübergreifend nach Nützlichkeit ein Klima wahlweise geduldet, er- duldet oder betrieben, in dem das Zerstörerische grundsätzlich einen Platz hat. Wer mit Mitgliedern der Partei redet, der hört: Dass die Medien das ständig aufgreifen, das ist typisch Linken-Hetze, denn in die anderen Parteien ist das nicht anders. Nun ist der Hinweis auf die ebenfalls bösen Anderen zwar per se von drittklassiger Qualität, richtig jedoch ist: In jeder politischen Or- ganisation gibt es schonungslose Kämpfe um Einfluss, Posten und Positionen. Aber es ist ein Unter- schied, ob sie in Hinterzimmern ausgetragen werden oder auf offe- ner Bühne. Ob verletzende Urteile gesagt oder schriftlich penibel fest- gehalten werden. Und es ist ein Un- terschied, ob ein parteiinterner Gegner »nur« bekämpft oder sein abgrundtief gewünschter Untergang noch in fröhlichen Singstunden kul- tiviert wird. Es ist über die Jahre auch bei demjenigen, der nur einen Aus- schnitt dieser Welt wahrnimmt, der Eindruck aufgekommen: Wenn in der Linkspartei gestritten wird, dann oft so böse, so verletzend, so maß- und rücksichtslos, dass die Chance auf Wiedergutmachung, auf ein Zu- rückholen des im Zorn Gesagten von vornherein ausgeschlossen ist. Das macht das Zerstörerische aus, wohl- genährt von dem Missverständnis, inhaltlicher Streit zwischen Ost und West, Reformern und Traditionalis- ten, Regierungswilligen und -unwil- ligen, zwischen jenem und diesem Lager, zwischen jenem und diesem Nicht-Lager sei nur dann ein ernst- zunehmender Streit, wenn er kein Erbarmen kennt. So wird die Pro- duktion negativer Emotionen zu ei- ner weithin ausgeübten und gedul- deten linken Fingerfertigkeit. Ich stelle mir vor, es gibt etwa 300 oder 500 Leute in Kommune, Land und Bund, welche die Geschi- cke dieser Partei als wichtige Funk- tionäre, Politiker und Meinungsma- cher im weitesten Sinne mitbestim- men. Und diese Gruppe würde mit einem technischen Verfahren foto- grafiert, das auf der Abbildung die Verletzungen in Gedanken, Seelen und Herzen sichtbar zu markieren in der Lage wäre – man sähe ein Laza- rett. Und Ärzte versetzten ihre Maßstäbe für psychische Überle- bensfähigkeit. Über den Erfolg der Linkspartei, ihre Regierungsfähigkeit in den Au- gen der Öffentlichkeit, über ihre At- traktivität jenseits der Wahlabend- zahlen entscheidet nicht, ob sie fähig ist, die noch richtigeren aller richti- gen Analysen anzustellen und rich- tig-richtigere Forderungen als alle anderen zu erheben. Über diese Anziehungskraft ent- scheidet allein, ob sie sich für eine Kultur entscheidet, die ganz selbst- verständlich das Zerstörerische mit jenem gefühligen Gesülze verbannt, mit dem der echte deutsche Linke offensichtlich gar nicht gut umgehen kann: den harten Streit nur noch in den Grenzen zulassen, die von Ma- nieren, einem halbwegs menschli- chen Umgang, Respekt und Empa- thie abgesteckt werden. Eine Ver- trauen erweckende linke Partei – mal was ganz Neues. Wolfgang Storz war bis 2006 Chefredakteur der »Frankfurter Rundschau« und arbeitet seither als Berater und Publizist. Foto: Stephan Moll

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Page 1: KOLUMNE Mal was ganz Neues - wolfgangstorz.dewolfgangstorz.de/wp-content/pdf/04me-04072014-b.pdf · Zu»UmkämpfteDrohnen«,1.7.,S.6 DerentscheidendePunktinder DiskussionumDrohnenistmeines

