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kon traste Presse- und Informationsdienst für Sozialpolitik TEUERUNG UND EINKOMMEN AKTUELLES BUCHTIPPS VERANSTALTUNGEN 3 April 2011

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k o n t r a s t ePresse- und Informationsdienst für Sozialpolitik

TEUERUNG UND EINKOMMEN

AKTUELLES

BUCHTIPPS

VERANSTALTUNGEN

SPE KTRUM

3 April 2011

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Teuerung und Einkommen

Steigende Inflation 4

Armutsfalle Energie 6

Energieverteuerung bremst Konjunkturerholung 9

Auswirkungen der Ölpreissteigerung auf die Haushalte 11

10-Jahres-Bilanz der Lohnentwicklung in Deutschland 16

Leben am Limit 18

Aktuelles

Let’s organize 20

EU-Vorhaben im Sozial- und im Bildungsbereich 22

Verstärkte Anstrengungen gegen Menschenhandel 25

Schwerpunkt Soziallehre 27

Buchtipps 28

Veranstaltungen 31

I N HA L T

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E D I T O R I A L

Teuerung trifft Arme

Im Schatten weltpolitischer Ereignisse von gravieren-der Bedeutung (Nordafrika), teils bedrohlichen Aus-maßen (Japan) und jeweils ungewissem Ausgangvollzog sich in unseren Breiten zuletzt eine Entwick-lung, die zwar weniger dramatisch ist, aber gleich-falls die Gemüter erregt: nämlich eine stetig stei-gende Inflation. Zuletzt, im März 2011, lag die Teue-rung hierzulande bei 3,1 Prozent, dem höchsten Wertseit Oktober 2008. Sie war somit gleich hoch wie inder gesamten EU und geringfügig niedriger als in derEuro-Zone. Hauptverantwortlich dafür waren die ge-stiegenen Rohstoffpreise, vor allem bei Mineralölpro-dukten (+22%), aber auch bei Nahrungsmitteln, hierinsbesondere bei Kaffee (+20%). Fachleute sehen -wenig überraschend - einen Zusammenhang zwi-schen der Ölpreisentwicklung und den politischen Er-eignissen im arabischen Raum und sprechen voneiner großteils “importierten Inflation”. Ein Teil derTeuerung ist aber auch “hausgemacht”, zumal mitJahresbeginn die Mineralöl- und die Tabaksteuerdeutlich angehoben wurden. Dass sich der Ölpreis miteiner Beruhigung der Lage in Nordafrika wieder sta-bilisieren wird, ist nicht unbedingt zu erwarten, dadie globale Erdölproduktion seit Jahren stagniert undmöglicherweise in den nächsten Jahren zu sinken be-ginnen könnte (“Peak Oil”; vgl. Beitrag, S. 11).

ÖkonomInnen bewerten die Inflation unterschiedlich,viele können darin auch Vorteile erblicken: Der neu-seeländische Ökonom William Phillips zeigte bereitsin den 1950er Jahren am Beispiel Großbritannien,dass Zeiten hoher Inflation in der Regel mit einerniedrigen Arbeitslosigkeit einhergehen. Erklärt wirddas in erster Linie damit, dass bei steigenden Preisendie Reallöhne sinken und die Unternehmen dahermehr Leute einstellen, was sich in der Folge positivauf den gesamtgesellschaftlichen Konsum auswirkt.Als Reaktion auf die Geldentwertung fordern Arbeit-nehmervertreterInnen höhere Löhne, die in weitererFolge den individuellen Kaufkraftverlust kompensie-ren. Unter dem Aspekt gesellschaftlicher Umvertei-lung wird ins Treffen geführt, dass Inflation denSchuldnerInnen nützt und den GläubigerInnen scha-det. Da Ärmere oft verschuldet sind, würden sie inso-fern von der Teuerung profitieren, wird argumentiert(vgl. Der Standard, 01.03.2011).

Andererseits sind ärmere Bevölkerungsschichten miteiner Reihe von Nachteilen konfrontiert: So steigenTransferleistungen wie Arbeitslosen- oder Pflegegeldim Allgemeinen nicht automatisch mit der Inflationan, es kommt deshalb zu Einbußen beim verfügbarenEinkommen der BezieherInnen. Auch die Lohnent-wicklung vollzieht sich nur verzögert, die - noch offe-nen - Ergebnisse der diesjährigen Lohnverhandlungenetwa werden für die ArbeitnehmerInnen frühestensmit 1. Jänner 2012 spürbar. Zwar stimmt es, dasssteigende Löhne die Inflation stimulieren, doch sindes - wie gegenwärtig - zuerst einmal die Preise, diedavonziehen, und es ist die Einkommensentwicklung,die regelmäßig nachhinkt.

Wie stark jemand von der Teuerung konkret betroffenist, hängt natürlich von der persönlichen Ausgaben-struktur ab. Während vermögende Haushalte rund einViertel ihrer Ausgaben für Lebensmittel und Wohnenaufwenden, geben Haushalte mit wenig Geld knappzwei Drittel dafür aus (vgl. Beitrag Friedl, S. 6). “Ent-scheidend sind die Preise für Lebensmittel, Energieund die Mieten”, so der Inflationsforscher Hans Wolf-gang Brachinger im Interview mit der Badischen Zei-tung (02.10.2010). Genau diese Güter haben sich zu-letzt stark verteuert, wie sich am so genannten Mini-warenkorb ablesen lässt, der einen wöchentlichenEinkauf abbildet und neben Nahrungsmitteln undDienstleistungen auch Treibstoffe enthält: Dieserstieg im Jahresvergleich um 7,3 Prozent.

Angesichts dieser Entwicklung den Kopf in den Sandzu stecken, wäre wohl verfehlt. Da die KlientInnen derCaritas bereits über 40 Prozent fürs Wohnen ausge-ben, fordert diese die Schaffung von günstigemWohnraum (vgl. Beitrag, S. 18). Zur Vermeidung vonEnergiearmut bedarf es vor allem des Austauschs vonalten Haushaltsgeräten und Heizungssystemen sowieder Sanierung von Wohngebäuden, wobei auch Ver-mieter und Wohnbauträger in die Pflicht zu nehmensind. Und der Ökonom Hans W. Brachinger fordert dieKoppelung des im Rahmen von Transferleistungen ge-währten Existenzminiumums an die Inflation. Sinnvollwäre seines Erachtens ebenso die Einführung einesflächendeckenden Mindestlohns, dessen Höhe gleich-falls laufend an die Teuerung angepasst wird; allesVorschläge, die bedenkenswert erscheinen, meint

Ihre Kontraste-Redaktion

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Steigende InflationDie Inflation in Österreich steigt gegenwärtigdeutlich an. Dazu kommt noch, dass die Lohn-und Gehaltsabschlüsse sowie die Sparzinsensehr niedrig sind – das bedeutet, dass das Geldimmer weniger wert wird bzw. dass man sichums gleiche Geld weniger leisten kann.

“Alles wird teurer” – diese Aussage hat laut Finanz-Journal.at im Jahr 2011 noch mehr Berechtigung alsdie Jahre zuvor. Die Inflation in Österreich wird an-hand des Warenkorbs gemessen. Seit vielen Jahrenwird über die Zusammensetzung des Warenkorbsdiskutiert, da der Verdacht im Raum steht, dass manüber den Warenkorb versucht, die reale Teuerung zuvertuschen.

Die Inflation wird über den Verbraucherpreisindex(VPI) errechnet. Dabei erhebt die staatliche StatistikAustria Monat für Monat Preise von 791 Waren (ins-gesamt kommt die Statistik Austria auf fast 40.000unterschiedliche Preise). Die 791 Waren werden in 12verschiedene Hauptgruppen eingeteilt und werdenauf Basis einer Konsumerhebung von 6.500 Haushal-ten gewichtet. Typische Hauptgruppen mit ihrer Ge-wichtung am Warenkorb sind z.B.

❚ Freizeit & Kultur (12,3%)

❚ Wohnen, Energie, Wasser (18,65%)

❚ Restaurant & Hotels (8,72%)

❚ Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke(12,01%)

Diese Übersicht wirft natürlich die Frage auf, warumRestaurant & Hotels bzw. Freizeit & Kultur etwa imVergleich zu den Grundnahrungsmitteln eine relativhohe Gewichtung haben. Die ärmsten ÖsterreicherIn-nen werden sich diese Dinge kaum leisten könnenoder wollen.

Der Warenkorb wird Jahr für Jahr neu an das aktuelleKonsumverhalten angepasst. So findet man auchComputer, Fernreisen etc. darin. 2011 wurden Naviga-tionsgeräte, Holzpellets und die 24-Stunden-Hilfeneu in die Statistik aufgenommen, dafür wurden derHüttenkoks, Kaffeefiltertüten und die Dauerwelle ausder Inflationsberechnung entfernt.

Aktuelle PreisentwicklungMit dem Jänner-Inflationswert von 2,4 Prozent er-reichte die Inflation in Österreich den höchsten Wertseit Oktober 2008. Damals waren allerdings die Spar-zinsen deutlich höher. Damit findet im Moment einelangsam beginnende Geldentwertung statt. Erschwe-rend kommt hinzu, dass es sich bei der aktuellen In-flation um eine importierte Inflation handelt. Das be-deutet, dass die Teuerung durch Produkte getriebenwird, die nach Österreich importiert werden müssen,denn die Inflationstreiber sind gegenwärtig vor allemim Bereich Energie zu finden. Energie in Form vonStrom, Heizen und Treibstoffe sind jene Komponentenin der Inflationsberechnung, welche die Österreiche-rInnen im Moment am meisten belasten. Dass dietatsächliche Inflation weitaus höher sein dürfte, zeigtder Umstand, was auf die 2,4 Prozent Inflation dämp-fend gewirkt hat: Handy-Gesprächsgebühren wurdenum 15 Prozent, Damenblusen um12, Städteflüge um

Wichtigste Preisänderungen im Februar 2011 gegenüber Vorjahr Indexposition Veränderung gegenüber

Februar 2010 (+/- %)

Einfluss auf Veränderung

(+/- Prozentpunkte)

Preistreiber

Dieseltreibstoff 26,7 0,465

Superbenzin 17,4 0,220

Heizöl extra leicht/Großabnahme 30,3 0,195

Zigaretten 7,9 0,139

Wohnungsmiete (alle Kategorien) 2,6 0,103

Preissenker

Mobiltelefon, Gesprächsentgelt -14,8 -0,121

Städteflug -11,6 -0,061

Damenbluse -8,3 -0,049

Flugticket -2,1 -0,026

Wahlarzt (Zahnarzt) -2,3 -0,026 Quelle: Statistik Austria

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8 und Flachbildfernseher um 7 Prozent billiger. Dasind einige Dinge dabei (insbesondere die beidenletztgenannten Punkte), die sich nicht jede/r leistenwill oder kann. Energie ist jedoch etwas, was jedenbetrifft, so das Finanz-Journal, und sei es nur für denHaushalt, um die Wohnung warm zu halten undabends Licht zu haben.

Die Teuerung setzte sich im Februar fort. Die Inflati-onsrate betrug in diesem Monat nach Berechnungender Statistik Austria 3,0 Prozent. Hauptverantwortlichdafür waren neuerliche starke Preisanstiege bei Treib-stoffen und Heizöl (+22% beziehungsweise +30% imJahresabstand; Einfluss auf die Inflationsrate insge-samt +0,94 Prozentpunkte). Nahrungsmittel verteu-erten sich ebenfalls deutlich (insgesamt +4,2%).Ohne Mineralölprodukte hätte die Inflationsrate 2,1Prozent betragen, ohne Mineralölprodukte und Nah-rungsmittel 1,7 Prozent.

Massive Teuerung bei manchenLebensmittelnDas Preisniveau des Mikrowarenkorbes, der haupt -sächlich Nahrungsmittel enthält und den täglichenEinkauf repräsentieren soll, stieg im Februar um 4,3Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Das Preis-niveau des Miniwarenkorbes, der die Güter deswöchentlichen Einkaufs abbildet und neben ausge-wählten Nahrungsmitteln und Dienstleistungen auchdie Treibstoffe enthält, erhöhte sich im Jahresver-gleich um 7,2 Prozent.

Dass die Preise für Lebensmittel zuletzt massiv ange-stiegen sind, zeigt auch das Ergebnis des aktuellenAK-Preismonitoring. Die AK erhebt regelmäßig dieGrundpreise (etwa für ein Kilogramm oder einen Liter)für einen Einkaufskorb mit den 41 preiswertesten Gü-tern des täglichen Bedarfs - von Lebensmitteln überKosmetika bis zu Reinigungsmitteln - bei acht Wiener

Was versteht man unter Inflation – undwas bewirkt sie?

Unter “Inflation” versteht man die Geldentwer-tung – oder anders ausgedrückt – den Anstiegdes Preisniveaus. Eine Inflation liegt vor, wennman für ein und dasselbe Produkt im heurigenJahr mehr bezahlen muss als im vorigen bzw.wenn das Produkt teurer geworden ist. Die Aus-wirkung der Inflation ist, dass man sich für glei-ches Geld weniger leisten kann. Das Gegenteilder Inflation ist die Deflation. Dann muss man fürein Produkt weniger bezahlen als im Vorjahr.

Gemessen wird die Inflation mit dem Verbrau-cherpreisindex (VPI). Während eines Zeitraumesvon vier Jahren werden ausgewählte BürgerInnendazu aufgefordert, Ausgaben des Warenkorbesaufzuzeichnen. Die Produkte, die in den Waren-korb fallen, werden von der Statistik Austria be-stimmt. Auf Grundlage dieses Warenkorbes wirdmittels eines Vergleichs zum Vorjahr die Inflati-onsrate in Prozent ermittelt.

Neben dem Verbraucherpreisindex gibt es auchIndizes, welche die Preisentwicklungen auf vor-gelagerten Produktions- und Verteilungsstufeneiner Volkswirtschaft abbilden (z.B. den Index derGroßhandelspreise GHPI). Einem Index liegt alsBasiswert immer die Zahl 100 zugrunde. Im Falledes österreichischen VPI wurde dem Warenkorb

im Basisjahr 2005 der Indexwert 100 zugewiesen.Alle fünf Jahre wird dieser Warenkorb, den eindurchschnittlicher privater Haushalt konsumiert,von der Statistik Austria aktualisiert.

Eine hohe Inflationsrate hat den Effekt, dass Geldschneller an Wert verliert als beispielsweise Im-mobilien, Aktien oder andere Anlagegüter. Zu-meist werden Löhne nicht sofort oder auch nichtin gleichem Maße an die Inflation angepasst –sie müssen ja erst von den Gewerkschaften aus-verhandelt werden -, sodass sich das wirtschaft-liche Gleichgewicht verschiebt. Das Realeinkom-men sinkt, da man sich um das verdiente Geldweniger kaufen kann. Betroffen sind insbeson-dere NiedriglohnempfängerInnen mit einer hohenKonsumquote. Auch Menschen mit Sparguthabenauf Sparbüchern, mit Vermögen auf Taggeldkon-ten oder die Renditen aus festverzinslichen Wert-papieren aus Unternehmens- oder Staatsanlei-hen empfangen, sind von der Inflation betroffen,da diese die Wertbestände verringert. Die einzi-gen, für die sich eine hohe Inflation lohnt, sindSchuldner, indirekt somit auch der Staat, dadurch eine hohe Inflation die Schulden an Wertverlieren. Andererseits führen sinkende Reallöhnegegebenenfalls zu Konsumverzicht, was weder imInteresse des Staates (Konsumsteuern) noch derRealwirtschaft liegt.

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Armutsfalle EnergieWohnkosten und speziell Ausgaben für Ener-gie stellen ein nicht unwesentliches Problemfür Personen der unteren Einkommensschichtdar. Steigende Energiepreise für Strom undHeizen belasten das Haushaltsbudget und ver-ringern die Kaufkraft zur Befriedigung ande-rer Grundbedürfnisse. Um einkommensschwa-che Haushalte von den hohen Energiekostenzu entlasten, werden Maßnahmen auf natio-naler Ebene notwendig. Allerdings scheint dasProblem der Energiearmut meist nur ein aka-demisches zu sein – in Österreich hat es aufder politischen Agenda bisher nur wenig Platzgefunden.

