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Kommunikation in
schwierigen
Gesprächssituationen
Dr. rer. med. Yvette Barthel
Parkkrankenhaus Leipzig GmbH
Fortbildung für Sozialarbeiter/innen
der Tumorberatungsstellen und
Kliniksozialdienste
Paracelsus Klinik Bad Elster
10.09.2011
Was sind schwierige
Gesprächssituationen?
Was sind schwierige
Gesprächssituationen?
schwerkranke Patienten?
unzufriedene Patienten?
stille Patienten?
wütende Patienten?
seelisch stark belastete Patienten? Gemeinsamkeiten?
Ausgangssituation
Ausgangssituation Patient
Existentielle Bedrohung
Emotionen (Schock, Angst, Verzweiflung, Euphorie…)
Verlust von Kontrolle über das eigene Leben
Anhaltende Ungewissheit / Abhängigkeit vom
Medizinsystem => Scham
Ausgangssituation
Ausgangssituation Patient
Existentielle Bedrohung
Emotionen (Schock, Angst, Verzweiflung, Euphorie…)
Verlust von Kontrolle über das eigene Leben
Anhaltende Ungewissheit / Abhängigkeit vom
Medizinsystem => Scham
Ausgangssituation Berater
Auseinandersetzung mit schwerer Krankheit / Tod und
Sterben stellvertretend für die Gesellschaft
Alltägliche Begegnung mit Ohnmacht und Hilflosigkeit rührt
an eigene Ängste („Berührungsverbote“ und löst zunächst
häufig ebenso die Reaktionen “Vermeiden“ und „Umgehen“)
seelische Belastung bei Personal in der Onkologie
Ausgangssituation
Gesagt = angekommen ?
! ?
!
Patient und Berater teilen nicht dieselbe Wirklichkeit
Was wollen Patienten von ihren
Berater/innen?
Fachliche Kompetenz für die Erkrankung und
Behandlung
behandlerzentrierte Techniken
Psychosoziale Kompetenz: als Person
wahrgenommen werden
patientenzentrierte Techniken
Was brauchen Berater/innen?
Struktur und Sicherheit!
Behandler-Patient-Kommunikation
Patientenzentrierte
Techniken
Patient führt
Aktives Zuhören
Offene Fragen
Wenig Fragen
„unstrukturiert“
Ansprechen von Gefühlen
Behandlerzentrierte
Techniken
Behandler führt
Strukturierte Informationen übermitteln
Strukturierte Fragen – geschlossene Fragen
Auf den Wechsel kommt es an!
Behandler-Patient-Kommunikation
Behandlerzentrierte
Techniken
Behandler führt
Strukturierte Informationen übermitteln
Strukturierte Fragen – geschlossene Fragen
Behandlerzentrierte Techniken
Setting, Was steht an?
ruhiger Raum, keine Störungen (sonst
entschuldigen)
Begrüßung/Vorstellung
Zeitlimit
Behandlerzentrierte Techniken
Komplexe Informationen vermitteln
Vorwissen klären !
Überblick geben und thematisch gliedern
Kleine Infoeinheiten in einfacher Sprache
Zum Nachfragen einladen
Zusammenfassen
Wichtige Infos aktiv nachfragen
Informationen vermitteln
Gliedern in Überschrift und Text:
„Jetzt möchte ich mit Ihnen besprechen,
1. Was wir für Sie erreichen können und
2. Was das Ziel dieser Maßnahmen ist.“
Informationen in kurzen, wenigen Sätzen mit
häufigen Pausen
Am Ende der Konsultation nachfragen mit
welcher Information der Patient geht
Behandler-Patient-Kommunikation
Patientenzentrierte
Techniken
Patient führt
Aktives Zuhören
Offene Fragen
Wenig Fragen
„unstrukturiert“
Ansprechen von Gefühlen
Behandlerzentrierte
Techniken
Behandler führt
Strukturierte Informationen übermitteln
Strukturierte Fragen – geschlossene Fragen
Auf den Wechsel kommt es an!
