lehrbuch der entomologie || endokrinologie

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12 Endokrinologie Klaus-Dieter Spindler 12.1 Hormone und ihre Bildungsorte 12.1.1 Neurosekretorische Zellen und Zentren Neurosekretorische Zellen (NSZ) wurden zu- nächst lichtmikroskopisch aufgrund ihrer ver- meintlich spezifischen histologischen Anfärbbar- keit oder im Transmissions-Elektronenmikroskop aufgrund der zahlreich vorhandenen Grana mit einem Durchmesser von etwa 100 bis 400 nm Durchmesser, nachgewiesen. Charakteristisch sind auch der hohe Gehalt an rauhem endoplasma- tischem Retikulum, sowie die zahlreichen aufge- weiteten axonalen Endbläschen, die Speicherorte für die neurosekretorischen Grana darstellen und die der Freisetzung über eine Calcium-vermittelte Exocytose dienen. Inzwischen können die Inhalts- stoffe neurosekretorischer Zellen eindeutiger cha- rakterisiert werden: Neuropeptide durch immun- histochemische Methoden und Massenspektro- skopie und biogene Amine durch fluoreszenzmi- kroskopisehe Verfahren. Außerdem können diese Zellen durch Füllung mit Kobalt und fluorogenen Substanzen lokalisiert werden. Diese Verfahren wurden auch eingesetzt um Aktivitätszyklen von NSZ zu erfassen. Eine eindeutige Beziehung zwi- schen Anfärbbarkeit und der Aktivität der NSZ muss aber nicht immer bestehen. NSZ wurden bei allen Metazoen nachgewiesen. Es handelt sich um Zellen, die typische neuronale Aktivitäten aufweisen und zudem noch sekreto- risch tätig sind. Konventionelle Neurone senden ihre Axone direkt zu den Zielorganen . Das chemi- sche Signal wird über die sehr kurze Distanz des synaptischen Spaltes (10 bis 50 nm) abgegeben und seine physiologisch wirksame Konzentration wird rasch auf und wieder abgebaut. Neurosek- retorische Zellen dagegen geben ihr(e) Sekretions- produkt(e) an das Blut oder die Hämolymphe ab, die Wirkorte können weit entfernt sein. Die phy- siologisch wirksame Konzentration wird wesent- lich langsamer auf- und abgebaut. NSZ kommen bei Insekten an sehr unterschied- lichen Stellen vor (Abb. 12-1): • Im Cerebralganglion sind im Protocerebrum ausser den pars intercerebralis noch die lateralen NSZ sowie die tritocerebralen NSZ nachgewie- sen, sowie auch vereinzelte NSZ im Deutocere- brum . • In den Ganglien des Bauchmarks, • Im anterioren sympathischen Nervensystem sind sie ebenfalls vorhanden. • Periphere NSZ gibt es vor allem in der Nähe des Herzens und des Verdauungstraktes. Produktionsort eines neurosekretorischen Hor- mons und die Stelle seiner Freisetzung aus dem neurosekretorischen Endbläschen können weit auseinander liegen. Ein Beispiel aus der Gruppe der Insekten stellt das Eclosion Hormone (EH) bei Manduca sexta dar (Abb. 12-2). Dieses Hormon wird in Larven in 2 Paar ventromedianen NSZ des Gehirn s gebildet, deren Axone ipsilateral durch das gesamte ZNS ziehen und in den Proctodeum- nerv projizieren und dort EH freisetzen. In adul- ten Tieren der gleichen Art ist diese Gehirn-Proc - todeurn-Achse auch noch vorhanden. Bei den adulten Tieren wird jedoch EH zusätzlich noch in anderen NSZ im Gehirn gebildet und dann auch aus dem Corpora allata/Corpora cardiaca-Kom- plex freigesetzt. Nicht nur der Ort der Synthese und der Freisetzung von EH ändern sich während der Entwicklung, sondern auch die Regulation der Hormonabgabe: In allen Entwicklungsstadien ist für die Freisetzung des Eclosion Hormons ein abfallender Titer des Häutungshormones notwen- dig, bei den Adulten kommt noch die Regulation durch eine circadiane Uhr hinzu. Axonendigungen mehrerer NSZ können häufig gebündelt in enger räumlicher Nachbarschaft zur Hämolymphe stehen und damit lokal begrenzt Neurohormone abgeben. Solche Strukturen nennt man Neurohämalorgane. Das wohl bekannteste Neurohämalorgan der Insekten stellen die Cor- pora cardiaca (s. 12.1.2) dar. Darüber hinaus gibt es noch mehrere andere Neurohämalorgane oder -Zonen, z. B. die perisympathetischen Organe, Aorta-Wände, bei manchen Arten auch die Um- hüllung der Corpora allata (s. 12.1.2), sowie Neu- rohämalorgane im Gehirn , dem Suboesophageal- ganglion und in Abdominalganglien (Abb. 12-1). Eine Reihe von NSZ endigen auch direkt an Effek- torsystemen, z. B. an Muskeln, Darmzellen, Spei-

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12 Endokrinologie

Klaus-Dieter Spindler

12.1 Hormone und ihreBildungsorte

12.1.1 Neurosekretorische Zellenund Zentren

Neurosekretorische Zellen (NSZ) wurden zu­nächst lichtmikroskopisch aufgrund ihrer ver­meintlich spezifischen histologischen Anfärbbar­keit oder im Transmissions-Elektronenmikroskopaufgrund der zahlreich vorhandenen Grana miteinem Durchmesser von etwa 100 bis 400 nmDurchmesser, nachgewiesen. Charakteristisch sindauch der hohe Gehalt an rauhem endoplasma­tischem Retikulum, sowie die zahlreichen aufge­weiteten axonalen Endbläschen, die Speicherortefür die neurosekretorischen Grana darstellen unddie der Freisetzung über eine Calcium-vermittelteExocytose dienen. Inzwischen können die Inhalts­stoffe neurosekretorischer Zellen eindeutiger cha­rakterisiert werden: Neuropeptide durch immun­histochemische Methoden und Massenspektro­skopie und biogene Amine durch fluoreszenzmi­kroskopisehe Verfahren. Außerdem können dieseZellen durch Füllung mit Kobalt und fluorogenenSubstanzen lokalisiert werden. Diese Verfahrenwurden auch eingesetzt um Aktivitätszyklen vonNSZ zu erfassen. Eine eindeutige Beziehung zwi­schen Anfärbbarkeit und der Aktivität der NSZmuss aber nicht immer bestehen.