Wohnen stellt nicht nur ein existenzielles und sozia-les Grundbedürfnis dar, sondern ist auch Vorausset-zung für einen Arbeitsplatz und damit verbunden miteinem geregelten Einkommen. Eine angemessene Le-bensqualität setzt aber nicht nur die Befriedigung derGrundbedürfnisse voraus, sondern auch einen adä-quaten und leistbaren Zugang zu Energie. Vor allemPersonen der unteren Einkommensschicht spüren den

Anstieg der Energiekosten am deutlichsten. Deren An-teil an den Wohnkosten ist überdurchschnittlich hoch,womit diese Haushalte als „energiearm“ bezeichnetwerden können. Grundsätzlich schlittern Haushaltezwar nicht wegen hoher Ausgaben für Energie wieHeizen und Strom in die Armutsfalle. Allerdings sindgeeignete Maßnahmen notwendig, um die Energie-preissteigerungen abzufedern und arme beziehungs-weise armutsgefährdete Haushalte zu entlasten.

Was versteht man unter Energiearmut?Gegenwärtig liegt die Armutsgefährdungsschwellefür einen Einpersonenhaushalt laut EU-SILC (Stati-stics on Income and Living Conditions) bei einemäquivalisierten Einkommen von 994 Euro pro Monatbeziehungsweise 11.932 Euro pro Jahr (vgl. BMASK2010). Insgesamt sind zwölf Prozent der Bevölkerungund somit rund eine Million Menschen von Armut be-troffen. Davon kann die Hälfte als manifest arm be-zeichnet werden, was bedeutet, dass diese Personenan einem Einkommensmangel leiden und finanzielldepriviert sind. Finanzielle Deprivation ist unter ande-rem dann gegeben, wenn Personen nicht in der Lagesind, ihre Wohnung angemessen warm zu halten oderregelmäßige Zahlungen (wie Miete und Betriebsko-sten) rechtzeitig zu begleichen. Hochgerechnet aufdie Gesamtbevölkerung sind in Österreich 237.000

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Supermärkten und Diskontern. Im letzten Halbjahr,also im Zeitraum von September 2010 bis März 2011,zeigt sich bei einigen Produkten eine deutliche Preis-steigerung. So sind die Preise von Mehl um 69 Pro-zent, von Erdäpfeln um 34 Prozent, von Bohnenkaffeeum 20,4 Prozent, von Mischbrot um 9,6 Prozent undvon Reis um sieben Prozent angestiegen. Einige Le-bensmittel wurden auch billiger. So sanken die Preisefür Zahnpasten um 36 Prozent, für Haarshampoo umrund 14 Prozent, für Teigwaren um rund 12 Prozentund für Tomaten um rund 11 Prozent. Der durch-schnittliche Preis des gesamten AK-Warenkorbes istin den vergangenen sechs Monaten um knapp achtProzent gestiegen, die Steigerungsrate des Gesamt-Verbraucherpreisindexes lag in diesem Zeitraum hin-gegen nur bei 1,5 Prozent. AK-Präsident Herbert Tum-pel dazu: „Wer weniger Geld hat, für den oder diezählt jeder Cent. Und jetzt kostet ein 44-Euro-Ein-kaufskorb fast 3 Euro 50 mehr als noch vor einemhalben Jahr. Das ist heftig!“

Maßnahmen gegen die Teuerung gefordertDie Arbeiterkammer fordert die Regierung dazu auf,„Maßnahmen gegen die Teuerung einzuleiten, bevorsie noch schlimmer wird.“ Konkret verlangt die AK, diePreissteigerungen zu kontrollieren: Steigen bei unsGrundnahrungsmittelpreise, müsse der Wirtschafts-minister prüfen lassen, ob es für die Preissteigerun-gen rechtfertigende Gründe gibt und ob sie stärker alsin vergleichbaren Nachbarländern ausfallen; dasheißt, ob es einen „Österreich-Aufschlag“ gibt. Wei-ters müsse den preistreibenden Spekulanten derKampf angesagt werden – vor allem auf EU-Ebenesoll sich hier die Regierung einsetzen. Und die Sprit-Preisbildung am Rotterdamer Markt muss nach Mei-nung der AK von der EU-Kommission überprüft wer-den. [hs]

Quellen: Pressemitteilung der Statistik Austria,16.03.2011; Finanz-Journal.at, 01.04.2011; www.talk-teria.de, 01.04.2011; www.arbeiterkammer.at,07.04.2011; help.orf.at, 08.04.2011

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Personen nicht in der Lage, ihre Wohnungen oderHäuser angemessen zu heizen (vgl. BMASK 2010).

Bei jenen Haushalten, die von erhöhten Energieprei-sen und mangelnder Energieeffizienz besonders be-troffen sind, kann von Energiearmut gesprochen wer-den. In Großbritannien steht die Bekämpfung der„fuel poverty“ oder „energy poverty“ genannten Pro-blematik schon seit über einem Jahrzehnt auf der po-litischen Tagesordnung. Energiearmut ist laut angel-sächsischer Definition dann gegeben, wenn ein Haus-halt mehr als zehn Prozent seines Haushaltseinkom-mens für Strom und Wärme ausgibt und darüber hin-aus nicht in der Lage ist, die Wohnräume angemessenzu beheizen (vgl. Boardman 2010). Laut Weltgesund-heitsorganisation (WHO) liegt eine angenehme bezie-hungsweise angemessene Raumtemperatur bei rund21 Grad Celsius für Haupt-Wohnräume und 18 GradCelsius für andere bewohnte Zimmer (vgl. Depart-ment of Energy and Climate Change: http://webar-chive.nationalarchives.gov.uk/+/http://www.berr.gov.uk//energy/fuel-poverty/index.html).

UrsachenAls Hauptursachen für die Entstehung von Energiear-mut wird in der einschlägigen Literatur (vgl. Board-man 1991, 2010) neben den hohen Energiepreisenund dem geringen Haushaltseinkommen die man-gelnde Energieeffizienz in den Haushalten genannt.Durch das Zusammenwirken dieser Faktoren ergibtsich für die betroffenen Haushalte ein besondererKreislauf, der es schwierig macht, diesem Problem ge-zielt entgegenzuwirken (vgl. Abb. 1).

Abbildung 1: Determinierende Faktoren vonEnergiearmut

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Proidl 2009

Da von Energiearmut betroffene Personen oftmals inkostengünstigen, aber unsanierten, energieineffizien-ten Wohnungen leben, haben sie relativ wenig Ein-fluss auf ihren Energieverbrauch und somit auf dieEnergiekosten. Hinzu kommt, dass Haushalte mit ge-ringem Einkommen aufgrund der Lebensumständehäufig einen Mehrverbrauch aufweisen, da sich derenBewohner beispielsweise durch Arbeitslosigkeit öftersin der Wohnung aufhalten (vgl. Forum NachhaltigesÖsterreich 2008). Darüber hinaus müssen Personender unteren Einkommensschicht oft Abschaltungenvon Strom und Gas in Kauf nehmen, da sie ihre Rech-nungen nicht mehr begleichen können. Hier belastenzusätzliche Kosten wie Mahngebühren und Ab- undAnschaltung von Zählern, die mit einer Abschaltungvon Strom oder Wärme verbunden sind (vgl. Proidl2009). Eine mögliche Lösung für diese Probleme wäredie Investition in energiesparende und effizienteMaßnahmen, die sich langfristig amortisieren, wiezum Beispiel eine Gebäudesanierung oder ein Gerä-teaustausch. Den betroffenen Haushalten fehlen aberzum einen die finanziellen Ressourcen, zum anderenteilweise die relevanten Informationen.

EnergiekostenUnter Energiekosten werden jene Kosten verstanden,die für Heizen und für Elektrizität aufgewendet wer-den. Haushalte mit geringem Einkommen sind über-durchschnittlich von Energiepreisanstiegen betroffenund weisen höhere Energiekostenanteile an den Ge-samtausgaben auf.

Im Jahr 2005 wurden in Österreich durchschnittlich805 Euro pro Monat für Wohnraum, Energie undWohnungsausstattung ausgegeben (vgl. Statistik Aus-tria 2005, Konsumerhebung 2004/2005). Auf den er-sten Blick machen die Energiekosten mit 4,7 Prozentnur einen vergleichsweise geringen Teil der monatli-chen Ausgaben aus. Mit durchschnittlich 128 Euro proMonat betragen sie aber immerhin rund ein Viertel derdurchschnittlichen Wohnkosten von 502 Euro.

Während Haushalte der höchsten Ausgabenstufe inetwa ein Viertel ihrer äquivalisierten Verbrauchsaus-gaben für Lebensmittel und Wohnen aufwenden,geben jene in der niedrigesten Ausgabenstufe bei-nahe zwei Drittel dafür aus. Das unterste Haushalts-viertel hat dabei Kosten von 34 Prozent für Wohnenund Energie (ohne Wohnungsausstattung) zu tragen.

Aufgrund der Belastung der einkommensschwachenHaushalte mit den zunehmend steigenden Energie-preisen sind Maßnahmen notwendig, um der Energie-armut entgegenzuwirken.

Schlechte strukturelle Parameter (alte Geräte, schlechte Bausubstanz )

Keine finanziellen Mittel für energieeffiziente

Investitionen

Überdurchschnittlicher Energieverbrauch vs.

Unterdurchschnittliches Einkommen

Mehrverbrauch durch Lebensumstände

Zahlungsschwierigkeiten = zusätzliche Kosten

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Maßnahmen zur Verringerung vonEnergiearmutAuf europäischer Ebene bestehen in unterschiedli-chen Programmen und Richtlinien Intentionen, umeine Senkung des Energieverbrauchs, eine Erhöhungder Energieeffizienz und die Verringerung von Ener-giearmut herbeizuführen. Hier sollen im Sinne desVerbraucherschutzes besonders verletzliche Kunden(vulnerable costumers) geschützt werden, um derenAusschluss von der Energieversorgung zu vermeiden.Im angelsächsischen Bereich, zum Beispiel in Groß-britannien und Irland, existieren seit zehn Jahren sta-tistische Erfassungen sowie eine Strategie und darineingebettete Maßnahmen gegen Energiearmut. Groß-britannien hat im Jahr 2001 als einer der ersten Staa-ten weltweit eine nationale Strategie zur Bekämp-fung von Energiearmut (fuel poverty) entwickelt, wel-che seither stetig vorangetrieben wird. Als Zielset-zung im Rahmen der Fuel Poverty Strategy steht dieBekämpfung von Energiearmut im Vordergrund, biszum Jahr 2018 soll kein Haushalt mehr von Energie-armut betroffen sein (vgl. Department of Energy andClimate Change 2009).

Wie sieht es in Österreich mit Strategien zur Bekämp-fung von Energiearmut aus? Zwar werden einigeMaßnahmen und Projekte in diesem Bereich durchge-führt, dennoch existiert kein spezifisches Programm –weder in Österreich noch in Oberösterreich –, um die-ser Problematik gezielt entgegenzuwirken. Auf natio-naler Ebene werden bereits einige Projekte mit Ver-suchscharakter initiiert, die als erste Schritte zurBekämpfung von Energiearmut gesehen werden kön-nen. Dazu zählen der Austausch von alten Haushalts-geräten und Heizungssystemen, die Sanierung vonWohngebäuden oder Beratungsangebote speziell füreinkommensschwache Haushalte. Energieeinsparpo-tenziale sind - wie die Ergebnisse eines Pilotprojektesvon E-Control und Caritas zeigen - in armen Haus-halten vorhanden und können auch mit geringen fi-nanziellen Mitteln im eigenen Wirkungsbereich um-gesetzt werden. Oftmals herrscht speziell in Hinblickauf schlechte Gebäudestandards eine Nutzer-Vermie-ter-Problematik, da Energieeinsparpotenziale außer-halb des Wirkungsbereichs der Mieter liegen. Die Ver-antwortung, thermische Sanierungsarbeiten oder denAustausch des Heizungssystems durchzuführen, liegtbei den Vermietern, Hausverwaltungen und Wohn-bauträgern.

Energieberatungstools sind meist auf mittlere bishöhere Einkommensgruppen ausgerichtet. Um eineSensibilisierung von unteren Einkommensschichten

für energierelevante Themen zu erreichen, wird einindividuelles Beratungskonzept notwendig. Persönli-che Energieberatungen scheinen nach Ergebnissendes Pilotprojekts von Proidl 2009 ein geeignetes Tool,um auf individuelle Problemstellungen einzugehenund Handlungsbewusstsein im Umgang mit Energiezu schaffen. Solche Beratungen bieten nicht nur Sen-sibilisierungskomponenten, sondern auch Tipps zumEnergiesparen.

FazitDie Belastung armutsgefährdeter Haushalte mit En-ergiekosten ist mittlerweile evident, doch fehlt aufnationaler Ebene eine kohärente Strategie, um dieEnergiearmut zu verringern. Die Betrachtung von un-terschiedlichen Good Practice-Beispielen im europäi-schen Kontext zeigt, dass Energieberatung speziell füreinkommensschwache Haushalte als sinnvoller An-satz gesehen werden kann, um erste Schritte zur Ein-dämmung von Energiearmut zu setzen. Die Zusam-menarbeit von unterschiedlichen Akteuren stellt einenotwendige Voraussetzung für den Erfolg der Maß-nahmen dar: Nur durch die Kooperation aller Verant-wortlichen ist ein Zugang zu einkommensschwachenHaushalten möglich, um hier in der Folge notwendigeBeratungen durchzuführen.

Christina Friedl

Die Autorin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Ener-gieinstitut an der JKU Linz und beschäftigt sich im Rahmenihrer Dissertation mit dem Thema Energiearmut in privatenHaushalten. Kontakt: [email protected]

QuellenBoardman, B. (2010) Fixing Fuel poverty. Challenges and

Solutions. Earthscan. London [u.a.].BMASK (2010) Armutsgefährdung und Lebensbedingungen

in Österreich. Ergebnisse aus EU-SILC 2009. StatistikAustria im Auftrag des BMASK. Sozialpolitische Studi-enreihe Band 5. Wien.

Proidl, H. (2009) E-Control & Caritas – Pilotprojekt. Ener-gieberatungen von einkommensschwachen Haushalten.Endbericht. E-Control GmbH. Wien.

DECC - Department of Energy & Climate Change (2009)The UK Fuel Poverty Strategy. 7th Annual Progress Re-port 2009.

Forum Nachhaltiges Österreich (Hrsg.) (2008) Trendreport01. Energieeffizienz im Wohnbereich & Armutsbekämp-fung.Wien.

Statistik Austria (2006) Verbrauchsausgaben – Sozialstati-stische Ergebnisse der Konsumerhebung 2004/2005.Wien.

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Energieverteuerung bremstKonjunkturerholung Der Aufschwung von Export und Sachgüte-rerzeugung trägt die Konjunkturerholung inÖsterreich, analysiert das WIFO. Im IV. Quar-tal des Vorjahres stieg das BIP gegenüberdem Vorquartal real um 0,8 Prozent und ge-genüber dem Vorjahr um 2,7 Prozent. Die In-vestitionstätigkeit beginnt sich zu beleben,allerdings nicht in der Bauwirtschaft. DieKonsumnachfrage der privaten Haushaltewächst zwar stetig, aber mäßig. Getragenvon der guten Industriekonjunktur sinkt dieArbeitslosigkeit weiter langsam. Der Anstiegder Verbraucherpreise belebt sich aufgrunddes markanten Auftriebs der Energiepreise;deshalb gehen die Reallöhne pro Kopf merk-lich zurück.