4 Meinung*

Freitag, 4. Juli 2014 uneues deutschland

Zeichnung: Rainer Hachfeld

IHRE MEINUNG

Pseudopädagogisch

Zu … abgesehen vom großen Ver-sprechen, 2.7., S. 20Tolle Frage an Per Mertesacker:Warum war das Spiel der DFB-Elfso schwerfällig und die Defensiveso anfällig? So fragte ihn der ZDF-Reporter Boris Büchler Sekundennach dem schwer erkämpften Sieg.Per antwortete: Was soll das? Ismir völlig wurscht! Wir sind jetztunter den letzten Acht! Nur daszählt!Also hätte ich langjähriger Leh-

rer damals mal einen Schüler beider Rückgabe einer Mathearbeitgefragt: Sagen Sie mal, warum istdie Klassenarbeit so schlecht aus-gefallen? Und der Schüler antwor-tet: Is mir völlig wurscht, keinerhat ‘ne 5, keiner hat ‘ne 6. Wir ha-ben es doch alle geschafft, oder?Beide Antworten sind doch na-

hezu kongenial! Nur – die Fragendavor waren einfach schlecht. Mitmeiner Frage damals wäre ich einmieser Pseudopädagoge gewesen.War Boris Büchler, der den Sport-lern seit längerer Zeit derart neun-malkluge Fragen stellt, etwa auchein Oberlehrer? Schließlich würgter den Disput im schnellen, kurzenStaccato ab: Tank! (statt etwa nurfreundlich zu sagen: Vielen Dank!)Hartwig Runge, Leipzig

Befürwortung für Gauck

Zu »Umkämpfte Drohnen«, 1.7., S. 6Der entscheidende Punkt in derDiskussion um Drohnen ist meinesErachtens folgender: Wenn Leutewie der Vorsitzende des Bundes-wehrverbandes oder der Wehrbe-auftragte sowie verantwortlicheMilitärs, aber auch Frau von derLeyen die Anschaffung solchenKriegsgeräts fordern, so befürwor-ten sie damit zugleich die Forde-rung Gaucks nach vermehrtenKriegseinsätzen der Bundeswehrim Ausland. Wofür würden solcheWaffen sonst benötigt?Siegfried Modrach, Berlin

Wie soll man solch einer Regierungvertrauen? Eine siebenfache Mutterist Kriegsministerin, ein Ex-Bür-gerrechtler-Präsident mutiert zumKriegshetzer und ein Ex-Entwi-cklungminister wird Rüstungsbe-rater! Ich kann nur sagen, da fühleich mich verkauft und verraten.Sonja Newiak, Cottbus

Ursula von der Leyen habe gezögertbei der Entscheidung zur Beschaf-fung bewaffnungsfähiger Drohnen.Wer glaubt, darüber entscheidetunsere Verteidigungsministerin?Haben Wirtschaft und Rüstungsin-dustrie nur beiläufig mitzureden?Von der Drohnen-Affäre des letztenMinisters redet keiner mehr. Es re-det niemand – und wenn, dann sehrzurückhaltend – über die Drohnen-Mörderspiele des US-Präsidenten,denen viele Menschen zum Opferfielen. Kolateralschäden heißt das.Deutsche Drohnen seien ganz etwasanderes, beruhigt uns die Ministe-rin. Nur zum Schutz unserer Solda-ten würden sie gebraucht. Also tö-ten sie gar nicht. Warum dann waf-fenfähig?Drohnen machen sich gut mit

von der Leyens Familienprogramm.Sie lassen sich glatt aus dem Kin-derzimmer und der Kita in der Ka-serne steuern und auf den tödli-chen Weg schicken. Saubere Sache.Roland Winkler, Aue

Sofort mittendrin

Zu »Mephisto und der TeufelMensch«, 16.6., S. 16Lieber Hans-Dieter Schütt! Wiedereine Theaterkritik vom Feinsten.Man ist sofort mittendrin in dieserWelt – und muss die Aufführungdanach unbedingt sehen. Dankeauch für das ausführliche Sahra-Wagenknecht-Zitat.Alexander Kinsky, München

Beiträge in dieser Rubrik sind keineredaktionellen Meinungsäußerungen.Die Redaktion behält sich das RechtSinn wahrender Kürzungen vor.

