lasermesstechnik mehr präzision und sicherheit

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LASERMESSTECHNIK 40 LTJ Oktober 2004 Nr. 2 Mehr Präzision und Sicherheit Die Lasermesstechnik spielt in der Produktion eine immer wichtigere Rolle In allen Phasen der Produktion – von der Entwicklung, über die Fertigung bis hin zum Service – werden qualitative und quantitative Aussagen über die Eigen- schaften eines Erzeugnisses benötigt. Die Messtechnik spielt hier eine immer wichtigere Rolle. Sie ist in ein sich wan- delndes Produktionsumfeld eingebettet, das durch folgende Merkmale gekenn- zeichnet ist: steigende Produkterneue- rungsraten, zunehmende Automatisie- rung, höchste Qualitätsansprüche, neue Werkstoffe und Fertigungsstechniken sowie sinkende Reaktionszeiten auf fest- gestellte Qualitätsmängel. Aktuelle Forschungsarbeiten konzentrieren sich auf das Gebiet der Lasermesstechniken, für die sich in den 90er Jahren durch die Verfügbarkeit neuer Lichtquellen (Dioden- laser, durchstimmbare und Kurzpulslaser), Sensoren (CCD-Kameras, CMOS-Kameras) und räumlicher Lichtmodulatoren (OASLM, LCSLM, DMD, Glossar) die technischen Rahmenbedingungen sehr positiv entwi- ckelt haben. Kohärente und inkohärente 3D-Messtechniken liefern einen direkten Zugang zu drei-dimensionalen Form- und Verformungsdaten komplexer Objekte unter realen Beanspruchungsbedingungen. Ihr physikalisches Grundprinzip beruht auf der gezielten Strukturierung der Objekthelligkeit durch inkohärente Projektion von Mustern auf die Oberfläche des Testkörpers oder durch Interferenz (kohärente Überlagerung) von Lichtwellenfeldern, die verschiedene Zu- stände des Interferometers repräsentieren. Diese Zustandsänderungen können sowohl durch das Objekt selbst (z. B. Verschiebung) als auch durch die Beleuchtungsverhältnisse (z. B. Änderung der Wellenlänge) verursacht werden. Gemeinsam ist den genannten Verfahren, dass in den beobachtbaren Hell- Dunkel-Verteilungen (Interferenzstreifen, Moiré-Streifen, Konturstreifen) die geometri- schen Verhältnisse des optischen Aufbaus im WOLFGANG OSTEN Wolfgang Osten ist Leiter des Instituts für Techni- sche Optik ITO an der Universität Stuttgart. Zu den Forschungsschwerpunkten des Instituts zählen optische 3D-Oberflächenmesstechni- ken, Komponenten und Prinzipien der aktiven Optik, hochauflösende Messtechniken im Subwellenlängenbereich, interferometrische Wellenfrontsensorik und Asphärenmesstech- nik, Design und Herstellung diffraktiver Opti- ken, kohärente Messtechniken zur Erfassung von 3D-Form- und 3D-Verformungsdaten sowie zur zerstörungsfreien Werkstoffprüfung. Dabei kommen moderne optische Kompo- nenten und Strategien zum Einsatz, deren Zusammenspiel durch die Verbindung von physikalischer Modellierung, rechentechni- scher Simulation und aktiv-rückgekoppelter Messung gekennzeichnet ist. DER AUTOR ●● Prof. Dr. Wolfgang Osten Institut für Technische Optik Universität Stuttgart Pfaffenwaldring 9, 70569 Stuttgart Tel.: (0711) 685-6074 Fax: (0711) 685-6072 E-Mail: [email protected] Internet: www.uni-stuttgart.de/ito/ lassen sich ohne Anspruch auf Vollständig- keit in folgende Klassen unterteilen: ESA: experimentelle Spannungsanalyse – Messung von ortsaufgelösten Verschie- bungs- und Dehnungsfeldern sowie Ma- terialkennwerten ZFP: zerstörungsfreie Werkstoffprüfung – Ermittlung von Materialfehlern und Strukturschwächen an und unter der Oberfläche des Messobjekts OMT: Oberflächenmesstechnik – Erfas- sung von Kenngrößen zur Charakterisie- rung von Oberflächen in verschiedenen Skalenbereichen (Form, Welligkeit, Rau- heit) mit Anschluss an CAE-Tools In diesem Beitrag werden zwei moderne Lasermesstechniken anhand aktueller An- wendungslösungen vorgestellt: die digitale Holografie und die digitale Scherografie. Im ersten Fall wird ein neues Verfahren der vergleichenden Form- und Verformungs- prüfung behandelt, während im zweiten Fall neue Herangehensweisen bei der zerstörungsfreien Werkstoffprüfung im Ver- kehrsmittelbau und bei der Restauration von Kunstwerken aufgezeigt werden. Digitale Holografie für den schnellen Muster-Probe-Vergleich Der Vergleich der Form oder Verformung zweier nominell identischer aber physisch unterschiedlicher Objekte ist eine Standard- aufgabe der industriellen Sichtprüfung Maßstab der Periode dieser Streifen kodiert sind. Dies ist entweder die Lichtwellenlänge bei Verwendung kohärenter Verfahren oder die Periode der projizierten Transparenzver- teilung im Fall der inkohärenten Techniken. Generell besteht jedoch die Aufgabe der Rekonstruktion der Phasenverteilung aus der beobachteten Intensitätsverteilung, da diese den Schlüssel zu den gesuchten Form- und Verformungsdaten des Messobjekts bildet. Die Problemstellungen, bei deren Lösung diese Techniken zur Anwendung kommen, GLOSSAR OASLM: optisch adressierbarer räumli- cher (spatial) Lichtmodulator LCSLM: flüssigkristall-basierter räumli- cher Lichtmodulator (z. B. LCOS: Liquid Crystal on Silicon) DMD: digitale Kippspiegel-Matrix (Digi- tal Micromirror Device)