Die Erholung der österreichischen Exportwirtschaftaus der Rezession kommt weiter rasch voran. Im De-zember 2010 lag der Produktionsindex der Sachgüter -erzeugung saisonbereinigt um 12 Prozent über demTiefstand vom Mai 2009. Damit wurden fast vierFünftel des Produktionsrückgangs seit Herbst 2008wettgemacht. Gemäß den Ergebnissen des WIFO-Konjunkturtests vom Februar,einer monatlichen Befragungvon rund 1.500 Unternehmenzur Einschätzung ihrer aktuel-len und künftigen wirtschaftli-chen Lage, dürfte der momen-tane Aufwärtstrend anhalten:Die Produktionserwartungender Unternehmen befindensich auf hohem Niveau, sieverbesserten sich zu Jahresbe-ginn neuerlich auf einen Saldovon +21 Prozentpunkten; Auf-tragseingänge und Einschät-zung der Geschäftslage insechs Monaten spiegeln diepositive Stimmung wider.

Nur verhaltene Erholungim EuroraumDen Motor für die gute Indu-striekonjunktur bildet ein kräf-tiger Aufschwung in den asia-

tischen und lateinamerikanischen Schwellenländern.Deren Einfuhr treibt den Welthandel an, sein Volumenlag im IV. Quartal 2010 saisonbereinigt real um 2,6Prozent über dem Wert des Vorquartals und um 11,3Prozent über dem Wert des Vorjahres. Die österreichi-sche Exportwirtschaft profitiert von der Weltkonjunk-tur überwiegend über Zulieferbeziehungen zur welt-marktorientierten deutschen Wirtschaft. In Deutsch-land expandiert das BIP kräftig, das zieht die Kon-junktur einer Gruppe von industrieorientierten EU-Ländern mit. Hingegen verharren EU-Länder mit an-haltenden Strukturproblemen und besonders restrik-tiver Budgetpolitik in der Rezession. Im Durchschnittdes Euro-Raumes kommt die Erholung nur verhaltenvoran.

Der österreichische Güterexport expandierte im IV.Quartal 2010 gegenüber dem Vorquartal um 1,0 Pro-zent und lag damit saisonbereinigt um 23 Prozentüber dem Tiefstand vom II. Quartal 2009. Aufgrunddes Anstiegs des Exports und der wachsenden Ausla-stung in der Sachgütererzeugung beleben sich all-mählich auch die Ausrüstungsinvestitionen. Hingegengeben die Bauinvestitionen weiter nach, auch wegender Einsparungen der Bundesländer im Wohnbau.

Die Konsumnachfrage der privaten Haushalte nahmin Österreich auch in der Rezession leicht zu und trugdamit wesentlich zur Stabilisierung der Konjunkturbei. Nun setzt sich ihr mäßiges Wachstum fort, im IV.

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Quartal war sie real um 0,2 Prozent höher als im Vor-quartal und um 0,7 Prozent höher als im Vorjahr.Dazu trug vor allem der Anstieg der Beschäftigungbei: Die Zahl der unselbständig aktiv Beschäftigtenwar im Februar 2011 laut vorläufigen Schätzungenmit 3,2 Mio. um etwa 64.000 höher als im Vorjahr.Neben der stetigen Ausweitung des Stellenangebotesin den Dienstleistungsbranchen war dafür auch dieErholung der Industriebeschäftigung maßgebend. DieZahl der Arbeitslosen ging zu Jahresbeginn weitermerklich zurück. Im Februar waren 292.000 Personenals arbeitslos registriert, um 21.000 weniger als imVorjahr. Saisonbereinigt lag die Zahl der Arbeitslosen

bei 241.000, um 31.000 unter dem Höchstwert vomAugust 2009. Damit wurde allerdings erst weniger alsdie Hälfte des rezessionsbedingten Anstiegs der Ar-beitslosigkeit wettgemacht.

Kräftiger Auftrieb der Rohstoffpreise Die Schwäche der Erholung im Euro-Raum und die la-bile Lage des Finanzsystems galten bislang als größteRisiken der Konjunktur. Nun kommt der kräftige Auf-trieb der Rohstoffpreise dazu. Anfang März kosteteRohöl der Sorte Brent über 110 US-Dollar je Barrel,ein Jahr zuvor noch knapp 80 Dollar. Auch die Notie-rungen von agrarischen und metallischen Rohstoffen

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zogen auf den Weltmärkten kräftig an. Dies schlugbereits auf die Verbraucherebene durch: Im Jänner er-reichte die Inflationsrate in Österreich 2,4 Prozent.Mehr als ein Drittel dieses Preisanstiegs ging auf dieVerteuerung von Mineralölprodukten (Treibstoffe undHeizöl) zurück. Die Großhandelspreise lagen im Fe-bruar um 12,7 Prozent über dem Niveau des Vorjah-

res. Der Anstieg der Verbraucherpreise übertraf damitjenen der Tariflöhne bereits um 3⁄4 Prozentpunkte.

Quelle: Presseinformation des Österreichischen Insti-tuts für Wirtschaftsforschung (Markus Marterbauer),09.03.2011

Auswirkungen der Ölpreis-steigerung auf die HaushalteDie Österreichische Gesellschaft für Umweltund Technik (ÖGUT) prognostiziert: Die Öl-preise werden mittelfristig weiter steigen. Be-sonders ÖlheizerInnen und KFZ-VielfahrerIn-nen werden von der Teuerung betroffen sein.

„Auch wenn der aktuelle Anstieg der Ölpreise vorwie-gend durch politische Ereignisse verstärkt wurde, diePreise für Heizöl und Treibstoffe werden auch nacheiner Beruhigung der Lage in den arabischen Staatenmittelfristig weiter steigen“, mahnte Michael Cer-veny, Energieexperte der Österreichischen Gesell-schaft für Umwelt und Technik (ÖGUT), bei einer Pres-sekonferenz in Linz.

„Wir sehen uns nicht nur dem Klimawandel gegen -über, sondern auch einer strukturellen Energiekrise,die die Welt in den nächsten Jahrzehnten grundle-gend verändern wird“, so Cerveny. Die globale Erdöl-produktion, die bereits seit Ende 2004 praktisch nichtmehr gesteigert werden konnte, dürfte in den näch-sten Jahren stagnieren oder sogar zu sinken beginnen(„Peak Oil“). Der Experte erwartet daher einen massi-ven Anstieg des Ölpreises – auch dann, wenn sich dieLage im arabischen Raum wieder beruhigt haben wird– und sieht sich mit seiner Meinung nicht allein:„Immer mehr gewichtige Stimmen, von der IEA1 bis zuEU-Energiekommissar Öttinger, sehen die Gefahreiner Versorgungskrise am Erdölmarkt und damit ein-hergehend einer Preisexplosion als sehr real an“, be-schrieb Cerveny die Situation.

ÖGUT-Studie „ZERsiedelt“ In einer aktuellen Untersuchung der ÖGUT, die vomKlima- und Energiefonds gefördert wird, wurden dieAuswirkungen hoher Ölpreise auf verschiedene Sied-lungsstrukturen und Haushaltstypen analysiert. In

diesem Forschungsprojekt wurde angenommen, dassder Rohölpreis auf 200 Dollar pro Barrel (bbl) an-steigt und dabei der Euro-/Dollar-Wechselkurs beimJahresmittelkurs 2010 von 1,33 bleibt. Ein BarrelRohöl würde somit 150 Euro kosten. Zur Ermittlungder Korrelation zwischen Rohölpreis und den Netto-Energiepreisen wurden historische Daten (Wochen-,Monats-, Quartalspreise) von EIA,2 Fachverband Mi-neralölindustrie, AEA3 und E-Control herangezogen.4

Preissteigerungen bei Mineralölprodukten Für die Brutto-Preise von Diesel und Benzin (Eurosu-per) sowie für den Heizölpreis (Abnahmemenge über2.000 Liter) lagen – ebenso wie für Rohöl – insgesamtjeweils 424 Wochenwerte (vom Oktober 2002 bis No-vember 2010) vor, für den Heizölpreis ergab sich eineZeitreihe seit Jänner 2004 mit insgesamt 361 Wo-chenwerten. Nach Abzug der jeweils geltenden Steu-ern und Abgaben konnten die Netto-Preise für dieEnd energieträger dargestellt und zu Analysezweckenin einer Datenbank erfasst werden. Dabei zeigte sichdeutlich die starke zeitliche Kongruenz der Preisent-wicklungen (Abb. 1). Anschließend wurde die extremhohe Korrelation (das Bestimmtheitsmaß R2, das diedirekte gemeinsame Varianz angibt, liegt jeweils zwi-schen 0,91 und 0,93) zwischen dem Rohölpreis (inEuro) und den Netto-Energiepreisen von Mineralöl-produkten im Beobachtungszeitraum ermittelt. Fürdie Abschätzung der Nettopreise von Mineralölpro-dukten im „200 Dollar Szenario“ (= 150 Euro pro Bar-rel) wurde in der Folge eine lineare Trendextrapola-tion durchgeführt (Abb. 2). Diese ergab, dass diePreise um 80 bis 100 Cent pro Liter höher als beieinem Ölpreis von 70 Dollar (52 Euro/Barrel) liegen.

Preissteigerungen bei Erdgas Da keine durchgängige Zeitreihe für die in Österreichregional streuenden Erdgas- Haushaltsnettopreisevorhanden ist, wurden diese wie folgt näherungs-weise ermittelt: Aus dem in einer Indexreihe seit 2001vorliegenden Erdgasimportpreis (E-Control, 2010)

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wurde anhand einer Anzahl von Stützwerten eineZeitreihe absoluter Werte gebildet. Insgesamt liegen37 Werte vor und zwar jeweils für die Monate Jänner,April, Juli und Oktober zwischen 2001 und 2010. Für

die Rohölpreise wurden aus den oben beschriebenenWochenwerten Monatswerte für jene Monate errech-net, für die Erdgasimportpreise vorlagen.

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Es zeigt sich, dass der Erdgasimportpreis (EIPI) zeit-versetzt dem Rohölpreis folgt, was im Licht der in den„Russengas-Verträgen“ fixierten teilweisen Rohöl-preisbindung plausibel erklärbar ist. Der time-lagzwischen den beiden Zeitreihen liegt bei etwa dreiMonaten. Daher ergibt sich auch zwischen den Zeit-reihen lediglich ein Korrelationskoeffizient vonR2=0,78. Setzt man die Erdgasimportpreise jedochmit den jeweils ein Quartal zuvor geltenden Rohöl-preisen in Verbindung, erhält man eine extrem starkausgeprägte Korrelation von R2=0,97.

Um den Erdgasimportpreis für das „200 Dollar-Szen-ario“ (=150 Euro pro Barrel) zu erhalten, wurde wie-derum eine lineare Trendextrapolation vorgenommen.In diesem Fall wird der Importpreis für Erdgas beirund 5,5 Cent pro Kilowattstunde (ct/kWh) statt –wie bei einem Ölpreis von 70 Dollar – bei 2,2 ct/kWhliegen. Der Importpreis läge also um rund 3,3 ct/kWhhöher.

Auf den Haushaltspreis für Erdgas übertragen ergäbesich – bei Netztarifen, Steuern und Abgaben auf demNiveau von Dezember 2010 – ein um rund 4 ct/kWhhöherer Preis (20% Umsatzsteuer): Der österreichweitdurchschnittliche Bruttopreis läge demnach bei rund10,5 ct/kWh (bei 70 Dollar: 6,5 Cent)

Preissteigerungen bei Strom Da auch keine durchgängige Zeitreihe für die in Öster-reich regional streuenden Strom- Haushaltsnetto-preise vorhanden ist, wurden diese wie folgt nähe-rungsweise ermittelt: Es wurde auf den in einer mo-natlichen Indexreihe seit Jänner 2006 vorliegendenStrompreisindex (ÖSPI®) als Indikator für dieGroßhandelspreise für elektrische Energie zurückge-griffen. Die konkreten Einkaufstrategien der Strom-händler können dabei nicht mitberücksichtigt werden.

Insgesamt liegen 61 Monatswerte seit Jänner 2006vor. Für die Rohölpreise wurden aus den oben be-schriebenen Wochenwerten Monatswerte für jeneMonate errechnet, für die Werte des Strompreisindexvorlagen. Dabei wurde ersichtlich, dass die Brutto-preise für die Haushalte (also inklusive Netztarifen,Steuern und Abgaben) wesentlich schwächer auf Öl-preisänderungen reagieren (Abb. 4). Es zeigt sichauch, dass der Strompreis noch stärker als der Erdga-simportpreis zeitversetzt dem Rohölpreis folgt. Dertime-lag zwischen Rohölpreis und Strommarktpreisbeträgt rund 6 bis 9 Monate. Die Untersuchung zeigt,dass bei einem Offset zwischen den Zeitreihen von 9Monaten mit R2=0,76 die höchste Korrelation zwi-schen Rohölpreis und Strommarktpreis besteht.

Um den Strompreis für das „200 Dollar-Szenario“ (=150 Euro pro Barrel) zu erhalten, wurde eine lineareTrendextrapolation vorgenommen. In diesem Fallkommt der Strombeschaffungspreis – entsprechendzeitversetzt – bei rund 220 Indexpunkten zu liegen,während er bei einem Ölpreis von 70 Dollar bei durch-schnittlich rund 115 Indexpunkten liegt. Die Steige-rung beträgt also knapp 75 Prozent oder rund 7ct/kWh. Auf den Haushaltspreis für Strom übertragenergäbe sich eine Preissteigerung um rund 8,4 ct/kWh(20% Umsatzsteuer):5 Der österreichweit durch-schnittliche Bruttopreis läge demnach bei rund 26,4Cent/kWh (bei 70 Dollar: rund 18 Cent).

Direkte Auswirkungen eines Anstiegs auf 200Dollar pro Barrel auf Haushalte in Österreich Ein Ölpreisanstieg wird auf unterschiedliche Haus-halte unterschiedliche Auswirkungen haben. Hierbeiist zwischen direkten und indirekten Auswirkungenzu differenzieren. Als „direkt“ werden jene Auswir-kungen bezeichnet, die über den direkten Konsum vonEnergieträgern wirken. Hierzu zählen Benzin, Diesel,

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Heizöl, Erdgas, Elektrizität, Pellets etc. Preissteigerun-gen bei diesen Produkten werden eine direkte Bela-stung des Haushaltsbudgets und/oder eine Umstruk-turierung der Nachfrage mit sich bringen.

„Indirekte Auswirkungen“ sind über ökonomische Fol-gewirkungen zu erwarten, die im Anstieg des Rohöl-preises ihre Ursache haben. Da Rohölprodukte alsInput für viele Produkte und Dienstleistungen fungie-ren, ist auf breiter Front mit Kosten- und daher mitPreiserhöhungen zu rechnen. Die höheren Ölpreiseverteuern insbesondere energie- und transportinten-sive Produkte und führen damit zu einer Erhöhungder Inflationsrate. Dies wiederum hat „indirekte“ Aus-wirkungen auf die Haushalte bzw. ihre Kaufkraft.6

Beschreibung von sechs Beispielshaushalten Es wurden sechs Beispielhaushalte definiert, je zweiim städtischen Bereich, zwei in „Suburbia“ (zersiedel-ter „Speckgürtel“), zwei im ländlichen Bereich. Durchdie sechs Fallbeispiele sollte das Spektrum der Betrof-fenheit möglichst weit aufgespannt werden, gleich-zeitig sollten die Beispielshaushalte aber für Öster-reich „typische“ Gegebenheiten/Haushaltssituationenrepräsentieren. Im Folgenden die Annahmen für diesechs Beispielhaushalte im Überblick:

1. „Urbaner Single“: wohnt in einer innerstädtischen60 m2 Wohnung in einem teilsanierten großvolumi-

gen Altbau (Heizenergieverbrauch: 70 kWh/m2 proJahr). Heizung und Warmwasser werden mit einerErdgas-Kombitherme abgedeckt. Der Stromverbrauchbeträgt 1.000 kWh im Jahr. Der/die BewohnerIn legtim Jahr nur 3.000 km mit dem Auto zurück (z.B. keineigenes Auto, aber Car-Sharing oder Mietwagen fürAusflüge/Urlaube).

