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INHALT Einführung (R. Krings)

Der Krieg ist aus Die Ereignisse in Ruwer zum Ende des 2. Weltkriegs (T. Busch) .........................02 Wie meine Oma den Krieg erlebte (D. Regnery) ...................................................09 Das Ende des Krieges (P. Naumann)....................................................................14 Nachkriegszeit (J. Weins)......................................................................................16 Evakuierung und die ersten Wochen nach dem Krieg (H. Speicher).....................17

Das Leben geht weiter Mein Leben im Krieg und danach (B. Busch) ........................................................20 Erzählung aus den Jahren 1945 – 1950 (P. Mohr) ................................................22 Erinnerungen meiner Großmutter (P. Schad)........................................................24 Mein Vater (V. Winden) .........................................................................................25 Hochzeitsvorbereitungen im Jahre 1946 (F. Mertes).............................................28 Erlebnisse in der Nachkriegszeit (S. Schmidt)........................................................29

Die Not ist groß Das Leben im verminten Deutschland (S. Justen) ................................................33 Die Situation im Dorf meiner Großmutter (J. Gorges)............................................34 Vom Krieg verschont und dennoch arm (T. Hank) ................................................37 Unmittelbare Nachkriegszeit aus der Sicht meiner Oma (N. Maier) ......................38 Langsur in den Nachkriegsjahren von 1945 – 1948 (J. Bauer)..............................40

Not macht erfinderisch Nachkriegszeit an der Obermosel (D. Kohn) .........................................................45 Eine besondere Hamsterfahrt (T. Prenzel) ............................................................46 Die erste Zeit nach dem Krieg (M. Dellwing) .........................................................47 Erzählungen meines Großvaters (B. Meyer) .........................................................50 Die Versorgung nach dem 2. Weltkrieg (D. Kees).................................................51

Neuanfang Wiederaufnahme des Schieferbergbaus (J. Gorges) ............................................54 Das Leben als Schreiner nach dem Krieg (M. Stark) ............................................56 Leben und Arbeiten in einer Bäckerei nach dem Kriegsende (J. Kebig) ...............59 Währungsreform in der Sparkasse Trier (F. Zonker) .............................................61 Mein Großvater als Gastarbeiter (A. Mansuri) ......................................................63

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Es ist mir wie heute bewusst:

Mein Großvater wollte mir vom Krieg erzählen, dem 1. Weltkrieg, und ich

verdrehte die Augen, fühlte mich „genervt“ und freute mich, wenn das Thema

wechselte. Ich stellte kaum Fragen – es sei denn aus Höflichkeit – der Ge-

sprächsgegenstand fand nicht mein Interesse. Später, als ich Geschichte

studierte und viele Fragen hatte, konnte ich sie ihm nicht mehr stellen.

Welche Erfahrung, welche Quelle authentischer Geschichtsbegegnung ist mir

dadurch verloren gegangen!

Das Interesse an Geschichte beginnt für viele Menschen erst, wenn sie

selbst Geschichte haben, also älter geworden sind. Dem schulischen Ge-

schichtsunterricht konnten viele – so erfahre ich immer wieder in Gesprächen

– kaum etwas abgewinnen.

Wir interessieren uns zu wenig für die Geschichte der älteren Generation,

die doch unser Schulwissen so sehr bereichern könnte. Unser Projekt sollte

allen Schülerinnen und Schülern der Klasse eine solche Erfahrung erschlie-

ßen helfen: „oral history“ wie man so etwas in modernem Deutsch nennt.

Ich habe viele Arbeiten mit großem Vergnügen gelesen und hoffe, dass

auch Sie diese mit Freude und Interesse aufnehmen. Am meisten hoffe ich

allerdings, dass die Schülerinnen und Schüler aus dem Projekt einen Gewinn

für ihr Interesse an Geschichte ziehen und Ihnen künftig mehr Fragen stellen.

Das kleine Buch ist zugleich ein Stück Erinnerung an die gemeinsame Unter-

richtsarbeit der letzten Jahre.

Richard Krings

PS.: Für Inhalt, Stil und Rechtschreibung sind die Autoren verantwortlich

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Der Krieg ist aus Die Ereignisse in Ruwer zum Ende des 2. Weltkriegs und die unmittelbar folgende Zeit von Tobias Busch

Dieser Bericht beruht auf Tatsachen, die mir mein Großvater erzählt hat. Teils

sind es seine eigenen Erlebnisse, teils hat er sie selbst erzählt bekommen.

Mein Großvater wurde 1933, als letztes von neun Kindern geboren. Er erlebte

vom Krieg nur die Luftangriffe auf Trier und Umgebung sowie den Einmarsch

der amerikanischen Streitkräfte in Ruwer.

1945 lebten nur noch drei seiner vier Brüder, zwei kamen aus der Kriegsge-

fangenschaft.

Der Krieg kam im Herbst 1944 über das Trierer Land, die ersten Kriegserleb-

nisse für meinen Opa waren die schweren Luftangriffe auf den Ehranger

Bahnhof das Bahnausbesserungswerk in Trier-Euren und die Brandbomben

auf Trier.

An der Mosel entlang führte der Bahndamm der sog. „Kleinbahn“.

Damals hatte mein Uropa an besagtem Bahndamm einen Gemüsegarten.

Mein Opa erinnerte sich, mit seiner Schwester dort gewesen zu sein, als es

über Ehrang Bomben hagelte. Trotz des hohen Bahndamms wurden beiden

durch eine Druckwelle zu Boden gerissen und quer über eine Fallobstwiese

geschleudert.

Lebensgefährlich wurde es als mein Opa, bei der Weinlese auf Maximin-

Grünhaus half. Als alliierte Flugverbände von Angriffen über Städten weiter

im inneren des dt. Reiches zurückkamen eröffnete eine dt. Flakbatterie auf

dem Grüneberg das Feuer. Auf Geheiß eines Wehrmachtsoffiziers sollten die

Leute im Weinberg die Traubeneimer ausleeren und sie sich über den Kopf

stülpen während sie sich auf den Boden warfen. Die Eimer waren aus dün-

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nem Blech, aber die Granatensplitter der Flak waren sechs bis sieben Zenti-

meter lang, die Eimer hätten ihnen niemals stand halten können.

Ein anderes Mal war mein Opa mit seinen Freunden mit einem Bauer aufs

Feld gegangen, um Kartoffeln auszumachen. Plötzlich tauchte ein Kampfge-

schwader am. „Jabos“ auf und schoss mit seinen Bordwaffen auf die Ernten-

den. Da man sich auf freiem Feld befand, konnte man sich nirgendwo richtig

verstecken, in ihrer Panik rannten sie zu einem Gehöft in der Nähe, wenn es

den Fliegern gefallen hätte, wäre es ein leichtes gewesen alle zu erschießen

oder den Bauernhof zu bombardieren, so ist es reiner Zufall dass sich bei

diesem Manöver niemand verletzte oder umkam.

Diese Arbeit bei Bauern und Winzern wurde, nachdem die Schulen im dt.

Reich geschlossen wurden, bis zu ihrer Wiedereröffnung nach dem Krieg

beibehalten.

An Heiligabend 1944 erfolgte ein Bombenangriff auf den Ruwerer Bahnhof

und die Mühlen die sich mitten im Ort befanden, diese mahlten für die Wehr-

macht.

Als sich die typischen Anzeichen eines Fliegerangriffs einstellten, dachten die

Ruwerer zuerst der Ehranger Bahnhof würde wieder bombardiert werden.

Deshalb verließen nur wenige ihre Häuser um sich in die, zu Luftschutzbun-

kern erklärten, Weinkeller im Berg zu begeben. So fanden an diesem Heilig-

abend 50 Mann des Volkssturms, mehrere Einzelopfer und eine 18-köpfige

Familie den Tod.

Mein Opa und seine Familie hatten Glück im Unglück. Sie gehörten zu den

wenigen Leuten, die in einem Luftschutzkeller waren, da aber das Haus direkt

neben einer Mühle stand (heute RWZ Lager Trier-Ruwer / Fischweg) wurde

es völlig ausgebombt und es blieb nichts bis auf die Fundamente übrig. Ne-

ben diesem Haus wurden weitere 30 bis 40 Häuser vernichtet oder schwer

beschädigt. Für das damals kleine Dorf war das sehr viel, zumal der Bahnhof

und die Mühlen heute noch alle stehen.

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Vor dem Einmarsch der Amerikaner war es bei meinem Opa und seinen

Freunden beliebt in den leerstehenden Bunkern des Westwalls zu spielen(in

der Region Trier sind alle Bunker gesprengt worden). Meistens spielten sie

Luftangriff. Heute sagt, dass er das nicht verstehe, da er ja vom Ernstfall ge-

troffen worden war, aber als Kind hätte es ihn nicht gestört.

Eine andere Episode war: Im Bahnhof von Ruwer stand zu Zeiten als die

Wehrmacht schon fast weg war und die Amerikaner noch nicht ganz da wa-

ren ein Wagon mit vornehmlich Armeeunterwäsche. Im Dorf wusste jeder der

Wagon würde stehen bleiben und man könne die Wäsche bestimmt gut brau-

chen. Genau zu dem Zeitpunkt als die Leute den Wagon geöffnet, hatten kam

ein dt. Feldwebel mit vorgehaltener Pistole um die Leute davon abzuhalten,

sich Dinge zu nehmen, welche die Wehrmacht dringend bräuchte. Man ver-

suchte ihm zu erklären, was auf der Hand lag. Nach Trier konnte der Wagon

nicht, denn da waren die Amerikaner; Richtung Hermeskeil waren alle Eisen-

bahnbrücken gesprengt. Als der Feldwebel nicht nachgab, kam es wie es

kommen musste, man entwendete ihm die Pistole und er bezog schwer Prü-

gel.

Der heutige Stadtteil Ruwer war damals ein zweigeteilter Ort, es gab Ruwer-

Maximin, links der Ruwer und Ruwer-Paulin, rechts der Ruwer; beides ehe-

malige Herrschaftsbereiche des Klosters St. Paulin und der Reichsabtei St.

Maximin.

Auf der Flucht vor den Amerikanern, hatte die Wehrmacht die Ruwerbrücke

gesprengt. Die „feindlichen Truppen“ kamen am 1.3.45 aus Richtung Trier

nach Ruwer-Maximin, sie brauchten drei ganze Tage um eine Pontonbrücke

über den Bach zu schlagen. Am Morgen des 3. 3. 45 war für ganz Ruwer der

Krieg aus. Die Amerikaner rückten aus dem eher kleinen R.-Maximin in das

große R.-Paulin mit Panzern ein, Infanterie folgte mit aufgepflanzten Bajo-

netts. Da der Teil des Volksturms, der nicht vorher geflohen war, sich wieder

zivil kleidete und sich ruhig verhielt, wurde von den Amerikanern kein Zivilist

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auch nur irgend wie behelligt. „De Amis woaren anständisch Leut, dat muss

ma soan. Die woaren nit so bekloppt wie die Franzosen speter“

Ein anderer Teil des Volksturms hatte sich nach Eitelsbach zurückgezogen,

unter ihnen mein Uropa. Der dt. Artillerie war bekannt, wo der Feind stand

und so schoss sie aus Thomm mit schweren Geschützen nach Ruwer. Sowie

die Amerikaner ihrerseits geortet hatten wo die Wehrmacht stand, erwiderte

sie sechs Stunden lang das Feuer in Richtung Thomm und Herl. Den einzi-

gen nennenswerten Schaden, den die dt. Geschütze verursachten, war dass

sie den Kirchturm total zerschossen.

Mein Opa war mit seiner Mutter und zwei Schwestern bei einer verwandten

Schreinerfamilie untergekommen (heute Schreinerei und Bestattungsinstitut

Koster). Zum Mittagessen waren alle die im Haus lebten in der Schreiner-

werkstatt zugegen, als plötzlich eine Granate in das Haus einschlug, einige

Zimmer verwüstete und durch den Luftdruck sämtliche Fenster im Haus platz-

ten, was ein Weiteressen unmöglich machte. Wäre die Granate zwei oder

drei Meter weiter rechts eingeschlagen, so sagte mein Opa,

„Mir wären Hackfleisch an da Wand gewes“.

In weiser Voraussicht veranlasste der Pastor dass die leeren Messingkartu-

schen der am. Granaten von den Kindern eingesammelt wurden, später wur-

den sie an Schrotthändler verkauft, damit wurde der Kirchturm wieder aufge-

baut und das Geld reichte sogar aus, um ein neues Geläut anfertigen zu las-

sen.

Wie schon gesagt war das Geschehen in Ruwer eigentlich ruhig, hätte die dt.

Artillerie nur nicht geschossen.

In Ruwer selbst blieben nur ganz wenige GIs. Die meisten zogen weiter über

die alte Hermeskeiler Straße, verläuft. (heute als Feldweg parallel zur B

52,oberhalb von Eitelsbach)

Dort hatten sich ein paar Männer des Volkssturms aufgehalten und als nun

eine Abordnung GIs dort erschien flüchteten fast alle über die Ruwer in den

Grünhäuser Wald; fanatisiert versuchte ein einziger mit einem alten Karabiner

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gegen die Amerikaner mit Maschinengewehren den Ort zu verteidigen. Eine

einzige Garbe aus dem MG reichte um den Soldaten auf dem Misthaufen des

Bauern Herres (heute Weinstube Morgen-Herres, „Schepper“) sterben zu

lassen.

Unter den geflohenen Volksstürmern war mein Uropa. Er gelangte mit seinen

Kameraden sicher in den Wald ,dort mussten sie aber feststellen, dass auch

dort schon Amerikaner waren. Um nicht entdeckt zu werden versteckten sie

sich im Moor bis man sicher sein konnte die Amerikaner waren nicht mehr im

Wald. Daraufhin schlug sich mein Uropa durch den Timperter Wald nach Ka-

sel wo er sich bei seinem Bruder Zivilkleidung besorgte und dann nach über

einer Woche endlich wieder nach Ruwer kam.

In Ruwer war nach dem Abzug der Wehrmacht der Nachschub zusammen

gebrochen und dass am Anfang des Frühjahrs wo man doch nichts im Garten

hatte was man hätte essen können. Es gab ein paar Bauern die vielleicht ei-

ne Kuh hatten retten können, aber Kühe gaben Milch und deswegen wurden

sie nicht geschlachtet. Not macht ja bekanntlich erfinderisch, es gab überall

noch Reste von Vorräten der Amerikaner das berühmte „Corned Beef“, Kek-

se und jede Menge Kaugummis. Eine andere Möglichkeit war man schoss mit

eine Panzerfaust in die Mosel die Fische starben und kamen an die Oberflä-

che. Man durfte sich nur nicht erwischen lassen den Schusswaffenbesitz war

verboten.

Eines Tages kam der Metzger zu meinem Opa und sagte ihm er brauche ei-

nen starken Jungen. Im Hinterhof der Metzgerei war ein Pferd mein Opa klet-

terte auf einen Tisch und erschlug das Pferd mit einem Holzhammer, da wie

gesagt Schusswaffen untersagt waren. Wenn man zu so etwas fähig ist kann

man sich in etwa vorstellen wie groß der Hunger war.

Die Amerikaner verhängten eine Ausgangssperre von täglich 16 Uhr bis

15Uhr des nächsten Tages.

Die Arbeitsfähigen Männer wurden morgens abgeholt und nach Trier ge-

bracht um dort den Schutt zu beseitigen und aufzuräumen. Auch hier war

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mein Uropa dabei; als er eines Tages im späten Frühling nachhause kam,

erzählte er mit dem Hunger in Ruwer sei es halb so wild, er hätte beim Auf-

räumen am Kornmarkt gesehen auf der OPD (heute Telekom) würde die

Hungerfahne wehen und man könne von Glück sagen nicht in der Stadt zu

wohnen.

Die schwere Arbeit in der Stadt und eine verschleppte Grippe aus dem Sumpf

ließen meinen Uropa schwer krank werden. Im August 1945 starb er.