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LASERMESSTECHNIK

40 LTJ Oktober 2004 Nr. 2

Mehr Präzision und SicherheitDie Lasermesstechnik spielt in der Produktion eine immer wichtigere Rolle

In allen Phasen der Produktion – von der Entwicklung, über die Fertigung bis hin zum Service – werden qualitative und quantitative Aussagen über die Eigen-schaften eines Erzeugnisses benötigt. Die Messtechnik spielt hier eine immer wichtigere Rolle. Sie ist in ein sich wan-delndes Produktionsumfeld eingebettet, das durch folgende Merkmale gekenn-zeichnet ist: steigende Produkterneue-rungsraten, zunehmende Automatisie-rung, höchste Qualitätsansprüche, neue Werkstoffe und Fertigungsstechniken sowie sinkende Reaktionszeiten auf fest-gestellte Qualitätsmängel.

Aktuelle Forschungsarbeiten konzentrieren sich auf das Gebiet der Lasermesstechniken, für die sich in den 90er Jahren durch die Verfügbarkeit neuer Lichtquellen (Dioden-laser, durchstimmbare und Kurzpulslaser), Sensoren (CCD-Kameras, CMOS-Kameras) und räumlicher Lichtmodulatoren (OASLM, LCSLM, DMD, → Glossar) die technischen Rahmenbedingungen sehr positiv entwi-ckelt haben. Kohärente und inkohärente 3D-Messtechniken liefern einen direkten Zugang zu drei-dimensionalen Form- und Verformungsdaten komplexer Objekte unter realen Beanspruchungsbedingungen. Ihr physikalisches Grundprinzip beruht auf der gezielten Strukturierung der Objekthelligkeit durch inkohärente Projektion von Mustern auf die Oberfläche des Testkörpers oder durch Interferenz (kohärente Überlagerung) von Lichtwellenfeldern, die verschiedene Zu-stände des Interferometers repräsentieren. Diese Zustandsänderungen können sowohl durch das Objekt selbst (z. B. Verschiebung) als auch durch die Beleuchtungsverhältnisse (z. B. Änderung der Wellenlänge) verursacht werden. Gemeinsam ist den genannten Verfahren, dass in den beobachtbaren Hell-Dunkel-Verteilungen (Interferenzstreifen, Moiré-Streifen, Konturstreifen) die geometri-schen Verhältnisse des optischen Aufbaus im