KOMMENTIERT

Kiesewetters NachtigallRené Heilig vermisst bei einigen NSA-Aufklärern den Willen zur Aufklärung

Er freue sich über das große Interesse der Öffentlichkeit an der Arbeit desNSA-Untersuchungsausschusses, sagte Roderich Kiesewetter. Dannschmierte der Unionsobmann den anwesenden Journalisten Honig umsMaul. Die würden ja so umfangreich und gut berichten. Nachtigall ... Klar,der CDU-Mann wollte suggerieren, dass die von der Opposition beantragte,von der SPD durchaus gut geheißene Videoübertragung der ersten Zeu-genvernehmung nicht nötig sei. Das Prozessrecht, dem der Ausschuss folge,lasse das nicht zu. Schon seltsam. Im Parlament geht es um unser allerBürgerrechte, die von der NSA gröblich verletzt wurden und werden. Dochdie Geschädigten werden ausgesperrt. Transparenz geht anders.Nach der Befragung von Sachverständigen wurden gestern nun Insider

befragt. Aufgerufen wurde zuerst ein ehemaliger NSA-Technikchef. Wil-liam Binney gab sich zwar redlich Mühe, Fragen zu beantworten. Dochseine Dienstzeit endete 2001, also bevor die US-Agency in den totalenGrößenwahn verfiel. Allenfalls Anfänge der chronischen Geheimdienst-krankheit konnte man also diagnostizieren. So zeigte die gestrige Sitzungerneut, wie wichtig eine faire und gründliche Befragung von EdwardSnowden wäre. Die wird weiter blockiert. Unter anderem von Kiesewetter.Aber der fühlt sich ja auch durch geschwärzte BND-Akten gut informiert.

Karenzzeit ist kein BerufsverbotFabian Lambeck über die gebotene Auszeit für Ex-Minister

Wenn man der Vize-Regierungssprecherin Glauben schenken darf, dann hatAngela Merkel am Mittwoch ihrem Ex-Minister Dirk Niebel deutlich gemacht,dass sie es begrüßen würde, wenn er beim Wechsel in die Wirtschaft eine ein-jährige Karenzzeit einhielte. Alle Achtung, staunt da der Bürger. Die Regie-rungschefin, die 2013 ihren Staatsminister Eckart von Klaeden an den Daim-ler-Konzern verlor, zeigt Zähne. Doch aufmerksame Rechner werden feststel-len, dass Niebel die von der Kanzlerin geforderte Frist durchaus einhält.Schließlich schied er im Dezember 2013 aus dem Amt und nimmt seine neueTätigkeit beim Rüstungskonzern Rheinmetall offiziell erst 2015 auf.Das dürfte ihn allerdings nicht daran hindern, bereits jetzt schon mal vor-

zufühlen, wer von seinen Kontakten auch zukünftig gesprächsbereit ist. Unge-wollt macht die Regierungssprecherin so klar, dass die von der Großen Koali-tion angestrebte Karenzzeit von zwölf Monaten nicht ausreichend ist, wennein Minister als Lobbyist die Seiten wechseln will. Das mag die Freiheit seinerBerufswahl einschränken, jedoch hindert so eine gesetzlich vorgeschriebeneKarenz keinen Minister daran, in seinen alten Beruf zurückzukehren. Sie solllediglich verhindern, dass jemand mit seinem im Amt erworbenen Wissenhinterher Kasse macht. Niebel hatte es in seiner vorministeriellen Karriere üb-rigens zum Verwaltungsoberinspektor im Arbeitsamt gebracht.

Schlimmeres verhütenKlaus Joachim Herrmann über das Bemühen um Waffenruhe in der Ukraine

Für ihr Bemühen um Waffenruhe in der Ukraine verdienen sich die Bun-deskanzlerin und ihr Außenminister Respekt. Sie wollen »Schlimmeresverhüten«. Beim Machtkampf um den Platz der Ukraine in der EU oder beiRussland haben deutsche Politiker aber kräftig mitgemischt – bis zumPräsidentensturz. Es wäre doch auch zu schön gewesen, mit dem CDU-Zögling Vitali Klitschko einen Gewährsmann in diesem Amt zu haben. Derbekam den Trostpreis, das Land die Zerreißprobe bis in den Krieg.Nicht zuerst Brüssel und Berlin installierten ihre Favoriten in Kiew –

»Fuck the EU!« Hilflos zugesehen wurde der Durchsetzung US-amerikani-scher Kandidaten und Interessen. Als Leute Washingtons sollen Präsidentund Premier nach der EU auch der NATO und damit deren Führungs-macht den Weg direkt bis an die Grenzen Russlands bereiten. Waffenruheist nicht vorgesehen. Warum sonst ließ Kiew am Montag wohl die Verab-redung mit den europäischen Großmächten Deutschland, Frankreich undRussland platzen, wenn nicht wegen einer noch größeren Macht?Vor allem die Europäer als angebliche Verbündete wurden damit übel

vorgeführt. Sie sollten künftig für die Bürger der Ukraine, aber auch fürsich selbst Schlimmeres verhüten. Ganz besonders mit Blick auf ein längsternstlich beschädigtes Verhältnis zu Russland.

