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Sarapis contra Christum | 33 Sarapis contra Christum Zur Religionspolitik des Maximinus Daia, Konstantins Gegenspieler im Osten von Kay Ehling Maximinus Daia ist der letzte römische Kaiser, der Christen offiziell und blutig verfolgen ließ. Zugleich versuchte er, das absterbende Heidentum durch den Aufbau einer eigenen «Gegenkirche» und die Favorisie- rung bestimmter Götter, insbesondere des ägyptischen Gottes Sarapis, zu stärken. A ls sich Konstantin der Große im Jahr 310 Sol zu- wandte, griff er auf einen Gott zurück, der eigent- lich durch den Kaiser des Ostens, Maximinus Daia, «besetzt» war (Abb. 1 a–c). Denn seit seiner Erhebung wurden für Daia Münzen mit Sol-Darstellungen geprägt (Abb. 2 a.b), und Konstantin selbst brachte Silberstü- cke aus, die seinen Kollegen in der Pose des Sonnen- gottes abbildeten (Abb. 3 a.b). Aber «in Sachen» Göt- ter war Konstantin flexibel: Nach der Schlacht an der Milvischen Brücke übernahm er wie selbstverständlich Roma (siehe den Beitrag K. Ehling, S. 29–32) und die Dioskuren von dem besiegten Maxentius (Abb. 4 a.b); letzterem ließ Konstantin nach der Niederringung des Licinius am Hippodrom von Konstantinopel sogar ein eigenes Heiligtum errichten. Was die geradezu wütende Polemik der antiken Kir- chenhistoriker Laktanz und Euseb gegenüber Maximinus Daia hervorrief, war anscheinend nicht nur dessen offen christenfeindliche Politik, sondern auch sein Versuch, zur christlichen eine konkurrierende «heidnische Kir- che» aufzubauen. Denn im Gegensatz zu seinen Vorgän- gern und den anderen altgläubigen Tetrarchen hatte Daia erkannt, dass es nicht genügte, die Christen verfolgen zu lassen. Vielmehr kam es darauf an, der hergebrachten heidnischen Religion selbst wieder neues Leben einzu- hauchen und der Bevölkerung des Reiches eine echte re- ligiöse Alternative zum Christentum zu bieten. Er setzte dabei auf eine von der Regierung ausgewählte und neu organisierte, vornehme Priesterschaft und insbesondere zwei Götter: Sol und Sarapis. Die Religionspolitik des Maximinus Daia macht deutlich, dass es für Konstantin im Jahr 312 auch eine andere Option gegeben hätte: Statt den christlichen Klerus zu fördern, hätte er ebenso an den Versuch seines Gegenspielers im Osten anknüpfen und eine neue «heidnische Kirche» aufbauen können. Dass er dies nicht tat, zeigt seinen Weitblick. Wäre die Reli- gionspolitik des Daia nicht eine potentielle Alternative zu dem von Konstantin eingeschlagenen Weg gewesen? Aufstieg und Untergang des Maximinus Daia Etwa im Alter von 35 Jahren wurde Maximinus Daia am 1. Mai 305 bei einem vor den Toren Nikomedias gelege- nen Iuppiterheiligtum von Kaiser Diokletian mit dem Purpurmantel bekleidet und vor der Heeresversammlung zum Caesar ausgerufen. Seine Erhebung verdankte der aus einfachsten Verhältnissen stammende Daia seiner Verwandtschaft mit Kaiser Galerius, dem er als Schild- träger (scutarius), Leibwächter (protector) und Offi- zier (tribunus) gedient hatte. Galerius adoptierte seinen Neffen unter dem Namen Caius Galerius Valerius Ma- ximinus. Als dessen Caesar wurde ihm die Verwaltung des Ostens, genauer der Diözesen Oriens (Syrien) und Ägypten übertragen. Nach seinen ersten Münzen und Medaillons zu schließen, bezog er zunächst Alexandria Abb. 1 a–c Auffällig ist der Porträtstil für Maximinus Daia, dessen Gesichtszüge einen beson- ders formelhaften, ja bruta- len Ausdruck annehmen. Er förderte insbesondere den ägyptischen Gott Sarapis als counterpart zu Christus. a b c

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Auf dem Weg von der heidnischen Antike ins christliche Mittelalter Der im Zeichen Christi errungene Sieg Konstantins des Großen über seinen Gegenspieler Maxentius markiert ein zentrales Datum der Weltgeschichte. Wenngleich der Kaiser in Christus wohl nur eine andere Erscheinungsform des römischen Sonnengottes Sol invictus gesehen hat, legte er mit seiner Entscheidung zur Förderung der christlichen Religion und Kirche die Grundlagen für die nächsten Jahrhunderte weströmischer und byzantinischer Geschichte. Unter Berücksichtigung des historischen Kontextes stellt der vorliegende Band Konstantins politische und religiöse Entwicklung vom Krieger im Namen Christi zum christusgleichen Alleinherrscher des Imperium Romanum aus unterschiedlichen Perspektiven dar.

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Page 1: Konstantin der Große

Sarapis contra Christum | 33

Sarapis contra ChristumZur Religionspolitik des Maximinus Daia, Konstantins Gegenspieler im Osten

von Kay Ehling

Maximinus Daia ist der letzte römische Kaiser, der Christen offiziell und blutig verfolgen ließ. Zugleich versuchte er, das absterbende Heidentum durch den Aufbau einer eigenen «Gegenkirche» und die Favorisie-rung bestimmter Götter, insbesondere des ägyptischen Gottes Sarapis, zu stärken.