Kurz vor dem Abzug der Amerikaner nahm ein GI meinen Opa mit zu sich ins

Lager und gab ihm eine Konservendose in der Größe XXXXL. Alle Leute die

ihn damit sahen dachten es wäre Fleisch oder Kartoffeln darin aber als meine

Uroma sie öffnete waren es lediglich rote Beete, es war aber eigentlich egal

man war ja froh wenn man überhaupt etwas hatte.

Nach den Amerikanern kamen die Belgier sie gaben aber nur ein kurzes

Gastspiel bis die Franzosen anrückten.

Das Erste was die Franzosen taten war eine Fahnenmast auf zu stellen und

die „Tricoloure“ zu hissen. Jeder der an der Fahne vorbei ging musste sie

grüßen. Wer es nicht tat kam bei Wasser Brot und Schlägen in eine Art Kel-

lerverlies. Mein Opa erzahlte, als Kinder hätten sie sich einen Spaß daraus

gemacht immer wieder daran vorbei zu gehen und zu grüßen aber es gab

auch ein paar unverbesserliche Hitleranhänger die sich strickt weigerten die

Fahne zu grüßen und es gab dann auch die angedrohte Strafe, bis 46 ein

neuer Kommandant in die „Surrité“ einzog und mit ihm Neue Sitten.

46/47 kamen die beiden Brüder aus der Gefangenschaft zurück. Der eine war

in Sibirien im Bergwerk gewesen und der andere war Koch im Offizierskasino

eine am. Gefangenenlagers in Ägypten. Dieser hat bevor er frei gelassen

wurde jede menge Konserven „requiriert“.

In den Jahren 1946 bis 1947 hatte mein Opa und seine Familie mehr oder

weniger vor sich hin gelebt aber 1948 ging es „Kraft des dt. Arbeiters“ wieder

bergauf nicht nur dass die DM kam sondern man wohnte wieder in einem ei-

genen Heim, eine Schwester heiratete und ein Schwager meines Opas kam

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als der letzte in der Familie aus der Gefangenschaft in Amerika, Offiziere

blieben länger, zurück. Wie meine Oma den Krieg erlebte von Daniel Regnery

Meine Oma ist am 12.04.1932 in Mehring an der Mosel geboren. Bei Kriegs-

ausbruch war sie demzufolge 7 Jahre alt.

Im Unterricht haben wir gelernt, dass es in den letzten Kriegsjahren zu

vielen Evakuierungen bzw. sogenannten „Landverschickungen“ kam, die

aufgrund des Bombenterrors auf die deutschen Städte praktiziert wurden.

Kannst du mir etwas Genaueres dazu erzählen?

Direkt hatten wir mit den Landverschickungen nichts zu tun gehabt, aber wir

mussten als Evakuierte eine sechsköpfige Familie aus Oberbillig aufnehmen,

die ihr Dorf aufgrund der heftigen „Westwall-Kämpfe“ verlassen musste. Ich

weiß noch ganz genau als sie im September 1944 zu uns nach Lörsch bei

Mehring kamen. Sie hatten in aller Eile das Nötigste auf ihre „Karre“ gepackt

und hatten sogar noch Zeit gehabt, ihre Kühe mitzubringen.

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Was kannst du mir zu der Beziehung zu dieser Familie sagen und wie

lange musstet ihr sie aufnehmen?

Wir Kinder hatten uns damals sehr gefreut, weil wir neue Spielkameraden ge-

funden hatten, die sogar noch bei uns wohnten. Später als die Front näher

kam, hat man zusammengehalten und sich gegenseitig aufgeheitert in dieser

schweren Zeit. Ich habe sogar heute noch sehr guten Kontakt zur jüngsten

Tochter dieser Familie.

Am Ostermontag 1945 ist diese Familie als erste wieder zurück nach Oberbil-

lig, da sie noch alle ihre Weinberge zu „schneiden“ hatten, um wenigstens in

diesem Jahr ihre Trauben ernten zu können.

Du hast schon eben die Kämpfe in der Umgebung angesprochen. Was

hast du vom Kampfgeschehen mitbekommen und wie habt ihr euch ver-

halten?

Man konnte schon 2 Jahre

vor Kriegsende fast täglich

die alliierten Bomber-

geschwader (siehe Bild) am

Himmel sehen, ja sogar

hören. Das war immer so ein

dumpfes Dröhnen, wenn

Hunderte von Bombern

vorbeizogen. Die Jungs in

meinem Alter hatten am Heiligen Abend des Jahres 1944 sogar einen Luft-

kampf beobachtet, der sich hoch über dem Moseltal abspielte. Aus Berichten

(siehe Zeitungsausschnitt) habe ich später erfahren, dass über ein halbes

Dutzend Flugzeuge in diesem Kampf abgestürzt sind.

Ich selber habe die ersten Artillerieeinschläge zwei Wochen vor unserer „Be-

freiung“ im Raum Schweich vernommen. Diese zwei Wochen vor der „Befrei-

ung“ spielten sich für uns hauptsächlich im Keller der Nachbarn ab, da wir

den Artilleriebeschuss fürchteten. Ich weiß noch genau, als meine Tante ei-

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nes Abends nach oben in den Kuhstall ging, um die Kuh zu melken, dass auf

einmal ein schwerer Dauerbeschuss einsetzte. Was hatten wir eine Angst um

meine Tante! Aber Gott sei Dank ist ihr nichts passiert. Wir Kinder hatten

nämlich mal beobachtet, wie der Rioler Kirchturm einen Volltreffer erhielt. Als

die Front dann bei Trier stand, wurden viele französische Kriegsgefangenen

an unserem Haus vorbei moselabwärts geführt.

Unmittelbar vor unserer Befreiung wurde die Hauptstraße (heute B 53) an

vielen Stellen durch das eigene Heer schwer beschädigt, um dem „Ami“ den

Vorstoß zu erschweren. Wir amüsierten uns später darüber, weil die Ameri-

kaner die einfachen Weinbergswege mit ihren Fahrzeugen befuhren.

Und wie hast du eure „Befreiung“ erlebt?

Unsere „Befreiung“ wurde durch einen britischen Tiefflieger angekündigt, der

über unserem Dorf zunächst kreiste. Als dieser wieder hinter dem Berg ver-

schwunden war, hörten wir von Longen her ( vom Westen her ) Motorenge-

räusche. Für uns war es ganz klar:“ Die Amis kommen!“ Wir „bewaffneten“

uns mit weißen Fahnen und stürmten ihnen entgegen. Ehe sich unsere Eltern

versahen, saßen wir schon in den amerikanischen Jeeps und aßen Schoko-

lade und Kaugummis.

Die Amis waren jedoch gezwungen, noch ein wenig bei uns zu bleiben, weil

sich auf der Rioler Höhe noch Hitlerjungen verschanzt hatten und versuchten,

die vorrückenden amerikanischen Truppen zurück zu schlagen. Doch diese

hatte wenig Sinn, da der Feind in der Überzahl war. Nachdem sie unsere

Häuser, Keller und Scheunen nach deutschen Soldaten kontrolliert hatten

und die jungen „Kämpfer“ vertrieben waren, rückten sie weiter vor in Richtung

Mehring.

Warst du schon mal in der Situation, in der du oder andere in Lebensge-

fahr waren?

Ja, einmal war ich im Herbst 1944 mit meiner Großmutter Äpfel pflücken, als

plötzlich aus den Wolken über uns zwei Tiefflieger stürzten und einen LKW

unter Beschuß nahmen, der nur wenige Meter von uns entfernt stand. Meine

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Oma und ich schmissen uns sofort auf die Erde und ich hörte ein dumpfes

Prasseln. Als die Tiefflieger wieder weg waren, fand ich überall um mich her-

um Messinghülsen, die vor den Angreifern stammten. Aber dieses heulende

Geräusch der im Sturzflug befindlichen Flugzeuge werde ich wohl nie mehr

vergessen.

Des weiteren bestand durch herumliegende Munition eine große Gefahr für

uns Kinder. Ich weiß noch wo ältere Jungen einfach so aus Jux mit Handgra-

naten rumgespielt haben; wenige Meter von unserem Haus lag eine Panzer-

faust herum und so weiter. Man hat später noch viel Arbeit gehabt, diese

ganzen Waffen einzusammeln, damit sie für spielende Kinder keine Gefahr

mehr darstellen konnten.

Im Nachhinein war diese Zeit sehr schlimm für uns, und wir brauchten ziem-

lich viel Zeit, um unsere schlimmen Erlebnisse zu verarbeiten z. B. hatte mei-

ne Schwester noch Jahre später Angst gehabt, einen Keller zu betreten. Ich

denke, dass es noch viele Leute gibt, die immer noch mit bleibenden, psychi-

schen Problemen leben müssen. Aber ich glaube, dass ihr das noch nicht so

ganz verstehen könnt, weil ihr (Gott sei Dank) selbst noch nie so etwas

durchgemacht habt.

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Das Ende des Krieges Von Peter Naumann

Der folgende Text soll die Flucht meines Großvaters vor der Alliierten Front

nach Bayern und die baldige Heimkehr dokumentieren.

Ende des 2. Weltkrieges rückte die Front der Alliierten immer näher nach Hü-

ckelhoven, das ca. dreißig Kilometer südwestlich von Aachen liegt. Dort lebte

mein Großvater Peter Schnitzler, der zu diesem Zeitpunkt siebzehn Jahre alt

war. Aus Angst vor der drohenden Invasion der Alliierten flüchtete er mit drei

Freunden, einem Esel, einem Karren und gefälschten Papieren in den Süden

Deutschlands nach Bayern. Nach einer einwöchigen Reise erreichten die vier

einen Bauernhof nahe München. Sie finanzierten die Übernachtungen dort

mit geschmuggelten Zigaretten, die sie gegen Schuhe eingetauscht hatten.

Am 8. Mai 1945 war es dann soweit. Nach einem drei monatigem Aufenthalt

in Bayern erfuhren sie, dass der Krieg zu Ende sei. Mein Großvater berichte-

te mir, dass seine Freunde und er zunächst unsicher waren wie es weiter ge-

hen sollte. Sie konnten sich nicht vorstellen, wie sie ohne Tauschwirtschaft

und den Schwarzmarkt überleben sollten.

Ende Mai machten sich die Freunde wieder auf den Rückweg Richtung Hei-

mat. Mit ca. 2000 Zigaretten im Gepäck erhofften sie eine gewisse Absiche-

rung zu haben. Ihre Route sollte von Bayern über Koblenz nach Aachen bzw.

Hückelhoven führen. Bis zur Rheinüberquerung lief auch alles wie geplant,

doch am Rheinufer begegneten sie einer französischem Patrouille. Jegliche

Bestechungsversuche um nicht in Gefangenschaft zu geraten schlugen fehl,

da sich keiner der Franzosen für das Rauchen begeistern ließ. Die vier

Freunde wurden mit anderen Deutschen auf Lastwagen verteilt. Mein Groß-

vater befürchtete, dass sie nach Andernach ins Kriegsgefangenenlager ver-

schleppt werden würden. Deshalb entschieden die vier vom Laster abzu-

springen, was auch gelang. Daraufhin folgte jedoch das nächste Problem.

Um wieder auf die geplante Heimroute zu gelangen, mussten sie die Mosel

überqueren. Dazu benutzte mein Großvater einen Großteil seiner letzten Zi-

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garetten. Sie erkauften sich die Flussüberquerung bei einem Angler, der sie

mit einem Boot zum anderen Ufer brachte. Dort angekommen entschieden

sie sich für einen mehrstündigen Fußmarsch, der sie zu einem Bahnüber-

gang bringen sollte. Der nächste von Norden kommende Zug wurde genutzt,

da dieser an einem Bahnübergang abstoppen musste und sich somit die Ge-

legenheit bot aufzuspringen, um in die Nähe von Hückelhoven/Aachen zu ge-

langen. Glücklicherweise durchquerte dieser die Landschaft nahe Aachen. In

Stollberg sprangen dann mein Großvater und die Freunde vom Zug. Da es

schon spät in der Nacht war und um 22 Uhr Sperrstunde herrschte, entschie-

den sie sich in einem Bauernhof zu übernachten. Wiederum wurde dies mit

Zigaretten finanziert. Am nächsten Morgen begaben sich die vier Freunde auf

den Weg nach Hückelhoven, das sie mittags erreichten. Verwundert über die

intakte Kleinstadt versuchte jeder der jungen Männer wieder ein normales

Leben zu führen. Mein Großvater berichtete mir, dass Hückelhoven von den

Bombardements verschont geblieben sei, da die Zeche in Hückelhoven in

holländischem Besitz war.

Mit seiner Lehre als Schuhmacher arbeitete mein Großvater die nächsten

Jahre im Schuhbetrieb seines Vaters. Die Nähe zur Zeche ermöglichte relativ

gute Arbeitsbedingungen. So war die Stromversorgung, die von ihr ausging,

gewährleistet. Jedoch konnte man einen Betrieb nur äußerst schwer legal

führen. Deshalb wurden von ca. 20 angefertigten Schuhen 10 legal verkauft,

5 gegen neues Material wie Leder, Kleber etc. eingetauscht und 5 wurden zur

Beschaffung von Lebensmitteln benötigt. Nicht nur mein Großvater sondern

zwei Drittel der deutschen Bevölkerung war vom Schwarzmarkt abhängig

bzw. konnte damals nur mit Tauschgeschäften überleben.

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Nachkriegszeit von Johanna Weins

Am 17. März 1945 marschierten die Amerikaner in Thomm ein.

Ca. 3 Wochen vorher hatte ein deutscher Funker, der auf dem Kirchturm saß,

den amerikanischen Funk abgehört. Dabei hörte er den Spruch: „ Am nächs-

ten klaren Tag wird Thomm dem Erdboden gleichgemacht.“

Die Bevölkerung wurde alarmiert und man zog geschlossen in die Stollen, die

Schiefergruben, rund um das Dorf. Dort lebte man und beim Angriff der Ame-

rikaner wurden nur zwei Dorfbewohner getötet. Als die Amerikaner abzogen

und die Bewohner ins Dorf zurückkehrten, war Thomm zu 80 % zerstört. Der

Wiederaufbau begann, jeder half jedem, im Dorf herrschte ein großer Ge-

meinschaftssinn. Diejenigen die Vieh oder ein bisschen Land, auf dem ange-

baut werden konnte, besaßen, tauschten Gemüse, Eier, usw. gegen Baustof-

fe wie Zement. Diejenigen, die eine Arbeit in Trier hatten, mussten zu Fuß

nach Waldrach gehen, denn von dort aus fuhr ein Zug nach Trier. Die meis-

ten Männer arbeiteten in den Schiefergruben zwischen Thomm und Fell. Das

Leben fing an sich wieder zu normalisieren, Vereine wurden wieder eröffnet

oder neu gegründet. Als 1948 die Deutsche Mark eingeführt wurde, hatte

sich das Leben wieder normalisiert.

Nun fehlte noch eins: Die Männer aus der Gefangenschaft. Einige waren

schon zurückgekehrt. Allerdings kamen noch viele der Männer mit den letzten

Schiffen und Transporten. All diese Männer schämten sich sehr. Sie zogen

sich zurück, redeten kaum mehr und gingen auch nicht durchs Dorf sondern

außen herum. Der Grund war, dass die anderen Leute sie hätten sehen kön-

nen mit ihren zerlumpten Kleidern und Schuhen. Mit der Rückkehr dieser

Männer kehrte der Alltag wieder ein.

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Evakuierung und die ersten Wochen nach dem Krieg von Hannah Speicher

Meine Oma war 16 Jahre alt, als der Krieg vorbei

war. Sie lebte während des Krieges in der Stadt

Trier, am Deimelberg. Sie hatte 5 Geschwister. Ihr

Vater war Volksschullehrer von Beruf. Die beiden

älteren Brüder meiner Oma waren im Krieg, einer

war Luftwaffenhelfer, der andere war in Russland.