NSZ wurden bei allen Metazoen nachgewiesen.Es handelt sich um Zellen, die typische neuronaleAktivitäten aufweisen und zudem noch sekreto­risch tätig sind. Konventionelle Neurone sendenihre Axone direkt zu den Zielorganen . Das chemi­sche Signal wird über die sehr kurze Distanz dessynaptischen Spaltes (10 bis 50 nm) abgegebenund seine physiologisch wirksame Konzentrationwird rasch auf und wieder abgebaut. Neurosek­retorische Zellen dagegen geben ihr(e) Sekretions­produkt(e) an das Blut oder die Hämolymphe ab,die Wirkorte können weit entfernt sein. Die phy­siologisch wirksame Konzentration wird wesent­lich langsamer auf- und abgebaut.

NSZ kommen bei Insekten an sehr unterschied­lichen Stellen vor (Abb. 12-1):

• Im Cerebralganglion sind im Protocerebrumausser den pars intercerebralis noch die lateralenNSZ sowie die tritocerebralen NSZ nachgewie­sen, sowie auch vereinzelte NSZ im Deutocere­brum.

• In den Ganglien des Bauchmarks,• Im anterioren sympathischen Nervensystem

sind sie ebenfalls vorhanden.• Periphere NSZ gibt es vor allem in der Nähe des

Herzens und des Verdauungstraktes.

Produktionsort eines neurosekretorischen Hor­mons und die Stelle seiner Freisetzung aus demneurosekretorischen Endbläschen können weitauseinander liegen. Ein Beispiel aus der Gruppeder Insekten stellt das Eclosion Hormone (EH) beiManduca sexta dar (Abb. 12-2). Dieses Hormonwird in Larven in 2 Paar ventromedianen NSZ desGehirns gebildet, deren Axone ipsilateral durchdas gesamte ZNS ziehen und in den Proctodeum­nerv projizieren und dort EH freisetzen. In adul­ten Tieren der gleichen Art ist diese Gehirn-Proc ­todeurn-Achse auch noch vorhanden. Bei denadulten Tieren wird jedoch EH zusätzlich noch inanderen NSZ im Gehirn gebildet und dann auchaus dem Corpora allata/Corpora cardiaca-Kom­plex freigesetzt. Nicht nur der Ort der Syntheseund der Freisetzung von EH ändern sich währendder Entwicklung, sondern auch die Regulation derHormonabgabe: In allen Entwicklungsstadien istfür die Freisetzung des Eclosion Hormons einabfallender Titer des Häutungshormones notwen­dig, bei den Adulten kommt noch die Regulationdurch eine circadiane Uhr hinzu.

Axonendigungen mehrerer NSZ können häufiggebündelt in enger räumlicher Nachbarschaft zurHämolymphe stehen und damit lokal begrenztNeurohormone abgeben. Solche Strukturen nenntman Neurohämalorgane. Das wohl bekanntesteNeurohämalorgan der Insekten stellen die Cor­pora cardiaca (s. 12.1.2) dar. Darüber hinaus gibtes noch mehrere andere Neurohämalorgane oder-Zonen, z. B. die perisympathetischen Organe,Aorta-Wände, bei manchen Arten auch die Um­hüllung der Corpora allata (s. 12.1.2), sowie Neu­rohämalorgane im Gehirn , dem Suboesophageal­ganglion und in Abdomin alganglien (Abb. 12-1).Eine Reihe von NSZ endigen auch direkt an Effek­torsystemen, z.B. an Muskeln, Darmzellen, Spei-

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-........2--<:--- - nh

-t- - - ne

--,r::- np

Abb. 12-1: Schematische Darstel­lung von neurosekretori schen Zei­len und Zentren sowieOrten derFreisetzung neurosekretorischen Materi­als in Insekten . Punkte stellen neurose­kretorische Zellen (NSZ) dar, die im Ge­hirn in der pars intercerebralis (pi), demlateralen (la)und dem tritocerebralen(tc) Bereich zu Komplexen zusammenge­fasst sind. CA = Corpora allata, CC =Corpora cardiaca, ne = NeuroeffektorEndigungen, nh= Neurohämal Zonen,np = Neuropil - neurosekretorische En­digungen, ps = perisympathische Orga­ne. (Modifiziert nach Raabe, 1989).

cheldrüsen, Malpighischen Gefäßen, Spermathe­ken und dem Ovidukt. Aus elektronenmikroskopi­schen Untersuchungen weiß man, dass viele dieserNSZ peptiderge und aminerge Vesikel enthalten.NSZ von Insekten sind daher nicht nur Produk­tionssteIlen "typi scher" peptiderger Neurohor­mone, sondern sie können auch peptiderge undaminerge Neurotransmitter und Neuromodulato­ren sowie biogene Amine mit typischer Hormon­funktion produ zieren.

12.1.2 Corpora allata/Corporacardiaca-Komplex, Ringdrüse

Die Corpora allata (CA) sind Produktionsort derJ uvenilhormone. Sie entstehen als paarige Einstül­pungen des Ektoderms im Bereich des Maxillar­segments oder zwischen Maxillar- und Mandibu­larsegment. Bei höher entwickelten Arten wan­dern sie aus ihrer ursprünglich mehr ventralenLage nach dorsal und treten dort in Kontakt mitden Anlagen der Corpora cardiaca oder mit Ner­ven, die aus den CC projizieren (Abb. 12-3). DieCA sind doppelt innerviert: Durch die aus demProtocerebrum stammenden nervi corporis allati

G ----+-7-

BM -----1'-----------,f-

PN - - -+- --1

Abb. 12·2: Übersicht über das Eclosion Hormone (EH)System im Nervensystem der Puppe von Manducasexta. Bildungsort sind 4 Neurone im ventromedianen Bereichdes Gehirns (= G). Ihre Axone durchziehen das gesamte Bauch­mark ( = BM) und setzen EH in Proetodaeums-Nerven (= PN)frei. (Modifiziert nach Truman, 1992)

I, die aus neurosekretorischen und normalen neu­ronalen Fasern zusammengesetzt sind und dieCorpora cardiaca durchziehen und durch die ner­vus corporis allati II aus dem Subösophagi algang­lion. Die Achse Gehirn (Neurosekretorische ZeI­len) - Corpora cardiaca - Corpora allata ist be­reits vor dem Schlüpfen voll ausgebildet.