KOLUMNE

Mal was ganz NeuesWolfgang Storz über Streitkultur in der Linkspartei, Produktion negativer Emotionen – und politische Anziehungskraft

Respekt, Vertrauen, Empathie –vermutlich wird mit keinem Be-griffstrio mehr Schindluder getrie-ben. Die Management-Literatur istseit Jahren voll davon, eine wach-sende Coaching-Industrie verdientsich ihr Geld mit der Konstruktionvon Plätzchen emotionalen Wohl-befindens in einer grundsätzlich in-humanen Arbeitswelt.Bei linken politischen Organisatio-

nen gibt es diese Diskrepanz zwi-schen Wort und Tat sehr selten. Dennderen Funktionäre und Politiker ver-wenden diese Begriffe gar nicht. Wosollten sie in ihren Reden und Schrif-ten dieses in ihren Ohren gefühligeinhaltsleere Gesülze überhaupt plat-zieren? Da ist kein Platz, denn denbrauchen sie allein für die richtigenInhalte. Zuvor verbissen bis zumletzten Spiegelstrich und Kommaausgekämpft, und dann in einerSprache abgefüllt, die an gefühlsfer-ner Abstraktheit unüberbietbar ist.Den schäbigen Inhalt gibt es in

linken Kreisen also pur, ohne Gir-landen.Jüngst sortierte ein No-go-Papier

aus der Parteizentrale der Linken denpersonellen Bestand nach politischerTauglichkeit. Schon früher kursierteein Liederbuch mit herabwürdigen-den Texten über hochrangige Partei-repräsentanten. Und noch früherwurde auf einer feierlichen Veran-staltung vor laufenden Kameras demdamaligen Bundesgeschäftsführer dasVertrauen entzogen.Diese drei unterschiedlichen Fälle

zeigen: Es wird in dieser Partei la-gerübergreifend nach Nützlichkeitein Klima wahlweise geduldet, er-duldet oder betrieben, in dem dasZerstörerische grundsätzlich einenPlatz hat.Wer mit Mitgliedern der Partei

redet, der hört: Dass die Medien dasständig aufgreifen, das ist typisch

Linken-Hetze, denn in die anderenParteien ist das nicht anders.Nun ist der Hinweis auf die

ebenfalls bösen Anderen zwar per sevon drittklassiger Qualität, richtigjedoch ist: In jeder politischen Or-ganisation gibt es schonungsloseKämpfe um Einfluss, Posten undPositionen. Aber es ist ein Unter-schied, ob sie in Hinterzimmernausgetragen werden oder auf offe-ner Bühne. Ob verletzende Urteile

gesagt oder schriftlich penibel fest-gehalten werden. Und es ist ein Un-terschied, ob ein parteiinternerGegner »nur« bekämpft oder seinabgrundtief gewünschter Untergangnoch in fröhlichen Singstunden kul-tiviert wird.Es ist über die Jahre auch bei

demjenigen, der nur einen Aus-schnitt dieser Welt wahrnimmt, derEindruck aufgekommen: Wenn inder Linkspartei gestritten wird, dannoft so böse, so verletzend, so maß-und rücksichtslos, dass die Chanceauf Wiedergutmachung, auf ein Zu-rückholen des im Zorn Gesagten vonvornherein ausgeschlossen ist. Dasmacht das Zerstörerische aus, wohl-genährt von dem Missverständnis,

inhaltlicher Streit zwischen Ost undWest, Reformern und Traditionalis-ten, Regierungswilligen und -unwil-ligen, zwischen jenem und diesemLager, zwischen jenem und diesemNicht-Lager sei nur dann ein ernst-zunehmender Streit, wenn er keinErbarmen kennt. So wird die Pro-duktion negativer Emotionen zu ei-ner weithin ausgeübten und gedul-deten linken Fingerfertigkeit.Ich stelle mir vor, es gibt etwa