A ls sich Konstantin der Große im Jahr 310 Sol zu-wandte, griff er auf einen Gott zurück, der eigent-

lich durch den Kaiser des Ostens, Maximinus Daia, «besetzt» war (Abb. 1 a–c). Denn seit seiner Erhebung wurden für Daia Münzen mit Sol-Darstellungen geprägt (Abb. 2 a.b), und Konstantin selbst brachte Silberstü-cke aus, die seinen Kollegen in der Pose des Sonnen-gottes abbildeten (Abb. 3 a.b). Aber «in Sachen» Göt-ter war Konstantin fl exibel: Nach der Schlacht an der Milvischen Brücke übernahm er wie selbstverständlich Roma (siehe den Beitrag K. Ehling, S. 29–32) und die Dioskuren von dem besiegten Maxentius (Abb. 4 a.b); letzterem ließ Konstantin nach der Niederringung des Licinius am Hippodrom von Konstantinopel sogar ein eigenes Heiligtum errichten.

Was die geradezu wütende Polemik der antiken Kir-chenhistoriker Laktanz und Euseb gegenüber Maximinus Daia hervorrief, war anscheinend nicht nur dessen offen christenfeindliche Politik, sondern auch sein Versuch, zur christlichen eine konkurrierende «heidnische Kir-che» aufzubauen. Denn im Gegensatz zu seinen Vorgän-gern und den anderen altgläubigen Tetrarchen hatte Daia erkannt, dass es nicht genügte, die Christen verfolgen zu lassen. Vielmehr kam es darauf an, der hergebrachten heidnischen Religion selbst wieder neues Leben einzu-hauchen und der Bevölkerung des Reiches eine echte re-ligiöse Alternative zum Christentum zu bieten. Er setzte dabei auf eine von der Regierung ausgewählte und neu

organisierte, vornehme Priesterschaft und insbesondere zwei Götter: Sol und Sarapis. Die Religionspolitik des Maximinus Daia macht deutlich, dass es für Konstantin im Jahr 312 auch eine andere Option gegeben hätte: Statt den christlichen Klerus zu fördern, hätte er ebenso an den Versuch seines Gegenspielers im Osten anknüpfen und eine neue «heidnische Kirche» aufbauen können. Dass er dies nicht tat, zeigt seinen Weitblick. Wäre die Reli-gionspolitik des Daia nicht eine potentielle Alternative zu dem von Konstantin eingeschlagenen Weg gewesen?

Aufstieg und Untergang des Maximinus DaiaEtwa im Alter von 35 Jahren wurde Maximinus Daia am 1. Mai 305 bei einem vor den Toren Nikomedias gelege-nen Iuppiterheiligtum von Kaiser Diokletian mit dem Purpurmantel bekleidet und vor der Heeresversammlung zum Caesar ausgerufen. Seine Erhebung verdankte der aus einfachsten Verhältnissen stammende Daia seiner Verwandtschaft mit Kaiser Galerius, dem er als Schild-träger (scutarius), Leibwächter (protector) und Offi -zier (tribunus) gedient hatte. Galerius adoptierte seinen Neffen unter dem Namen Caius Galerius Valerius Ma-ximinus. Als dessen Caesar wurde ihm die Verwaltung des Ostens, genauer der Diözesen Oriens (Syrien) und Ägypten übertragen. Nach seinen ersten Münzen und Medaillons zu schließen, bezog er zunächst Alexandria

Abb. 1 a–c

Auffällig ist der Porträtstil

für Maximinus Daia, dessen

Gesichtszüge einen beson-

ders formelhaften, ja bruta-

len Ausdruck annehmen. Er

förderte insbesondere den

ägyptischen Gott Sarapis als

counterpart zu Christus.

a

b

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als Residenzstadt. Es ist deshalb auch kein Zufall, dass Maximinus Daia der bislang letzte in hieroglyphischer Schreibung bezeugte römische Kaiser in Ägypten ist (auf einer Stele eines heiligen Buchis-Stieres). Noch im selben Jahr erließ der neue Caesar des Ostens ein Edikt (griech.: prostagma), in dem er seine Beamten anwies, dass die Bevölkerung ein Opfer darzubringen habe. Die-ses Schreiben stellt wahrscheinlich eine Erneuerung des vierten diokletianischen Christenedikts von 304 dar. Bei der Verfolgung der Christen taten sich die Statthalter Urbanus und dessen Nachfolger Firmilianus besonders hervor. Vereinzelt kam es zu Martyrien, andere Christen

wurden zur Zwangsarbeit in die Erz- oder Porphyrberg-werke verschickt.

Noch in seiner Zeit als Caesar führte Daia einen Ar-menienkrieg. Für die Historizität dieses nur in der Kir-

chengeschichte des Euseb erwähnten Krieges spricht auch eine Sonderserie von Münzen, die den Kaiser ganz mar-tialisch mit Helm und Schild darstellen (Abb. 5 a.b). Das Schildbild zeigt bei näherer Betrachtung unterworfene «Barbaren» (Armenier), dahinter zwei römische Reiter mit Drachenfahnen und links einen Opferaltar. Letzteres bietet einen eindrucksvollen ikonographischen Beleg für die Überlieferung bei Euseb nach der Maximinus Daia die christlichen Armenier zum heidnischen Opfer ge-zwungen habe. Von seiner Armenienexpedition zurück-gekehrt, ließ sich Daia vielleicht anlässlich seiner Quin-quennalien (Fünfjahresfeier) am 1. Mai 310 eigenmächtig zum Augustus ausrufen und verstieß damit massiv gegen die tetrarchische Ordnung.