Die CA sind rund bis oval. Die einfache Geo­metrie der CA erlaubt es, leicht Größen- oderVolumenmessungen vorzunehmen . Man knüpftedaran die Hoffnung, Aussagen über die Synthe-

12.1 Hormone und ihre Bildungsorte 347

seaktivität der CA treffen zu können. Zum Teilbesteht auch eine positive Korrelation zwischenGröße bzw. Volumen und dem Ausmaß der Juve­nilhormon-Produktion, etwa während eines Häu­tungszyklus oder im Zusammenhang mit der Vi­tellogenese. So sind z. B. bei Hummeln der ArtBambus terrestris die CA und auch die Juvenil­hormon-Syntheseaktivität bei Arbeiterinnen inAnwesenheit der Königin deutlich kleiner als beider Königin selbst. Diese positive Korrelation hataber keine generelle Gültigkeit. So gibt es z. B.Hypertrophi e der Corpora allata bei Männchenund ausgeprägte zyklische Schwankungen der JH­Synthese ohne entsprechende Größenänderungender Hormondrüse.

Die CA produzieren nicht nur Hormone, son­dern bei Schmetterlingen und Käfern enden darinauch die Endbläschen neurosekretorischer Zellendes Gehirns. Bei Manduca sex ta stellen die CAaußerdem ein Neuroh ämalorgan dar, das zur Frei­setzung des großen Prothorakicotropen Hormons(PTTH) aus den lateralen neurosekretorischenZellen der Gruppe III dient (Abb. 12-4).

Abb. 12-3: Schematische Darstellung der Corpora allata(punktiert) und ihrer lage und Innervierung bei ver­schiedenen Insekten - Gruppen: 1 = Ursprung der CA, 2 =Thysanura, 3 = Odonata, 4 = verschiedene holometaboleGruppen, 5 = Hemiptera, 6 = höhere Diptera. A = Aorta; Bm =Bauchmark, CC = Corpora cardiaca; D = Darm; HG = Hypo­cerebraI Ganglion l = labrum, la = labium, Md = Mandibel;Mx= Maxille; SG = Subösophagial Ganglion. (Modifiziert nachCassier, in: Gupta, 1990).

348 12 Endokrinologie

111

CC

CA

~":::::'=--- TN

r=:::::;:::::::~~/,'I7~~- NCC-NR

NCC 5

Abb. 12-4: Schematische Darstel­lung des cerebralen neurosekreto­rischen Systems und der Innervie·rung der Corpora cardiaca (CCl in5. larvenstadien oder adultenSchmetterlingen. I bis IV: Gruppenneurosekretorischer Zellen (schraffiert).Die Gruppe I projiziert ipsilateral, dieGruppen 11 und 111 contralateral über dienervi corpori cardiaci 1+2 (NCC 1+2) inden Corpus cardiacum-Corpus allaturn­(CA)-Komplex. Die tritocerebrale GruppeIV projiziert über die nervi corpori car­diaci 3 (NCC 3) zum Corpus cardiacum-Corpus allatus-Komplex. A= aorta; F=frontal ganglion; G=Gehirn; NCC 3, =nervus corporis cardiaci 3; NCC 5 =nervus corporis cardiaci ventralis; NCC­NR = nervi corpori cardiaci - nervusrecurrens; NR = nervus recurrens; SG =Suboesophagial Ganglion; TN = Tegu­mental Nerv. (Modifiziert nach Ichikawa,J. exp. Biol. 161 ,217, 1991 und Co­penhaver and Truman, J. Neurosci. 6,1738, 1986).

Die Corpora cardiaca (CC) (Abb. 12-4)sind einkomplexes Organ. Sie entstehen embryonal auspaarigen Zellgruppen , die aus dem dorsalen Dachdes Stomodaeums evaginieren und während desdorsalen Rückenschlusses ihre definitive Lage ein­nehmen. Schon vor dem Schlüpfen der Larve sindin Zellen der CC Zeichen neurosekretorischer Ak­tivität festzustellen. In Imagines bestehen die CCaus mindestens 3 verschiedenen Zelltypen: Glia­zellen, neuronalen und glandulären Zellen. Dieneuronalen Zellen werden auch als extrinsischeZellen bezeichnet. Sie speichern und sezernierenNeurohormone, die in den Perikaryen typischerNSZ aus dem Gehirn oder aus Ganglien gebildetwerden. Axone von NSZ aus dem medianen Be­reich des Gehirns (pars intercerebralis) sind ge­bündelt und stellen die beiden nervi corporis car­diaci I (NCC I) dar, solche aus lateralen Bereichendie nervi corporis cardiaci 11 (NCC 11) und fallsaus dem Tritocerebrum noch Axone neurosekreto­rischer Zellen in die CC ziehen, sind diese zu dennervi corporis cardiaci III gebündelt. NCC I und11 können auch verschmolzen sein. Die glandu­lären - auch intrinsisch genannten - Zellen habenihre Zellkörper in den CC selbst und produzierenauch ihre eigenen Sekretionsprodukte, die adipoki­netischenHormone (s. 12.2.5). Diese neurosekreto­rischen Zellen sind innerhalb der CC dispers ver­teilt und nur bei Locusta bilden sie einen zusam­mengehörigen und vom Speicherteil der CC ge­trennten glandulären Lobus. Bei Schmetterlingenund Käfern ziehen die NCC durch die CC durch

und enden mit ihren neurosekretorischen End­bläschen entweder an der Aortawand oder in einerHülle um die CA.

12.1.3 Häutungsdrüsen

Die Häutungsdrüsen der Insekten (Abb. 12-5)werden in der Embryogenese noch vor dem dor­salen Rückenschluss angelegt. Ektodermale Zellenaus dem Labialsegment invaginieren und bildenzunächst eine schlauchförmige Struktur aus. DieseAnlagen lagern sich im weiteren Entwicklungsver­lauf den ebenfalls im Labialsegment gebildetenSpeicheldrüsen an. Sie wachsen aus, werden kom­pakt und haben, je nach Insektenart, schon amEnde der Blastokinese die endgültige Zellzahl er­reicht. Die Häutungsdrüsen können an der Kopf­kapsel als Ventraldrüsen angeheftet im Kopf ver­bleiben. Sie können aber auch caudad auswachsen,mit der Kopfkapsel verwachsen oder frei sein. Indiesen Fällen bezeichnet man sie dann als Pro­thoraxdrüsen. Ursprünglichere Taxa weisen Ven­traldrüsen auf, während Blattoidea, Hemipteroi­dea und alle holometabolen Insekten Prothorax­drüsen besitzen. Prothoraxdrüsen legen sich häu­fig eng an Tracheen oder auch Muskelfasern anund umwachsen diese zum Teil. Sie sind inner­viert, meist vom Prothorakal- und Suboesopha­gialganglion, bei Lepidopteren noch zusätzlichvom Mesothorakalganglion. Bei Dipteren schlie-

12.1 Hormone und ihre Bildungsorte 349

A

c

B

o

rI'\, ~••.. ' , . . ....