Behandler-Patient-Kommunikation
Patientenzentrierte
Techniken
Patient führt
Aktives Zuhören
(Offene Fragen)
(Wenig Fragen)
(„unstrukturiert“)
Umgang mit Emotionen
Auf den Wechsel kommt es an!
Patientenzentrierte Techniken
A Aktives Zuhören
Wesentliches der Aussage des Gesprächspartners mit
eigenen Worten wiedergeben oder zusammenfassen.
Wiederholen
Nachfragen
Zusammenfassen
„Sie meinen also, dass …“
„Sie sagten, dass …“
Patientenzentrierte Techniken
B Umgang mit Emotionen des Patienten
Ansprechen des emotionalen Befindens des
Gesprächspartners
Benennen
Verständnis zeigen
Unterstützung anbieten
„Ich habe den Eindruck, dass Sie mein Anliegen
überrascht.“
„Sie wirken ängstlich auf mich, sehe ich das richtig?“
Umgang mit Emotionen
Emotionen
Emotionen sind im gesamten Krankheitsverlauf von
Tumorpatienten bedeutsam, besonders in
Krisenphasen
Begleiten Verarbeitung von Krankheit und Therapie
Wechselwirkung körperliches Leiden - Emotionen
(auch neurobiologische Verbindungen)
Welche Emotionen ?
Angst
Traurigkeit, Verzweiflung
Enttäuschung
Ohnmacht, Hilflosigkeit
Ärger, Wut/ Zorn
Resignation, Hoffnungslosigkeit
Schuldgefühle
Schamgefühle
….. ?
Gefühle lassen sich nicht ausradieren oder ‚wegmachen‘
aber sie lassen sich verarbeiten und ‚entgiften‘
Warum ?
Abwehr/
Nichtwahrhaben
Sichtbar/hörbar
Nicht sichtbar/hörbar ohne Exploration
Wahrnehmen von Emotionen
Gefühle beim Patienten wahrnehmen
setzt voraus als Berater die eigenen Gefühle wahrzunehmen
diagnostisches und therapeutisches Instrument,
kein Störfaktor!
Was kann passieren, wenn Emotionen - eigene & bei Patienten
- ignoriert oder übersehen werden ?
Beispiele
Wahrnehmen von Emotionen
34jähriger Pat, vor 2 Jahren abdominelles Sarkom,
HD-Chemo & autologe SCT, jetzt bei Routine-Nachsorge
Lebermetastasen entdeckt
P (aufgebracht) „Der Radiologe sagte, es wäre ein Herd, und
jetzt sprechen die hier von mindestens zwei Metastasen,
worauf kann man sich hier denn noch verlassen ?“
B „Aber Sie wussten doch, dass Ihre Heilungschancen weit
unter 100% liegen….“
Welche Gefühle beim Patienten ?
Wie reagiert Berater auf Emotionen des Pat?
Wahrnehmen von Emotionen
P „Der Radiologe sagte, es wäre ein Herd, und Sie sprechen
von mindestens zwei Metastasen, worauf kann ich mich
denn da noch verlassen ?“
B „Aber Sie wussten doch, dass Ihre Heilungschancen weit
unter 100% liegen….“
Ärger, Empörung, provoziert Behandler mit
Schuldvorwurf & Entwertung,
dahinter: Fassungslosigkeit, Enttäuschung
Berater von Aggression & Schuldvorwurf ‚getroffen‘
aber nicht wahrgenommen
Steigt in Vorwurfspirale ein: Rechtfertigung
‚Gegenschlag‘ – Distanzierung & ‚Blaming‘ des Pat
Enttäuschung bei P und B bleiben außen vor
Eigene Emotionen wahrnehmen
Mit welchen Affekten/ Emotionen bei Patienten oder
Angehörigen fällt es mir - eher leicht - eher schwer -
umzugehen?
Woran merke ich das?
• Gedanken (hoffentlich komme ich hier bald raus, nächstes Mal
kriegt den meine Kollegin…)
• Reaktionen (müde, gereizt, ungeduldig, hektisch….)