WOLFGANG OSTENWolfgang Osten ist Leiter des Instituts für Techni-sche Optik ITO an der Universität Stuttgart. Zu den Forschungsschwerpunkten des Instituts zählen optische 3D-Oberflächenmesstechni-ken, Komponenten und Prinzipien der aktiven Optik, hochauflösende Messtechniken im Subwellenlängenbereich, interferometrische Wellenfrontsensorik und Asphärenmesstech-nik, Design und Herstellung diffraktiver Opti-ken, kohärente Messtechniken zur Erfassung von 3D-Form- und 3D-Verformungsdaten sowie zur zerstörungsfreien Werkstoffprüfung. Dabei kommen moderne optische Kompo-nenten und Strategien zum Einsatz, deren Zusammenspiel durch die Verbindung von physikalischer Modellierung, rechentechni-scher Simulation und aktiv-rückgekoppelter Messung gekennzeichnet ist.

DER AUTOR

●●Prof. Dr. Wolfgang Osten

Institut für Technische OptikUniversität Stuttgart

Pfaffenwaldring 9, 70569 StuttgartTel.: (0711) 685-6074Fax: (0711) 685-6072

E-Mail: [email protected] Internet: www.uni-stuttgart.de/ito/

lassen sich ohne Anspruch auf Vollständig-keit in folgende Klassen unterteilen: ● ESA: experimentelle Spannungsanalyse

– Messung von ortsaufgelösten Verschie-bungs- und Dehnungsfeldern sowie Ma-terialkennwerten

● ZFP: zerstörungsfreie Werkstoffprüfung – Ermittlung von Materialfehlern und Strukturschwächen an und unter der Oberfläche des Messobjekts

● OMT: Oberflächenmesstechnik – Erfas-sung von Kenngrößen zur Charakterisie-rung von Oberflächen in verschiedenen Skalenbereichen (Form, Welligkeit, Rau-heit) mit Anschluss an CAE-Tools

In diesem Beitrag werden zwei moderne Lasermesstechniken anhand aktueller An-wendungslösungen vorgestellt: die digitale Holografie und die digitale Scherografie. Im ersten Fall wird ein neues Verfahren der vergleichenden Form- und Verformungs-prüfung behandelt, während im zweiten Fall neue Herangehensweisen bei der zerstörungsfreien Werkstoffprüfung im Ver-kehrsmittelbau und bei der Restauration von Kunstwerken aufgezeigt werden.

Digitale Holografie für den schnellen Muster-Probe-Vergleich

Der Vergleich der Form oder Verformung zweier nominell identischer aber physisch unterschiedlicher Objekte ist eine Standard-aufgabe der industriellen Sichtprüfung

Maßstab der Periode dieser Streifen kodiert sind. Dies ist entweder die Lichtwellenlänge bei Verwendung kohärenter Verfahren oder die Periode der projizierten Transparenzver-teilung im Fall der inkohärenten Techniken. Generell besteht jedoch die Aufgabe der Rekonstruktion der Phasenverteilung aus der beobachteten Intensitätsverteilung, da diese den Schlüssel zu den gesuchten Form- und Verformungsdaten des Messobjekts bildet. Die Problemstellungen, bei deren Lösung diese Techniken zur Anwendung kommen,

GLOSSAR

OASLM: optisch adressierbarer räumli-cher (spatial) Lichtmodulator LCSLM: flüssigkristall-basierter räumli-cher Lichtmodulator (z. B. LCOS: Liquid Crystal on Silicon) DMD: digitale Kippspiegel-Matrix (Digi-tal Micromirror Device)

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LASERMESSTECHNIK

– der so genannte Muster-Probe-Vergleich. Entsprechende Techniken, die inkohärente Masken verwenden (z. B. inverse Streifen-projektion [1]), sind bei Objekten mit optisch rauen Oberflächen bereits Gegenstand von Untersuchungen bzw. befinden sich im Sta-dium der industriellen Umsetzung. Gleiches gilt für die Verwendung kohärenter Masken im Fall von Messobjekten mit optisch glatter Oberfläche, wie z. B. Linsen- und Spiegelop-tiken. Hier werden speziell gefertigte holo-grafisch-optische Elemente u. a. zur Prüfung asphärischer Funktionsflächen bereits indus-triell eingesetzt [2]. Bei der Untersuchung technischer Oberflächen beschränkt sich der Einsatz interferometrischer Methoden bisher jedoch auf geometrisch einfache Objekte wie z. B. Zylinder. Die Schwierigkeit besteht hier in der unterschiedlichen Mikrostruktur der zu vergleichenden Objekte, infolgedessen der Einsatz konventioneller interferometrischer Techniken versagt. Bereits 1980 publizierte Neumann [3] ein als „Vergleichende Holografie“ bezeichne-tes Verfahren, bei dessen Anwendung auf