Als Galerius bald nach der Verkündung des Toleranz-ediktes für die Christen im Mai 311 verstarb, okkupierte Maximinus Daia dessen Herrschaftsgebiet in Kleinasien, während Licinius in Thrakien einrückte. Am Bosporus standen sich die Armeen gegenüber, doch kam es nach einer Begegnung der beiden Kontrahenten auf der Meeres enge noch zu einem Ausgleich. Um Licinius strategisch in die Zange nehmen zu können, knüpfte Daia diplomatische Beziehungen mit dem Konstantin-Gegner Maxentius an. Im Jahr 313 brach dann der wohl unvermeidliche Kon-fl ikt zwischen Daia und Licinius aus, den letzterer am 30. April 313 auf dem etwas nördlich von Heraclea gelege-nen Campus Ergenus für sich entscheiden konnte. Maxi-minus fl oh und begann in den Pässen des Taurusgebirges eine neue Front aufzubauen, als er völlig unerwartet im Juli oder August 313 an einer Krankheit verstarb. Sein Andenken wurde überall getilgt, Ehefrau und Kinder getötet, seine Freunde und Berater brutal verfolgt. Erst 50 Jahre später sollte unter Kaiser Julian (355/361–363; Abb. 6 a.b) zur Erinnerung an Daia bei Tarsos ein Grab-mal (Kenotaph) errichtet werden.

Die kirchlichen Quellen schildern Maximinus Daia rein negativ als einen brutalen Trunkenbold, der jeden Abend nach dem Mahle unzurechnungsfähig zu sein und sich bevorzugt seinen sexuellen Ausschweifungen hinzu-geben pfl egte, als einen politisch wie militärisch gleicher-maßen unfähigen, abergläubischen Herrscher und erbit-terten Feind des Christengottes. Die neuere Forschung hat dieses sicher einseitige Bild mit wenigen Ausnahmen übernommen. Letztlich aber ist sein Regime auch nicht schlechter als das seiner Mitkaiser Galerius, Maxentius oder Licinius gewesen.

2 a

2 b

3 a

3 b

4 a

4 b

Abb. 2 a.b

Sol invictus erscheint bald

nach Machtantritt auf den

Münzen des Maximinus

Daia. Im Jahr 310 wird

dann Konstantin diesen Gott

für sich entdecken.

Abb. 3 a.b

Konstantin der Große ließ in

der Münzstätte Trier Silber-

münzen prägen, die seinen

Kollegen Maximinus Daia in

der Pose des Sonnengottes

darstellen. Charakteristisch

sind die Strahlenkrone und

der Gestus der erhobenen

Hand.

Abb. 4 a.b

Konstantins späterer Gegner

Maxentius brachte Bronze-

münzen heraus, die die

göttlichen Dioskuren zeigen.

Konstantin okkupierte spä-

ter dieses Götterpaar, genau

wie er Sol von Maximinus

Daia übernahm.

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Page 3: Konstantin der Große

Sarapis contra Christum | 35

Gründe für die erneute Christen-verfolgung von 311/312Nachdem Galerius am 30. April 311 in Serdica im Na-men aller Kaiser, also auch des Maximinus Daia, das Toleranzedikt zu Gunsten der Christen erlassen hatte, wurden die Verfolgungen reichsweit eingestellt. Im Osten wurde der Kurswechsel durch ein Schreiben des höchsten Zivilbeamten, des praefectus praetorio Sabinus, verkün-det. Als Folge der neuen Toleranzpolitik kam es v. a. in den großen Städten des Ostens zu starken Spannungen zwischen den städtischen Behörden und den aus Verban-nung, Gefängnis und Bergwerk zurückgekehrten Chris-ten, die insbesondere die Rückgabe ihres konfi szierten und veräußerten Eigentums an Häusern und Grundstü-cken forderten. Die Gegensätze spitzten sich so zu, dass die Honoratioren von Nikomedia Ende Oktober oder Anfang November 311 mit ihren altehrwürdigen Götter-bildern vor Daia erschienen und den Kaiser baten, den Christen das Wohnen in ihrer Stadt zu verbieten. Der Kaiser lehnte dies offenbar zunächst ab. Als jedoch wei-tere Städte, namentlich Antiochia und Tyros, mit dem-selben Gesuch an ihn herantraten, stimmte er zu. Er war auf das Wohlwollen und die Unterstützung der städti-schen Oberschicht angewiesen und wollte seine Macht im Reich erhalten. Laktanz erwähnt städtische Gesandt-schaften, die die Erlaubnis einholten, den Christen das Errichten eigener Kultstätten (conventicula) innerhalb der Städte zu verbieten (De mortibus persecutorum 36, 3). Die Petition, «die seit langem irrsinnigen Christen ... zum Schweigen zu bringen», welche die Bewohner der Provinz Lycia et Pamphylia an die Kaiser Maximinus, Licinius und Konstantin richteten, ist inschriftlich bezeugt (S. Şahin [Hrsg.], Die Inschriften von Arykanda. Inschriften grie-chischer Städte aus Kleinasien 48 [1994] Nr. 12). Dass die Initiative zu diesen städtischen «Bittgesuchen» letzt-lich auf den Kaiser selbst zurückgegangen sein soll, ist, auch wenn diese den religionspolitischen Vorstellungen des altgläubigen Kaisers entsprachen, allerdings wohl eine Behauptung des Euseb, der die Städte dadurch ent-lastete und die Schuld an der nun erneut einsetzenden Christenverfolgung allein dem «Gotthasser» (Euseb, Kir-