Wann und wohin wurdest du evakuiert? Ich wurde zweimal evakuiert. Das erste Mal wurde

ich nach dem 1. Granatbeschuss der Amerikaner im

Herbst 1944 evakuiert, zusammen mit meinen

beiden Schwestern, meinem jüngsten Bruder und meiner Mutter. Mein Vater

war abkommandiert zum Volkssturm um Panzersperren an der Obermosel zu

errichten. Wir fünf wurden mit der Kleinbahn nach Neumagen gebracht. Nach

einiger Zeit konnten wir uns wieder mit unserem Vater in Trier treffen. Er be-

reitete die Evakuierung nach Dhron vor. Nun fuhren wir gemeinsam mit mei-

nem Großvater, meiner Tante und meiner Großtante nach Papiermühle bei

Dhron.

In welchem Gebäude wurdet ihr untergebracht?

Wir lebten zu neunt in dem ausgeräumten Klassenraum der Dorfschule.

Habt Ihr aus Trier Einrichtungsgegenstände mitnehmen können?

Ja, ein paar. Mein Vater hatte einen Lkw organisiert. So hatten wir die Mög-

lichkeit 3 Betten, einen Schrank und einen Herd mit zunehmen.

Wovon habt ihr Euch ernährt?

Es gab damals noch Lebensmittelkarten, für die man einige wenige Lebens-

mittel bekam. Zum Einlösen dieser Karten mussten wir in das 6 km entfernte

Neumagen. Diese Lebensmittel reichten aber bei weitem nicht aus, so waren

wir gezwungen auf den Feldern nach Korn zu suchen und es zu mahlen um

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Mehlsuppe zu kochen. An einem Tag, den ich nie vergessen werde, schick-

ten mich meine Eltern zum Einlösen der Karten. Ich war ganz alleine auf dem

Rückweg, als mir ein amerikanischer Tiefflieger entgegen kam. Die Amerika-

ner schossen und ich musste im nächsten Straßengraben Schutz suchen.

Hast du während der Evakuierung andere Angriffe miterlebt?

Nein, eigentlich nicht. Wir hörten jedoch die Flieger der Engländer und Ame-

rikaner. Und später das immer näher kommende Artillerie- Feuer.

Hast du dich in Papiermühle vor dem Kriegsgeschehen sicher gefühlt?

Wir hatten keine Angst mehr vor weiteren Angriffen. Aber natürlich war das

Leben dort sehr hart. Allerdings bangten wir sehr um unser Trier und um un-

sere Wohnung dort. Wir hörten, dass einige Bombenangriffe die Stadt sehr

zerstört hatten.

Hast du während der Evakuierungszeit Freundschaften geschlossen?

Ich lernte einen Jungen aus Drohn kennen. Oskar war 18 und hatte eine Be-

hinderung am Fuß, deshalb wurde er nicht eingezogen. Ich half ihm und sei-

ner Familie oft in den Weinbergen und auf den Feldern. So bekam ich noch

ein wenig zusätzliches Essen.

Wie hast du vom Kriegsende erfahren?

Unser Radio war kaputt, deshalb erfuhren wir alles vom Hörensagen. Das

Kriegsende lag im Frühling. Es war eine warmer Tag und meine Familie und

ich hofften auf einen Neuanfang und bessere Zeiten. Leider waren die fol-

genden 3 Jahre sehr hart für alle. Sie waren von Hunger, Wohnungsnot und

sehr kalten Wintern geprägt.

Seid ihr daraufhin direkt nach Trier zurückgekehrt? Konntet ihr eure Wohnung

noch bewohnen?

Wir kehrten nicht sofort heim, sondern erst nachdem mein Vater unsere

Heimfahrt organisiert hatte. Nach einigen Tagen hatte er aus den umliegen-

den Dörfern ein Fuhrwerk mit 2 Kühen besorgen können und so waren wir

innerhalb eines Tages in Trier. Unsere Wohnung war so stark zerstört, dass

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wir in die fremde Nachbarswohnung ziehen mussten. Hier lebten wir dann

später, als meine älteren Brüder heimkamen, mit 10 Personen.

Welche Erfahrungen hast du mit den Besatzungsmächten gemacht? Hattest

du Angst vor ihnen? Vielleicht sogar vor Racheakten?

Ganz am Anfang hatte ich schon Angst, schließlich waren sie fremd. Das leg-

te sich aber schnell. In der kurzen Zeit der amerikanischen Besatzung beka-

men wir Kinder oft Schokolade und Kaugummi. Ich kannte sogar einen ame-

rikanischen Soldaten, der uns ein paar Mal Kaugummi, Schokolade, Zucker

und Mehl vorbei brachte.

Die französischen Besatzer waren weniger großzügig. Sie hatten selber nicht

so viel Lebensmittel und einen relativ großen Hass auf die Deutschen.

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Das Leben geht weiter Mein Leben im Krieg und danach von Benjamin Busch

1940 wurde ich geboren. Noch während dem Krieg als ich noch ein Kleinkind

war, ich kann mich noch gut daran erinnern, wurden wir nach Badem in der

Eifel evakuiert. Dort waren wir vom Krieg recht abgeschottet. Erst gegen En-

de des Krieges bekamen wir dort was mit, nämlich als die Amerikaner vor-

rückten. Doch ein schlimmes Ereignis werde ich nicht vergessen: Als die A-

merikaner kamen, standen wir vor der Tür des Bauernhofes, auf dem wir wa-

ren und eine verirrte Gewehrkugel traf ein Mädchen an der Halsschlagader.

Es war sofort tot.

1946 wurde ich eingeschult. Wir waren nur vier oder fünf Schüler. Die Schule

war vom Krieg noch demoliert. Jedesmal wenn es regnete gab es Schulfrei,

da das Dach nur notdürftig abgedeckt war und es ständig hereinregnete.

1948 sind wir dann nach Wasserliesch umgezogen. Dort besuchte ich bis

1950 die Grundschule wo Jungen und Mädchen noch gemeinsamen Unter-

richt hatten. Später in der Volksschule (meine Eltern hatten nicht genug Geld

für die Realschulbücher sonst wär ich nach Konz in die Schule gegangen)

war der Unterricht von Jungen und Mädchen getrennt. Der Tag war sehr an-

strengend: Morgens um fünf Uhr war Aufstehen angesagt, denn um sechs

Uhr musste man in der Kirche die Morgenandacht dienen. Wenn jemand ge-

storben ist, durfte man morgens vor der Schule noch mit zur Totensalbung.

Danach ging es ab in die Schule. Nach der Salbung hat man nach Weihrauch

und den ganzen Salben und Kräutern gestunken.

In der Schule herrschte Disziplin. Man konnte als der Lehrer reinkam schon

sehen ob er gut oder schlecht gelaunt war. Standen die Haare am Hinterkopf

nach oben, gab es bei ihm meistens kein Frühstück zu Hause oder er hatte

Stress mit seiner Frau. Auf jeden Fall musste man dann ruhig sein, denn

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sonst gab es Schläge vom Lehrer. Und wenn er richtig mies drauf war, hat es

sogar richtig weh getan. Doch nach der Schule war alles vergessen. Da ging

es zügig nach Hause, denn es war viel zu erledigen. Nach den Hausaufga-

ben war zweimal in der Woche Holz sammeln angesagt. Da es noch keine

Heizung gab, brauchten wir irgendwo her Brennstoff für unseren Ofen. Wir

konnten uns auch kein Holz kaufen, da wir nie viel Geld hatten, aber den Leu-

ten war es gestattet, im Wald das durch Stürme heruntergefallene Holz zu

sammeln. Damals war der Wald so sauber, dass man es heute kaum glauben

kann. Wenn wir kein Holz sammeln mussten, waren wir unterwegs. Meistens

ging es Richtung Mosel, um dort Fußball zu spielen. Es hat immer viel Spaß

gemacht Fußball mit den ganzen Freunden zu spielen. Wenn wir mal nicht

Fußball spielten waren wir an der Mosel die früher noch nicht begradigt und

lange nicht so tief war, wie sie heutzutage ist. In die Mosel führten kleine We-

ge, auf denen man gut spielen oder angeln konnte, und wenn man ein Rot-

auge gefangen hatte, wurde es sofort ausgenommen und abends gab es

Fisch. Oft bin ich auch mit dem Fährmann zwischen Igel und Wasserliesch

unterwegs gewesen. Dieser hat meistens in der anlegernahen Wirtshaft ge-

sessen und Viez getrunken. Wenn die Leute nach Wasserliesch, wollten

musste ihn immer erst einer rufen und die Leute hatten öfter Wartezeiten von

bis zu 30 Minuten in Kauf zu nehmen. Wenn ich mit dem Fährmann unter-

wegs war, hab ich immer gekurbelt (die Fähre war an einem Seil befestigt

das an einer Kurbel war, da die Fähre keinen Motor hatte). Mich hat es immer

ans Wasser gezogen und so bin ich nach meiner Ausbildung zur Marine ge-

gangen und zur See gefahren.

Wir freuten uns früher immer auf die Kirmes, die wie das Feuerwehrfest und

das Fest vom Männergesangsverein ein riesen Spektakel für die Kinder und

Jugendlichen war. Ich sparte das ganze Jahr über nur für diese Feste. Ich

arbeite in den Dorfkneipen auf der Kegelbahn. Dort stellte ich die Kegel auf

und verdiente mir zwei bis dreimal die Woche was für die Feste.

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Ansonsten war unser Leben ganz normal und schön. Wir hatten zwar nicht

viel aber wir wussten damit auszukommen und so verbrachte ich meine

Kindheit und Jugend. (Ich - Erzähler: Manfred Bambach)

Erzählung aus den Jahren 1945 - 1950 von Patrick Mohr

Da ich gerne etwas mehr über die Nachkriegszeit von 1945-1950 wissen

wollte und ich keine eigenen Großeltern mehr habe, machte ich mich auf den

Weg zu einem alten Ehepaar in meinem Heimatdorf Herl. Herr und Frau Ju-

chems wohnen in einem alten Bauernhaus. Als ich sie gefragt habe, ob sie

mir etwas von der Nachkriegszeit berichten könnten, fing Herr Juchems sofort

begeistert an zu erzählen.

Er sprach das Thema Geld in den Jahren 1945 - 48 an. Er berichtete, dass

viele Deutsche meinten, dass die Reichsmark nach der Niederlage nichts

mehr wert sei und dass viele Soldaten im Gefangenenlager die Geldscheine

als Toilettenpapier benutzt hätten. Er sprach davon, dass die Amerikaner sich

kaum um Fragen des Geldes kümmerten und dass die Franzosen das glei-

che gemacht haben, was die Deutschen in Frankreich taten: sie beschlag-

nahmten für ihre Zwecke ungeheure Mengen an Lebensmitteln und Gegens-

tände des täglichen Bedarfs. Frau Juchems, die uns inzwischen einen Tee

gemacht hat erinnert sich, dass das Essen sehr knapp war und dass sie nur

ca. 800 Kalorien täglich zu sich nehmen konnte. Mit einer traurigen Stimmla-

ge erwähnt sie, dass im Jahre 1946 auf der Basilika eine Fahne mit einem

Totenkopf gehisst wurde; die Fahne bedeutete, dass in Trier Hungersnot

herrschte. Umso glücklicher wirkte sie, als sie von den Care Paketen aus den

USA und Spenden aus der Schweiz erzählte, die das Überleben sicherten.

Als ich das Thema Hamsterfahrten ansprach, meldete sich erneut Herr Ju-

chems zu Wort. Er machte mir klar, dass Stadtbewohner, die keine Bezie-

hungen hatten oder von den Sammelaktionen aus irgendwelchen Gründen

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ausgeschlossen blieben, “hamstern” gingen. Dieses Hamstern geschah meist

auf dem Lande durch Tausch. So wanderten manche Gegenstände wie sil-

berne Besteckgarnituren, Vasen, Teppiche und Porzellanservices von der

Stadt aufs Land. Es gab jedoch auch einen offiziell zugelassenen Tausch-

handel. Frau Juchems ergänzte, dass nicht nur die Zeitungen laufend

Tauschangebote veröffentlichten sondern es gab auch Geschäfte, die sich

gegen eine kleine Gebühr in den Dienst des Tausches stellten. Getauscht

wurde alles wie zum Beispiel Schuhe, Kleider, Geschirr, Zigaretten und Wein.

Sie erwähnte ebenfalls einen schwarzen Geldmarkt, auf dem man Gegens-

tände gegen überhöhte Preise erwerben konnte. Diese Form des Handels

war verboten, aber selbst Razzien der Polizei vermochten diese Form der

Geschäftemacherei nicht zu stoppen.

Als am 19. Juni 1948 die Zeitung die Nachricht veröffentlichte, dass am

nächsten Tag die Währungsumstellung erfolgen sollte, war man froh die geld-

lose Zeit überstanden zu haben und man war erleichtert, “als man am nächs-

ten Tag 40 DM anstatt 40 RM in den Fingern hatte”. Auch wenn der Lohn ei-

nes Arbeiters nur 1 DM die Stunde betrug, war man froh wieder sein eigenes

Geld zu haben; Geld das die Freiheit bedeutete. Während Frau Juchems die

damalige Situation schilderte, kramte Herr Juchems ein sehr altes Buch mit

Fotos aus. Wir sahen uns die Fotos gemeinsam an, als Herr Juchems einige

Geldscheine herausschnitt und mir überreichte. Ich bedankte mich vielmals

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und macht mich auf den Heimweg. Durch diese Erzählungen wurde mir klar,

dass die Nachkriegszeit eine sehr schwere Zeit war und das man solche Er-

fahrungen nicht einfach aus Geschichtsbüchern lernen kann.

Erinnerungen meiner Großmutter Von Philipp Schad

Meine Oma wurde 1916 in Beuthen/Oberschlesien geboren. Sie lebte dort bis

zu ihrer Hochzeit im Jahre 1937. Danach lebte sie mit ihrem Mann zwölfein-

halb Jahre in Baustert/Eifel und zwölfeinhalb Jahre in Messerich/Eifel. Seit

1962 lebt sie in Trier.

Als Hitler an die Macht kam, hatte meine Oma mit ihren 17 Jahren recht we-

nig Interesse an Politik. Sie erinnert sich aber, dass man zu Beginn der NS-

Zeit sehr oft uniformierte Männer der SA beziehungsweise der SS sehen

konnte.

Die Leute wurden sehr stark überwacht und so kam es, dass meine Urgroß-

mutter einmal von einem Bekannten gewarnt wurde, dass sie angezeigt wor-

den sei, weil sie über den Führer hergezogen sei und dass sie im Wiederho-

lungsfall nach Auschwitz gebracht werden würde. Meine Oma wusste gar

nicht was Auschwitz war, erfuhr aber dann von dem Bekannten dass es sich

dabei um ein Arbeitslager handelte.

Jüdische Geschäfte wurden boykottiert deshalb wurden z.B. in einem jüdi-

schen Geschäft gefälschte Quittungen ausgestellt und Kunden wurden zur

Hintertür rausgelassen.

Zu Beginn des Krieges wohnte meine Oma bereits in der Eifel, wo mein Opa

Lehrer war. Er wurde sehr früh eingezogen. Weil meine Oma 1942 ihr erstes

Kind erwartete, ging sie zurück nach zu ihren Eltern nach Beuthen. Nach ei-

nigen Wochen kehrte sie aber in die Eifel zurück. Meine Oma konnte sich

auch noch daran erinnern, dass man unter Druck gesetzt wurde in die Partei

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einzutreten, was sie allerdings nicht tat. Als der Krieg dann näher kam und

die Grenzdörfer bei Leixen ins Hinterland evakuiert wurden zwang mein Opa

sie zu ihren Eltern nach Beuthen zu gehen weil dort die Russen noch weit

weg waren. Als dann im Winter 1945 die Russen sehr schnell näher kamen

floh sie dann zusammen mit ihre Mutter, ihrer Schwester und ihrem Kind

nach Fulda wo ihre Schwiegereltern wohnten. Es war keine leichte Zeit, bis

zum Kriegsende wohnten sie bei den Schwiegereltern. Als im Sommer der

Krieg zu Ende war freuten sich die Menschen. Die Amerikaner fuhren durch

den Ort und gaben den Kindern Süßigkeiten jedoch kann sich meine Oma

noch daran erinnern dass auch jemand von einem Berg aus auf die Amerika-

ner schoss, also das es nach Kriegsende immer noch durchaus gefährlich für

die Amerikaner war. Dann ging meine Oma wieder in die Eifel zurück weil

mein Opa dort eine Stelle als Lehrer hatte. Es war nicht leicht zu reisen da-

mals weil die ganze Infrastruktur zerstört war, deswegen musste man oft per

Anhalter fahren. In einem Ort an der Mosel wollte meine Oma übernachten

deshalb fragte sie den Bürgermeister wo man übernachten könne dieser gab

ihr zwar eine Adresse allerdings ging das doch nicht und sie musste mit mei-

ner Tante in einem abgestellten Eisenbahnwaggon übernachten. Am nächs-

ten Tag wurde die Fahrt per Anhalter mit einem Laster fortgesetzt.