• Verhaltensweisen (Pat ‚überfahren‘, Blickkontakt oder Pausen
vermeiden, Gespräch unter Verweis auf Zeitmangel abkürzen,
ungefragt Körperkontakt, Psycho-Konsil anfordern…)
Umgang mit Emotionen
Häufige ‚Fehler‘ im Umgang mit (heftigen) Gefühlen
Ignorieren
Bagatellisieren
Entwerten
Ausreden
zur Vermeidung heftiger Gefühle die Ursache verschleiern oder leugnen
um den heißen Brei herum reden
vorschnelles Beruhigen
‚Gute Nachricht‘ in einem Satz mit ‚Schlechter Nachricht‘
auf medizinischer Sachebene bleiben (technische Details)
Naming
Understanding
Respect
Support
Explore
Umgang mit Emotionen
N Naming Identifizieren, als Vorschlag benennen
U Understanding Vermitteln dass man Gefühl in etwa
verstehen kann
R Respect Vermitteln dass emotionale Reaktion
angemessen ist
S Support Eigene Ressourcen von Pat eruieren,
Unterstützung anbieten
E Explore Können Sie es mir noch genauer
schildern, dass ich es mir besser
vorstellen kann?
NURSE dient der eigenen Orientierung - Kein ‚sklavisches‘ Befolgen
aller einzelnen Schritte – es muß ‚stimmig‘ d.h. authentisch sein
Umgang mit Emotionen NURSE
Naming: Benennen, gemeinsam einen passenden Begriff für das
Gefühl der Pat finden (Pat ist Experte!)
sinnvoll v.a. wenn sich Eindruck nonverbal vermittelt;
unnötig wenn Pat ‚Angst‘ oder ‚Zorn‘ selber benennt.
Möglichst schwache (Sorgen, Furcht) und erlebensnahe Begriffe
(Zorn/Ärger, nicht ‚Aggression‘) wählen
Pat mögen es nicht, wenn ihnen gesagt wird was sie empfinden:
Deshalb: Emotionen immer als Vorschlag benennen,
„Und das macht Sie traurig?“
den Pat auch ablehnen kann:
„Nein, nicht traurig, sondern richtig wütend“
Nicht immer lässt sich ein geeigneter Begriff finden, etwa
wenn Pat momentan ‚ganz durcheinander‘ ist
Wir sind alle keine Hellseher!
Wahrnehmen von Emotionen
59-jährige Pat, vor 3 Jahren Brustkrebs
P (sehr aufgewühlt) „Ich kann mich nicht mehr auf meinen
Kopf verlassen, in letzter Zeit vergesse ich alles…“
B „Sie lassen am besten noch ein Untersuchung vom Kopf,
machen um sicher zu gehen, dass da keine Metastasen
sind“
„Ansteckende Angst“ der Pat
Nicht wahrgenommen vom Berater
Welche Gefühle bei Patientin ?
Wie reagiert Berater auf Emotionen der Patientin ?
Umgang mit Emotionen NURSE
Naming Beispiel 1
P „Ich kann mich nicht mehr auf meinen Kopf verlassen,
In letzter Zeit vergesse ich alles…“
A „ Kann das sein, dass Sie in Sorge sind (Angst
haben), dass das mit dem Krebs zu tun hat“ ?
….?
….?
Weitere Alternativen?
Umgang mit Emotionen NURSE
Understanding und Respect
Keine Floskeln! z.B. „Ich kann Sie gut verstehen !“
Nur wirksam, wenn authentisch!
Beide Aspekte sollen dem Pat vermitteln, dass seine Gefühle
nachvollziehbar und angemessen sind, dass er kein
‚Schwächling‘, kein ‚Angsthase‘ ist -> gegen Beschämung,
unterstützt die eigene Wahrnehmung, stärkt Selbstwertgefühl
Respect Beispiel:
„und das, nachdem Sie die lange Therapie durchgemacht &
geschafft haben“
Umgang mit Emotionen NURSE
Support - Unterstützung anbieten
Beispiel:
„Was brauchen Sie jetzt, um mit die Situation halbwegs verkraften zu können“?