2. „Stadtrand-Paar“: wohnt in einem ganz gut sanier-ten Einfamilienhaus (Reihenhaus) mit 120 m2 (be-heizter) Wohnnutzfläche und mit einem jährlichenHeizenergieverbrauch von 70 kWh/m2. Heizung undWarmwasser werden mit einer Erdgas-Kombithermeabgedeckt. Der Stromverbrauch beträgt 2.000 kWh/a.Das (Ehe-)Paar verfügt über ein Auto, legt damit aberaufgrund der guten Infrastruktur im Wohnumfeld nur5.000 km pro Jahr zurück.

3. „Speckgürtel-Familie“: Die dreiköpfige Familiewohnt in einem teilsanierten, freistehenden Einfami-lienhaus mit 150 m2 (beheizter) Wohnnutzfläche undmit einem jährlichen Heizenergieverbrauch von 120kWh/m2. Heizung und Warmwasser werden mit einerÖlheizung abgedeckt. Der Stromverbrauch beträgt3.000 kWh/a. Die Familienmitglieder verfügen überzwei PKW und legen damit jährlich insgesamt 23.000km zurück.

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4. „Suburbia-Paar“: Das junge (noch kinderlose) Paarwohnt in einem neu gebauten Niedrigenergie-Einfa-milienhaus mit 150 m2 (beheizter) Wohnnutzflächeund mit einem jährlichen Heizenergieverbrauch von40 kWh/m2. Heizung und Warmwasser werden mittelsWärmepumpe(n) abgedeckt. Der Stromverbrauch (ex-klusive für den Betrieb der Wärmepumpen) beträgt2.000 kWh/a. Das berufstätige Paar verfügt über zweiPKW und legt damit jährlich insgesamt 15.000 kmzurück.

5. „Land-Großfamilie“: Die vierköpfige Familie (davonzwei bereits volljährige Kinder) wohnt in einer ländli-chen Gegend in einem unsanierten freistehenden Ein-familienhaus mit 150 m2 (beheizter) Wohnnutzflächeund mit einem Heizenergieverbrauch von 200kWh/m2 pro Jahr. Heizung und Warmwasser werdenmit einer Ölheizung abgedeckt. Der Stromverbrauchbeträgt 4.000 kWh/a. Alle vier Familienmitgliederverfügen über je einen PKW und legen damit jährlichinsgesamt 30.000 km zurück.

6. „Landwirte-Großfamilie“: Die vierköpfige Familie(davon zwei bereits volljährige Kinder) wohnt ineinem unsanierten freistehenden Bauernhof mit 150m2 (beheizter) Wohnnutzfläche und mit einem jährli-chen Heizenergieverbrauch von 200 kWh/m2. Heizungund Warmwasser werden mit einer Biomasseheizung(Stückholz oder Hackgut) abgedeckt. Der Stromver-brauch (nur für die Wohnung, nicht für die Landwirt-schaft) beträgt 4.000 kWh/a. Alle vier Familienmit-glieder verfügen über je einen PKW und legen damitjährlich insgesamt 30.000 km zurück.

Für die oben definierten sechs Beispielshaushaltewurden in der Folge jeweils die Energiekosten – auf-geteilt auf Heizung und Warmwasser, Mobilität(Treibstoffe) sowie Strom – für folgende Szenariengerechnet:

❚ „70 Dollar-Szenario“ (52 Euro pro Barrel)

❚ „200 Dollar-Szenario“ (150 Euro pro Barrel)

Die Differenz der Energiekosten stellt die Mehrkostendar. Dabei bleiben allfällige Einsparmaßnahmen derHaushalte aufgrund der höheren Preise unberücksich-tigt. Die im Folgenden ausgewiesenen Mehrkostendurch erhöhte Energiepreise beschreiben somit den„Schockzustand“ im ersten Jahr nach dem Öl- bzw.Energiepreisanstieg und noch vor Umsetzung jegli-cher Energiesparmaßnahmen in den Beispielshaus-halten.

Die Berechnungsergebnisse zeigen die enorme Band-breite der Auswirkungen auf unterschiedliche Haus-

halte. Der Energiekostenanstieg kann im Bereich vonwenigen hundert Euro pro Jahr (Single-Haushalt mitgeringem Heizenergieverbrauch und geringer indivi-dueller Mobilität) liegen, aber auch auf über 5.000Euro pro Jahr steigen (hoher Heizölverbrauch auf-grund des schlechten thermischen Zustands des[großen] Wohnhauses und jährlichen PKW-Kilome-terleistungen im Bereich von 30.000 km oder mehr).Im Einzelnen zeigen die Fallbeispiele, dass vor allemdrei Faktoren von entscheidender Bedeutung für dieAuswirkungen auf einen Haushalt sind:

1. Art des Brennstoffs: An erster Stelle ist die Art desHeizmaterials entscheidend für die Mehrkosten. Wermit Heizöl oder dem Mineralölprodukt Flüssiggasheizt – und das waren im Winter 2007/08 in Öster-reich rund 822.000 Haushalte (Statistik Austria, 2011)– muss mit den größten Kostensteigerungen rechnen.Im Vergleich dazu sind die „Gasheizer“ oder „Strom-heizer“ (Wärmepumpen) deutlich weniger betroffen.Die Preissteigerungen von biogenen Brennstoffen(Scheitholz, Hackgut, Pellets) sind zum einen auf-grund der unübersichtlichen Preissituation (einentransparenten Markt mit gut dokumentierten Preis-Zeitreihen gibt es für Pellets, kaum aber für Hackgutund Stückholz) und zum anderen aufgrund der Tatsa-che, dass es auf regionaler Ebene sehr „informelleMärkte“ (Eigenwald etc.) gibt, nicht prognostizierbar.Für den Beispielshaushalt 6 wurde angenommen, dassdiese Landwirte-Familie über eigenes Holz verfügtund insofern von allfälligen Preissteigerungen aufdem „Brennholzmarkt“ nicht betroffen ist.

2. Jährliche PKW-Kilometerleistung: Hinsichtlich derKostenrelevanz für den Haushalt liegt der jährlicheTreibstoffverbrauch mit der Art des Heiz-Brennstoffspraktisch gleichauf. Der Treibstoffverbrauch resultiertin erster Linie aus der jährlichen Kilometerleistung,die sich unter anderem aus der Lage des Wohnhauses,der Familiengröße und anderen Faktoren (Ausmaß derberuflichen Nutzung, Urlaubsmobilität etc.) ergibt.Der Treibstoffverbrauch hängt zusätzlich noch vomspezifischen Verbrauch des PKW ab: In den angeführ-ten Fallbeispielen wurde allerdings der durchschnitt-liche Treibstoffverbrauch pro PKW nicht variiert, son-dern mit 7,2 Liter pro 100 km konstant angenommen.Durch noch „extremere“, aber durchaus realistischeAnnahmen könnte die Mehrkostenbelastung im Treib-stoffbereich für einen Beispielshaushalt noch we-sentlich höher ausfallen. Beispielsweise wären dieMehrkosten für einen Haushalt, der jährlich 50.000km in PKWs mit 10 Litern pro 100 km zurücklegt, imBereich von 4.700 Euro nur für Treibstoffe. SolcheWerte dürften für etwa TagespendlerInnen mit über

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10-Jahres-Bilanz der Lohn-entwicklung in DeutschlandDie durchschnittlichen Bruttoverdienste proBeschäftigtem sind zwischen 2000 und 2010real um vier Prozent gesunken.

Die Löhne und Gehälter in Deutschland sind zwischen2000 und 2010 weit hinter den Gewinn- und Kapital -einkommen zurückgeblieben. Die durchschnittlichenBruttoverdienste pro Beschäftigtem sind real - alsonach Abzug der Inflation - im vergangenen Jahrzehntsogar gesunken: 2010 lagen sie um vier Prozent nied-riger als im Jahr 2000. Zu diesem Ergebnis kommt derLeiter des WSI-Tarifarchivs, Reinhard Bispinck, im ak-tuellen Tarifpolitischen Jahresbericht des WSI.1

Sieben Mal, 2001 sowie in den sechs Jahren zwischen2004 und 2009, mussten die Beschäftigten Reallohn-verluste hinnehmen. Lediglich in drei Jahren gab esreale Zuwächse, zuletzt 2010. Schwierige wirtschaft-liche Rahmenbedingungen und die Deregulierung amArbeitsmarkt haben dazu beigetragen, dass sich dieBruttoeinkommen in den Nullerjahren schwach ent-wickelten. So verstärkten die Hartz-Reformen, diedas Arbeitslosengeld II einführten und einen Boombei der Leiharbeit ermöglichten, den Druck auf dieVerdienste. Der Niedriglohnsektor in Deutschlandwuchs.

Verteilungsspielraum nur teilweiseausgeschöpft Deutlich besser sieht es bei der Entwicklung der ta-riflichen Löhne und Gehälter aus, so Bispincks Ana-lyse: Sie lagen am Ende des Jahrzehnts real um knapp

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100 km pro Richtung oder für HandelsvertreterInnendurchaus realistisch sein.

3. Wärmeverbrauch: Die Berechnungen zeigen, dassauch der thermische Zustand des Gebäudes und dieHaushaltsgröße (beheizte Wohnnutzfläche) von ent-scheidender Bedeutung sind. Diese beiden Faktorenwurden in den sechs Fallbeispielen stark variiert (vomNiedrigenergie-Neubau im Fallbeispiel 4 bzw. derKleinwohnung im Fallbeispiel 1 bis zum unsaniertenAltbau in den Fallbeispielen 5 und 6). Nicht variiertwurde die Art der Warmwasserbereitung.7

Zusammenfassung und AusblickAls zentrales Ergebnis der ÖGUT-Studie wurde in derPressekonferenz festgehalten: Bei einem angenom-menen Ölpreis von 200 US-Dollar (rund 150 Euro) proBarrel würden die Preise für Heizöl und Treibstoffeum fast einen Euro über das Niveau steigen, das siebei einem Ölpreis von 70 Dollar hatten. „Für die Haus-halte würde das bedeuten, dass die jährlichen Mehr-kosten im Bereich von wenigen hundert Euro bis zu5.000 Euro betragen werden“ erläuterte Energieex-perte Michael Cerveny. Vor allem zwei Gruppen wür-den massiv von Mehrkosten betroffen sein: Haus-halte, die mit Heizöl heizen und Haushalte, die jähr-lich zig Tausend PKW-Kilometer zurücklegen.

Cervenys Fazit: „Nur wenn es uns gelingt, eine nach-haltige Energieversorgung zustande zu bringen, wer-den uns die drohenden Versorgungskrisen und diedamit verbundenen Preisanstiege weniger treffen“.

Wichtigstes Ziel müsse es daher sein, den Energiever-brauch absolut und deutlich zu senken. „Und zwei-tens müssen wir auf die erneuerbaren Energien set-zen – nicht nur aus Gründen des Klimaschutzes: Siewerden auch langfristig verlässlicher und kostengün-stiger als fossile Energien sein. Wir sollten uns denRat von Fatih Birol, dem Chefökonomen der IEA zuHerzen nehmen. Er hat gesagt: ‚Wir sollten uns vomErdöl verabschieden bevor sich das Erdöl von uns ver-abschiedet‘“, so der Experte abschließend.

Quelle: „Dramatische Auswirkungen der Ölpreisstei-gerungen auf Haushalte und Wirtschaft“, Informa-tion zur Pressekonferenz mit LR Rudi Anschober, Linz,02.03.2011

Anmerkungen1 International Energy Agency2 Environmental Investigation Agency3 Austrian Energy Agency4 Mehr über „ZERsiedelt“ auf <www.zersiedelt.at>5 Dabei wird unterstellt, dass sich der Nettoenergiepreis

im Verkauf der Stromhändler um denselben Betrag wieder Energieeinkaufspreis, repräsentiert durch denStrompreisindex, ändert. Damit bliebe die Marge derStromhändler konstant.

6 Die Analyse der indirekten Auswirkungen eines dauer-haft hohen Ölpreises würde ein volkswirtschaftlichesSimulationsmodell erfordern, was laut ÖGUT im Rah-men der Studie nicht möglich war.

7 Keine Annahme von Solaranlagen etc. Das Warmwasserwird in allen Fallbeispielen vom Heizsystem bereitge-stellt.

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sieben Prozent höher als am Anfang. Allerdings bliebauch das Wachstum der durchschnittlichen Tarif-löhne hinter dem Anstieg von Produktivität undPreisen zurück. Mit diesen beiden Komponenten de-finieren Ökonomen den so genannten neutralen Ver-teilungsspielraum. Wird er ausgeschöpft, ist die Auf-teilung der Unternehmenserträge zwischen Inha-bern und Beschäftigten stabil. Steigen die Löhnelangsamer, erhöht sich der Anteil der Unternehmeram Ertrag.

Das ist im vergangenen Jahrzehnt geschehen, zeigtdie Analyse: Während Produktivität und Verbraucher-preise in Summe um mehr als 28 Prozent zulegten,stiegen die nominalen Tariflöhne um gut 24 Prozent.Nur in einigen Branchen, etwa der Chemie- und derMetallindustrie, wurde der gesamtwirtschaftlicheVerteilungsspielraum bei den Tariflöhnen ausge-schöpft, viele Wirtschaftszweige lagen hingegendeutlich unter dieser Marke. Und weil zeitgleich dieTarifbindung sank, manche Unternehmen in wirt-schaftlichen Schwierigkeiten tarifliche Öffnungsklau-seln nutzten oder Tarifsteigerungen auf noch vorhan-dene übertarifliche Lohnbestandteile anrechneten,schlugen Steigerungen der Tarife nur zum Teil auf diedurchschnittlichen Bruttoverdienste durch. Mit einemnominalen Anstieg von knapp 13 Prozent zwischen2000 und 2010 blieben diese um mehr als 15 Pro-zentpunkte hinter dem Verteilungsspielraum zurück.

Wachsende Ungleichheit bei derEinkommensverteilungZuwächse bei den Einkommen seien nur die eineSeite, wenn es um die lohnpolitische Einordnung desvergangenen Jahrzehnts geht, betont Tarifexperte Bi-spinck. So hätten beispielsweise die Gewerkschaftendarüber hinaus auch verschiedene qualitative Zieleverfolgt. Dazu zählten unter anderem Verbesserungenbei Arbeitszeiten, bei der Aus- und Weiterbildungoder Regelungen, welche die betriebliche Altersvor-sorge sichern und die demographische Entwicklung inden Betrieben gestalten sollen. Und während der Fi-nanz- und Wirtschaftskrise gelang es, hunderttau-sende Jobs zu sichern. Gleichwohl sieht der Wissen-schaftler eine wachsende Ungleichheit bei der Ein-kommensverteilung als charakteristisch für die ver-gangene Dekade an. So entwickelten sich die Unter-nehmens- und Vermögenseinkommen, die zwischen2000 und 2010 nominal (nicht inflationsbereinigt)um 45 Prozent zulegten, fast dreimal so stark wie dieArbeitnehmerentgelte. Diese wuchsen über das letzteJahrzehnt lediglich um 16 Prozent.

Quelle: Pressemitteilung der Hans-Böckler-Stiftung,03.02.2011

Anmerkung1 Rainer Bispinck/WSI-Tarifarchiv: Beschäftigungssiche-

rung und gedämpfte Lohnentwicklung. TarifpolitischerJahresbericht 2010, einsehbar auf: www.boeckler.de

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Leben am LimitDie Teuerungen treiben immer mehr Men-schen in die Armut. Im Vorjahr waren rund7.530 OberösterreicherInnen auf die Hilfe derCaritas angewiesen, gab die Hilfsorganisationbeim Start ihrer Haussammlung bekannt.

„Wenn eine allein erziehende Mutter verzweifelt ist,weil sie ihre Stromrechnung nicht mehr bezahlenkann oder ein Mindestpensionist frieren muss, weil erfür die Befüllung des Heiztanks kein Geld mehr hat,dann ist Feuer am Dach. Immer öfter kommen Men-schen in die Beratungsstellen der Caritas in Ober -österreich, weil sie ihren Lebensunterhalt nicht mehrfinanzieren können“, berichtet Mathias Mühlberger,Direktor der Caritas in Oberösterreich.