In Baustert freute sich der Schulrat über die Ankunft des Lehrers mit seiner

Familie, weil die Lehrerwohnung sonst für Flüchtlinge hätte freigegeben hätte

werden müssen.

Mein Vater von Vera Winden

Mein Vater, Heinz Winden, erzählte mir diese Nachkriegserinnerung:

„Im Februar des Jahres 1942, ca. neun Monate vor meiner Geburt, wurde die

Armee meines Vaters von Frankreich an die Ostfront verlegt. Etwa zwei Jah-

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re später, ohne zwischenzeitlichen Heimaturlaub, geriet er dort in der Nähe

der russischen Stadt Saporosche in Kriegsgefangenschaft.

Zu dieser Zeit wohnte ich mit meiner Mutter und meinen beiden älteren Ge-

schwistern in Weibern, einem kleinen Eifeldorf bei Mayen. Über den Verbleib

meines Vaters, ob er überhaupt noch lebte, war nichts bekannt. Damals war

mir nur vom Erzählen meiner Mutter, meiner Geschwister und der Leute im

Dorf bewußt, dass ich einen Vater haben musste. Ich versuchte mir oft vorzu-

stellen, wie er aussehen könnte und wie er lebte, doch dass ich ihn jemals

sehen und mit ihm leben würde, konnte ich mir nicht vorstellen.

1946 erhielt meine Mutter endlich die Nachricht, dass Vater lebte. Später kam

alle 5 Monate ein zensierter Brief von ihm, den uns Mutter immer andächtig

vorlas. Ich werde nie vergessen, in jedem Brief stand die Ermahnung an uns

Kinder: “ Zuerst die Arbeit, dann das Spiel!“

1948 hatte mein Bruder Kinderkommunion. Mutter weinte in diesen Tagen

des öfteren, wenn sie sich unbeobachtet glaubte. Sonntagsmorgen auf dem

Weg zur Kirche habe ich sie dann gefragt, warum sie Tränen in den Augen

habe, worauf sie antwortete: „Weil Vater jetzt nicht bei uns sein kann." Dies

habe ich damals nicht so richtig verstanden, weil Vater mir eben unbekannt

war und der Begriff „Vater“ mir deshalb wenig bedeutete.

Ein Jahr später, 1949, kamen Leute aus dem Dorf ziemlich aufgeregt zu mei-

ner Mutter und berichteten, im Radio sei eine Liste von deutschen Kriegsge-

fangenen in Russland vorgelesen worden, die demnächst freigelassen wür-

den, und der Name meines Vaters sei auch genannt worden.

Wir besaßen damals kein Radio, doch in unserem Haus wohnte eine Fami-

lie zur Miete, die einen alten Volksempfänger aus Vorkriegszeiten bewahrt

hatte. An den folgenden Tagen waren immer alle Zimmertüren im ganzen

Haus geöffnet und das Radio unaufhörlich so laut gestellt, dass die Nachrich-

ten sogar auf der Straße zu hören waren. Etwa vier Wochen später war es

soweit. Die Leute sprachen mich immer wieder an und meinten: „In den

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nächsten Tagen kommt dein Vater! Übermorgen, morgen siehst du zum ers-

tenmal deinen Vater!"

Ich hatte jedoch immer dieses unwohle Gefühl, weil ich mir unter "Vater" und

seiner Person kaum etwas vorstellen konnte. Ich wusste nur, dass er, bevor

er in den Krieg gezogen war, im Dorf ein geschätzter Mann gewesen sein

musste, so respektvoll wie die Leute von ihm sprachen.

Am nächsten Morgen, gegen 8.30 Uhr, kam dann der Linienbus von Brohl am

Rhein, in dem Vater saß. Er hatte einen Stoppelbart und trug eine seltsam

aussehende, gesteppte Wamsjacke - wie ich später erfuhr: eine typisch rus-

sische Jacke.

Ich hatte richtige Angst vor diesem unbekannten und fremd aussehenden

Mann. Er umarmte Mutter stumm, nahm mich gleichzeitig auf seinen Arm und

drückte und küsste uns unablässig. Doch umso mehr steigerten sich in mir

Unbehagen und Angst.

Dann kamen meine älteren Geschwister aus der Schule gelaufen. Meine

Großeltern, Verwandte und viele Leute aus dem Dorf stellten sich ein, um Va-

ter zu begrüßen. An den folgenden Tagen war in unserem Haus ein Kommen

und Gehen. Wir Kinder wurden häufiger aus der guten Stube auf die Straße

zum Spielen geschickt. Ich habe erst später erfahren, dass Vater dann

Schlimmes erzählte, was wir Kinder nicht hören sollten, wie sie beispielswei-

se als Gefangene gequält und geschlagen worden sind.

Von Stunde zu Stunde wurde mein Vater mir vertrauter. Nach einigen Tagen

bin ich mit ihm, seine Hand nicht mehr loslassend, durch das ganze Dorf,

durch alle Straßen und in viele Häuser gegangen, voller Stolz nun auch wie

andere Kinder einen Vater zu haben."

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Hochzeitsvorbereitungen im Jahre 1946 von Friederike Mertes

Meine Oma erzählt: Wir kamen beide 1945 in unsere Heimatorte aus dem Krieg zurück. Ich, Ma-

ria Schmitt, damals 21 Jahre alt, wohnhaft in Ruwer, kam zu Fuß von Nürn-

berg aus dem Arbeitsdienst nach Hause. Mein spätere Mann, Heinrich Schol-

tes kehrte etwa zur gleichen Zeit als Soldat der Westfront über das Ruhrge-

biet in seinen Heimatort Kasel zurück.

Wie das Leben so spielt lernten wir uns beim Tanz in Ruwer kennen und lie-

ben. Wir beschlossen schließlich Ende 1946 zu heiraten. Unsere Hochzeit

sollte trotz den eingeschränkten Möglichkeiten der Nachkriegszeit ein richti-

ges Fest werden. Für mich wurde das Brautkleid meiner Mutter umgenäht,

was kein großes Problem darstellte, denn meine Tante konnte gut nähen.

Aber wie sollte mein Zukünftiger eingekleidet werden? Von irgend jemand

erfuhren wir, dass eine Kriegswitwe bereit war, den Hochzeitsanzug ihres ge-

fallenen Mannes zu verkaufen. Nach Rücksprache mit ihr, vereinbarten wir

Folgendes: Für 10 Liter Rapsöl sollte der Anzug uns gehören. Nun musste

mein Verlobter irgendwie das Rapsöl besorgen. Er arbeitete als Dachdecker

im Betrieb seines Vaters. So schloss er mit einem Bauern aus Kenn folgen-

den Handel: Er deckte das Dach von dessen Haus und erhielt als Gegenleis-

tung einen halben Zentner ( 25 kg ) Raps. In Kasel lieh er sich bei einem an-

deren Bauern eine Ölmühle aus, dieser verlangte wiederum für das Ausleihen

einen Liter Öl. Schließlich blieben ihm noch 7 Liter Rest. Die Frau gab ihm

Gott sei Dank auch dafür den Anzug. Jetzt fehlten ihm nur noch die Schuhe.

Meine Nachbarin in Ruwer reiste regelmäßig nach Pirmasens und versprach,

ihm ein Paar Lederschuhe zu besorgen. Tatsächlich brachte sie ihm Schuhe

mit - jedoch für einen Preis von sage und schreibe 1000 RM. Geld besaß

Heinrich durch seine Arbeit ja genug, obwohl er sich in dieser Zeit lieber in

Naturalien bezahlen ließ. Nun war die Kleiderfrage gelöst.

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Ich wollte natürlich auch Kuchen, Wein und ein gutes Essen für die Gäste.

Mein Zukünftiger konnte sich seine Arbeit mit Wein, Kartoffeln und bei einem

Bauern sogar mit einem großen Stück Rindfleisch entlohnen lassen. Zum gu-

ten Kuchen fehlte nur noch Weizenmehl. Da bot sich mir die Gelegenheit bei

einem Bauern im Ort bei der Ernte mitzuhelfen. 14 Tage arbeitete ich von

morgens in der Frühe bis spät am Abend auf den Feldern und erhielt schließ-

lich einen halben Zentner Weizen. Ich war überglücklich. Ganz in unserer

Nähe war eine Mühle. Dorthin brachte ich auch direkt das Getreide zum Mah-

len. Zu meiner Überraschung erhielt ich für den Weizen wieder genau einen

halben Zentner Mehl. Der Müller verlangte keines als Mahllohn für sich, es

war sein Hochzeitsgeschenk an uns. Darüber waren wir überaus erfreut,

denn so hatten wir noch Mehlreserven über die Hochzeit hinaus, obwohl für

alle genügend Kuchen gebacken werden konnte. Schließlich konnten wir am

16. November 1946 in angemessener Kleidung vor den Priester treten und

anschließend mit unseren Familien und Freunden ein wundervolles Fest fei-

ern, an dem alle genügend zu essen und Wein zu trinken hatten.

Erlebnisse in der Nachkriegszeit von Simon Schmidt

Kriegsausbruch, Gefangennahme, Freilassung, Schwarzmarkt und Wäh-

rungsreform – „Das Beste war die Gefangenschaft“ sagt Karl Kaiser (80).

Bei der Währungsreform im Julie 1948 waren sie Mitte 20. Zu welchem Stand

gehörte ihre Familie und hatten Sie Probleme mit der Entnazifizierung und

der Erschaffung eines Persilscheins?

Herr Kaiser: Wir waren Landwirte, nicht reich und nicht arm. In meiner Familie

gab es keine Probleme so ein Schein zu bekommen. Sie waren gegen die

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Nazis. Ein Bruder von mir war Soldat, aber er ist gefallen und ich war fast

während des ganzen Krieges in Gefangenschaft.

Wie kamen sie in die Gefangenschaft und wie lange waren sie gefangen?

Herr Kaiser: 1941 wurde ich in Afrika von Franzosen gefangengenommen.

Ich war beim Nachrichtendienst . Ich wurde gerade einer Abhörpatrouille zu-

geteilt. Mehrere Kollegen mussten den Franzosen Koordinaten deutscher

Schiffe sagen, die sie dann abgeschossen haben. Zum Glück wurde ich 1947

erst wieder entlassen.

Sie sagen zum Glück. War die Gefangenschaft nicht schlimm?

Herr Kaiser: Nein, ganz im Gegenteil. Nach den Genfer Konfessionen durften

die Gefangenen ja nicht arbeiten. So gab es immer gutes Essen und wir

spielten den ganzen Tag nur Fußball. Das ist wohl auch der Grund warum

Deutschland 1954 Weltmeister wurde. Na ja, das war aber auch nur in Ame-

rika in Texas so. Wir wurden ja von den Franzosen gefangen genommen,

dann kamen wir nach England und dort wurde uns erst mal alles wegge-

nommen. Ringe, Uhren und auch meine Mütze. Erst danach kamen wir nach

Amerika. Später dann nach Frankreich und wurden dann aus der Haft entlas-

sen.

Hatten Sie Probleme ihre Familie wiederzufinden?

Herr Kaiser: Nein. Meine Familie lebte ja auf dem Land und musste nicht

flüchten.

Haben sie viel vom Schwarzmarkt mitbekommen oder haben sie auch selber

gehandelt?

Herr Kaiser: Wir hatten kaum etwas zum tauschen und wir konnten uns ja

fast selbst versorgen, aber da die Franzosen uns viel abgenommen haben

mussten wir natürlich auch handeln. Ein Lehrer den ich gut kannte hat uns

mal gewarnt das es am nächsten Tag eine Razzia geben wird, deshalb habe

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ich in der Nacht schnell zwei Kartoffelsäcke in der Scheune im Heu versteckt

die wir im Keller hatten, damit die uns die nicht abgeholt werden.

Hatten sie viel Geld und eine Arbeit? Es war bestimmt schwer eine zu finden

da man erst nachweisen musste das man Entnazifiziert ist und mehrere

Nachweise vorlegen musste wie einen amtsärztlichen Artest u.a.?

Herr Kaiser: Es hat ziemlich lange gedauert bis ich eine Arbeit bekommen

hatte. Als wir frei gekommen waren wurden wir zur Bernkastler Brücke ge-

schickt um sie wieder aufzubauen, doch mein Chef meinte das er mich nicht

gebrauchen könnte. Ich habe ja eine Ausbildung als Kaufmann gemacht und

später hatte ich eine Stelle in der Bezirksregierung, also damals hieß sie

noch Versorgungszentrale, wieder durch die Hilfe des Lehrers bekommen.

Das war aber schon 1950. 130 DM habe ich dort verdient, aber später gab es

dann 7% und dann 11% Gehaltserhöhung.

Sie sprechen schon die DM an. Waren Sie bei der Reform ´48 dafür oder da-

gegen?

Herr Kaiser: Also, ich war nicht dafür und nicht dagegen. Ich nahm es halt wie

es kam.

Wie wurde die neue Währung eingeführt? Gab es Probleme? Konnte man

sich schnell daran gewöhnen?

Herr Kaiser: Ich denke man hatte weniger Probleme als mit der Einführung

des Euros. Man hat 40 DM bekommen und davon habe ich mir erst einmal

einen Anzug gekauft. Vorher hatte ich immer meistens meinen früheren Ge-

fangenenanzug an, auf dem noch AP (American Prisoner) auf dem Rücken

stand.

Die noch altes Geld auf dem Konto hatten, bei denen wurde es noch 1 zu 10

(eine DM zu 10 RM) umgetauscht, aber ich hatte ja nichts. Ich hatte noch et-

was Amerikanisches Geld, das ich während meiner Gefangenschaft für 8

Cent pro Tag erarbeitet hatte.

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Das musste ich aber bei der Landeszentralbank wechseln. Das war ein weiter

Fußmarsch. Ich musste öfters lange gehen. Als ich geheiratet hatte musste

ich eine Wohnung suchen. Da bin ich von Trier bis nach Longuich immer den

Eisenbahnschienen nach gegangen und in jedem Dorf nach einer Mietwoh-

nung gefragt, aber die meisten sagten: „So was kenne ich nicht“.

Hat sich der Wohlstand schnell bei ihnen eingeführt? Oder insgesamt bei der

Bevölkerung?

Herr Kaiser: Nein. Das ging alles ganz langsam. Nachdem die Währung ein-

geführt wurde war ich in einer Wirtschaft in Trier essen und ich muss sagen

das Essen war ganz schlecht. Wir nannten das immer das motorisierte Es-

sen. Da die Maden immer die Bohnen bewegten. Wir haben deshalb immer

ein großes rundes Bauernbrot gekauft und das reichte dann eine ganze Wo-

che, auch wenn es ziemlich hart wurde, es war immer noch besser als das

Essen in der Wirtschaft. Aber die Geschäfte waren auf einmal wieder voll mit

vielen verschiedenen Sachen. Die Besitzer haben wohl das ganze Zeug ge-

hamstert und versteckt und jetzt wieder hervorgeholt.

Gab es nach der Einführung der neuen Währung noch den Schwarzmarkt?

Herr Kaiser: Nein. Jeder konnte sich jetzt das kaufen, was er wollte.