......- "~'

1·····,

.J T

r 'c-: 'l..

F

SG

MG-~~J--4-

G

PG

Abb.12·5: Häutungsdrüsen und assoziierte Organe in Larvenstadien verschiedener Insekten - Gruppen: A =Ephemeroptera, B= Isoptera, C=Lepidoptera (Bombyx moii), D=Lepidoptera (Hyalophora), E=Orthoptera (Gryllus bimaculatus),F= höhere Diptera, G= Dictyoptera (Periplaneta americana). CA =Corpora allata, CC = Corpora card iaca, MG = MesothorakaiGanglion, PD = Prothorax Drüse, PG = Prothorakal Ganglion, SG = Subösophagial Ganglion, T = Tracheen. (Modifiziert nachBeaulaton, in: Gupta, 1990).

Ben sich die Prothoraxdrüsen zu einem Corporaallata/Corpora cardiaca -Komplex zur so genann­ten Ringdrüse zusammen. Lage und Aussehen derHäutungsdrüsen sind daher sehr vielgestaltig(Abb. 12-5).

Es ist bis jetzt nicht eindeutig untersucht worden, zuwelchem Zeitpunkt die Häutungsdrüsen erstmals Hor­mone synthetisieren. Licht- und elektronenmikrosko­pisch kann man schon während der Embr yogenese 2

Aktivitätszyklen der Prothoraxdrüsen feststellen, diezeitlich mit der Ablagerung der 2. und 3. (larvalen)embryonalen Kutikula korrelieren. Diese zyklischen Än­derungen spiegeln sich auch in Titeränderungen an Ec­dysteroiden wider, wobei nicht nur die Synthese, sondernauch die Freisetzung von Ecdysteroiden aus Konjugatenentscheidend ist. Während der postembryonalen Ent­wicklung nimmt die Größ e und bei einigen Gruppenauch noch die Zellzahl der Häutungsdrüsen zu. In derPuppe oder häufiger in den Imagines kommt es aber

350 12 Endokrinologie

meist zu einer Degeneration der Häutungsdrüsen. Hier­bei wirken die Häutungshormone selbst als Auslöser fürApoptose und Autophagie.

Die Feinstruktur der Häutungsdrüsen wurde beimehreren Arten intensiv untersucht. Charakteris­tische Bestandteile sind: ein hoher Anteil glattenendoplasmatischen Reticulums (sER) und vielefreie Ribosomen, wie sie für Steroide produzie­rende Zellen typisch sind . Es kommt aber auchraues endoplasmatisches Reticulum (rER) vor, dasal~ Produktionsort für Ecdysteroid-Transportpro­teme angesehen wird . Die Plasmamembran der~äutungsdrüsen weist starke Einfaltungen auf, dieem ausgeprägtes Lakunensystem bilden können.Bei mehreren Arten (Tenebrio molitor, Aeschnacyanea, Galleria mellonella) wurden auch Lipid­vakuolen beschrieben, die als Speicher für Cho­lesterin angesehen werden, das als Vorstufe für dieEcdys~eroidsynthese benötigt und von Arthropo­den nicht selbst synthetisiert werden kann, in derNahrung aber reichlich vorhanden ist. Im Verlaufeines Häutungszyklus kommt es zu ausgeprägtenVeränderungen der Feinstruktur. Die Membran­einfaltungen nehmen an Größe zu, wenn die Drü­sen Ecdysteroide synthetisieren und sie werdenreduziert kurz vor einer Häutung, wenn der Ec­dysteroidspiegel bereits abgefallen ist. Ein gleich­artiger Verlauf ist auch für das sER beobachtbar.Im Verlauf der Ecdysteroidsynthese nehmen dieLipidvakuolen und auch die Glykogengrana ab.Wie für alle Drüsen, die Steroidhormone produ­zieren, gilt auch für die Häutungsdr üsen, dass sieEcdysteroide nach Bedarf synthetisieren und keineSpeicherorte für diese Hormone darstellen.

12.1.4 Reproduktionsorgane

Im Gegensatz zu Vertebraten ist die Synthese vonHormonen in den Fortpflanzungsorganen der In­sekten bisher nur bei wenigen Arten nachgewiesenworden, obwohl bei vielen Insekten - aber auchanderen Arthropoden - in Gonaden Ecdysteroideund Juvenilhormone gefunden wurden. Die Syn­these von Ecdysteroiden ist in Hoden einigerSchmetterlinge und Orthopteren und in den Folli­kelzelIen der panoistischen Ovarien von Locustamigratoria, Gryllus bimaculatus und Nauphoeta ci­nerea gezeigt worden. In diesen Arten wird in denvitelIogenen Oocyten der Block der Meiose wäh­rend der Prophase durch Ecdyson aufgehoben.O~arien produzieren zudem noch Peptidhormone,WIe z.B. Neb~TMOF (s. 12. 2. I), die u.a. anhormonellen Regulationen, etwa der Eireifungbeteiligt sind. '

12.1.5 Andere Gewebe alsHormonproduzenten

Am B:ispiel der Reproduktionsorgane (12.1.4)und bel der Besprechung pleiotroper Effekte vonHäutungshormonen (12.2.1) wird offensichtlichdass außer Häutungsdrüsen auch andere Geweb~Ecdysteroide zu synthetisieren vermögen. AusserOvar und Testis sind noch Oenocyten und dasIntegument in der Lage, Ecdysteroide in geringenMengen zu synthetisieren. Die physiologische Be­deutung dieser zusätzlichen Ecdysteroidsyntheseist nicht in allen Fällen klar. Zwar gibt es Befundedass im frühen letzten Larvenstadium isoliert~Abdomina ohne Prothoraxdrüse eine puppale undsogar adulte Häutung durchlaufen können; die~cdyster~idspiegel sind aber deutlich niedriger alsIm GanztIer. Ecdysteroide aus der Epidermis spie­le~ vermutlich eher eine Rolle als auto- oder para­~nne. Media~oren, die in der Epidermis über gapjunctions weitergeleitet werden.