Teuerungen erhöhen das Armutsrisiko Schuld daran sind mitunter auch die rasant steigen-den Preise bei Gütern des täglichen Bedarfs. Die In-flationsrate stieg laut Statistik Austria im Februar2011 auf drei Prozent. Das war der höchste Wert seitOktober 2008. Hauptpreistreiber sind die hohenTreibstoff- und Heizölpreise (+22% bzw. +30% imJahresabstand) sowie die steigenden Mieten beiWohnungen (+2,6%). Aber auch Lebensmittel wurdenim letzten Jahr durchschnittlich um 4,3 Prozent teu-rer. Die Ausgaben für Treibstoffe, Wohnen und Nah-rungsmittel verursachen mittlerweile bereits dreiFünftel der Inflationsrate.

Die Preissteigerungen bei Gütern des täglichen Be-darfs erhöhen das Armutsrisiko für jedermann/jedeFrau enorm. Es braucht nur ein Stein zu kippen undder Dominoeffekt in die Armut schlägt zu: Verlust desArbeitsplatzes, eine Trennung oder eine plötzlicheKrankheit. Wenn dann etwa noch die Waschmaschineoder das Auto kaputt werden, rutscht man völlig indie Armut ab. „Viele Menschen, die zu uns in die Be-ratung kommen, sagen uns, sie hätten nie damit ge-rechnet, dass sie jemals bei der Caritas um Hilfe bit-ten müssen“, weiß Mathias Mühlberger.

Ausgaben fürs Wohnen treiben Menschen indie ArmutRund 3.830 Menschen haben sich im Jahr 2010 andie zwölf Caritas-Beratungsstellen in ganz Oberö-sterreich gewandt. Fast 60 Prozent davon warenFrauen, mehr als die Hälfte Familien mit Kindern.Zählt man die Familienangehörigen dazu, so warenrund 7.530 OberösterreicherInnen im Jahr 2010 aufdie Hilfe der Caritas angewiesen. Vor allem die Aus-gaben fürs Wohnen treiben die Menschen vermehrtin die Armut. Beinahe 40 Prozent aller Oberösterrei-cherInnen, die sich im Vorjahr an die Caritas wand-ten, hatten akute Probleme, sich Mietkosten, Stromund Heizung leisten zu können. Vom monatlichenDurchschnittseinkommen in der Höhe von 534 Euro,das KlientInnen der Caritas in OÖ zur Verfügunghaben, müssen bereits über 40 Prozent fürs Wohnenausgegeben werden.

„Es kann nicht sein, dass es dem Sozialstaat Öster-reich seit Jahrzehnten nicht gelingt, Gruppen wie Al-

leinerzieherInnen oder Mehr-kindfamilien aus der Armuts-falle zu holen“, kritisiert Mühl-berger. Laut Statistik Austriawaren im Jahr 2009 insgesamt12 Prozent der Bevölkerungbzw. rund eine Million Men-schen in Österreich armutsge-fährdet, 145.000 davon inOberösterreich. Die Armutsge-fährdung bei Familien mit dreiund mehr Kindern liegt sogarbei 20 Prozent.

Mindestsicherung ermög-licht keine „gesicherte“ExistenzKeine spürbare finanzielle Ver-besserung sieht der Direktorder Caritas in Oberösterreich in

Quelle: M

ediendienst der Caritas in Oberösterreich

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der bedarfsorientierten Mindestsicherung, welche diebisherige „Sozialhilfe“ ablösen wird. Die Armutsge-fährdungsschwelle liegt derzeit laut EU-SILC für eineEinzelperson pro Monat bei 994 Euro (12 Mal imJahr), die bedarfsorientierte Mindestsicherung wird inOberösterreich laut Gesetzesentwurf pro Person undMonat 812,10 Euro (12 Mal im Jahr) betragen und er-möglicht daher nicht wirklich eine gesicherte Exi-stenz. „Als Caritas leisten wir neben Beratung undBegleitung auch finanzielle Überbrückungshilfe für

Menschen in Not. Den Sozialstaat armutsfest ma-chen, muss allerdings die Regierung“, fordert Mühl-berger. Unter anderem brauche es dazu dringendmehr günstigen Wohnraum.

Quelle: Leben am Limit: Teuerungen treiben Men-schen in die Armut. Pressemitteilung der Caritas inOberösterreich (Ulrike Wright), 01.04.2011

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Jahresprogramm 2011

Zukunftsaussichten

wir wieder über wirtschaftliche Stagnation reden? In welche Richtung zielt die Forderung

Die andere österreichische Schule – Kurt Rothschildöster-

reichische Schuleemanzipatorische Ausrichtung hat?

zu Rohstoffen und wie geht es weiter?

»We are family«? Care Ökonomiemit Gefühl

wer ist wie betroffen und welche alternativen Organisationsmöglichkeiten sind denkbar?

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Kurswechsel

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Let’s organize Vergangenen Dezember fand in Linz eine in-ternationale Erfahrungswerkstätte zu Organi-zing statt. Ein Tagungsrückblick von SandraStern und Gerhard Gstöttner-Hofer.

Gewerkschaften verlieren Mitglieder. Und das welt-weit. Österreichische Gewerkschaften sind verstärktseit den 1990er Jahren mit massiven Mitgliederverlu-sten und Finanzproblemen konfrontiert. Mittlerweilehat sich der Organisationsgrad des ÖGB von 62,8 Pro-zent (1970) auf 28,9 Prozent (2008) mehr als halbiert(OECD 2010). Der Hintergrund dafür sind nachhaltigestrukturelle Veränderungen in Wirtschaft und Gesell-schaft: Privatisierungen und Deregulierungen im öf-fentlichen Sektor, der Rückgang des Industriesektors– und damit der gewerkschaftlichen Hochburgen –sowie die Ausbreitung prekärer Arbeits- und Lebens-verhältnisse, vor allem im Dienstleistungsbereich,stellen traditionelles gewerkschaftliches Handeln vorgroße Herausforderungen (Traxler/Pernicka 2007;Brinkmann et al. 2008).

Aus alt mach neu – GewerkschaftlicheStrategien jenseits der Einflusslogik?Gewerkschaften haben auf diese Veränderungen rea-giert, auch in Österreich. Doch der gewerkschaftlicheFokus lag jahrzehntelang auf der rechtlichen und so-zialen Absicherung des (Vollzeit erwerbstätigen)männlichen „Familienernährers“ mit österreichischerStaatsangehörigkeit. Und der gewerkschaftliche Akti-onsradius beschränkte sich in vielen Ländern auf na-tionalstaatliche Grenzen. Gewerkschaften habendaher an Macht eingebüßt. Nach wie vor kann zwarfür Österreich nicht die Rede von einem Ende der So-zialpartnerschaft sein, wie es beispielsweise fürDeutschland aufgrund der schwindenden gewerk-schaftlichen Durchsetzungsmacht diagnostiziert wird(Streek 2005). Doch mittlerweile stehen auch öster-reichische Gewerkschaften in bestimmten Branchenund Bereichen immer häufiger mit dem Rücken zurWand. Nicht nur in Zeiten der Wirtschaftskrise hatdie ArbeitgeberInnenseite ihre Strategien dement-sprechend angepasst. Und spätestens seit den rechts-konservativen ÖVP/FPÖ/BZÖ-Regierungskoalitionenist klar, auch österreichische Gewerkschaften könnensich nicht mehr ausschließlich auf die sozialpartner-schaftliche Einflusslogik verlassen, sondern müssenihr Strategierepertoire erweitern (Gstöttner-Hofer etal. 2000; Pernicka/Aust 2007).

Let’s organize – Vorwärts zu den Wurzeln! Vor diesem Hintergrund trafen sich vergangenen De-zember in Linz über 70 GewerkschafterInnen, Be-triebsrätInnen, WissenschafterInnen und Aktivi-stenInnen aus anderen sozialen Bewegungen im Jä-germayrhof, dem Bildungshaus der ArbeiterkammerOberösterreich. Diskutiert wurden neue gewerk-schaftliche Strategien in Deutschland, der Schweizund Österreich, die in den vergangenen Jahren imRahmen von Organizing-Kampagnen in verschiede-nen Gewerkschaften erprobt wurden.

Organizing wurde in den 1990er Jahren mit der „Ju-stice for Janitors“-Kampagne der US-amerikanischenDienstleistungsgewerkschaft SEIU (Service EmployeesInternational Union) als neue und stark konfliktorien-tierte gewerkschaftliche Strategie bekannt. Damalsforderten überwiegend latein- und afroamerikanischePutzfrauen und -männer in Los Angeles menschen-würdige Löhne und eine Krankenversicherung für sichund ihre Familien. Letztlich gelang es der SEIU ineinem Bündnis mit anderen sozialen Bewegungenund einer breiten Öffentlichkeit, die sich angesichtsder massiven Polizeigewalt mit den friedlich demon-strierenden Putzfrauen und –männern solidarisierte,das Recht, sich gewerkschaftlich zu organisieren, alsMenschenrecht zu thematisieren. So wurde der Ar-beitskampf von häufig illegalisierten und undoku-mentiert arbeitenden MigrantInnen um bessereLöhne und Arbeitsbedingungen zum Referenzpunktgewerkschaftlicher und sozialer Kämpfe in den USA,aber auch darüber hinaus (Bronfenbrenner 1998;Milkman et al. 2010).

Auch im deutschsprachigen Raum haben Gewerk-schaften in den letzten Jahren neue Strategien ent-wickelt. Erfahrungen mit Organizing gibt es inDeutschland innerhalb der Gewerkschaften ver.di, IGMetall und IG BAU sowie beim BeratungsnetzwerkOrKa (Organisierung und Kampagnen). Auch dieschweizerische Gewerkschaft UNIA hat speziell imKanton Zürich ihre Arbeitsweise in den vergangenenJahren dahingehend umgestellt. In Österreich laufenseit zwei Jahren Organizing-Ausbildungen für diehauptamtlichen SekretärInnen der GewerkschaftBau-Holz und im Rahmen der ÖGB-Personalentwick-lung (Bremme et al. 2007; Kaiser et al. 2011).

Ob es sich um Putzfrauen, Sicherheitskräfte, Verkäu-ferInnen bei Schlecker oder Lidl, Beschäftigte am Bauoder in Krankenhäusern handelt, Organizing zieltimmer darauf ab, dass sich Menschen als handelndeAkteurInnen verstehen und kollektive Strategien fürbessere Arbeits- und Lebensbedingungen zu ent-

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wickeln und durchzusetzen lernen. Organizing solldadurch die Durchsetzungsmacht von Gewerkschaf-ten wieder stärken und rührt damit auch an den Wur-zeln der Gewerkschaftsbewegung.

Sandra SternGerhard Gstöttner-Hofer

Gerhard Gstöttner-Hofer ist als Erwachsenenbildner im AK-Bildungshaus Jägermayrhof tätig. Er ist Lehrbeauftragterfür Politikwissenschaft an der FH OÖ für Sozialmanage-ment. Sandra Stern ist Universitätsassistentin an der Abtei-lung für Wirtschafts- und Organisationssoziologie des In-stituts für Soziologie der JKU Linz. Sie beschäftigt sichschwerpunktmäßig mit Gewerkschaftsorganisationen undgewerkschaftlichen Strategien und ist Gewerkschaftsaktivi-stin. Weitere Informationen zur Erfahrungswerkstätteunter: http://join-your-local-union.blogspot.com

LiteraturBremme, Peter/Fürniß, Ulrike/Meinecke, Ulrike (Hg.)

(2007): Never work alone: Organizing – ein Zukunfts-modell für Gewerkschaften. VSA-Verlag, Berlin.

Brinkmann, Ulrich/Choi, Hae-Lin/Detje, Richard/Dörre,Klaus/Holst, Hajo/Karakayali, Serhat/Schmalstieg, Cat-harina (Hg.) (2008): Strategic Unionism: Aus der Krisezur Erneuerung? Umrisse eines Forschungsprogramms.

Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden.Bronfenbrenner, Kate/Friedman, Sheldon/Hurd, Richard

W./Oswald, Rudolph A./Seeber, Ronald L. (Hg.) (1998):Organizing to Win. New Research on Union Strategies.Cornell University Press, Ithaca/London.

Gstöttner-Hofer, Gerhard/Greif, Wolfgang/Kasier,Erwin/Deutschbauer, Petra (Hg.): Mobilisierung undKampagnenfähigkeit. Impulse für die gewerkschaftlicheInteressendurchsetzung. ÖGB-Verlag, Wien.

Kaiser, Erwin/Wall-Strasser, Sepp/Gotthartsleitner,Beate/Gstöttner-Hofer Gerhard/Füreder, Heinz (Hg.)(2011): Eine schlagkräftige Bewegung bilden. Impulsezur gewerkschaftlichen Erwachsenenbildung. ÖGB-Verlag, Wien.

Milkman, Ruth/Bloom, Joshua/Narro, Victor (Hg.) (2010):Working for justice: The L.A. model of organizing andadvocacy. Cornell University Press, Ithaca/London.

OECD (2010): Trade union density in OECD countries1960-2008, URL: http://stats.oecd.org/index.aspx

Pernicka, Susanne/Aust, Andreas (Hg.): Die Unorganisiertengewinnen. Gewerkschaftliche Rekrutierung und Interes-senvertretung atypisch Beschäftigter – ein deutsch-österreichischer Vergleich. Edition Sigma, Berlin.

Streeck, Wolfgang (2005): Nach dem Korporatismus: NeueEliten, neue Konflikte. MPIfG Working Paper 05/4, Köln.

Traxler, Franz/Pernicka, Susanne (2007): The State of Uni-ons: Austria. In: Journal of Labor Research. Vol. 28/2:207–232.

Bei der Erfahrungswerkstätte im Jägermayrhof wurden neue gewerkschaftliche Strategien diskutiert, die in den letzten Jah-ren im Rahmen von Organizing-Kampagnen erprobt worden waren. Quelle: Sandra Stern

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EU-Vorhaben im Sozial- undim BildungsbereichSozialminister Hundstorfer und Unterrichts-ministerin Schmied informierten Anfang Aprildie Abgeordneten im Parlament in einer Jah-resvorschau über Vorhaben der EuropäischenUnion, die ihre Ressorts betreffen.

Der 22 Seiten starke Bericht über Vorhaben der EU inden Bereichen Arbeit, Soziales und Konsumenten-schutz, den Sozialminister Rudolf Hundstorfer am 4.April im Nationalrat präsentierte, basiert auf dem 18-Monate-Programm des Rates für den Zeitraum Jän-ner 2010 bis Juni 2011 sowie auf dem Legislativ- undArbeitsprogramm der Europäischen Kommission. Wasdie für den Berichtszeitraum geplanten Kommissions-Initiativen anbelangt, werde das Bundesministeriumfür Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (BMASK)in 12 Fällen federführend sein, heißt es im Bericht.

Europäische Kommission setzt fünf politischePrioritäten Zu den fünf zentralen politischen Prioritäten des ak-tuellen Arbeitsprogramms der Europäischen Kommis-sion zählen die Bewältigung der Wirtschaftskrise unddie Förderung des Aufschwungs, die Belebung desWachstums und die Schaffung von Arbeitsplätzen,die Kreation eines Raums der Freiheit, Sicherheit unddes Rechts, die Stärkung der Rolle der EuropäischenUnion auf dem internationalen Parkett sowie die Auf-nahme von Verhandlungen über einen modernen EU-Haushalt. Was die Initiativen der Kommission anbe-langt, soll ein Schwerpunkt auf die Unterstützung deswirtschaftlichen Aufschwungs und der Konjunkturbe-lebung gelegt werden. Außerdem gehe es darum, die“Europa 2020”-Strategie in allen Aktivitätsbereichender Union zu verankern.