Objekte mit verschiedener Mikrostruktur ein Interferenzmuster entsteht, das direkt die Verformungsdifferenz zwischen einem Mus-ter und einem Test-Objekt bei gleicher Belas-tung anzeigt. Das Verfahren weist interfero-metrische Messempfindlichkeit auf, konnte jedoch trotz technischer Verbesserungen auf Grund der komplizierten Verfahrenstechnik bisher keine praktische Bedeutung erlangen. Die Kombination von vergleichender und digitaler Holografie verspricht hier in Verbin-dung mit moderner Lichtmodulatortechnik entscheidende Verbesserungen. Die Digitale Holografie verkörpert zum einen die logische Weiterentwicklung der Hologra-fie im Hinblick auf die Verfügbarkeit hochauf-lösender digitaler Bildsensoren und schneller Signaltransformationen. Zum anderen liefert sie jedoch einen völlig neuen Zugang für die kohärente Messtechnik, der sich durch das Prinzip der direkten numerischen Wel-lenfrontrekonstruktion beschreiben lässt. Im Unterschied zu allen indirekten Verfahren, die aufgrund physikalischer Zwänge auf der Auswertung von Intensitätsverteilungen be-ruhen, erlaubt die Digitale Holografie den di-rekten Zugang zur messtechnisch relevanten Phase und eröffnet damit für die holografi-schen Messverfahren ein völlig neues Maß an Flexibilität und Praktikabilität [4,5]. Prinzipiell lässt sich die Methode auf beliebige Objekt-klassen anwenden. Die derzeitige hauptsäch-liche Orientierung auf gering dimensionierte

Körper ist lediglich eine Konsequenz der limitierten Winkelauflösung, die aus dem eingeschränkten Orts-Bandbreite-Produkt der verfügbaren Bildsensoren folgt. Mit der Kombination von Prinzipien der Digitalen und Vergleichenden Holografie entsteht mit der Vergleichenden Digitalen Holografie (CDH) ein flexibles Prüfverfahren, das die Grundlage bildet für den kohärenten Vergleich nominell identischer Objekte, deren gleichzeitige physische Präsenz am Ort des Vergleichs nicht erforderlich ist. Diese wichtige Besonderheit des Verfahrens resultiert aus der Tatsache, dass sich die mittels digitaler Holografie rechentechnisch aufgezeichnete vollständige drei-dimensio-nale optische Information eines beliebigen Objekts präzise und schnell über digitale Datennetzwerke transportieren lässt. Damit können digital gespeicherte Wellenfronten eines realen Objekts an beliebigen Orten sowohl rekonstruiert als auch für den mess-technischen Vergleich zur Verfügung gestellt werden (man spricht hier von sog. remote metrology [6]). Die Vergleichende Digitale Holografie macht sich gezielt die Technologie moderner räum-

ABBILDUNG 1: Prinzipdarstellung der Vergleichenden Digitalen Holografie: a) Aufzeichnung der kohärenten Maske b) Vergleichsmessung.

ABBILDUNG 2: Vergleich zwischen konventioneller kohärent-optischer Formvermessung und Vergleichender Digitaler Holografie (CDH): a) Muster-objekt, b) Vergleichsobjekt mit zwei Fehlern, c) Konturlinienbild des Vergleichsobjekts und d) Ergebnis nach Anwendung der CDH.