chengeschichte 9, 8, 2) zuschieben konnte.Stolz und Selbstverständnis der städtischen, heidni-

schen Honoratiorenschicht kommen darüber hinaus in einer Serie von Kleinstmünzen zum Ausdruck, die 312 von den Städten Nikomedia, Antiochia und Alexandria aus-gegeben wurden. Es handelt sich dabei um die letzten provinzialrömischen Bronzen überhaupt. Diese stel-len u. a. die Göttin Ceres (in Nikomedia), die Tyche von Antiochia und den Apollon von Daphne (in An-

tiochia, Abb. 7 a.b) und schließlich Nil und Sarapis dar (in Alexan dria mit den Legenden DEO SANCTO NILO «Dem heiligen Gott Nil» und DEO SANCTO SARA-PIDI «Dem heiligen Gott Sarapis»; Abb. 8 a.b).

Die Situation der ChristenEin bemerkenswertes Zeugnis christlicher Standhaftig-keit in dieser überaus schwierigen Situation stellt der in-schriftlich erhaltene Bericht des Marius Iulius Eugenius dar (Abb. 9). Als Angehöriger der Oberschicht war er mit Flavia Iulia Flaviana, der Tochter eines Senators verhei-ratet und gehörte dem Verwaltungsstab des Statthalters

5 a

5 b

6 a

6 b

7a

7 b

Abb. 5 a.b

Maximinus Daia als Krie-

ger. Die Stücke wurden im

Anschluss an den mehr

oder weniger großen Sieg

über die Armenier im Jahr

310 geprägt. Das Schild-

bild bestätigt die Überlie-

ferung bei Euseb, wonach

Daia die christlichen

Armenier zum heidnischen

Opferkult zwang.

Abb. 6 a.b

Kaiser Julian, der letzte

Heide auf dem römischen

Kaiserthron. Er ließ sich

mit dem Bart des Philo-

sophen darstellen. Julian

verfasste eine Schrift

mit dem Titel «Gegen die

Galiläer», konnte die kon-

stantinische Wende von

312 aber nicht rückgängig

machen.

Abb. 7 a.b

Die Stadt Antiochia durfte

unter Maximinus Daia ein

letztes Mal eigene städti-

sche Münzen prägen. Die

Honoratioren entschieden

sich dafür, die Stadtgöt-

tin und den Apollon von

Daphne abzubilden. In

diesen Göttern bündelte

sich das Selbstverständnis

der Polis.

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36 | Kay Ehling

von Pisidien an. «Aber auf einmal», so schreibt Euge-nius, «kam unter Maximinus (Daia) ein Befehl, dass die Christen Opfer bringen und nicht aus dem Dienst entlas-sen werden sollten. Ich habe unter dem Praeses Diogenes viele und schwere Qualen ertragen und es durchgesetzt, dass ich aus dem Dienst entlassen wurde, um dem christ-lichen Glauben treu zu bleiben.» (Übers. von R. Merkel-bach / J. Stauber, Steinepigramme aus dem griechischen Osten [2001] 80). Eugenius wurde bald darauf Bischof der lykaonischen Stadt Laodikeia Katakekaumene und übte dieses Amt 25 Jahre aus, bis er um 340 verstarb. Die Aus-sage des Eugenius belegt nicht nur seinen persönlichen Mut, sondern macht auch deutlich, worin die Absicht der heidnischen Regierung bestand: Mit der Forderung, ein Opfer darzubringen, sollte die Loyalität v. a. der Soldaten und Beamten überprüft werden, wie dies schon Kaiser Decius Mitte des 3. Jhs. verlangt hatte. Die zunehmende Christianisierung von Armee und Staat hatte bei den alt-gläubigen und konservativ eingestellten Kaisern Diokle-tian und Galerius Zweifel an der Staatstreue der christli-chen Soldaten und Beamten aufkommen lassen, was diese nach Beratungen mit ihren amici im Jahr 303 veranlasste, gegen die Kirche vorzugehen. Maximinus Daia, der sich immer wieder ausdrücklich auf die beiden Oberkaiser be-rief, setzte im Jahr 312/313 also letztlich deren Politik fort. Die Verfolgung forderte einige prominente Opfer wie den Bischof von Alexandria, Petrus, der am 26. November 311 hingerichtet wurde, oder den berühmten Kirchen-lehrer und antiochenischen Presbyter Lucian, der am 7. Januar 312 in Nikomedia den Märtyrertod erlitt. An-geblich, so die christliche Überlieferung, habe Maximi-nus Daia Lucian im Gefängnis verhungern lassen, weil dieser kein Opferfl eisch essen wollte, und dann befohlen, den Leichnam ins Meer zu werfen. Diesen habe ein Del-phin aufgelesen und an Land gebracht. Letzteres greift

ein von der wunderbaren Errettung des Kitharaspielers Arion her bekanntes Motiv auf. Den Toten bestatteten seine Schüler dann in Drepanum, dem später nach He-lena, der Mutter Konstantins, benannten Helenopolis, wo die Kaiserinmutter im Jahr 327 eine prächtige Basi-lika über dem Grab des Märtyrers errichten ließ (siehe den Beitrag von H. Schlange-Schöningen, S. 100–109).