Für das Ressort Soziales, Arbeit und Konsumenten-schutz werden unter anderem die auf europäischerEbene zu setzenden Maßnahmen zur Förderung vonWachstum und Beschäftigung, zum Schutz von Klein-anlegerInnen und VerbraucherInnen beim Zugang zuBankdienstleistungen und Krediten sowie zur ange-messenen und nachhaltigen Altersvorsorge von un-mittelbarer Relevanz sein. Im Rahmen des zur Zu-kunft der EU-Köhasionspolitik gestarteten Konsulta-tionsverfahrens ist laut Bericht bereits eine Stellung -nahme Österreichs unter Beteiligung des BMASK andie Kommission ergangen. Für das erste Halbjahr 2011erwartet man bereits erste Verordnungsvorschläge für

den Europäischen Sozialfonds (ESF) und die Struktur-fonds. Die endgültige Ausgestaltung dieser Verord-nung sei für die zukünftige Bedeutung und Hand-lungsfähigkeit des ESF im Rahmen der aktiven Be-schäftigungspolitik Österreichs zentral.

Schwerpunkte der ungarischenRatspräsidentschaft Der Rat setzt sich unter spanischer, belgischer undungarischer Präsidentschaft für die Forcierung vonWachstum und Beschäftigung sowie für die StärkungEuropas ein. Außerdem sollen Schwerpunkte auf Fra-gen der Bürgernähe und der Nachbarschaftspolitikgelegt werden, heißt es im Bericht. Der inhaltlicheFokus der ungarischen Ratspräsidentschaft im Be-reich Beschäftigung richtet sich auf das Thema Ju-gendbeschäftigung. Im Rahmen der EU-2020-Strate-gie wird die Umsetzung der Governance im BereichBeschäftigung und Soziales im Zentrum stehen.

Der Rat für “Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheitund Verbraucherschutz” (BESO-Rat) befasst sich imBerichtszeitraum außerdem mit den Themen der bei-den Leitinitiativen “Agenda für neue Kompetenzenund Beschäftigungsmöglichkeiten” und “EuropäischePlatt form gegen Armut und soziale Ausgrenzung”. ImKontext der bereits vorliegenden Europäischen Stra-tegie zugunsten von Menschen mit Behinderungen2010-2020 wird er im Juni 2011 Schlussfolgerungenzum Themenbereich Beschäftigungsmöglichkeitenannehmen. Zuvor wird sich der BESO-Rat mit der In-tegration der Roma in Europa befassen. Unter unga-rischem Vorsitz wolle man überdies Schlussfolgerun-gen zur Reduktion der Kinderarmut annehmen undsich intensiv mit dem Konsumentenschutz auseinan-dersetzen: Ein wesentlicher Schwerpunkt ist dabeidie mögliche Einigung über die Verbraucherrechte-Richtlinie.

Österreichische Position zu wesentlichenEU-Initiativen Zu vier der insgesamt sieben im Bericht vorgestelltenInitiativen äußert sich Österreich grundsätzlich posi-tiv. Vorbehalte hat man allerdings, was die Umset-zung der Mutterschutz-Richtlinie anbelangt: Die Ver-längerung des Mutterschutzurlaubs über 16 Wochenlehnt Österreich aus Kostengründen ab, außerdempräferiert man eine Trennung von Mutterschafts- undElternurlaub. Die im Rahmen der Richtlinie diskutierteweitgehende Wahlfreiheit der Arbeitnehmerin bei In-anspruchnahme des Mutterschaftsurlaubs widerspre-che dem bewährten österreichischen Konzept einesverpflichtenden absoluten Beschäftigungsverbots

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acht Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt,heißt es im Bericht. Eine zusätzliche Schutzfrist be-fürwortet man nur im Falle von Früh-, Mehrlings- undKaiserschnittgeburten.

Abwartend steht Österreich der Richtlinie, mit derMindestvorschriften zum Schutz der Arbeitnehme-rInnen vor Gefährdungen durch elektromagnetischeFelder im beruflichen Alltag implementiert werdensollen, gegenüber, zumal diesbezüglich noch keinkonkreter Vorschlag vorliegt. Eine allfällige Ver-schlechterung des Arbeitsschutzes durch eine Richt-linienänderung lehnt man in jedem Fall ab. Abwar-tend äußert man sich auch zur Verordnung zur Ko-ordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit:Den unbefristeten Leistungsexport von Arbeitslo-sengeld für arbeitslose selbständige Grenzgängerlehnt Österreich jedenfalls ab.

Dem Vorschlag der Kommission, das Jahr 2012 zum“Europäischen Jahr für aktives Altern” auszurufen,wird indes zugestimmt. Hier gehe es unter anderemdarum, das Potenzial älterer Menschen bewusst zumachen und zu nutzen, so der Bericht.

Grundsätzlich unterstützen könne Österreich auchden Vorschlag zur Gleichbehandlungsrichtlinie, da diebislang bestehenden Lücken geschlossen, die beste-hende Hierarchisierung der Diskriminierungsgründeausgebaut und für alle bisher nicht erfassten Diskri-minierungsgründe Maßnahmen zur Bekämpfung vonUngleichbehandlung (auch außerhalb der Arbeits-welt) geschaffen wurden. Österreich fordert aber eineKohärenz mit der so genannten “Antirassismusrichtli-nie” ein. Außerdem stehe fest, dass ein Abgehen vomGleichbehandlungsgebot in jedem Fall sachlich ge-rechtfertigt und notwendig sein müsse, weshalb dieSchaffung eng begrenzter, eindeutiger Ausnahmere-gelungen unumgänglich sei.

Was die Überarbeitung der Arbeitszeitrichtlinie anbe-lange, begrüßt Österreich die zwischen Rat und Eu-ropäischem Parlament im Vermittlungsverfahren ver-einbarte Regelung des Bereitschaftsdienstes. Nichtaktive Zeiten wären damit nicht auf das Höchstaus-maß der Arbeitszeit anrechenbar. Auch sei der Vor-schlag der Kommission, der eine unterschiedliche An-rechnung der Bereitschaftszeiten auf die wöchentli-che Höchstarbeitszeit vorsieht, unterstützenswert.

In Hinblick auf die geplante Änderung der Entsende-richtlinie, die entsandten ArbeitnehmerInnen den An-spruch auf jene Arbeitsbedingungen und Löhne si-chert, die vergleichbaren ArbeitnehmerInnen im Be-schäftigungsstaat zustehen, hält man die Verbesse-

rung der Behördenzusammenarbeit zwischen denMitgliedsstaaten grundsätzlich für unterstützens-wert, um wirksame Kontrollen gegen Sozialdumpingdurchführen zu können. Zur Erleichterung dieses Vor-gehens soll ein elektronisches System für den Aus-tausch von Informationen aufgebaut werden, eindiesbezügliches Pilotprojekt startet im zweiten Quar-tal 2011. In diesem Kontext sei aber auch die Ge-währleistung einer effektiven grenzüberschreitendenRechtsdurchsetzung notwendig. Die Neuverhandlungder Entsenderichtlinie dürfe außerdem nicht dazuführen, dass ArbeitnehmerInnenrechte eingeschränktwerden, so der Bericht des Sozialministeriums ab -schließend.

Bildung als Kernbereich der EU 2020-StrategieAm selben Tag hat auch die Bundesministerin für Un-terricht, Kunst und Kultur, Claudia Schmied, dem Par-lament einen Bericht über die strategische Jahrespla-nung 2011 ihres Ministeriums vorgelegt, die gleich-falls auf dem 18-Monatsprogramm des Rates unddem Arbeitsprogramm der Kommission basiert.

Beim in der EU 2020-Strategie festgeschriebenenVorhaben der Kommission, nachhaltiges Wachstumund Beschäftigung zu generieren, kommt dem Bil-dungsbereich eine Schlüsselrolle zu. Als diesbezügli-che Kernziele benennt der Bericht die Senkung derSchulabbrecherquote auf höchstens 10 Prozent unddie Erhöhung des Anteils der 30- bis 34-Jährigen mitHochschul- oder gleichwertigem Abschluss auf min-destens 40 Prozent. Was die Schulabbruchsrate anbe-langt, sei die Zielvorgabe bereits erreicht, doch wür-den weiterhin Maßnahmen gesetzt, um Jugendlichelänger im Bildungssystem zu halten und ihnen Chan-cen auf einen zweiten Bildungsweg einzuräumen,heißt es im Bericht.

Zur Umsetzung der EU 2020-Strategie lanciert dieKommission sieben Leitinitiativen, für die der Be-reich Bildung eine wesentliche Grundlage zur Zieler-reichung darstellt. Die Leitinitiativen “Jugend in Be-wegung”, “Neue Kompetenzen für neue Beschäfti-gungen”, “Digitale Agenda für Europa”, “Innovati-onsunion” sowie “Industriepolitik im Zeitalter derGlobalisierung” sind für das Bundesministerium fürUnterricht, Kunst und Kultur (BMUKK) dabei von be-sonderer Relevanz. Als Chance für Österreich wertetman außerdem die neue makroregionale EU-Strate-gie für den Donauraum. Unterrichts- und Sozialmi-nisterium übernehmen hier die Koordination desPrioritätsbereichs “Investitionen in Menschen undQualifikationen”.

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Vorhaben der Kommission im Bildungsbereich Zu den nicht-legislativen Vorhaben des Jahres 2011zählt unter anderem die Mitteilung der Kommissionüber eine Initiative für neue Kompetenzen, aufbauendauf der Europa 2020-Leitinitiative “Neue Kompeten-zen für Neue Beschäftigungsmöglichkeiten”. Was die-sen Bereich anbelangt, stehe man in ganz Europa vorgroßen Herausforderungen, da in der nächsten De-kade neue Arbeits- und Beschäftigungsfelder entste-hen und in Folge mit einem Volumen von rund siebenMillionen neuen Arbeitsplätzen zu rechnen sei.

Zur Leitinitiative “Jugend in Bewegung” plant dieKommission eine “Empfehlung im Hinblick auf dieFörderung und die Validierung des nicht formalen undinformellen Lernens”, der das Unterrichtsminiseriumgroße Bedeutung zumisst, da die Frage der Anerken-nung von informellen und nicht formalen Lernergeb-nissen zunehmend an Bedeutung gewinnt. Österreichbesitze mit der Externistenmatura bereits ein erfolg-reiches Modell der Anerkennung von Wissen undKompetenzen, die außerhalb des formalen Bildungs-systems erworben wurden, hält der Bericht fest. Wasdie Mitteilung der Kommission zur frühkindlichen Be-treuung, Bildung und Erziehung betrifft, so begrüßtÖsterreich diese Initiative der Kommission, da qualita-tiv hochwertige frühkindliche Bildung sozioökonomi-schen Defiziten entgegenwirken könne. Das BMUKKhat sich außerdem 2009 erfolgreich für eine neue eu-ropäische Benchmark zur Vorschulbildung eingesetzt:Ziel soll es nunmehr sein, mindestens 95 Prozent derKinder ab dem vierten Lebensjahr eine vorschulischeBetreuung zukommen zu lassen.

Was die Bemühungen der Kommission für den Be-reich (Bildungs-)Mobilität anbelangt, muss nach Auf-fassung des Ministeriums die Realität nationalerHaushalte und die Verfügbarkeit von Daten berück-sichtigt werden. Es reiche außerdem nicht aus, quan-titative Aspekte bei der Bewertung des Nutzens vonMobilität zu Lernzwecken zu betrachten, sonderndiese müsse man auch mit qualitativen Kriterien inBeziehung setzen.

Bildungspolitische Schwerpunkte derRatspräsidentschaften Als inhaltliche Grundlage für den bildungspolitischenTeil des 18-Monatsprogramms des Rates unter spani-scher, belgischer und ungarischer Präsidentschaftfungiert der Strategische Rahmen für die europäischeZusammenarbeit auf dem Gebiet der allgemeinen undberuflichen Bildung, zu dem Rat und Kommission2012 einen gemeinsamen Fortschrittsbericht vorle-

gen werden. Ziel der europäischen Bildungszusam-menarbeit ist es, die Qualität und Effizienz der Bil-dungssysteme Europas zu steigern: Ein Mehr an Bil-dung bedeute schließlich auch bessere Chancen aufdem Arbeitsmarkt und ein geringeres Armutsrisiko,heißt es dazu im Bericht. Der Bedeutung des FaktorsBildung soll deshalb auch im Rahmen des Vorschlagsfür den mehrjährigen EU-Finanzrahmen nach 2013Rechnung getragen werden. Unter ungarischer Rat-spräsidentschaft soll es unter anderem zu einer in-tensiven Auseinandersetzung mit dem Thema Begab-tenförderung kommen.

Die Vorbereitungen für die nächste Generation desProgramms “Lebenslanges Lernen”, das die Chancender BürgerInnen am Arbeitsmarkt erhöhen und einenwichtigen Beitrag zum sozialen Zusammenhalt lei-sten soll, sind bereits angelaufen. Unterrichts- undWissenschaftsministerium vertreten in einer akkor-dierten Position die Auffassung, dass sich die Strukturdes Programms bewährt hat und deshalb auch nach2014 beibehalten und ausgebaut werden soll. DasUnterrichtsministerium setzt sich außerdem für einenstärkeren Fokus auf die Berufsbildung und die Ziel-gruppe der Lehrkräfte ein.

Auf Basis des Europäischen Qualifikationsrahmens(EQR) wurde in Österreich Anfang 2011 eine Koordi-nationsstelle für den Nationalen Qualifikationsrah-men (NQR) eingerichtet. Zielsetzungen des EQR bzw.NQR bestehen in der Erleichterung der Vergleichbar-keit von Qualifikationen und Bildungssystemen undin der Förderung der Durchlässigkeit innerhalb undzwischen formalen und nicht formalen Bereichen desBildungssystems. Derzeit (von Februar bis Juni 2011)läuft eine Simulationsphase, in der Kriterien und Ver-fahren getestet werden sollen, informierte die Unter-richtsministerin.

Im Juni 2009 haben das Europäische Parlament undder Rat außerdem eine Empfehlung zur Einrichtungeines europäischen Bezugsrahmens für die Qualitäts-sicherung in der beruflichen Aus- und Weiterbildung(EQARF) beschlossen. Darin werden die Mitglieds-staaten aufgefordert, den europäischen Referenzrah-men zur Weiterentwicklung der eigenen Berufsbil-dungssysteme zu nutzen. Das BMUKK ist auf diesemGebiet seit mehr als zehn Jahren tätig, so Schmied.Mit der QualitätsInitiative BerufsBildung (QIBB) be-sitze Österreich außerdem bereits ein Qualitätsmana-gementsystem für die berufsbildenden Schulen.

Quellen: Parlamentskorrespondenz Nr. 333 und Nr.340, Wien, 04.04.2011

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Verstärkte Anstrengungengegen MenschenhandelForscherInnen der Universität Göttingen undder London School of Economics and PoliticalScience (LSE) erstellten einen Index zur Mes-sung staatlicher Maßnahmen gegen Men-schenhandel für 177 Länder weltweit.

Jedes Jahr werden etwa 700.000 Frauen und KinderOpfer von internationalem Menschenhandel. NachEinschätzung von Interpol ist der Handel mit Men-schen nach Drogen- und Waffenhandel das dritt-größte grenzüberschreitende Verbrechen und mitmehreren Milliarden Dollar Umsatz einem Bericht desEuroparats zufolge die drittgrößte Einnahmequelleder organisierten Kriminalität.

ForscherInnen der Universität Göttingen und der Lon-don School of Economics and Political Science (LSE)haben nun einen Index zur Messung staatlicher Maß-nahmen gegen den Menschenhandel entwickelt.Dazu haben die Göttinger EntwicklungsökonomenAxel Dreher und Seo-Young Cho gemeinsam mit EricNeumayer von der LSE im Zeitraum von 2000 bis

2009 Statistiken aus 177 Ländern ausgewertet. Dabeizeigte sich, dass viele Länder den Kampf gegen Men-schenhandel zwar verstärkt haben, im Bereich „Op-ferschutz“ aber deutliche Defizite aufweisen.