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Der mit diesem Verfahren erstmals realisier-bare direkte interferometrische Vergleich der Wellenfronten technischer Objekte weist in Relation zu der bisher praktizierten aufwändigen numerischen Auswertung der jeweiligen Datensätze erhebliche Vorteile auf. Dazu zählen u. a. der direkte Nulltest, die sofortige Anzeige von Abweichungen der Vergleichsobjekte, die aktive Kompen-sation von Justagefehlern und der Vergleich mit synthetischen Mustern. Insgesamt kann erwartet werden, dass jenes Potenzial, welches die computergenerierten synthe-tischen Hologramme der konventionellen interferometrischen Optikprüfung erschlos-sen haben, durch die Vergleichende Digitale Holografie der zerstörungsfreien Prüfung technischer Objekte mit rauen Oberflächen zugänglich gemacht wird.

Digitale Scherografie für die Prüfung komplexer Objekte

Mit dem Einsatz modernster Fertigungstech-niken bei der Schaffung neuer konstruktiver Lösungen im Verkehrsmittelbau ergibt sich natürlicherweise ein Bedarf an angepassten und effizienten Techniken zur Prüfung der Komponenten im Hinblick auf Fertigungs-mängel und Betriebsschäden. Besonders bei der Kontrolle sicherheitsrelevanter Konstruktionselemente, bei Leichbaukom-ponenten (Faserverbundwerkstoffe, dünne Laminate, Sandwichbauweisen), bewegten Teilen, großflächigen Klebungen und ge-schweißten Stringern besteht das Erforder-nis, konventionelle Messtechniken wie z. B. Ultraschall und Wirbelstrom durch flächen-hafte, bildgebende Verfahren zu ergänzen.

licher Lichtmodulatoren zunutze. Indem das zuvor aufgezeichnete digitale Hologramm des Musterobjekts (auch bezeichnet als ko-härente Maske) in einen geeigneten Licht-modulator geschrieben wird, ergibt sich die Möglichkeit, die konjugierte Welle aktiv zu rekonstruieren, um damit das Testobjekt kohärent zu beleuchten (Abb. 1). Die Inter-ferenzphase des schließlich rekonstruierten digitalen Hologramms des Testobjekts stellt lediglich die Form- bzw. Verformungsdiffe-renz zwischen Muster- und Testobjekt dar. Auf diese Weise lassen sich in Prozess-Echt-zeit Inspektionsergebnisse und Qualitäts-aussagen auch an komplexen Prüfobjekten erzielen.Mathematisch lässt sich zeigen, dass durch die kohärente Beleuchtung des Testobjekts mit der konjugierten Welle des Musterobjekts die – aufgrund der unterschiedlichen Mikro-struktur der Vergleichsobjekte ansonsten bildstörenden – Dekorrelationserscheinun-gen entfallen und lediglich die „makroskopi-schen“ Unterschiede zwischen den Objekten zur Anzeige gelangen [7]. Der Messbereich der detektierbaren Form- bzw. Verformungs-differenzen liegt je nach verwendeter synthe-tischer Wellenlänge zwischen wenigen und einigen zehn Mikrometern bzw. einigen zehn Nanometern und wenigen Mikrometern. Das Ergebnis einer konventionellen kohä-rent-optischen Formvermessung und eines Formvergleichs von Muster- und Testobjekt mittels Vergleichender Digitaler Holografie zeigt beispielhaft Abbildung 2. Es handelt sich bei den Objekten um einen zylind-rischen Kegel als Musterobjekt (Abb. 2a) und einen zylindrischen Kegel mit Fehlern als Testobjekt (Abb. 2b). Im Ergebnis der konventionellen 2-Wellenlängen-Formver-messung lassen sich die Fehler nur sehr undeutlich anhand der Konturlinien erken-nen (Abb. 2c). Abbildung 2d, die durch die kohärente Beleuchtung des Testobjekts mit der entsprechenden konjugierten Wellen-front des Musterobjekts zustande kommt, zeigt hingegen deutlich die Abweichungen zwischen den beiden Vergleichsobjekten. Der Lichtmodulator spielt bei der aktiven Umsetzung des CDH-Prinzips eine ent-scheidende Rolle. Moderne reflektive LCOS-Displays ermöglichen eine nahezu perfekte Anpassung des Orts-Bandbreite-Produkts von Sensor und Modulator sowie eine dy-namische und lineare Phasenmodulation im Phase-Mostly-Mode. Diese Eigenschaften sind von großer Bedeutung für die Gewähr-leistung einer hohen Empfindlichkeit des Verfahrens und die Untersuchung ausge-dehnter technischer Objekte.