Als eine besondere Maßnahme der Regierung wird die Verbreitung gefälschter Akten des Prozesses gegen Jesus vor Pontius Pilatus erwähnt, die im Schulunterricht zu behandeln waren. Absicht dieser Pseudodokumente war vermutlich, Jesus als Betrüger und Anstifter sittlich ver-werfl icher wie politisch gefährlicher Taten hinzustellen.

Die Christenverfolgung dauerte jedoch kein Jahr (Euseb, Kirchengeschichte 9, 10, 12). Bereits im No-vember / Dezember 312 ordnete Daia ihre Einstellung an. Was den Kaiser konkret dazu veranlasst hat, geht aus den Quellen nicht hervor. Wahrscheinlich erkannte Daia, dass das erneute Christenverbot von Ende 311 keine wirk-liche Beruhigung der Situation in den Städten gebracht, sondern nur weitere Konfl ikte geschaffen hatte. Als Re-aktion auf die ohne Zweifel auch in seinem Namen er-lassenen christenfreundlichen Beschlüsse von Mailand (Maximinus bekleidete im Jahr 313 gemeinsam mit Kon-stantin den Konsulat) oder als Folge der Niederlage auf dem Campus Ergenus, also im Frühjahr oder Mai 313, erließ der Ostkaiser schließlich ein zweites förmliches Toleranzedikt (Euseb, Kirchengeschichte 9, 10, 7−11), in dem die Regierung den Christen auch ausdrücklich die Rückgabe ihres früheren Eigentums an Häusern und Grundstücken zusicherte.

Daias «heidnische Kirche»Schon bei seinem Machtantritt im Jahr 305 hatte Ma-ximinus Daia erkannt, dass das Heidentum nicht allein durch die Bekämpfung des Christentums neu zu beleben war. Von seiner Residenzstadt Alexandria aus begann er mit dem Aufbau einer an ägyptischen Vorbildern orien-tierten «heidnischen Kirche». Maßgeblichen Anteil da-ran dürften hohe Berater und Freunde des neuen Kai-sers gehabt haben, wie Sossianus Hierocles oder Clodius Culcianus, die beide das Amt des Präfekten von Ägypten bekleidet hatten. Daia berief in den Städten seines Rei-ches die vornehmsten Männer zu Priestern (sacerdo-

tes). Ihre Aufgabe war es, die täglichen Opfer «für alle ihre Götter» darzubringen, wie es bei dem Kirchenvater Laktanz heißt. Auf Provinzebene setzte er Oberpriester (pontifices) als leitende Kontrollinstanzen ein. Beide Priesterklassen trugen besondere weiße Amtsgewänder.

Abb. 8 a.b

Für Alexandria stehen

der «Ernährer des Erd-

kreises» Sarapis und der

Flussgott Nil. a

b

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Page 5: Konstantin der Große

Sarapis contra Christum | 37

Diese Oberpriester hatten sich, wie Euseb im 9. Buch seiner Kirchengeschichte schreibt, im politischen Leben ausgezeichnet und waren hochberühmte Männer. Epi-graphisch können wir mit Epitynchanos wahrscheinlich wenigstens einen dieser Oberpriester greifen. Aus einer ins Jahr 313/314 datierten und im kleinasiatischen Phrygien gefundenen Grabinschrift geht hervor, dass dieser Epi-tynchanos ein wohlhabender und gottesfürchtiger Mann gewesen ist und in seiner Heimatstadt den Kult der He-kate, des Manes-Zeus und des Apollon-Helios versehen hat. Über die Grenzen seiner Heimat hinaus hatte sich Epitynchanos als Wahrsager einen Namen gemacht. Ge-rade Zauberer und Magier soll Daia ja besonders geför-dert haben (Euseb, Kirchengeschichte 8, 14, 8).

Die unter der Regierung des Maximinus Daia einge-leiteten, nach dessen Untergang und Tod abgebroche-nen heidnischen Reformbemühungen wurden 50 Jahre später noch einmal von Julian (vgl. Abb. 6 a.b), dem letz-

ten Heiden auf dem römischen Kaiserthron, aufgenom-men und fortgesetzt. Nicht ganz zu Unrecht schreibt der belgische Gelehrte J. Bidez, dass man Julian in religiösen Dingen «fast» als einen «Nachahmer» des Maximinus be-zeichnen könne. Doch war die julianische «Kirche», weit mehr als der Kaiser dies selbst hätte wahrhaben wollen, vom «Geist» des Christentums durchdrungen. Auf die Idee, Menschenliebe und Armenfürsorge in den Mittel-punkt seiner «Kirche» zu rücken, wie Julian dies tat, wäre Maximinus nicht gekommen. Ihm genügte es in altbe-währter Weise, möglichst reiche und angesehene Personen zu sacerdotes und pontifi ces zu machen, während Julian auch arme Männer in Priesterämter brachte, wenn sie nur altgläubig und fromm waren. Im Gegensatz zu dem christlich erzogenen Julian hatte Daia von den Texten des Neuen Testaments schwerlich genauere Kenntnisse. Den-noch stammt auch sein Erlöser, Sarapis, wie Christus aus dem Osten.

Abb. 9

Die Inschrift enthält den Bericht des Marius Iulius Eugenius, der sich unter Maximinus Daia weigerte, das von ihm geforderte heidnische Opfer darzubringen.