Was war für Sie die schlimmste Zeit oder was war für Sie die schönste?

Herr Kaiser: Ich habe es sicherlich verhältnismäßig sehr gut gehabt. Von den

ganz schlimmen Zeiten habe ich nichts mitgekriegt und meine Familie hat es

auch nicht sehr getroffen. Da ging es denen in der Stadt viel schlechter. Als

ich frei gelassen wurde war es wohl am Schlimmsten und das Beste war die

Gefangenschaft.

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Die Not ist groß

Das Leben im verminten Deutschland nach dem Krieg von Severin Justen

Auf der Naumeter Kupp bei Waldrach steht ein Kreuz. Was hat es damit auf

sich?

Als nach dem Krieg die Straßen und Brücken zerstört waren, wurden diese

lange Zeit nicht wieder aufgebaut.

Die meisten Häuser waren zerstört und provisorisch wieder aufgebaut, die

Nahrung war knapp und schwer zu beschaffen.

Daher mussten Menschen, die von Dorf zu Dorf, oder etwa nach Trier woll-

ten, querfeldein, kilometerweit über Berge und Felder oder durch den Wald

gehen. So geschah es, dass am 20. März 1950 drei Jungen im Alter von etwa

12-14 Jahren ihr Vieh, welches den Krieg überlebt hatte, bzw. neu hinzuge-

boren wurde über die Naumeter Kupp führte, um es dort weiden zu lassen.

Dort entdeckten sie eine große Menge an Munition und Geschützen aus den

Kriegsjahren. Natürlich wurden die Jungs sehr neugierig, und sahen sich dies

einmal genauer an. Doch beim Spielen mit den Waffen entzündete sich etwas

und mit all den Munitionsrückständen sprengte sich das Gelände durch den

Ablauf einer Kettenreaktion fast völlig in die Luft.

Alle drei Kinder kamen bei diesem Unglück ums Leben. Dort wo sich all das

abspielte, erinnert nun ein Kreuz als Mahnmal an den Krieg und das schreck-

liche Unglück.

Nach dem Krieg, in der Besatzungszeit, war die Erde übersät mit nicht explo-

dierten Minen und Granaten und hinterlassenen, scharfen Waffen. Außer in

Ortschaften wurde sonst fast nirgendwo richtig geräumt.

Deshalb war dies keineswegs ein Einzelfall, sondern eher ein Vorfall, der

trauriger Weise schon beinahe zum alltäglichen Geschehen gehörte.

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Tausende Menschen wurden noch nach dem Krieg Opfer von Unmengen an

Minen und Blindgängern. Unzählige Kinder fanden durch das Spielen mit

Granaten und Handfeuerwaffen im Gelände den Tod, denn oft hantierten sie

damit herum, ohne zu ahnen, was für ein Schicksal sie meist erwartete.

Nach einer Erzählung von Elfriede und Josef

Marx, ehemaliger Ortsbürgermeister von Korlin-

gen, die sich an das Leben als Kinder mit ihren

Freunden im zerstörten Deutschland nach 1945

erinnern.

Die Situation im Dorf meiner Großmutter von Johannes Gorges

Kurz vor Ende des Krieges rückten die Amerikaner auf ihrem Vormarsch in

Osann ein. Kinder lagen auf der Straße und hielten ein Ohr auf den Boden,

um dem immer näherkommenden grollenden Getöse der Panzerketten zu

lauschen. Als die Panzer und Transporter im Dorf eintrafen, zogen die Kinder

sich ängstlich in die Hausnischen zurück. Zum erstenmal erblickte man farbi-

ge Männer („Schwarze“). Dies vergrößerte ihre Angst noch mehr.

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Es begann ein neues Leben für die Bevölkerung. Zunächst wurde die Zivilbe-

völkerung aus der noch umkämpften Frontlinie zurück gezogen. Alle waren

glücklich über das Ende des Krieges, man hatte jedoch große Angst vor Ver-

geltung. Dies war unter anderem damit begründet, dass viele Juden in dem

Dorf wohnten und man wusste was ihnen zugefügt wurde. Große Angst vor

der Reaktion der Amerikaner kam auf. Diese waren jedoch eher freundlich

und schenkten zum Beispiel Kindern Kaugummi und Erwachsenen Zigaret-

ten.

Die Bevölkerung musste sich aber auch an neue Dinge gewöhnen, wie eine

Sperrstunde, bei der ab 18 Uhr bis 6 Uhr niemand mehr auf die Straßen durf-

te.

Bald begannen die Amerikaner mit der Entnazifizierung. Dabei kam es zu ei-

ner Verhaftungswelle, bei der alle, die etwas mit der NSDAP zu tun hatten,

verhaftet wurden.

Jedes Haus wurde von acht bewaffneten Amerikanern nach versteckten Sol-

daten oder Parteimitgliedern durchsucht. Die Verständigung erfolgte über ei-

nen Offizier, der deutsch sprach oder sie fragten die Frauen immer: „Wo ist

dein Mann?“

Verdächtige wurden gefangen genommen und nach Trier auf den Petrisberg

gebracht, von dort kamen sie nach Idar-Oberstein und letztendlich nach Diez

an der Lahn, wo sie in Tongruben arbeiten mussten (Internierung). Angehöri-

ge wussten nicht, wohin die Verhafteten gebracht worden waren und durften

sie auch nicht besuchen. Kontakt war nur durch das Schmuggeln von Briefen

aus und in das Lager möglich.

Während der Gefangenschaft wurden die Daten der Inhaftierten überprüft

und wer nichts Auffälliges aufwies, wurde nur als „Mitläufer“ eingestuft und

musste ein Sühnegeld bezahlen. Sie wurden dann auch bald aus der Gefan-

genschaft entlassen. Andere wurden nach England und Amerika in Haft ge-

nommen.

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Die Angehörigen der Parteimitglieder hatten derweilen mit der Beschlagnah-

mung ihrer Möbel zu tun. Dabei musste man belegen, dass die Dinge

rechtsmäßig erworben worden waren. Nur so war es möglich, dass die Möbel

bald wieder zurückgegeben wurden. Bei einigen Bauern wurde das Vieh aus

den Ställen getrieben und abtransportiert.

Andere mussten mit der Versorgung ihrer täglichen Lebensunterhalte kämp-

fen. Dabei machte man Hamsterfahrten in die Stadt, bei denen Dinge wie

Butter, Milch oder Fleisch gegen Kleidung und Schuhe getauscht wurden. Um

den Lebensunterhalt zu sichern, mussten viele in den „Frondienst“ gehen, bei

dem sie für wenig Geld hart arbeiteten.

Zu den großen materiellen Problemen kam bei vielen Frauen die Ungewiss-

heit über den Verbleib ihrer Männer hinzu. Man wusste nicht, ob sie im Krieg

gefallen oder als Kriegsgefangene inhaftiert waren. Dies führte neben dem

Kampf ums tägliche Überleben zu großem seelischem Leid. Auch sammelten

viele Jungen im Dorf zurückgebliebene scharfe Munition und spielten damit.

Dabei kam es zu tragischen Unfällen, bei denen die Kinder schwere Verlet-

zungen erlitten.

Durch die Aufteilung der Siegermächte wurde der Ort der französischen Be-

satzungszone zugeteilt. Die französischen Soldaten mussten mit ernährt

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werden. Sie kontrollierten die Lebensmittelversorgung und den Viehbestand.

Dies führte dazu, dass z.B. heimlich („schwarz“) Schweine unter primitiven

Bedingungen im Keller geschlachtet wurden.

Vom Krieg verschont und dennoch arm von Thomas Hank

Meine Oma Martha, die in der Nachkriegszeit fast so alt war, wie ich es heute

bin, erinnert sich an diese Zeit so:

Glücklicherweise waren unser Haus und Hof weitgehend verschont geblie-

ben. Armut und Not waren zwar groß aber den Leuten, die keine Verbindung

zur Landwirtschaft hatten, - meine Urgroßeltern hatten einen großen Bauern-

hof, betrieben Weinbau und eine Schnapsbrennerei - erging es noch schlech-

ter.

Tagtäglich seien Menschen aus Trier und Umgebung mit einem leeren Kin-

derwagen oder Handkarren gekommen und baten um Nahrung. Meine Ur-

großeltern versorgten alle mit Mehl, Brot, Eiern, Kartoffeln und Gemüse aus

dem Garten ohne Gegenleistungen zu verlangen. Einen Hamstertausch gab

es also nicht.

Folgende Erlebnisse aus dieser Zeit sind ihr besonders in Erinnerung geblie-

ben. Im Nachbardorf Osburg wurde das Dach von einem Haus abgedeckt.

Mein Uropa tauschte für Schnaps, den er während dem Krieg schwarz ge-

brannt und hinter dem Haus vergraben hatte, Ziegel ein, und half so das

Dach neu zu decken.

In Morscheid, ein anderer Nachbarort, starben viele Menschen durch Bom-

benangriffe. Sie wurden oft nur im Garten vergraben. Nach dem Krieg wurden

sie wieder ausgegraben, um auf dem Friedhof ihre letzte Ruhe zu finden.

Holz und Bretter waren Mangelware. Uropa handelte einen Wagen mit Bret-

tern zusammen und fuhr diesen nach Morscheid, um Särge zu zimmern.

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Es sei eine schwierige Zeit gewesen, fasst meine Oma, ihre Erinnerungen

zusammen. Bis heute kann sie nicht verstehen, dass es damals auch Leute

gab, die die Not ihrer Mitmenschen ausgenutzt haben und sich mit Möbeln,

Schmuck und Wäsche haben bezahlen lassen. In dieser Zeit entstanden

Kontakte und Freundschaften zu Leuten aus Trier und Umgebung, die bis

heute bestehen, obwohl schon einige Generationen dazwischen liegen.

Unmittelbare Nachkriegszeit aus der Sicht meiner Oma von Nina Maier

Bei Kriegsende war meine Oma elf Jahre alt. Sie lebte mit ihren Eltern und

ihren acht Geschwistern in Ruwer. Die fünf Brüder meiner Oma waren im

Krieg. Zwei davon waren in russischer Gefangenschaft und ihr ältester Bru-

der, der bei der Marine war, ist gefallen.

Musstet ihr evakuiert werden?

Nein, nicht direkt. Aber nachdem unser Haus am 24. Dezember 1944 durch

einen Bombenangriff zerstört wurde, mussten wir zu der Cousine meiner Mut-

ter umziehen.

War in dem neuen Haus denn überhaupt genug Platz für euch alle?

Obwohl meine fünf Brüder noch im Krieg waren, war es sehr eng, weil unse-

rer Familie nur ein Schlafzimmer zustand. Die Küche mussten sich unsere

Familien teilen, ebenso wie das Klo außerhalb des Hauses.

Du bist doch damals noch zur Schule gegangen. Hast du auch etwas von den

Schulspeisungen mitbekommen?

Ja, natürlich. Meistens gab es Suppen, zum Beispiel Kartoffel- oder Erbsen-

suppe. Manchmal gab es auch nur Butterbrote mit Wasser und Kakaopulver.

Das alles gab es natürlich nur in kleinen Rationen, weil wir sehr viele Kinder

in einer Klasse waren.

Damals war ja alles sehr knapp, sogar das Papier. Hattet ihr denn genügend

Schreibutensilien?

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Meine drei Geschwister und ich hatten noch nicht einmal einen Schulranzen.

Wir mussten unsere Schulbücher mit einer Schnur zusammenbinden. Ich hat-

te dann noch eine kleine Tafel mit Griffel. Das war aber auch alles. Später

haben mein jüngerer Bruder und ich jeweils eine Schere bekommen.

Hast du auch an Hamsterfahrten teilgenommen?

Nicht so direkt. Als mein Bruder aus der Gefangenschaft zurückkehrte, brach-

te er einen Freund mit, der dann für ein paar Tage bei uns übernachtete. Mit

diesem jungen Mann, dessen Eltern einen Bauernhof hatten, waren wir

„hamstern“. Meine Geschwister und ich sind damals durch Wald und Felder

zu ihrem Haus marschiert. Dort haben wir dann Kleidung gegen einen Sack

Kartoffeln eingetauscht. Abends sind wir dann wieder zurück gegangen. So

richtige Hamsterfahrten gab es eher in den Städten.

Hast du auch noch Erinnerungen an den Schwarzmarkt?

Ja, aber sehr wenige. Ich war ja damals noch sehr jung. Mein Vater hat dort

oft Kaffee, den wir aus Eicheln geröstet hatten, gegen Butter, Eier, Schinken

oder sonstige Sachen eingetauscht. Da mein Vater auch rauchte, hatte er

manchmal, einen Teil der getauschten Sachen wieder gegen Zigaretten ein-

getauscht, weil diese damals sehr rar waren.

Die Lebensmittelmarken waren die offiziellen Tauschmittel. Haben diese

denn nicht ausgereicht?

Nein, nicht so richtig. Die Rationen waren sehr klein. Aber da mein Vater ein

Schwerstarbeiter war, bekamen wir ja eine zusätzliche Ration. Auch Bekann-

te von uns hatten einen Bauernhof. In der Not haben sie uns, wenn auch

nicht viel, ausgeholfen.

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Langsur in den Nachkriegsjahren von 1945-1948 von Johannes Bauer

Etwa zwei Drittel des Landbesitzes der Langsurer Einwohner stehen unter

der Sequester, d.h. sie werden von einigen Luxemburger Männern im Auftrag

ihrer Regierung als sog. „Feindvermögen“ vorläufig verwaltet, wie es heißt bis

zu einem endgültigen Friedensschluß. Was diese „Verwaltung“ für die Ein-

wohner bedeutet, sollten sie bald erfahren, als Weinberge und Ländereien,

die außerhalb des geschlossenen Bannes auf der anderen Seite lagen, also

vor allem von Wasserbillig nach Mertert zu, öffentlich versteigert wurden. An

eine Vergütung an die eigentlichen Besitzer in Langsur war natürlich gar

nicht erst zu denken.

Der geschlossene Bann gegenüber Langsur sollte vorerst nicht versteigert

werden, denn es schien bei den „Siegern“ noch einige Bedenken zu beste-

hen. Das Land jedoch durfte auch nicht von den Bauern bebaut werden, da-

für war das Gefangenengut Givenich bei Mompach zuständig. Daraufhin ver-

suchte der damalige Pfarrer der Gemeinde Langsur mit einigen Männern bei

der Gemeindevertretung von Wasserbillig die ersten Besprechungen über

den verbleib der Felder in gang zu bringen. Es ist das erste Mal das die klei-

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ne Truppe einen Teil des Schadens erblickt welcher von den sinnlosen

Sprengungen der Deutschen angerichtet wurde. Das gesamte Kanalnetz war

durch die Hauptstraße gesprengt und auch alle Häuser waren von der ver-

heerenden Explosion in Mitleidenschaft gezogen worden. Alle Eisenbahn-

übergänge und ein teil der Fabrik waren gesprengt und größtenteils zerstört.

Doch Luxemburg begann sich schon wieder zu erholen, die Menschen dort

lebten um einiges besser als die besiegten Deutschen. Die vielen Waren und

so lange schmerzlich vermissten Sachen wie Kaffee und Zigaretten gab es

hier, zwar zu unbezahlbaren Preisen, aber dennoch erweckte der bloße An-

blick Erinnerungen an längst vergessene Zeiten des Friedens.