ABBILDUNG 3: Grundprinzip der Scherografie: a) schematischer Versuchsaufbau (Die Scherung ∆x der 2 Objektwellen wird hier mittels eines Keils realisiert.), b) Scherogramm einer zentral belasteten Platte.

Sensorik

Messergebnis Auswertung

Testkörper

Optisches Set-Upund Belastung

Laser

Sensor

ABBILDUNG 4: Ganzheitlicher Scherografie-Messprozess.

a b

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LASERMESSTECHNIK

Dabei ist zu beachten, dass die zu untersu-chende Oberfläche im fertigungs- bzw. ge-brauchsüblichen Zustand verbleiben muss, sodass ungünstige Wechselwirkungen wie spiegelnde Reflexionen oder starke Ab-sorptionen zwischen dem zur Beleuchtung eingesetzten Licht und der jeweiligen Ober-fläche stattfinden können. Die hohe Empfindlichkeit optischer Mess-techniken im Hinblick auf störende Umge-bungsbedingungen im Produktionsumfeld lässt sich durch die Kombination von robustem Sensorprinzip mit geeigneten Lichtquellen erheblich reduzieren. Ein Bei-spiel für diese erfolgreiche Kombination ist die Speckle-Scherografie [8]. Das Verfahren arbeitet nach dem Prinzip der Selbstreferenz und ist daher unempfindlich gegenüber Starrkörperverschiebungen des Messob-jekts. Durch die spezielle Aufnahmetechnik lassen sich unmittelbar die Gradienten der Oberflächenverschiebungen infolge geziel-ter Beanspruchung des Objekts beobachten. Diese sichtbaren Oberflächenveränderun-gen erlauben in Verbindung mit Kenntnissen über material- und konstruktionstechnische Eigenschaften des Prüfkörpers eindeutige Rückschlüsse auf innenliegende Imperfek-tionen. Prinzipiell wird das von der Oberfläche des Messobjekts gestreute Specklefeld nach der Überlagerung mit einer Referenzwelle auf das Target einer Kamera (z. B. ein CCD-Chip) abgebildet und die Differenz der zwei Intensitätsverteilungen (Objektzustand vor der Belastung und Objektzustand nach der Belastung) auf elektronischem oder digitalen Weg gebildet. Charakteristisch für das sche-rografische Verfahren ist die Erzeugung der Referenzwelle. Diese wird ebenfalls aus dem vom Objekt gestreuten Licht erzeugt und als gescherte Version der Objektwelle in der Chipebene überlagert (Abb. 3a). Zur Anzeige gelangen nur Änderungen der Verschiebung zwischen den gescherten Bildpunkten, die als Dehnungen interpretiert werden (Abb. 3b).

Die Umsetzung des scherografischen Mess-prinzips in ein industrielles Prüfsystem, das insbesondere für den Einsatz im Verkehrs-mittelbau vorgesehen ist, erfordert die Berücksichtigung wichtiger Randbedin-gungen im Hinblick auf das Prüfobjekt und die Prüfbedingungen [9,10]. Dazu zählen insbesondere:

● die Inspektion möglichst großer und gebrauchsüblicher Oberflächen mit auf das Messverfahren bezogenen teilweise nicht-kooperativen Reflexions- bzw. Ab-sorptionseigenschaften,

● die fertigungsnahen Prüfbedingungen, die natürliche Licht-, Geräusch- und Er-schütterungsverhältnisse bedingen und

● die einfache Bedienbarkeit sowie schnelle und sichere Ergebnisdarstellung, ein-schließlich der Erkennung und Interpre-tation von Fertigungsmängeln.