Zu den Hormondrüsen und neurosekretori­schen Zellen kommt noch das sogenannte "diffuseendokrine System" hinzu . Es handelt sich hierbeium Zellen, die zwischen die VerdauungszelIen desMitteldarmes eingestreut sind und deren Fein­struktur den endokrinen Zellen des Darmes vonVertebraten entspricht. Außerdem wurden in die­sen Insektenzellen mit immuncytochemischen Me­thoden bei Vertebraten vorkommende und meta­bolisch wirksame Peptidhormone wie Gastrin<?holcystokinin, Pankreatisches Polypeptid, Insu~Im, Glucagon, Vasopressin, aber auch Opioide wieß-Endorphin .und Enkephaline, sowie peptidergeNeurotransmitter der FMRFamid-Familie nach­gewiesen.

Bereits vor der Ausbildung der Hormondrüsensind die entsprechenden Hormone schon währendder Embryogenese nachzuweisen. Die Herkunftdieser Hormone wie Ecdysteroide, Juvenilhormonund Neuropeptidhormone (PTTH in Manducasexta und Bombyx mori, sowie Diapausehormoni~ B. ~ori) in Embryonen vor der Ausbildung dereigentlichen Hormondrüsen ist unterschiedlich.H.äufig wurde ein maternaler Ursprung nachge­WIesen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeitder Synthese durch andere Gewebe. So kann JHIII ~~ der Serosa von Locusta migratoria syn­thetisiert werden , bevor die Corpora allata an­gelegt sind. Erst in späteren Stadien der Embryo­genese kommt die Hormonsynthese der dann be­reits ausgebildeten endokrinen Drüsen hinzu.

12.1.6 Hormonrezeptoren

Zu einem Hormonsystem gehören definitionsge­mäß außer der Hormondrüse als Bildungsort unddem Transportweg über die Hämolymphe nochder oder die Wirkorte, die durch den Besitz spezi­fischer Erkennungsstrukturen oder Rezeptoren fürein entsprechendes Hormon ausgezeichnet sind .Für Insekten liegen umfassendere Kenntnisse überdie Struktur, Funktion und Verteilung von Re­zeptoren nur für den Ecdysteroidre~ept~r vor. Derfunktionelle Ecdysteroidrezeptor Ist ein Hetero­dimer aus dem Ecdysteroidrezeptor (EcR) undeinem zweiten Transkriptionsfaktor, ultraspiracle(USP) . Beide Proteine zählen zur großen .Familieder nukleären Rezeptoren. Der Ecdysteroidrezep­tor konnte autoradiographisch mithilfe des radio­aktiv markierten Ecdysteroidagonisten Ponaste­ron A oder immuncytochemisch in vielen Ge­weben, z. B. in spezifischen Zielorganen wie derEpidermis und dem Nervensystem und in einemausgeprägt entwicklungsabhängigen Muster nach­gewiesen werden. Ecdysteroidreze~toren findetman u. a. auch in den neurosekretonsehen Zellen,die das prothoracicotrope Hormon (PTTH) aus­schütten, in den Häutungsdrüsen seIbst, aber auchin Geweben, die Ecdysteroide metabolisieren wiedem Fettkörper und den Malpighischen Gefäßen.Diese Befunde machen es wahrscheinlich, dassEcdysteroide ihre eigene Synthese und ihren ~eta­

bolismus über Ecdysteroidrezeptor-vermittelteProzesse regulieren . Der Ecdysteroidrezeptorkann bei einer Art in 2 bis 3 Isoformen vor­kommen . Für Drosophila melanogaster wurde ge­zeigt, dass die Expression einer spezifischen Is~­

form charakteristisch ist für Zellen im ZNS, diebeim Übergang von der Puppe zum adulten Tiereinem programmierten Zelltod unterliegen. ~cdy~­teroidrezeptoren wurden neuerdings auch In ~l­

nem charakteristischen Verteilungsmuster an Rie­senchromosomen von Chironomus tentans detek­tiert: sie sind auch notwendig für die Oogenese.Die' Induktion von Puffs durch Ecdysteroideführte vor über 30 Jahren zu dem allgemeingülti­gen Konzept der Steroidhormonwirkung in Formvon Regulation der Transkription.

Für einige wenige Peptidhormone wurden neu­erdings membranständige, mit G-Proteinen ge­koppelte Rezeptoren nachgewiesen , die. über se­cond messenger wie cAMP, cGMP sowie Hydro­lyseprodukte aus dem Signaltransduktionswegüber Phosphatidylinositol wirken .

12.2 Funktionen einiger ausgewählter Hormone 351

12.2 Funktionen einigerausgewählter Hormone

12.2.1 Häutungshormone und dieRegulation ihrer Synthese

Häutungshormone oder Ecdysteroide (Abb. 12-6)spielen eine zentrale Rolle beim Häutungsg.esc~e­

hen aller Arthropoden, sind aber weder dIe ein­zigen an diesem Prozess beteiligten Hormone,noch ist dies ihre einzige Aufgabe. Neben denmorphogenetischen Effekten in Form von Hä~­

tung, Metamorphose und Evagination von Im~g~­

nalscheiben können sie noch Wirkungen auf Eirei­fung und Embryogenese, Vitellogenese, Ovulation,Spermiogenese, Pheromon-Biosynthese, Syntheseund Aufnahme von Arylphorinen in den Fett­körper, Synthese unterschiedlichster Proteine undEnzyme, Farbwechsel, und das Verhalten ausüben,sowie einige nicht-genomische Effekte verursa­chen . Nicht alle diese Wirkungen treten aber ineiner Art auf.

Das in den Häutungsdrüsen oder anderen Ec­dysteroid-synthetisierenden Organen aus Chole­sterin gebildete Ecdysteroid ist meist Ecdyson undhäufig zusätzlich 3-Dehydroecdyson (Abb. 12-6),die in den Zielorganen zu biologisch aktiverenEcdysteroiden, z. B. dem am weitesten verbreiteten20-0H-Ecdyson (Abb. 12-6) umgewandelt wer­den. Die Synthese der Ecdysteroide wird durchPeptidhormone aus dem Gehirn, die,soge.nan~ten

prothorakicotropen Hormone (PTTH s) stIm~hert.