Trotz des angerichteten

Schadens wurde man

als Langsurer freund-

lich aufgenommen und

in der Gemeindever-

tretung zeigte man

Verständnis für die

verheerende Lage in

der sich die Bauern und

das ganze Dorf befand, deshalb wurde versichert die Bitte der Langsurer bei

der Luxemburgischen Regierung „günstig“ vorzutragen. Doch leider konnte

trotz aller Bemühungen nur erreicht werden das Politisch „unbelastete Leute“

die Weinberge auf der anderen Seite pachtweise zurückerhielten und bebau-

en durften. An das eigentliche Land welches wegen der mangelnden Nah-

rung so wichtig gewesen wäre war in diesem Augenblick noch nicht zu den-

ken. Nach und nach wollten immer mehr Ortsbewohner diese begehrten

Pachtausweise, doch da nur wenige sie erhielten gab es böses Blut unter den

Bewohnern und doch war von der Ortsleitung alles getan worden um die Sa-

che gerecht und zum Wohle aller zu klären. Die entscheidenden Männer je-

doch saßen in Luxemburg was die „Besiegten“ zu Mittellosen Zuschauern

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machte. So war es fast selbstverständlich das die glücklichen die an den

Kontrollen vorbei rüber nach Luxemburg kamen die Möglichkeit nutzten und

so genannte Mangelware besorgten und hinter der Grenze Verkauften. Das

war keine Schwierigkeit, denn es fehlte an allem: Schuhriemen, Kleider, Kaf-

fee bis zum Kragenkopf. Doch nicht jeder Schmuggler blieb unentdeckt, und

so landete so mancher hinter Gittern.

Ende 1946 und Anfang 1947 bekamen fast alle ehemaligen Weinbergbesitzer

ihre Pässe und größte Zufriedenheit trat ein. Doch leider wurde immer noch

ein Großteil des für den Wiederaufbau benötigten Geldes mit schmuggeln

verdient und manche ließen sogar ihr neues Land brachliegen um sich ganz

auf den Schmuggel zu spezialisieren.

Mitte 1947 war sie Ernährungssituation sehr ernst, da jedem Dorf zu Beginn

des Jahres Ablieferungslasten auferlegt wurden. Da die Einwohner die Vieh-

abgabe bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht erreichen konnten erschien

eines Tages einfach die Viehkontrolle und holte 15 Kühe aus den Ställen, bei

einigen die einzige Kuh, bei anderen Leuten wurde das Gespann völlig aus-

einandergerissen, wieder bei anderen wurde einfach die frische Kuh mit dem

Kalb geholt. Trotz dieser Abgabe und der Getreideabgabe nach der letzten

Ernte kam jedoch schon wieder ein dringender Aufruf des Landrats zur Not-

abgabe. Aber langsam fragten sich die Leute was sie noch abgeben sollten,

denn es war kaum noch etwas da.

Dem Brot wurde Maismehl in größerem Prozentsatz beigemischt, die Mühlen

wurden geschlossen, Gerste, Korn und Weizen werden in bestimmten Sätzen

dem Brot beigebacken.

Die Not in den Städten, auch schon in Trier, ist erheblich angestiegen aus

diesem Grund nahm das Hamstern so zu das es in den Dörfern kaum zu er-

tragen war. Die Langsurer können sich nur noch wegen ihrer Grenznähe ei-

nigermaßen helfen und das auch nur weil die Grenzbeamten verständnisvoll

das eine oder andere „übersehen“. Da Haupttauschmittel ist der Kaffee der

sich in der Stadt zu utopischen Preisen verkaufen lässt. Für 2 bis 3 Pfund

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Kaffee kann man ein paar Schuhe bekommen, oder Stoffe und andere Man-

gelware einlösen. Durch den Schmuggel ganz gut über die Runden gekom-

men konnte man sich jetzt auch wieder dem Weinanbau zuwenden, einer

nicht unrentabeln Knochenarbeit.

Doch der Traubenherbst fällt gut aus und nachdem das Seqesteramt eine

bestimmte Menge lesen ließ, konnte man das Fuder für ungefähr 840, -RM

verkaufen. Was aber nur die wenigsten taten, denn wie lange hatten die

meisten schon keinen Wein mehr getrunken.

So kam es nicht gerade zur Freude des Pastors zu so manchen Exessen.

Die Währungsreform von 1948 mochte für so manchen einen tiefen Einschnitt

bedeutet haben aber das Wirtschaftsleben einen unglaublichen Aufschwung.

Die Geschäfte zeigten auf einmal – über Nacht – Auslagen wie man sie wäh-

rend wer ganzen Kriegszeit nicht mehr kannte. Es gab wieder Waren zu kau-

fen, die bisher nur denen vorbehalten waren, die kompensieren konnten.

Gewiss, das Geld war rar, aber man konnte kaufen. Die Weinpreise erstiegen

in diesem Jahr die unglaubliche Höhe von 2000 RM pro Fuder.

Der Jahrgang 1948 war zwar nicht der Beste, aber von einer Quantität das

sich die Leute wieder einiges Leisten konnten was bisher unerschwinglich

war.

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Not macht erfinderisch

Nachkriegszeit an der Obermosel von Daniel Kohn

Nicht nur die Großstädte, sondern auch die Grenzregionen waren hart vom

Krieg betroffen. Durch die Evakuierung der Menschen von der Obermosel im

September 1944 an die Mittelmosel und in den Hunsrück bestand keine Mög-

lichkeit, Lebensmittelrücklagen für spätere Zeiten zu schaffen. Dies hatte zur

Folge, dass die Menschen nach ihrer Rückkehr im Mai 1945 völlig von der

Landwirtschaft abhängig waren. Da es aber in Folge des Krieges an allem

Lebensnotwendigen wie Fett und Zucker mangelte, wurden zusätzlich von

den dortigen Behörden (Amtsverwaltungen) Lebensmittelkarten bis 1948

ausgegeben, welche die Versorgung der Bevölkerung gewährleisten sollten.

Hierfür wurde eine sogenannte Zwangsbewirtschaftung eingeführt. Sie ver-

pflichtete die Abgabe von Fleisch, Gemüse etc. abhängig von der Anzahl der

Personen im Haushalt.

Aufgrund des Wertverlustes des Geldes florierte der Tauschhandel. Um z.

Bsp. an Brot zu gelangen, waren Hamsterfahrten von der Obermosel bis in

den Hunsrück nötig, welche 3 bis 4 Tage dauerten. Auch Schuhe waren rar.

Ein bekannter Handelsplatz hierfür war Pirmasens. Als Tauschmittel war vor

allen Dingen Alkohol (Schnaps, Wein) allseits gern gesehen. Durch die Nähe

zu Luxemburg wurde auch die Mosel zu einem Schmuggelweg vor allem für

Kaffee und Tabak umfunktioniert. Dem Einfallsreichtum beim Schmuggeln

wurde dabei keine Grenzen gesetzt. Damals gab es an bestimmten Stellen

der Mosel Furten, die eine komplette Überquerung zu Fuß möglich machten.

Beim Passieren der Grenzen wurden die Schmuggelwaren in der Unterwä-

sche vor den Grenzwärtern versteckt. Ebenso wurde der Vieherwerb zum

Abenteuer. Leute zogen manchmal durch das ganze Rheinland, sogar bis

nach Westfalen und Hannover, um Rindvieh und Schweine zu kaufen. Durch

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die vielen Zerstörungen an den Eisenbahnen mussten sie die Strecken zu

Fuß oder per Rad zurücklegen. Laut den Erzählungen meiner Oma musste

sie um an ein Ferkel zu gelangen mit dem Fahrrad von Temmels bis nach

Kell fahren. Als Gegenleistung forderte der Bauer ein Paar Schuhe und zwei

Liter Schnaps.

Auch die zerstörten Häuser wurden durch den Tauschhandel (Baumaterialien

gegen Naturalien) hauptsächlich von Frauen und Kinder wieder aufgebaut.

Da aber nur wenige Dachziegeln heil geblieben waren, bedeckte man die

Dächer gezwungener Maßen mit Blech jeglicher Art. Auch Glas war Mangel-

ware. Um nicht ganz im Kalten zu sitzen, vernagelte man die Fenster mit

Brettern, Sperrholz, Pappe etc. . Kleider hingegen wurden aus den Militäruni-

formen notdürftig umgeändert.

Diesem Schwarzmarkt wollten die jeweiligen Besatzungsmächte entgegen-

wirken. So wurde z. Bsp. die französische Besatzungszone in einzelne Be-

zirke eingeteilt. Jeder, der von einem Bezirk in den anderen wechseln wollte,

wurde auf Tauschartikel kontrolliert. Falls welche vorhanden waren, wurden

diese beschlagnahmt. Das Passieren der Grenzen zwischen den einzelnen

Besatzungsgrenzen entpuppte sich zu einem weiteren Problem. Zudem gab

es in jedem Dorf an der Obermosel einen „Hilfssheriff“, zumeist ein ehemali-

ger französischer Fremdenlegionär, der auf Recht und Ordnung achtete. Sie

waren in ihrem Vorgehen sehr radikal . Bei Missachten der von ihnen aufge-

stellten Regeln, beispielsweise des Sperrverbotes nach 20.00 Uhr oder des

Ziehens von Hut und Mütze beim Vorübergehen, drohten harte Sanktionen.

Mit der Einführung der Deutschen Mark (DM) 1948 endete der Tauschhandel.

Zugleich verbesserte sich die wirtschaftliche Lage der Bevölkerung und die

Grundlage für das deutsche Wirtschaftswunder wurde geschaffen.

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Eine besondere Hamsterfahrt von Tim Prenzel

Die folgende Geschichte hat mir mein 80jähriger Großvater erzählt, als ich

ihn nach einem Nachkriegserlebnis fragte, das ihm besonders viel bedeutet.

Um sie zu verstehen, muss man wissen, dass die Lebensmittel nach Kriegs-

ende knapp waren und die Lebensmittelmarken oft nicht für eine große Fami-

lie wie die meines Großvaters ausreichten. Deshalb musste er häufig mit dem

Fahrrad aufs Land fahren, um Geschirr, Kleidung oder andere nützliche Din-

ge gegen Nahrung einzutauschen. Jedoch war dieses sogenannte „Hams-

tern“ ausdrücklich verboten und man musste aufpassen, dass man nicht in

eine Kontrolle geriet, bei der die „erhamsterte“ Ware eingezogen wurde.

An eine dieser Hamsterfahrten erinnert sich mein Großvater ganz besonders:

„Nachdem ich 30 km mit dem Fahrrad gefahren war und in mehreren Dörfern

vergeblich versucht hatte, Lebensmittel zu ertauschen, erreichte ich schließ-

lich den kleinen Ort Dierscheid. Auch hier wollte ich probieren, den Schmuck

meiner Mutter und die Hefe, die ich von Bekannten erhalten hatte, bei einer

Bauernfamilie gegen Nahrungsmittel und ein wenig Milch einzutauschen.

Während meiner Suche nach einem Bauernhof, in dem noch Licht brannte,

wurde ich jedoch zunächst nur als Bettler beschimpft. Ich gab nicht auf und

kam letztendlich zu einem großen Bauernhaus vor dem ich eine Bäuerin sah.

Ich war mir nicht sicher, ob auch sie mich wegschicken würde, deshalb fragte

ich die Frau vorsichtig, ob sie bereit wäre mir zu helfen und meine Waren im

Tausch gegen etwas zu essen annehmen würde. Zu meiner großen Überra-

schung und Freude lud sie mich ohne zu zögern in ihr Haus ein und rief ihren

Mann. Auch dieser begrüßte mich sehr freundlich und bot mir Butter zum

Tausch an und sagte zugleich, dass er erst am nächsten Morgen wieder

Milch habe. Da ich aufgrund der Dunkelheit nicht mehr am gleichen Abend

zurück nach Trier fahren konnte, bot mir der Bauer an, auf dem Bauernhof zu

übernachten. Und damit nicht genug: Die Bäuerin gab mir sogar einen Teller

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Suppe zum Abendessen. Die beiden erklärten mir, dass sie dies alles des-

halb für mich taten, weil sie nicht so sehr vom Krieg betroffen waren und sie

sähen, dass es anderen viel schlechter ginge.

Am nächsten Tag wurde ich gegen sechs Uhr geweckt und die Milch stand

schon bereit. Im Gegenzug gab ich ihnen meine Hefe und den Schmuck. Ich

bedankte mich bei ihnen und sie wünschten mir eine gute Heimreise und al-

les Gute. Ich machte mich schnell auf den Heimweg, da ich die ‚gehamster-

ten’ Dinge schnell nach Hause bringen wollte. Ich habe die Freundlichkeit die-

ser Menschen bis heute nicht vergessen.“

Da der Krieg viele Opfer forderte, war es wichtig einander zu helfen. So hal-

fen wie in dieser Geschichte die Menschen, die weniger betroffen waren,

denjenigen, die stärker im Krieg gelitten hatten. Diese Hilfe bestand nicht nur

aus dem wichtigen Tausch von Ware gegen Nahrung, sondern auch manch-

mal daraus, dass Familien andere Leute aufnahmen, um ihnen ein Dach über

dem Kopf zu bieten. Ohne diesen Zusammenhalt wäre der Wiederaufbau

noch schwieriger gewesen.

Die erste Zeit nach dem Krieg von Matthias Dellwing

Mai 1945 - Ende des 2. Weltkrieges.

Knapp 6 Jahre dauerte der Krieg. Nach Jahren in Angst mit Bombenangriffen,

Armut, Hunger und Elend endlich ein Aufatmen. Unzählige Dörfer und Städte

lagen in Schutt und Asche. Die Versorgung war zusammengebrochen,

Transportwege und Häuser zerstört, aber der Krieg war aus.

Hier bei uns auf den Dörfern litten die Menschen weniger an Hunger, da sie

durch die Landwirtschaft immer genug zu essen hatten. Sie lebten

hauptsächlich von ihren eigenen Produkten, wie Kartoffeln, Milch, Obst,

Gemüse und Fleisch.

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In der Stadt sah dies meist anders aus. Aus Trier kamen täglich Leute nach

Osburg und boten Sachen zum Tausch für Lebensmittel an (z.B. Stoffe,

Tischwäsche, Porzellan, Bilder, Glas).

Die Familie meiner Großmutter hatte damals 3 Zentner Kartoffeln gegen eine

große Zinkwanne eingetauscht. Diese diente zum Baden und zum Waschen

der Wäsche. Außerdem war das Elternhaus meiner Oma auch schwer be-

schädigt. 2 Bomben waren in unmittelbarer Nähe des Hauses eingeschlagen

und hatten das Dach total beschädigt. Um das Dach für den Winter wieder

einigermaßen dicht zu bekommen, bestand die Gelegenheit, in Trier Blechta-

feln im Tausch gegen Lebensmittel (Kartoffeln und Fleisch) zu bekommen.

Diese Blechtafeln wurden dann von einem Bekannten mit dem Pferdefuhr-

werk von Trier nach Osburg transportiert.

Dies nahm dann einen ganzen Tag in Anspruch.

Kleinere Mengen an Materialien wurden von Trier zu Fuß mit einem Ruck-

sack nach Hause getragen. Später fuhr die Bahn bis Waldrach. Der Rest des

Weges musste dann zu Fuß zurückgelegt werden.

Da die Reichsmark keinen Wert mehr hatte, konnte kaum noch etwas einge-

kauft werden.

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Im Juni 1948 kam dann die DM (neue Währung). Pro Person wurde ein Start-

geld von 40,-- DM ausgezahlt.

Nach und nach bekamen die kleinen Geschäfte wieder Waren.

Da das Geld trotzdem sehr knapp war, konnte man hier in den kleinen Ge-

schäften noch lange Zeit eigene Produkte gegen Waren eintauschen (z. B.

Eier gegen Zucker oder Butter gegen Fisch).

Nach und nach wurden die beschädigten Häuser wieder renoviert oder gar

neu aufgebaut.

Insbesondere für die Frauen hatte eine schwere Zeit begonnen. Oft waren

Familienväter oder Söhne nicht aus dem Krieg heimgekehrt. Viele waren

noch in Gefangenschaft, vermisst oder gar gefallen. Immer wieder gingen

auch jetzt noch Todes- und Vermisstenmeldungen ein.

Sowohl für die Arbeiten in der Landwirtschaft als auch für die Bauarbeiten

gab es keine Maschinen. Alle Arbeiten mussten von Hand verrichtet werden,

was natürlich auch viel Zeit beansprucht hat und körperliche Schwerstarbeit

war. Die Leute haben sich gegenseitig geholfen. Anders wäre dies nicht mög-

lich gewesen.

arbeiteten bei Nur wenige Bürger aus Osburg hatten eine Arbeitsstelle. Eini-

ge, auch mein Urgroßvater, der Fa. Romika in Gusterath-Tal. Den Weg zur

Arbeit legten sie in der ersten Zeit nach dem Krieg zu Fuß durch Wald und

Feld zurück. Später fuhren sie ab Waldrach mit der Bahn.