Neben der Berücksichtigung dieser Rand-bedingungen spielt die Bereitstellung einer adäquaten Belastungstechnik eine wichtige Rolle. Der sichere Nachweis von i. Allg. unter der Oberfläche befindlichen Fehlstellen ge-lingt nur, wenn Messmethode, konstruktive und materialtechnische Objekteigenschaf-ten, Objektbeleuchtung, Belastung und Auswertung hinreichend aufeinander ab-gestimmt sind. Abbildung 4 veranschaulicht die Wechselbeziehungen dieser Komponen-ten innerhalb einer ganzheitlich gefassten Prüftechnologie. Die implementierten Belastungstechniken sind sowohl betriebsnah als auch fehlerin-dikativ und berücksichtigen die Spezifik der konstruktiven Gestaltung der zu prüfenden Bauteile (Abb. 5a, b). Wesentlich für die Akzeptanz des Systems beim Anwender ist neben der Fehlernachweissicherheit die Bildqualität der Messergebnisse. Letztere ist bei konventioneller scherografischer Prüftechnik i. Allg. ungenügend. In Abbil-dung 6 sind einige repräsentative Beispiele dargestellt, die die hohe Qualität der Er-gebnispräsentation des neuen Messsystems verdeutlichen sollen. Ein sehr attraktives Anwendungsfeld eröffnet sich für optische Messtechniken bei der In-spektion von Kunstwerken. An vielen interna-tionalen Beispielen konnte das Potenzial die-ses weiten Feldes in den vergangen 20 Jahren bereits eindrucksvoll demonstriert werden [11]. Im Rahmen einer Kooperation mit dem griechischen Forschungsinstitut FORTH in Heraklion (Kreta) ergab sich die Möglichkeit, das Scherografie-System an Byzantinischen Ikonen zu testen [12]. Im Benaki Museum, Athen, wurden in enger Zusammenarbeit mit den dortigen Konservatoren Untersuchungen an wertvollen Ikonen der Velimezis-Kollektion des Museums durchgeführt. Die aufwändige Restauration der Ikonen soll zukünftig durch den Einsatz optischer Messtechniken ent-scheidend unterstützt werden.Den Grundträger von Ikonen bildet ein etwa ein bis zwei Zentimeter dickes Panel, das in der Regel aus Kiefern-, Zedern- oder

ABBILDUNG 5: Belastungskomponenten für ein mobiles Scherografie-Inspektions-system: a) selbstansaugende Unterdruckkammer, b) selbstansaugende thermische Belastungseinheit.

ABBILDUNG 6: Scherogramme zum Fehlernachweis an Flugzeugkomponenten: a) Fehlstelle in Stringer, b) verschiedene Fehlstellen an Stringer-Haut-Strukturen, c) Reparaturstelle.

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Zusammenfassung

Moderne Lasermesstechniken weisen insbe-sondere im Vergleich zu taktilen Verfahren wichtige Vorteile auf: hohe Messempfind-lichkeit und Genauigkeit, Rückwirkungs- und Zerstörungsfreiheit gegenüber dem Messobjekt, sehr kurze Antwortzeiten und feldweise Messwerterfassung. Daher trägt der Einsatz entsprechender Methoden und Sensoren wesentlich zur Rationalisierung und Effektivierung industrieller Inspektions-aufgaben sowie zur Erhöhung der Zuverläs-sigkeit der Produkte bei. In diesem Artikel wurde ein neues Verfahren auf Basis der Digitalen Holografie für den Muster-Probe-Vergleich von Objekten mit technischen Oberflächen und ein Scherografiesensor zur zerstörungsfreien Prüfung von ausgedehn-

Zypressenholz gefertigt wird. Es handelt sich dabei um speziell abgelagertes Holz, dessen Oberfläche aufwändig nach by-zantinischer Tradition vorbehandelt wird. Trotz sorgfältig präpariertem Untergrund lässt sich ein Abriss des Farbauftrags und der Blattgold-Applikationen im Laufe der Jahrhunderte nicht verhindern. Daher wird nach Möglichkeiten gesucht, den Zustand dieser wertvollen Kunstwerke zerstörungs-frei zu dokumentieren. In Athen konnten die Vorteile der Scherografie im Vergleich mit anderen optischen Messtechniken wie holografische Interferometrie oder der Laser-Doppler-Vibrometrie eindrucksvoll demons-triert werden. Verschiedene Fehlstellen wie Farbablösungen, Risse oder auch Einschlüsse wurden in wenigen Sekunden detektiert und