„Was würde Ihnen am ehesten nutzen?“
„Was kann ich dazu beitragen?“
-> unterstützt ‚Suchbewegungen‘ und Orientierung
Für manche – sehr verunsicherte - Patienten besser ein
konkretes Angebot:
„Was halten Sie davon, wenn wir zusammen mit Ihrer Frau besprechen, wie es in der nächsten Zeit weitergehen kann?“
„Ich würde gerne nächste Woche einen Termin ausmachen, um zu sehen wie Sie mit Ihrer Angst, Enttäuschung, Traurigkeit…fertig werden“
Umgang mit Emotionen NURSE
Explore Immer wenn Sie
• nicht richtig wissen, was eigentlich mit dem Pat los ist,
• etwas noch ‚undeutlich‘, unklar‘ ist
• das Gefühl haben, nicht alles (oder nichts) zu verstehen
„.“was Sie damit meinen, dass Sie sich auf Ihren Kopf nicht mehr verlassen können“
…“ was für Sie das Schlimmste an der Angst ist“
…“Können Sie mir dabei helfen, dass ich besser verstehe, was Sie da so umtreibt?“
Umgang mit Emotionen - allgemein
Vor Übergang in nächste Gesprächsphase
klären/anbieten, ob Pat über Gefühle/Gedanken
sprechen möchte
Ankündigen & Einverständnis von Patient einholen,
ob Gespräch fortgesetzt oder aufgeschoben werden
sollte
Vor Gesprächsende emotionales Befinden ‚checken‘,
soziale Unterstützung eruieren (wer ist zu Hause…)
Umgang mit Trauer, Schmerz,
Verzweiflung
‚Aushalten‘ und ‚im Kontakt‘ bleiben
Vorwiegend nonverbale Äußerungen:
Taschentuch reichen, ‚mitfühlend brummen‘, Augenkontakt,
Körperliche Zuwendung, evtl. vorsichtiges Angebot von Berührung,
dem Pat Zeit lassen, bis er zur Ruhe kommt, wieder
Kontaktbereitschaft signalisiert
Verbal Einfühlung vermitteln:
die Reaktion ist angemessen, nachvollziehbar, ‚normal‘;
individuell ‚passende Formulierung‘,
kann, muss nicht sein (lieber keine als die ‚falschen‘ Worte)
Umgang mit Angst
Eher „schwache“ Begriffe – z.B. „Sorgen“, „verunsichert“ – Nicht mit ‚Angst‘ konfrontieren
Vermitteln, dass Angsterleben einfühlbar und nachvollziehbar ist – „eingebaute“ Ungewißheit bei Krebs
Vertrauen, Sicherheit in Beziehung z. Arzt - weitere Bezugspersonen?
Pat bei Suche nach Lösungsansätzen beteiligen – „was könnte Ihnen im Augenblick nützen/helfen?“
Umgang mit Angst
Nicht von Angst des Pat. "anstecken" lassen – eigene emotionale Situation wahrnehmen
Angstinhalte konkretisieren, nachfragen und
"anschauen“, die Angst "zu Ende denken":
Orientierung und Kontrolle - kognitiv durch Information, absehbare Behandlungsschritte (eingeschränkte kognit. Fähigkeit beachten - feed-back einholen) Autonomie bestmöglich fördern
Umgang mit Emotionen
Effektive Verarbeitung von ‚negativen‘, schmerzlichen oder
traurigen Emotionen durch bzw. in der Arzt-Patient Beziehung
‚40 seconds of compassion‘* machen einen Unterschied !
Einfühlung & empathische Reaktion der Ärztin/ des Arztes
- erleichtern Angst/Trauer bzw. psychischen Schmerz
- fördern Angsttoleranz
- unterstützen Verarbeitung der Krankheitserfahrung
‚Heilsame Wirkung‘ der Arzt-Patient Beziehung
ist keine Metapher, sondern Realität
* Fogarty 1999
Auf den Wechsel kommt es an!
wird aktiv von Beraterin herbeigeführt durch:
Zusammenfassen, Wechsel ankündigen, Einverständnis einholen,
fokussierte, geschlossene Fragen
Patientenzentriert Arztzentriert