Auch diejenigen, die in Trier eine Arbeitsstelle hatten, mussten anfangs zu

Fuß gehen oder sie versuchten per Anhalter mitzufahren.

Auf dem Osburger Friedhof erinnert heute noch ein Gräberfeld an die gefalle-

nen Soldaten aus ganz Deutschland und auch Einheimischen, die im Krieg in

Osburg ums Leben kamen.

Außerdem wurde zum Gedenken an die Opfer (beider Weltkriege) aus Os-

burg neben der Kirche ein Kriegerdenkmal errichtet. An dieser Stelle wird

jährlich den Toten gedacht.

Erzählerin: Marga Neufing

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Bericht meines Vaters anhand von Erzählungen meines Großvaters über die Nachkriegszeit von Benjamin Meyer

Die Zeit nach dem 8.5.1945 war grauenvoll. Der Krieg war zwar zu Ende,

doch der Schock bzw. Schrecken saß sehr tief. Keiner konnte sich erklären

wie es so weit kommen konnte, keiner wusste, wer aus dem Freundeskreis

etwas mit den Nazis zu tun gehabt hatte. Allgemeine Ungewissheit herrschte

in allen Köpfen.

Mein Großvater besaß einen Bauernhof in Norddeutschland (Raum Olden-

burg), das bekanntlich durch die Aufteilung Deutschlands in Besatzungszo-

nen von den Briten kontrolliert wurde. Alle Höfe in Norddeutschland wurden

von den Briten nach Waffen durchsucht, jedem kleinsten Hinweis auf Besitz

von Waffen jeglicher Art wurde nachgegangen. Auch der Bauernhof meines

Großvaters wurde regelrecht durchforstet und umgegraben um irgendwelche

Waffen zu finden. Die Briten aber fanden nichts. Aufgrund dieser Durchsu-

chungen wurden alle Besitzer von Bauernhöfen geradezu denuziert. Direkt

nach Kriegsende herrschte außerdem große Hungersnot in ganz Deutsch-

land. Viele Leute aus der Stadt „hamsterten“ über die Dörfer um nur irgend-

etwas zu essen zu bekommen, tauschten gegen Essen auch sehr wertvolle

Gegenstände wie Perserteppiche oder Gold ein. Da meine Großeltern einen

Bauernhof besaßen, wurden sie (nur meine Großmutter; mein Großvater war

von 1945-47 in russischer Gefangenschaft) von vielen Leuten aus der Stadt

besucht die Hunger hatten und um Essen baten. Lebensmittel, die nicht für

den eigenen Bedarf benötigt wurden gaben meine Großeltern unentgeltlich

ab. So wie die Stadtbewohner über die Dörfer „hamsterten“, so kehrten auch

Väter und Söhne vom Dorf aus der Kriegsgefangenschaft zurück, wie auch

mein Großvater. Seine Rückkehr wurde im Dorf ganz besonders gefeiert, da

er der letzte aus dem Dorf war der aus der Kriegsgefangenschaft entlassen

wurde -1947. Ein Ereignis ist meinem Vater durch viele Erzählungen beson-

ders im Kopf geblieben: Noch am Abend seiner Rückkehr fragte mein Groß-

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vater seine eigene Frau ob er noch etwas essen dürfe- eine zuvor unvorstell-

bare Frage- in der Kriegsgefangenschaft hatte er stark hungern müssen.

Genau zu dieser Zeit (1947) feierten meine Urgroßeltern Goldene Hochzeit.

Statt schöner Geschenke, wie es heute üblich ist, bekamen sie Lebensmittel,

die in dieser Zeit dringend benötigt wurden. Allgemein wurde alles an Le-

bensmitteln getauscht was es zu tauschen gab- Geld war wertlos; Natural-

Tauschwirtschaft war angesagt bis zur Einführung der DM 1948. Mit Freude

wurde dann die Einführung der DM gefeiert; jeder bekam 40 DM, von nun

konnte wieder gekauft und verkauft werden und das deutsche Wirtschafts-

wunder nahm seinen Lauf.

Die Versorgung nach dem 2. Weltkrieg von David Kees

Mein Opa, Heinrich Kees, berichtet mir von seiner Zeit nach dem 2. Welt-

krieg, als er in der Nähe von Düsseldorf lebte:

„Kurz nach dem Kriegsende wurden die Vorräte so knapp, dass jeder für sich

selbst Wege zur besseren Versorgung finden musste. Überall musste gespart

werden. Wer diese Zeit miterlebt hat, der ist dadurch geprägt worden und lebt

auch heute noch sparsamer. Wir waren damals so eingeschränkt, dass wir

heutzutage wohl auch einfachere Dinge zu schätzen wissen,“ erzählt mir

mein Opa.

„Wir bekamen Monats- und Wochenkarten. Erst durch

diese Karten war es uns erlaubt, überhaupt Lebens-

mittel zu kaufen und dieses nur in geringen Mengen.

Auf diesen Karten war genau angegeben, wie groß

die Rationen sein durften und diese mussten wir teuer

bezahlen. Vor den Lebensmittelgeschäften standen

oft sehr lange Schlangen von wartenden Leuten. Ähn-

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Page 53: Kriegsende und Nachkriegsjahre - mpg-trier.de - Aktuelles · Erinnerungen meiner Großmutter ... mit seiner Schwester dort gewesen zu sein, ... Wagon würde stehen bleiben und man

liche Karten gab es auch für Bekleidung und Tabakwaren. Wer ein starker

Raucher war, hatte es schwer, denn natürlich waren die Tabakrationen knapp

bemessen und teuer außerdem. Die einzige Chance, zusätzliche Waren zu

erhalten, war, gegen andere Waren zu tauschen oder zu verkaufen. Die Be-

kleidung war alt. Einmal musste ich ein Hemd mit durchgetragenem Kragen

unten abschneiden, um den Kragen oben zu reparieren. Auf Grund der fett-

armen Nahrung waren wir ständig auf der Suche danach unseren Fettbedarf

zu decken, aber trotz der Bemühungen sahen wir sehr mager aus. Der Hun-

ger war wirklich groß. Ich kannte einen Bauer auf dem Lande, bei dem ich

Sachen tauschen konnte, die nicht auf den Lebensmittelkarten standen.

Wir schafften uns dann Hühner an, da diese erstens Eier legen und man

zweitens deren Fleisch essen kann“, erzählt mir mein Opa weiter. „Aber na-

türlich gab es kein Hühnerfutter zu kaufen und so hatten wir ein erneutes

Problem. Ich konnte das Futter aber auf freigegebenen Feldern und Äckern

sammeln. Das machten wir so: Der Bauer mähte und harkte mit einer großen

Maschine, von einem Pferd gezogen, die Felder ab. Wenn beinahe nichts

mehr zu holen war, dann ließ er das Feld freigeben. Es war zwar eine müh-

same Arbeit, das Feld abzusammeln und meistens kam auch nicht viel dabei

raus, aber wenn ich doch noch ein Bündel zusammenbekam, konnte ich die-

ses entweder zu größeren Fabriken bringen und gegen Haferflocken eintau-

schen, oder ich nahm die gesammelten Ähren nach Hause und bearbeitete

sie selbst mit einem Dreschflegel.

In einem besonders kalten Winter, kam es dazu, dass in unserem Haus die

Wasserleitungen einfroren. Das Feuerholz war knapp, um jedes Grad Wärme

wurde gekämpft. Die Engländer ließen zu dieser Zeit die umliegenden Wälder

abholzen und das aufgestapelte Holz war sehr begehrt, und überlebensnot-

wendig für uns.“

Mein Opa konnte mir von so einem persönlichen Erlebnis berichten:

„Ich war damals ein Student und abends, wenn es dunkel wurde, sind mein

Bruder und ich in den Wald geschlichen, um etwas von dem Klobenholz zu

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klauen. Hatten wir etwas ergattert, so brachten wir es zu Freunden, welche

am Waldrand wohnten. Später, oder an einem der nächsten Tage haben wir

es dann abgeholt; es wäre einfach zu gefährlich gewesen es nachts ganz bis

nach Hause zu transportieren. Einmal haben sie uns bemerkt, da wir unser

Holz aber nicht verlieren wollten, sind wir schwer bepackt davon gelaufen.

Die Last wurde jedoch bald zu groß und so blieb uns nichts anderes übrig, als

das Holz abzuwerfen und in den eiskalten Fluss zu springen, um nicht er-

wischt zu werden. Denn es gab natürlich eine hohe Strafe auf so ein Verge-

hen.

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Neuanfang Wiederaufnahme des Schieferbergbaus nach dem Krieg von Johannes Gorges

In meinem Heimatort Fell, der ja für

den Schieferbergbau bekannt ist, war

es in der Zeit unmittelbar nach

Kriegsende so, dass viele ehemalige

Bergleute glaubten, ihre Existenz-

sicherung im Schieferbergbau zu fin-

den. Die zu Kriegsbeginn stillgelegten

Gruben versuchte man wieder in

Betrieb zu nehmen. Dies war jedoch

nicht so einfach möglich, da die Wie-

derinbetriebnahme für den Feller

Bereich von der zuständigen

französischen Militärregierung ge-

nehmigt werden musste. Jeder

Grubenpächter musste nachweisen,

dass er nicht zur NSDAP gehört hatte

und in keiner nationalsozialistischen Sondereinheit wie etwa der „SS” gedient

hatte. Der Pächter musste anhand von vier Fragebögen in deutscher und

französischer Sprache dies nachweisen. Außerdem wurde noch sein weiteres

Umfeld von den französischen Besatzern überprüft. Erst wenn die französi-

sche Militärregierung übereinstimmende Antworten von allen möglichen Sei-

ten bekommen hatte, wurde die Genehmigung zur Wiederinbetriebnahme der

Gruben erteilt. Besonders problematisch war es eine „Sprenggenehmigung”

für das absprengen zur Gewinnung des Schiefers zu bekommen.

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So wurde neben vielen anderen auch die Genehmigung für die Grube „Bar-

bara” und die Grube „Hoffnung”, die heute das Besucherbergwerk Fell dar-

stellen, erteilt. Die Pachtverträge wurden für die Pächter aber mit Bedingun-

gen versehen, die die französische Militärregierung diktierte.

Diese waren wie folgt:

„Mit dem Betrieb des Schieferbruchs darf erst nach Vorliegen der von dem

Pächter zu beantragenden Genehmigung der Militärregierung begonnen wer-

den. Sollte zu irgendeinem Zeitpunkt auf Anordnung der Militärregierung we-

gen Nichteinhaltung der von ihr dem Pächter auferlegten Verpflichtungen der

Grubenbetrieb geschlossen werden, so steht dem Pächter ein Entschädi-

gungsanspruch nicht zu. Sollte die Grube von der Militärregierung als Ü-

bungsplatz, Schießstand usw. benutzt werden, so verliert der Vertrag ohne

weitere Umstände seine Gültigkeit und gilt als aufgelöst. Hiermit ist der Päch-

ter ausdrücklich einverstanden. Im übrigen kann der Vertrag jederzeit von der

Militärregierung ohne Entschädigung der beiden Vertragsparteien gekündigt

werden.”

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Das Leben als Schreiner nach dem Krieg von Marco Stark

Als der Krieg zu Ende war, war das Geld wertlos. Für das Geld konnte man

keine Waren mehr erhalten. So ging man wieder über zur Naturaltauschwirt-

schaft. Als Schreiner war es schwierig an Holz und Maschinen zu kommen.

Mein Vater und ich waren gerade einen Tisch mit der Kreissäge am Schnei-

den, als französische Beamte uns unterbrachen. Sie wollten die Kreissäge

als Kriegsentschädigung pfänden. So mussten wir unsere Kreissäge abgeben

und bekamen dafür einen Reparationsschein, der jedoch eigentlich wertlos

war. So versuchten die Franzosen in allen Werkstätten im Dorf Maschinen zu

pfänden. In der Werkstatt von einer Bekannten bauten mein Vater und ich die

Antriebswelle aus einer Kreissäge aus. Bevor die Franzosen kamen, mussten

wir die Maschinen wieder mit Staub und Spänen bedecken, da in der Werk-

statt schon lange nicht mehr gearbeitet wurde, weil der Mann der Frau im

Krieg gestorben war. Als die französischen Beamten die Maschinen abholen

wollten, merkten sie beim Test der Kreissäge, dass diese „kaputt“ war. So

nahmen sie sie nicht mit und wir konnten die Säge, nachdem wir die An-

triebswelle wieder eingebaut hatten, weiter nutzen.

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Auch die Beschaffung von Holz war für uns sehr schwierig. Einmal fuhren

mein Vater, mein Bruder Jupp und ich früh morgens in den Wald. Wir wollten

Holz beschaffen, um weiterarbeiten zu können. Das ging jedoch nur durch

das Stehlen von Holz. Wir sägten eine große Eiche und eine große Lärche ab

und luden sie danach auf den Wagen. Danach brachten wir die Bäume mit

einem Pferdewagen, der von meinem Bruder gefahren wurde, zu einem Sä-

gewerk. Das Unternehmen wurde noch weiter erschwert, weil mein Bruder

von einem Polterabend am Tag zuvor noch leicht angetrunken war. Bevor wir

den „Tatort“ verließen, vertuschten wir noch alle Spuren. Wir brachten die Ar-

beiter im Sägewerk dazu, uns die Bäume in Bretter zu zerschneiden, indem

wir ihnen etwas Schnaps und ein wenig Butter gaben. Nun brachten wir die

Bretter nach Hause. Schließlich transportierten wir sie sofort auf den Holz-

speicher. Am nächsten Tag kam der Förster zu uns in die Werkstatt. Er er-

zählte meinem Vater, dass zwei Bäume spurlos aus dem Wald gestohlen

worden waren und ärgerte sich sehr darüber. Zum Glück hatten wir die Bäu-

me schon in Bretter zersägt und auf den Speicher gebracht.

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Für unsere Arbeiten wurden wir auch hauptsächlich mit Gütern bezahlt. In

Eisenach erhielten wir eine Kuh für unsere Arbeit. Wir mussten sie jedoch al-

leine von der Weide nach Hause bringen. Das war aber nicht so einfach, weil

die französischen Beamten regelmäßig die Viehstückzahlen kontrollierten. So

mussten wir die Kuh nachts durch Wälder von der Weide nach Orenhofen

bringen. Kurz vor Wellkyll wollte die Kuh nicht mehr weiter. Wir mussten sie

bei Bekannten in Wellkyll für die Nacht abstellen und sie am nächsten Abend

wieder abholen kommen.

Als wir in Gransdorf arbeiteten, erhielten wir für unsere Arbeit ein Schwein.

Jedoch kurz nachdem mein Vater und ich es nach Orenhofen in unseren Stall

gebracht hatten, wurden die Stückzahlen durch französische Beamte kontrol-

liert. Der Beamte merkte zwar, dass ein Schwein zu viel im Stall war, aber er

war bereit für ein Pfund Butter und ein paar Pfund Fleisch beide Augen zuzu-

drücken, unter der Bedingung, dass die Stückzahl bei der nächsten Kontrolle

wieder stimmen würde. So mussten wir den benachbarten Metzger möglichst

schnell überreden, uns ein Schwein illegal zu schlachten. Bei der nächsten

Kontrolle am nächsten Tag stimmte die Stückzahl wieder.

Mit der Währungsreform 1948 endete die Naturaltauschwirtschaft und es

wurde wieder mit Geld gehandelt. Anfangs war es für Handwerker schwer an

Geld zu kommen, weil sie auf Aufträge anderer angewiesen waren, während

Beamte sofort wieder ein festes Einkommen hatten. Aber auch das pendelte

sich mit der Zeit wieder ein.