Er durfte den Staatsdienst quittieren, wurde Bischof der Stadt Laodikeia Katakekaumene, wo er um 340 verstarb. Rekonstruktion von W. M. Calder.

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38 | Kay Ehling

Sarapis contra Christum?Es ist höchst bemerkenswert, dass Maximinus Daia schon in seinem ersten Regierungsjahr Münzen und Medaillons mit Sarapis ausgeben ließ. Kein anderer Tetrarchenkai-ser hat auf seinen Münzen das Bild dieses ägyptischen Gottes verwendet. Gleich bei Machtantritt im Jahr 305 wurden prächtige Goldmedaillons geschlagen, die einen langgewandeten Sol mit einer Sarapisbüste auf der linken Hand darstellen (Abb. 10 a.b). Wenig später wurde der-selbe Bildtypus auch für seine Goldmünzen verwendet. Medaillons und Goldmünzen dienten als Geschenke und zur Besoldung der hohen Würdenträger und Truppen-führer seiner gotischen Leibwache (Laktanz, De morti-

bus persecutorum 37, 5). Hinzu kommt jetzt ein neuer, bislang unpublizierter Silbermünztyp ebenfalls aus der Münzstätte Alexandria, der die stehende weibliche Per-sonifi kation der Nilstadt mit Sarapisbüste auf der rechten Hand abbildet (Abb. 11 a.b). Aufgrund dieser auffälligen Sarapisstücke wird man darüber hinaus davon ausgehen dürfen, dass Daia schon in seiner Zeit als Caesar den in seinem Herrschaftsbereich gelegenen Tempel des Sarapis in Alexandria, der als größtes und schönstes Heiligtum der Welt galt (Theodoret, Historia ecclesiastica 5, 22, 3), fi nanziell großzügig unterstützt hat. Doch wurde das Sarapeum unter Theodosius I. im Jahr 391 mit Zustim-mung des Kaisers zerstört, trotz erbitterten heidnischen Widerstandes, bei dem Philosophen und Priester wie Olympios und Helladios die Führung innehatten; letz-terer rühmte sich später, neun Christen erschlagen zu haben (Sokrates Scholasticus, Historia ecclesiastica 5, 16, 14).

Nach der Erhebung des Maximinus Daia zum Augus-tus wurde die Sarapisbüste auf der Hand des Sol invictus (Abb. 12 a.b) oder des kaiserlichen Genius (Abb. 13) auch zum Thema der Massenprägungen in Bronze. Die Münze Abbildung 12 zeigt Sol mit Strahlenkrone, langem Prunk-gewand und Rückenmantel nach links gewandt, die rechte Hand zum Segensgruß erhoben, auf der Linken hält er eine Sarapisbüste. Auch der Genius des Kaisers (vgl. Abb. 13) trägt ein Getreidemaß (Kalathos); sein Blick ist auf Sarapis gerichtet und umgekehrt. Der zwischen den beiden Göttern befi ndliche Stern ist einerseits als münz-stätteninternes Emissionszeichen aufzufassen, anderer-seits steht er für die kosmischen Beziehungen zwischen Allgott und Kaisergenius.

Ursprung und Bedeutung des SarapisÜber die Herkunft des Sarapis und die Anfänge seines Kultes geben die antiken Quellen verschiedene, sich wi-

10 a

10 b

11 a

11 b

12 a

12 b

Abb. 10 a.b

Gleich nach Machtantritt

ließ Maximinus Daia Gold-

medaillons mit dem Bildnis

des von ihm favorisierten

ägyptischen Gottes Sarapis

ausgeben. Mit den kostba-

ren Goldstücken entlohnte

Daia aller Wahrscheinlich-

keit nach auch die Anführer

seiner gotischen Leibwache.

Abb. 11 a.b

Dieser Silbermünztyp ist

erst kürzlich durch den

Münzhandel bekannt gewor-

den. Er stellt die Personifi -

kation von Alexandria dar,

die eine Büste des Sarapis

auf der rechten Hand hält.

Alexandria war die erste

Residenzstadt des Maximi-

nus Daia.

Abb. 12 a.b

Auffällig ist, dass Sol auf

diesem Stück ein langes

Gewand trägt. In der Regel

wird er auf Münzen nackt,

allenfalls mit einem Rücken-

mantel bekleidet, dargestellt.

Er scheint hier, wie der Sol

am Konstantinsbogen in

Rom (vgl. Abb. 21), an

Apollon angenähert zu sein.

Abb. 13

Der Genius des Kaisers

hält eine Sarapisbüste auf

der Hand und blickt auf

den Gott, so wie Sarapis

auf den Genius schaut.

Der Stern zwischen den

beiden ist zwar einerseits

ein münzstätteninternes

Zeichen, drückt andererseits

aber auch die kosmischen

Beziehungen zwischen den

beiden Gottheiten aus. 13

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Sarapis contra Christum | 39

dersprechende Nachrichten. Die Ursprünge dieser Gott-heit scheinen jedoch im ägyptischen Memphis zu liegen. Der griechische Name Sarapis leitet sich von dem ägyp-tischen Gott Wsr-Hp («Osiris-Apis») ab, der in Memphis bereits in vorhellenistischer Zeit verehrt wurde. Man darf m. E. vermuten, dass die 321 v. Chr. erfolgte Beisetzung Alexanders des Großen in Memphis, der ersten Resi-denzstadt der Ptolemäer, in enger Verbindung mit dem Kult des Wsr-Hp = Sarapis stand. Im Zuge der Verlegung des Regierungssitzes von Memphis nach Alexandria (ab 320 v. Chr.) wurde dann Alexanders Leichnam umge-bettet und mit diesem der Kult des Sarapis in die neue Hauptstadt verpfl anzt. In den folgenden Jahrzehnten entwickelte er sich zum Schutzgott der Ptolemäerdynastie und Gott der Stadt Alexandria. Um 300 v. Chr. schuf der griechische Bildhauer Bryaxis die berühmte Sitzstatue, die in zahlreichen großen und kleinen Wiederholungen existiert. Als in den Jahren zwischen 320 und 311 v. Chr. der König von Zypern, Nikokreon, bei Sarapis anfragte, wer und was für ein Gott er sei, antwortete dieser:

«Ich bin der Gott, den man so erkennen kann: Das All des Himmels ist mein Haupt, mein Bauch das Meer, meine Füße die Erde, meine Ohren im Äther, aber mein weithin glänzendes Auge das helle Licht des Sonnengottes.»

(Macrobius, Saturnalia 1, 20, 17; Übers. R. Merkelbach)

So war Sarapis ein Allgott, der mit allen Göttern gleichgesetzt werden konnte, in dem sich alle Götter ma-nifestierten. Wie der ägyptische Osiris war Sarapis Herr der Unterwelt, wie Aion ein Gott der Ewigkeit. Seine Kopfbedeckung, ein Kalathos genanntes Getreidemaß, weist ihn als Garant der Fruchtbarkeit, als «Ernährer des Erdkreises» aus. Zahlreiche über das ganze römische Reich verteilte Inschriften setzen ihn mit Zeus, Posei-don, ja Jahwe gleich. R. Merkelbach weist darauf hin, dass die wichtigste aller Identifi kationen des Sarapis die mit Helios war, was ja auch aus seiner oben zitierten Ant-wort an Nikokreon hervorgeht, wenn er sein «weithin glänzendes Auge» als das «helle Licht des Sonnengottes» beschreibt. Es gibt rundplastische Bildnisse, die Sarapis mit den Strahlen des Helios / Sol darstellen (Abb. 14). Andere Züge seines Wesens verraten die abgebildeten Ringsteine (Abb. 15–18): Die Verbindung mit den Diosku-ren verweist auf Sarapis als Schlachtenhelfer (Abb. 15), die Standarten darauf, dass Sarapis den Sieg bringt; wie Zeus ist diesem der Adler beigegeben (Abb. 16). Mit dem Tierkreiszeichen wird seine astrologische und seine ägyptisch-magische Seite erkennbar, wenn er mit Isis in Schlangengestalt erscheint (Abb. 17. 18).

Die Verbreitung des ägyptischen Kultes nach Westen erfolgte über die Kykladeninsel Delos. Freigelassene und Sklaven orientalischer Herkunft dürften dabei ebenso wie Kaufl eute die entscheidende Rolle gespielt haben. Ein Sarapistempel ist für die italische Hafenstadt Pu teoli schon im Jahr 105 v. Chr. nachweisbar, und zur Zeit Sul-las (gest. 78 v. Chr.) muss auf dem Kapitol in Rom ein Isisheiligtum existiert haben. Auch ein Verbot des ägyp-tischen Kultes durch den römischen Senat in der Mitte des 1. Jhs. v. Chr. konnte seinen weiteren Aufstieg nicht verhindern. Parallel zur Ausbreitung und Mission des Christentums setzt dann am Ende des 2. Jhs. n. Chr. ein Siegeszug der orientalischen Gottheiten ein, angeführt

Abb. 14

Die Büste zeigt den oberen

Teil des alexandrinischen

Kultbildes des Bryaxis. Im

2. /3. Jh. wurden (hier nicht

zu sehen) zusätzlich sieben

metallene Strahlen am Kopf

angebracht und so wurde

aus Sarapis Helios-Sarapis.

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40 | Kay Ehling

von Isis und Sarapis. Von Kaiser Commodus wird über-liefert (Historia Augusta, Vita Commodi 8, 4), dass er sich als Verehrer der Isis die Haare geschoren haben soll, wie dies für einen Priester der ägyptischen Göttin vorge-schrieben war. Schon auf Denaren des Domitian (81–96) wird ein Sarapistempel abgebildet; als CONSERVATOR des Kaisers begegnet er auf Münzen des Commodus, und zur Zeit des Caracalla muss der Name des Sarapis gar nicht mehr in der Umschrift genannt werden, weil jeder weiß, wer dieser Gott mit dem Kalathos ist (Abb. 19 a.b).

Spezialstudien haben deutlich gemacht, dass Sarapis im 3. Jh. die althergebrachten griechischen Götter im Osten des Reiches verdrängte bzw. überlagerte. So tritt in der kilikischen Stadt Anazarbos Sarapis an die Stelle von Zeus, und in Aigeai verschmelzen die Heilgötter Askle-pios und Sarapis.