In den meisten Arten fand man sowohl meder­(4-7 kDa; PTTH-II) als auch hochmolekulare(22-30 kDa; PTTH-I) PTTH's; beide PTTH'skommen in einer Art in verschiedenen moleku­laren Varianten vor. PTTH's wirken über mem­branständige Rezeptoren; cAMP ist second mess­enger für beide prothoracicotrope Ho~mone'.Dieniedermolekulare Form fördert aber mcht bei al­len Arten die Ecdysteroidsynthese. Dies trifft z. B.für den Seidenspinner, Bombyx mori, zu, dessenPTTH-Il eine erstaunlich hohe Sequenz- undStrukturähnlichkeit zum Insulin aufweist . Nebenden PTTH's sind auch noch andere Hormone ander Regulation der Ecdysteroidsynthese beteiligt:zum einen Ecdysteroide selbst, zudem noch Juve­nilhormone und - ganz neu entdeckt das Hexa­peptid Neb-TMOF (Neobellieria (=Sarcophaga)bullata Trypsin Modulating Oostatic Factor), dasu. U. die Ecdysteroidsynthese hemmt. Außer derEinleitung von Häutungsprozessen durch Häu­tungshormone ist auch der letzte Schritt, das Ab­werfen der Exuvie, der Reste des alten Exoskeletts,bei der Ecdysis hormonell reguliert . Das verant-

352 12 Endokrinologie

HO

HO

~H

OH

o

'. ~H· · · · ·.~OH

o

Ecdyson

OHOHj

.......,

HO

HO

20-0H-Ecdyson

OH

3-0ehydro-Ecdyson

COOCH3

Juvenilhormon 111

Abb. 12-6:Strukturformeln einiger Ecdysteroide(Ecdyson und 3-Dehydroecdyson alsprimäre Syntheseprodukte, 20-0H-Ecdysonalsdas am meisten verbreitete biologisch aktive Häutungshormon) und von einem Juvenilhormon.

wortliehe Hormon, das Eclosion Hormone (EH) istbei Manduca sex ta, Bombyx mori und Drosophilamelanogaster beschrieben. Es ist ein Peptidhor­mon, das nach Bindung an einen membranstän­digen Rezeptor die Hydrolyse von Phosphatidyli­nositolen stimuliert und damit zur Bildung derintrazellulären Signale Inositoltrisphosphat undDiacylglycerol führt. Außerdem setzt es ein neu­ronal wirksames Peptidhormon aus den Epit ra­ehealdrüsen frei, das "ecdysis-triggering hor­mone" ,

12.2.2 Juvenilhormone und dieRegulation ihrer Synthese

Juvenilhormone (JH ) sind Sesquiterpenoide(Abb. 12-6) und kommen außer bei Insekten alsstrukturverwandte Hormone nur noch bei Crus­taceen vor. Sie können von beiden Taxa selbstsynthetisiert werden. Bei Insekten findet die Syn­these sowohl bei Larven als auch bei Adulten inden Corpora allata statt. JH haben mindestens 2wesentliche Funktionen: eine juvenoide und einegonadotrope. Sie sind für die Aufrechterhaltungdes larvalen Charakters verantwortlich und im

adulten Insekt für die Synthese des Vitellogeninsim Fettkörper, das Sexualverhalten in beiden Ge­schlechtern und die Ent wicklun g akzessor ischerDrü sen im männlichen Gen italapparat. Darüberhinaus sind sie z.T. noch an der Regulation spezi­fischer Färbungen im adulten Tier, der Induktionvon mehreren Proteinen wie z.B. Gefrier schutz­proteinen oder der Orn ith indecarboxyl ase betei­ligt. Der Wirkmechanismus der JH 's scheint kom­plex zu sein: es sind Wechselwirkungen mit Plas­mamembranen beschrieben , aber auch Bindungan intrazelluläre Rezeptoren. Auch ein Einflussauf die Stabilität von messenger RNAs wird be­schrieben.

Wie schon bei den Ecdysteroiden beschrieben,unterliegt auch die Synthese der Juvenilhormoneeiner Kontrolle sowohl durch niedermolekulareEffektoren wie z. B. Octopamin, im Wesentlichenaber durch 8 bis 14 Aminosäuren große Neu­ropeptidhormone, die in Form von Allatotropinendie Juvenilhormonsynthese fördern oder sie alsAllatostatine hemmen . Allatostatine haben abervermutlich noch andere Funktionen. So isolierteman aus einer Calliphora-Art Peptide, die aufGrund ihrer Primärstruktur in die Hormonfamilieder Allatostatine eingereiht werden, die aber beider eigenen Art die JH-Synthese nicht hemmen;

12.2 Funktionen einiger ausgewählter Hormone 353

LIV LV ppp

I

III

ECDYSIS

III,.-......I ............_.-......III

o 2

IIII

ECDYSIS WANDERPHASE

~

,,I

ECDYSIS, ECDYSISIII,II

Abb. 12·7:Titer an Häutungshormonen (-) und Juvenilhormon (... ) während der 4. und 5. Larvenstadien (L IV, LV)und der Metamorphose von Manduca sexta. I = Imago; P= Puppe; PP = Pharate Puppe. Die Entwicklungsdauer ist inTagenfür das jeweilige Stadium angegeben. (Modifiziert nach Riddiford, 1994).

sie wirken aber bei einer Schabe allatostatisch. Fürdie Aufrechterhaltung des zirkulierenden JH-Ti­ters spielen neben der Regulation der Synthese dieBindung von JH an Transportproteine in der Hä­molymphe sowie der Metabolismus, vor allemdurch Esterasen , eine entscheidende Rolle. SowohlTransportproteine als auch JH-Esterasen unter­liegen einer entwicklungsabhängigen Kontrolle.

12.2.3 Metamorphose

Für die hormonelle Regulation der Metamor­phose holometaboler Insekten ist das Wechselspielzwischen Häutungs- und Juvenilhormonen ent­scheidend (Abb. 12-7). Diese Interaktionen sindbesonders gründlich bei dem TabakschwärmerManduca sexta untersucht worden. Für jede Häu­tung, gleichgültig ob larval-larval, larval-puppaloder puppal-adult, sind Häutungshormone zwin­gend erforderlich. Im letzten (5.) Larvenstadiumdieses Schmetterlings sinkt der Juvenilhormontiterab. Erst in Abwesenheit von JH bildet sich der"kleine" Ecdysteroidpeak aus, der für das Um­programmieren von larvaler zu puppaler Entwick­lung entscheidend ist. Der "große" oder präpup­pale Ecdysteroidpeak ist für die Einleitung derHäutung notwendig . Gleichzeitig steigt auch derJH-Titer wieder an, was zur Folge hat, dass diedurch Ecdysteroide induzierbare Evagination derImaginalscheiben noch unterdrückt wird. Die Eva­gination kann erst dann beim Übergang von derPuppe zum adulten Tier erfolgen, wenn der Häut­ungshormontiter ansteigt aber kein JH mehr vor­handen ist. JH tritt erst wieder im adulten Insektals gonadotropes Hormon auf. Im letzten Lar­venstadium findet noch eine weitere wichtige hor­monale Umschaltung statt: Nach Durchlaufen bei­der Ecdysteroidpeaks wird in neurosekretorischen

Zellen jedes Abdominalganglions das Peptidhor­mon Bursicon synthetisiert , das die Sklerotisierungder Kutikula in Puppen und Adulten kontrolliert.