visualisiert. Beispielhaft werden hier die Test-ergebnisse an zwei Ikonen vorgestellt (Abb. 7, 8). Neben Schichtablösungen und kleine-ren lokalen Fehlstellen ist das interessantere Ergebnis von Abbildung 7 der quer durch das Bild verlaufende Riss. Der obere Teil bis zum Knick kann mit bloßem Auge an der Ikone selbst beobachtet werden. Die Fortsetzung des Risses im unteren Teil verläuft unter der Oberfläche und ließ sich nur mit der Schero-grafie nachweisen. Die zweite Ikone zeigt im unteren Bildteil auffallend starke Delaminati-onen des Farbauftrags (Abb. 8). Die ringför-mige Struktur in der oberen Hälfte wird nicht durch eine Fehlstelle sondern durch einen Metallring (Heiligenschein) hervorgerufen, den der Künstler auf die Ikone aufgebracht hat.

ABBILDUNG 7: Ikone 1 (von links): Fotografie, Scherogramm und demoduliertes Scherogramm mit fehlerindikativen Regionen.

ABBILDUNG 8: Ikone 2 (von links): Fotografie, Scherogramm und demoduliertes Scherogramm mit fehlerindikativen Regionen.

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LASERMESSTECHNIK

ten Komponenten im Verkehrsmittelbau und zur Fehlerinspektion an Kunstobjekten vorgestellt.

Danksagung

Teile der hier aufgeführten Ergebnisse sind im Rahmen der Tätigkeit des Autors am BIAS entstanden. Ausdrücklicher Dank für ihr Engagement gilt den an diesen Ergebnissen beteiligten wissenschaftlichen Mitarbeitern. Spezieller Dank geht an T. Baumbach und M. Kalms. Die Forschungsarbeiten zu den aufgeführten Sensoren wurden durch das BMBF, Projekt Nr. 13N8095 (Kohärent-optischer Formvergleich von technischen Bauteilen über große Entfernungen) und 20W9706 (Scherografiesystem zur Inspek-tion großflächiger Flugzeugkomponenten) unterstützt.

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projected fringe technique with auto-matic pattern adaption using a program-mable spatial light modulator, Proc. SPIE Vol. 3407(1998), pp. 483-489

[2] C. Pruss, S. Reichelt, H. J. Tiziani, W. Osten: Computer generated holograms in inter-ferometric testing. Optical Engineering 43(2004)11, (to be published)

[3] D.B. Neumann: Comparative hologra-phy. Tech. Digest, Topical Meeting on Hologram Interferometry and Speckle Metrology, Paper MB2-1, Opt. Soc. Am. (1980)

[4] U. Schnars: Direct phase determination in hologram interferometry with use of digitally recorded holograms, J. Opt. Soc. Am. A 11 (1994) 2011-2015

[5] W. Osten: Digital Holography. In: Ecyclo-pedia of Modern Optics. Elsevier Sc. (to be published)

[6] W. Osten, T. Baumbach, S. Seebacher, W. Jüptner: Remote shape control by com-parative digital holography. Proc. Fringe 2001, Elsevier Sc. 2001, pp. 373- 382

[7] T. Baumbach, W. Osten, C. Falldorf, W. Jüptner: Remote interferometry by digital holography for shape control. SPIE Vol. 4778, 2002, pp. 338-349

[8] Y.Y. Hung, C.Y.Liang: Image-shearing camera for direct measurements of surface strains. Appl. Opt., 18(7): 1046-1051, 1979

[9] M. Kalms, W. Osten, W. Jüptner: Schero-grafie – die Umsetzung des Prinzips in ein mobiles Prüfsystem. Technisches Messen, 5(2002), S. 217-226

[10] M. Kalms, W. Osten: Mobile shearogra-phy system fort the inspection of aircraft and automotive components. Opt. Eng. 42(2003)5, pp. 1188-1196

[11] K. Hinsch, G. Gülker: Lasers in art conser-vation. Physics World, November 2001, pp. 37-42

[12] V. Tornari, A. Bonarou, E. Esposito, W. Os-ten, M. Kalms, N. Smyrnakis: Laser based systems for the structural diagnostic of artworks: an application to XVII cen-tury Byzantine icons. SPIE Proc. Vol. 4202(2001), pp. 172-183

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