Die Wahl des ChristengottesAuf E. Renan geht der provokante Ausspruch zurück, dass unsere Welt, wenn sie nicht christlich, dann mithräisch geworden wäre. Die Bedeutung des aus Persien stam-menden Gottes Mithras wird damit aber doch weit über-schätzt (Abb. 20). Allenfalls in Verschmelzung mit Sol invictus war Mithras für breitere Kreise akzeptabel. Aber der v. a. bei unteren Chargen des römischen Heeres ver-breitete Mithras-Kult hätte nie Aussichten auf wirklichen Erfolg gehabt, da er die Hälfte der Menschheit ausschloss. Denn Frauen durften an seinen Kultfeierlichkeiten nicht teilnehmen. Dass hingegen das Christentum nicht exklu-siv, sondern offen für alle war – Soldaten und Gebildete, Arme und Reiche, Männer und Frauen – macht einen wesentlichen Teil seines Erfolges aus. Aber auch der Isis- und Sarapiskult war offen für alle und nicht weniger als das Christentum eine echte Mysterienreligion. Mit weit mehr Recht darf man deshalb die Behauptung aufstellen, dass die Welt «ägyptisch» geworden wäre, wenn nicht das Christentum den Sieg davon getragen hätte.

Mit seiner Förderung und Propagierung des Sarapis folgte Maximinus Daia der Grundstimmung seiner Zeit. Zum einen kam der Sarapiskult – wie das Christentum – aus dem Osten, zum anderen war der ägyptische Gott spätestens im Laufe des 3. Jhs. zu einer im ganzen Im-perium Romanum bekannten Gottheit mit stark mono-theistischen Zügen aufgestiegen. Mit dem Sarapiskult unterstützte Maximinus eine monotheistische Erlö-sungsreligion östlicher Herkunft, die bei der (altgläubi-gen) Bevölkerung seines Reichsteiles sehr beliebt war. Gerade Sarapis war klug gewählt und ein wirklich «ge-fährlicher» counterpart zu Christus.

Auf der anderen Seite war Konstantins Entscheidung für das Christentum alles andere als selbstverständlich.

Abb. 15 –18

(von links nach rechts)

Die zunehmende Beliebtheit

des ägyptischen Gottes

Sarapis in der römischen

Kaiserzeit spiegelt sich auch

in einer wachsenden Zahl

von bildlichen Darstellungen

auf geschnittenen Ringstei-

nen wider. Wie Zeus verleiht

auch Sarapis den Schlach-

tensieg. Der Gott kann

darüber hinaus in einem

astrologischen oder ägyp-

tisch-magischen Zusammen-

hang vorkommen.

a

Abb. 19 a.b

Der aus dem Jahr 212

stammende Denar des

Kaisers Caracalla mit dem

stehenden Sarapis auf der

Rückseite macht deutlich,

dass der ägyptische Gott

endgültig in Rom angekom-

men ist. a

b

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Sarapis contra Christum | 41

Noch für das Jahr 310 berichtet ein Hofredner von ei-ner «heidnischen» Vision des Kaisers: Bei dem Be-such eines Apollontempels in Gallien habe Konstan-tin Apollon und Victoria gesehen, die ihm je einen mit der Zahl XXX geschmückten Lorbeerkranz darreich-ten (als Zeichen einer 30-jährigen Herrschaftsdauer), und sich in den Gesichtszügen Apollons als künftiger Weltenherrscher erkannt. Nach seinem Sieg über Ma-xentius hätte Konstantin also auch eine «heidnische Kirche» im Stile des Maximinus Daia initiieren kön-nen mit einem Apollon-Sol als Hauptgottheit, wie er am Konstantinsbogen zu sehen ist (Abb. 21 a.b). Bedenkt man diese Möglichkeit, wird erst recht deutlich, wie fol-genreich und letztlich glücklich Konstantins Wahl des Christengottes war.

a

Abb. 21 a.b

Hauptgott einer «heid-

nischen Kirche» Kon-

stantins hätte Apollon-Sol

werden können.

b

Abb. 20

Der Gott Mithras wurde in

der Masse von einfachen

Soldaten, Sklaven und

Freigelassenen verehrt.

Die mythische Tötung des

Stieres ist die bedeutendste

Tat des Gottes, durch sie

entsteht das Leben neu.

Seine fackeltragenden

Begleiter heißen Cautes und

Cautopates und symbolisie-

ren Leben und Tod.

Adresse des AutorsPD Dr. Kay EhlingKonservatorStaatliche Münzsammlung MünchenResidenzstraße 1D-80333 München

BildnachweisAbb. 1 a.b, 12, 13, 19, 21 Privatslg. (Foto: N. Kästner); alle übrigen Abb. Staatliche Münzsammlung München (Foto: N. Kästner).

LiteraturH. CASTRITIUS, Studien zu Maximinus Daia (FAS 2) (1969).

A. DEMANDT, Die Spätantike. Römische Geschichte von Diok-letian bis Justinian 284–565 n. Chr. (2007).

K. EHLING, Bilder aus dem Armenienkrieg des Maximinus Daia, in: Jahrbuch für Numismatik und Geldgeschichte 60 (2010) 183–192.

DERS., Der Tetrarch Maximinus Daia, sein Grab bei Tarsos und Kaiser Julian, in: Historia 59 (2010) 252–255.

W. KUHOFF, Diokletian und die Epoche der Tetrarchie. Das römische Reich zwischen Krisenbewältigung und Neu-aufbau (284–313 n. Chr.) (2001) 914–934.

W. KUHOFF / K. EHLING, Maximinus Daia (Daza), in: Reallexikon für Antike und Christentum 24 (2011) Sp. 495–504.

R. MERKELBACH, Isis regina – Zeus Sarapis. Die griechisch-ägyptische Religion nach den Quellen dargestellt (1995).

O. SEECK, Daia, in: Paulys Realency clopädie der classischen Alterumswissenschaft 4, 2 (1901) Sp. 1986–1990.

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