Die durch Ecdysteroide induzierte Metamor­phose umfasst eine Vielzahl entwicklungsabhän­giger Prozesse wie Zellproliferation, Zellwande­rung, Apoptose larvaler Gewebe und den Umbauvon Geweben, besonders ausgeprägt bei der Mus­kulatur und dem Nervensystem . Dass aber nichtnur die Expression mehrerer Transkriptionsfakto­ren zeitlich gestaffelt reguliert wird, sondern auchbasale metabole Prozesse wie z.B. die Glycolyse,konnte durch den Einsatz der Microarray Techno­logie beim Studium der Metamorphose von Dro­sophila melanogaster nachgewiesen werden.

12.2.4 Myotrope Hormone

Proctolin war das erste Peptidhormon, das auseinem Insekt isoliert und charakterisiert wurde. Esist ein Pentapeptid, das u.a. die Kontraktion glat­ter und quergestreifter Muskulatur, sowie des In­sektenherzens stimuliert. Inzwischen sind aus vie­len Insekten , besonders aber aus der Schabe Leu­cophaea maderae und der Heuschrecke Locustamigratoria sehr viele myotrop wirkende Peptideisoliert und in ihrer Struktur aufgeklärt worden.Allein aus Locusta migratoria sind bisher 27 Myo­tropine beschrieben. Der einfache biologische Test(Veränderung der Spontankontraktionen des End­darms von Leucophaea maderae) und sehr fort­geschrittene Trenntechniken wie die HPLC sowiephysikochemische Nachweisverfahren wie derMassenspektroskopie und Gasphasensequenzie­rung, ermöglichten ihren Nachweis. Die Aufklä­rung der physiologischen Bedeutung der einzelnenPeptidhormone und der Wirkmechanismen hinkthinter der Strukturaufklärung noch hinterher. Von

354 12 Endokrinologie

der Primärstruktur aus lassen sich einige Gruppenan myotropen Hormonen zusammenfassen: Ta­chykinine, die Verwandtschaft zu den Tachyki­ninen von Vertebraten aufweisen und die auch beiInsekten über G-Protein-gekoppelte Rezeptorenwirken. Außerdem findet man Kinine, Sulfakinine,die ein sulfatiertes Tyrosin aufweisen und einenhohen Grad an Sequenzähnlichkeit zu den gas­trointestinalen Hormonen Gastrin II und Cho­lecystokinin der Vertebraten aufweisen, sowie diekurzkettigen FMRF-Amid-ähnlichen Peptide, diein allen Tiergruppen vorkommen und häufig neu­romodulatorisch wirksam sind.

12.2.5 Adipokinetische Hormone

Bis heute sind 28 Peptide bekannt, die als adipoki­netischeHormone (AKH) beschrieben werden. DieNamensgebung erfolgte nach dem ersten beschrie­benen Hormon aus Schistocerca gregaria, das imFettkörper Fette abbaut. Alle beschriebenen AKHweisen einen hohen Grad an struktureller Ähn­lichkeit auf, sie können aber sehr unterschiedlicheFunktionen ausüben . AKH bestehen aus 8, 9 oder10Aminosäuren . Sowohl die N-termin ale als auchdie C-terminale Aminosäure sind blockiert inForm von pyro-Glutamyl, bzw. als Amid.

Namensgebung und Hauptfunktion müssennicht übereinstimmen, wie dies im Falle von Alla­tostatinen (12.2.2) und Neb-TMOF (12.2.1) be­reits beschrieben wurde. In diese Hormonfamilie(AKH-RPCH-Familie) gehört auch noch das ersteaus einem Wirbellosen isolierte und charakteri­sierte Peptidhormon, das Red Pigment Concen­trating Hormone (RPCH) aus Crustaceen . In vie­len bisher untersuchten Insektenarten kommengleichzeitig 2 verschiedene AKH vor, wobei diephysiologische Notwendigkeit unbekannt ist. Inden meisten Arten haben die beiden Hormonekeine qualitativ, sondern allenfalls quantitativ un­terschiedlichen Effekte. Im wesentlichen beruhendie Wirkungen der AKH auf einer Mobilisierungvon Energie. Dabei können im gleichen Tier so­wohl Lipid- als auch Glykogenspeicher betroffensein, zusätzlich wird der Proteinstoffwechse1 be­einflusst. Die mengenmäßigen Anteile dieser Ener­gieträger sind artspezifisch. Auslöser für die Ak­tivierung des Energiestoffwechsels ist z. B. der Be­ginn des Fluges, der zu einer Ausschüttung vonAKH führt. Da aber auch nichtfliegende Insektenwie etwa die Stabheuschrecke Carausius morosusoder Larvenstadien von Heuschrecken, sowie ei­nige sehr langsam bewegliche Käferarten überAKH verfügen, kann die Bereitstellung von Ener­gie für den Flug durch AKH nicht die alleinigeAufgabe dieser Hormone sein. Eine Bedeutung für

den Lipidtransport, sowie den Metabolismus unddie Aufnahme von Lipiden in den Flugmuskelwurden für Heuschrecken nachgewiesen. EinigeMitglieder der AKH/RPCH-Familie weisen auchmyotrope Aktivität auf.

12.2.6 Hormonelle Regulation desWasserhaushaltes

Die Regulation des Wasser- und Mineralhaushal­tes ist für landlebende Insekten von enormer Be­deutung. Neben Baumerkmalen, die Wasserver­lust verhindern helfen wie beispielsweise Cuticulaund Tracheenatmung, ist aber umgekehrt beiPflanzensaft- oder Blutsaugenden Insekten einewirksame Abgabe überschüssiger Flüssigkeit not­wendig (s. 4.5.4). So kann z. B. eine weiblicheAnopheles bei einer Blutmahlzeit mehr als dasZweifache des eigenen Körpergewichtes an Flüs­sigkeit aufnehmen und mit der Exkretion vonWasser schon während der Mahlzeit beginnen. Beiallen diesen Regulationen spielen Hormone einegroße Rolle. Sie können dabei im wesentlichen an 2Stellen angriffen: a) diuretische Hormone (DH)stimulieren die Produktion des Primärharnes inden Malpighischen Gefäßen und b) antidiuretischeHormone (ADH), fördern die selektive Reabsorp­tion durch den Enddarm. Als Ausnahme ist beider Grille Acheta domesticus ein ADH bekannt,das antagonistisch zum DH direkt an den Mal­pighischen Gefäßen angreift.