Stark wachsendes PhänomenIn den letzten Jahrzehnten hat der Menschenhandelweltweit an Bedeutung gewonnen. Der illegale Han-del mit Menschen über Ländergrenzen hinweg ver-stößt gegen die Menschenrechte der Opfer und be-droht die nationale Sicherheit. Er wirkt sich negativauf die betroffenen Volkswirtschaften aus, z.B. überdie Zunahme der Schattenwirtschaft und des organi-sierten Verbrechens.

Der Menschenhandel wird durch die zunehmendeGlobalisierung begünstigt. Da Länder ungeachtetgeographischer Entfernungen durch den technolo-gischen Fortschritt zunehmend enger verbundensind, sind auch illegale Menschenströme zu einemglobalen Phänomen geworden. Die Menschenhänd-ler rekrutieren ihre Opfer weltweit und schaffen sieoft über Kontinente hinweg von einem Land in dasandere.

Angesichts der wachsenden Bedeutung des interna-tionalen Menschenhandels überrascht es nicht, dassdie internationale Gemeinschaft Gegenmaßnahmen

Quelle: www.human-trafficking-research.org

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ergriffen hat. Unter diesen ist das „Zusatzprotokollzur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung desMenschenhandels, insbesondere des Frauen- undKinderhandels im Rahmen des UNO-Übereinkommensgegen die transnationale organisierte Kriminalität“,mit dem die internationale Gemeinschaft einen Rah-men für die nationale Gesetzgebung vorgibt, von vor-rangiger Bedeutung.

Bewertung in drei KategorienAber nicht nur politische Gremien, auch die Wissen-schaft interessiert sich zunehmend für die Ausgestal-tung der Politik gegen den Menschenhandel. Sie siehtsich allerdings dem Problem gegenüber, dass bislangvergleichbare landes- und regionenspezifische Stati-stiken zum Thema Menschenhandel fehlten, um et-waige Ansatzpunkte für die Verfolgung der Täter undden Schutz der Opfer zu finden.

Diese Lücke schließt nun der von den Göttinger Wis-senschaftlerInnen entwickelte Index. Die ForscherIn-nen bewerteten dabei 177 Länder in drei Kategorien:Strafverfolgung, Vorbeugung von Menschenhandelund Schutz der Opfer. Die Ergebnisse zeigen, dass dieStaaten ihre Anstrengungen im Kampf gegen denMenschenhandel in den vergangenen zehn Jahrenverstärkt haben. Vor allem in den Bereichen „Verfol-gung“ und „Prävention“ wurden mehr Anstrengun-gen unternommen. Eine Ausnahme bildet jedoch derOpferschutz. In diesem Bereich lässt sich im Zeitver-lauf sogar ein Rückgang erkennen (vgl. Abbildung, S.25). „Dieses Ergebnis könnte andeuteten, dass vieleLänder eher abgeneigt sind, die meist ausländischenOpfer von Menschenhandel zu schützen“, vermutetProfessor Dreher.

Im Jahr 2009 erreichten insgesamt sieben Länder diehöchste Punktzahl 15 auf der Skala für die beste po-litische Verfahrensweise im Kampf gegen den Men-schenhandel: Deutschland, Australien, die Nieder-lande, Italien, Belgien, Schweden und die USA. Knappdahinter lagen mit 14 Punkten Frankreich, Norwegen,Südkorea, Kroatien, Kanada, Österreich, Slowenienund Nigeria. „Bemerkenswert ist, dass fast allen Län-dern der zweiten Gruppe die Höchstpunktzahl auf-grund verminderter Leistungen im Bereich Opfer-schutz verwehrt werden musste“, so Projektkoordina-torin Seo-Young Cho. „Dieses Ergebnis deutet an,dass selbst in Ländern mit gut fundierten Maßnah-men gegen den Menschenhandel offenbar nur einegeringe Bereitschaft zum rechtlichen Schutz derOpfer besteht.“

Mangelnder OpferschutzDer mangelnde Opferschutz ist insofern nicht nur einProblem von bzw. in Entwicklungsländern. Dass einigeIndustrieländer ebenso wenig Anstrengungen ma-chen, die Opfer zu schützen, zeigt das Beispiel Groß-britannien: Die Opfer von Menschenhandel müssendort damit rechnen, inhaftiert zu werden, da siegegen das Einwanderungsrecht verstoßen. DieseRechtslage verstößt gegen das internationale Proto-koll, sodass Großbritannien in den vergangenen zweiJahren mit dem niedrigen Wert von 2 kodiert wurde,auch wenn das Land in der Präventions- und in derStrafverfolgungspolitik vorbildlich agiert. Mit derkleinstmöglichen Punktzahl insgesamt schneidetNordkorea am schlechtesten ab und bildet gemein-sam mit Somalia das Schlusslicht.

Die Auswertung der Daten ergab zudem, dass vieleLänder ihren Kampf gegen Menschenhandel verstär-ken, wenn entweder Nachbarländer ihre Richtlinienim Vorjahr verbessert haben oder wenn andere Ländermit ähnlicher politischer und kultureller Ausgangssi-tuation ihre Gesetzgebung im Vorjahr verschärften.„Allerdings ist es wahrscheinlich, dass die Men-schenhändler als Ergebnis schärferer Gesetze ihre Ak-tivitäten in ein Nachbarland verlagern, welches dannals Ziel-, Ursprungs- oder Transitland dient“, erklärtAxel Dreher. „Daher ist es notwendig, mögliche nega-tive Auswirkungen, die einem Land durch einen ver-stärkten Kampf gegen Menschenhandel im Nachbar-land entstehen können, mit Hilfe verschärfter staatli-cher Maßnahmen aufzufangen.“

Jährliches UpdateDer Index staatlicher Maßnahmen gegen den Men-schenhandel wird jährlich erweitert. Die neuesteRangliste wird im Sommer 2011 veröffentlicht. De-taillierte Informationen über die Methodologie desIndex sowie Erläuterungen der Forscher sind auf derInternetseite <http://www.human-trafficking-rese-arch.org> zu finden. Dort kann auch der gesamteDatensatz der jährlichen Bewertung aller Länder inden gemessenen Bereichen mit Grafiken abgerufenwerden.

Quellen: Bernd Ebeling: Verstärkte Anstrengungen imKampf gegen Menschenhandel, Pressemitteilung derGeorg-August-Universität Göttingen Nr. 70/2011,06.04.2011; Seo-Young Cho, Axel Dreher und EricNeumayer: Politik gegen Menschenhandel ist an-steckend, Ökonomenstimme, 16.03.2011

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Schwerpunkt SoziallehreMitte März wurde der Jahresbericht 2010 derKatholischen Sozialakademie Österreichs prä-sentiert, der über die Bildungsangebote, Ver-anstaltungen und Publikationen der Akademiein diesem Jahr informiert.

8.926 Menschen hat die Katholische SozialakademieÖsterreichs (ksoe) 2010 mit ihren politischen Bil-dungsangeboten für Erwachsene in ganz Österreichund außerhalb erreicht. Das geht aus dem vor kurzemin Wien präsentierten Jahresbericht 2010 hervor. “DerSchwerpunkt der Arbeit der ksoe liegt bei der Katho-lischen Soziallehre und deren Umsetzung in die Pra-xis”, erklärt Pater Alois Riedlsperger SJ, Leiter derksoe. “Dies geschieht in allen drei Bereichen der ksoe:Gesellschaftspolitik, Politische Erwachsenenbildungund Organisationsentwicklung.”

Ökonomie Besonders gefragt war 2010 laut Riedlsperger dasThema Ökonomie. Der Lehrgang “Geld und Leben.Wirtschaftskompetenz entwickeln” 2008-2010 derksoe-frauenakademie konnte erfolgreich abge-schlossen werden, ein neuer zweijähriger Lehrgangstartete im Herbst. Zwei Veranstaltungsreihen the-matisierten die Finanz- und Wirtschaftskrise aus derGeschlechter- bzw. aus der Gemeinwohl-Perspek-tive. MitarbeiterInnen der ksoe waren 2010 für Vor-träge, work shops und Artikel zu den ThemenfeldernFinanzmärkte, Wirtschaftsethik, ethische Geldan-lagen, feministische Ökonomie und solidarischesWirtschaften als ExpertInnen gefragt. Die Expertiseder ksoe wurde von Bildungshäusern und -werkengenauso in Anspruch genommen wie von unter-schiedlichen Organisationen zum Zweck der inter-nen Weiterbildung oder von Institutionen für dieFortbildung von LehrerInnen.

Europa Die europäische Dimension gewinnt für die Arbeit derksoe zunehmend an Bedeutung. Im Europäischen Par-lament fand am 24. März des Vorjahres die “Erste Eu-ropäische Konferenz zum Schutz des arbeitsfreienSonntags” statt, an der die von der ksoe koordinierteAllianz für den freien Sonntag Österreich teilgenom-men hat. Das neu erschienene “Jahrbuch Gerechtig-keit” - die ksoe ist Mitherausgeberin - thematisiertdie soziale Spaltung innerhalb Europas in Arm undReich. Die Buchpräsentation “Friedensmacht Europa”verweist auf die Rolle der EU in Hinblick auf eine

neue Weltordnung. Die ksoe hat 2010 mit dem Pro-jekt MINESOB (Mitteleuropäisches Netzwerk Sozial-ethischer Bildung) den Aufbau länderübergreifenderKooperationen zur sozialethischen Bewusstseinsbil-dung und Entwicklung sozialethisch relevanter Pro-jekte begonnen. Mit dem Symposium “Politik: Pro-blem oder Lösung” in der Tschechischen Botschaftwurden Fragen der sozialen Verantwortung in Tsche-chien und Österreich thematisiert. Die Veranstaltungbildete den Abschluss des Lehrgangs “Soziale Verant-wortung”, der gemeinsam mit tschechischen Partne-rInnen von 2008 bis 2010 durchgeführt worden ist.

Projekte mit kirchlichen Organisationen Die Katholische Soziallehre wird von der ksoe auch inOrganisationen und Unternehmen umgesetzt, erklärtRiedlsperger. Ein besonderes Augenmerk lag 2010 beiProjekten mit kirchlichen Organisationen und Or-densgemeinschaften. “Viele kirchliche Einrichtungenund Ordensgemeinschaften befinden sich in einemProzess der Umstrukturierung. Daraus entsteht derBedarf nach Klärung des Auftrags, Planung des per-sonellen Einsatzes und Entscheidung über Weiter-führung oder Übergabe von Einrichtungen”. Die ksoeunterstützt kirchliche Organisationen und Ordensge-meinschaften professionell durch Moderation vonKlausuren und Begleitung von Entscheidungsprozes-sen. Zu den AuftraggeberInnen zählten 2010 unteranderem die Diözesen Feldkirch, Linz und St. Pölten,die Erzdiözesen Salzburg und Wien, Caritas (DiözeseInnsbruck), Kolping Österreich, Katholische Frauenbe-wegung Österreichs, Barmherzige Brüder Wien sowiedie Kreuzschwestern, Provinz Europa Mitte.

Ausblick 2011Für 2011 kündigt Pater Alois Riedlsperger zwei zen-trale Aktivitäten an. Dem Erscheinen des erstenpäpstlichen Sozialrundschreibens “Rerum novarum”vor 120 Jahren wird mit einem Festakt und einemStudientag (13./14.5.2011, Horn und Altenburg) ge-meinsam mit der Katholischen Arbeitnehmerbewe-gung (KAB) und der Papst-Leo-Stiftung sowie miteinem ksoe-Dossier Rechnung getragen. Und das 10-jährige Bestehen der “Allianz für den freien SonntagÖsterreich” wird am 18. Oktober mit einem Festakt imParlament begangen werden.

Quelle: ksoe-Pressemitteilung, 15.03.2011 (MarkusBlümel). Der Jahresbericht ist verfügbar über:http://www.ksoe.at/ksoe/index.php?option=com_content&task=view&id=19&Itemid=34

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Mikrokredite und Social Businesses -Bausteine für eine gerechtereMarktwirtschaft Es ist erst ein paar Wochen her, da geisterte der NameMuhammad Yunus durch die Medien. Der Wirt-schaftswissenschafter, Friedensnobelpreisträger ausdem Jahr 2006 und Mit-Begründer der Mikrokredite-Bank Graheem, wurde im März 2011 seiner Funktionals Geschäftsführer der Graheem-Bank enthoben.Nach einer kurzen Phase der Empörung ist es wiederstill geworden um jenen Volkshelden aus Bangladesh,der mit seiner Idee der Mikrokredite zur Bekämpfungvon Armut weltweit Aufsehen erregt hat.

Muhammad Yunus, geboren in Bangladesh, studierteund arbeitete in den USA. In seinen Büchern berich-tet er, wie die Idee zu den Kleinstkrediten entstand.Bei einer Exkursion mit Studierenden ins gerade erstunabhängig gewordene Bangladesh Mitte der 1970erJahre hat er hart arbeitende Frauen getroffen, dieüber horrende Zinsen klagten, sodass kaum etwas vonihrer Hände Arbeit zum Leben blieb:

„Ganz besonders schockierte mich die Begegnung miteiner Frau, die sich kurz zuvor fünf Taka (den Gegen-wert von rund sieben US-Cent) von einem Geldverlei-her und Zwischenhändler geliehen hatte. Sie brauchtediesen kleinen Betrag, um Bambus zu kaufen, aus demsie Stühle für den Weiterverkauf fertigte. Der Zinssatzfür solche Kredite war sehr hoch, er lag bei bis zu zehnProzent pro Woche. Noch schlimmer war allerdings diemit diesem Kredit verbundene besondere Bedingung:Die Frau musste ihre gesamte Produktion an den Geld-verleiher verkaufen, der nach eigenem Gutdünkenüber den Preis entschied.“

In dem von ihm besuchten Dorf hatten 42 Personeninsgesamt (!) 27 Dollar bei Geldverleihern geborgt.Yunus streckte ihnen diesen Geldbetrag vor und halfsomit diesen Personen und ihren Familien, der Schul-denfalle zu entrinnen. Die Idee, mithilfe von Kleinst-krediten Selbständigkeit zu fördern und Armut zuüberwinden, war geboren. Seit nunmehr 25 Jahrenverleiht die Graheem Bank Geld an jene, die keine Si-cherheiten bieten können, mithin an die Ärmsten derArmen. Die KundInnen sind überwiegend weiblich, dieRückzahlquote liegt bei mehr als beachtlichen 98Prozent.

Die Erfolge geben Muhammad Yunus Recht, derimmer wieder betont, dass „Armut nicht von denArmen selbst erzeugt wird“. Er verfolgt mittlerweileein neues, erweitertes Konzept, das – so wünscht ersich – zu einem grundlegenden Wandel in der Archi-

tektur der kapitalistischen Wirtschaft führen wird. Inseinem neuen Buch „Social Business. Von der Visionzur Tat“ erläutert er das Konzept, das auf Unterneh-men aufbaut, die sich ausschließlich einem sozialenZiel verschrieben haben, den so genannten Social Bu-sinesses. Sie betätigen sich zwar am freien Markt,ziehen aber daraus keinen finanziellen Nutzen. Auchwenn die InvestorInnen auf Dividenden verzichten,sind es „richtige“ oder „echte“ Unternehmen, da siekostendeckend arbeiten (müssen). Sie unterscheidensich von traditionellen auf Gewinnmaximierung aus-gerichteten Unternehmen ebenso wie von ge -meinnützigen Organisationen wie beispielsweise Stif-tungen oder Genossenschaften.