Erzähler: Willi Monzel

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Leben und Arbeiten in einer Bäckerei nach Kriegsende Von Johannes Kebig

Zerf war in den ersten Wochen nach dem Krieg, wie überall hier in unserer

Gegend, ohne Licht, ohne Brennstoffe, ohne Autos, ohne Post, ohne Bahn

und ohne Telefon, teilweise auch ohne Wasser. Die Leute waren auf die Le-

bensmittel angewiesen, die noch im Dorf aufgefunden wurden.

In unserem Hause, einer Bäckerei, die von

Granaten und Bomben schwer beschädigt worden

war, blieben, wie durch ein Wunder, der große

Dampfbackofen und die Maschinen und Geräte

noch gebrauchsfähig. Ein Zwei-Zentnersack voll

Roggenmehl fand sich auch noch unter Trümmern.

So wurde das erste Brot gebacken. Von der

hungernden Bevölkerung, welche wochenlang in

Kellern und Bergstollen gehaust hatte, wurde es mit

Freuden begrüßt. Wenn es auch noch vom eingerieselten Sand und Mörtel

etwas unter den Zähnen knirschte.

Holz zum Heizen der Backöfen war noch vorhanden, Kohle gab es vorerst

keine. Das Wasser zum Backen holten wir aus dem nahen Bach.

Der Teig musste mit den Händen verarbeitet werden, weil kein Strom vor-

handen war und das war Schwerstarbeit. Mein Vater, der Bäckermeister,

konnte das noch aus seiner Jugendzeit.

In unserem Umfeld gab es vier Getreidemühlen.

Diese mahlten für die Bauersleute das Korn zu Mehl

und auch wir bekamen unsere Mehlzuteilungen,

wenn auch längst nicht genug, für die vielen

hungrigen Leute, die bald auch aus den Städten

aufs Land kamen und um Brot baten.

Meine Eltern schickten niemanden mit leeren

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Händen fort, wenn es auch oft nur ein

paar Scheiben Brot waren.

Als die Bauersleute ihr Vieh wieder zum

Teil eingefangen hatten, ging es schon

besser. Sie brachten Milch, Eier, Butter

und Weizenmehl. Wir wurden mit

Naturalien bezahlt. Das Geld hatte ja

damals keinen Wert mehr. So gab es

dann auch wieder Kuchen und Gebäck

zu Festlichkeiten, Hochzeiten und

Beerdigungen usw.

Viele Leute bezahlten auch mit Korn, das

in unserem Backofen geröstet wurde, um

daraus eine Art Kaffee zu kochen.

Als wir wieder ein provisorisches Bürgermeisteramt hatten, es war in Saar-

burg (15 km entfernt) - wo wir zu Fuß oder wenn vorhanden, mit dem Fahrrad

hinmussten - konnten wir dort unsere Lebensmittelkarten bzw. Brotkartenab-

schnitte abrechnen. Diese wurden vorher in stundenlanger Arbeit mit Mehl-

kleister auf alte Zeitungen geklebt. Dafür gab es dann wieder eine bestimmte

Mehlzuteilung.

Einige Monate nach Kriegsende kam die erste Hilfe aus Amerika in Form von

gelbem Maismehl. Es ließ sich schlecht verarbeiten, blieb glitschig im Gebäck

und schmeckte nicht gut.

Etwas später gab es dann das ganz feine amerikanische Weizenmehl und als

große Kostbarkeit ab und zu schon mal einen Sack Zucker.

Diese Herrlichkeiten waren in schönen weißen Leinensäcken, woraus wir

Handtücher und Backschürzen nähen konnten.

Im Juni 1948 gab es dann die Deutsche Mark und alles normalisierte sich.

Erzählt von Elisabeth Kebig

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Währungsreform in der Sparkasse Trier von Florian Zonker

Mein Opa wurde 1929 in Tarforst, heute Stadtteil von Trier geboren. Er lebte

auf einem Bauernhof so das er und seine Familie während und nach des

Krieges in Sachen Lebensmittel keine Not zu Leiden hatten. Am 1.4.1943 be-

gann er ein Lehre bei der Kreissparkasse Trier. Nach dem die Alliierten in der

Normandie gelandet und den Widerstand an der deutsch-französischen

Grenze durchbrochen hatten, wurde am 20. Dezember 1944 die komplette

Evakuierung Triers abgeschlossen, auch die Sparkasse musste die Stadt ver-

lassen, sie fand ihr neues Domizil in einer Gaststätte in Longuich an der Mo-

sel. Mein Opa wohnte von nun an in Longuich, den Weg jeden Tag zurück zu

legen war zu viel. Am 28.2/1.3. 1945 besetzten die Amerikaner über den

Hunsrück kommend Trier, zuvor war die Ardennenoffensive der Wehrmacht

gescheitert. Unmittelbar nach der Besetzung verhängten die Amerikaner eine

absolute Ausgangssperre und das Leben in Trier und Umgebung war so gut

wie Tod. In Taforst, in dass mein Großvater erst nach der Besetzung, von der

Sparkasse in Longuich zurückkehrte, wurden alle Menschen an zwei Plätzen

im Dorf, der Schule und der Gaststätte Wollscheid gesammelt und die ameri-

kanischen Soldaten quartierten sich in ihren Häusern ein. Dies dauerte 2 Wo-

chen an, mein Großvater konnte jedoch mit seinen Eltern und dem Rest sei-

ner Familie bereits nach 8 Tagen auf ihren Hof zurückkehren da es in der

Schule zu eng war (dort hielten sich zwischenzeitlich bis zu 150 Personen

auf). Ca. 3 Wochen nach der Besetzung zogen die Soldaten ab, es wurden

nur noch Streifen durch Taforst gefahren. Inzwischen hatten die Amerikaner

knapp zehntausend russische Kriegsgefangene in ein Lager auf dem Petris-

berg transportiert, diese wurden zur Gefahr für die Bevölkerung, da sie

nachts in aggressiven Gruppen in die Dörfer kamen. Die Amerikaner gingen

jedoch massiv gegen diese Gruppen vor und beschützten die Bevölkerung.

Nach 2-3 Monaten wurden die Gefangen wieder in ihre Heimat zurückgeführt.

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Anfang April wurde mein Opa wieder zur Arbeit in die Sparkasse gerufen, die

bis dahin geruht hatte. Im Hauptgebäude war jedoch die alliierte Stadtko-

mandatur untergebracht, so mußte man in eine Sparkassenimobilie in der

Petrusstrasse ausweichen. Der damalige Direktor Hoffmann hatte klugerwei-

se schon beim Umzug nach Longuich große Mengen Bargeld mitgenommen

und so konnten die Geschäfte sofort wieder aufgenommen werden. Hoffmann

wurde dabei vom zuständigen amerikanischen Wirtschaftsoffizier Capt. Po-

wers tatkräftig unterstützt, dieser war von der cleveren Voraussicht Hoffmans

derart begeistert, dass sich zwischen den beiden eine regelrechte Freund-

schaft entwickelte. Die Amerikaner waren sowieso daran interessiert die Wirt-

schaft so schnell wie möglich wieder auf die Beine zu bringen, die Waren die

für das täglich Leben notwendig waren wie Lebensmittel, Kleidung und Woh-

nungen wurden von den Amerikanern sofort bewirtschaftet und so gerecht an

den Mann gebracht. Durch das schnelle Handeln Hoffmanns gab es nach

wenigen Tagen wieder Geld für die Kunden der Sparkasse, auch die Wäh-

rung funktioniert sofort reibungslos. In dieser Zeit verabschiedete der Alliierte

Kontrollrat zwei Gesetze die für die Sparkasse von Bedeutung waren. Die

Gesetze 52 und 53. Gesetz 52 regelte die allgemeine Geldwirtschaft und Ge-

setz 53 regelt den Umgang mit Geld von Nazis, dieses Gesetz sagte aus,

dass alle Konten von Personen die aufgrund ihres Amtes oder ihres Verhal-

tens als Nazis aufgefallen waren gesperrt werden mußten. Ihnen durfte nur

das nötigste Geld zum Überleben ausgezahlt werden.

Im Herbst 1945 zogen die Amerikaner ab und die Franzosen rückten gemäß

der Beschlüsse der Potsdamer Konferenz in Trier ein. Sofort brach die Zu-

sammenarbeit zwischen Besatzern und der Sparkasse fast komplett zusam-

men, mein Opa sagt dazu: „Die Amerikaner waren kooperativ und die Fran-

zosen administrativ.“ Aufgrund eines Zwischenfalls an dem der Sohn des

Bankdirektors beteiligt war, er sollte angeblich einen franz. Offizier beleidigt

haben, der vor dem Haus in der Petrusstrasse statt fand, musste die Spar-

kasse das Haus sofort räumen, die Maßnahme richtete sich jedoch in erster

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Linie gegen den Bankdirektor und seine Familie die genauso wie das Institut

das Haus verlassen mussten. Die Sparkasse zog in das Haus der heutigen

AOK in die Paulinstrasse wo sie bis zur Gründung der BRD 1949 auch blieb

und danach wieder in ihre Hauptgeschäftsstelle konnte.

Am 20.6.1948, einem Sonntag wurde die Währungsreform eingeleitet und die

ersten 60 DM zum Kurs 1:1 von der Verwaltung an die Bevölkerung abgege-

ben. Ab dem 21.6. mussten dann alle Guthaben bei den jeweiligen Instituten

angemeldet werden. Das Geld wurde zum Kurs 10:1 von Reichsmark auf

Deutschmark umgestellt, von diesem Guthaben wurden dann 50% auf ein

Sperrkonto überwiesen auf das der Kunde keinen Zugriff hatte, um zu ver-

meiden das die Kaufkraft für die vorhandenen Waren zu groß wird. Später

wurden von den 50% noch einmal 70% abgezogen was einer weiteren Auf-

wertung zum Kurs von 10:0,65 entsprach. Mit diesem Punkt, der Währungs-

reform begann das Deutsche Wirtschaftswunder. Die Sparkasse konnte ihren

Kunden die Guthaben die vor 1.1.1940 bestanden haben später noch einmal

um 13,5% aufwerten.

Die Situation meines Großvaters als Gastarbeiter von Anastasios Mansuri

Im folgenden Text, beschreibe ich u.a. die Situation wie sie für meinen Groß-

vater war, als er Anfang der 60er Jahre nach Deutschland kam.

- Warum ist mein Großvater „geflohen“ ?

Ausgangslage in Griechenland nach 1945 :

Nach dem 2.Weltkrieg,

Von 1945 – 1959 Bürgerkrieg in Griechenland. „Rechte“ kämpften gegen

„Linke“. Daraus resultierte eine jahrelange wirtschaftliche Notlage für das

Land und seine Bevölkerung, d.h. Inflation, Arbeitslosigkeit, Korruption, politi-

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sche Verfolgungen und damit wirtschaftliche bzw. soziale Isolation der Ver-

folgten.

Mein Großvater gehörte zu den Widerstandskämpfern, Partisanen, dem E-

LAS. So wird klar, warum mein Großvater das Land verlassen wollte: sein

Ziel und Wunsch war es, als Gastarbeiter in Deutschland einen gesicherten

Arbeitsplatz zu haben, um seine Familie ernähren und ihre Bedürfnisse de-

cken zu können, sowie ein gesichertes Leben für seine Familie zu finden.

- Wann und Wie kam er nach Deutschland ?

1963 kam mein Großvater durch die Einladung seines Vetters nach Deutsch-

land (Rüsselsheim), im Alter von 39 Jahren. Sein Vetter vermittelte ihm einen

Arbeitsplatz in der gleichen Fabrik in der auch er arbeitete, bei Opel in Rüs-

selsheim.

- Wo lebte er ?

Mein Großvater wohnte zunächst in Arbeiterbaracken unter schlechten Le-

bensbedingungen, mit andern Ausländern (Gastarbeitern), hauptsächlich aus

Südeuropa, in der Nähe der Fabrik.

Der Lohn war damals sehr niedrig und es konnte sich keiner der Gastarbeiter

in Deutschland den „Luxus“ einer modernen Wohnung leisten.

- War der Arbeitsplatz sicher?

Ein Gastarbeiter war froh, überhaupt einen Arbeitsplatz ergattert zu haben

und so willigte mein Großvater auch ein, auch einen im Vergleich zu seinen

deutschen Kollegen schlechter bezahlten und ungesunden Arbeitsplatz zu

bekommen.

Mein Großvater musste oft seinen Arbeitsplatz zwischen den regionalen Fab-

riken wechsele, wie viele seiner ausländischen Kollegen, mit Hilfsarbeitern

konnte die deutsche Industrie ohne Skrupel so umgehen.

Die längste Zeit jedoch arbeitete mein Großvater bis zu seiner Rente bei O-

pel. Mein Großvater war bis zuletzt aktives Mitglied der IGMetall.

- Welche Hilfen gab es für Gastarbeiter?

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Es bestanden keine Aufstiegsmöglichkeiten für diese Leute in ihrer Arbeit und

keine Förderungsmöglichkeiten, weder staatliche noch betriebliche.

Es gab keine Hilfe zur Erlernung der Sprache, sowie keine Hilfe bei der Woh-

nungssuche für Familien und keine Ausbildung der Kinder.

Bei den Steuerabgaben und Sozialabgaben wurden jedoch keine Unterschie-

de gemacht.

- Welche Unterschiede wurden gemacht zwischen Ausländern und Deut-

schen?

Bis vor kurzem gab es kein Wahlrecht, auch nicht auf kommunaler Ebene

und selbst für EG–Bürger.

Jedes Grundrecht musste sich die Gastarbeiterschaft und ihre Familien jahr-

zehntelang erkämpfen, neben dem Kampf der allgemeinen Arbeiterschaft

durch die Gewerkschaften.

Ausländer waren oft die ersten an der Front der Arbeitskämpfe, so auch mein

Großvater.

- Wie änderte sich die Bevölkerungsanzahl der Griechen in diesem

Gebiet (Rüsselsheim)?

Von 1960 – 1980 wuchs die Anzahl der griechischen Bevölkerung auf ca. 4

Tausend Menschen, meist Familien an.

Mein Großvater war Vorkämpfer und Gründer der Griechischen Gemeinde in

Rüsselsheim, die er als Vorsitzender jahrelang leitete zum Vizepräsident der

Vereinigung aller griechischen Gemeinden in Deutschland. Aktiv wirkte er mit

in der Friedensbewegung und in seiner Funktion als Gemeindevorsitzender

half er bei der Gründung einer 6-klassigen griechischen Schule in Rüssels-

heim im Jahre 1967.

- Wann kam die Familie meines Großvaters nach Deutschland (Rüssels-

heim)?

1965 kam die Familie nach, seine Frau und zwei Kleinkinder.

- Wie sah die Situation aus nachdem seine Familie kam?

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Bis 1969 kamen weitere vier Kinder auf die Welt, somit musste auch die

Großmutter zusätzlich arbeiten, um die Ausgaben der Familie zu decken.

Meine Großmutter hatte somit neben ihrem „Hauptberuf“ als Hausfrau zusätz-

lich Arbeit in Fabriken, wie z.B. Opel.

Mein Großvater lebte quasi ghettoisiert zusammen mit seiner Familie zu acht

Personen in einer kleinen Zweizimmerwohnung zehn Jahre lang, direkt an

einem offenen Bahngleis und einem Hof mit ca. acht anderen griechischen

Familien.

Erst 1971 wechselte in Rüsselsheim der Wohnort der Familie, sie wohnten

von da an in einer Vier-Zimmer-Sozialwohnung.

Hier konnten sich die Kinder besser entwickeln und besuchten nach der

deutschen Grundschule alle das in der Nähe der neuen Wohnung befindliche

Immanuel-Kant-Gymnasium bis zum Abitur, wo sie später in verschiedenen

Städten zum Studium „auswanderten“.

Mein Großvater wurde im Jahre 1988 berentet, die Großmutter erst 1998.

Leider verstarb mein Großvater im Oktober 2000 nach schwerer Krankheit.

Die Wohnung, wo die Großmutter noch lebt, ist immer noch der Mittelpunkt

unserer Großfamilie.

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