300 oder 500 Leute in Kommune,Land und Bund, welche die Geschi-cke dieser Partei als wichtige Funk-tionäre, Politiker und Meinungsma-cher im weitesten Sinne mitbestim-men. Und diese Gruppe würde miteinem technischen Verfahren foto-grafiert, das auf der Abbildung dieVerletzungen in Gedanken, Seelenund Herzen sichtbar zu markieren inder Lage wäre – man sähe ein Laza-rett. Und Ärzte versetzten ihreMaßstäbe für psychische Überle-bensfähigkeit.Über den Erfolg der Linkspartei,

ihre Regierungsfähigkeit in den Au-gen der Öffentlichkeit, über ihre At-traktivität jenseits der Wahlabend-zahlen entscheidet nicht, ob sie fähigist, die noch richtigeren aller richti-gen Analysen anzustellen und rich-tig-richtigere Forderungen als alleanderen zu erheben.Über diese Anziehungskraft ent-

scheidet allein, ob sie sich für eineKultur entscheidet, die ganz selbst-verständlich das Zerstörerische mitjenem gefühligen Gesülze verbannt,mit dem der echte deutsche Linkeoffensichtlich gar nicht gut umgehenkann: den harten Streit nur noch inden Grenzen zulassen, die von Ma-nieren, einem halbwegs menschli-chen Umgang, Respekt und Empa-thie abgesteckt werden. Eine Ver-trauen erweckende linke Partei – malwas ganz Neues.

Wolfgang Storz war bis 2006Chefredakteur der »FrankfurterRundschau« und arbeitet seitherals Berater und Publizist.Foto: Stephan Moll

PERSONALIE

Aufgeputscht?Von René Heilig

»Innenausschuss mit 45 Tages-ordnungspunkten hat begonnen«,twitterte Michael Hartmann nocham Mittwochmorgen. Zu diesemZeitpunkt wusste der SPD-Mann,der innenpolitischer Sprecher sei-ner Bundestagsfraktion ist, nochnicht, was sich in seiner Wohnungin Berlin-Prenzlauer Berg abspiel-te. Polizisten mit Spürhunden undzwei Staatsanwälten im Schleppstellten Hartmanns Wohnung aufden Kopf. Die Aktion endete erstam späten Nachmittag – ohne Er-folg. Dennoch kam dann auch dieNachricht, dass der Bundestag dieImmunität des stets freundlichenund immer etwas zurückhaltendwirkenden Kollegen aufgehobenhat. Angeblich soll der observierteHartmann etwas von der Mode-droge Crystal Meth bestellt haben.Eigenbedarf. Die Dealerin, zu derder Abgeordnete Beziehungen un-terhalten haben soll, war bereits imVisier der Drogenfahnder.Dass von Terminen und Medi-

en durch einen langen Tag getrie-bene Spitzenpolitiker oft zu Pillengreifen, ist in Berlin längst kein Ge-heimnis mehr. Auch »Koks« ziehtsich manch Abgeordneter oder Mi-nisterieller rein. Das, was Hart-mann bestellt haben soll, wird syn-thetisch hergestellt. Vor allen inTschechien. Crystal Meth putschtauf, macht euphorisch, hält wach,hebt das Selbstwertgefühl. Hun-ger und Durst sind perdu. Dochdann kommt der Absturz: Schlaf-losigkeit, Depressionen.

So soll der Rheinland-Pfälzer,der seit 2002 im Parlament sitzt,der im BND-Untersuchungsaus-schuss einen guten Jobmachte, derden Koalitionsvertrag mit aus-handelte, der in der G10-Kom-mission sitzt und im Gremium zurKontrolle der Geheimdienste alsscharfer Kritiker der NSA aufge-fallen sein soll, durchs Leben ge-schwebt sein?Irgendwie hat die SPD kein

»Glück« mit Innenpolitikern, dieihren Job verstehen. Hartmannwar mit dem SPD-Politiker Sebas-tian Edathy befreundet. Gegen denermittelt nicht nur die Staatsan-waltschaft wegen des angeblichenErwerbs von kinderpornografi-schen Materials. Das Parlamentbeschloss einen Untersuchungs-ausschuss – genau an jenem Tag,an dem auch Michael HartmannsKarriere (vermutlich) endete.

Michael Hartmann (51, ledig,katholisch) legte seine politischenÄmter nieder. Foto: dpa/Soeren Stache

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