Beeindruckend ist, dass Yunus nicht im Visionärenverharrt, sondern Modelle und Kooperationen mitnamhaften Unternehmen vorstellt, die dazu beitragen(können), Armut zu reduzieren. Seine Bündnispartnerbekennen sich zum Social-Business-Konzept, wie bei-spielsweise der Vorstandsvorsitzende des Lebensmit-telkonzerns Danone. Die Gründung des Gemein-schaftsunternehmens Graheem-Danone hat(te) zumZiel, mit der Produktion von leistbarem Joghurt füralle, im Besonderen für arme Kinder, Mangel -ernährung und Unterversorgung in Bangladesh zuverhindern. Gegründet im Jahr 2006 und mit einigenRückschlägen konfrontiert, arbeitet Graheem-Danoneseit 2010 kostendeckend, sichert Arbeitsplätze undgesündere Ernährung. Ein anderes Beispiel ist dasGraheem Veolia Water Projekt, das den Zugang zusauberem Trinkwasser für die BewohnerInnen einesDorfes in Bangladesh sicherstellen will. Bis 2012 sol-len rund 100.000 Menschen in umliegenden Regionenmit reinem Trinkwasser versorgt werden. Zahlreicheweitere Kooperationen, wie z.B. mit der deutschenOtto-Gruppe, mit BASF oder Adidas, sind angedachtund auf den Weg gebracht worden.

Die Ideen kreisen mittlerweile um die Welt, nicht sel-ten werden sie als utopisch und sozialromantischbelächelt: Wer sollte dafür Kapital und/oder Arbeitzur Verfügung stellen? Yunus und seine Anhänger ar-gumentieren überzeugend, dass die Maximen derMenschen nicht - wie fälschlicherweise von denWirtschaftswissenschaften unterstellt - ausschließ-lich Selbstsucht und Profitmaximierung sind.Menschliches Verhalten ist mehrdimensional und„Glück speist sich aus vielen Quellen …“

Um Social Business in Österreich voranzutreiben, legtder Jurist Thomas Leitner ein adaptiertes Konzept vorund geht der Frage nach, wie diese Unternehmens-form in der österreichischen Rechtsordnung ihren

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Niederschlag finden könnte. Er diskutiert, ob im Rah-men der bestehenden Gesellschaftsformen, wie Stif-tungen, Genossenschaften oder Vereine, die Social-Business-Vision, sprich die Vereinbarkeit von wirt-schaftlichem und sozialem Handeln, erreicht werdenkann. Auch wenn dem Grunde nach die derzeitigenösterreichischen Gesellschaftsformen Möglichkeitenbieten würden, plädiert Leitner letztlich für eine neueRechtsform, das „Gesellschaftliche Unternehmen“,das seines Erachtens ein wichtiger Baustein bei derEntwicklung des Wirtschaftsystems hin zu einer ge-rechteren, sozialeren und ökologischeren Marktwirt-schaft sein könnte.

Die Idee der Mikrokredite wurde von anderen kopiert,aber auch missbraucht; unverschämt hohe Zinsenhaben Mikrokredite in Verruf gebracht. Dies sowie derVorwurf der nicht korrekten Verwendung von Förder-geldern haben die Reputation des Bankengründersbeschädigt. Über die wahren Gründe von Yunus’ Ab-berufung von der Graheem Bank kann nur spekuliertwerden. Mehrmals wird darauf Bezug genommen,dass sich die Regierung in Bangladesh mehr Einflussauf die Bank sichern und zugleich einen potentiellenpolitischen Mitbewerber vom Hals schaffen wollte. Esbleibt zu hoffen, dass dies nicht gleichermaßen mitMuhammad Yunus’ Vorschlägen zur Reduzierung vonArmut passiert. (cso)

Thomas Leitner: Grundlagen für das Gesellschaftliche UnternehmenDas Konzept des Social Business nach MuhammadYunus als Institution im Rahmen der österreichischenRechtsordnungNeuer wissenschaftlicher Verlag, Wien, Graz 2011101 Seiten, EUR 28,80

Muhammad Yunus: Social Business. Von der Vision zur Tat Hanser Verlag, München 2010327 Seiten, EUR 20,50

Langzeitpflege in einer solidarischenGesellschaftJeder Mensch ist im Laufe seines Lebens irgendwannauf Pflege angewiesen – als Kleinkind, in hohem Alteroder bei Krankheit. Pflege betrifft daher alle Men-schen, unabhängig von Geschlecht, sozialem Status,Einkommens- oder Bildungsniveau. Die BetreuungPflegebedürftiger ist somit ein zentrales Thema derSozialpolitik. Um den Anforderungen unserer immerälter werdenden Gesellschaft gerecht zu werden, ist

es wichtig, allen pflege- und betreuungsbedürftigenMenschen in Österreich auch in Zukunft einen Zu-gang zu bedürfnisorientierter und qualitativ hoch-wertiger Pflege und Betreuung zu ermöglichen undihnen damit ein menschenwürdiges Dasein nachhal-tig zu gewährleisten.

Wie dies am besten bewerkstelligt werden kann, dar-über wurde bei der ÖKSA-Jahreskonferenz 2010 dis-kutiert, deren Dokumentation nunmehr vorliegt. DerTagungsband versteht sich dabei, so ÖKSA-PräsidentMichael Chalupka, als über die tagespolitischen Aus-einandersetzungen hinausweisender Beitrag zur ge-meinsamen Suche nach tragfähigen Lösungen, dieden Menschen zugute kommen sollen.

Bereits die Beiträge zu Beginn des Bandes richten denBlick nach vorn. AutorInnen mit unterschiedlichenHintergründen (Tom Schmid, Thieß Petersen) erläu-tern ihre Visionen einer solidarischen Gesellschaftund diskutieren die Voraussetzungen, unter denendiese vor dem Hintergrund des demografischen undsozioökonomischen Wandels realisiert werden kann.

Die folgenden Beiträge widmen sich der praktischenUmsetzung und somit den „Mühen der Ebene“: JosefKytir befasst sich mit den Herausforderungen der Be-völkerungsentwicklung für die europäischen Wohl-fahrtsgesellschaften, Nikolaus Dimmel beleuchtet diesoziale wie gesundheitliche Situation informell Pfle-gender und entwirft Strategien zur Verbesserung derLage, Elisabeth Rappold und Ingrid Rottenhofer dis-kutieren auf Basis einer empirischen Erhebung diemögliche Weiterentwicklung der Berufsprofile im FeldBetreuung und Pflege.

Im letzten Abschnitt werden die Inputs zu den Forender Tagung wiedergegeben und die anschließendenDiskussionen zusammengefasst. Thematisiert werdendabei unter anderem die Pflege im internationalen –insbesondere im europäischen – Vergleich, der GenderAspekt in der Pflege und die Migration von Pflege-kräften in und nach Europa. Aktuellen Problemstel-lungen der Langzeitpflege schließlich widmen sichdie Beiträge von Christa Them, Beat Sottas und KaiLeichsenring. (hs)

Österreichisches Komitee für Soziale Arbeit (Hg.):Langzeitpflege in einer solidarischen GesellschaftHerausforderungen und ChancenWien 2011, EUR 14,00 (ÖKSA-Mitglieder EUR 10,00)

Bestellungen bei:ÖKSA, Geigergasse 5-9, 1050 WienTel. 01 548 2922, Mail: [email protected]

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Unsere Arbeitsgesellschaft kritischquer und neu denken ... so könnte der Arbeitstitel des von Sabine Gruber,Frigga Haug und Stephan Krull herausgegebenenReaders „Arbeiten wie noch nie!?“ lauten. Ausgehendvom Befund, dass die herkömmlichen Wirtschafts-theorien keine befriedigenden Antworten auf die Um-brüche und Krise der Arbeitswelt geben, analysierendie AutorInnen die Entwicklung und Konfliktlinien derzunehmenden Verdichtung der Erwerbsarbeit.

Johanna Riegler erläutert beispielsweise, wie eng dieEntstehung des kapitalistischen Wirtschaftssystemsmit der Aufwertung der Erwerbsarbeit als Vergesell-schaftungsprinzip verbunden ist. Der Trennung inFaule und Fleißige folgte ein brutales Vorgehen gegenBettlerInnen und die Einweisung von so genanntenArbeitsunwilligen in Zucht- und Arbeitshäuser. Arbeitwurde als das Leben des modernen Menschen domi-nierendes Prinzip verankert. Riegler relativiert denmodernen Arbeitsbegriff, verweist auf dessen zerstö-rerisches Potential und diskutiert, ob es nicht nebendem Recht auf Arbeit und Beschäftigung ein „Rechtauf ein gutes Leben in sozial gerechter Wohlversorgt-heit und politischen Lösungen“ jenseits des Arbeit-sparadigmas geben soll.

Auf einen zu eng und restriktiv gefassten Arbeitsbe-griff verweist auch Alexandra Weiss, die eine ge-schlechtergerechte Verteilung von Erwerbs- und Re-produktionsarbeit einfordert. Sie zeichnet die Ent-wicklung der Arbeitsteilung von Männern und Frauenmit ihrer ungleichen Verteilung von bezahlter undunbezahlter Arbeit nach, die zu einer Diskriminierungund Entwertung von Frauenarbeit, und dies nicht nurin Form der Entlohnung, führt. Kritisiert wird, dasssich die Geschlechterpolitik der letzten Jahrzehnte ineiner Gleichstellungspolitik erschöpft und unter-schiedliche Lebens- und Arbeitswelten von Frauenund Männern ungenügend berücksichtigt werden.Einem vielfach diskutierten Grundeinkommen stehtsie skeptisch gegenüber, da dieses ihres Erachtens be-stehende Herrschaftsverhältnisse und Aufgabenzu-schreibungen unberührt lässt.

Auf eine grundlegende Veränderung der Arbeitstei-lung basiert „die Vision von Frauen, die eine Vision füralle ist“. Ausgehend vom erlebten Widerspruch derGleichzeitigkeit des Frusts und der Lust an der Er-werbsarbeit und deren Verteilung erläutert FriggaHaug ihre „Vier-in-einem-Perspektive“, die zu einerVerknüpfung von Erwerbsarbeit und Reproduktionsar-beit, von politischer Arbeit und Zeit für die individu-

elle Entwicklung führen soll. Sie plädiert für eine ra-dikale Arbeitszeitverkürzung, die genügend Raum undZeit für alle Aufgaben-Bereiche und für alle Indivi-duen ermöglicht.

Überlegungen zum Gesellschaftswandel stehen imZentrum des abschließenden Beitrags von SabineGruber, die mögliche Bausteine von der derzeitigen zueiner neuen Realität diskutiert. Es geht nicht darum,ob beispielsweise durch die Einführung eines bedin-gungslosen Grundeinkommens Arbeit und Einkom-men entkoppelt oder das System und die Organisa-tion der Erwerbsarbeit reformiert werden soll. Letzt-lich braucht es Einkommenssicherung gleichermaßenwie Systemreform. Ausreichendes Einkommen, Ver-kürzung der Erwerbsarbeitszeit und gleichwertigeVerteilung von Lebens(arbeits)zeit auf alle Tätigkeitenwerden daher als notwendige Rahmenbedingungenfür ein gerechtes Arbeiten und eine Befreiung vomArbeitszwang vorausgesetzt. (cso)

Sabine Gruber, Frigga Haug, Stephan Krull (Hg.): Arbeiten wie noch nie!? Unterwegs zur kollektivenHandlungsfähigkeitArgument Verlag, Hamburg 2010188 Seiten, EUR 17,40

AK-Wissenschaftspreis 2012

Für die Arbeiterkammer Oberösterreich sind diemenschengerechte Gestaltung von Arbeit unddie Sicherung der Beschäftigung grundlegendeAnliegen.

Der 29. Wissenschaftspreis der AK Oberöste-reich ist mit einem Preisgeld von insgesamt9.000 Euro dotiert, das nach Maßgabe der Juryauf drei PreisträgerInnen aufgeteilt wird. DerPreis, der sich an junge WissenschaftlerInnenrichtet, wird für 2011 und 2012 fertig gestellteArbeiten zum Themenfeld “Zukunft von Arbeitund Beschäftigung” vergeben.

Bewerbungen sind bis 31. Mai 2012 bei derKammer für Arbeiter und Angestellte für Ober -österreich, Abteilung Wissenschafts- und For-schungsmanagement, Volksgartenstraße 40,4020 Linz, einzureichen.

Die detaillierte Beschreibung der Forschungs-frage und möglicher konkreter Themenstellun-gen findet sich auf: www.arbeiterkammer.com

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V E RANS TA L T UNGEN

Die “Mitte” der GesellschaftZahlreiche Studien deuten darauf hin, dass die Mittelschichten einem Stagnations- oder sogar Schrumpfungs-prozess ausgesetzt sind. Doch wer zählt eigentlich zur “Mitte” einer Gesellschaft? Und welche gesellschaftlichenKonsequenzen ziehen Veränderungen in Größe und Zusammensetzung mittlerer sozialer Lagen nach sich? Darü-ber diskutieren Nicole Burzan (Dortmund), Bettina Leibetseder (Linz), Roland Verwiebe und Sighard Neckel (Wien).

Termin: 5. Mai 2011, 19.00 - 21.00 UhrOrt: Alte Kapelle am Campus der Universität Wien, Spitalgasse 2-4, 1090 Wien

European Citizens’ Initiative Summit 2011Am 1. April 2011 ist die Verordnung des Rates und Parlaments über die Europäische Bürgerinitiative in Kraft getre-ten, an die hohe Erwartungen geknüpft sind: Durch die neue Möglichkeit transnationaler direkter Demokratie sol-len u.a. das Legitimitätsdefizit der Union abgebaut und eine europäische Bürgergesellschaft angestoßen werden. Obdiese Erwartungen zu hoch gesteckt sind, wird beim in englischer Sprache abgehaltenen Summit diskutiert.

Termin und Ort: 6. - 7. Mai 2011; Bundesministerium für Inneres, Minoritenplatz 9, 1010 WienAnmeldung, Kontakt: Österreichisches Institut für Europäische Rechtspolitik, Mönchsberg 2a, 5020

Salzburg. Tel. 0662 84 39 80, Mail: [email protected]

Active Inclusion - Erwerbspotenzial von Sozialhilfe-BezieherInnenAktivierung steht im Gegensatz zum passiven Leistungsbezug und zielt auf die soziale und ökonomische Inte-gration durch Erwerbsarbeit ab. Die Tagung hat zum Ziel, in mehreren Vorträgen sowie einer abschließenden Po-diumsdiskussion das Dilemma des Sozialstaats zwischen Workfare und Welfare näher zu beleuchten.

Termin: 13. Mai 2011, 9.00 - 13.00 UhrOrt: Kardinal König Haus, Kardinal König-Platz 3, 1130 WienAnmeldung: www.abif.at/Events!

Änderung für Stabilität: Lebenszyklen von Städten und RegionenREAL CORP 2011, die 16. internationale Konferenz zu Stadtplanung, Regionalentwicklung und Informationsge-sellschaft, widmet sich der Rolle und den Möglichkeiten vorausschauender Planung in räumlichen Transforma-tionsprozessen.

Termin und Ort: 18. - 20. Mai 2011, Weltkulturerbe Zollverein, Sanaa Gebäude, Essen (D)Information: www.corp.at

PflegekongressDer 19. Österreichische Gesundheits- und Krankenpflegekongress steht unter dem Motto: Gepflegte Profession -die Pflege geht ihren Weg im intra- und extramuralen Feld.

Termin und Ort: 23. - 25. Mai 201, Congress Messe Innsbruck, Rennweg 3, 6020 InnsbruckInformation, Anmeldung: www.oegkv.at/index.php?id=4652

BAWO-Fachtagung 2011Die Tagung beschäftigt sich mit einer Vielfalt an Themen und Lösungen zur Wohnungslosenhilfe, wie der Be-darfsorientierten Mindestsicherung, niederschwelligen Hilfsangeboten, der Delogierungsprävention sowie eu-ropäischen Initiativen gegen Armut und Obdachlosigkeit.

Termin und Ort: 25. - 27. Mai 2011, InnsbruckInformation, Anmeldung: www.bawo.at

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KONTRASTE Presse- und Informationsdienst für Sozialpolitik

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Redaktionsadresse:KONTRASTE: Johannes Kepler Universität Linz, Institut für Gesellschafts-und Sozialpolitik, Altenbergerstr. 69, 4040 Linz Tel.: 0732/2468-7168Mail: [email protected] Web: http://www.gespol.jku.at/ Menüpunkt KontrasteAboservice, Sekretariat: Irene Auinger, Tel.: 0732/2468-7161 Fax DW 7172 Mail: [email protected]

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