Die Aufklärung der funktionellen Bedeutungund der Wirkmechanismen der DH und ADHwird u.a. dadurch erschwert, dass z.B. die diureti­sche Wirkung in ein und derselben Art durchmehrere Hormone verursacht sein kann . So sindin Locusta migratoria 3 verschiedene diuretischePeptidhormone beschrieben: eines, das Ähnlich­keit mit dem Corticotropin Re1easing Faktor(CRF) hat, ein zweites, das eine hohe Sequenz­ähnlickeit mit dem ebenfalls aus Vertebraten be­schriebenen Hypophysen - Hinterlappen HormonArginin-Vasopressin (bzw. Arginin-Vasotocin;AVP, bzw. AVT) hat und ein drittes, das aus 46Aminosäuren besteht (Lom-DH = Locusta mi­gratoria Diuretisches Hormon). Allen gemeinsamist, dass sie an membranständige Rezeptoren bin­den und daraufhin in den Malpighischen Gefäßenvermehrt cAMP als second messenger gebildetwird und als Folge die Sekretionsrate erhöht wird.Das AVP-ähnliche diuretische Hormon wird inden Thorakal- und Subösophagealganglien gebil­detes. Es ist als Monomeres biologisch unwirksamund wirkt nur als Dimeres; die beiden Monomeresind antiparallel kovalent miteinander verknüpft .Lom-DH kommt im Gehirn, im wesentlichen aber

in den Speicherloben der Corpora cardiaca vorund erreicht eine maximale Wirkung bereits beieiner Konzentration von 5 x 10-12 M.

12.3 Eingriffe in das Hormon­system als Mittel zurSchädlingsbekämpfung

Das Vorkommen Arthropoden-spezifischer Hor­mone, wie Juvenilhormone und Ecdysteroide bie­tet einen Ansatzpunkt für die Entwicklung vonInsektiziden mit geringer Wirbeltier-Toxizität.Aufgrund der einfacheren chemischen Struktur imVergleich zu Ecdysteroiden werden Juvenilhor­monanaloge schon seit über 30 Jahren syntheti­siert und erfolgreich zur Schädlingsbekämpfungeingesetzt. Durch chemische Modifikationen derJH's konnten Agonisten gewonnen werden , die imVergleich zu den endogenen JH 's sowohl photo­chemisch stabiler als auch schlechter metabolischabbaubar sind . Aufgrund der Metamorphose­hemmenden Wirkung der JH kann allerdings dasProblem auftreten, dass unter dem Einfluss dernoch vorhandenen Ecdysteroide zusätzliche undgrößere Larvenstadien induziert werden, was imFalle von Arten, bei denen die Larven Fraßschäd­linge sind , unerwünscht ist. Zudem sind auchschon die ersten Resistenzen gegen Juvenilhor­mon-Analoge nachgewiesen worden. InsektizideWirkung von mehreren Substanzen, die entwederzu einem Verlust oder einer Hemmung der JH­Synthese führen, wurde ebenfalls nachgewiesen.Da für eine wirkungsvolle Bekämpfung aber hö­here Dosen notwendig sind und da zudem einigeder Substanzen z. B. bei den meisten holometabo­len Insekten nicht wirken , haben sich diese Sub­stanzen zwar als wertvolle Hilfsmittel für das La­bor erwiesen, aber nicht als Insektizide für dasFreiland.

Ecdysteroide können insektizide Wirkung ha­ben, wenn sie in hoh en Dosen oder zu "falschen"Zeiten im Häutungszyklus gegeben werden . Einechemische Synthese von Ecdysteroiden ist zwarmöglich , aber wirtschaftlich unrentabel; gleichesgilt auch für die Isolierung aus pflanzlichem Mate­rial. Erst durch die Entwicklung einfacher gebau­ter, nicht-steroidaler Häutungshormon-Agonisten,den Benzoylhydrazin-Derivaten, ist dieser Angriffs­punkt attraktiv geworden . Diese Substanzen bin­den mit hoher Affinität an den Ecdysteroidrezep­tor und lösen damit ecdysteroid-vermittelte Re­aktionen aus, z.B. zu früh induzierte Häutungen.Eine Wechselwirkung mit Steroidhormonrezepto­ren aus Wirbeltieren konnte ausgeschlossen wer­den. Die Toxizität gegenüber Säugern ist außer-

Verzeichnis weiterführender Literatur 355

ordentlich gering . Zumindest im Labormaßstabsind aber Resistenzen gegenüber diesen Hormona­gonisten beobachtet worden , die auf verändertenEcdysteroidrezeptoren beruhen. Eine Hemmungder Synthese oder Veränderungen des Metabo­lismus der Ecdysteroide, z. B. durch Extrakte desNeem Baumes in denen als wirksame Komponen­ten Azadirachtine vorhanden sind, wird neuer­dings als Schädlingsbekämpfungsmaßnahme inAfrika und Indien angewandt.

Attraktiv erscheint auch ein Eingriff in dasSystem der Peptidhormone, da hier nicht nur Ar­thropoden-, sondern sogar Artspezifität vorliegt.Rezeptorblocker oder Mimetika für Neuropeptid­hormone, Antagonisten und Superagonisten, so­wie Enzyminhibitoren, sowohl für die Synthese alsauch den Abbau werden als mögliche Insektizidediskutiert. Hohe Gestehungskosten für Peptide,proteolytischer Abbau und die Verfügbarkeit derentsprechenden Substanzen am Wirkort stellennoch Probleme für eine Anwendung dar. Ein Ein­bau von Genen, die für Peptidhormone aus In­sekten kodieren, entweder in Pflanzen, die vonInsekten befallen werden, oder in Baculoviren, diez. T. art- oder zumindest gruppenspezifisch In­sekten befallen , ist zumindest im Labormaßstabbereits erfolgreich durchgeführt worden. Versuche,virale Insektizide dadurch noch zu verbessern,dass in das Genom des Baculovirus zusätzlich dasGen für die JH-Esterase integriert wurde, erbrach­ten bisher aber nicht den gewünschten Effekt .

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